DER THEATERFÖRDERVEREIN - Ausgabe: Juli / August 2019 - Fest der Vielfalt - Verein zur Förderung des ...

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DER THEATERFÖRDERVEREIN - Ausgabe: Juli / August 2019 - Fest der Vielfalt - Verein zur Förderung des ...
DER THEATERFÖRDERVEREIN
Ausgabe: Juli / August 2019

                              S. 2       Fest der Vielfalt
                              S. 6/7     Ballett rührt zu Tränen
                              S. 12/13   Weltbild der Widersprüche
                              S. 14/15   Heilige Johanna
DER THEATERFÖRDERVEREIN - Ausgabe: Juli / August 2019 - Fest der Vielfalt - Verein zur Förderung des ...
FEST DER VIELFALT VOR DEM VOGTLANDTHEATER
GENERALINTENDANT ROLAND MAY
ZUR VERANSTALTUNGSPLANUNG AUF DEM THEATERVORPLATZ
Irritiert zeigt sich Generalintendant Roland   Pausen. Am Sonnabendnachmittag geht           gegen die kommunistische Gewaltherr-
May über die Unsensibilität der Behörden       die dritte Vorstellung der Erfolgsinszenie-   schaft im Jahre 1989 verbunden und er-
bei der Veranstaltungsplanung für den          rung für Familien, Erich Kästners Pünkt-      innern gerade im 30. Jubiläumsjahr an
sogenannten III. Weg auf dem Theater-          chen und Anton über die Bühne. Wie            diese Ereignisse besonders. Als hätte der
platz vor dem Vogtlandtheater am Sonn-         kann man so unsensibel sein, einer offen-     Ruf der Stadt Plauen und der des Vogt-
abend (25. Mai 2019).                          sichtlich nationalradikalen Vereinigung       landkreises in den vergangenen Wochen
                                               hier die Genehmigung zu einer Kund-           nicht schon genug Schaden genommen,
May: „Der Theatervorplatz ist an Vorstel-      gebung schon aus Gründen der öffent-          nimmt man offensichtlich nun auch noch
lungstagen für zirka 400 Zuschauer der         lichen Ordnung nicht zu untersagen. Der       in Kauf, dass Familien ihren geplanten
Eingangsweg und Sammelraum vor den             Theatervorplatz und das Theater selbst        Besuch bei uns an diesem Tag in Frage
Vorstellungen und eine Ruhezone in den         sind untrennbar mit dem Widerstand            stellen. Erste Absagen für die Vorstellung
                                                                                                                  am Sonnabend sind
                                                                                                                  trotz Verlegung der
                                                                                                                  nationalradikalen
                                                                                                                  Kundgebung um ei-
                                                                                                                  nige Meter bereits
                                                                                                                  im Theater einge-
                                                                                                                  gangen. Ich fordere
                                                                                                                  hiermit alle verant-
                                                                                                                  wortlichen Behörden
                                                                                                                  in der Stadt Plauen
                                                                                                                  und dem Vogtland-
                                                                                                                  kreis auf, bei diesen
IMPRESSUM                                                                                                         Entscheidungen
                                                                                                                  nicht länger gegen
                                                                                                                  die Interessen einer
                                                                                                                  breiten Stadtmehr-
                                                                                                                  heit zu votieren, die
Herausgeber:                                                                                                      für Demokratie und
Verein zur Förderung des                                                                                          gegen extreme poli-
Vogtlandtheaters Plauen e.V.                                                                                      tische Erscheinungs-
Friedrich Reichel,                                                                                                formen eintritt.“
Vereinsvorsitzender (V.i.S.d.P.)

Redaktion:
Dr. Lutz Behrens                                                                                                 Viel Prominenz von
Georg-Benjamin-Str. 67, 08529 Plauen                                                                             der       Sächsischen
Tel.: 0 37 41 / 44 05 92                                                                                         Staatsministerin,
0170 / 4814689                                                                                                   dem vogtländischen
lutz.behrens@primacom.net                                                                                        Landrat bis zu Land-
                                                                                                                 tags-, Kreistags- und
Auflage: 1.000                                                                                                   Stadtratsabgeord-
                                                                                                                 neten zeigte sich,
Erscheint: aller zwei Monate                                                                                     aber auch zahlrei-
                                                                                                                 che Bürgerinnen und
Layout, Satz und Druck:                                                                                          Bürgern kamen, um
PCC Printhouse Colour Concept                                                                                    am 25. Mai vor dem
Helko Grimm, Syrauer Straße 5,                                                                                   Theater ein Zeichen
08525 Plauen/Kauschwitz                                                                                          gegen Neonazis zu
                                                                                                                 setzen und ein Fest
                                                                                                                 der Vielfalt zu feiern.
                                                                                                                 Foto: L. B.

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INHALT
                                                                                           Seite 02
                                                                                           FEST DER VIELFALT
                                                                                           VOR DEM VOGTLANDTHEATER
                                                                                           Generalintendant Roland May

EDITORIAL                                                                                  zur Veranstaltungsplanung auf
                                                                                           dem Theatervorplatz
                                                                                           Seite 03
                                                                                           EDITORIAL
                                                                                           Seite 04/05
                                                                                           VEREINSARBEIT
                                                                                           ZUM WOHLE DES THEATERS
                                                                                           Protokoll über die
                                                                                           Mitgliederversammlung
                                                                                           des Plauener Theaterfördervereins
                                                                                           Seite 06/07
                                                                                           BALLETT RÜHRT ZU TRÄNEN
Liebe Freunde und Förderer des Plauener Theaterfördervereins,
sehr geehrte Damen und Herren,                                                             Seite 08
                                                                                           SEHNLICHSTER WUNSCH DES
vor 30 Jahren standen auf dem Plauener Theaterspielplan unter anderen Stücke wie           GANZEN VOGTLANDES
Schatrows „Diktatur des Gewissens“ und Aitmatows „Richtstatt“ - Schauspiele aus der        Vor 120 Jahren wurde in Plauen
Feder sowjetischer Autoren, die Dank Glasnost und Perestroika kritisch den sozialisti-     das Stadttheater eröffnet
schen Alltag beschrieben. Die Machtverhältnisse wurden hinterfragt, offen die Prob-
                                                                                           Seite 09
leme der Zeit benannt und gleichzeitig geschildert, wie die herrschenden kommunisti-
schen Parteien mit ihren Regierungen dies alles ignorierten. Es war politisches Theater,   EINE SCHLICHTE FRAGE
das seine Freiräume für Unangepasstes nutzte und so seinen geistigen Anteil an Fried-      SICH UMZIEHENDE KÜNSTLERINNEN
licher Revolution und Mauerfall von 1989 hatte.                                            NICHT ERSCHRECKEN
Sie haben bestimmt schon in der neuen Broschüre über die Spielzeit 2019/2020 geblät-
tert. Unter dem Motto „Erwartungen“ bietet sich Ihnen eine breite Palette von Ange-        Seite 10
boten. Und natürlich erwartet Sie dabei ein künstlerischer Rückblick auf die Gescheh-      AUSGEZEICHNETER DIRIGENT
nisse von 1989. Damals mischte sich das Theater engagiert in den sich anbahnenden          MIT ZUKUNFT
Demokratisierungsprozess ein und mit diesen Reminiszenzen wird sich auch heute sehr        Vladimir Yaskorski, Erster Kapellmeister
aktiv für den Erhalt der Demokratie und für eine pluralistische Gesellschaft eingesetzt.
                                                                                           Seite 11

Für die Sommermonate wünsche ich Ihnen eine angenehme Zeit der Erholung und                EIN GERN GESEHENER GAST
schöne Erlebnisse in anderen Landschaften und an interessanten Kulturorten.                Generalintendant Roland May
Vielleicht führt Sie der Weg in das eine oder andere Theater, zu einem der vielen Festi-   Seite 12/13
valorte … man vergleicht und ohne das Besondere schmälern zu wollen – das Theater          WELTBILD DER WIDERSPRÜCHE
Plauen – Zwickau hat viel zu bieten und wird auch einem hohen Anspruch gerecht.            Premiere von Mozarts „Zauberflöte“
Freuen Sie sich auf die neue Spielzeit.                                                    im Parktheater
                                                                                           Seite 14/15
                                                                                           FÜR GRÜNDLICHE REVISION
Ihr                                                                                        EIGENEN VERHALTENS
Friedrich Reichel                                                                          Großartige Brecht-Inszenierung
Vorsitzender                                                                               am Vogtlandtheater

                                                                                           TITEL
                                                                                           Unser Titelfoto zeigt einen Ausschnitt
                                                                                           aus dem Tanztheaterstück „Glashäu-
                                                                                           ser“ in der Choreografie von Odet Ro-
                                                                                           nen. Das Stück erlebte in Plauen seine
                                                                                           viel beachtete Uraufführung und ist
                                                                                           -- leider -- erst am 13. März 2020 im
                                                                                           Zwickauer Malsaal wieder zu sehen.
                                                                                           Foto: © Sermon Fortapelsson

 DER THEATERFÖRDERVEREIN                                                                                                         3
DER THEATERFÖRDERVEREIN - Ausgabe: Juli / August 2019 - Fest der Vielfalt - Verein zur Förderung des ...
VEREINSARBEIT ZUM WOHLE DES THEATERS
                         Protokoll über die Mitgliederversammlung
                des Plauener Theaterfördervereins am 8. Mai 2019, 19 Uhr,
                      auf der Kleinen Bühne des Vogtlandtheaters Plauen
                                                Anwesende Vorstandsmitglieder:
           Friedrich Reichel, Helko Grimm, Bodo Brandt, Matthias Frank, Eberhard Eisel, Renate Rudert, Steffi Müller-Klug

                                                        Gast im Präsidium:
                                    Sandra Kaiser, Geschäftsführerin des Theaters Plauen-Zwickau

            Einladung und Tagesordnung wurden fristgemäß in der Vereinszeitung Der Theaterförderverein Heft 2/2019
                                                 den Mitgliedern zugestellt.

