DIS.KURSDAS MAGAZIN DER - VIELFALT. ZUSAMMEN. LERNEN - KONFERENZ IN HANNOVER DOSSIER: VHS IN KOMMUNALEN BILDUNGSLANDSCHAFTEN INTERVIEW: DIE AFD IN ...
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dis.kurs Ausgabe 3/2018 Das Magazin der Volkshochschulen Vielfalt. Zusammen. Lernen – Konferenz in Hannover Dossier: vhs in kommunalen Bildungslandschaften Interview: die AfD in den kommunalen Räten
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Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, mehr als 60 Prozent der Volkshochschulen in Deutschland werden als kommu- nale Ämter oder interkommunale Zweckverbände geführt. Auch dort, wo sie als eingetragene Vereine oder privatrechtliche Gesellschaften verfasst sind, bekennen sich die Kommunen zu ihrer Verantwortung und betreiben Volkshochschulen als kommunale Weiterbildungszentren. Gerade für Kommunen, die einen wirtschaftlichen Strukturwandel bewältigen müssen, ist Weiterbildung ein entscheidender Erfolgs- und Standortfaktor. In Kooperation mit Arbeitsagenturen und lokalen Unternehmen sind Volks hochschulen dabei ein wichtiger Teil kommunaler Beschäftigungsförderung. Sie eröffnen Zugang zum Nachholen von Grundbildung und Schulabschlüssen und zu Qualifizierungsangeboten für den modernen Arbeitsmarkt. Gut vernetzte und lokal verankerte Volkshochschulen versetzen Kommunen in die Lage, Sozial- und Bildungspolitik eng zu verzahnen. Bündnisse kommunaler Verwaltungsstellen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren profitieren von der Professionalität der Volkshochschulen in der Administration von Förder- programmen und in der Konzeption innovativer Lernformate. Mit Blick auf die Integration von Zugewanderten sind vhs in den Kommunen zu Zentren der sozialen und beruflichen Integration geworden. In Zusammen arbeit mit Vereinen, Initiativen und Migrantenorganisationen schaffen Volks hochschulen zudem Möglichkeiten der Begegnung und des Austauschs und leisten so einen wichtigen Beitrag zur interkulturellen Verständigung. Die Volkshochschule ist der kommunale Ort, wo sich Menschen unterschiedli- cher Herkunft und Milieus begegnen, gemeinsam diskutieren und voneinander wie miteinander lernen. Volkshochschulen thematisieren kommunalpolitische Vorhaben, geben unterschiedlichen Positionen und Interessen Raum und schaffen ein Forum für das Aushandeln von Kompromissen. Angesichts dieses Leistungskatalogs ist es nicht verwunderlich, dass selbst in Zeiten wachsenden Spardrucks die Kommunen auf ihre Volkshochschulen als unverzichtbare Akteure in der Bildungslandschaft setzen. Oder, um die Worte eines Autors dieses Heftes zu borgen: „Was die in allen Kommunen präsenten Volkshochschulen leisten, ist so essentiell, dass man die Volkshochschule erfin- den müsste, gäbe es sie nicht schon.“ Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre. Ihr Ulrich Aengenvoort Verbandsdirektor des DVV. dis.kurs 03 | 2018
2 SCHLAGLICHT DOSSIER: KOMMUNALE BILDUNGSLANDSCHAFTEN „Der Bildungsbereich wird zunehmend ein Handlungsfeld der AfD werden“ Gespräch mit Prof. Dr. B. Hafeneger [4] HINTERGRUND Unverzichtbar für gelingende Inte gration: Volkshochschulen vor Ort Simone Kaucher [8] Neuorientierung in Zeiten von Digitalisierung, Globalisierung und Polarisierung Ewald Gaden und Susanne Scharschmidt [11] Präventionsarbeit stärkt Resilienz gegenüber religiösem Extremismus Interview mit Adriane Schmeil und Thomas Praßer [12] Verbände und Volkshochschulen sichern gemeinsam Seriosität und Aktualität des Angebots Dr. Hermann Huba [14] Mit Hilfe des DVV wird kommunale Mittelstädtische und Grundbildungsplanung erleichtert regional arbeitende Volkshoch Ulrike Arnold, Katharina Donath, schulen: Wie geht das zusammen? Eva Heinen und Johanna Zander [20] Dr. Sabine Koppe [32] „Bildungsstadt Erfurt“: das Bündnisse für Bildung machen Lernen ein Leben lang im Blick lokale Bildungslandschaften stark! Torsten Haß [22] Interview mit Jörg Otto Czimczik [34] Fest der Besten im Netz: Bildung in Offenbach – eine Kooperationen zwischen Volks Vorbilder in der digitalen Welt kleine Großstadt mit großen hochschule und Ganztagsschu Vera Lisakowski [16] Herausforderungen len fördern Chancen auf Bildung Paul-Gerhard Weiß [24] Dietmar Lehmann [36] KOLUMNE „Lückenschließer“ in der Bildung in kommunaler Träger- Wann demokratische Bildung, kommunalen Bildungskette schaft – eine neue Entwick wenn nicht jetzt? Götz Ulrich [26] lungsoption in Mali tut sich auf Annegret Kramp-Karrenbauer [7] Gerhard Quincke [38] „Kultur im Supermarkt“ und ZWISCHENRUF andere innovative Formate Henning Kurz [30] Willkommenskultur in Zeiten der Abschottung? Nikolaus Schneider [28] dis.kurs 03 | 2018
Inhalt 3 GUTE PRAXIS KURZ NOTIERT dis.kurs für Volkshochschulen Dank hoher Standards sind als Abo per E-Mail bestellen Auf „Zeitreise“ [56] telc Zertifikate mehr als nur Volkshochschulen können dis.kurs in „Wir akzeptieren die Bildungsprämie“ [56] ein Stück Papier beliebiger Stückzahl bestellen – für das Dr. Sibylle Plassmann [40] komplette Team und auf Wunsch auch für Freunde und Förderer in Politik und Neue Heimat Internet: wie im Digi Gesellschaft. Damit Sie die nächste talen ein Gefühl neu definiert wird dis.kurs-Ausgabe zuverlässig erhalten, Vera Lisakowski [42] bestellen Sie Abos per E-Mail an info@ynot-gmbh.de oder per Fax an 06071 738 7119. 25 Jahre vhs ökostation in Stuttgart [56] vhs Reckenberg-Ems | FARE erhält Ludwig-Erhard-Preis in Gold [57] Jubiläumsband: 100 Jahre vhs in 100 Geschichten jetzt vorbestellen! [57] Impressum 100 JAHRE VHS dis.kurs 3/2018 DVV und Grimme-Institut Programm-Highlight im Jubiläums Das Magazin der Volkshochschulen entwickeln Methodenkoffer jahr: Late-Night-Learning für alle ISSN 1611-6712, Postvertriebsstück „Politische Jugendmedienbildung“ Simone Kaucher [58] 25. Jahrgang Dr. Martin Winands, Magda Langholz Erscheint jeweils zum Ende des Quartals und Lars Gräßer [44] Preise für externe Leser/-innen: Einzelheft: € 6,50 Das vhs-Lernportal erweitert sein Jahresabonnement: € 21,00 Angebot zum Deutschlernen Herausgeber: Niko Gebauer [46] Deutscher Volkshochschul-Verband e. V., Obere Wilhelmstraße 32, 53225 Bonn Digitales Lernen in Grundbildung Tel.: 0228 975 69-0, Fax: 0228 975 69-30 und Integration E-Mail: info@dvv-vhs.de Claudia Zanker [47] Internet: www.dvv-vhs.de VHS_Postkarte_Bildungsnacht_2017.indd 1 12.07.17 10:27 Grundbildung und Arbeitsförde Verantwortlich: rung miteinander verzahnen GESICHTER DER VHS Ulrich Aengenvoort, Verbandsdirektor Julia Schieber [48] Die Faszination für die Natur Redaktion: zum Beruf gemacht Sabrina Basler, Juniorreferentin (-26) „Ich mache mir Sorgen, dass im Simone Kaucher, Pressereferentin (-11) Vicky Heinzelmann [60] Kurs etwas passieren könnte…“ Sascha Rex, Grundsatzreferent (-60) Katja Fritsche und Dr. Ricarda Knabe [50] Abo-Verwaltung: Erika Bergzog (-20) Anzeigen: Sabrina Basler (-26) Regionale Weiterbildung gestalten – Disparitäten überwinden Layout: LayoutManufaktur, Berlin Beate Beyer-Paulick [54] Druck: SZ-Druck, Troisdorf Titelfoto: Axel Herzig Umschlag-Gestaltung: Gastdesign, Wolfgang Gast dis.kurs 03 | 2018
4 „Der Bildungsbereich wird zunehmend ein Handlungsfeld der AfD werden“ Interview mit Prof. Dr. Benno Hafeneger über die AfD in kommunalen Räten Seit 2014 ist die Alternative für Deutschland (AfD) Professor Dr. Benno Hafen- vielerorts in Kommunalparlamenten vertreten eger, Jahrgang 1948, ist emeritierter Professor für – dort, wo auch über kommunale Bildungspla- Erziehungswissenschaften nung und über die Rolle und Ausrichtung der an der Philipps-Universität Volkshochschulen entschieden wird. Darüber, wie Marburg. Seine Forschung und zahlreiche Publikationen die AfD das politische Klima vor Ort verändert, konzentrieren sich auf die sprach DVV-Pressesprecherin Simone Kaucher mit Themen Außerschulische Professor Dr. Benno Hafeneger. Der emeritierte Jugendbildung und Rechts- Rechtsextremismusforscher hat mit seinem Team extremismus. 1994 veröf- fentlichte er eine empirische im April 2018 die bundesweit erste empirische Untersuchung der „extremen Studie zur Arbeit der AfD in Kommunalparlamen- Rechten“ in den hessischen ten vorgelegt. