DER THEATERFÖRDERVEREIN - Ausgabe: Juli / August 2019 - Fest der Vielfalt - Verein zur Förderung des ...
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DER THEATERFÖRDERVEREIN Ausgabe: Juli / August 2019 S. 2 Fest der Vielfalt S. 6/7 Ballett rührt zu Tränen S. 12/13 Weltbild der Widersprüche S. 14/15 Heilige Johanna
FEST DER VIELFALT VOR DEM VOGTLANDTHEATER GENERALINTENDANT ROLAND MAY ZUR VERANSTALTUNGSPLANUNG AUF DEM THEATERVORPLATZ Irritiert zeigt sich Generalintendant Roland Pausen. Am Sonnabendnachmittag geht gegen die kommunistische Gewaltherr- May über die Unsensibilität der Behörden die dritte Vorstellung der Erfolgsinszenie- schaft im Jahre 1989 verbunden und er- bei der Veranstaltungsplanung für den rung für Familien, Erich Kästners Pünkt- innern gerade im 30. Jubiläumsjahr an sogenannten III. Weg auf dem Theater- chen und Anton über die Bühne. Wie diese Ereignisse besonders. Als hätte der platz vor dem Vogtlandtheater am Sonn- kann man so unsensibel sein, einer offen- Ruf der Stadt Plauen und der des Vogt- abend (25. Mai 2019). sichtlich nationalradikalen Vereinigung landkreises in den vergangenen Wochen hier die Genehmigung zu einer Kund- nicht schon genug Schaden genommen, May: „Der Theatervorplatz ist an Vorstel- gebung schon aus Gründen der öffent- nimmt man offensichtlich nun auch noch lungstagen für zirka 400 Zuschauer der lichen Ordnung nicht zu untersagen. Der in Kauf, dass Familien ihren geplanten Eingangsweg und Sammelraum vor den Theatervorplatz und das Theater selbst Besuch bei uns an diesem Tag in Frage Vorstellungen und eine Ruhezone in den sind untrennbar mit dem Widerstand stellen. Erste Absagen für die Vorstellung am Sonnabend sind trotz Verlegung der nationalradikalen Kundgebung um ei- nige Meter bereits im Theater einge- gangen. Ich fordere hiermit alle verant- wortlichen Behörden in der Stadt Plauen und dem Vogtland- kreis auf, bei diesen IMPRESSUM Entscheidungen nicht länger gegen die Interessen einer breiten Stadtmehr- heit zu votieren, die Herausgeber: für Demokratie und Verein zur Förderung des gegen extreme poli- Vogtlandtheaters Plauen e.V. tische Erscheinungs- Friedrich Reichel, formen eintritt.“ Vereinsvorsitzender (V.i.S.d.P.) Redaktion: Dr. Lutz Behrens Viel Prominenz von Georg-Benjamin-Str. 67, 08529 Plauen der Sächsischen Tel.: 0 37 41 / 44 05 92 Staatsministerin, 0170 / 4814689 dem vogtländischen lutz.behrens@primacom.net Landrat bis zu Land- tags-, Kreistags- und Auflage: 1.000 Stadtratsabgeord- neten zeigte sich, Erscheint: aller zwei Monate aber auch zahlrei- che Bürgerinnen und Layout, Satz und Druck: Bürgern kamen, um PCC Printhouse Colour Concept am 25. Mai vor dem Helko Grimm, Syrauer Straße 5, Theater ein Zeichen 08525 Plauen/Kauschwitz gegen Neonazis zu setzen und ein Fest der Vielfalt zu feiern. Foto: L. B. 2
INHALT Seite 02 FEST DER VIELFALT VOR DEM VOGTLANDTHEATER Generalintendant Roland May EDITORIAL zur Veranstaltungsplanung auf dem Theatervorplatz Seite 03 EDITORIAL Seite 04/05 VEREINSARBEIT ZUM WOHLE DES THEATERS Protokoll über die Mitgliederversammlung des Plauener Theaterfördervereins Seite 06/07 BALLETT RÜHRT ZU TRÄNEN Liebe Freunde und Förderer des Plauener Theaterfördervereins, sehr geehrte Damen und Herren, Seite 08 SEHNLICHSTER WUNSCH DES vor 30 Jahren standen auf dem Plauener Theaterspielplan unter anderen Stücke wie GANZEN VOGTLANDES Schatrows „Diktatur des Gewissens“ und Aitmatows „Richtstatt“ - Schauspiele aus der Vor 120 Jahren wurde in Plauen Feder sowjetischer Autoren, die Dank Glasnost und Perestroika kritisch den sozialisti- das Stadttheater eröffnet schen Alltag beschrieben. Die Machtverhältnisse wurden hinterfragt, offen die Prob- Seite 09 leme der Zeit benannt und gleichzeitig geschildert, wie die herrschenden kommunisti- schen Parteien mit ihren Regierungen dies alles ignorierten. Es war politisches Theater, EINE SCHLICHTE FRAGE das seine Freiräume für Unangepasstes nutzte und so seinen geistigen Anteil an Fried- SICH UMZIEHENDE KÜNSTLERINNEN licher Revolution und Mauerfall von 1989 hatte. NICHT ERSCHRECKEN Sie haben bestimmt schon in der neuen Broschüre über die Spielzeit 2019/2020 geblät- tert. Unter dem Motto „Erwartungen“ bietet sich Ihnen eine breite Palette von Ange- Seite 10 boten. Und natürlich erwartet Sie dabei ein künstlerischer Rückblick auf die Gescheh- AUSGEZEICHNETER DIRIGENT nisse von 1989. Damals mischte sich das Theater engagiert in den sich anbahnenden MIT ZUKUNFT Demokratisierungsprozess ein und mit diesen Reminiszenzen wird sich auch heute sehr Vladimir Yaskorski, Erster Kapellmeister aktiv für den Erhalt der Demokratie und für eine pluralistische Gesellschaft eingesetzt. Seite 11 Für die Sommermonate wünsche ich Ihnen eine angenehme Zeit der Erholung und EIN GERN GESEHENER GAST schöne Erlebnisse in anderen Landschaften und an interessanten Kulturorten. Generalintendant Roland May Vielleicht führt Sie der Weg in das eine oder andere Theater, zu einem der vielen Festi- Seite 12/13 valorte … man vergleicht und ohne das Besondere schmälern zu wollen – das Theater WELTBILD DER WIDERSPRÜCHE Plauen – Zwickau hat viel zu bieten und wird auch einem hohen Anspruch gerecht. Premiere von Mozarts „Zauberflöte“ Freuen Sie sich auf die neue Spielzeit. im Parktheater Seite 14/15 FÜR GRÜNDLICHE REVISION Ihr EIGENEN VERHALTENS Friedrich Reichel Großartige Brecht-Inszenierung Vorsitzender am Vogtlandtheater TITEL Unser Titelfoto zeigt einen Ausschnitt aus dem Tanztheaterstück „Glashäu- ser“ in der Choreografie von Odet Ro- nen. Das Stück erlebte in Plauen seine viel beachtete Uraufführung und ist -- leider -- erst am 13. März 2020 im Zwickauer Malsaal wieder zu sehen. Foto: © Sermon Fortapelsson DER THEATERFÖRDERVEREIN 3
VEREINSARBEIT ZUM WOHLE DES THEATERS Protokoll über die Mitgliederversammlung des Plauener Theaterfördervereins am 8. Mai 2019, 19 Uhr, auf der Kleinen Bühne des Vogtlandtheaters Plauen Anwesende Vorstandsmitglieder: Friedrich Reichel, Helko Grimm, Bodo Brandt, Matthias Frank, Eberhard Eisel, Renate Rudert, Steffi Müller-Klug Gast im Präsidium: Sandra Kaiser, Geschäftsführerin des Theaters Plauen-Zwickau Einladung und Tagesordnung wurden fristgemäß in der Vereinszeitung Der Theaterförderverein Heft 2/2019 den Mitgliedern zugestellt. Die Mitgliederversammlung wurde mit einem kulturellen Beitrag eingeleitet. Es sangen Natalija Ulasevych und Frank Blees, am Klavier begleitet von Kathryn Bolitho. Nach der Begrüßung durch den Vorsitzen- dungen (zum Beispiel Spielstätten- oder mehr existierenden Vereinsseite. den Friedrich Reichel wurde die Anwesen- Spartenschließungen, Eintrittspreise, Abo- Alle Aktionen durch unseren Verein sind heit von 40 Mitgliedern (ein Mitglied verließ Bedingungen, Geschäftsführerposition) letztendlich Werbung für unser Theater. vorfristig die Veranstaltung) festgestellt. erfordern die Zustimmung beider Gesell- Rückschauend wären im Besonderen die Zur vorgeschlagenen Tagesordnung gab schafter. Veranstaltungen „Der Theaterförderver- es auf Anfrage keine ergänzenden Ände- Um das Bestehen des Theaters über 2022 ein lädt ein“ (Gäste: Generalmusikdirektor rungen. zu sichern, wurde auf Wunsch des Plau- Leo Siberski sowie Bernd Lutz-Lange mit ei- ener Stadtrates eine Zukunftskommission nem vollem Haus) und die Festveranstal- Den Jahresbericht erstattete Friedrich gebildet. Diese besteht nur, wie auch der tung „120 Jahre Vogtlandtheater“ (gutes Reichel: Aufsichtsrat, aus Stadträten. Wir sind der Programm, volles Haus, Gast Staatsminis- Die letzte Jahreshauptversammlung fand Meinung, beide Fördervereine sollten in terin Eva-Maria Stange, Wermutstropfen: am 9. Mai 2018 statt. Seitdem gab es diesen Gremien mit beratender Stimme fehlende Berichterstattung in der Lokal- elf Vorstandssitzungen sowie eine Son- vertreten sein. ausgabe Plauen der Freien Presse). dersitzung im Zusammenhang mit der Abstimmung im Stadtrat zum Kulturpakt Ein besonderes Geschenk mit moralischer Stammtisch: initiiert und organisiert von Sachsen. Der Kulturpakt ermöglicht den Verantwortung wäre eine Stuhlpaten- Günter Lienemann; Im letzten Jahr fan- Mitarbeiter des Theaters den Ausstieg schaft. Es gibt noch 150 Stühle, die Platz den wieder regelmäßig Treffen mit ver- aus dem Haustarifvertrag. Die Mehrkos- für ein personalisiertes Messingschild auf- schiedenen Gästen (seit Januar 2013 zir- ten kommen zu 70 Prozent vom Land. weisen. ka 40 aus allen Bereichen des Theaters) Der Rest ist durch die Gesellschafter zu statt. So standen unter anderen Johanna tragen. Zwickau übernimmt diese Anteile Unsere, von Dr. Lutz Behrens erstellte För- Brault, Sandra Kaiser, Marcus Sandmann, und forderte eine prozentuale Anpassung dervereinszeitung, wurde im Berichtszeit- Sebastian Seitz und Vladimir Yaskorski der Aufsichtsratsmitglieder. Man fürchte- raum erneut sechs Mal ausgeliefert. Rede und Antwort. Besonderer Dank gilt te Nachteile um das Mitspracherecht der Carolin Eschenbrenner als Vermittlerin im Stadt Plauen. Mit einer Pressekonferenz Eine Veränderung gab es bei der Ausga- Hintergrund. und einem Positionspapier bezogen wir be 03/04 2019. Diese machte durch ein dazu Stellung. Im Stadtrat kam es bei der neues Layout auf sich aufmerksam. Not- Theaterball: Helko Grimm; Dank an das ersten Abstimmung zu einer Ablehnung wendig geworden ist dies, da die Herstel- Theater für die gute Zusammenarbeit und des Vertragsentwurfes. Nachverhandlun- lung der Zeitung nach einer Angebotsab- dem gelungenem 17. Theaterball. Er ist mit gen führten zu einem Zustimmungsfähi- frage an den günstigsten Anbieter (zirka großem finanziellem Aufwand verbunden gem Kompromiss. Damit wird der Grund- 300 Euro Differenz) wechselte. Da sich für und stets ein Wagnis zu Zeiten geringerer lagenvertrag zum fusionierten Theater bis die Betreuung unserer Webseite eben- Einnahmen. Für „Die Goldenen Zwanzi- 2022 vorfristig verlängert und beide Städ- falls ein neuer Anbieter (Firma inszenium; ger“, dem Motto des 18. Theaterball, ist te als Träger treten dem Kulturpakt Sach- Inhaber Stefan Lehmann) verantwortlich bereits der 7. März 2020 reserviert. sen bei. Die Besetzung des Aufsichtsrates zeigt, wurden beide Layouts aufeinan- erfolgt im Verhältnis 7 (für Zwickau) zu der abgestimmt. Der Wechsel ergab sich Theaterfahrt: Helko Grimm; Im ver- 4 (für Plauen). Grundlegende Entschei- aufgrund einer seit über zwei Jahren nicht gangenen Jahr ging es ans Deutsche 4
Nationaltheater Weimar zu einer Vorstel- wel-Foyer 2 500 Euro; das Bistro Kleine Büh- zwischenzeitlich hatten wir es mit Liquidi- lung von „Hänsel und Gretel“. ne 1 500 Euro oder Beiträge zur Festveran- tätsproblemen zu tun. Fürs laufende Jahr staltung). heißt es: die Finanzierung zu sichern, um Im Berichtszeitraum wurde 2018 ein weite- weiterhin auf hohem Niveau agieren zu rer Theaterpreis verliehen. Geehrt wurde „Jedes Mitglied wirbt ein neues Mitglied!“ können. die ehemalige Tänzerin und spätere Mit- Dieser Aufruf durch unseren Ehrenvorsit- Auf Einladung der Volksbank Vogtland arbeiterin Bühne: Eveline „Lilly“ Wunder- zenden Eberhard Eisel brachte in den findet am 11. November 2019 ein erstes lich. vergangenen zwölf Monaten keine nen- Sponsorentreffen statt. nenswerten Neuzugänge. Zur Absiche- In Zusammenarbeit mit dem Stiftungsrat rung unserer Zukunft bleibt dieser Aufruf Zum 30. Juni 2019 werden die Mitglieds- werden zukünftige Preisverleihungen neu aktuell. beiträge fürs laufende Jahr fällig. organisiert. Jährlich wechselnd wird der „Edith-Löwel-Theaternachwuchsförder- Weiterhin wurde eine Information für Mit- Bericht der Kassenprüfung durch Bernd preis“ (dotiert mit 500 Euro und vergeben glieder über den Datenschutz im Sinne Morgner. Es wurde bestätigt, dass alle Ein- bis zu einem Alter von 35 Jahren) sowie der Datenschutzgrundverordnung veröf- nahmen und Ausgaben satzungsgemäß der „Hans-Löwel-Theaterpreis“ (Ehren- fentlicht. Um unsere Mitglieder bei Ihrer getätigt wurden und ordnungsgemäße geschenk und Preisträgerermittlung wie ehrenamtlichen Tätigkeit abzusichern Nachweise vorliegen sowie geltende bisher) ausgelobt. Für 2019 wird es einen wurde eine Vereinshaftpflichtversiche- Vorschriften eingehalten wurden. Der Preisträger für den Nachwuchsförderpreis rung abgeschlossen. Mitgliederversammlung wurde vorge- geben. Eine Kommission aus je zwei Mit- schlagen, den Vorstand für das Jahr 2018 gliedern der Geschäftsleitung, des Vor- Finanzen: Bodo Brandt; Die Finanzierung zu entlasten. standes und der Stiftung werden gemein- unserer Vereinsarbeit besteht aus drei Im Rahmen der Debatte kam es zu kei- schaftlich einen Kandidaten nominieren. Haupteinnahmequellen: den Mitglieds- nen Redebeiträgen. In Zusammenarbeit mit der Stadt soll 2020, beiträgen in Höhe von zirka 12 000 Euro. anlässlich des 100. Geburtstages von Die vorhandene Altersstruktur und die Der Entlastung des Vorstandes wurde mit Hans Löwel, eine Gedenktafel auf dem durch Erreichen des Renteneintrittsalters 35 Ja-Stimmen und 4 Enthaltungen zuge- Hans-Löwel-Platz errichtet werden. zu erwartende Beitragsreduzierung wer- stimmt. den diese Einnahmen weiter sinken lassen; Auch im letzten Jahr wurde im Rahmen den Spenden in Höhe von zirka 5000 Euro Zum Abschluss zog Geschäftsführerin Frau der Jugendarbeit das Philkon Projekt mit und der Ausschüttung durch die vereinsei- Kaiser nochmals ein Resümee zum Kultur- 1500 Euro unterstützt. Ein Förderantrag gene der Stiftung. Sie erbrachte für 2018 pakt mit Dank an beide Städte und der bei der Stadt brachte einen Zuschuss von nur 3000 Euro (bei geplanten 9500 Euro). daraus entstandenen Möglichkeit, den 400 Euro, der es uns ermöglichte, einen Somit liegt die Erhöhung von Einnahmen Mitarbeitern nach 14 Jahren Verzicht Teilbetrag zu refinanzieren. Weiterhin hauptsächlich bei Spenden oder Zustif- rückwirkend zum 1. Januar 2019 wieder fand mithilfe von Bodo Brandt und der tungen. Da jedoch die Anlagen unseres vollen Tarif zu zahlen. Weiterhin dankte Deutschen Bank ein Projekt der Theater- Stiftungskapitals gegenwärtig kaum Er- sie unserem Verein für den Einsatz und die pädagogin Steffi Liedtke mit einer Summe träge erwirtschaften und somit 2019 kei- geleistete Arbeit. von 1000 Euro Unterstützung. ne Ausschüttung an den Verein erfolgen wird, liegt unser Augenmerk bei der Ge- Das Protokoll fertigte am 25. Mai 2019 Die Theaterförderung, unser Vereinszweck, nerierung von Spenden, da diese sofort Matthias Frank an. Einwände sind bis zum liegt bei einer Gesamtsumme von unserer Arbeit zur Verfügung stehen. 12. August 2019 an den Vorstand zu rich- 12 000 Euro (so unter anderem für das Lö- Das vergangene Jahr war schwierig; ten. MEIN ERSTES THEATERERLEBNIS In unserer letzten Ausgabe (Heft Mai/Juni 2019¸ nach neuer Lesart…) erinnerten wir auf Seite 9 an den Schauspieler Erich Ponto und die Nachkriegszeit in Dresden. Ponto spielte damals, am 10. Juli 1945, den Nathan. Genau diese Aufführung besuchte auch der Karikaturist Harald Kretschmar. In einem Interview sagte er unlängst: „Das Erlebnis des zerstörten Dresdens hat mich geprägt, aber auch das, was lebte: die Kunst. Da habe ich Nathan der Weise mit Erich Ponto in der Hauptrolle gesehen, mein erstes Theatererlebnis überhaupt (Kretschmar war gerade 14 Jahre alt geworden. – L. B.) Das ist unauslöschlich, dort bin ich als politischer Mensch geboren.“ DER THEATERFÖRDERVEREIN 5
Lutz Behrens BALLETT RÜHRT ZU TRÄNEN Am Ende hatte sich der Raum geleert und alle Premierenbesucher fanden sich vor der Kleinen Bühne des Vogtlandtheaters wieder. Einige von ihnen mit Tränen im Gesicht. So eindrücklich hatte (am 9. Juni) die Uraufführung des Balletts Glashäuser des israeli- schen Choreografen Oded Ronen ihre Spuren hinterlassen. Drei weiße Flächen ragen vertikal in die artige schwarze Stoffstreifen eine unter- Höhe und bilden neben dem weißen scheidbare Identität verleiht. Teppichboden das schlicht strukturierte, Wir können alle Opfer sein abstrakte Bühnenbild von Silvio Motta, der auch für Kostüme und Auswahl der Nicht so Jeaho Shin. Der Tänzer sitzt, vor- bedrohlichen Anflug von Bomberverbän- Filme zuständig war. Zudem wird die- erst nett im Anzug, im Publikum und ge- den und dem Abwurf tödlicher Last, bis ses Weiß als Projektionsfläche für unter- hört zu den zufällig ausgewählten Da- hin zur Trümmerwüste der zu 75 Prozent schiedlichste Filmsequenzen genutzt, um men und Herren, die von den Akteuren zerstörten Stadt im Jahr 1945. Mit Aus- in Kombination mit grandioser Musik in höflich, aber nachdrücklich gebeten schnitten aus Smetanas Die Moldau und Dimensionen tiefer, intensiver Wirkungen werden, auf sechs Stühlen Platz zu neh- dem mit heiterem Klezmer durchsetztem bei den Zuschauern vorzustoßen. Auch men, um, durch Rollen ermöglicht, im Marsch aus dem dritten Satz von Mahlers die acht Tänzerinnen und Tänzer: Judith Verlaufe des 80-minütigen Tanzstückes Erster findet Ronen, neben vielen weite- Bohlen, Miyu Fukagawa, Shahnee Page, über die Bühne gefahren zu werden, was ren Klängen und Geräuschen, eine ad- Justine Rouquart, Nicole Stroh, Juan eine eindrückliche Nähe zu den Tanzen- äquate musikalische Korrespondenz zu den herstellt. Dass Jeaho seinen Intentionen. Immer wieder von Shin sich dann seines einzelnen Nationalhymnen, deren Text Anzuges entledigt und zum Teil von den Tänzerinnen artikuliert in die Tanzgruppe integ- wird, unterbrochen. riert wird, zeigt, dass wir alle Opfer sein oder zu Die Banalität des Bösen Tätern werden können. Ausgrenzung, die bis zum Schier unerträglich wird es bei einem Fil- Totschlagen des Anderen mausschnitt aus dem Eichmann-Prozess, getrieben wird, und Zu- dessen fortlaufendes Wortprotokoll auf gehörigkeit zu einer Ge- dem Teppichboden der Kleinen Bühne meinschaft, das sind die nachzulesen ist. Zwar sprach Hannah Themen, denen in seiner Arendt von der personifizierten Banalität Choreografie Oded Ro- des Bösen, hier auf der Anklagebank als nen in immer neuen Va- verkniffener Buchhalter des Todes seinem riationen, vom heiteren eigenen Todesurteil entgegenbangend, Reigentanz bis zum streng aber die Szene, in der ein Zeuge im Ge- militärischen Marsch, äs- richtssaal in Ohnmacht fällt und wegge- thetisch überzeugenden Ausdruck verleiht. Plauen als stolze Großstadt Schwer aufs Gemüt schlagen zum Auftakt Fil- mausschnitte, die in drei kurzen Einstellungen die Katastrophe des zwan- zigsten Jahrhunderts am Beispiel Plauens bündeln: Bockamp, Elliot Bourke und Jeaho Shin die prosperierende Großstadt (1905 zähl- tragen eine Art weißen Hosenanzug, der te Plauen stolze 105 000 Einwohner) zu dem Einzelnen erst durch verschieden- Beginn des Jahrhunderts, gefolgt vom 6
tragen werden muss, weil ihn die Macht schrecken die Altersangaben: „ermordet nierten Ruf kommt diese Inszenierung ge- der unerträglichen Erinnerung überwäl- mit zwei, mit zehn, mit 14, mit 18 Jahren“, nau zur richtigen Zeit. tig, lässt die Singularität deutschen elimi- um nur die Kinder und Jugendlichen zu natorischen Antisemitismus‘ ahnen und nennen. Diese Mörder waren unter uns… hat mit einem „Vogelschiss“ nichts zu tun. Ein Bild vom Ausmaß des Grauens kann Besser als gerührt sein ist, sich rühren sich der Besucher machen, wenn er im Programmheft die Einlage „Widmung“ Von Bertolt Brecht gibt es den Satz: Besser studiert; das Doppelblatt ist eine späte als gerührt sein ist, sich rühren. Dazu kann Würdigung der im Holocaust ermorde- das Tanzstück Glashäuser viel beitragen. ten Vorfahren und Familienangehörigen Und wenn auch nicht zu erwarten ist, von Oded Ronen, dessen Familie mütter- dass sich allzu viele Freunde des III. Weges licherseits aus Plauen kommt. Neben all diesem eindrücklichen Erkenntnisgewinn den später Umgebrachten, die mit heite- aussetzen werden, für Plauen und seinen ren Familienfotos vorgestellt werden, er- seit dem 1. Mai dieses Jahres arg rampo- Fotos © Sermon Fortapelsson DER THEATERFÖRDERVEREIN 7
