Sitzung (Sondersitzung) - am Montag, dem 8. März 2021 - Bremische ...

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BREMISCHE BÜRGERSCHAFT                                                                                  Plenarprotokoll
Landtag                                                                                                      23. Sitzung
20. Wahlperiode                                                                                              08.03.2021

                                                         23. Sitzung
                                                       (Sondersitzung)
                                                     am Montag, dem 8. März 2021

                                                                   Inhalt

Regierungserklärung des Senats zum                                      Abgeordneter Thomas Jürgewitz (AfD) ..........2982
Thema: „Bekämpfung des Coronavirus,
der SARS-CoV-2-Pandemie“                                                Beteiligung der Bremischen Bürgerschaft
Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte....... 2958                      beim Erlass von Coronaverordnungen –
                                                                        Zweite Verordnung zur Änderung der 24.
Abgeordneter Thomas Röwekamp (CDU) ...... 2963
                                                                        Coronaverordnung
Abgeordneter Mustafa Güngör (SPD) ............. 2966                    Mitteilung des Verfassungs- und
Abgeordneter Björn Fecker (Bündnis                                      Geschäftsordnungsausschusses
90/Die Grünen) ................................................. 2971   vom 5. März 2021
Abgeordneter Nelson Janßen (DIE LINKE) .... 2973                        (Drucksache 20/858)
Abgeordnete Lencke Wischhusen (FDP) ........ 2977                       Abgeordneter Thomas Jürgewitz (AfD) ..........2983
Abgeordneter Jan Timke (BIW)....................... 2979
Abgeordneter Peter Beck (LKR) ...................... 2980

        Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Sina Dertwinkel, Jens Eckhoff, Carsten Meyer-Heder,
                           Ute Reimers-Bruns, Klaus-Rainer Rupp, Maja Tegeler.
2958                             Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 23. Sitzung am 08.03.2021

Präsident Frank Imhoff eröffnet die Sitzung um           Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, meine
14:00 Uhr.                                               Damen und Herren, möchte ich noch jemandem
                                                         gratulieren, und zwar: Ein Abgeordneter unter uns
Präsident Frank Imhoff: Einen wunderschönen gu-          hat Geburtstag, Heiko Strohmann. Herzlichen
ten Tag, meine Damen und Herren, heute zur Son-          Glückwunsch zum Geburtstag!
dersitzung des Parlaments am Weltfrauentag! Ge-
rade heute möchte ich Ihnen sagen, dass ich mir          (Beifall)
noch viel mehr Frauenpower in deutschen Parla-
menten und auch hier in der Bremischen Bürger-           Wir treten in die Tagesordnung ein.
schaft vorstellen kann und auch wünsche.
                                                         Regierungserklärung des Senats zum Thema:
(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE            „Bekämpfung des Coronavirus, der SARS-CoV-2-
LINKE, FDP)                                              Pandemie“

Meine Damen und Herren, die 23. Sitzung der Bür-         Der Senat hat mit Schreiben vom 4. März 2021 ge-
gerschaft (Landtag) ist hiermit eröffnet.                mäß § 50 Absatz 4 unserer Geschäftsordnung die
                                                         Absicht mitgeteilt, eine Regierungserklärung abzu-
Ich begrüße natürlich auch die Damen und Herren          geben.
sowie die Zuhörer und Vertreter der Medien.
                                                         Die Beratung ist eröffnet.
Zur Abwicklung der Tagesordnung wurden inter-
fraktionelle Absprachen getroffen, die Sie der digi-     Als erster Redner erhält das Wort Herr Bürgermeis-
tal versandten Tagesordnung entnehmen können.            ter Dr. Andreas Bovenschulte.

Dieser Tagesordnung können Sie auch den Ein-             Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte: Sehr ge-
gang gemäß § 37 der Geschäftsordnung entneh-             ehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren
men, bei dem interfraktionell vereinbart wurde, ihn      Abgeordnete!
nachträglich auf die Tagesordnung zu setzen. Es
handelt sich insoweit um den Tagesordnungspunkt          Zunächst möchte ich auch persönlich Ihnen, lieber
2.                                                       Herr Strohmann, meine herzlichen Glückwünsche
                                                         zum Geburtstag aussprechen und ich möchte, viel-
Zum Tagesordnungspunkt 2 ist vereinbart worden,          leicht im historischen Kontext noch etwas wichti-
dass er ohne Debatte behandelt und dieser Debat-         ger, allen Frauen hier im Saal, allen Bremerinnen
tenpunkt in die Debatte über die Erklärung des Se-       und Bremerhavenerinnen, ganz herzliche Glück-
nats einfließen wird.                                    wünsche zum Internationalen Frauentag ausspre-
                                                         chen! Meine Damen und Herren, gerade heute,
Wird das Wort zu den interfraktionellen Abspra-          nicht nur heute, aber gerade heute ist es noch ein-
chen gewünscht? – Das ist nicht der Fall.                mal deutlich zu machen und deutlich zu werden,
                                                         dass wir die Aufgabe haben, mit allem Nachdruck
Wer mit den interfraktionellen Absprachen einver-        gemeinsam für die Gleichberechtigung der Ge-
standen ist, den bitte ich um das Handzeichen.           schlechter einzutreten. Es ist notwendig, deutlich
                                                         zu machen, dass wir persönlich und politisch alles
(Dafür CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE              tun, dieses Ziel zu erreichen. Gerade in Zeiten der
LINKE, FDP, M.R.F., Abgeordneter Jan Timke               Pandemie, die mit ihren wirtschaftlichen und sozi-
[BIW])                                                   alen Folgen, die insbesondere auch Frauen treffen,
                                                         deutlich gemacht hat, dass hier noch viel zu tun ist.
Ich bitte um die Gegenprobe.                             Am heutigen 8. März also das klare Bekenntnis
                                                         dazu, in Zeiten der Pandemie und in anderen Zei-
Stimmenthaltungen?                                       ten sich klar und deutlich für Geschlechtergerech-
                                                         tigkeit in unserer Gesellschaft einzusetzen.
(Abgeordneter Peter Beck [LKR])
                                                         (Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE
Bei einer Enthaltung stelle ich fest, die Bürger-        LINKE, FDP)
schaft (Landtag) ist mit den interfraktionellen Ab-
sprachen einverstanden.                                  Meine Damen und Herren, damit bin ich bei dem
                                                         eigentlichen Thema, der Regierungserklärung.
Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 23. Sitzung am 08.03.2021                           2959

Erst vor gut einer Woche habe ich im Vorfeld der          mit dem, auf das wir uns am vergangenen Mitt-
Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Minis-           woch verständigt haben.
terpräsidenten, MPK, mit der Kanzlerin eine Regie-
rungserklärung zur Pandemiebekämpfung hier im             Dabei ist mir vollkommen bewusst, dass die Bewer-
Parlament abgegeben. Wir haben unter anderem              tung der Beschlüsse in Deutschland und auch in
über Schutzstrategien in Kitas und Schulen disku-         Bremen, hier vor Ort, ganz unterschiedlich ausfällt:
tiert, über das Impfen, über die wachsende Bedeu-         Die einen finden alles zu schnell mit den Öffnun-
tung des Testens und über Voraussetzungen und             gen und Lockerungen, die anderen viel zu langsam
Bedingungen für vorsichtige Öffnungsschritte. Wir         und wieder andere sehen vor allem die vielen offe-
waren uns dabei immer der Fragilität unserer Über-        nen Fragen, beklagen die Unübersichtlichkeit und
legungen bewusst. Denn eines haben wir in den             Überkomplexität der gefundenen Regelungen. Ich
letzten Monaten vielfach und schmerzhaft erfahren         stehe deshalb hier ganz bestimmt nicht in der Er-
müssen: Die Pandemie bleibt unberechenbar, sie            wartung, dass wir für unsere Entscheidungen hoch-
lässt sich nicht planen, sie lässt nicht mit sich ver-    gelobt werden und viel Zuspruch, geschweige
handeln.                                                  denn euphorische Zustimmung erhalten. Aber ich
                                                          nehme für mich und meine Kolleginnen und Kolle-
Heute nun ist es unsere Aufgabe, im Nachgang die          gen in Anspruch, dass wir intensiv darum gerungen
Ergebnisse der Bund-Länder-Konferenz und ihre             haben, alle Aspekte, alle gegenläufigen Aspekte
Konsequenzen für das Land Bremen und seine bei-           gegeneinander abzuwägen und dass wir uns die
den Stadtgemeinden zu diskutieren und zu bewer-           Sache und die Entscheidung ganz sicher nicht
ten.                                                      leichtgemacht haben.

