S. 10 Feuchtgebiete Brennen - Greenpeace Schweiz

Die Seite wird erstellt Arno Hensel
 
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S. 10 Feuchtgebiete Brennen - Greenpeace Schweiz
Greenpeace Member Nr. 02  / 21

                                 International               Das steckt dahinter

                                                 Feuchtgebiete
                                   Heiss                         Brennen
                                 auf Palmöl                      für Torf
                                     S. 10                          S. 29    1
S. 10 Feuchtgebiete Brennen - Greenpeace Schweiz
Nachhaltig
     Freude
                               Editorial

                               Ich bin mir sicher, liebe Leser*innen,
                                                                              Inhaltsverzeichnis

                                                                                                                  Warten auf
                                                                                                                  den Regen
    schenken
                               dass Sie alle 2019 von den desaströ-
    Mit einer Greenpeace-­     sen Bränden in Australien vernommen
   Geschenkmitgliedschaft
      bereiten Sie einem       haben. Die Bilder von eingeäscherten
     geliebten Menschen
 Freude und fördern zugleich   Kängurus und durstigen Koalas gingen
     den Umweltschutz.
                               um die Welt. Ein grosser Schwall
                               von Social-Media-Empathie folgte.                                                                                                                        Reportage
                               #SaveAustralia hier, #PrayForAustralia                                                                                                             Dem Pantanal geht
                               da. Und auch das Wort Klimawandel                                                                                                                  das Wasser aus; die
                               war in aller Munde und erfuhr die                                                                                                                   Angst vor weiteren
                                                                                                                                                                                  Feuern wächst. Eine
                               Aufmerksamkeit, die es verdient.                                                                                                                    Reise entlang der
                               Zeitsprung in den Spätsommer 2020.                                                                                                                 südamerikanischen
                               Das Pantanal, eines der grössten                                                                                                                    Transpantaneira.

                               Feuchtgebiete der Erde, steht in Flam-                                                                                                                    S. 16
                               men – und die Welt schweigt. Keine
                               Bilder von verbrannten Krokodilen und
                               erschöpften Jaguaren prangen in
                               den Medien. Und auf Instagram und
                               Co. ist es merklich stumm.
                                          Zugegeben, bevor wir die aktuelle                          Engagement                                                               Debatte
                               Ausgabe in Angriff nahmen, war
                               auch ich mir unsicher, ob es die, der                  CO2-Gesetz:                                                      Agrarpolitik 2022:
                               oder das Pantanal heisst. Und wo
                               genau diese Sumpflandschaft
                                                                                      ein klarer Fall                                                   eine trübe Sache
                               ­überhaupt liegt. In Anbetracht des                                         S. 9                                                               S. 31
                                ­weltweiten Schweigens zu den
                                 ­dortigen Bränden dürfte es anderen
                                  ­genauso gehen. Das soll sich mit
                                   dieser Ausgabe ändern. Auf den                                      IMPRESSUM                                       Aktion                                          S. 4
                                                                                                 GREENPEACE MEMBER 2/ 2021

                                   ­folgenden Seiten legen wir den Finger                                                                              Fortschritt                                     S. 6
                                                                              Herausgeberin/                      Papier, Umschlag und Inhalt:
                                    auf die Karte und zeigen dieses un-       Redaktionsadresse:                  100 % Recycling                      Taten statt Worte                               S. 7
                                                                              Greenpeace Schweiz                  Druckauflage: d 79 000, f 13 000
                                    glaublich facettenreiche Feucht­gebiet    Badenerstrasse 171                  Erscheinungsweise:                   Engagement                                      S. 9
                                                                              Postfach 9320, 8036 Zürich          viermal jährlich
                                    in all seinen Farben. Damit künftig       Telefon 044 447 41 41                                                    International                               S. 10
                                                                              redaktion@greenpeace.ch              Das Magazin Greenpeace
                                    mehr Leute wissen, wieso es auch          www.greenpeace.ch                    geht an alle Mitglieder             Rückblick                                   S. 14
                                                                                                                   (Jahresbeitrag ab Fr. 84.–).
                                    das Pantanal zu schützen gilt –           Redaktionsteam:                      Es kann Meinungen enthalten,        Zahlen & Fakten                             S. 15
                                                                              Danielle Müller (Leitung),           die nicht mit offiziellen
                                    ­#SaveThePantanal.                        Franziska Neugebauer                 Greenpeace-Positionen               Reportage                                   S. 16
                                                                              (Bildredaktion)                     ­übereinstimmen.
                                          Gerne lade ich Sie ein, Teil        Korrektorat/Faktencheck:                                                 Das steckt dahinter                         S. 29
                                                                              Marco Morgenthaler,                 Stimmt Ihre Adresse noch?
                                     dieser Reise voller überraschender       Danielle Lerch Süess                Planen Sie einen Umzug?              Do it yourself                              S. 30
                                                                              Texte: Philipp Lichterbeck, Marco   Wir nehmen Änderungen
                                     Entdeckungen zu sein!                    Morgenthaler, Jara Petersen,        gerne entgegen:                      Debatte                                     S. 31
                                                                              Christian Schmidt                   schweiz@greenpeace.org
                                                                              Fotos: Anne Gabriel-Jürgens,        oder 044 447 41 71                   Aufgedeckt                                  S. 33
                                                                              Evgeny Makarov, Anja Wille-Schori
                               Danielle Müller                                Illustrationen: Andy Fischli,       Spenden: Postkonto 80-6222-8         Mein grüner Wille                            S. 33
                                                                              Robert Samuel Hanson, Jörn          Online-Spenden:
                               Redaktionsleiterin                             Kaspuhl, Neasden Control Centre     www.greenpeace.ch/spenden            Rätsel                                      S. 34
                                                                              Gestaltung: Raffinerie              SMS-Spenden: Keyword GP und
                                                                              Bildbearbeitung: Marjeta Morinc     Betrag in Franken an 488 (Beispiel   Schlusswort                                 S. 35
                                                                              Druck: Stämpfli AG, Bern            für Fr. 10.–: «GP 10» an 488)
Cover: Evgeny Makarov
S. 10 Feuchtgebiete Brennen - Greenpeace Schweiz
Aktion          Greenpeace Andino
           projiziert vor dem Palast
         La Moneda, dem heutigen
               Präsidentenpalast in
              Santiago de Chile, im
           Rahmen der «Chile ohne
            Kunststoff»-Kampagne
              Flaschen und andere
          Plastikgegenstände. Das
          Hologramm in 50 Metern
               Höhe zielt darauf ab,
           die Gesellschaft und die
            Politik des Landes zum
               Verzicht auf Einweg­
             produkte zu bewegen.

                   Santiago, Chile,
                  20. Februar 2021

                                       Bild: © HOLOH / Greenpeace
4                                5
S. 10 Feuchtgebiete Brennen - Greenpeace Schweiz
«Unsere Steuern
Fortschritt                                                                                                                                                                           Taten statt Worte

                                                                                                                                                                                                              finanzieren Klimaschäden»
 Grossartiger
   Erfolg
¡Viva México! Greenpeace Mexiko
­feiert nach 22 Jahren Kampagnenar-
 beit einen grossen Erfolg. Die Regie-
 rung unter Präsident Andrés Manuel
 López Obrador hat kurz vor Jahres-                                                                                                                                                                                                                                                        Am 13. Juni
 wechsel zwei ökologische Schritte                                                                                                                                                                                                                                                            JA zur
 beschlossen: Sowohl das Pestizid-
 mittel Glyphosat als auch gentech-                                                                                                                                                                                                                                                       Trinkwasser­
 nisch ver­änderter Mais sind ab 2024                                                                                                                                                   Franziska Herren,                                                                                    initiative
 im Land verboten. Fürs Team ist das                                                                                                                                                       Urheberin der
 Grund zum Feiern, nicht aber zum Zu-
 rücklehnen: «Wir werden die Umset-                                                           Einfach nur                                                                             Initiative für sauberes
                                                                                                                                                                                            Trinkwasser

                                                                                               ­grossartig

                                                                                                                                                  Bild: © Fabian Mondl / Greenpeace
 zung der Verbote in den nächsten drei
 Jahren streng überwachen», lässt
 Greenpeace Mexiko verlauten.
                                                                                Am 22. Januar 2021 wurde Geschichte geschrieben: Der
                                                                                Atomwaffenverbotsvertrag der Uno ist formell in Kraft getre-
                                                                                ten. Nuklearbomben sind nun völkerrechtlich verboten. Viel

 Grossartiges                                                                   mehr muss man dazu gar nicht schreiben, ausser: endlich!

   Vorbild
Dänemark ist weltweit eines der Län-
der mit den ehrgeizigsten Klimazielen.
Bis 2030 soll der Treibhausgasaus­                                                                                                                                                    Text: Danielle Müller                    sie musste handeln, seitdem ihr vor    auch der Schweizer Bauernver-
stoss um 70 Prozent geringer sein als                                                                                                                                                                                          zehn Jahren bewusst wurde, wie         band. Er warnt in seiner Abstim-
1990. Und bis 2050 will Dänemark kli-                                                                                                                                                 Gut gelaunt sitzt Franziska Her-         unvollständig und irreführend          mungskampagne unter anderem,
maneutral werden. Damit den Worten                                                                                                                                                    ren mir Bildschirm zu Bildschirm         Konsument*innen über die Land-         dass die Initiative viele Landwirt-
                                         Bild: © Marten van Dijl / Greenpeace

auch Taten folgen, hat das Königreich                                                                                                                                                 gegenüber. Vor gut vier Jahren hat       wirtschaft und ihre Folgen infor-      schaftsbetriebe in ihrer Existenz
nun beschlossen, bis 2050 seine                                                                                                                                                       die Bernerin die Trinkwasserinitia­      miert werden. «Viele denken, dass      gefährde. «Dabei ist es genau um-
­gesamte Öl- und Gasförderung in der                                                                                                                                                  tive lanciert und sah sich damals        wir in der Schweiz kein Wasserpro-     gekehrt», sagt Franziska Herren,
 Nordsee einzustellen. Und das als                                                                                                                                                    mit viel Skepsis konfrontiert. Nie-      blem haben», sagt die 53-Jährige.      «es ist der Bauernverband, der mit
 ­aktuell grösster Ölproduzent der EU.                                                                                                                                                mals würde sie es schaffen, die          «Das Gegenteil ist aber der Fall.      seiner Ideologie einer Landwirt-
  Däne­mark macht anderen Ländern vor,                                                                                                                                                ­nötigen Unterschriften für ihr An-      Mit unseren Steuergeldern finan-       schaft ohne Klima- und Umwelt-
  wie man seine Versprechen einhält.                                                                                                                                                   liegen zu sammeln, tönte es aus         zieren wir eine Landwirtschaft, die    ziele die wichtigste Existenzgrund-
                                                                                                                                                                                       ­diversen Ecken. Doch die Zweif-        von Pestiziden und Futtermitteln       lage der Bauernfamilien zerstört:
                                                                                                                                                                                        ler*innen sind mittlerweile ver-       abhängt. Sie verschmutzt unser         den Boden.» Die ehemalige Fit-
                                                                                                                                                                                        stummt. Am 13. Juni stimmt die         Trinkwasser, zerstört die Umwelt       nesstrainerin lässt sich angesichts
                                                                                                                                                                                        Schweizer Bevölkerung über die         und schädigt das Klima.»               des Gegenwinds aber keineswegs

                                                                                  Grossartiger Schritt                                                                                  Vorlage ab.                                   Bei einem JA zur Trinkwas-      aus dem Konzept bringen. Im
                                                                                                                                                                                              Um die Volksinitiative zu        serinitiative fliessen die hiesigen    ­Gegenteil: «Je stärker man von der
                                                                                                                                                                                        lancieren, setzte Franziska Herren     Steuermilliarden vollständig in         Gegenseite bekämpft wird, desto
                                                                                Ab Juli 2021 ist in der EU jeglicher Einwegplastik passé, für                                           ihre Existenz, ihr eigenes Fitness-    eine ökologische Landwirtschaft,        genauer hat man ins Schwarze
                                                                                den es ökologische Alternativen gibt. Dazu gehören Watte-                                               studio, aufs Spiel. Als alleinerzie-   und die Schweiz leitet einen grund-     ­getroffen.»
                                                                                stäbchen, Strohhalme sowie Teller und Besteck aus Kunst-                                                hende Mutter zweier Kinder, die        legenden Wandel des Ernährungs-
                                                                                                                                                  Bild: © Sophia Marston / Unsplash

                                                                                stoff. Greenpeace Ungarn hat dazu beigetragen, dass Ungarn                                              noch in Ausbildung waren, nota-        systems ein. Eine nachhaltige Ver-     Illustrationen Seite 7/8: Jörn Kaspuhl schloss
                                                                                                                                                                                                                                                                      2008 sein Studium an der Universität in
                                                                                noch eine Schippe drauflegt und zusätzlich Plastiktüten mit                                             bene. Ein mutiger Schritt, den         änderung, gegen die Gegner*innen       Hamburg als Illustrator ab. Heute arbeitet er
                                                                                einer Dicke von 15 bis 50 Mikrometern verbannt. Alle dünne-                                             nicht viele wagen würden. Doch         der Initiative scharf schiessen – so   in Berlin.
                                                                                ren Säcke bleiben zwar erlaubt, werden aber pro Kilo mit ­einer
                                                                                zwanzigfach höheren Produktgebühr belegt. Das könnte sich
                                                                                die Schweiz, die all dem hinterherhinkt, abschauen!                                                                                                                                                                                    7
S. 10 Feuchtgebiete Brennen - Greenpeace Schweiz
«Es ist einfach dumm,                                                                                                                Ein dickes, fettes JA
Taten statt Worte                                                                                                        Engagement

                      dass wir Gift verwenden»                                                                                                            zum neuen CO2-Gesetz
                                                                                                                                        Am 13. Juni stimmt die Schweiz über das CO2-Gesetz ab,
                                                                                                                                   weil die Erdöl- und die Autolobby das Referendum ergriffen haben.
                                                                                                                                        Auch wenn das neue Gesetz zu wenig weit greift, setzt sich
                                                                                                Am 13. Juni                          Greenpeace Schweiz vehement dafür ein. Aus guten Gründen.
                                                                                                                                                                                   Illustrationen: Robert Samuel Hanson
                                                                                              JA zur Pestizid­
                                                                                                 initiative
                                                                                                                            Mehr Klimaschutz                                                                    Wichtiges Zeichen
  Dominik Waser,
     Landwirt-
schafts-Campaigner
       bei der
  Pestizidinitiative

                                                                                                                         Die Massnahmen des neuen             ­ nderem mittels Flugticket­
                                                                                                                                                              a
                                                                                                                         CO2-Gesetzes bewirken, dass          abgabe und einem Quasi-Ver-
                                                                                                                         die Schweiz ihre Treibhaus­          bot von Öl- und Gasheizungen.
                                                                                                                         gasemissionen verringert. Und        Zudem wird der CO2-Ausstoss
                                                                                                                         zwar um 37,5 Prozent gegen-          neuer Autos bis 2030 halbiert.                  Wird das CO 2-Gesetz abge-         deutliche Befürwortung das
                                                                                                                         über 1990. Das erfolgt unter                                                         lehnt, ist das ein immenser        Referendum bachab schickt.
                                                                                                                                                                                                              Sieg für die klimaschädliche In-   Es würde bedeuten, dass wir
                                                                                                                                                                                                              dustrie. Vor allem aber wären      bereit sind für eine eindeutige
                                                                                                                                                                                                              die Folgen für die Klimapolitik    Verbesserung des bestehenden
                                                                                                                                                                                                              im Parlament fatal. Ein umso       Klimaschutzes in der Schweiz –
                                                                                                                                                                                                              grösseres Zeichen setzt die        und vor allem für mehr davon.
                                                                                                                                                                                                              Schweiz hingegen, wenn ihre

                                                                                                                                Gerechtere
Text: Jara Petersen                    spielsweise vermittelt er jenen Wis-     nen sollten mehr Unabhängigkeit
                                       sen, die sich bisher nicht mit grü-      in der Herstellung ihrer Erzeugnis-

                                                                                                                              Lastenverteilung
Sie beschäftigen ihn intensiv: die     nen Themen auseinandersetzen             se haben.» Er kann schon nach-
Landwirtschaft und die planeta-        konnten. So etwa in der Kampa­           vollziehen, dass ein Verbot von

                                                                                                                                                                                                                          Erster Schritt
ren Grenzen. Der Klimastreik, die      gnengruppe der Pestizidinitiative.       Pestiziden, wie es die Initiative vor-
Macht der Grosskonzerne und ge-                 Dominik Wasers klare Mei-       sieht, Ängste schürt. Besonders
sellschaftliche Zukunftsutopien.       nung zum Pestizideinsatz: «Es ist        wenn ein landwirtschaftlicher Be-
Oder, wie bei seinem Engagement        einfach dumm, dass wir diese             trieb jahrelang damit gearbeitet
für die Pestizidinitiative, das Wis-   nachgewiesen giftigen Stoffe ver-        hat. Dann aber verweist Dominik
sen darum, weshalb diese Initiati-     wenden.» Ihr Einsatz in der Land-        Waser auf die rund 7000 Schweizer
ve «so was von grundlegend» ist.       wirtschaft schadet schliesslich          Bio-Bauernhöfe: «Wir wissen ja,
Dominik Waser, Aktivist und vor-       überall: im Boden, im Trinkwas-          dass es ohne geht. Warum machen
maliger Landschaftsgärtner, un-        ser, in unserem Essen. Aus gesund-       wir es dann nicht?»
ternimmt mit Blick auf die Erde        heitlicher und ökologischer Sicht               Eine Niederlage an der Urne
lieber, was er kann, als es unver-     sei es nicht vertretbar, sie weiterhin   würde die Agrarpolitik um Jahre
sucht zu lassen. Konsequenterwei-      ­einzusetzen. «Pestizide zerstören       zurückwerfen. Jahre, die wir be-
se ist er ziemlich gut beschäftigt.     die Bio­diversität und schaffen ein     kanntermassen nicht mehr haben.
                                                                                                                                                                                                                Die Annahme des CO2-Ge-           Daher setzt sich Greenpeace
«Ich habe die Energie, das viele        Abhängigkeitssystem der Land-           Auch Dominik Waser würde sie
                                                                                                                                                                                             erview mit
                                                                                                                         Das neue CO2-Gesetz verteuert        Wenn man bedenkt, dass                               set zes ist ein er ster        Schweiz dafür ein, dass bei
Stunden am Tag zu machen», sagt         wirt*innen von Grosskonzernen»,         lieber anderem widmen, die Liste
                                                                                                                                                                                           nt
                                                                                                                         klimaschädliches Verhalten           schon heute weltweit                                   Schritt in die richtige      ­e iner Annahme des CO 2-Ge­
                                                                                                                         und bittet Verursacher*innen         viele Menschen unter                                     Richtung – doch bei       setzes weitere Schritte zum
er. «Ich betrachte es nicht so sehr     sagt der 23-Jährige. Denn das Gift      seiner Wünsche für eine lebens-          zur Kasse. Fliegen, mit Öl oder      den Folgen des Kli-

                                                                                                                                                                                       I
                                                                                                                                                                                                                        weitem nicht genug.      ­K limaschutz folgen. So etwa
als Arbeit, sondern als mein Le-        fällt ja nicht vom Himmel, es muss      werte Zukunft ist lang. «Ich habe        Gas heizen und klimaschädli-         mawandels leiden,                                          Um die Folgen des        verbindliche Klimaziele für den
                                                                                                                         che Autos fahren kostet mehr.        den vor allem rei-                                          Klimawandels ein-       Schweizer Finanzplatz und die
ben. Mich all dem widmen zu kön-        stets gekauft werden. Es sei letzt-     Bilder dieser Zukunft im Kopf.           Das Geld, das über die Ab­           che Länder wie die                                          zudämmen, muss          Abkehr von der fleischlastigen
nen, ist ein Privileg.» Dieses soll     lich auch ein Problem mangelnder        Aber es braucht ein Buch, um sie in      gaben zusammenkommt, wird            Schweiz verursa-                                            die Schweiz ihre        Landwirtschaft. Um diese – und

                                                                                                                                                                                                               ug a
                                                                                                                                                                                   Bun
                                                                                                                         ­e inerseits an alle zurückver-      chen, ist es nur ge-                                        Emissionen bis          noch viel mehr – Steine ins Rol-
auch anderen etwas nützen. Bei-         Demokratie. «Die Landwirt*in-           Worte zu fassen», lächelt er.             teilt, andererseits fliesst es in   recht, künftig mehr                                         2030 um mindes-         len zu bringen, braucht es am
                                                                                                                          den Klimaschutz, beispielswei-      für den eigenen                                            tens 60 Prozent –        13. Juni deshalb ein dickes, fet-

                                                                                                                                                                                                             ar
                                                                                                                                                                                      de
                                                                                                                          se in den Ausbau des Nacht-         CO2-­­­Ausstoss zu be-
                                                                                                                                                                                          sr                            und nicht nur um 37,5     tes JA zum neuen CO2-Gesetz.

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                                                                                                                          zugnetzes oder die Elektrifi­
                                                                                                                          zierung von Stadtbussen.
                                                                                                                                                              zahlen.
                                                                                                                                                                                               ä ti n S o m m         Prozent – gegenüber
                                                                                                                                                                                                                    1990 reduzieren.
S. 10 Feuchtgebiete Brennen - Greenpeace Schweiz
International

   LODERNDE
PROPAGANDA

                                                                                                                                                                                Bild: © Rendra Hernawan / Greenpeace
Trauriger Kontrast: In Ketapang im Westen Kalimantans wechseln sich Ölpalmsetzlinge mit den verbrannten Überresten ehemaliger Bäume ab.                                                                                Ein Dorfbewohner hilft dem Waldbrandpräventionsteam von Greenpeace Indonesien, einen Damm zu bauen. Der Schutzwall soll die Austrocknung
Sie fielen den verheerenden Bränden 2015 zum Opfer. Seither werden in dem indonesischen Bezirk fleissig Ölpalmen nachgezogen.                                                                                          eines Sumpfgebiets in der Nähe eines kleinen Dorfes im Westen von Kalimantan verhindern.

                                                                                                                                                                                                                         Indonesien beheimatet eine Fülle prächtiger Wälder und Feuchtgebiete.
                                                                                                                                                                                                                         Doch Jahr für Jahr werden sie von der Palmölindustrie zerstört – und die
                                                                                                                                                                                                                       Regierung drückt beide Augen zu. Ein Zustand, der Rusmadya ­Maharuddin,
                                                                                                                                                                                                                              Campaigner von Greenpeace Indonesien, zutiefst beunruhigt.

                                                                                                                                                                                                                       Interview: Danielle Müller               Die indonesische                                    Schon drei Jahre zuvor, nach den
                                                                                                                                                                                                                                                             Regierung verpflichtete                                verheerenden Bränden 2015, mach­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    te Präsident Jokowi grosse Ver­
                                                                                                                                                                                                                        Rusmadya Maharuddin, sich 2018 dazu, 2 Millio­                                              sprechen. Die Folge waren ledig­
                                                                                                                                                                                                                                                              nen Hektaren Moore                                    lich stümperhaft formulierte und
                                                                                                                                                                                                                             alle Jahre wieder                                                                      mangelhaft überprüfte Gesetze.
                                                                                                                                                                                                                                                            wiederherzustellen. Dazu
                                                                                                                                                                                                                         ­brennen in Indonesien                                                                     Das b ­ elegt auch der kürzlich veröf­
                                                                                                                                                                                                                                                              verbot sie das Brand­
                                                                                                                                                                                                                           Wälder und Feucht­                                                                       fentlichte Bericht von Greenpeace
                                                                                                                                                                                                                                                              roden von Wald- und                                   Südostasien, «Burning Issues: Five
                                                                                                                                                                                                                             gebiete. Warum?                                                                        ­Years of Fire» («Brennende Proble­
                                                                                                                                                                                                                                                            Sumpf­gebieten. Was hat
                                                                                                                                                                                                                       Dahinter steckt die Palmölindustrie:                                                          me: Fünf Jahre Feuer»). Gemäss Re­
                                                                                                                                          Bild: © Ulet Ifansasti / Greenpeace

                                                                                                                                                                                                                       Sie setzt Wälder und Sumpfgebiete     sich seither verändert?                                 port wurde in Indonesien zwi­schen
                                                                                                                                                                                                                       in Flammen, um an ihrer Stelle ge­            Das Waldmoratorium ist ein gutes                2015 und 2019 eine Fläche von
                                                                                                                                                                                                                       winnbringende Ölpalmen anzu­                  Beispiel für die indonesische Re­               4,4  Millionen Hektaren Land abge­
                                                                                                                                                                                                                       pflanzen. Kostbare Ökosysteme                 gierungspropaganda zum Thema                    brannt. Das übertrifft die Grösse der
                                                                                                                                                                                                                       müssen so Jahr für Jahr grossflä­             Waldschutz. Es klingt zwar impo­                ganzen Schweiz! Von Wiederher­
                                                                                                                                                                                                                       chigen Monokulturen weichen.                  sant, hat aber nichts verändert.                stellung kann also keine Rede sein.

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S. 10 Feuchtgebiete Brennen - Greenpeace Schweiz
Wieso lässt die                    höhen und deren Krankheitsverlauf      rund um fossile Brennstoffe sein.
                                        verschlechtern könnte. Und trotz­      Die Regierungen müssten weltweit
  Regierung die Palm­öl­                dem beschloss die Regierung im         die Ausbeutung natürlicher Öko­
    industrie einfach                   Oktober 2020 das Omnibus-­Gesetz,      systeme stoppen. Es gibt also noch
       ­gewähren?                       das jeglichen Schutz vor Brand­        viel zu tun.
                                        rodungen zunichtemacht.
Die Regierung lässt die Konzerne
                                                                                      Kann nachhaltig
nicht bloss gewähren, die Palmöl­         Welche ­Auswirkungen
industrie konnte die Gesetze der                                                   ­produziertes Palmöl
                                               hat der intensive
letzten Jahrzehnte praktisch selber                                                   etwas ändern?
festlegen. Jüngstes Beispiel ist das          ­Palmölanbau auf
Omnibus-Gesetz, das die Regie­             ­Indonesiens Natur?                 Ja, denn es ist möglich, Palmöl zu
rung unter totaler Ausgrenzung von                                             gewinnen, ohne Wälder und Moore
Bevölkerung und Umweltorganisa­         Die Entwaldung hat die Tiefland­       zu zerstören. Millionen indonesi­
tionen beschloss. Dieses Gesetz         wälder in Sumatra und Kalimantan       schen Kleinbauernfamilien gelingt
wischt den ohnehin schon geringen       verwüstet und bedeutenden Le­          das schon heute. Die Lösung wäre,
Umweltschutz beiseite. Es droht die     bensraum für Tiger, Elefanten, Nas­    dass auch grosse Konzerne ihr
verbliebenen Wälder und Sumpf­          hörner, Orang-Utans und andere         ­Palmöl ausschliesslich von solchen
gebiete Indonesiens zu vernichten       gefährdete Arten zerstört. Wissen­      verantwortungsbewussten Produ­

                                                                                                                               Bild: © Jurnasyanto Sukarno / Greenpeace
und indigene Gemeinschaften zu          schaftler*innen schätzen, dass in       zenten kauften. Eine landesweite
verdrängen. Bei der Ausarbeitung        Indonesien heute nur noch rund 400      nachhaltige Produktion gelingt nur,
wurde lediglich die Palmölbranche       Sumatra-Tiger in freier Wildbahn        wenn Unternehmen die volle Ver­
hinzugezogen. Als gäbe man einem        ­leben, 1970 waren es noch etwa         antwortung für ihre Lieferketten
hungrigen Fuchs die Schlüssel zum        1000. Auch die Anzahl Orang-Utans      über­nehmen. Treiben sie aber wei­
Hühnerstall.                             in Borneo ging zwischen 1999 und       terhin die Zerstörung der Ökosyste­
                                         2015 um über die Hälfte zurück.        me voran, kommen die Brände in
                                                Hinzu kommen die Emissio­       ­Indonesien nicht zum Erlöschen.
 Die Regierung schützt                   nen, die durch das Trockenlegen                                                                                                  Ein freiwilliger Helfer löscht Brände in einem Sumpfgebiet in Zentralkalimantan. 2019 haben die Feuer in Kalimantan gemäss dem indonesischen ­
                                                                                                                                                                          Forst- und Umweltministerium eine Wald- und Sumpfgebiet-Fläche von rund 860 000 Hektaren zerstört.
 die eigene Bevölkerung                  der Sumpfgebiete freigesetzt wer­
        also nicht?                      den. Moore sind hoch konzentrierte
                                         Kohlenstoffspeicher, die im Schnitt
Nein. Dabei gefährden die Brände         zehnmal mehr CO2 binden als ande­
beispielsweise Millionen indone­         re Ökosysteme. Ohne ihren Schutz
sische Kinder, wie zahlreiche Ge­        und ihre Wiederherstellung ist die
sundheitsstudien nachweisen. Sie         Eindämmung der Klimaerhitzung
zeigen langsameres Wachstum auf,         fast unmöglich.
niedrigere kognitive Fähigkeiten –
und Tausende sterben bereits als
Fötus.                                         Die Folgen des
        Statt die Bevölkerung zu         ­Palmölanbaus sind kein
schützen, spielt die Regierung die         Geheimnis. Und trotz­
gesundheitlichen Auswirkungen
der Brände sogar herunter. Ein ein­     dem steigt die Nachfrage
drücklicher Beleg hierfür liefert der   weltweit an. Was bedeu­
Greenpeace-Bericht «Burning Up»           tet das für Indonesien?
(«Verbrennen») aus dem letzten
Jahr: Laut Schätzungen von Epi­         Die grosse Nachfrage treibt die
demiolog*innen kostete die durch        Ausweitung von Plantagen weiter
                                                                                                                               Bild: © Jurnasyanto Sukarno / Greenpeace

die desaströsen Brände 2015 aus­        voran. Heute enthält die Hälfte der
                                                                               Am 7. März hat die Schweiz die Volks­
gelöste Luftverschmutzung mehre­        Produkte im Supermarkt Palmöl.         abstimmung über das Freihandelsabkommen
ren tausend Menschen das Leben.         Auch die Produktion von Biokraft­      mit Indonesien knapp angenommen.
                                                                               Die Nachhaltigkeitsklausel im Abkommen
Die Regierung aber bestätigte offi­     stoff aus pflanzlichen Rohstoffen      untermauert vor allem die Dominanz der
ziell nur 24 Tote.                      wie Palmöl hat in den letzten Jahren   Grossplantagen, denn häufig können sich
                                                                               Kleinbauernfamilien die Zertifizierung
        Der Bericht wirft zusätzlich    rapide zugenommen. Indonesien          gar nicht erst leisten, und ihnen wird so der
Bedenken auf, dass der anhaltende       fördert die Herstellung, und auch      nachhaltige Anbau von Palmöl verwehrt.
                                                                               Das Freihandelsabkommen stärkt die Rechte
Smog aufgrund der Brände das            die EU unterstützt sie. Das kann       der Konzerne auf Kosten von Menschen­-                                                     Ein Orang-Utan trinkt Wasser aus einem Plastiksack, die Landschaft hinter ihm wurde komplett niedergebrannt. Die Feuer und der dadurch entste­
­Risiko einer Covid-19-Infektion er­    aber nicht die Lösung des Problems     rechten und Umweltschutz.                                                                  hende Rauch gefährden bedrohte Arten wie den rotbraunen Menschenaffen, der in freier Wildbahn nur noch in Kalimantan und Sumatra zu finden ist.

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S. 10 Feuchtgebiete Brennen - Greenpeace Schweiz
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                             Gefiederter Besuch                                                                                                                                                          Die Mär vom                                                                                                                                                                          Zig
Rückblick                                                                                                                                                                                       Rückblick

                                 für Nestlé                                                                                                                                                            Schweizer Fleisch                                                                                                                                                                   Produkte
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Die Liste der Produkte, die Palmöl
An einem ruhigen Dezembermorgen befin-                                 Die Rangliste entsteht in Zusammen-                                                                                                                                                                                                                                                                             enthalten, ist lang: Kosmetika, Ker­
den sich auf einmal zwei Vögel vor Nestlés                       hang mit dem jährlichen «World Cleanup                                                                                                                                                                                                                                                                                zen, Wasch- und Reinigungsmittel,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Nahrungsmittel wie Butter, Backwa­
Hauptsitz in Vevey. Sie sitzen in einem von                      Day», an dem freiwillige Helfer*innen welt-                                                                                                                                                                                                                                                                           ren, Fertigpizzen, Nutella, Glace und
Plastikabfall durchwobenen Nest, das ans                         weit Einwegabfall einsammeln. Bei soge-                                                                                                                                                                                                                                                                               Süssigkeiten. Aber auch in weniger
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       alltäglichen Bereichen wie der Phar­
Logo des multinationalen Konzerns erinnert.                      nannten «Brand Audits» sortieren sie die                                                                                                                                                                                                                                                                              mazie und der Chemie wird das
Neben der fünfeinhalb Meter langen Skulp-                        Fundstücke dann nach Marken. So konnten                                                                                                                                                                                                                                                                               pflanzliche Fett verwendet; es kommt
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       sogar in Biotreibstoff vor.
tur stehen Aktivist*innen mit Bannern und                        letzten September 8633 Plastikstücke Nestlé
fordern: «Nestlé, hör auf, die Welt mit Plastik                  zugeordnet werden. Was nur einem Bruchteil
zu füttern!» Der Appell basiert auf dem Be-
richt «Branded Volume III», der Nestlé eine
                                                                 dessen entspricht, was der Konzern jährlich
                                                                 produziert: 1  524  000 Tonnen Plastik waren es                                                                                                                                                                                                                                                                               380
Woche zuvor als einer der drei grössten Plas-
tikverschmutzer*innen weltweit enttarnte –
                                                                 2019. Eine schier wahnsinnige Menge. Zu
                                                                 Recht zeigen wir Nestlé den (Plastik-)Vogel.                                                                                                                                                                                                                                                                                Prozent
und das bereits zum dritten Mal in Folge.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Ölpalmen wurden 1990 weltweit auf
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       6,2 Millionen Hektaren angepflanzt,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       wie die Landwirtschaftsorganisa-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       tion der Uno berechnete. Heutzutage
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       umfasst deren Anbaufläche rund
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       23,5 Millionen Hektaren, was einem
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Wachstum auf das fast Vierfache ent­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       spricht.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  30
                                                                                                                                                                                                     In Schweizer Fleisch steckt gar nicht so viel Heimat,
                                                                                                                                                                                                     wie die Werbung gerne vorgaukelt. Das deckt Green-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Jahre
                                                                                                                                                                                                     peace Schweiz in der Broschüre «Der Futtermit-                                                                                                                                    Eine Ölpalme trägt nach zwei bis drei
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Jahren erste Früchte. Sie kann 100
                                                                                                                                                                                                     tel-Schwindel» vom Februar auf: Rund 1,4 Millionen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Jahre alt werden. In der Landwirt­
                                                                                                                                                                                                     Tonnen Futtermittel importiert die Schweiz nämlich                                                                                                                                schaft wird ihr Leben jedoch auf 25
                                                                                                                                                                                                     im Jahr. Es ist vor allem unser Konsum, der massiv                                                                                                                                bis 30 Jahre gekürzt. Denn danach ist
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       es aufgrund ihrer erreichten Höhe zu
                                                                                                                                                                                                     zu diesem Import beiträgt. Rund 75 Millionen Kühe,                                                                                                                                schwierig, ihre Früchte zu ernten.
                                                                                                                                                                                                     Schweine und Co. werden jährlich für unseren Ver-
                                                                                                                                                                                                     brauch geschlachtet, die Fleischproduktion ist somit
                                                                                                                                                                                                     überhaupt nicht den lokalen Ressourcen angepasst.                                                                                                                                         24
                                                                                                                                                                                                     Oder anders gesagt: Wir essen zu viel Fleisch. Und
                                                                                                                                                                                                     Eier. Und trinken zu viel Milch.                                                                                                                                                       Stunden
                                                                                                                                                                                                            Anstatt diesem Zustand entgegenzuwirken,                                                                                                                                   Die Palmölfrucht ist die ertragreichs­
                                                                                                                                                                                                     steckte das Bundesamt für Landwirtschaft 2020                                                                                                                                     te Ölfrucht der Welt. Eine Hektare Öl­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       palmen produziert im Schnitt 3,8 Ton­
                                                                                                                                                                                                     39 Millionen Franken Steuergelder in die Bewer-                                                                                                                                   nen Öl. Doch die Früchte verderben
                                                                                                                                                                                                     bung von tierischen Produkten. Greenpeace Schweiz                                                                                                                                 bereits nach 24 Stunden. Bei der Ern­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       te und Verarbeitung ist also Tempo
                                                                                                                                                                                                     fordert deshalb in einer Petition, dass das märchen­                                                                                                                              angesagt.
                                                                                                                                                                                                     hafte Marketing der umweltzerstörenden Fleisch-,
                                                                                                                                                                                                     Eier- und Milchindustrie keinerlei finanzielle Unter-
                                                                                                                                                                                                     stützung mehr erhält. Damit es auch für diese bald
                                                                                                                                                                                                     heisst: «Es war einmal …»                                                                                                                                                         85 Millionen
                                                                                                                                                                                                                      Hier Petition
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Tonnen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Rund 237 Millionen Tonnen: So viele
                                                                                                                                                                                                                     unterschreiben
                                                                                                                                          Bild: © Joël Hunn / Greenpeace

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Öle und Fette wurden weltweit zwi­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       schen Oktober 2018 und September
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       2019 produziert. Davon stammten
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       rund 85 Millionen Tonnen von der Öl­
                                                                                                                                                                           Bild: © Greenpeace

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       palme. Der Ertrag besteht grössten­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       teils aus Palmöl, das aus den Früchten
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       gewonnen wird, und zu einem Bruch­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       teil aus Palmkernöl, das die Frucht­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       kerne abgeben.
Vor dem Auftritt bei Nestlé ging einer der Vögel auf Wanderschaft in Luzern und Zürich, um auf das Plastikproblem aufmerksam zu machen.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Quelle: WWF: «Like Ice in
14                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     the Sunshine» (2020)
S. 10 Feuchtgebiete Brennen - Greenpeace Schweiz
WARTEN
 AUF
     Dem Pantanal, dem grössten
Feuchtgebiet der Erde, geht das Wasser
     aus; die Angst vor Feuern wie
 letztes Jahr wächst. Eine Reportage
   ­entlang der südamerikanischen
           ­Transpantaneira.
                Text: Philipp Lichterbeck
               Fotografie: Evgeny Makarov

 DEN
REGEN
S. 10 Feuchtgebiete Brennen - Greenpeace Schweiz
In der Morgendämmerung tritt Alesandro Amorim vor seine
     Parkwächterstation inmitten des brasilianischen Pantanals. Rund-
     herum breiten sich Grasflächen aus, und es gibt eine kleine Lande-
     bahn für Propellermaschinen. Dahinter beginnt der Wald.
               Während Amorim einen Kaffee trinkt, erklingt um ihn
     herum die Pantanal-Sinfonie. Sie beginnt mit den Hokkohühnern,
     die einen glucksenden Ruf von sich geben, der so klingt wie ihr bra-
     silianischer Name, «Chacotschatschalaka». Es ist der Rhythmus,
     in den die anderen Vögel einstimmen: die krächzenden Hyazinth-­
     Aras, die schnatternden Tirikasittiche, die spottenden Schwefel-
     maskentyrannen und der gackernde Guirakuckuck.
               Trotz des euphorischen Morgenkonzerts runzelt Amo-
     rim die Stirn. Er blickt gen Himmel, hält Ausschau nach dunklen
     Wolken; aber der Himmel ist hellblau und klar. Kurz darauf kom-
     men die ersten Sonnenstrahlen über die Baumwipfel. «Seit Wochen
     hat es nicht mehr geregnet», sagt Amorim, «es ist viel zu trocken.»
     Er macht eine düstere Prophezeiung: «Es wird wieder brennen im
     Pantanal. Wahrscheinlich noch heftiger als letztes Jahr. So eine
     Dürre habe ich noch nicht erlebt.»

                     Fressen und gefressen werden
     Laut Kalender ist Regenzeit im Pantanal, dem grössten Über-
     schwemmungsgebiet der Erde. Es liegt im Westen Brasiliens, dehnt
     sich bis nach Bolivien und Paraguay aus. Sein Name kommt vom
     portugiesischen Wort für Sumpf (pântano), aber es ist eine riesige
     Ebene mit recht unterschiedlichen Ökosystemen: Savannen, tro­
     pischen Wäldern, dornigen Trockenwäldern, Sumpfland. Durch-
     zogen wird es von zahlreichen Flüssen und Bächen, an seinen nörd-
     lichen und westlichen Rändern erheben sich Bergketten.
                Diese einzigartige Landschaft ist die Heimat für unzäh-
     lige Tiere und Pflanzen. Es gibt mehr Vogelarten als in ganz Euro-                   Oben links:
                                                                            «Es ist viel zu trocken»:
     pa und eine der grössten Jaguar-Populationen der Welt, rund 13 000                Park ­wächter
                                                                                Alesandro Amorim
     sollen es sein. Durch die Wälder und Wiesen streifen Mähnen­wölfe,               steht auf einer
                                                                                 Lichtung im Wald.
     Grosse Ameisenbären und Tapire, die grössten heimischen Land-
                                                                                       Oben rechts:
     säugetiere Südamerikas. In den Baumwipfeln sieht man verschie-               Biologin Gabriela
     dene Affen, und am Boden leben Schlangen, darunter giftige A­ rten.     Schuck dokumentiert
                                                                               die Überreste eines
     In den Gewässern wimmelt es von Fischen und Kaimanen.                      Tapirs. Das Skelett
                                                                                wird für die Rekon­-
                Doch die biologische Vielfalt hängt von den Regenmas-                 struktion des
                                                                             grössten Säugetieres
     sen ab, die zwischen Januar und März fallen. Flüsse wie der Rio           Südamerikas an ein
                                                                              Museum übergeben.
     Paraguai treten dann über die Ufer, und das Pantanal ist mehrere                        Unten:
     Wochen lang überschwemmt, gleicht einem flachen See. Wenn das                       Die beiden
                                                                              bevorzugten Beför­-
     Wasser ab April wieder zurückweicht, kommt eine gigantische                derungsmittel der
                                                                              Parkwächterstation
     Nahrungskette in Gang. Viele Vögel fressen die Fische im seich-              im Reservat. Die
                                                                             Pferde leben frei und
     ten Wasser, es wimmelt von Insekten, der Boden ist feucht und            werden erst wieder
                                                                               eingeritten, sobald
     fruchtbar, die Vegetation blüht und bietet Nahrung für die                     das Wasser im
                                                                                 Pantanal zu hoch
18   Pflanzen­fresser, von denen sich wiederum die Raubtiere ernähren.        steht für die Quads.     19
Viele Arten paaren sich. Es ist, als ob das Pantanal jedes Jahr neu-
                            geboren w
                                    ­ ürde – wenn es denn regnet.

                                                  Feuer im Feuchtgebiet
                            Als wir Anfang Februar ins nördliche Pantanal reisen, sollte es
                            schon unter Wasser stehen. Alesandro Amorim, der Parkwächter,
                            sagt, dass man jetzt normalerweise nur noch per Pferd oder Boot
                            unterwegs sein könnte und ständig nass würde. Stattdessen reiben
                            wir uns den Staub aus den Augen.
                                        Laut Wissenschaftler*innen des brasilianischen Kata­
                            strophenwarnzentrums (Cemaden) befindet sich das Pantanal in
                            der schlimmsten Trockenperiode seit 60 Jahren. Die Gründe ­dafür
                            sind nicht eindeutig. Es könnte am generellen Klimawandel liegen
                            oder an der Abholzung des Amazonasbeckens; weniger Wald dort
                            bedeutet weniger Wolkenbildung und Regen hier. Umweltschüt-
                            zer*innen weisen zudem auf mehrere Wasserkraftwerke hin, die
                            den Wasserstand des Rio Paraguai verändern. Auch ein natür­
                            licher Zyklus könnte schuld sein. Von 1968 bis 1973 erlebte das
                            Pantanal schon einmal eine Trockenzeit. «Aber so krass war es
                            noch nie», sagt Alesandro Amorim. Der 34-Jährige ist seit acht
                            ­Jahren Parkwächter im P   ­ antanal. Er arbeitet im grössten privaten
                             Naturreservat B ­ rasiliens, es wurde 1997 vom Sozialservice des
                             Handels (Sesc) gegründet und ist rund 110 000 Hektaren gross.
                             Amorim, eher schmächtig, braun gebrannt und mit einem stän­
                             digen Lächeln auf den Lippen, wurde im Pantanal geboren, sein
                             Vater war Kleinbauer. Heute managt er mit zwei Kollegen eine
                             von sechs Parkwächterstationen. Sie alle fürchten, dass sich die
                             ­Katastrophe von 2020 w ­ iederholen könnte. Zwischen August und
                              Oktober verheerten riesige Feuer rund ein Viertel des Pantanals.
                              Es waren – so widersprüchlich es klingen mag – die schlimmsten
                              Brände in der Geschichte des grössten Feuchtgebiets der Erde.
                                        «Unser Reservat brannte an allen Ecken und Enden», er-
                              zählt Amorim. Er kämpfte damals 50 Tage gegen die Flammen.
                              Ausgelöst wurden sie von Indigenen und einem Viehhalter ausser-
     Oben:
     Eine der Stellen im      halb des Reservats. Sie hatten Feuer gelegt, um Felder abzubren-
     Reservat, an denen
     es 2020 verheerend       nen beziehungsweise Weideland zu schaffen. Diese gerieten ausser
     gebrannt hat.
                              Kontrolle. An anderen Orten hatten Honigsammler*innen Feuer
     Unten links:
     Leben und Tod liegen
                              gemacht, die sich verselbstständigten. Eine Landwirtschafts­
     im Pantanal nahe
     beieinander: Zwei
                              maschine geriet in Brand, ebenso ein Auto bei einem Unfall. Ganz
     leblose Kaimane
     treiben in einer
                              im Süden des Pantanals untersucht die Polizei zudem mehrere
     austrocknenden
     Wasserstelle,
                              Brandstiftungen von Rancher*innen. Die ausgetrocknete Vege­
     während sich ein         tation verwandelte die Brände in ein Inferno; sie frassen sich teils
     Capybara daneben
     suhlt.                   über mehr als 50 Kilometer hinweg, glimmten sogar unterirdisch
     Unten rechts:            weiter. Die Parkwächter*innen zogen damals Schneisen in den
     Alesandro Amorim
     steht auf einem          Wald und legten Gegenfeuer. Sie wurden von Löschflugzeugen
     ausgetrockneten
20   Wasserreservoir.         ­unterstützt und nutzten Wasser aus Tanklastern. «Ich habe so          21
Versteckter                                                                                Fluch des Sojas
Das grosse Summen                                                     Drogenschmuggel                                                                            Wir stehen im Stau, weil
Die Luft des Pantanals ist stets                                      Das dünn besiedelte Pantanal                                                              ­Hunderte Sojalaster
vom Summen der Moskitos                                               liegt an der Grenze zu Bolivien.                                                           unterwegs sind. Der Bun­
erfüllt. Es müssen Zillionen sein.                                    Deswegen gibt es zahlreiche            Von Vögeln und Wappen                               desstaat Mato Grosso
Sie stürzen sich sofort auf jede                                      versteckte kleine Landepisten          Ein imposanter Jabiru (auch                         ist Brasiliens Soja­kammer.
freie Hautstelle, auch Mücken­                                        auf brasilianischer Seite.             als Tuiuiú bekannt) steht                           Dementsprechend viel
spray hilft kaum. Das beste ­                                         Kleine Propellermaschinen              im Sumpf und fängt Frösche.                         Wald wurde hier abgeholzt.
Mittel gegen sie ist trotz der                                        landen hier und bringen                Der wunderschöne weisse
unangenehmen feuchten                                                 Kokain aus dem Andenland.              Storch mit schwarzem Kopf
Hitze: feste, lange Kleidung.                                         Es wird vermutet, dass 2020            und knallroter Halskrempe
                                                                      mindestens ein Feuer im                ist einer der Wappenvögel des
                                                                      Pantanal von der Mafia gelegt          Pantanals.
                                                                      wurde, um von einer grossen
                                                                      Drogenlieferung abzulenken.

                                                                                                                     Tierische Auffangstation
                                                                                                                     Hier werden verletzte und
                                                                                                                     verbrannte Wildtiere von
                                                                                                                     Ampara Silvestre, einer NGO,
                                                                                                                     wieder aufgepäppelt. Wir
                                                                                                                     sehen zwei junge Tapire mit
                                                                                                                     Verbrennungen und ein
                                     Grausame Natur                                                                  ziemlich ungemütliches und
                                     Hunderte schwarze Geier sitzen                                                  angriffslustiges kleines
                                     auf Bäumen und am Boden, um                                                     Wildschwein.
                                     ein verendetes ­Fohlen zu
                                     fressen. Ein Anblick wie aus
                                     einem Horrorfilm.

                                                                                                                         Schlammige Angelegenheit
                                                                                                                         Auf dieser Strecke bleiben wir trotz
                                                                                                                         ­eines Geländewagens mehrfach

                                                                                                                                                                                                Illustration: Neasden Control Centre
                                                                                                                          in tiefen Schlammlöchern stecken.
                                                                                                                          Die Parkwächter ziehen uns jedes
                                                                                                                          Mal mit einem Traktor heraus.
                                                                              Jaguare und Panther                         Sie sagen, das sei normal.
                                                                              Im Naturschutzgebiet
                                                                              Encontro das Águas gibt es
                                                                              die grösste Konzentration
                                                                              von Jaguaren im Pantanal. In
                                                                              der Trockenzeit von Juli bis
                                                                              September kommen Tausende
                                                                              Touristen, um sie von Booten
                                                                              aus zu beobachten, wenn
                                                                              sie ans Ufer des Rio Cuiabá
                                                                              (auch Rio Canabu) kommen,
22                                                                            um zu jagen und zu trinken.                                                                                  23
­ twas noch nie erlebt», sagt Amorim. «Die Hitze, der Rauch, der
     e
     heisse Wind, die Feuerwände. Die Tiere kamen orientierungslos
     und versengt aus dem Wald gerannt.»