Lutz Behrens SEHNLICHSTER WUNSCH DES GANZEN VOGTLANDES VOR 120 JAHREN WURDE IN PLAUEN DAS STADTTHEATER ERÖFFNET (3 und Schluss) Mit diesem Beitrag beenden wir den Blick zurück in die 120-jährige Geschichte des Plauener Stadttheaters. Wir folgen den Ausführungen von Sönke Friedreich, die er in seinem Buch über Plauen: Der Weg zur Großstadt, Leipziger Universitätsverlag 2017, auf den Seiten 138 bis 149 vorstellt. Wir schreiben das Jahr 1895. Arwed Roß- dem Theaterverein und den entspre- fem Kneipenleben in das Reich des Schö- bach, Architekt und Baumeister, hatte chenden Ausschüssen neue Pläne für nen zu köstlicher Erholung locken.“ Erst in den Plauenern sein Projekt des Theater- den Theaterbau vor. Im Vogtländischen zweiter Linie müsse „die Verschönerung baus vorgelegt. Der Entwurf des reprä- Anzeiger und Tageblatt, der in Plauen der Stadt stehen“. sentativen Gebäudes, das zur Eröffnung beheimateten Tageszeitung, die sich Roßbach weiter: Zwar böte der Bauplatz fünf Jahre später immerhin 1050 Besuche- schon damals ausführlich allem widmete, am Heynig’schen Haus die Möglichkeit rinnen und Besuchern Platz bot, zeigte was mit dem Theater zu tun hatte, stand eines besseren äußeren Effekts, aber die mit seiner imposanten Frontseite jedoch zu lesen, nun sei zu erwarten, „dass der Kosten von Stützmauern an dem zur Syra nicht zur Magistrale der Stadt, zur Bahn- sehnlichste Wunsch der Einwohnerschaft abfallenden Hang beliefen sich auf etwa hofstraße, sondern zur Erholungsstraße, Plauens, ja des ganzen Vogtlandes, end- 150 000 Mark; auch würde ein asymmet- die wir heute als Theaterstraße kennen. lich in der sonst so rüstig vorwärts streben- rischer Eindruck entstehen. Diese Lage führte im Wirtschaftsausschuss den Kreisstadt auch ein wirkliches, allen Die Argumente mit den Kosten gaben, der Stadt zu einer kontroversen Debatte. Anforderungen der Neuzeit entsprechen- obwohl noch kräftig hin und her gestrit- Stadtrat Georg Meutzner habe laut Sit- des Theater zu besitzen, in Erfüllung geht“. ten wurde, den Ausschlag und dem Ent- zungsprotokoll vom 10. Dezember 1895 Doch es wurde auch ein kritischer Beitrag wurf von Roßbach wurde vom Theater- gesagt, „…, dass der Platz vollständig abgedruckt. Dessen Fazit lautete: „Weg verein und den städtischen Ausschüssen ungeeignet sei.“ Solle doch das Thea- mit dem Gedanken der bleibenden Ver- zugestimmt. ter nicht nur für geistige Genüsse, son- stümmelung des schönen und wichtigen Anlässlich der Eröffnung am 1. Oktober dern auch ein Zierstück für die Stadt sein. Bauplatzes an der Brücke (am Tunnel be- 1898 schrieb der in Plauen erscheinende Meutzner gab zu bedenken, dass damit fand sich damals noch eine Brücke über Vogtländische Anzeiger: zu rechnen sei, dass das Theater auf die Syra - L.B.), weg mit dem Gedanken „Einer Huldigung der Schönheit ist – mit Jahrhunderte hinaus bestehen solle, was an das Hintertheater! Weg mit kleinbür- Stolz können wir das sagen – der ganze den geplanten, versteckten Platz nicht gerlicher Engherzigkeit in Dingen, die für stattliche Bau zu vergleichen, den ein Sohn rechtfertige. Mit Mehrheit beschloss der den Geist und den Charakter unserer unserer Stadt, Herr Baurat Dr. Roßbach, uns Ausschuss, dass Heynig‘sche Gebäude Stadt auf lange Zeit bestimmend sind.“ geschaffen. Dem edlen klassischen Äuße- (heute Intendanz und Theater-Café) ab- Roßbach verteidigte seinen Entwurf. Sei- ren entspricht das stilvolle, vornehme und zureißen und das Theater unmittelbar an ne Argumente: Das Theater solle zualler- dabei anheimelnde Innere des neuen The- den Postplatz zu setzen. Dann wurde die erst „der Bildung der Volksseele dienen aters. Sich selbst hat der Erbauer damit ein Angelegenheit erst einmal vertagt. und eine große Anzahl Menschen nach würdiges Denkmal in seiner Vaterstadt er- Im Frühjahr 1896 legte Arwed Roßbach des Tages Arbeit und Mühen aus stump- richtet.“ 8
SICH UMZIEHENDE KÜNSTLERINNEN NICHT ERSCHRECKEN WIE WIR UNS IM THEATER BENEHMEN SOLLTEN Jaroslav Hašek, geboren 1883. tsche- aus der schönen Literatur unseres Jahr- ken in die Vorstellung kommen. Sind wir chischer Satiriker und genialer Autor der hunderts drei Werke auszuwählen, die es jedoch, müssen wir darauf achten, Abenteuer des braven Soldaten Schwejk, meiner Meinung nach der Weltliteratur dass wir nicht von der Galerie ins Parkett Bohemien und Zeitungsschreiber, starb angehören, wählte ich als einen davon fallen, da wir dadurch den ruhigen Ver- 1923 gerademal vierzigjährig. Aber was Hašeks „Abenteuer des braven Soldaten lauf der Vorstellung stören würden. Wir für ein Leben! Schwejk“. dürfen ebenfalls nicht laut mit unseren Nach einem Rausschmiss als Lehrling in Nachbarn streiten oder während der Vor- einer Drogerie, beginnt er nach einem stellung aus der Zeitung vorlesen, herum- Studium bei einer Bank zu arbeiten. Po- schreien oder bei einer Oper mit den Sän- litisch sympathisiert er mit den Anarchis- gern mitsingen. Wenn wir im Theater eine ten, wird Redakteur und eröffnet eine Apfelsine schälen, werfen wir die Schalen Hundehandlung („Kynologische An- nicht ins Parkett, sondern unter unseren stalt“). 1911 gründet er die „Partei des Sitz. Haben wir eine Flasche Bier mit, be- gemäßigten Fortschritts in den Grenzen mühen wir uns, den Verschluss während des Gesetzes“ und verfasst mobilisieren- der Vorstellung ohne Lärm zu öffnen. Wir de Losungen wie: „Wer uns seine Stimme werfen ihn nicht auf die Bühne. Das ge- gibt, bekommt ein Taschenaquarium“. liehene Opernglas müssen wir der Gar- 1915 eingezogen, desertiert er nach we- derobenfrau zurückgeben, tragen wir nigen Wochen und tritt in die tschechos- es hingegen ins Versatzamt, so schicken lowakische Legion ein. Von ihr sagt er wir den Versatzzettel frankiert per Post an sich los, geht zur Roten Armee, wird Mit- das Theater. Wollen wir während der Vor- glied der Kommunistischen Partei. 