Meine Damen und Herren, die Konferenz stand,              Meine Damen und Herren, konkret hat sich die
strenggenommen, vor einer „Mission Impossible“:           Bund-Länder-Konferenz auf das Ihnen bekannte
Sie musste einerseits einen Weg aufzeigen, bei            fünfstufige Konzept geeinigt, das in den Stufen drei
dem der notwendige Infektionsschutz, der notwen-          bis fünf auch noch je zwei Szenarien kennt, die von
dige Gesundheitsschutz der Bevölkerung auch               der Inzidenz abhängig sind. Grob gesagt sieht der
weiterhin gewährleistet bleibt, gerade auch vor           Stufenplan zwei Wege der Lockerung vor: einen
dem Hintergrund der spezifischen Gefahren, die            schnellen Weg mit größeren Schritten und einen
von den neuen Varianten und Mutationen des Vi-            langsameren Weg mit kleineren Schritten, wenn
rus ausgehen. Denn die erreichten Erfolge bei der         die Inzidenz zwischen 50 und 100 liegt. Wie gesagt,
Eindämmung und bei der Bekämpfung der Pande-              der schnellere Schritt und der schnellere Weg,
mie dürfen auf keinen Fall verspielt werden.              wenn die Inzidenz unter 50 liegt.

Andererseits war es notwendig, konkrete Öffnun-           Das ist die Grundanlage des Konzeptes und auf je-
gen und Lockerungen zu beschließen und klare              dem dieser beiden Wege soll es dann verschiedene
Perspektiven für die Zukunft aufzuzeigen. Denn            Öffnungsschritte hintereinander geben und der je-
die Menschen sind zunehmend mürbe und vielen              weils nächste Öffnungsschritt kann erst dann ge-
droht nach dem langen Lockdown, die Luft auszu-           gangen werden, wenn sich beim vorhergehenden
gehen. Dabei geht es beileibe nicht nur darum,            Öffnungsschritt gezeigt hat, dass die Infektionszah-
dass sie keine Lust mehr haben auf Verzicht, keine        len nicht grundsätzlich und wesentlich ansteigen.
Lust mehr darauf haben, vorsichtig zu sein, sondern       Das ist die Logik, die im Kern, denke ich, einfache
bei ganz vielen geht es schlicht um Fragen der so-        und nachvollziehbare Logik hinter allem, in der
zialen und der wirtschaftlichen Existenz.                 konkreten Ausgestaltung.

Aus diesem Grund war es neben dem Gebot des               Zugegebenermaßen ist es ein komplexes Modell,
Infektionsschutzes auch so erforderlich, ein Signal       das die Bund-Länder-Konferenz da beschlossen
der Öffnung und damit ein Signal der Hoffnung             hat. Dabei muss man ehrlicherweise sagen, dass
auszusenden. Meine Damen und Herren, Sie mer-             beide Wege, ob der schnellere bei unter 50 und der
ken und Sie wissen, das sind gegenläufige Anfor-          langsamere zwischen 50 und 100 Inzidenz, nicht
derungen, deshalb ja auch „Mission Impossible“            zwingend nur nach vorn, nur in eine Richtung füh-
oder nahezu „Mission Impossible“. Wenn ich diese          ren. Natürlich hoffen wir alle auf ein stetiges Vo-
Ausgangslage bewerte, diese gegenläufigen An-             ranschreiten bei den Öffnungen und Lockerungen.
forderungen und Erwartungen, dann bin ich, das            Aber es kann auch sein, und niemand kann das
sage ich ganz offen, unter dem Strich mit allen Ein-      ausschließen, dass das Infektionsgeschehen uns
schränkungen und Vorbehalten nicht unzufrieden            zwingt, wieder Schritte zurückzugehen. Auch das
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gehört zur Logik von Stufenplänen. Dass sie nicht         Zweitens sind die Lockerungen bei den körperna-
nur in die eine Richtung wirken, sondern dass sie         hen Dienstleistungen zu nennen, die über die Wie-
bei einer Verschlechterung der Infektionslage auch        deraufnahme des Friseurbetriebs hinausgehen, der
in die andere Richtung wirken können.                     Einstieg in die Öffnung beim Sport, insbesondere
                                                          für Kinder, erste kontrollierte Öffnungen in Gale-
Und, auch das gehört zur Wahrheit dazu: Allen Pla-        rien und Museen und vor allem behutsame Locke-
nungen zum Trotz werden wir in Bremen unsere              rungen bei den Kontaktbeschränkungen. Das war
Entscheidung nicht völlig autonom treffen können.         ja ein Punkt, den haben wir ja beim letzten Mal in-
In bestimmten Bereichen, insbesondere im Bereich          tensiv diskutiert und das war der Wunsch aller
des Einzelhandels, sind wir auf eine enge Abstim-         Fraktionen, bei Unterschieden im Detail, dass sich
mung mit dem Land Niedersachsen und mit unse-             da etwas tun sollte, weil die bisher geltende Rege-
ren Nachbargemeinden angewiesen, um kontra-               lung „ein Haushalt und eine zusätzliche Person“
produktiven grenzüberschreitenden Einkaufstou-            durch die Bank als wenig praktisch und lebensnah
rismus zu verhindern. Wie das im Einzelnen dann           empfunden wurde.
genau aussieht, bei welchen Inzidenzkonstellatio-
nen, das bleibt abzuwarten, aber es ist dringend er-      Wenn sich jetzt wieder fünf Personen aus zwei
forderlich, sich deutlich zu machen: Ohne abge-           Haushalten treffen können, dann ist das ganz si-
stimmtes Vorgehen – vielleicht nicht im Bereich des       cher keine übertrieben große Lockerung und
Kindersports, da kann man eigenständig vor Ort            manch einer hätte sich sicherlich noch mehr ge-
entscheiden –, insbesondere im Bereich des Einzel-        wünscht, aber im praktischen Leben macht es doch
handels, kann und wird die Sache nicht funktionie-        einiges leichter: Künftig nämlich können beispiels-
ren.                                                      weise Familien wieder ihre Großeltern einladen o-
                                                          der besuchen und zwei befreundete Paare dürfen
Meine Damen und Herren, leider erlaubt es das In-         sich wieder treffen, ohne dass sie vorher die Münze
fektionsgeschehen im Land Bremen wie in der gro-          werfen müssen, um zu entscheiden, wer von den
ßen Mehrheit der anderen Bundesländer auch der-           vieren heute Abend zu Hause bleiben muss.
zeit nicht, den schnellen Weg der Lockerung zu be-
schreiten. Die Inzidenz liegt weder im Land noch in       Einige der genannten Öffnungen und Lockerungen
einer der Stadtgemeinden stabil unter 50 und es ist       sind derzeit noch auf die Stadt Bremen beschränkt,
ehrlicherweise auch nicht abzusehen, dass dieser          weil die Inzidenz in Bremerhaven über dem Wert
Zustand in den nächsten Tagen erreicht werden             von 100 liegt. Aber wenn ich mir die Entwicklung
wird. Eine stabile Lage unter 50 – nicht, dass man        der letzten Tage anschaue, dann bin ich optimis-
einmal an einem Tag darunterliegt, sondern dass es        tisch, dass sich das demnächst ändern wird. Dar-
stabil unter 50 liegt –, lässt sich im Moment von nie-    über bin ich sehr erleichtert und das freut mich für
mandem prognostizieren. Die Entwicklung der               die Seestadt, denn glauben Sie mir, ich weiß aus
Zahlen war in den letzten Tagen auch durchaus             eigener Erfahrung nur zu gut, wie hohe und sehr
eineindeutig.                                             hohe Infektionszahlen an den Nerven aller Betei-
                                                          ligten zerren. Das ist keine Situation, in der man
Gleichwohl – das möchte ich an dieser Stelle her-         sich gern befindet.
vorheben – sind schon jetzt wichtige Öffnungen
und Lockerungen möglich, nämlich weil sie inzi-           Meine Damen und Herren, um bei allen Öffnungs-
denzunabhängig sind oder weil sie an eine Inzi-           schritten die Risiken von neuen Infektionsketten so
denz zwischen 50 und 100 geknüpft sind, die an et-        gering wie möglich zu halten, sind wir mit den An-
lichen Punkten dem entsprechen, was wir das               bietern zweier Apps im Gespräch, die die Kontakt-
letzte Mal hier in der Bürgerschaft diskutiert ha-        nachverfolgung im Falle einer Infektion deutlich
ben. Zu nennen sind insbesondere: Erste Öffnungs-         erleichtern würden. Dazu gehört die App „Luca“,
schritte im Handel durch die Einbeziehung der             ein bundesweites Angebot, das eher für größere
Buchläden, Blumenläden und Gartenmärkte in den            Veranstaltungen konzipiert worden ist, dazu ge-
Kreis der Geschäfte des täglichen Bedarfs und vor         hört aber auch die App „Gast Bremen“ – eine Ent-
allem durch die Ermöglichung des sogenannten              wicklung im Auftrag der Bremer Gastro Gemein-
Termin-Shoppings. Das ist sicherlich nicht für alle       schaft e. V., die sich eher für kleine und mittelgroße
Händler der große Wurf, aber für viele doch ein ers-      Restaurants und Kneipen eignet.
ter Schritt in die richtige Richtung.
                                                          Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, obwohl
                                                          ich es schon bei der letzten Regierungserklärung
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getan habe, noch ein paar Worte zum Impfen sa-            der Impfstoff in den versprochenen Mengen auch
gen, dem Hoffnungssignal in der Pandemie                  geliefert wird.
schlechthin, und wir haben ja auch auf der Bund-
Länder-Konferenz einige Zeit mit der Diskussion           Meine Damen und Herren, in manchen Medien ist
über dieses Thema verbracht. Viele hat es viel-           deshalb, wegen dieser Zahl, von Deutschlands
leicht überrascht, aber in Bremen funktioniert das        größtem Impfzentrum die Rede. Ich habe das, ehr-
nach wie vor relativ sehr gut. Relativ sage ich, weil     lich gesagt, nicht nachgeprüft, es ist auch nicht so
im Vergleich zu dem, was in Israel erreicht wurde,        wichtig; entscheidend ist, dass in Bremen und Bre-
insgesamt die Situation in Deutschland ja noch ein        merhaven die Menschen, so schnell es geht, vor
gewisses Nachholbedürfnis aufweist. Trotzdem              dem Virus geschützt werden. Ganz konkret mer-
muss man sagen: Unser Bundesland liegt nicht nur          ken das schon jetzt viele Erzieherinnen und Erzie-
im Vergleich aller Länder seit Tagen an der Spitze,       her, Lehrerinnen und Lehrer. In der Stadt Bremen
hat also im Verhältnis zur Einwohnerzahl insge-           sind mehr als 3 000 Erzieherinnen und Erzieher ge-
samt die meisten Impfungen vorgenommen, unsere            impft, weitere 2 000 haben einen sicheren Termin
Impfzentren sind auch – und das ist für die Akzep-        vereinbart. Von den Lehrkräften haben etwa 3 000
tanz und die Impfgeschwindigkeit nicht zu unter-          einen Termin und die ersten auch schon eine Imp-
schätzen – bislang weder durch Pannen beim Imp-           fung. In Bremerhaven, das sei ergänzt, geht es auch
fen noch bei der Terminvergabe aufgefallen. Wäh-          in dieser Woche los.
rend andernorts von vielen Beschwerden zu hören
ist, funktioniert die Organisation bei uns weitge-        In Bremen und Bremerhaven werden Ende dieser
hend reibungslos. Und das, obwohl seit eineinhalb         Woche alle über 80-Jährigen eine Einladung zu ei-
Wochen zudem auch noch die Beschäftigten in               nem Impftermin bekommen haben und – nachdem
Kitas, Grundschulen und Förderschulen geimpft             der Bund endlich die Voraussetzungen geschaffen
werden.                                                   und die Impfverordnung entsprechend angepasst
                                                          hat – es werden jetzt auch die Menschen mit Vor-
Mein ganz herzlicher Dank geht daher noch einmal          erkrankungen kurzfristig einen Impftermin ange-
an alle Beteiligten. Die Zusammenarbeit von Staat,        boten bekommen, weil wir von den Krankenkassen
Hilfsorganisationen und Wirtschaft bei der Organi-        die entsprechenden Daten erhalten können.
sation der Impfkampagne ist in dieser Form einma-
lig in Deutschland und klappt hervorragend und            Damit noch mehr Menschen so schnell wie möglich
darauf können wir zu Recht stolz sein!                    zumindest eine Erstimpfung erhalten können, hat
                                                          die Bund-Länder-Konferenz beschlossen, die Inter-
(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE             valle zwischen der Erst- und der Zweitimpfung so
LINKE)                                                    weit wie möglich auszudehnen. Und die Ständige
                                                          Impfkommission hat sich – wie ich finde: richtiger-
Wichtig ist vor allem: Die Impfstofflieferungen neh-      weise – dafür entschieden, den AstraZeneca-Impf-
men jetzt langsam Fahrt auf. Wenn den Ankündi-            stoff nun auch für Menschen zu empfehlen, die äl-
gungen auch Lieferungen folgen, hat BioNTech al-          ter als 65 sind. Beides wird dazu beitragen, dass wir
lein für diesen Monat rund 33 000 Dosen angekün-          mehr Tempo beim Impfen insbesondere unserer äl-
digt, Moderna gut 8 000, AstraZeneca über 25 000.         teren und vorerkrankten Mitbürgerinnen und Mit-
Weitere Impfstoffe stehen kurz vor der Zulassung          bürger machen können.
und deshalb ist es gut, dass wir vorbereitet sind und
die Kapazität in unseren Impfzentren kurzfristig          Schließlich und abschließend sprechen wir auch
weiter hochfahren können.                                 mit den niedergelassenen Ärzten, wie sie die Impf-
                                                          kampagne nach Kräften unterstützen und die Impf-
In etwa zwei Wochen werden wir auch die Hallen            zentren entlasten können, insbesondere sobald
4, 5 und 6 des Bremer Messezentrums zum Impf-             Impfstoff in ausreichender Menge vorhanden ist.
zentrum umbauen, allein in der Stadt Bremen               Sie sehen, meine Damen und Herren, das gibt
könnten wir dann bis zu 17 000 Dosen Impfstoff            durchaus ein rundes Bild. Bremen ist beim Impfen
täglich verimpfen und wenn wir einmal den Impf-           auf einem guten Weg!
stoff in der Menge haben, dass wir diese Kapazität
ausfahren können, dann reden wir tatsächlich nicht        (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)
davon, dass wir bis zum Ende des Sommers das
Durchimpfen hinbekommen haben, sondern dann               Meine Damen und Herren, neben dem Impfen ist
reden wir davon, dass wir das im Sommer hinbe-            die zweite Säule, die es uns erlaubt, jetzt weitere
kommen – immer vorausgesetzt, dass tatsächlich            Öffnungs- und Lockerungsschritte zu gehen, das
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Testen. Der Einsatz von Schnelltests – ob in der         mit der Umsetzung dabei. Ob das dann schon die
Form des Fremdschnelltests oder des Selbstschnell-       Endzahl der Testzentren sein wird oder ob die sich
tests – kann dazu beitragen, Räume zu schaffen, in       dann in den nächsten Tagen noch weiter erhöhen
denen sich die Menschen wieder sicherer bewegen          wird, ich glaube, Letzteres wird der Fall sein –das
können. Konkret haben Bund und Länder deshalb            Ziel ist, schon ab dem 10. März ein Angebot zu ha-
am vergangenen Mittwoch vereinbart, dass allen           ben für alle Bürgerinnen und Bürger, wo sie sich
Schülerinnen und Schülern und allen Beschäftig-          kostenlos testen lassen können.
ten in Schulen und Kinderbetreuung einmal pro
Woche ein Schnelltest angeboten werden soll. Da-         (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)
mit wird nachvollzogen, was wir in Bremen bereits
beschlossen und eingeleitet haben, mit einem             Meine Damen und Herren, mit der Kombination
wichtigen Unterschied: Hier sollen es sogar zwei         aus mehr impfen und mehr testen legen wir die
Tests pro Woche sein. Die Senatorin für Kinder und       Grundlage dafür, die Pandemie endgültig in den
Bildung hat deshalb bereits 1,3 Millionen dieser         Griff zu bekommen, legen wir die Grundlage dafür,
Schnelltests eingekauft, die einen wesentlichen          dass die Inzidenzzahlen stabil bleiben oder mög-
Beitrag dazu leisten sollen, den Präsenzunterricht       lichst sinken, legen wir die Grundlage für Öffnun-
unter Pandemiebedingungen sicherer zu machen.            gen und Lockerungen.