                            Die Mitgliederversammlung wurde mit einem kulturellen Beitrag eingeleitet.
                      Es sangen Natalija Ulasevych und Frank Blees, am Klavier begleitet von Kathryn Bolitho.

Nach der Begrüßung durch den Vorsitzen-         dungen (zum Beispiel Spielstätten- oder       mehr existierenden Vereinsseite.
den Friedrich Reichel wurde die Anwesen-        Spartenschließungen, Eintrittspreise, Abo-­   Alle Aktionen durch unseren Verein sind
heit von 40 Mitgliedern (ein Mitglied verließ   Bedingungen, Geschäftsführerposition)         letztendlich Werbung für unser Theater.
vorfristig die Veranstaltung) festgestellt.     erfordern die Zustimmung beider Gesell-       Rückschauend wären im Besonderen die
Zur vorgeschlagenen Tagesordnung gab            schafter.                                     Veranstaltungen „Der Theaterförderver-
es auf Anfrage keine ergänzenden Ände-          Um das Bestehen des Theaters über 2022        ein lädt ein“ (Gäste: Generalmusikdirektor
rungen.                                         zu sichern, wurde auf Wunsch des Plau-        Leo Siberski sowie Bernd Lutz-Lange mit ei-
                                                ener Stadtrates eine Zukunftskommission       nem vollem Haus) und die Festveranstal-
Den Jahresbericht erstattete Friedrich          gebildet. Diese besteht nur, wie auch der     tung „120 Jahre Vogtlandtheater“ (gutes
Reichel:                                        Aufsichtsrat, aus Stadträten. Wir sind der    Programm, volles Haus, Gast Staatsminis-
Die letzte Jahreshauptversammlung fand          Meinung, beide Fördervereine sollten in       terin Eva-Maria Stange, Wermutstropfen:
am 9. Mai 2018 statt. Seitdem gab es            diesen Gremien mit beratender Stimme          fehlende Berichterstattung in der Lokal-
elf Vorstandssitzungen sowie eine Son-          vertreten sein.                               ausgabe Plauen der Freien Presse).
dersitzung im Zusammenhang mit der
Abstimmung im Stadtrat zum Kulturpakt           Ein besonderes Geschenk mit moralischer       Stammtisch: initiiert und organisiert von
Sachsen. Der Kulturpakt ermöglicht den          Verantwortung wäre eine Stuhlpaten-           Günter Lienemann; Im letzten Jahr fan-
Mitarbeiter des Theaters den Ausstieg           schaft. Es gibt noch 150 Stühle, die Platz    den wieder regelmäßig Treffen mit ver-
aus dem Haustarifvertrag. Die Mehrkos-          für ein personalisiertes Messingschild auf-   schiedenen Gästen (seit Januar 2013 zir-
ten kommen zu 70 Prozent vom Land.              weisen.                                       ka 40 aus allen Bereichen des Theaters)
Der Rest ist durch die Gesellschafter zu                                                      statt. So standen unter anderen Johanna
tragen. Zwickau übernimmt diese Anteile         Unsere, von Dr. Lutz Behrens erstellte För-   Brault, Sandra Kaiser, Marcus Sandmann,
und forderte eine prozentuale Anpassung         dervereinszeitung, wurde im Berichtszeit-     Sebastian Seitz und Vladimir Yaskorski
der Aufsichtsratsmitglieder. Man fürchte-       raum erneut sechs Mal ausgeliefert.           Rede und Antwort. Besonderer Dank gilt
te Nachteile um das Mitspracherecht der                                                       Carolin Eschenbrenner als Vermittlerin im
Stadt Plauen. Mit einer Pressekonferenz         Eine Veränderung gab es bei der Ausga-        Hintergrund.
und einem Positionspapier bezogen wir           be 03/04 2019. Diese machte durch ein
dazu Stellung. Im Stadtrat kam es bei der       neues Layout auf sich aufmerksam. Not-        Theaterball: Helko Grimm; Dank an das
ersten Abstimmung zu einer Ablehnung            wendig geworden ist dies, da die Herstel-     Theater für die gute Zusammenarbeit und
des Vertragsentwurfes. Nachverhandlun-          lung der Zeitung nach einer Angebotsab-       dem gelungenem 17. Theaterball. Er ist mit
gen führten zu einem Zustimmungsfähi-           frage an den günstigsten Anbieter (zirka      großem finanziellem Aufwand verbunden
gem Kompromiss. Damit wird der Grund-           300 Euro Differenz) wechselte. Da sich für    und stets ein Wagnis zu Zeiten geringerer
lagenvertrag zum fusionierten Theater bis       die Betreuung unserer Webseite eben-          Einnahmen. Für „Die Goldenen Zwanzi-
2022 vorfristig verlängert und beide Städ-      falls ein neuer Anbieter (Firma inszenium;    ger“, dem Motto des 18. Theaterball, ist
te als Träger treten dem Kulturpakt Sach-       Inhaber Stefan Lehmann) verantwortlich        bereits der 7. März 2020 reserviert.
sen bei. Die Besetzung des Aufsichtsrates       zeigt, wurden beide Layouts aufeinan-
erfolgt im Verhältnis 7 (für Zwickau) zu        der abgestimmt. Der Wechsel ergab sich        Theaterfahrt: Helko Grimm; Im ver-
4 (für Plauen). Grundlegende Entschei-          aufgrund einer seit über zwei Jahren nicht    gangenen Jahr ging es ans Deutsche