1920 Von Hašek gibt es einen kurzen Text: stellung rauchen, müssen wir vorsichtig aus Sowjetrussland zurück in Prag, ver- Wie wir uns im Theater benehmen sollen. sein, damit wir keinen Brand verursachen. dient er seinen Lebensunterhalt mit dem Die Benimmvorschläge, dies sei für gerne Mit dem herbeigelaufenen Schutzmann Schreiben der Abenteuer des braven Sol- missverstehende Zeitgenossen und aus streiten wir nicht im Zuschauerraum, son- daten Schwejk. Der Roman erscheint zu- leidvoller Erfahrung klug geworden vor- dern erledigen dies im Foyer. Wenn es uns erst in einzelnen Heften, die Hašek selbst angestellt, sind satirisch gemeint, ironisch gelingt, hinter dem Bühnenraum in eine in Gasthäusern verkauft. Der Erfolg stellt dazu, und wer’s nicht kapiert, dem ist lei- Damengarderobe einzudringen, verkrie- sich ein. Das Werk bleibt unvollendet. der nicht zu helfen. chen wir uns unter dem Tisch, um die sich Zum „Schwejk“ sagt Bertolt Brecht 1955: „Wenn das Theater unsere edelsten Ge- umziehenden Künstlerinnen nicht durch „Wenn man mich auffordern würde, fühle fördern soll, dürfen wir nicht betrun- unsere Anwesenheit zu erschrecken. L. B. .................................................................................... EIN KLEINER BLICK EINE SCHLICHTE FRAGE ZURÜCK Es ist schon zehn Jahre her, da stellte staatlicher Gewalt durchdrungen waren, der damalige Herausgeber der Frank so bleibt als Faktum: weil Krenz es verbo- „Es ist mittlerweile jedem klar, dass, furter Allgemeinen Zeitung, der Publizist ten hatte.“ wenn man den Gesetzen der Mark- Frank Schirrmacher (1959 bis 2014), in Schirrmacher fährt fort, dass es noch im- wirtschaft freien Lauf lässt, sie auch der Sonntagsausgabe seiner Zeitung mer nicht leicht sei, die Geschichte so zu bald noch den letzten Rest des New eine Frage: erzählen, dass dem letzten, wochenbe- Yorker Theaters ruinieren.“ Sprach‘s fristeten SED-Chef Gerechtigkeit wider- und plädierte für ein öffentliches, „Wieso wurde bei der Maueröffnung im führe. subventioniertes Theater, wobei aber Grenzgebiet nicht geschossen?“ Aber, so Schirrmacher, solange diese Ge- das Theater selbstständig über die Er gab darauf selbst die Antwort, die da schichte nicht erzählt sei, „haben wir die Subventionen verfügen müsse, um lautete: „Wenn die Antwort auch ein- wundersamen, beglückenden Ereignisse unabhängig zu bleiben. kalkulieren muss, dass die Fußtruppen vom 9. November 1989 nicht verstan- Arthur Miller, amerikanischer Drama- des Systems von der totalen Sinnlosigkeit den“. tiker, in: New York Times vom 21. De- zember 1969. .................................................................................... DER THEATERFÖRDERVEREIN 9
Günter Lienemann AUSGEZEICHNETER DIRIGENT MIT ZUKUNFT IM APRIL ZU GAST AM STAMMTISCH: VLADIMIR YASKORSKI, ERSTER KAPELLMEISTER Am 1. März 2017, also in der laufenden und Chorleitung an der Musikhochschule mit dem Dirigentenforum Preise an her- Spielzeit, wurde Vladimir Yaskorski zum Lübeck, konzertierte im gleichen Jahr mit vorragende junge Dirigenten. Vladimir Ersten Kapellmeister des Philharmoni- dem Karlsbader Sinfonie-Orchester und Yaskorski war 2014 der erste Preisträger schen Orchesters und damit zum Nach- war 2011 bis 2013 Chefdirigent des Col- und konnte zusammen mit weiteren Preis- folger von Thomas Peuschel berufen, der legium Musicum Weimar. 2012 wurde er trägern der Folgejahre 2017 einen Son- aus persönlichen Gründen seinen Ver- in das Dirigentenforum“ aufgenommen, derpreis beim Wettbewerb „Deutscher trag auflöste. Dirigentenpreis“ in Köln entgegen- Vladimir Yaskorski wurde in der ar- nehmen. menischen Hauptstadt Jerewan Nach all den Wanderjahren als Frei- geboren; seine Eltern stammen berufler fühlt er sich in seinem ersten aus Georgien und Aserbaidschan Festengagement an unserem The- und leben heute in Frankfurt/Main. ater ausgesprochen wohl, arbeitet Der Vater hatte zwar einen tech- gerne und erfolgreich mit dem Ge- nischen Beruf, spielte aber Klavier neralmusikdirektor und mit dem Or- und so wurde auch das musika- chester zusammen und ist glücklich lische Interesse des Jungen ge- mit seiner kleinen Familie in Zwickau. weckt, der allerdings Vorliebe für Übrigens hatte er sich auf ein Stamm- das Geigenspiel entwickelte und tischgespräch in Zwickau gefreut, nach der Musikschule ein fünfjäh- musste es aber wegen der Geburt riges Studium (Violine) am Staatli- seines Sohnes am gleichen Tag absa- chen Konservatorium in Jerewan gen – bestimmt wird der Förderverein absolvierte. Beeinflusst wurde sei- des Zwickauer Theaters dieses Ge- ne musikalische Entwicklung auch spräch nachholen. durch den Großonkel Avet Terteri- Als Erster Kapellmeister ist er natürlich an, dessen Sinfonie Nr. 2 im 4. Sin- in die Planungen des Musiktheaters foniekonzert unter der Leitung von einbezogen und darf ein Sinfonie- Vladimir Yaskorski in dieser Spielzeit konzert für sich beanspruchen. Hier erklang. hat er freie Hand, um auch außerge- Von 2005 bis 2010 folgte ein Studi- wöhnliche Kompositionen in das Kon- um (Violone) an der Musikhoch- zertprogramm aufzunehmen, wie die schule Lübeck einschließlich eines erwähnte Sinfonie von Avet Terterian. Praktikums, in dessen Rahmen Neben den musikalischen Werken, auch eine Konzertreise mit der die er selbst zu dirigieren hat, muss er Neuen Philharmonie Hamburg auch das übrige Repertoire kennen, nach Südkorea erfolgte. denn er muss in der Lage sein, auch Sein Interesse galt aber zuneh- mal für den Generalmusikdirektor ein- mend dem Dirigieren, und so zuspringen, wie unlängst bei den „Kö- wechselte er 2010 nach Weimar und stu- ein bundesweites Förderprogramms des nigskindern“ geschehen. dierte bis 2013 (bei Prof. Gunter Kahlert). Deutschen Musikrates für den dirigenti- Sein großer Wunsch, nach 14 Jahren Manchem Plauener Opernfreund ist Prof. schen Spitzennachwuchs in Deutschland. endlich seine Heimat wiederzusehen, soll Kahlert noch ein Begriff, leitete er doch Nach Beendigung seines Studiums in in diesem Jahr in Erfüllung gehen; bisher 1998 die erfolgreiche „Turandot“-Auffüh- Weimar war er freiberuflich tätig und hat- wurde ihm die Reise nach Armenien ver- rung am Vogtlandtheater. In diesem Zu- te bis zu seiner Berufung an unser Theater wehrt. sammenhang gab es einen kurzen Rück- eine Vielzahl dirigentischer Aufgaben in blick auf diese Oper, die in den Jahren Deutschland und im Ausland, so in War- Vladimir Yaskorski – ein liebenswerter 1928, 1958, 1998 und 2008 an unserem schau, Riga, Gdansk und Vilnius. Stammtischgast, den sicherlich noch Theater aufgeführt wurde. 2014 wurde er in Dresden mit dem „Ernst- viele interessante und anspruchsvolle Noch während seines Studiums in Weimar von-Schuch-Preis“ ausgezeichnet. 2011 Aufgaben an unserem Theater erwar- konnte Vladimir Yaskorski vielfältige Erfah- richteten die Nachkommen des Dirigen- ten und der auch immer wieder ein gern rungen sammeln, erhielt er doch bereits ten die „Familienstiftung Ernst Edler von gesehener Gast bei anderen Orchestern 2012 einen Lehrauftrag für Orchester- Schuch“ ein und vergeben zusammen sein dürfte. 10
Günter Lienemann EIN GERN GESEHENER GAST AM STAMMTISCH IM JUNI: GENERALINTENDANT ROLAND MAY „Wann folgt der Ruf aus Hollywood?“ lau- Besuchern als Jahresheft in die Hand ge- ehemalige Kino „Tivoli“, ist aus baulichen tete die Überschrift in der Zeitung unse- drückt werden kann. Gründen nicht mehr nutzbar. Dank des res Vereins über den Besuch von Roland Da spielt natürlich das Geld eine wich- Entgegenkommens der Paulusgemeinde May am Stammtisch des Fördervereins tige Rolle, aber auch die Verfügbarkeit steht deren Saal als Proberaum zeitweilig im Juni 2017, also vor genau zwei Jah- von Spielstätten mit ihren unterschiedli- zur Verfügung. Eine weitere Einschrän- ren. Mancher wird sich daran erinnern, chen räumlichen Voraussetzungen, die kung folgt mit dem Umbau der Kleinen dass Roland May damals in der Bühne, die bis November neugestal- Rolle des DDR-Devisenbeschaffers tet werden soll. Schalck-Golodkowski im Fernse- Trotz aller räumlichen (und weiterer) hen zu erleben war und auf die Fra- Probleme soll den Besuchern ein ge, ob es weitere Angebote dieser attraktiver Spielplan geboten wer- Art gäbe, scherzhaft bemerkte, es den, der an diesem Abend vom Ge- müsse schon der Ruf aus Hollywood neralintendanten vorgestellt wurde. kommen – sehr zur Erheiterung der Freuen dürfen sich die Musikfreunde Anwesenden! auf Sebastian Seitz als „Don Giovan- Ging es vor zwei Jahren um Fragen ni“ und als „Danilo“ in der „Lustigen zur Person, so standen diesmal der Witwe“. Übernommen in die neue neue Spielplan und sein Zustande- Spielzeit wird auch „Aida“, deren kommen sowie ein Rückblick auf Premiere dem Theater außerordent- die zu Ende gehende Spielzeit im liche Improvisationskunst abverlang- Mittelpunkt des Interesses. Erwähnt te. Erfreulich auch die Zusage, dass sei auch, dass vor fünf Jahren Ro- die erfolgreiche Ballettinszenierung land May mit eben diesem Thema „Glashäuser“ nach dem Umbau zu Gast am Stammtisch war – der der Kleinen Bühne im neuen Spiel- Besuch des Generalintendanten plan berücksichtigt wird. Vielver- am Stammtisch könnte zu einer sprechend soll das Konzertangebot willkommenen Regelmäßigkeit wer- werden, denn der weltweit gefeier- den! te Pianist, Schlagzeuger und Dirigent Mit „Erwartungen“ (Motto) gehen Frank Dupree soll nicht nur das erste Theater und Publikum in die Spiel- Sinfoniekonzert gestalten, sondern zeit 2019/20, nachdem in den ver- für weitere Konzerte gewonnen wer- gangenen Jahren „Grenzgänge“, den. „Mitsprache“, Lebenswert“ und Das Schauspiel erinnert mit „Wir sind andere Begriffe als Motto über den auch nur ein Volk“ an die Ereignisse jeweiligen Spielzeiten standen. Ro- vom Oktober und November 1989 land May erläuterte, wie in langen und ein Jahr später an 30 Jahre Ein- Diskussionen um dieses Motto ge- heit, also Jubiläen, die in den Spiel- rungen wird, das in nur einem Wort mög- vor allem in Zwickau ein hohes Maß an plänen des Theaters fest verankert sein lichst viel ausdrücken soll. Flexibilität erfordern; es ist verständlich, werden. Natürlich erwarten die Besucher einen dass sich für die Theatermitarbeiter mit Es gab Kritik an einigen Inszenierungen anspruchsvollen Spielplan, über dessen dem Motto „Erwartungen“ der Wunsch der zu Ende gehenden Spielzeit, die Entstehen der Generalintendant aus- verbindet, dass mit dem rekonstruierten Roland May mit Interesse zur Kenntnis führlich berichtete, auch, dass bereits an Gewandhaus im nächsten Jahr (noch nahm, aber auch Lob, sehr zu seiner der nächsten Spielzeit gearbeitet wird. vor dem BER…) wieder eine, dem Vogt- Freude. Für manche Inszenierungen ist ein noch landtheater vergleichbare Spielstätte zur längerer Vorlauf notwendig, wenn zum Verfügung steht. Ein herzliches Dankeschön an den Ge- Beispiel besondere Gäste verpflichtet Vor einer Premiere muss natürlich fleißig neralintendanten für seinen Stammtisch- werden sollen, die oft mehrere Jahre im geprobt werden und da tun sich weite- besuch! – ein Dankeschön auch an den Voraus ausgebucht sind. Überhaupt sind re Probleme auf – eine vollwertige Pro- Vorstand des Fördervereins für die Teil- unzählige Einflussfaktoren zu berücksich- bebühne existiert überhaupt nicht und nahme am Stammtisch! tigen, ehe der Spielplan steht und den der bisherige Proberaum in Plauen, das DER THEATERFÖRDERVEREIN 11
Lutz Behrens WELTBILD DER WIDERSPRÜCHE PREMIERE VON MOZARTS „ZAUBERFLÖTE“ IM PARKTHEATER „Die Zauberflöte“, Mozarts berühmteste Oper, vor über 200 Jahren in Wien uraufgeführt, geriet zur Premiere (2. Juli) im Plauener Parktheater zu einem turbulent inszenierten, kaum langatmigen, musikalisch auf höchstem Niveau befindlichen und gesanglich begeisternden Augen- und Ohrenspektakel. Als prägendes Stilmittel, ob musikalisch, bühnentechnisch, dramaturgisch oder selbst theaterhistorisch, nutzte „Zauber- flöten“-Regisseur Jürgen Pöckel, seines Zeichens Musiktheaterdirektor, den Kont- rast in all seinen Ausprägungen. Hat man sich dieser Erkenntnis verschrieben, sind, wo man auch hinschaut, Kontraste auf- zuspüren. Bei Mozart natürlich, dem Kom- ponisten dieser „beliebtesten Oper über- haupt“, wie es eine Ankündigung des Theaters verspricht. So, wenn er die Kö- nigin der Nacht, in Plauen eindrucksvoll gesungen und dargestellt von der mehr- fach mit Bravo-Rufen belohnten Ani Tani- den glänzend disponierten Mitgliedern guchi (als Gast), in der Arie „Der Hölle Ra- des Opernchores, des Extrachores und che“ die immense Spannweite von zwei der großartigen Singakademie getragen Oktaven zu meistern aufgibt; in der Urauf- werden, steht einer grellen, goldglänzen- führung hatte Mozart die Rolle, wie da- den, aufwendig geschmückten Königin mals üblich, seiner Schwägerin Josepha der Nacht, den beiden bunten Paradies- Hofer auf den Leib geschrieben. Oder vögeln Papagena und Papageno und nehmen wir Sarastro (Frank Blees), den einem eher sadomasochistischen Phan- er gesanglich in die dunklen Abgründe tasien verpflichteten Monostatos (Marcus eines Basses abtauchen