Auch alle anderen Beschäftigten des öffentlichen         Richtig ist aber auch: Gewinner erkennt man im
Dienstes sollen, soweit sie nicht im Homeoffice ar-      Ziel und nicht auf der Strecke und endgültig ge-
beiten, die Möglichkeit bekommen, sich kostenlos         wonnen, meine Damen und Herren, ist ja leider
testen zu lassen, zunächst einmal pro Woche. Bre-        noch nichts. Ich habe es eben schon betont, die
men ist sich da seiner Verantwortung als Arbeitge-       Pandemie bleibt unberechenbar. Wir hoffen es
ber sehr wohl bewusst und nimmt diese Rolle an.          nicht, aber wir wissen es nicht, wie sich die zukünf-
Wir erwarten aber – im Einklang mit den Beschlüs-        tige Entwicklung gestalten wird.
sen der Bund-Länder-Konferenz – dass auch alle
anderen Arbeitgeber ihrer Verantwortung gerecht          Und noch einmal in aller Deutlichkeit: Sollten die
werden und ihren Beschäftigten mindestens einmal         Infektionszahlen in den nächsten Wochen wieder
pro Woche einen Schnelltest anbieten. Das dient          deutlich ansteigen, dann werden wir auch wieder
nicht nur dem Gesundheitsschutz der Mitarbeite-          Schritte zurückgehen müssen. Es ist so: Die Öff-
rinnen und Mitarbeiter, sondern das hilft insgesamt      nungen unter den Bedingungen von Impfen und
bei der Bekämpfung der Pandemie. Das ist nicht           Testen sind notwendig, um eine Perspektive zu
nur eine unternehmensbezogene, sondern auch              bieten, aber da der Infektionsschutz weiter not-
eine gesellschaftspolitische Aufgabe.                    wendig bleibt, ist es wichtig, sich das Infektionsge-
                                                         schehen immer genau anzusehen und zu schauen,
Außerdem haben sich Bund und Länder dazu ver-            wie es sich entwickelt. Diese Ehrlichkeit muss im-
pflichtet, es spätestens ab Anfang April allen Bür-      mer da sein, weil man ja sonst hinterher sagt: Wieso
gerinnen und Bürgern zu ermöglichen, sich einmal         habt ihr eure Meinung denn geändert? Vor drei
pro Woche kostenlos testen zu lassen, auch wenn          Wochen wolltet ihr doch noch das und jetzt macht
sie nicht bei einem Unternehmen beschäftigt sind,        ihr etwas anderes. Ja, wenn sich die Sachlage än-
das dies anbietet, und wenn sie die Tests nicht in       dert, meine Damen und Herren, dann müssen sich
der Schule oder in der Kita erhalten. Wichtig ist da-    natürlich auch die Maßnahmen ändern, alles an-
bei, dass der Bund seine Zusagen zur Finanzierung,       dere wäre hochgradig irrational.
zur Unterstützung bei der Beschaffung sowie ins-
besondere zur Zulassung von Tests zeitnah einhält.       (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Der Senat wird sich morgen damit befassen, wo            Aber wir wollen natürlich nicht, dass es so weit
sich die Menschen in Bremen und Bremerhaven              kommt. Wir wollen das vermeiden, wir wollen, dass
testen lassen können, und alles daransetzen, dass        wir auf dem Weg der Öffnung und der Lockerung
schon in dieser, spätestens aber in der folgenden        voranschreiten können und nicht, dass wir wieder
Woche regelmäßige Schnelltests angeboten wer-            eine Rolle rückwärts machen müssen, und deshalb,
den. Es sieht jetzt danach aus, dass mit den ersten      meine Damen und Herren: Lassen Sie uns weiter-
Testzentren die Verträge so geschlossen werden,          hin vorsichtig und umsichtig sein. Lassen Sie uns
dass es hier in Bremen schon ab Mittwoch möglich         weiterhin verantwortungsvoll handeln. Lassen Sie
ist, das Angebot einer kostenlosen Schnelltestung
wahrzunehmen. Damit sind wir dann sehr zeitnah
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uns die jetzt eröffneten Perspektiven nicht leicht-       (Beifall CDU)
sinnig aufs Spiel setzen. – Ich danke Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit!                                           Ich bekenne aber genauso freimütig, dass mich von
                                                          dem, was dort beschlossen worden ist, nicht alles
(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)           überzeugt. Ich hatte für die CDU-Fraktion schon
                                                          bei der Verschärfung der Kontaktbeschränkungen
Präsident Frank Imhoff: Als nächster Redner hat           vor Weihnachten angemerkt, dass wir keinen
das Wort der Abgeordnete Thomas Röwekamp.                 Mehrwert darin sehen, die Kontakte gerade über
                                                          die Feiertage noch weiter, auf lediglich eine wei-
Abgeordneter Thomas Röwekamp (CDU): Sehr                  tere Person aus einem anderen Haushalt, zu be-
geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Da-         schränken, und wir uns gewünscht hätten, dass es
men und Herren! Wer auch immer in Deutschland,            bei den bis dahin geltenden Kontaktbeschränkun-
in Bremen seinen Amtseid für ein öffentliches Amt         gen, die seit gestern wieder gelten, bleibt.
leisten muss, auf das Grundgesetz oder unsere Lan-
desverfassung, muss geloben oder schwören, Scha-          Ich glaube unverändert, dass der massivste Grund-
den von der Bevölkerung abzuwenden und den                rechtseingriff in der Beschränkung der Menschen
Nutzen für die Bevölkerung zu mehren. So oder             in ihren Begegnungen, ihren sozialen Kontakten,
ähnlich steht es in allen Verfassungen der Länder         ihrer persönlichen Freiheit liegt. Bei allem Ver-
und so oder ähnlich lässt sich auch das Spannungs-        ständnis auch für die weiteren Einschränkungen
feld beschreiben, in dem wir als Abgeordnete der          der Religionsfreiheit, des Rechts auf Berufsausbil-
Bremischen Bürgerschaf – aber auch die Landesre-          dung, Berufsausübung und alles, was wir aus dem
gierung und natürlich die Bundesregierung – un-           Grundrechtskatalog kennen: Menschen vorzu-
sere derzeitigen Handlungen ausrichten.                   schreiben, mit wem sie sich treffen können, ist un-
                                                          verändert der gravierendste Eingriff. Ich hätte mir
So differenziert die Lage auf der Welt, in Europa         gewünscht, dass die Ministerpräsidentenkonferenz
und Deutschland ist, so differenziert waren auch          auch dafür einen weiteren Stufenplan vorlegt. Wir
die Erwartungen an die Runde der Ministerpräsi-           wissen jetzt, fünf Personen aus zwei Haushalten ist
dentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bun-            wieder möglich, aber ich sage, für die CDU-Frak-
deskanzlerin am vergangenen Mittwoch und auch             tion muss auch bei weiteren Öffnungsschritten eine
wir haben in der davor stattgefundenen Parla-             weitere Lockerung der Kontaktbeschränkungen an
mentssitzung viel Einigkeit gefunden. Insbeson-           allererster Stelle stehen.
dere haben wir eines gemeinsam für notwendig er-
achtet, nämlich, dass es weiterhin gelingt, dass die      Die zweite Kritik an dem Stufenplan, der verabre-
fortdauernden Maßnahmen, die gerade im Hin-               det worden ist, ist, dass unverändert ausschließlich
blick auf die Grundrechte der Menschen in Bre-            auf die Inzidenz als Bewertungsmaßstab abgestellt
men, Bremerhaven, aber auch in Gesamtdeutsch-             wird. Das war zu Beginn der Pandemie richtig, als
land von erheblichem Gewicht sind, abgestimmt             es darum ging, sicherzustellen, dass unsere Ge-
und einheitlich erfolgen. Das war, ich war nicht da-      sundheitsbehörden in der Lage sind, die Kontakt-
bei, aber nach übereinstimmenden Berichten von            rückverfolgung zu gewährleisten. Wir wissen, dass
Teilnehmern der Konferenz, am Mittwoch nicht              dieses System im letzten Jahr zwischendurch auch
ganz einfach zu vereinbaren, weil die Ausgangssi-         in Bremen vollständig außer Kontrolle geraten ist,
tuationen in den jeweiligen Ländern natürlich un-         aber nach übereinstimmenden Angaben aus den
terschiedlich sind, und deswegen die Erwartungs-          meisten Gesundheitsämtern ist diese Rückverfol-
haltungen an das, was man gemeinsam verabreden            gung wieder uneingeschränkt möglich.