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DER THEATERFÖRDERVEREIN - Ausgabe: Juli / August 2019 - Fest der Vielfalt - Verein zur Förderung des ...
Nationaltheater Weimar zu einer Vorstel-     wel-Foyer 2 500 Euro; das Bistro Kleine Büh-   zwischenzeitlich hatten wir es mit Liquidi-
lung von „Hänsel und Gretel“.                ne 1 500 Euro oder Beiträge zur Festveran-     tätsproblemen zu tun. Fürs laufende Jahr
                                             staltung).                                     heißt es: die Finanzierung zu sichern, um
Im Berichtszeitraum wurde 2018 ein weite-                                                   weiterhin auf hohem Niveau agieren zu
rer Theaterpreis verliehen. Geehrt wurde     „Jedes Mitglied wirbt ein neues Mitglied!“     können.
die ehemalige Tänzerin und spätere Mit-      Dieser Aufruf durch unseren Ehrenvorsit-       Auf Einladung der Volksbank Vogtland
arbeiterin Bühne: Eveline „Lilly“ Wunder-    zenden Eberhard Eisel brachte in den           findet am 11. November 2019 ein erstes
lich.                                        vergangenen zwölf Monaten keine nen-           Sponsorentreffen statt.
                                             nenswerten Neuzugänge. Zur Absiche-
In Zusammenarbeit mit dem Stiftungsrat       rung unserer Zukunft bleibt dieser Aufruf      Zum 30. Juni 2019 werden die Mitglieds-
werden zukünftige Preisverleihungen neu      aktuell.                                       beiträge fürs laufende Jahr fällig.
organisiert. Jährlich wechselnd wird der
„Edith-Löwel-Theaternachwuchsförder-         Weiterhin wurde eine Information für Mit-      Bericht der Kassenprüfung durch Bernd
preis“ (dotiert mit 500 Euro und vergeben    glieder über den Datenschutz im Sinne          Morgner. Es wurde bestätigt, dass alle Ein-
bis zu einem Alter von 35 Jahren) sowie      der Datenschutzgrundverordnung veröf-          nahmen und Ausgaben satzungsgemäß
der „Hans-Löwel-Theaterpreis“ (Ehren-        fentlicht. Um unsere Mitglieder bei Ihrer      getätigt wurden und ordnungsgemäße
geschenk und Preisträgerermittlung wie       ehrenamtlichen Tätigkeit abzusichern           Nachweise vorliegen sowie geltende
bisher) ausgelobt. Für 2019 wird es einen    wurde eine Vereinshaftpflichtversiche-         Vorschriften eingehalten wurden. Der
Preisträger für den Nachwuchsförderpreis     rung abgeschlossen.                            Mitgliederversammlung wurde vorge-
geben. Eine Kommission aus je zwei Mit-                                                     schlagen, den Vorstand für das Jahr 2018
gliedern der Geschäftsleitung, des Vor-      Finanzen: Bodo Brandt; Die Finanzierung        zu entlasten.
standes und der Stiftung werden gemein-      unserer Vereinsarbeit besteht aus drei         Im Rahmen der Debatte kam es zu kei-
schaftlich einen Kandidaten nominieren.      Haupteinnahmequellen: den Mitglieds-           nen Redebeiträgen.
In Zusammenarbeit mit der Stadt soll 2020,   beiträgen in Höhe von zirka 12 000 Euro.
anlässlich des 100. Geburtstages von         Die vorhandene Altersstruktur und die          Der Entlastung des Vorstandes wurde mit
Hans Löwel, eine Gedenktafel auf dem         durch Erreichen des Renteneintrittsalters      35 Ja-Stimmen und 4 Enthaltungen zuge-
Hans-Löwel-Platz errichtet werden.           zu erwartende Beitragsreduzierung wer-         stimmt.
                                             den diese Einnahmen weiter sinken lassen;
Auch im letzten Jahr wurde im Rahmen         den Spenden in Höhe von zirka 5000 Euro        Zum Abschluss zog Geschäftsführerin Frau
der Jugendarbeit das Philkon Projekt mit     und der Ausschüttung durch die vereinsei-      Kaiser nochmals ein Resümee zum Kultur-
1500 Euro unterstützt. Ein Förderantrag      gene der Stiftung. Sie erbrachte für 2018      pakt mit Dank an beide Städte und der
bei der Stadt brachte einen Zuschuss von     nur 3000 Euro (bei geplanten 9500 Euro).       daraus entstandenen Möglichkeit, den
400 Euro, der es uns ermöglichte, einen      Somit liegt die Erhöhung von Einnahmen         Mitarbeitern nach 14 Jahren Verzicht
Teilbetrag zu refinanzieren. Weiterhin       hauptsächlich bei Spenden oder Zustif-         rückwirkend zum 1. Januar 2019 wieder
fand mithilfe von Bodo Brandt und der        tungen. Da jedoch die Anlagen unseres          vollen Tarif zu zahlen. Weiterhin dankte
Deutschen Bank ein Projekt der Theater-      Stiftungskapitals gegenwärtig kaum Er-         sie unserem Verein für den Einsatz und die
pädagogin Steffi Liedtke mit einer Summe     träge erwirtschaften und somit 2019 kei-       geleistete Arbeit.
von 1000 Euro Unterstützung.                 ne Ausschüttung an den Verein erfolgen
                                             wird, liegt unser Augenmerk bei der Ge-        Das Protokoll fertigte am 25. Mai 2019
Die Theaterförderung, unser Vereinszweck,    nerierung von Spenden, da diese sofort         Matthias Frank an. Einwände sind bis zum
liegt bei einer Gesamtsumme von              unserer Arbeit zur Verfügung stehen.           12. August 2019 an den Vorstand zu rich-
12 000 Euro (so unter anderem für das Lö-    Das vergangene Jahr war schwierig;             ten.

   MEIN ERSTES THEATERERLEBNIS
   In unserer letzten Ausgabe (Heft Mai/Juni 2019¸ nach neuer Lesart…) erinnerten wir auf Seite 9 an den Schauspieler Erich
   Ponto und die Nachkriegszeit in Dresden. Ponto spielte damals, am 10. Juli 1945, den Nathan.
   Genau diese Aufführung besuchte auch der Karikaturist Harald Kretschmar. In einem Interview sagte er unlängst: „Das
   Erlebnis des zerstörten Dresdens hat mich geprägt, aber auch das, was lebte: die Kunst. Da habe ich Nathan der Weise
   mit Erich Ponto in der Hauptrolle gesehen, mein erstes Theatererlebnis überhaupt (Kretschmar war gerade 14 Jahre alt
   geworden. – L. B.) Das ist unauslöschlich, dort bin ich als politischer Mensch geboren.“

 DER THEATERFÖRDERVEREIN                                                                                                             5
DER THEATERFÖRDERVEREIN - Ausgabe: Juli / August 2019 - Fest der Vielfalt - Verein zur Förderung des ...
Lutz Behrens

BALLETT RÜHRT ZU TRÄNEN
Am Ende hatte sich der Raum geleert und alle Premierenbesucher fanden sich vor der
Kleinen Bühne des Vogtlandtheaters wieder. Einige von ihnen mit Tränen im Gesicht.
So eindrücklich hatte (am 9. Juni) die Uraufführung des Balletts Glashäuser des israeli-
schen Choreografen Oded Ronen ihre Spuren hinterlassen.

Drei weiße Flächen ragen vertikal in die     artige schwarze Stoffstreifen eine unter-
Höhe und bilden neben dem weißen             scheidbare Identität verleiht.
Teppichboden das schlicht strukturierte,     Wir können alle Opfer sein
abstrakte Bühnenbild von Silvio Motta,
der auch für Kostüme und Auswahl der         Nicht so Jeaho Shin. Der Tänzer sitzt, vor-   bedrohlichen Anflug von Bomberverbän-
Filme zuständig war. Zudem wird die-         erst nett im Anzug, im Publikum und ge-       den und dem Abwurf tödlicher Last, bis
ses Weiß als Projektionsfläche für unter-    hört zu den zufällig ausgewählten Da-         hin zur Trümmerwüste der zu 75 Prozent
schiedlichste Filmsequenzen genutzt, um      men und Herren, die von den Akteuren          zerstörten Stadt im Jahr 1945. Mit Aus-
in Kombination mit grandioser Musik in       höflich, aber nachdrücklich gebeten           schnitten aus Smetanas Die Moldau und
Dimensionen tiefer, intensiver Wirkungen     werden, auf sechs Stühlen Platz zu neh-       dem mit heiterem Klezmer durchsetztem
bei den Zuschauern vorzustoßen. Auch         men, um, durch Rollen ermöglicht, im          Marsch aus dem dritten Satz von Mahlers
die acht Tänzerinnen und Tänzer: Judith      Verlaufe des 80-minütigen Tanzstückes         Erster findet Ronen, neben vielen weite-
Bohlen, Miyu Fukagawa, Shahnee Page,         über die Bühne gefahren zu werden, was        ren Klängen und Geräuschen, eine ad-
Justine Rouquart, Nicole Stroh, Juan         eine eindrückliche Nähe zu den Tanzen-        äquate musikalische Korrespondenz zu
                                                             den herstellt. Dass Jeaho     seinen Intentionen. Immer wieder von
                                                             Shin sich dann seines         einzelnen Nationalhymnen, deren Text
                                                             Anzuges entledigt und         zum Teil von den Tänzerinnen artikuliert
                                                             in die Tanzgruppe integ-      wird, unterbrochen.
                                                             riert wird, zeigt, dass wir
                                                             alle Opfer sein oder zu       Die Banalität des Bösen
                                                             Tätern werden können.
                                                             Ausgrenzung, die bis zum      Schier unerträglich wird es bei einem Fil-
                                                             Totschlagen des Anderen       mausschnitt aus dem Eichmann-Prozess,
                                                             getrieben wird, und Zu-       dessen fortlaufendes Wortprotokoll auf
                                                             gehörigkeit zu einer Ge-      dem Teppichboden der Kleinen Bühne
                                                             meinschaft, das sind die      nachzulesen ist. Zwar sprach Hannah
                                                             Themen, denen in seiner       Arendt von der personifizierten Banalität
                                                             Choreografie Oded Ro-         des Bösen, hier auf der Anklagebank als
                                                             nen in immer neuen Va-        verkniffener Buchhalter des Todes seinem
                                                             riationen, vom heiteren       eigenen Todesurteil entgegenbangend,
                                                             Reigentanz bis zum streng     aber die Szene, in der ein Zeuge im Ge-
                                                             militärischen Marsch, äs-     richtssaal in Ohnmacht fällt und wegge-
                                                             thetisch überzeugenden
                                                             Ausdruck verleiht.