                             Wo ist der Jaguar?
     Amorim schwingt sich auf ein Quad. Hinter ihm nimmt eine
     ­Biologin Platz, die Jaguare erforscht. Als die Feuer vorüber waren,
      stellten die Parkwächter*innen 165 Wasserwannen im Reservat
      auf, um die verbleibenden Tiere zu versorgen. Auch Früchte und
      Gemüse legten sie aus. «Es rettete vielen geschwächten Tieren das
      Leben», sagt Gabriela Schuck. Die 25-jährige Forscherin brachte
      damals Fotofallen bei den Wannen an, um Raubkatzen aufzu­
      nehmen. Diese will sie nun auswerten.
                 Der erste Halt ist ein verbranntes Waldstück. Verkohlte
      Baumstümpfe ragen auf, aber man sieht auch, dass die Flora sich
      nicht unterkriegen lässt, einige Bäume tragen bereits wieder Blät-
      ter. In diesen Fallenkameras findet Schuck keine Bilder von Jagua­
      ren, doch plötzlich stossen wir in der Asche auf das Skelett eines
      Primaten. Wegen der grossen Augenhöhlen im Schädel tippt sie
      auf einen sehr seltenen Nachtaffen. Später wird ihre Vermutung
      bestätigt. Wahrscheinlich sei er vor den Flammen in den Baum-
      wipfel geflüchtet, sagt sie. Dort gab es kein Entkommen mehr.
                 Schuck wertet auf der mehrstündigen Fahrt rund ein Dut-
      zend Fotofallen aus, aber mit jedem Mal wächst ihre Enttäuschung:
      Nirgends hat sich ein Jaguar blicken lassen. Aber ein Ozelot wur-
      de von einer der Kameras eingefangen.
                 Schliesslich gelangen wir zu einem von Moskitos ver-
      seuchten Nebenarm des Rio Cuiabá. Schuck und Amorim best­ei­
      gen ein Boot. Sie wollen eine Stelle am Ufer erkunden, an der sie bei
      einer früheren Fahrt Verwesungsgeruch bemerkt haben. Sie haben
      eine Vermutung. Im Uferdickicht finden sie dann die Überreste
      ­eines zwei Meter langen Kaimans. «Ein Jaguar hat ihn getötet»,
       sagt Schuck. Er habe ihn am Hinterkopf gepackt und ihm das Ge-
       nick gebrochen. Aber die Freude über den Fund, der zeigt, dass
       mindestens eine der Raubkatzen in der Region umherstreift, wird
       von der allgemeinen Sorge über den ausbleibenden Regen getrübt.
                 Auf der Rückfahrt kommen wir an einem ausgetrockne-
       ten Teich vorbei, auf dessen Grund sich bereits Schollen gebildet
       haben. Die Kaimane, die hier lebten, sind verschwunden.                                Oben:
                                                                                     Normalerweise
                                                                                         setzen sich
                          Und wer legt die Feuer?                             Schmetterlinge oft auf
                                                                               lebende Kaimane, um
     350 Kilometer und sechs Stunden Autofahrt später sagt José                   sich an den Augen
                                                                              mit Salz zu versorgen.
     ­Dorilêo den Satz, den wir schon viel zu oft gehört haben: «Es ­regnet          Hier kommt der
                                                                              Schmetterling zu spät.
      nicht.» Dorilêo lebt an der Transpantaneira, einer Erdstrasse, die
                                                                                              Unten:
      das Pantanal auf 145 Kilometern von Nord nach Süd durchzieht.                Cowboys treiben
                                                                                     die Rinder auf
24    Er hat heute Besuch von seinem Neffen Raúl Costa, der wie er                  Dorilêos Ranch.    25
Viehzüchter ist – schon in der vierten Generation, wie sie stolz
                              ­betonen. Wir sind zu den beiden gefahren, weil auch sie zum Pan-
                               tanal gehören, das seit Jahrhunderten von Menschen bewohnt
                               wird, die sich an seine extremen Bedingungen angepasst haben.
                                          Dorilêos Ranch misst rund 12 000 Hektaren, circa 3000
                               Rinder weiden im ausgedehnten Grasland. Er und Costa sind fül-
                               lige Männer, und sie wehren sich dagegen, von den Medien als die
                               Bösewichte im Pantanal dargestellt zu werden. «Als es brannte,
                               hiess es, wir Rancher hätten die Feuer gelegt, um Weideflächen zu
                               schaffen», sagt Costa. «So ein Blödsinn! Das Pantanal ist riesig und
                               der eine oder die andere Verrückte mag das getan haben, aber ei-
                               gentlich ist es Selbstmord. Unsere Fazenda brannte letztes Jahr fast
                               ab. Man kann nicht alle Rancher*innen in einen Topf werfen.»

                                                Zum Frühstück Rinderzunge
                              Costa sitzt in der Küche des 100 Jahre alten Herrenhauses, das
                              ­etwas von einem Heimatmuseum hat. An den Wänden hängen alte
                               Fotos, Sporen und Lassos. Bereits zum Frühstück wird ein Rin-
                               derkopf aufgetischt, der über Nacht in einem Lehmofen gebacken
                               hat. Der 43-jährige Costa beisst in ein Stück Rinderzunge und er-
                               klärt, dass man auf der Fazenda noch nie Wald gerodet habe. Man
                               sei vielmehr auf die Bäume angewiesen, weil sie die erhöhten Stel-
                               len sicherten, auf denen die Rinder in der Hochwasserzeit stünden.
                                           Tatsächlich hat das Zentrum des Pantanals seine eigenen
                               Regeln. Anders als im Amazonas entstehen die Weideflächen hier
                               nicht primär durch Abholzung, sondern auf natürliche Weise,
                               durch die Überschwemmungen. An den Rändern des Feucht­
                               gebiets ist das anders. Dort wird der Wald für Weiden und den
                               ­Soja-Anbau zerstört.
                                           Viehzüchter wie Costa und Dorilêo fühlen sich zu Un-
                                recht als Umweltsünder an den Pranger gestellt. Sie geben sich um-
                                weltbewusst und wollen das Klischee vom Raubbau treibenden
                                Rancher widerlegen. Sie scheinen verstanden zu haben, dass man
                                im Pantanal nur mit der Natur wirtschaften kann. Diese folgt
                                manchmal extremen Gesetzen. Als wir später mit Costa zum
                                Pixaim-Fluss am Rande der Ranch gehen, sind wir geschockt. Nur
                                noch Pfützen und Sandbänke sind von dem Strom übrig. «Er steht
                                still», sagt Costa. «Das gab es noch nie.» Er fürchtet nun, dass
                                ­dieses Jahr nicht genug Wasser für das Vieh vorhanden sein wird.
                                 «Wir werden wohl Rinder verkaufen müssen.» Viele Viehzüch-
                                 ter*innen an der Transpantaneira seien wegen solcher Risiken
                                 schon vor Jahren weggezogen.
                                           Am Nachmittag begleiten wir die Cowboys, die auf den
                                 widerstandsfähigen Pantanal-Pferden reiten, bei ihrer Arbeit. Die
     Der 72-jährige
     Cowboy José da Silva.      dunkelhäutigen Männer haben beeindruckende, vom Wetter und
     Sein Spitzname lautet
26   «Feuchter Zé».              von der Arbeit zerfurchte Gesichter. Und noch etwas fällt uns auf:   27
Torf – der Stoff,
                                                                                                     Das steckt dahinter
     Sie sind erstaunlich alt. «Wir sind die letzten Pantanal-Cowboys»,
     sagt der 72-jährige José da Silva, standesgemäss in Hut, Jeans und
     Stiefel gekleidet. «Die jungen Leute wollen den Job im Sattel nicht                                                                 aus welchem Erde wird
     mehr machen.» Die anderen stimmen zu. Das Pantanal sei nicht
     für jeden geschaffen, sagen sie, es sei anstrengend.

                      Vom Adelssitz zur Öko-Lodge
     Einige Kilometer von der Fazenda entfernt lebt ein Mann, der zu
                                                                                                                                                                                                  1 Millimeter
     wissen glaubt, wie man vom Pantanal profitieren und es schützen
     kann. André Thuronyi, Sohn einer eingewanderten ungarischen
                                                                                                     150 000                                                                                   Torf (von Indogermanisch: «das Abgesto-
                                                                                                                                                                                                chene, Losgelöste») entsteht in natürli-

                                                                                                     Tonnen
                                                                                                                                                                                                chen Mooren, wo wegen des Wasser­über­
                                                                                                                                                                                                 ­s chusses Sauerstoffmangel herrscht.
     Adelsfamilie, kam Mitte der 1970er ins Pantanal. Er verliebte sich                                                                                                                            Dadurch werden die Pflanzenreste nur
                                                                                                                                                                                                    unvollständig abgebaut, können nicht
     in die Region und begann, die Idee vom Ökotourismus zu ver­                                     Im 18. Jahrhunder t                                                                             verrotten und lagern sich als Torf ab.
                                                                                                     diente Torf als Brenn-                                                                          Pro Jahr wächst die Torfschicht um
     breiten – ein Begriff, den damals im Pantanal niemand kannte. «Ich                              holzersatz, später                                                                               durchschnittlich 1 Millimeter.
                                                                                                     auch als Brennstoff
     war der Pionier», sagt er. Heute ist der hagere 66-Jährige, dessen                              für Industrie und Ge-

                                                                                                                                                                                                                                     10 000
                                                                                                     werbe. Heute wird
     Markenzeichen ein wehender grau-blonder Haarschopf ist, der                                     Torf bei uns nur noch
     Chef der exklu­siven ­Araras Eco Lodge. Zum Konzept gehört das                                  als Substrat für Topf-

                                                                                                                                                                                                                                      Jahre
                                                                                                     pflanzen, im Detail­
      hautnahe Naturerlebnis: die Beobachtung wilder Tiere, Nachtex-                                 handel und im profes­
                                                                                                     sionellen Gemüse- und
     kursionen, Ausritte. «Ich habe den Leuten gezeigt, dass ein Jaguar                              Zierpflanzenanbau ver-
                                                                                                     wendet. Dazu importiert
     oder ein blauer Ara lebendig viel wertvoller sind als tot oder in Ge-                           die Schweiz pro Jahr bis zu
                                                                                                     150 000 Tonnen Torf aus
                                                                                                                                                                                                             Schätzungsweise 5 bis 10 Prozent aller in die
                                                                                                                                                                                                              Atmosphäre ausgestossenen Treibhaus­
     fangenschaft», sagt ­Thuronyi. «Wenn du Tourist*innen anziehen                                  Nord- und Osteuropa.                                                                                      gase gehen auf das Konto der Trocken­
                                                                                                                                                                                                                legung von Mooren. Werden Moore zer-
     willst, brauchst du Natur.» Es habe lange gedauert, bis seine Nach-                                                                                                                                         stör t, setzt das in kür zester Zeit
                                                                                                                                                                                                                 Treibhausgase frei, die zuvor in 10 000
     barn das verstanden hätten. «Es waren raubeinige Rancher. Ich                                                                                                                                                Jahren gebunden wurden. ­Intakte
                                                                                                                                                                                                                   Moore entziehen der Atmosphäre
     galt als Spinner.» Doch der E     ­ rfolg, den Thuronyi mit seiner                                                                                                                                             weltweit jedes Jahr bis zu 500 Millio-
                                                                                                                                                                                                                     nen Tonnen CO2. Umgekehrt entwei-
     Öko-Lodge hatte, schuf Nach­ahmer*innen. 18 Öko-Lodges stehen                                                                                                                                                    chen riesige Mengen des gespei-
                                                                                                                                                                                                                       cherten Kohlenstoffs, wenn Moore
     heute entlang der Transpantaneira auf alten Fazendas, und es gibt                                                                                                                                                  zur Nutzung entwässert werden.

     mehrere auf Jaguar-­Sichtungen spezialisierte Tourunternehmen.
                Später reiten wir mit Thuronyi über sein Land, auf dem es                                    3%                                                                                                                    1
     viel Wald, kleine Teiche und Wiesen gibt. Auf dem Grasland grasen
                                                                                                                                                                                                                            Aufstand
                                                                                                             Moore bedecken 3 Prozent der
     Rinder, Pantanal-Pferde und Büffel. «Die Büffel halten die Jaguare                                      Erdoberfläche, speichern aber
                                                                                                             rund ein Viertel des im Boden ein-
     von den Kälbern fern», sagt Thuronyi. «Die Natur hat für alles eine                                     gelagerten Kohlenstoffs. Das ist so
                                                                                                             viel, wie in der gesamten Vegetation                                                                            In der Schweiz ist der Torf-
     Lösung.» Als es Abend wird, steigen wir auf einen 25 Meter hohen                                        weltweit vorhanden ist. Der Klima-                                                                              abbau verboten. Das hängt
                                                                                                             und Land­w irtschaftsexperte Jens                                                                                 mit einem beispiellosen
     Aussichtsturm, den Thuronyi bauen liess. Wir schauen kilometer-                                         Leifeld von Agroscope kommt in einer                                                                              Aufstand in den 1970ern
                                                                                                             aktuellen Studie zum Schluss: «Wenn
     weit übers Pantanal und sehen dunkle Wolken am Horizont. An                                             die Torfgebiete weiterhin für Landnut-
                                                                                                                                                                                                                                zusammen: Die Armee
                                                                                                                                                                                                                                 hatte vor, einen Waffen-
                                                                                                             zung zerstört werden, können diese
     ­einigen Orten zieht Regen übers Land. «Ich freue mich sehr», sagt                                      Treibhausgase bis Ende dieses Jahrhun-
                                                                                                                                                                                                                                 platz ins Hochmoor von
                                                                                                                                                                                                                                   Ro­thenthurm SZ zu
                                                                                                             derts bis zu 40 Prozent des globalen
      André Thuronyi. «Aber ich fürchte, er kommt zu spät.»                                                  CO2-Budgets ausmachen, das uns bleibt,
                                                                                                                                                                                                                                    setzen, und das stank
                                                                                                                                                                                                                                     der dor tigen Be­
                                                                                                             wollen wir die Klimaerwärmung unter +2 °C                                                                                völkerung gewaltig.
                                                                                                             halten.»                                                                                                                  Im Dezember 1987
                                                                                                                                                                                                                                        s t i m m te n Vo l k
                                        Philipp Lichterbeck, 49, lebt seit 2012 in Rio de Janeiro.                                                                                                                                      und Stände für
                                        Der freie Korrespondent und Reporter berichtet für                                                                                                                                              die Rothenthurm-­
                                        deutsche, schweizerische und österreichische Medien                                                                                                                                          Initiative, die alle
                                        über Brasilien und den Rest Lateinamerikas. 2013                                                                                                                                         Moore und Moorland-
                                        erschien sein Buch «Das verlorene Paradies. Eine Reise                                                                                                                              schaften von nationaler Be-
                                        durch Haiti und die Dominikanische Republik».                                                                                                                                  deutung unter Schutz stellt.

                                        Evgeny Makarov, 1984 in St. Petersburg geboren,
                                        kam mit seiner Familie 1992 nach Deutschland. Dort
                                        studierte er Politikwissenschaft an der Universität
                                        Hamburg und entdeckte die Fotografie als Medium,
                                        «soziale Realität direkter zu erfassen als mit einem
                                        akademischen Zugang».
                                                                                                     Quellen: Bundesamt für Umwelt (Bafu); Leifeld et al. (2019): «Intact and managed peatland soils as a
                                        Stephen Smith realisiert seit 2000 unter dem Namen           source and sink of GHGs from 1850 to 2100»; Bar-On et al. (2018): «The biomass distribution on Earth»
                                        Neasden Control Centre Grafikarbeiten und hand­              (pnas.org); «Absichtserklärung zur Reduktion des Torfeinsatzes in der Schweiz» (2019); Bericht des                         Text: Marco Morgenthaler
28                                      gemalte Illustrationen u. a. für Google und Uniqlo.          Bundesrates («Torfausstiegskonzept»); Historisches Lexikon der Schweiz                                                        Bild: Anja Wille-Schori
In 3 Schritten zum                                                                                                                           Gesund oder krank?
Do it yourself                                                                                                                            Debatte

                                 eigenen Feuchtgebiet
                                                                                                                                             Die Landwirtschaftspolitik des Bundes
         Ein selbst kreiertes Sumpfbeet im Garten oder auf dem Balkon
      bereitet nicht nur dem eigenen Auge Freude. Auch Schmetterlinge und                                                                   entscheidet über unsere Gesundheit: Wir
                      Bienen finden darin eine wahre Oase vor.                                                                            sind, was wir essen. Torpediert die Sistierung

           3                                                                                                                                 der Agrarpolitik ab 2022 den Wandel zu
                                                                                                                                          gesünderen Nahrungsmitteln? Oder rettet sie
                                                                                                                                            die Existenz der Bäuerinnen und Bauern?
    Pflanzen
     setzen                                                                                                                                                                                  Autor: Christian Schmidt

Jetzt gehts ans Pflanzen.

                                                                                2
Wasserdost und Blutweide-
rich eignen sich besonders
gut fürs Sumpfbeet. Sie üben
eine magische Anziehungs-
kraft auf Bienen und Schmet-

                                                                      Boden
terlinge aus und sind ihnen
eine feine Nahrungsquelle.

                                                                     anlegen
Sobald die ausgewählten
Pflanzen 30 cm in der Erde
sitzen, bleibt Ihnen nur noch
eines: zusehen, wie alles                                  Ein Sumpfbeet-Boden braucht
prächtig gedeiht.                                          zum Glück nur drei Zutaten:
                                                           Kies, wenig Sand und Erde aus
                                                           dem eigenen Garten oder dem
                                                           Handel – ohne Torf, obviously.
                                                           Zuerst füllen Sie ­Ihren Behälter

           1
                                                           mit 10 cm Kies, dann schütten
                                                           Sie das Gemisch aus Sand und                                                   Anne Challandes, Rechtsanwältin, Biobäuerin und                               Urs Brändli, Biobauer und Präsident von Bio Suisse
                                                                                                                                          Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und
                                                           Erde darüber. Zu guter Letzt                                                   Landfrauenverbandes
                                                           giessen Sie so viel Wasser in                                                                                                                                Ständerat und Nationalrat haben die
                                                           den Behälter, bis es circa 3 cm                                                Was sagen Sie dazu, dass das Parlament                                        AP22+ abgeschossen. Sind Sie wütend?

  Gefäss                                                   über dem Sumpfboden steht.                                                     die Agrarpolitik ab 2022 blockiert hat,                                       Frustriert? Traurig?
                                                                                                                                          und zwar voraussichtlich für Jahre?                                           Enttäuscht. Als sich im Parlament eine

 auswählen                                                                                                                                In der AP22+ gibt es zwar positive Punkte,                                    Diskussion über die Agrarpolitik abzu-
                                                                                                                                          einige kann ich jedoch nicht akzeptieren.           In der AP22+              zeichnen begann, haben Bauernverband
                                                                                                                                          Im Paket fehlen Zukunftsperspektiven für          fehlen Zukunfts-            und Economiesuisse gemeinsame Sache
Auf die Behälter, fertig, los!                                                                                                            uns Bauernfamilien, es würde unser Net-                                       gemacht. Der Deal: Der Bauernverband
Für das eigene Sumpfbeet                                                                                                                  toeinkommen verringern und die Versor-            perspektiven für            unterstützt die Economiesuisse dabei, die
kommen allerlei Gefässe in-                                               Pfle                                                            gung mit einheimischen Nahrungsmitteln             Bauernfamilien.            Konzernverantwortungsinitiative zu be-
                                                                    Sum Da mi geti
frage. Haben Sie noch eine                                                        pp
                                                                           pf b t e s d
                                                                                ee           e
                                                                                                                                          verschlechtern. Der Schweizerische Bäu-               Anne Challandes
                                                                                                                                                                                                                        kämpfen, ebenso wie das Referendum
alte Badewanne im Keller?                                      A m d i e Fe t s t e t s m e i g                                           erinnen- und Landfrauenverband hatte                                          ­gegen das Freihandelsabkommen mit
                                                                                u                     e
                                                              e i n e b e s te n c h t i g k g u t g n e n
Perfekt. Steht ein leeres                                            n
                                                              Reg Wass bauen it stim t, mu
                                                                                            e        eh                                   ­j­edoch nicht die Absicht, die AP22+ zu blo-                                  ­Indonesien. Die Economiesuisse hilft im
Weinfass auf dem Dachbo-                                  zu v e n e i e r a b S i e i m m e n . s s                                       ckieren.                                                                       Gegenzug, die Agrarpolitik zu versenken.
                                                                  e          n          la
                                                         da r r hind e Übe uf e in B ehä l
den? Auch gut. Solls etwas                             L e i c f d a s e r n . A r s c hw , u m n t e r                                                                                                                   Das hat funktioniert.
                                                              h         S  u         u c        em      ac
kleiner sein, tut es auch die                           w ü n te S c h m p f b e h A u s t m u n g h                                      Lässt sich Ihre Position also so zusam-
                                                                                                             Illustration: © Raffinerie