kann, auch sehr unterschiedlich waren. Ich bleibe
dabei, wie bisher auch: Diese Pandemie lässt sich         Aber, meine Damen und Herren, es gibt mittler-
nur dann bekämpfen, wenn wir weiter im engen              weile weitere Entwicklungen, die es erforderlich
Schulterschluss der Bundesländer, abgestimmt mit          und, wie vom RKI empfohlen, auch notwendig ma-
den Maßnahmen der Bundesregierung, gemein-                chen, zusätzliche Faktoren in die Bewertung der
sam an einem Plan arbeiten, und deswegen begrü-           derzeitigen Gefährdung durch die Pandemie ein-
ßen wir es als CDU-Fraktion, dass es am Mittwoch          fließen zu lassen. Da ist zunächst einmal die Frage
wieder gelungen ist, trotz aller unterschiedlichen        der Auslastung unserer Intensivbettkapazitäten.
Bewertungen zu einer gemeinsamen Verständi-               Nach dem heutigen Bericht nimmt Bremen übri-
gung zu kommen. Ganz herzlichen Dank dafür,               gens seit Tagen schon, heute mit Berlin gemein-
meine sehr verehrten Damen und Herren!                    sam, einen unverändert besorgniserregenden Spit-
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zenplan ein. Außer in Berlin und Bremen sind nir-        durch niedersächsische Patienten eine hohe Aus-
gendwo so viele Intensivbetten gebunden durch            lastung an Intensivbetten haben, wenig über das
COVID-19-Patienten. Das hat natürlich auch seine         Infektionsgeschehen in unserem Bundesland aus-
Ursache in der oberzentralen Funktion, dass wir          sagt. Aber ich hätte mir gewünscht, es wäre auf je-
diese Kapazitäten nicht nur für Bremerinnen und          den Fall aus unserer Sicht besser gewesen, dieses
Bremer und Bremerhavenerinnen und Bremer-                differenzierte Bewertungssystem zum Maßstab zu
havener zur Verfügung stellen, sondern auch für          nehmen anstatt der Inzidenz, zumal es zunehmend
die Versorgung der uns umgebenden Landkreise.            Verwirrung darüber gibt, welche Zahl richtig ist. In
Aber es bleibt dabei, dass das natürlich ein besorg-     den Entwürfen, die bekannt geworden sind, galt
niserregender Faktor ist. Wenn der Anteil der beat-      als Stufe für Lockerungen eine 7-Tage-Inzidenz
meten Patienten auf Intensivstationen noch weiter        von unter 35, daraus wurde jetzt unter 50.
als über 60 oder in Berlin jetzt über 70 Prozent
steigt, kommen wir mit den Versorgungsqualitäten         Ich vermute, das hängt damit zusammen, dass Kri-
und den Versorgungsmöglichkeiten für diese Not-          tik an der reinen Inzidenzlastigkeit der Analyse ge-
fälle in Bedrängnis und das wäre der größte anzu-        äußert worden ist, so ist es zumindest von Teilneh-
nehmende Unfall. Wir haben hierüber im Parla-            mern berichtet worden, aber es bleibt trotzdem
ment schon mehrfach gesprochen: Wir dürfen nicht         eine gegriffene Zahl, die aus Sicht unserer Fraktion
in die Situation geraten, dass Ärzte darüber ent-        die Wirklichkeit des Infektionsgeschehens nur ein-
scheiden müssen, welches Leben sie retten und            geschränkt abbildet. Wir haben deswegen die
welches sie aufgeben müssen, meine Damen und             Hoffnung, dass bei den weiteren Beratungen, Herr
Herren!                                                  Bürgermeister, am 22. März noch einmal der Ver-
                                                         such unternommen wird, einem Lockerungsplan
(Beifall CDU, DIE LINKE)                                 ein differenzierteres und stärker auf die jeweiligen
                                                         Infektionsgeschehen ausgerichtetes Bewertungs-
Die Rückverfolgbarkeit bleibt ein ganz wesentli-         system zugrunde zu legen, meine Damen und Her-
ches Kriterium. Wir sehen gerade in Bremerhaven,         ren.
wie schnell es aufwärts und wieder abwärts gehen
kann, und zwar nicht, weil sie einen flächende-          (Beifall CDU)
ckenden Ausbruch in der Stadtgemeinde Bremer-
haven haben, sondern wie wir Infektionsherde klar        Die Regelung, welche Bereiche jetzt von den weit-
in einem bestimmten Pflegeheim – das kann man,           reichenden Grundrechtseinschränkungen Stück
glaube ich, an dieser Stelle sagen – und zwei bis        für Stück ausgenommen werden, ist aus Sicht der
drei lebensmittelverarbeitenden Betrieben ein-           CDU-Fraktion auch nicht durchweg gelungen. Die
grenzen können. Wenn wir dort die Rückverfolg-           Kritik dazu hat Sie alle erreicht. Vielleicht können
barkeit lückenlos garantieren können, gibt es auch       Sie mir helfen, was ich dem Einzelhändler sagen
weniger Anlass zu sagen: Wir müssen jetzt                soll, warum ein Büchergeschäft öffnen kann und
115 000 Einwohnerinnen und Einwohner in zusätz-          ein Schuhgeschäft nicht. Ich für mich persönlich
liche Quarantänemaßnahme oder Ausgangsbe-                kann das gut erklären, ich bin öfter im Buchge-
schränkungen – oder was auch immer ab einer In-          schäft als im Schuhgeschäft, mir kommt die Rege-
zidenz ab 200 gegebenenfalls erforderlich sein           lung entgegen, aber so richtig mit dem Infektions-
sollte – zwingen. Deswegen bleibt die Rückverfolg-       geschehen vereinbar und erklärbar ist das alles
barkeit unverändert auch für die Frage, welche           nicht. Deswegen hätte ich mir gewünscht, dass es
grundrechtsbeschränkenden Maßnahmen können               gelungen wäre, nicht so sehr auf einzelne Sektoren
wir lockern und welche können wir zurückneh-             der Wirtschaft zu blicken, sondern insgesamt Krite-
men, ein ganz entscheidendes Kriterium. Ich hätte        rien zu entwickeln, wie alle gleichermaßen, wenn
mir daher gewünscht, dass das Modell des Robert-         auch in kleinen Schritten, von Lockerungen profi-
Koch-Instituts, so komplex es auch ist, stärkeren        tieren können. Oder nehmen Sie das Beispiel Au-
Eingang in die Beratung zwischen der Bundes-             ßensport. Auch da gilt für mich persönlich, ich ma-
kanzlerin und den Ministerpräsidentinnen und Mi-         che öfter Außensport, als dass ich in der Außen-
nisterpräsidenten der Länder gefunden hätte. Ich         gastronomie esse. Warum jetzt Außensport mit ei-
weiß, dass das diskutiert worden ist, Herr Bürger-       ner Gruppe möglich ist, aber die Bewirtung in der
meister, und dass die Auffassungen dazu sehr un-         Außengastronomie mit Hygienekonzept nicht mög-
terschiedlich waren. Ich weiß auch, dass auch das        lich sein soll, das wiederum kann ich nur schwer
nicht der Weisheit letzter Schluss ist, weil das na-     vermitteln und erklären. Das alles führt dazu, dass
türlich in dem Moment, in dem wir insbesondere           ich sage, es ist aus meiner Sicht falsch, ungerecht
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und schwer zu vermitteln, dass wir die Beschrän-          (Beifall CDU)
kungen nicht für alle gleichermaßen zurückneh-
men, sondern es sektoral machen, meine Damen              Das gilt auch für das Testen. Auch da wird sicher-
und Herren. Auch hier hätte aus Sicht der CDU-            lich irgendwann noch einmal geschaut werden
Fraktion ein breiter angelegtes Stufenkonzept eine        können, wann waren welche Schnelltests welcher
höhere Akzeptanz bei den Menschen gefunden.               Qualität zugelassen, bestellt, beschafft, geliefert
                                                          und angewendet, aber ich will an dieser Stelle auch
(Beifall CDU)                                             noch einmal sagen, dass wir zurzeit in Deutschland
                                                          in dieser Lage vieles möglich machen, was noch vor
Ja, der Schlüssel gegen die Pandemie ist das Imp-         zwei Jahren völlig unvorstellbar gewesen wäre.
fen. Ich bin sicher, wir werden zu gegebener Zeit         Dass die Bundesregierung die Zusage gibt, die Bür-
noch weiter aufarbeiten, wer wann welche Impfdo-          gertests vollständig zu bezahlen, reiht sich ein in
sen bestellt, ausgeliefert, verfügt, reserviert hat und   eine Kaskade von Entscheidungen: Die Gesund-
ob es schlauer gewesen wäre, einen deutschen Al-          heitsämter, die kommunalen Gesundheitsämter