lässt. Dass sich Sandmann) gegenüber. Papagena (Nataliia Ulasevych) erst als Doch auf blanke Äußerlichkeiten be- alte Frau ihrem Vogelfänger offenbart, schränkt sich die kontrastreiche Dimensi- um ihm schließlich mit weiblich-jugendli- on der Oper nicht. Da prallen aufeinan- chen Reizen den Kopf zu verdrehen, be- der Königin und Priester, Frau und Mann, kräftigt nur die These vom, in diesem Falle üppig wuchernden, bunten Pflanzen ei- Körper und Seele, oben und unten, Nacht nes angedeuteten Urwaldes entgegen- stellt. Im Übrigen: das klug in das Geviert der Grundfläche der Pyramide platzierte Orchester, geleitet vom weiß bemützten, immer souveränen Vladimir Yaskorski, dem 1. Kapellmeister des Hauses und mu- sikalischem Leiter der Inszenierung, über- zeugt von der Ouvertüre bis zum Finale durch Klangreinheit, Sicherheit im Tempo und ausgewogene Modulation. Zurück zum Bühnenbild. Als Kontrast an- gelegt das gewagte, aber sehr beeindru- verschleierten Kontrast als Prinzip. ckende Spiel mit wirklichem Feuer (prak- tiziert von Marie Kannemann und Karsten Spiel mit dem Feuer Nix), das dem sanft plätschernden Was- ser eines Springbrunnens entgegenge- Das gilt für das Bühnenbild von Andrea setzt ist. Auch in den Kostümen sichtba- Hölzl, die eine streng geometrische Pyra- re Widersprüche: schwarz-weiße, streng mide im Zentrum des Bühnenbildes den geometrisch angelegte Kleidung, die von 12
werden Akteure gefeiert, die zum Teil nicht mehr zum Ensemble gehören. Die meisten aktuellen Darstellerinnen und Darsteller bleiben im Einlieger des Pro- gramms auf kleine Passbilder in Schwarz- und Tag, Hass und Liebe, Rache und Ver- zum Finale von dieser verzeihend umarmt Weiß reduziert. Leo Siberski wird mit Bio- zeihung, Tod und Leben, böse und gut: wird (und nicht untergeht), spricht für die grafie als musikalischer Leiter vorgestellt, Die „Zauberflöte“ präsentiert ein Weltbild heilsame Wirkung der Aussage der Oper Vladimir Yaskorski nur genannt. der Widersprüche und Gegensätze. auf ihre Darstellung. Elefant wird Ereignis Hohes Pathos und Lebensklugheit Programmheft mit Tücken Nicht vergessen werden dürfen die Am überzeugendsten präsentiert Jürgen Nach mehr als drei Stunden (mit Pau- gewaltige Schlange, das abgestürzte Pöckel das erheiternde (und im Publikum se) schließt die „deutsche Oper in zwei Kleinflugzeug, die „Schwalbe“, auf der durchaus mit verstehendem Lachen quit- Aufzügen“ mit einem zwar optisch ge- Pamino einfliegt und natürlich: der Ele- tierte) Aufeinanderprallen von hohem Pa- waltigen, musikalisch aber eher sanften fant! Wenn in nostalgischer Rückschau thos, heiligem Ernst und ewigen ethischen Schlussbild. Im zweiten Teil ließen wenige auf Freilichtaufführungen im Parktheater Gesetzen mit dem witzigen, täppischen, Längen die Aufmerksamkeit ein wenig immer wieder schmerzlich ein Rüsseltier sehr menschlichen Agieren des Papage- erlahmen; aber wer will leichtfertig ent- vermisst wird, in der aktuellen „Zauber- no, in Plauen mit Sebastian Seitz die heim- scheiden, was er bei Mozart wegstreicht. flöte“ wird es Ereignis, zwar nicht lebend liche Hauptfigur des Zauberopernspekta- Anzumerken ist, dass, aus welchen Grün- und auch ohne dramaturgische Funktion, kels. Ein Hochgenuss die Szene, in der ein den auch immer, das Programmheft mit aber als Zitat und Theaterplastik sehr be- zu allem bereiter Tamino (André Gass) Fotos der Zwickauer Inszenierung von vor eindruckend. sein Leben der Liebe zu opfern willens ist, einem Jahr aufwartet. In voller Schönheit Genannt werden müssen ein stolzer Spre- und parallel dazu Freund cher, dem Shin Taniguchi Ernst Papageno dem Ganzen und östliche Würde verleiht, eher realistisch-nüchtern, die drei Damen, gesungen von skeptisch und ablehnend Johanna Brault aus dem Ensem- gegenübersteht. ble und den Gästen Nathalie Große Momente aber Senf und Sarah Kufner, und eine auch in den weltanschau- liebenswerte Pamina, der Chris- lich grundierten, Mozarts tina Maria Heuel ihr Gepräge und Schikaneders Freimau- gibt. rertum verpflichteten Aus- Hoch zu loben sind die gut ver- sagen eines Sarastro, der ständliche Artikulation aller Be- die Macht der Liebe und teiligten, was es dem Publikum der Vernunft beschwört, in dem zu zwei Dritteln gefüllten, das hohe Lied der Verge- mit den neuen Sitzen ausgestat- bung singt und einem abs- teten Parktheater ermöglicht, trakten Menschsein huldigt. stets der Handlung problemlos Uns alle trösten die Sätze zu folgen. Ein stehend applau- vom „gefallenen Men- dierendes Premierenpublikum, schen“, der durch Liebe mehrfache Bravo-Rufe und gro- gerettet wird in imaginären ße Begeisterung bewiesen au- Sphären, „wo Mensch den genfällig, dass der Besuch der Menschen liebt“, wo immer „Zauberflöte“ zu einem Hoch- das sein soll. Und dass die genuss wurde. Königin der Nacht, die ihre Tochter zum Mord anstiftet, Fotos © Sermon Fortapelsson DER THEATERFÖRDERVEREIN 13
Lutz Behrens FÜR GRÜNDLICHE REVISION EIGENEN VERHALTENS GROSSARTIGE BRECHT-INSZENIERUNG AM VOGTLANDTHEATER Grob kalauernd ließe sich ein Blick auf die Gegenwart zu transportieren; er strafft gänge auf der Bühne zu verfolgen, sie Plauener Inszenierung der Brecht’schen den Text, spitzt die Handlung zu und lässt in ihrem allseitigen Zusammenhang und Schlachthof-Johanna mit der Erkenntnis die hohe Aktualität des Stoffes sichtbar totalen Verlauf zu begreifen. Und zwar beginnen, dass vom Ochsen nur Rind- werden. zum Zwecke einer gründlichen Revision fleisch zu erwarten sei. Und das ist über- Brecht beschäftigte sich um 1925 mit der seines eigenen Verhaltens. Er darf sich haupt nicht despektier- nicht spontan mit bestimmten lich gemeint. Ganz im Figuren identifizieren, um dann Gegenteil. Das Plauener lediglich an ihrem Erleben teil- Theater beweist mit die- zunehmen. Er geht also nicht sem dreistündigen, meist aus von ihrem intuitiv erfassten kurzweiligen Theaterspek- ‚Wesen‘, sondern aus ihren takel, dass es sich auf der Äußerungen und Handlungen Höhe der Zeit bewegt, setzt er die Gesamtprozesse zu- durchaus zu leisten ver- sammen.