                                                             Plauen
                                                             als stolze Großstadt

                                                            Schwer      aufs  Gemüt
                                                            schlagen zum Auftakt Fil-
                                                            mausschnitte, die in drei
                                                            kurzen Einstellungen die
                                                            Katastrophe des zwan-
                                                            zigsten Jahrhunderts am
                                                            Beispiel Plauens bündeln:
Bockamp, Elliot Bourke und Jeaho Shin        die prosperierende Großstadt (1905 zähl-
tragen eine Art weißen Hosenanzug, der       te Plauen stolze 105 000 Einwohner) zu
dem Einzelnen erst durch verschieden-        Beginn des Jahrhunderts, gefolgt vom

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tragen werden muss, weil ihn die Macht         schrecken die Altersangaben: „ermordet         nierten Ruf kommt diese Inszenierung ge-
der unerträglichen Erinnerung überwäl-         mit zwei, mit zehn, mit 14, mit 18 Jahren“,    nau zur richtigen Zeit.
tig, lässt die Singularität deutschen elimi-   um nur die Kinder und Jugendlichen zu
natorischen Antisemitismus‘ ahnen und          nennen. Diese Mörder waren unter uns…
hat mit einem „Vogelschiss“ nichts zu tun.
Ein Bild vom Ausmaß des Grauens kann           Besser als gerührt sein ist, sich rühren
sich der Besucher machen, wenn er im
Programmheft die Einlage „Widmung“             Von Bertolt Brecht gibt es den Satz: Besser
studiert; das Doppelblatt ist eine späte       als gerührt sein ist, sich rühren. Dazu kann
Würdigung der im Holocaust ermorde-            das Tanzstück Glashäuser viel beitragen.
ten Vorfahren und Familienangehörigen          Und wenn auch nicht zu erwarten ist,
von Oded Ronen, dessen Familie mütter-         dass sich allzu viele Freunde des III. Weges
licherseits aus Plauen kommt. Neben all        diesem eindrücklichen Erkenntnisgewinn
den später Umgebrachten, die mit heite-        aussetzen werden, für Plauen und seinen
ren Familienfotos vorgestellt werden, er-      seit dem 1. Mai dieses Jahres arg rampo-

                                                                                                          Fotos © Sermon Fortapelsson

 DER THEATERFÖRDERVEREIN                                                                                                            7
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Lutz Behrens

SEHNLICHSTER WUNSCH DES GANZEN VOGTLANDES
VOR 120 JAHREN WURDE IN PLAUEN DAS STADTTHEATER ERÖFFNET (3 und Schluss)

Mit diesem Beitrag beenden wir den Blick zurück in die 120-jährige Geschichte des Plauener Stadttheaters.
Wir folgen den Ausführungen von Sönke Friedreich, die er in seinem Buch über Plauen:
Der Weg zur Großstadt, Leipziger Universitätsverlag 2017, auf den Seiten 138 bis 149 vorstellt.

Wir schreiben das Jahr 1895. Arwed Roß-       dem Theaterverein und den entspre-              fem Kneipenleben in das Reich des Schö-
bach, Architekt und Baumeister, hatte         chenden Ausschüssen neue Pläne für              nen zu köstlicher Erholung locken.“ Erst in
den Plauenern sein Projekt des Theater-       den Theaterbau vor. Im Vogtländischen           zweiter Linie müsse „die Verschönerung
baus vorgelegt. Der Entwurf des reprä-        Anzeiger und Tageblatt, der in Plauen           der Stadt stehen“.
sentativen Gebäudes, das zur Eröffnung        beheimateten Tageszeitung, die sich             Roßbach weiter: Zwar böte der Bauplatz
fünf Jahre später immerhin 1050 Besuche-      schon damals ausführlich allem widmete,         am Heynig’schen Haus die Möglichkeit
rinnen und Besuchern Platz bot, zeigte        was mit dem Theater zu tun hatte, stand         eines besseren äußeren Effekts, aber die
mit seiner imposanten Frontseite jedoch       zu lesen, nun sei zu erwarten, „dass der        Kosten von Stützmauern an dem zur Syra
nicht zur Magistrale der Stadt, zur Bahn-     sehnlichste Wunsch der Einwohnerschaft          abfallenden Hang beliefen sich auf etwa
hofstraße, sondern zur Erholungsstraße,       Plauens, ja des ganzen Vogtlandes, end-         150 000 Mark; auch würde ein asymmet-
die wir heute als Theaterstraße kennen.       lich in der sonst so rüstig vorwärts streben-   rischer Eindruck entstehen.

Diese Lage führte im Wirtschaftsausschuss     den Kreisstadt auch ein wirkliches, allen       Die Argumente mit den Kosten gaben,
der Stadt zu einer kontroversen Debatte.      Anforderungen der Neuzeit entsprechen-          obwohl noch kräftig hin und her gestrit-
Stadtrat Georg Meutzner habe laut Sit-        des Theater zu besitzen, in Erfüllung geht“.    ten wurde, den Ausschlag und dem Ent-
zungsprotokoll vom 10. Dezember 1895          Doch es wurde auch ein kritischer Beitrag       wurf von Roßbach wurde vom Theater-
gesagt, „…, dass der Platz vollständig        abgedruckt. Dessen Fazit lautete: „Weg          verein und den städtischen Ausschüssen
ungeeignet sei.“ Solle doch das Thea-         mit dem Gedanken der bleibenden Ver-            zugestimmt.
ter nicht nur für geistige Genüsse, son-      stümmelung des schönen und wichtigen            Anlässlich der Eröffnung am 1. Oktober
dern auch ein Zierstück für die Stadt sein.   Bauplatzes an der Brücke (am Tunnel be-         1898 schrieb der in Plauen erscheinende
Meutzner gab zu bedenken, dass damit          fand sich damals noch eine Brücke über          Vogtländische Anzeiger:
zu rechnen sei, dass das Theater auf          die Syra - L.B.), weg mit dem Gedanken          „Einer Huldigung der Schönheit ist – mit
Jahrhunderte hinaus bestehen solle, was       an das Hintertheater! Weg mit kleinbür-         Stolz können wir das sagen – der ganze
den geplanten, versteckten Platz nicht        gerlicher Engherzigkeit in Dingen, die für      stattliche Bau zu vergleichen, den ein Sohn
rechtfertige. Mit Mehrheit beschloss der      den Geist und den Charakter unserer             unserer Stadt, Herr Baurat Dr. Roßbach, uns
Ausschuss, dass Heynig‘sche Gebäude           Stadt auf lange Zeit bestimmend sind.“          geschaffen. Dem edlen klassischen Äuße-
(heute Intendanz und Theater-Café) ab-        Roßbach verteidigte seinen Entwurf. Sei-        ren entspricht das stilvolle, vornehme und
zureißen und das Theater unmittelbar an       ne Argumente: Das Theater solle zualler-        dabei anheimelnde Innere des neuen The-
den Postplatz zu setzen. Dann wurde die       erst „der Bildung der Volksseele dienen         aters. Sich selbst hat der Erbauer damit ein
Angelegenheit erst einmal vertagt.            und eine große Anzahl Menschen nach             würdiges Denkmal in seiner Vaterstadt er-
Im Frühjahr 1896 legte Arwed Roßbach          des Tages Arbeit und Mühen aus stump-           richtet.“

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SICH UMZIEHENDE KÜNSTLERINNEN NICHT ERSCHRECKEN
WIE WIR UNS IM THEATER BENEHMEN SOLLTEN
Jaroslav Hašek, geboren 1883. tsche-         aus der schönen Literatur unseres Jahr-        ken in die Vorstellung kommen. Sind wir
chischer Satiriker und genialer Autor der    hunderts drei Werke auszuwählen, die           es jedoch, müssen wir darauf achten,
Abenteuer des braven Soldaten Schwejk,       meiner Meinung nach der Weltliteratur          dass wir nicht von der Galerie ins Parkett
Bohemien und Zeitungsschreiber, starb        angehören, wählte ich als einen davon          fallen, da wir dadurch den ruhigen Ver-
1923 gerademal vierzigjährig. Aber was       Hašeks „Abenteuer des braven Soldaten          lauf der Vorstellung stören würden. Wir
für ein Leben!                               Schwejk“.                                      dürfen ebenfalls nicht laut mit unseren
Nach einem Rausschmiss als Lehrling in                                                      Nachbarn streiten oder während der Vor-
einer Drogerie, beginnt er nach einem                                                       stellung aus der Zeitung vorlesen, herum-
Studium bei einer Bank zu arbeiten. Po-                                                     schreien oder bei einer Oper mit den Sän-
litisch sympathisiert er mit den Anarchis-                                                  gern mitsingen. Wenn wir im Theater eine
ten, wird Redakteur und eröffnet eine                                                       Apfelsine schälen, werfen wir die Schalen
Hundehandlung („Kynologische An-                                                            nicht ins Parkett, sondern unter unseren
stalt“). 1911 gründet er die „Partei des                                                    Sitz. Haben wir eine Flasche Bier mit, be-
gemäßigten Fortschritts in den Grenzen                                                      mühen wir uns, den Verschluss während
des Gesetzes“ und verfasst mobilisieren-                                                    der Vorstellung ohne Lärm zu öffnen. Wir
de Losungen wie: „Wer uns seine Stimme                                                      werfen ihn nicht auf die Bühne. Das ge-
gibt, bekommt ein Taschenaquarium“.                                                         liehene Opernglas müssen wir der Gar-
1915 eingezogen, desertiert er nach we-                                                     derobenfrau zurückgeben, tragen wir
nigen Wochen und tritt in die tschechos-                                                    es hingegen ins Versatzamt, so schicken
lowakische Legion ein. Von ihr sagt er                                                      wir den Versatzzettel frankiert per Post an
sich los, geht zur Roten Armee, wird Mit-                                                   das Theater. Wollen wir während der Vor-
glied der Kommunistischen Partei. 1920       Von Hašek gibt es einen kurzen Text:           stellung rauchen, müssen wir vorsichtig
aus Sowjetrussland zurück in Prag, ver-      Wie wir uns im Theater benehmen sollen.        sein, damit wir keinen Brand verursachen.
dient er seinen Lebensunterhalt mit dem      Die Benimmvorschläge, dies sei für gerne       Mit dem herbeigelaufenen Schutzmann
Schreiben der Abenteuer des braven Sol-      missverstehende Zeitgenossen und aus           streiten wir nicht im Zuschauerraum, son-
daten Schwejk. Der Roman erscheint zu-       leidvoller Erfahrung klug geworden vor-        dern erledigen dies im Foyer. Wenn es uns
erst in einzelnen Heften, die Hašek selbst   angestellt, sind satirisch gemeint, ironisch   gelingt, hinter dem Bühnenraum in eine
in Gasthäusern verkauft. Der Erfolg stellt   dazu, und wer’s nicht kapiert, dem ist lei-    Damengarderobe einzudringen, verkrie-
sich ein. Das Werk bleibt unvollendet.       der nicht zu helfen.                           chen wir uns unter dem Tisch, um die sich
Zum „Schwejk“ sagt Bertolt Brecht 1955:      „Wenn das Theater unsere edelsten Ge-          umziehenden Künstlerinnen nicht durch
„Wenn man mich auffordern würde,             fühle fördern soll, dürfen wir nicht betrun-   unsere Anwesenheit zu erschrecken. L. B.

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EINE SCHLICHTE FRAGE                                                                          ZURÜCK
Es ist schon zehn Jahre her, da stellte      staatlicher Gewalt durchdrungen waren,
der damalige Herausgeber der Frank­          so bleibt als Faktum: weil Krenz es verbo-       „Es ist mittlerweile jedem klar, dass,
furter Allgemeinen Zeitung, der Publizist    ten hatte.“                                      wenn man den Gesetzen der Mark-
Frank Schirrmacher (1959 bis 2014), in       Schirrmacher fährt fort, dass es noch im-        wirtschaft freien Lauf lässt, sie auch
der Sonntagsausgabe seiner Zeitung           mer nicht leicht sei, die Geschichte so zu       bald noch den letzten Rest des New
eine Frage:                                  erzählen, dass dem letzten, wochenbe-            Yorker Theaters ruinieren.“ Sprach‘s
                                             fristeten SED-Chef Gerechtigkeit wider-          und plädierte für ein öffentliches,
„Wieso wurde bei der Maueröffnung im         führe.                                           subventioniertes Theater, wobei aber
Grenzgebiet nicht geschossen?“               Aber, so Schirrmacher, solange diese Ge-         das Theater selbstständig über die
Er gab darauf selbst die Antwort, die da     schichte nicht erzählt sei, „haben wir die       Subventionen verfügen müsse, um
lautete: „Wenn die Antwort auch ein-         wundersamen, beglückenden Ereignisse             unabhängig zu bleiben.
kalkulieren muss, dass die Fußtruppen        vom 9. November 1989 nicht verstan-              Arthur Miller, amerikanischer Drama-
des Systems von der totalen Sinnlosigkeit    den“.                                            tiker, in: New York Times vom 21. De-
                                                                                              zember 1969.
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Günter Lienemann

AUSGEZEICHNETER DIRIGENT MIT ZUKUNFT
IM APRIL ZU GAST AM STAMMTISCH:
VLADIMIR YASKORSKI, ERSTER KAPELLMEISTER
Am 1. März 2017, also in der laufenden         und Chorleitung an der Musikhochschule       mit dem Dirigentenforum Preise an her-
Spielzeit, wurde Vladimir Yaskorski zum        Lübeck, konzertierte im gleichen Jahr mit    vorragende junge Dirigenten. Vladimir
Ersten Kapellmeister des Philharmoni-          dem Karlsbader Sinfonie-Orchester und        Yaskorski war 2014 der erste Preisträger
schen Orchesters und damit zum Nach-           war 2011 bis 2013 Chefdirigent des Col-      und konnte zusammen mit weiteren Preis-
folger von Thomas Peuschel berufen, der        legium Musicum Weimar. 2012 wurde er         trägern der Folgejahre 2017 einen Son-
aus persönlichen Gründen seinen Ver-           in das Dirigentenforum“ aufgenommen,         derpreis beim Wettbewerb „Deutscher
trag auflöste.                                                                                  Dirigentenpreis“ in Köln entgegen-
Vladimir Yaskorski wurde in der ar-                                                             nehmen.
menischen Hauptstadt Jerewan                                                                    Nach all den Wanderjahren als Frei-
geboren; seine Eltern stammen                                                                   berufler fühlt er sich in seinem ersten
aus Georgien und Aserbaidschan                                                                  Festengagement an unserem The-
und leben heute in Frankfurt/Main.                                                              ater ausgesprochen wohl, arbeitet
Der Vater hatte zwar einen tech-                                                                gerne und erfolgreich mit dem Ge-
nischen Beruf, spielte aber Klavier                                                             neralmusikdirektor und mit dem Or-
und so wurde auch das musika-                                                                   chester zusammen und ist glücklich
lische Interesse des Jungen ge-                                                                 mit seiner kleinen Familie in Zwickau.
weckt, der allerdings Vorliebe für                                                              Übrigens hatte er sich auf ein Stamm-
das Geigenspiel entwickelte und                                                                 tischgespräch in Zwickau gefreut,
nach der Musikschule ein fünfjäh-                                                               musste es aber wegen der Geburt
riges Studium (Violine) am Staatli-                                                             seines Sohnes am gleichen Tag absa-
chen Konservatorium in Jerewan                                                                  gen – bestimmt wird der Förderverein
absolvierte. Beeinflusst wurde sei-                                                             des Zwickauer Theaters dieses Ge-
ne musikalische Entwicklung auch                                                                spräch nachholen.
durch den Großonkel Avet Terteri-                                                               Als Erster Kapellmeister ist er natürlich
an, dessen Sinfonie Nr. 2 im 4. Sin-                                                            in die Planungen des Musiktheaters
foniekonzert unter der Leitung von                                                              einbezogen und darf ein Sinfonie-
Vladimir Yaskorski in dieser Spielzeit                                                          konzert für sich beanspruchen. Hier
erklang.                                                                                        hat er freie Hand, um auch außerge-
Von 2005 bis 2010 folgte ein Studi-                                                             wöhnliche Kompositionen in das Kon-
um (Violone) an der Musikhoch-                                                                  zertprogramm aufzunehmen, wie die
schule Lübeck einschließlich eines                                                              erwähnte Sinfonie von Avet Terterian.
Praktikums, in dessen Rahmen                                                                    Neben den musikalischen Werken,
auch eine Konzertreise mit der                                                                  die er selbst zu dirigieren hat, muss er
Neuen Philharmonie Hamburg                                                                      auch das übrige Repertoire kennen,
nach Südkorea erfolgte.                                                                         denn er muss in der Lage sein, auch
Sein Interesse galt aber zuneh-                                                                 mal für den Generalmusikdirektor ein-
mend dem Dirigieren, und so                                                                     zuspringen, wie unlängst bei den „Kö-
wechselte er 2010 nach Weimar und stu-         ein bundesweites Förderprogramms des         nigskindern“ geschehen.
dierte bis 2013 (bei Prof. Gunter Kahlert).    Deutschen Musikrates für den dirigenti-      Sein großer Wunsch, nach 14 Jahren
Manchem Plauener Opernfreund ist Prof.         schen Spitzennachwuchs in Deutschland.       endlich seine Heimat wiederzusehen, soll
Kahlert noch ein Begriff, leitete er doch      Nach Beendigung seines Studiums in           in diesem Jahr in Erfüllung gehen; bisher
1998 die erfolgreiche „Turandot“-Auffüh-       Weimar war er freiberuflich tätig und hat-   wurde ihm die Reise nach Armenien ver-
rung am Vogtlandtheater. In diesem Zu-         te bis zu seiner Berufung an unser Theater   wehrt.
sammenhang gab es einen kurzen Rück-           eine Vielzahl dirigentischer Aufgaben in
blick auf diese Oper, die in den Jahren        Deutschland und im Ausland, so in War-       Vladimir Yaskorski – ein liebenswerter
1928, 1958, 1998 und 2008 an unserem           schau, Riga, Gdansk und Vilnius.             Stammtischgast, den sicherlich noch
Theater aufgeführt wurde.                      2014 wurde er in Dresden mit dem „Ernst-     viele interessante und anspruchsvolle
Noch während seines Studiums in Weimar         von-Schuch-Preis“ ausgezeichnet. 2011        Aufgaben an unserem Theater erwar-
konnte Vladimir Yaskorski vielfältige Erfah-   richteten die Nachkommen des Dirigen-        ten und der auch immer wieder ein gern
rungen sammeln, erhielt er doch bereits        ten die „Familienstiftung Ernst Edler von    gesehener Gast bei anderen Orchestern
2012 einen Lehrauftrag für Orchester-          Schuch“ ein und vergeben zusammen            sein dürfte.