leingang zu wagen, als mit der Europäischen Union         mit Mitteln des Bundes personell aufzurüsten, Ein-
gemeinsam diesen Weg zu bestreiten. Ich bleibe            nahmeausfälle bei den kommunalen Krankenhäu-
dabei, auf alles gesehen, glaube ich, ist es richtig      sern und allen frei gemeinnützigen Einrichtung aus
und vernünftig, dass wir in Europa zusammenge-            Bundesmitteln zu ersetzen, sie reiht sich darin ein,
blieben sind, dass wir keinen Wettbewerb der Län-         dass es plötzlich über Nacht möglich war, iPads für
der eröffnet haben, wer den schnellsten und viel-         alle Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte zu
leicht auch dann den teuersten Impfstoff bestellt.        beschaffen, übrigens auch aus Mitteln des Bundes.
                                                          Also, wir bringen und würfeln unseren Föderalis-
(Abgeordneter Mustafa Güngör [SPD]: Teurer ist es         mus zurzeit, was Kompetenzen und Finanzierungs-
nicht, zu impfen!)                                        wege betrifft, ganz ordentlich durcheinander,
                                                          meine Damen und Herren.
Nein, aber teurer ist es, höhere Preise zu bezahlen,
weil man schnell und viel geliefert bekommen will,        (Zuruf Abgeordneter Mustafa Güngör [SPD])
wie es beispielsweise Länder, die jetzt immer wie-
der genannt werden, wie Israel, gemacht haben.            Deswegen bin ich froh, dass der Bund letzte Woche
Die haben einen deutlich höheren Preis gezahlt, im        Mittwoch in der Konferenz die Zusage gegeben
Übrigen nicht nur in Geld, sondern auch, indem sie        hat, diese freiwilligen Tests auch zukünftig einmal
vollständige Gesundheitsdaten ihrer Einwohnerin-          die Woche vollständig zu bezahlen. Das ist richtig,
nen und Einwohner Pharmaunternehmen überlas-              damit auch hier überall in Deutschland die glei-
sen haben und damit sozusagen gläserne Verhält-           chen Maßstäbe gelten, vom Norden bis zum Süden.
nisse bei der Bevölkerung Israels geschaffen ha-
ben. Ob das für uns ein gangbarer Weg gewesen             (Beifall CDU)
wäre? Mit den Grünen sicher nicht, da bin ich mir
ganz sicher, aber auch insgesamt, glaube ich, muss        Ich gebe zu, ich hätte mir gewünscht, dass Bremen
man sich immer überlegen, welchen Preis man               auf diesen Schritt so vorbereitet gewesen wäre wie
zahlt.                                                    Hamburg, Bayern oder Berlin, um einmal drei poli-
                                                          tische Pole aus unserem föderalen Konstrukt zu
Ich kann nur sagen, ich bin froh, dass das Impfen         nehmen. Berlin und Hamburg bieten diesen Test
an Fahrt gewinnt. Ich freue mich, dass Bremen bis-        seit heute an, Bayern bietet den kostlosen Schnell-
her bei der Impfquote vorne dabei ist, verbinde da-       test schon sehr viel länger einmal die Woche an. Es
mit aber die Erwartung, dass das auch in Anbe-            wäre schön gewesen, Herr Bürgermeister, wir wä-
tracht der jetzt zu erwartenden großen Mengen an          ren auch schon heute mit am Start gewesen, wie es
Impfstoff so bleibt, Herr Bürgermeister. Auch wenn        Ihr Amtskollege in Hamburg geschafft hat. Aber
es im Impfzentrum organisatorische Veränderun-            wenn Sie diese Woche bis Mittwoch noch nachle-
gen geben sollte – das Modell, das Sie eben als so        gen, glaube ich, kann man das noch verkraften.
erfolgreich beschrieben haben, wird hinter den Ku-        Aber ich will die Erwartungshaltung ausdrücklich
lissen verändert werden –, haben wir als CDU-             auch für die CDU-Fraktion deutlich machen: Mit
Fraktion die Erwartung, dass alle Impfdosen, die          diesen Schnelltests hängt nicht nur die Frage der
nach Bremen und Bremerhaven geliefert werden,             weiteren Öffnungsschritte hinsichtlich der Grund-
auch tatsächlich und zeitnah verimpft werden. Wir         rechtseinschränkungen zusammen, sondern davon
müssen das sicherstellen!                                 hängt auch die Akzeptanz der ganzen Maßnah-
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men, die wir miteinander besprechen, ab und des-         Abschließend lassen Sie mich sagen, wir werden
wegen ist es ganz entscheidend, dass wir auch            zeitnah wieder miteinander reden müssen. Am 22.
beim Testen schneller werden, meine sehr verehr-         März wird die nächste Konferenz der Ministerprä-
ten Damen und Herren.                                    sidenten und Ministerpräsidentinnen mit der Bun-
                                                         desregierung stattfinden und da wird es darum ge-
Lassen Sie mich am Schluss aus gegebenem Anlass          hen, zu evaluieren, wie sich die bisherigen vorsich-
und unter Bezug auf meinen Redeanfang vielleicht         tigen Maßnahmen in den nächsten Tagen entwi-
noch sagen: Schaden von der Bevölkerung abzu-            ckelt haben werden. Ja, ich sehe mit großem Inte-
wenden und ihren Nutzen zu mehren, beschreibt            resse die Freude in Schleswig-Holstein, dass der
den Spagat zwischen weiter vertretbaren Be-              Einzelhandel wieder öffnen kann, weil die schon
schränkungen von individuellen Freiheiten auf der        seit Wochen eine stabile Inzidenz unter 50 haben.
einen Seite und dem Gesundheitsschutz auf der an-        Aber machen wir uns nichts vor, meine Damen und
deren Seite. Ich finde, dass die Besprechung mit         Herren, der Eindruck, dass die Pandemie damit be-
der Bundeskanzlerin und mit den Ministerpräsi-           wältigt sei, der täuscht. Es wird noch eine ganze
dent*innen diesen Erwartungen im Saldo gerecht           Zeit lang dauern, bis das Leben so zurückkehrt, wie
worden ist. Klar, die beiden Pole werden damit           es vor über einem Jahr unseren Alltag bestimmt
nicht zufrieden sein. Die Epidemiologen und Wis-         hat. Wenn wir aber weiter gemeinsam solche aus-
senschaftler halten diese Öffnungen für zu weitge-       gleichenden und gerechten Entscheidungen tref-
hend, die Betroffenen, insbesondere die Verbände         fen, bin ich sicher, werden wir auch in Bremen die
und die Wirtschaft, halten sie in Teilen für nicht       Pandemie gut und mit möglichst geringem Scha-
ausreichend. Der politische Kompromiss ist immer         den überstehen. – Vielen Dank!
der Ausgleich unterschiedlicher Interessen und
kann deswegen weder die einen noch die anderen           (Beifall CDU)
Erwartungen vollständig erfüllen.
                                                         Präsident Frank Imhoff: Als nächster Redner hat
Die Debatte der letzten Stunden zeigt aber auch,         das Wort der Abgeordnete Mustafa Güngör.
dass nicht jeder Amtsträger diesen Spagat, den
Nutzen der Bevölkerung zu mehren und Schaden             Abgeordneter Mustafa Güngör (SPD): Herr Präsi-
von ihr abzuwenden, so verstanden hat, wie er ei-        dent, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es
gentlich in den Verfassungen der Länder gemeint          ist jetzt gut zwei Wochen her, dass wir hier im Par-
ist. Deswegen will ich an dieser Stelle ausdrücklich     lament die Coronabeschlüsse diskutiert haben.
sagen: Den Abgeordneten, denen es nicht darum            Seitdem ist einiges passiert und es zeigt sich heute,
ging, den Nutzen ihrer Entscheidung für die Bevöl-       dass wir den Lockdown bis zum 28. März verlän-
kerung zu mehren, sondern den Nutzen für sich            gern und dabei jedoch auch schrittweise Öffnun-
selbst zu mehren, haben in unserem demokrati-            gen vornehmen können. Wie so häufig haben sich
schen System keinen Platz, meine sehr verehrten          einige mehr erhofft, andere halten Lockerungen
Damen und Herren!                                        ohne genauere Erkenntnis über die Mutante für
                                                         verfrüht. Diese Ministerpräsidentenkonferenz wird
(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE            man wahrscheinlich rückblickend als eine der
LINKE, FDP)                                              schwierigsten bezeichnen.

Es ist nicht nur persönlich unanständig und eine in-     Jeder demnächst oder heute beginnende Locke-
dividuelle Verfehlung, sondern wer glaubt, dass er       rungsschritt darf nicht falsch interpretiert werden.
als Parlamentarier in einer Notlage mit der Not der      Die Coronapandemie ist bei Weitem noch nicht
Menschen auch noch Geschäfte und Gewinne ma-             überstanden. Seit Wochen stagnieren die Inzidenz-
chen kann, hat in den deutschen Parlamenten              zahlen auf einem Niveau von circa 60, zu hoch, um
nichts verloren, und deswegen distanzieren wir als       guten Gewissens weitreichende Lockerungen vor-
CDU-Bürgerschaftsfraktion uns geschlossen von            zunehmen, aber nun einmal auch zu niedrig, um
den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen, die das         die bisherigen Einschränkungen dauerhaft auf-
in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit der De-            rechtzuerhalten.
mokratie und mit dem Nutzen für die Allgemein-
heit nicht so richtig ernst genommen und sich per-       (Vizepräsidentin Sülmez Dogan übernimmt den
sönlich bereichert haben, meine Damen und Her-           Vorsitz.)
ren.
                                                         In Bremen ergibt sich ein gemischtes Bild. Wäh-
(Beifall CDU, DIE LINKE)                                 rend wir in der Stadt Bremen einen Inzidenzwert
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um die 60 haben, ist der Wert in Bremerhaven in           nige sind durch das Raster der Überbrückungshil-
den vergangenen Wochen stark angestiegen. Zum             fen gefallen, bei anderen kam das Geld zu spät und
Glück ist die Bremerhavener Inzidenz in den letz-         sie sahen sich gezwungen, das Geschäft aufzuge-
ten Tagen auch wieder gesunken. Gleichzeitig              ben. Am Ergebnis ändert das aber leider nichts. Sie
steigt aber der Anteil der Virusmutationen kontinu-       haben vom eigenen Friseurladen geträumt, auf ei-
ierlich. In Bremen haben wir inzwischen einen An-         gene Faust gegründet und sind auf dem Weg in die
teil von 50 Prozent, in denen der mutierte Virus          Arbeitslosigkeit.
nachgewiesen werden kann. Das bedeutet, es ist
weiterhin Vorsicht geboten, meine Damen und               Nach dem Lockdown im letzten Jahr waren in Bre-
Herren!                                                   men rund 6 000 Menschen mehr arbeitslos. Vor al-
                                                          lem jüngere, gering qualifizierte Menschen haben
Diese Ministerpräsidentenkonferenz hat aber eine          ihre Arbeit verloren, wurden nicht entfristet oder
Perspektive aufgezeigt, erstmalig mit dem MPK-            übernommen. Nach einem Jahr bedeutet das für ei-
Beschluss wurde etwas vorgelegt, das viele seit           nige auch schon den Weg in die Langzeitarbeitslo-
Langem gefordert haben, einen Plan, der aufzeigt,         sigkeit. Diese Menschen stehen am Anfang ihrer
wohin die Reise gehen kann. Ich weiß, dass es nicht       beruflichen Karriere und sind möglicherweise jetzt
einfach ist, und ich finde die Kritik an den Abstu-       schon verzweifelt und hoffnungslos.
fungen auch zum Teil überzogen. Der Einzelhan-
del, die Gastronomie, die gesamte Sport- und Kul-         Welche Effekte der jetzige Lockdown haben wird,
turbranche können sich jetzt darauf vorbereiteten         kann immer noch nicht eingeschätzt werden. In der
und die Öffnungs- und Schließungsszenarien sind,          Gastronomie oder im Einzelhandel befinden sich
finde ich, für alle nachvollziehbar.                      etliche Beschäftigte in den letzten Monaten ihres
                                                          Kurzarbeitergeldbezugs, ehe sie im schlimmsten
Natürlich ist es mit dem neuen Stufenplan etwas           Fall auch in die Arbeitslosigkeit entlassen werden.
komplizierter geworden, aber die Pandemie ist nun         Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit kön-
einmal auch nicht einfach zu bewältigen. Es gilt          nen und dürfen wir uns als Gesellschaft nicht leis-
weiterhin, was auch bisher galt: Vorschnelle Öff-         ten. Das, was heute verloren geht, bleibt für lange
nungen nutzen niemandem, wenn das Infektions-             Zeit verloren, und das ist nicht hinnehmbar.
geschehen danach wieder in die Höhe schnellt.
Deshalb ist es wichtig, dass eine Notbremse einge-        Meine Damen und Herren, neben den vielfältigen
baut wurde, nämlich bei drei aufeinanderfolgen-           und guten Arbeitsmarktinstrumenten wie LAZLO
den Tagen mit einer Inzidenz von über 100. Das ist        oder der Ausbildungsplatzgarantie, die wir in Bre-
aus meiner Sicht auch angemessen.                         men haben, muss der Bund hier aus unserer Sicht
                                                          mit in die Pflicht genommen werden. Wir dürfen
Ich finde es richtig, dass Niedersachsen und Bre-         diese Beschäftigten nicht allein lassen, wir müssen
men auch weitestgehend im Gleichschritt öffnen            Hilfe und Unterstützung anbieten und Verantwor-
möchten. Damit wird die Abstimmung zwar kom-              tung übernehmen. Förderprogramme, Lohnkosten-
plexer und schwieriger, verhindert aber effektiv          zuschüsse, eine Stärkung der Ausbildungsange-
den Tagestourismus und möglicherweise auch grö-           bote, der Weiterbildungsangebote sind hier drin-
ßere Menschenansammlungen.                                gend notwendig. Wir in Bremen werden dafür alles
                                                          Notwendige tun.
Meine Damen und Herren, die Beschlüsse der Mi-
nisterpräsidentenkonferenz hat Bürgermeister Dr.          (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)
Andreas Bovenschulte ja bereits ausführlich er-
klärt, deswegen möchte ich versuchen, einige Ent-         Meine Damen und Herren, die Situation im Einzel-
wicklungen und deren Folgen noch einmal hervor-           handel ist nicht einfach. Hervorzuheben ist, dass
zuheben. Der Lockdown wird bis zum 28. März ver-          der Senat bereits vor dem Beschluss der MPK die
längert. Das trifft viele Betriebe und Unternehmen        Möglichkeit des sogenannten „Date & Collect“ in
weiterhin hart. Für einige wird dies mit Sicherheit       Bremen geschaffen hat, um für den Einzelhandel
auch das Aus bedeuten. Bei den Friseurläden ist           eine kleine Wiedereröffnungsperspektive zu schaf-
das bereits sichtbar geworden. Während sich alle          fen. Viele Menschen haben sich ja in den letzten
vielleicht auch darüber gefreut haben, dass der Fri-      Wochen und Monaten solidarisch mit den Einzel-
seur, die Friseurin wieder aufmacht, konnte man           händlern vor Ort und der Möglichkeit von „Click &
sehen, welche Friseure nicht mehr aufgemacht ha-          Collect“ eingebracht. Damit unseren Läden in den
ben. Die Gründe dafür sind sicherlich vielfältig. Ei-     Quartieren nicht die Puste ausgeht, sollten wir auch
                                                          mit diesem Instrument unterstützen.
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„Date & Collect“ wird aber nicht reichen und nur         (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)
für einen Teil der Branche umsetzbar sein. Deswe-
gen ist es eine wichtige Maßnahme, die unsere            Ja, auch dank dieser flächendeckenden Impfung
Stadtteilzentren betrifft, dass wir mit dem Aktions-     liegen wir im Bundesvergleich bei den Impfungen
programm, das wir auf den Weg gebracht haben,            auf einem der Spitzenplätze. Ja, eine gute Nach-
die Quartiere stärken und unterstützen und verhin-       richt ist auch, dass der Impfstoff AstraZeneca für
dern wollen, dass Geschäfte und Gastronomie in           Personen über 65 Jahre zugelassen wurde. Im Üb-
großem Umfang schließen müssen. Stadtteilkoordi-         rigen möchte ich doch anlässlich des Internationa-
natorinnen und -koordinatoren sollen übergreifend        len Frauentages hier ausdrücklich betonen, es wa-
unterstützen und bei der Vernetzung helfen, dafür        ren drei Frauen, die maßgeblich an der Entwick-
wurden noch einmal 1,2 Millionen Euro zur Verfü-         lung der bisher zugelassenen Impfstoffe beteiligt
gung gestellt. Deswegen ist es umso wichtiger,           waren, Sarah Gilbert für den Impfstoff Astra-
dass wir die Öffnungsschritte vier und fünf aus dem      Zeneca, Özlem Türeci bei BioNTech/Pfizer und
Plan umsetzen können.                                    Kizzmekia Corbett bei Moderna.