“ mag, was seine Mög- lichkeiten hergeben und Fatale Wirkungsgeschichte zudem überrascht mit ei- nem Bühnenbild, das den Brechts Stück, Anfang der Drei- Vergleich mit großstäd- ßigerjahre des vergangenen tischen Häusern nicht zu Jahrhunderts für eine bitter nö- scheuen braucht. Aber, tige Aufführung bereit, wird Op- und auch das muss ge- fer der Zeitläufe. Die mehr oder sagt sein, das Vogtlandtheater ist nicht kapitalistischen Wirtschaft, so mit der Bio- weniger liberale, demokratischen Grund- die Volksbühne oder das Deutsche The- grafie eines Börsenmaklers und mit Getrei- sätzen verpflichtete Weimarer Republik ater (und der Autor dieser Zeilen nicht despekulationen. Auch die Heilsarmee degeneriert, nach weltweiter Wirtschafts- Alfred Kerr oder Herbert Ihering, obwohl interessierte ihn. Er las Upton Sinclairs Ro- krise („Schwarzer Freitag“), Millionen von diesen Vergleich der Plauener Schauspie- man Der Dschungel (das Programmheft Arbeitslosen, häufig wechselnden Regie- ler Michael Schramm einst bemühte). macht uns mit einem Ausschnitt daraus rungen, Notverordnungen, einer Justiz, vertraut) und Das Kapital von Karl Marx. die auf dem rechten Auge blind ist, in kür- Auf der Höhe der Zeit zester Zeit zu einer blutrünstigen, staatster- Nichtaristotelische Dramatik roristischen Diktatur, genannt: das Drit- Regisseur Roland May gelingt es überzeu- te Reich (nicht zu verwechseln mit der gend, den doch angejahrten Brecht (das Brecht schreibt über die von ihm ge- Kleinstpartei Der III. Weg, die, wenn auch Stück wurde begonnen Ende der Zwan- wünschte Aufnahme seines Stückes: – vorerst? – nur mit einem Abgeordneten, zigerjahre des vergangenen Jahrhun- „ ‚Die Heilige Johanna der Schlachthöfe‘ so hat es der Wähler gewollt, in Kürze ins derts und der Meister selbst konnte die ist ein Stück nichtaristotelischer Drama- Plauener Stadtparlament einziehen wird). Uraufführung im April vor 60 Jahren nicht tik. Diese Dramatik erfordert eine ganz Die 1933 etablierte Nazidiktatur wird un- mehr erleben) nicht nur mit modischen bestimmte Einstellung ihres Zuschauers. rühmlich bekannt mit Mord und Terror, Versatzstücken wie Computer oder dem Er muss imstande sein, in einer ganz be- Konzentrations- und Vernichtungslagern, inzwischen unvermeidlichen Handy in die stimmten erlernbaren Haltung die Vor- dem Zweiten Weltkrieg mit all seinen bis 14
heute (Bombenfunde) spürbaren Folgen lesen im Band Werke III, Stücke 3, S. 461, ckes korrekt anzugeben. Mit „Die heilige und der Vernichtung der europäischen der Großen kommentierten Berliner und Johanna von den Schlachthöfen“ wird Juden. Was geschah? Nach einer de- Frankfurter Ausgabe der Werke Bertolt ein eher misslungener Versuch gemacht, mokratischen Wahl am 30. Januar 1933 Brechts. Eine ähnlich exakte Quellenan- den Meister in seiner Titelformulierung zu ernannte Reichspräsident Hindenburg gabe hätte man sich im aktuellen Pro- korrigieren. den „böhmischen Gefreiten“ Adolf Hitler, grammheft des Theaters Plauen-Zwickau Anführer der NSDAP, der Schläger von SA zur Johanna gewünscht für die Behaup- So bleibt mir, Herrn Peter Wolf aus Plauen und einer Schutzstaffel, zum Reichskanz- tung, dass nach dem Verbot dieses Wer- zu danken, der sich von einem ausführli- ler. Der fackelte nicht lange. Nach Reichs- kes von Brecht in der Zeit des Nationalso- chen Programmheft für Die heilige Johan- tagsbrand, dem Verbot aller Parteien zialismus (wobei alle Brecht‘schen Stücke na der Schlachthöfe am Berliner Ensemb- (außer der NSDAP) und der Ausschaltung obsolet und verboten waren) das Stück le im Jahre 1968 trennte, das zudem den des Reichstages, freute sich das deutsche „anschließend von der SED-Führung in der Vorzug hat, mit ausgezeichneten Illustrati- Volk, dass endlich wieder Zucht und Ord- DDR vorerst als zu revolutionär“ abgelehnt onen von Heinz Zander versehen zu sein. nung herrschten, die Autobahnen gebaut worden sei. Im Arbeitsjournal 1939 bis 1955 und die jüdischen Geschäfte geplündert ist dazu nichts zu finden, nichts in der Nachsatz: Vielleicht ist es – 30 Jahre nach werden konnten. Brecht Chronik von Werner Hecht. Nichts der Wiedervereinigung – angebracht, in den Brecht-Biografien von Fuegi über Brecht, der bis heute von vielen mit Vor- Kein Geld von der Stadt Knopf bis hin zu den Erinnerungen Schu- urteilen gesehen wird, mit einem Satz machers oder dem Band Brecht und die zu würdigen, dessen prophetische Kraft Das Hessische Landestheater in Darm DDR von Hecht. bemerkenswert ist. 1956, kurz vor seinem stadt, das am 25. Januar 1933 bekannt- Die Uraufführung geriet zum Erfolg. Han- Tod, schrieb Brecht: „Wenn Deutschland gibt, Brechts Stück uraufzuführen, sieht ne Hiob, die Tochter Brechts, spielte die einmal vereint sein wird, jeder weiß, das sich in der Presse und im Landes- und Johanna „… mit Augen, deren im Mit- wird kommen (Hervorhebung – L.B.), Stadtparlament schweren Anwürfen aus- leid brennender Glanz unvergesslich niemand weiß wann – wird es nicht sein gesetzt. Gedroht wird mit Kürzung der bleiben wird“, so Herbert Jhering in sei- durch Krieg.“ staatlichen Gelder für das Theater. Der ner Kritik (Die andere Zeitung, Hamburg, Termin muss storniert werden. Intendant 6. Mai 1959). Neben höchstem Lob („eine Gustav Hartung wird abgesetzt und muss der größten Bühnensensationen“), steht emigrieren. Im Exil kommt nur eine frag- scharfe Ablehnung; die Berliner Zeitung, mentarische Aufführung des Stückes in Berlin/West, (4. Mai 1959) formuliert: „Ein Kopenhagen zustande. primitiver Singsang aus der Mottenkiste Nach Kriegsende (18, Januar 1949) des Klassenkampfes“ oder „ein böses Zerr- schreibt Brecht in einem Brief an Gustaf bild, verlogen und voller Hass.“ Gründgens, „Sie fragten mich 1932 um die Erlaubnis, die Heilige Johanna der Nicht totzukriegen: Berthold Brecht Schlachthöfe aufführen zu dürfen. Meine Antwort ist ja.“ Zwar stimmt es, dass der weltberühmte Dramatiker und Lyriker Brecht als Eugen „Im Mitleid brennender Glanz“ Berthold Friedrich Brecht geboren wurde, aber es sollte sich eben auch herumge- Gründgens braucht dann noch, aus un- sprochen haben, dass er (seit 1916) als terschiedlichen Gründen, zehn Jahre. Am Bert, respektive Bertolt Brecht bekannt 30. April 1959 erfolgt in der Inszenierung ist. Nichtsdestotrotz findet sich in der Jo- durch Gründgens die Uraufführung am hanna-Premierenbesprechung des Vogt- Hamburger Schauspielhaus. So nachzu- land-Anzeigers (25. März 2019) wieder der beliebte Berthold, und mehr ist dann darü- ber auch nicht zu sagen. Außer vielleicht, dass es im Vorspann des besag- ten Artikels nicht einmal gelingt, den Titel des Stü- Fotos © Sermon Fortapelsson Das Stück Die heilige Johanna der Schlachthöfe in der Insze- nierung von Roland May ist am Vogtlandtheater in Plauen wieder ab Januar 2020 auf dem Spielplan. DER THEATERFÖRDERVEREIN 15
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