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Günter Lienemann

EIN GERN GESEHENER GAST
AM STAMMTISCH IM JUNI:
GENERALINTENDANT ROLAND MAY
„Wann folgt der Ruf aus Hollywood?“ lau-     Besuchern als Jahresheft in die Hand ge-       ehemalige Kino „Tivoli“, ist aus baulichen
tete die Überschrift in der Zeitung unse-    drückt werden kann.                            Gründen nicht mehr nutzbar. Dank des
res Vereins über den Besuch von Roland       Da spielt natürlich das Geld eine wich-        Entgegenkommens der Paulusgemeinde
May am Stammtisch des Fördervereins          tige Rolle, aber auch die Verfügbarkeit        steht deren Saal als Proberaum zeitweilig
im Juni 2017, also vor genau zwei Jah-       von Spielstätten mit ihren unterschiedli-      zur Verfügung. Eine weitere Einschrän-
ren. Mancher wird sich daran erinnern,       chen räumlichen Voraussetzungen, die           kung folgt mit dem Umbau der Kleinen
dass Roland May damals in der                                                                    Bühne, die bis November neugestal-
Rolle des DDR-Devisenbeschaffers                                                                 tet werden soll.
Schalck-Golodkowski im Fernse-                                                                   Trotz aller räumlichen (und weiterer)
hen zu erleben war und auf die Fra-                                                              Probleme soll den Besuchern ein
ge, ob es weitere Angebote dieser                                                                attraktiver Spielplan geboten wer-
Art gäbe, scherzhaft bemerkte, es                                                                den, der an diesem Abend vom Ge-
müsse schon der Ruf aus Hollywood                                                                neralintendanten vorgestellt wurde.
kommen – sehr zur Erheiterung der                                                                Freuen dürfen sich die Musikfreunde
Anwesenden!                                                                                      auf Sebastian Seitz als „Don Giovan-
Ging es vor zwei Jahren um Fragen                                                                ni“ und als „Danilo“ in der „Lustigen
zur Person, so standen diesmal der                                                               Witwe“. Übernommen in die neue
neue Spielplan und sein Zustande-                                                                Spielzeit wird auch „Aida“, deren
kommen sowie ein Rückblick auf                                                                   Premiere dem Theater außerordent-
die zu Ende gehende Spielzeit im                                                                 liche Improvisationskunst abverlang-
Mittelpunkt des Interesses. Erwähnt                                                              te. Erfreulich auch die Zusage, dass
sei auch, dass vor fünf Jahren Ro-                                                               die erfolgreiche Ballettinszenierung
land May mit eben diesem Thema                                                                   „Glashäuser“ nach dem Umbau
zu Gast am Stammtisch war – der                                                                  der Kleinen Bühne im neuen Spiel-
Besuch des Generalintendanten                                                                    plan berücksichtigt wird. Vielver-
am Stammtisch könnte zu einer                                                                    sprechend soll das Konzertangebot
willkommenen Regelmäßigkeit wer-                                                                 werden, denn der weltweit gefeier-
den!                                                                                             te Pianist, Schlagzeuger und Dirigent
Mit „Erwartungen“ (Motto) gehen                                                                  Frank Dupree soll nicht nur das erste
Theater und Publikum in die Spiel-                                                               Sinfoniekonzert gestalten, sondern
zeit 2019/20, nachdem in den ver-                                                                für weitere Konzerte gewonnen wer-
gangenen Jahren „Grenzgänge“,                                                                    den.
„Mitsprache“, Lebenswert“ und                                                                    Das Schauspiel erinnert mit „Wir sind
andere Begriffe als Motto über den                                                               auch nur ein Volk“ an die Ereignisse
jeweiligen Spielzeiten standen. Ro-                                                              vom Oktober und November 1989
land May erläuterte, wie in langen                                                               und ein Jahr später an 30 Jahre Ein-
Diskussionen um dieses Motto ge-                                                                 heit, also Jubiläen, die in den Spiel-
rungen wird, das in nur einem Wort mög-      vor allem in Zwickau ein hohes Maß an          plänen des Theaters fest verankert sein
lichst viel ausdrücken soll.                 Flexibilität erfordern; es ist verständlich,   werden.
Natürlich erwarten die Besucher einen        dass sich für die Theatermitarbeiter mit       Es gab Kritik an einigen Inszenierungen
anspruchsvollen Spielplan, über dessen       dem Motto „Erwartungen“ der Wunsch             der zu Ende gehenden Spielzeit, die
Entstehen der Generalintendant aus-          verbindet, dass mit dem rekonstruierten        Roland May mit Interesse zur Kenntnis
führlich berichtete, auch, dass bereits an   Gewandhaus im nächsten Jahr (noch              nahm, aber auch Lob, sehr zu seiner
der nächsten Spielzeit gearbeitet wird.      vor dem BER…) wieder eine, dem Vogt-           Freude.
Für manche Inszenierungen ist ein noch       landtheater vergleichbare Spielstätte zur
längerer Vorlauf notwendig, wenn zum         Verfügung steht.                               Ein herzliches Dankeschön an den Ge-
Beispiel besondere Gäste verpflichtet        Vor einer Premiere muss natürlich fleißig      neralintendanten für seinen Stammtisch-
werden sollen, die oft mehrere Jahre im      geprobt werden und da tun sich weite-          besuch! – ein Dankeschön auch an den
Voraus ausgebucht sind. Überhaupt sind       re Probleme auf – eine vollwertige Pro-        Vorstand des Fördervereins für die Teil-
unzählige Einflussfaktoren zu berücksich-    bebühne existiert überhaupt nicht und          nahme am Stammtisch!
tigen, ehe der Spielplan steht und den       der bisherige Proberaum in Plauen, das

 DER THEATERFÖRDERVEREIN                                                                                                           11
Lutz Behrens

WELTBILD DER WIDERSPRÜCHE
PREMIERE VON MOZARTS „ZAUBERFLÖTE“ IM PARKTHEATER
„Die Zauberflöte“, Mozarts berühmteste Oper, vor über 200 Jahren in Wien uraufgeführt, geriet zur Premiere (2. Juli) im Plauener
Parktheater zu einem turbulent inszenierten, kaum langatmigen, musikalisch auf höchstem Niveau befindlichen und gesanglich
begeisternden Augen- und Ohrenspektakel.