                                                                s c h wa n             et k      roc
                                                           i n n e n sw k u n g e i n e s k n e n
Metallwanne aus dem Bau-                                          atü          er        en         fa                                    menfassen: Was nützen Bioprodukte,                                            Was heisst das nun für die Umwelt?
                                                              bie r lic he t , s ie k s ind a lls .
markt. Oder der ganz norma-                                        te n         n Fe        o m      ber
                                                                        ebe                     m
                                                                               n f a u c h tg e n
le Blumenkasten fürs Balkon-                                                        lls v      e-
                                                                                          or.
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geländer.                                                                                                                                                                                                                                                                    31
rüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Was bleibt,
wenn es den Landwirt*innen immer                                   Für uns Biobauern und -bäuerinnen hat                Aufgedeckt
schlechter geht?                                                   das keine Auswirkungen, weil wir sowie-
Nein, das kann man einander so nicht
­gegenüberstellen. Entscheidend für die
                                                                   so im Einklang mit der Natur produzieren.
                                                                   Aber die Absicht, die Direktzahlungen                     POLI­-                                                                                                                                                                                                           wenn ich gehe?
 Situation der Landwirtschaft sind ins­
 besondere die zu tiefen Preise unserer
                                               Wir schaffen
                                                                   stärker an ökologische Leistungen zu
                                                                   binden, wird nun auf die lange Bank ge-                  TISCHES                                                                                                                                                                                                                     Autorin: Rosanna Clarelli

                                                                                                                             MACHT-
 Produkte – bei Verteilern genauso wie auf                         schoben.
 Märkten. Zudem wird die Landwirtschaft       den Turnaround
 immer mehr von Politik und Gesellschaft                           Wie beim Klimawandel gelingt es auch
                                              nur gemeinsam.

                                                                                                                              SPIEL
 geprägt. Um das zu ändern, müssen wir                             beim Thema Landwirtschaft nicht, Nä-
 ­einerseits den Wert von Lebensmitteln            Urs Brändli     gel mit Köpfen zu machen. Weshalb?
  wiederherstellen und andererseits die                            Weil sowohl das eine als auch das andere
  Wertschöpfung gleichmässiger verteilen.                          gesamtgesellschaftliche Probleme sind.
  Ich weigere mich aber, Bioprodukte gegen                         Wir schaffen den Turnaround nur gemein-
  andere auszuspielen.                                             sam.                                                 Australien will einen Flughafen
                                                                                                                        in die Antarktis setzen. Laut
Sie sind selbst Biobäuerin. Wie können                             Die Gegenseite klagt, die AP22+ hätte                der Regierung soll dieser Wissen-
Sie Produktionsformen gutheissen, bei                              das Einkommen der Bäuerinnen und
denen die Umwelt weiter vergiftet wird?                            Bauern verringert. Das provoziert natür-             schafts- und Notfallteams ganz-
Zu behaupten, die Landwirtschaft vergif-                           lich Widerstand.                                     jährig Zugang zur Davis-For-
te die Umwelt, geht zu weit. Wie alle Bau-                         Das beruht auf einem riesigen Fehler. Der            schungsstation gestatten. Aktuell                                                                                                                                                                                  Diese Frage stellen wir uns alle sicher mehr-
ernfamilien sind auch mein Mann und ich                            Bundesrat behauptete, das Massnahmen­                                                                                                                                                                                                                                   mals im Leben. Vielen Menschen ist es wichtig,
sensibilisiert auf die Themen Umwelt-                              paket führe zu einem Rückgang des Sek-               ist das nur zwischen September                                                                                                                                                                                     der Welt etwas zu hinterlassen, das ihnen am
schutz und Klimawandel – weil wir im Ein-                          tor-Einkommens – und stützte sich dabei              und März möglich. Die neue                                                                                                                                                                                         Herzen liegt und ihre Ideale weiterträgt. Bei-
klang mit der Natur arbeiten. Die Landwirt-                        auf eine unvollständige Berechnung. Tat-             Landebahn wäre 2,7 Kilometer                                                                                                                                                                                       spielsweise eine Immobilie – ein Zuhause, das
schaft hat bereits Fortschritte gemacht,                           sächlich wäre das Einkommen pro Betrieb                                                                                                                                                                                                                                 man über Jahre hinweg gehegt und gepflegt
und sie ist bereit, weitere zu machen.                             dank AP22+ um 18 Prozent gestiegen!                  lang und 40 Meter breit. Allein                                                                                                                                                                                    hat. Immer wieder kommen Menschen auf
                                                                                                                        ihr Bau erfordert gemäss «The                                                                                                                                                                                      Greenpeace zu, die uns in ihrem Testament ein
Wer die AP22+ ablehnt, schliesst sich der                          Dass die AP22+ auf Eis liegt, hängt nicht            Guardian» rund 100 Transport-                                                                                                                                                                                      Grundstück vermachen möchten, seien dies
mächtigen Agrarlobby an. Stört Sie das                             zuletzt mit der ausgezeichneten Vernet-                                                                                                                                                                                                                                 Wohnungen oder Häuser. Um die über viele
nicht?                                                             zung der Agrarlobby in Bern zusammen.                fahrten mit einem Eisbrecher.                                                                                                                                                                                      Jahre aufrechterhaltene Unabhängigkeit der
Ich schaue nicht darauf, mit wem ich über-                         Ja, dem ist so. Trotz des Grün-Rutschs bei           Eine wahre Katastrophe für die in                                                                                                                                                                                  Organisation weiterhin zu bewahren, kann
einstimme, sondern für wen und wofür ich                           den letzten Wahlen ist es noch immer                 der Umgebung lebenden Tiere.                                                                                                                                                                                       Greenpeace aber keine Immobilien oder
stimme! Die Bundesverfassung definiert                             schwierig, Mehrheiten für ökologische An-                                                                                                                                                                                                                               Grundstücke als Erbin oder Beschenkte an-
die Ziele der Landwirtschaft, sie hat eine                         liegen zu gewinnen. Ändern kann das nur              Mal davon abgesehen, dass der                                                                                                                                                                                      nehmen, die nicht veräussert werden dürfen.
nachhaltige Versorgung der Bevölkerung                             das Volk, etwa bei den nächsten Wahlen.              Bau deren Lebensraum komplett                                                                                                                                                                                      Es ist uns jedoch wichtig, interessierten Green-
zu gewährleisten. Ohne Essen können wir                                                                                 zerstören würde, dürfte auch der                                                                                                                                                                                   peace-Unterstützer*innen eine Lösung zu
nicht leben, und alle Akteure der Kette –                          Wie geht es weiter mit der Schweizer                                                                                                                                                                                                                                    ­bieten. Deshalb kooperieren wir mit dem Ver-
vom Feld bis zum Teller – müssen einbezo-     Die Landwirt-        Landwirtschaftspolitik?                              Betrieb regelmässig Brutkolonien                                                                                                                                                                                    band Casafair und der Stiftung Edith Maryon.
gen werden.                                     schaft ist         Der Bundesrat wird ein überarbeitetes                von Robben, Vögeln und Pingui-                                                                                                                                                                                      Ihre Hinterlassenschaft in guten Händen zu
                                                                   Massnahmenpaket präsentieren, das                    nen stören. Hinzu kommt die                                                                                                                                                                                         wissen, ist uns ein genauso wichtiges Anliegen
Wie geht es nun weiter?                       bereit, weitere      dann wiederum in die Beratung geht. Viel-                                                                                                                                                                                                                                wie Ihnen selbst.
Ich rufe dazu auf: Entdecken wir unsere       Fortschritte zu      leicht können wir im Jahr 2026 mit einer             Umweltverschmutzung durch die                                                                                                                                                                                             Mehr Infos finden Sie auch unter
Landwirtschaft und die Menschen dahin-          machen.            neuen Agrarpolitik rechnen.                          Flugzeuge. Viele Umweltex-                                                                                                                                                                                          greenpeace.ch/immobilie.
ter, hören wir ihnen ohne vorgefasste Mei-                                                                              pert*innen stehen dem Flughafen
                                                 Anne Challandes
nungen zu. Anerkennen wir die gemach-                              Haben Sie den Eindruck, die Schweizer
ten Fortschritte und den Willen, weitere                           Landwirtschaft entwickelt sich in eine               deshalb kritisch gegenüber. Sie
folgen zu lassen. Honorieren wir also das                          gute Richtung? Oder ist es wie mit dem               betrachten ihn vor allem als Vor-
Engagement der Bäuerinnen und Bauern                               Klimawandel, wo wir mit offenen Au-                  wand Australiens, die territorialen
mit unseren Kaufentscheiden!                                       gen in ein Unglück zu rennen scheinen?
                                                                   Ich bin von Natur aus Optimist. Es lohnt             Ansprüche auf dem Südkontinent
                                                                   sich immer, für eine gute Zukunft zu kämp-           gegenüber China, Russland und

                                                                                                                                                                                                                                                                                               Bild: © Anne Gabriel-Jürgens / Greenpeace
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Für eine ökologische Zukunft kann man
                                                                   fen. Nicht nur in der Politik!                       Co. zu stärken – obschon das                                                                                                                                                                                         sich ein Leben lang einsetzen. Oder auch
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             länger, indem Sie Greenpeace Schweiz
                                                                                                                        Gebiet gemäss Antarktisvertrag
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             in Ihrem Testament berücksichtigen.
                                                                         Illustrationen: Jörn Kaspuhl, kaspuhl.com
                                                                                                                        von 1959 als staatsfrei gilt. Ob der                                                                                                                                                                                 Bestellung des kostenlosen Testament-­
                                                                         Autor: Christian Schmidt, Journalist, Texter   Flughafen errichtet wird, ent­                                                                                                                                                                                       Ratgebers: 044 447 41 79,
                                                                         für Non-Profit-Organisationen und Buchautor.                                                                                                                                                                                                                        claudia.steiger@greenpeace.org,
                                                                         Freischaffend aus Überzeugung. Diverse         scheidet sich Ende 2022. Bleibt zu
                                                                         Auszeichnungen, u. a. Zürcher Journalisten-                                                                                                                                                                                                                         greenpeace.ch/legate
32                                                                       preis.                                         hoffen, dass die Vernunft siegt.
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