(Beifall SPD, DIE LINKE)                                 (Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE
                                                         LINKE)
Meine Damen und Herren, neben den Unterstüt-
zungsmaßnahmen sind zwei Dinge besonders ent-            Meine Damen und Herren, etwas enttäuscht war
scheidend: Dem Virusgeschehen und seinen ver-            ich allerdings über den zeitlichen Horizont, der zu
änderten Mutanten müssen wir jetzt mit einem             den Impfungen durch die niedergelassenen Haus-
Zweiklang aus Testen einerseits und Impfen ande-         ärztinnen und -ärzte besprochen wurde. Ab An-
rerseits begegnen. Das ist nicht neu, aber Testen        fang April sollen diese Impfungen vorgenommen
und Impfen sind der Schlüssel, um die Tür zurück         werden können. Ich meine, es ist gut fünf Monate
zur Normalität zu öffnen.                                her, als wir als SPD-Bürgerschaftsfraktion diese
                                                         Idee in die Debatte eingebracht haben. Ich hätte
Meine Damen und Herren, Bremen hat in der ver-           mir schon gewünscht, dass wir hier deutlich schnel-
gangenen Woche richtungsweisende Entscheidun-            ler vorankommen, denn die Hausärztinnen und
gen getroffen, die nun ja durch die Beschlüsse der       Hausärzte sind diejenigen, die Vertrauen schaffen
MPK bestätigt wurden. Ich denke hier insbeson-           und auch dabei helfen können, noch mehr Men-
dere an die Impfungen des Personals in Kita und          schen von einer Impfung zu überzeugen.
Schule, welche hervorragend angelaufen sind. Der
Senat wird bis zu zwei Tests pro Woche für die Be-       Eine Forderung ist uns als SPD-Bürgerschaftsfrak-
schäftigten in Kitas und Schule sowie die Schüle-        tion noch zusätzlich wichtig: Bürgermeister Dr.
rinnen und Schüler anbieten. Sobald die Lehrkräfte       Bovenschulte erwähnte in seiner Rede, dass
sowie Erzieherinnen und Erzieher von den mobilen         abends, kurz vor Feierabend, auch Rettungssanitä-
Schulungsteams geschult werden, können wir flä-          ter mit den übriggebliebenen Impfdosen geimpft
chendeckend, spätestens ab dem 15. März, auch            werden. Eine Zielgruppe, die darüber hinaus bis-
mit Selbsttests beginnen.                                lang leider wenig Berücksichtigung gefunden hat,
                                                         sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Meine Damen und Herren, ebenfalls konnte sich            Hausnotrufdienstes. Sie sind in vielen Fällen die
Bremen in der Ministerpräsidentenkonferenz mit           Ersten vor Ort, und wenn hilflose Personen einen
dem Vorschlag positionieren, dass Unternehmen            Notruf absetzen, ist Abstandhalten oft nicht mög-
künftig einmal pro Woche einen Schnelltest für ihre      lich, und aus diesem Grund wäre es nur sinnvoll,
Mitarbeitenden anbieten. Natürlich gibt es Men-          dass sie wie Rettungssanitäter auch geimpft wer-
schen, die weder in den Bildungseinrichtungen            den.
noch bei ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern
getestet werden können. Für diese Menschen wird          (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)
es ein Angebot geben, welches einen kostenlosen
Schnelltest pro Woche ermöglicht.                        Was jetzt mit dem Stufenplan umgesetzt werden
                                                         soll, finden wir absolut richtig. Die Selbstteststrate-
Neben umfangreichen Testungen steht das Impfen           gie und die Schnellteststrategie werden an die Öff-
nach wie vor im Fokus der Strategie und es ist ein       nungsszenarien geknüpft, Freiheit und auf der an-
großer Erfolg, dass in Bremen bis Ostern alle 16 000     deren Seite Sicherheit gehen so Hand in Hand. Das
Beschäftigten aus den Kitas, Grund- und Förder-          macht Hoffnung, aber weniger Hoffnung macht
schulen geimpft werden sollen.
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