Als prägendes Stilmittel, ob musikalisch,
bühnentechnisch, dramaturgisch oder
selbst theaterhistorisch, nutzte „Zauber-
flöten“-Regisseur Jürgen Pöckel, seines
Zeichens Musiktheaterdirektor, den Kont-
rast in all seinen Ausprägungen. Hat man
sich dieser Erkenntnis verschrieben, sind,
wo man auch hinschaut, Kontraste auf-
zuspüren. Bei Mozart natürlich, dem Kom-
ponisten dieser „beliebtesten Oper über-
haupt“, wie es eine Ankündigung des
Theaters verspricht. So, wenn er die Kö-
nigin der Nacht, in Plauen eindrucksvoll
gesungen und dargestellt von der mehr-
fach mit Bravo-Rufen belohnten Ani Tani-                                                     den glänzend disponierten Mitgliedern
guchi (als Gast), in der Arie „Der Hölle Ra-                                                 des Opernchores, des Extrachores und
che“ die immense Spannweite von zwei                                                         der großartigen Singakademie getragen
Oktaven zu meistern aufgibt; in der Urauf-                                                   werden, steht einer grellen, goldglänzen-
führung hatte Mozart die Rolle, wie da-                                                      den, aufwendig geschmückten Königin
mals üblich, seiner Schwägerin Josepha                                                       der Nacht, den beiden bunten Paradies-
Hofer auf den Leib geschrieben. Oder                                                         vögeln Papagena und Papageno und
nehmen wir Sarastro (Frank Blees), den                                                       einem eher sadomasochistischen Phan-
er gesanglich in die dunklen Abgründe                                                        tasien verpflichteten Monostatos (Marcus
eines Basses abtauchen lässt. Dass sich                                                      Sandmann) gegenüber.
Papagena (Nataliia Ulasevych) erst als                                                       Doch auf blanke Äußerlichkeiten be-
alte Frau ihrem Vogelfänger offenbart,                                                       schränkt sich die kontrastreiche Dimensi-
um ihm schließlich mit weiblich-jugendli-                                                    on der Oper nicht. Da prallen aufeinan-
chen Reizen den Kopf zu verdrehen, be-                                                       der Königin und Priester, Frau und Mann,
kräftigt nur die These vom, in diesem Falle    üppig wuchernden, bunten Pflanzen ei-         Körper und Seele, oben und unten, Nacht
                                               nes angedeuteten Urwaldes entgegen-
                                               stellt. Im Übrigen: das klug in das Geviert
                                               der Grundfläche der Pyramide platzierte
                                               Orchester, geleitet vom weiß bemützten,
                                               immer souveränen Vladimir Yaskorski,
                                               dem 1. Kapellmeister des Hauses und mu-
                                               sikalischem Leiter der Inszenierung, über-
                                               zeugt von der Ouvertüre bis zum Finale
                                               durch Klangreinheit, Sicherheit im Tempo
                                               und ausgewogene Modulation.
                                               Zurück zum Bühnenbild. Als Kontrast an-
                                               gelegt das gewagte, aber sehr beeindru-
verschleierten Kontrast als Prinzip.           ckende Spiel mit wirklichem Feuer (prak-
                                               tiziert von Marie Kannemann und Karsten
Spiel mit dem Feuer                            Nix), das dem sanft plätschernden Was-
                                               ser eines Springbrunnens entgegenge-
Das gilt für das Bühnenbild von Andrea         setzt ist. Auch in den Kostümen sichtba-
Hölzl, die eine streng geometrische Pyra-      re Widersprüche: schwarz-weiße, streng
mide im Zentrum des Bühnenbildes den           geometrisch angelegte Kleidung, die von

12
werden Akteure gefeiert, die zum Teil
                                                                                            nicht mehr zum Ensemble gehören. Die
                                                                                            meisten aktuellen Darstellerinnen und
                                                                                            Darsteller bleiben im Einlieger des Pro-
                                                                                            gramms auf kleine Passbilder in Schwarz-
und Tag, Hass und Liebe, Rache und Ver-       zum Finale von dieser verzeihend umarmt       Weiß reduziert. Leo Siberski wird mit Bio-
zeihung, Tod und Leben, böse und gut:         wird (und nicht untergeht), spricht für die   grafie als musikalischer Leiter vorgestellt,
Die „Zauberflöte“ präsentiert ein Weltbild    heilsame Wirkung der Aussage der Oper         Vladimir Yaskorski nur genannt.
der Widersprüche und Gegensätze.              auf ihre Darstellung.
                                                                                            Elefant wird Ereignis
Hohes Pathos und Lebensklugheit               Programmheft mit Tücken
                                                                                            Nicht vergessen werden dürfen die
Am überzeugendsten präsentiert Jürgen         Nach mehr als drei Stunden (mit Pau-          gewaltige Schlange, das abgestürzte
Pöckel das erheiternde (und im Publikum       se) schließt die „deutsche Oper in zwei       Kleinflugzeug, die „Schwalbe“, auf der
durchaus mit verstehendem Lachen quit-        Aufzügen“ mit einem zwar optisch ge-          Pamino einfliegt und natürlich: der Ele-
tierte) Aufeinanderprallen von hohem Pa-      waltigen, musikalisch aber eher sanften       fant! Wenn in nostalgischer Rückschau
thos, heiligem Ernst und ewigen ethischen     Schlussbild. Im zweiten Teil ließen wenige    auf Freilichtaufführungen im Parktheater
Gesetzen mit dem witzigen, täppischen,        Längen die Aufmerksamkeit ein wenig           immer wieder schmerzlich ein Rüsseltier
sehr menschlichen Agieren des Papage-         erlahmen; aber wer will leichtfertig ent-     vermisst wird, in der aktuellen „Zauber-
no, in Plauen mit Sebastian Seitz die heim-   scheiden, was er bei Mozart wegstreicht.      flöte“ wird es Ereignis, zwar nicht lebend
liche Hauptfigur des Zauberopernspekta-       Anzumerken ist, dass, aus welchen Grün-       und auch ohne dramaturgische Funktion,
kels. Ein Hochgenuss die Szene, in der ein    den auch immer, das Programmheft mit          aber als Zitat und Theaterplastik sehr be-
zu allem bereiter Tamino (André Gass)         Fotos der Zwickauer Inszenierung von vor      eindruckend.
sein Leben der Liebe zu opfern willens ist,   einem Jahr aufwartet. In voller Schönheit     Genannt werden müssen ein stolzer Spre-
und parallel dazu Freund                                                                              cher, dem Shin Taniguchi Ernst
Papageno dem Ganzen                                                                                   und östliche Würde verleiht,
eher realistisch-nüchtern,                                                                            die drei Damen, gesungen von
skeptisch und ablehnend                                                                               Johanna Brault aus dem Ensem-
gegenübersteht.                                                                                       ble und den Gästen Nathalie
Große      Momente      aber                                                                          Senf und Sarah Kufner, und eine
auch in den weltanschau-                                                                              liebenswerte Pamina, der Chris-
lich grundierten, Mozarts                                                                             tina Maria Heuel ihr Gepräge
und Schikaneders Freimau-                                                                             gibt.
rertum verpflichteten Aus-                                                                            Hoch zu loben sind die gut ver-
sagen eines Sarastro, der                                                                             ständliche Artikulation aller Be-
die Macht der Liebe und                                                                               teiligten, was es dem Publikum
der Vernunft beschwört,                                                                               in dem zu zwei Dritteln gefüllten,
das hohe Lied der Verge-                                                                              mit den neuen Sitzen ausgestat-
bung singt und einem abs-                                                                             teten Parktheater ermöglicht,
trakten Menschsein huldigt.                                                                           stets der Handlung problemlos
Uns alle trösten die Sätze                                                                            zu folgen. Ein stehend applau-
vom „gefallenen Men-                                                                                  dierendes Premierenpublikum,
schen“, der durch Liebe                                                                               mehrfache Bravo-Rufe und gro-
gerettet wird in imaginären                                                                           ße Begeisterung bewiesen au-
Sphären, „wo Mensch den                                                                               genfällig, dass der Besuch der
Menschen liebt“, wo immer                                                                             „Zauberflöte“ zu einem Hoch-
das sein soll. Und dass die                                                                           genuss wurde.
Königin der Nacht, die ihre
Tochter zum Mord anstiftet,                                                                           Fotos © Sermon Fortapelsson

 DER THEATERFÖRDERVEREIN                                                                                                            13
Lutz Behrens

FÜR GRÜNDLICHE REVISION EIGENEN VERHALTENS
GROSSARTIGE BRECHT-INSZENIERUNG AM VOGTLANDTHEATER
Grob kalauernd ließe sich ein Blick auf die   Gegenwart zu transportieren; er strafft         gänge auf der Bühne zu verfolgen, sie
Plauener Inszenierung der Brecht’schen        den Text, spitzt die Handlung zu und lässt      in ihrem allseitigen Zusammenhang und
Schlachthof-Johanna mit der Erkenntnis        die hohe Aktualität des Stoffes sichtbar        totalen Verlauf zu begreifen. Und zwar
beginnen, dass vom Ochsen nur Rind-           werden.                                         zum Zwecke einer gründlichen Revision
fleisch zu erwarten sei. Und das ist über-    Brecht beschäftigte sich um 1925 mit der        seines eigenen Verhaltens. Er darf sich
haupt nicht despektier-                                                                                 nicht spontan mit bestimmten
lich gemeint. Ganz im                                                                                   Figuren identifizieren, um dann
Gegenteil. Das Plauener                                                                                 lediglich an ihrem Erleben teil-
Theater beweist mit die-                                                                                zunehmen. Er geht also nicht
sem dreistündigen, meist                                                                                aus von ihrem intuitiv erfassten
kurzweiligen Theaterspek-                                                                               ‚Wesen‘, sondern aus ihren
takel, dass es sich auf der                                                                             Äußerungen und Handlungen
Höhe der Zeit bewegt,                                                                                   setzt er die Gesamtprozesse zu-
durchaus zu leisten ver-                                                                                sammen.“
mag, was seine Mög-
lichkeiten hergeben und                                                                                 Fatale Wirkungsgeschichte
zudem überrascht mit ei-
nem Bühnenbild, das den                                                                                  Brechts Stück, Anfang der Drei-
Vergleich mit großstäd-                                                                                  ßigerjahre des vergangenen
tischen Häusern nicht zu                                                                                 Jahrhunderts für eine bitter nö-
scheuen braucht. Aber,                                                                                   tige Aufführung bereit, wird Op-
und auch das muss ge-                                                                                    fer der Zeitläufe. Die mehr oder
sagt sein, das Vogtlandtheater ist nicht      kapitalistischen Wirtschaft, so mit der Bio-    weniger liberale, demokratischen Grund-
die Volksbühne oder das Deutsche The-         grafie eines Börsenmaklers und mit Getrei-      sätzen verpflichtete Weimarer Republik
ater (und der Autor dieser Zeilen nicht       despekulationen. Auch die Heilsarmee            degeneriert, nach weltweiter Wirtschafts-
Alfred Kerr oder Herbert Ihering, obwohl      interessierte ihn. Er las Upton Sinclairs Ro-   krise („Schwarzer Freitag“), Millionen von
diesen Vergleich der Plauener Schauspie-      man Der Dschungel (das Programmheft             Arbeitslosen, häufig wechselnden Regie-
ler Michael Schramm einst bemühte).           macht uns mit einem Ausschnitt daraus           rungen, Notverordnungen, einer Justiz,
                                              vertraut) und Das Kapital von Karl Marx.        die auf dem rechten Auge blind ist, in kür-
Auf der Höhe der Zeit                                                                         zester Zeit zu einer blutrünstigen, staatster-
                                              Nichtaristotelische Dramatik                    roristischen Diktatur, genannt: das Drit-
Regisseur Roland May gelingt es überzeu-                                                      te Reich (nicht zu verwechseln mit der
gend, den doch angejahrten Brecht (das        Brecht schreibt über die von ihm ge-            Kleinstpartei Der III. Weg, die, wenn auch
Stück wurde begonnen Ende der Zwan-           wünschte Aufnahme seines Stückes:               – vorerst? – nur mit einem Abgeordneten,
zigerjahre des vergangenen Jahrhun-           „ ‚Die Heilige Johanna der Schlachthöfe‘        so hat es der Wähler gewollt, in Kürze ins
derts und der Meister selbst konnte die       ist ein Stück nichtaristotelischer Drama-       Plauener Stadtparlament einziehen wird).
Uraufführung im April vor 60 Jahren nicht     tik. Diese Dramatik erfordert eine ganz         Die 1933 etablierte Nazidiktatur wird un-
mehr erleben) nicht nur mit modischen         bestimmte Einstellung ihres Zuschauers.         rühmlich bekannt mit Mord und Terror,
Versatzstücken wie Computer oder dem          Er muss imstande sein, in einer ganz be-        Konzentrations- und Vernichtungslagern,
inzwischen unvermeidlichen Handy in die       stimmten erlernbaren Haltung die Vor-           dem Zweiten Weltkrieg mit all seinen bis

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heute (Bombenfunde) spürbaren Folgen          lesen im Band Werke III, Stücke 3, S. 461,      ckes korrekt anzugeben. Mit „Die heilige
und der Vernichtung der europäischen          der Großen kommentierten Berliner und           Johanna von den Schlachthöfen“ wird
Juden. Was geschah? Nach einer de-            Frankfurter Ausgabe der Werke Bertolt           ein eher misslungener Versuch gemacht,
mokratischen Wahl am 30. Januar 1933          Brechts. Eine ähnlich exakte Quellenan-         den Meister in seiner Titelformulierung zu
ernannte Reichspräsident Hindenburg           gabe hätte man sich im aktuellen Pro-           korrigieren.
den „böhmischen Gefreiten“ Adolf Hitler,      grammheft des Theaters Plauen-Zwickau
Anführer der NSDAP, der Schläger von SA       zur Johanna gewünscht für die Behaup-           So bleibt mir, Herrn Peter Wolf aus Plauen
und einer Schutzstaffel, zum Reichskanz-      tung, dass nach dem Verbot dieses Wer-          zu danken, der sich von einem ausführli-
ler. Der fackelte nicht lange. Nach Reichs-   kes von Brecht in der Zeit des Nationalso-      chen Programmheft für Die heilige Johan-
tagsbrand, dem Verbot aller Parteien          zialismus (wobei alle Brecht‘schen Stücke       na der Schlachthöfe am Berliner Ensemb-
(außer der NSDAP) und der Ausschaltung        obsolet und verboten waren) das Stück           le im Jahre 1968 trennte, das zudem den
des Reichstages, freute sich das deutsche     „anschließend von der SED-Führung in der        Vorzug hat, mit ausgezeichneten Illustrati-
Volk, dass endlich wieder Zucht und Ord-      DDR vorerst als zu revolutionär“ abgelehnt      onen von Heinz Zander versehen zu sein.
nung herrschten, die Autobahnen gebaut        worden sei. Im Arbeitsjournal 1939 bis 1955
und die jüdischen Geschäfte geplündert        ist dazu nichts zu finden, nichts in der        Nachsatz: Vielleicht ist es – 30 Jahre nach
werden konnten.                               Brecht Chronik von Werner Hecht. Nichts         der Wiedervereinigung – angebracht,
                                              in den Brecht-Biografien von Fuegi über         Brecht, der bis heute von vielen mit Vor-
Kein Geld von der Stadt                       Knopf bis hin zu den Erinnerungen Schu-         urteilen gesehen wird, mit einem Satz
                                              machers oder dem Band Brecht und die            zu würdigen, dessen prophetische Kraft
Das Hessische Landestheater in Darm­          DDR von Hecht.                                  bemerkenswert ist. 1956, kurz vor seinem
stadt, das am 25. Januar 1933 bekannt-        Die Uraufführung geriet zum Erfolg. Han-        Tod, schrieb Brecht: „Wenn Deutschland
gibt, Brechts Stück uraufzuführen, sieht      ne Hiob, die Tochter Brechts, spielte die       einmal vereint sein wird, jeder weiß, das
sich in der Presse und im Landes- und         Johanna „… mit Augen, deren im Mit-             wird kommen (Hervorhebung – L.B.),
Stadtparlament schweren Anwürfen aus-         leid brennender Glanz unvergesslich             niemand weiß wann – wird es nicht sein
gesetzt. Gedroht wird mit Kürzung der         bleiben wird“, so Herbert Jhering in sei-       durch Krieg.“
staatlichen Gelder für das Theater. Der       ner Kritik (Die andere Zeitung, Hamburg,
Termin muss storniert werden. Intendant       6. Mai 1959). Neben höchstem Lob („eine
Gustav Hartung wird abgesetzt und muss        der größten Bühnensensationen“), steht
emigrieren. Im Exil kommt nur eine frag-      scharfe Ablehnung; die Berliner Zeitung,
mentarische Aufführung des Stückes in         Berlin/West, (4. Mai 1959) formuliert: „Ein
Kopenhagen zustande.                          primitiver Singsang aus der Mottenkiste
Nach Kriegsende (18, Januar 1949)             des Klassenkampfes“ oder „ein böses Zerr-
schreibt Brecht in einem Brief an Gustaf      bild, verlogen und voller Hass.“
Gründgens, „Sie fragten mich 1932 um
die Erlaubnis, die Heilige Johanna der        Nicht totzukriegen: Berthold Brecht
Schlachthöfe aufführen zu dürfen. Meine
Antwort ist ja.“                              Zwar stimmt es, dass der weltberühmte
                                              Dramatiker und Lyriker Brecht als Eugen
„Im Mitleid brennender Glanz“                 Berthold Friedrich Brecht geboren wurde,
                                              aber es sollte sich eben auch herumge-
Gründgens braucht dann noch, aus un-          sprochen haben, dass er (seit 1916) als
terschiedlichen Gründen, zehn Jahre. Am       Bert, respektive Bertolt Brecht bekannt
30. April 1959 erfolgt in der Inszenierung    ist. Nichtsdestotrotz findet sich in der Jo-
durch Gründgens die Uraufführung am           hanna-Premierenbesprechung des Vogt-
Hamburger Schauspielhaus. So nachzu-          land-Anzeigers (25. März 2019) wieder
                                                                der beliebte Berthold,
                                                                und mehr ist dann darü-
                                                                ber auch nicht zu sagen.
                                                                Außer vielleicht, dass es
                                                                im Vorspann des besag-
                                                                ten Artikels nicht einmal
                                                                gelingt, den Titel des Stü-   Fotos © Sermon Fortapelsson

                                                                   Das Stück Die heilige Johanna der Schlachthöfe in der Insze-
                                                                   nierung von Roland May ist am Vogtlandtheater in Plauen
                                                                   wieder ab Januar 2020 auf dem Spielplan.

 DER THEATERFÖRDERVEREIN                                                                                                             15
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                                                                        Vorten!
                                                                        nutze

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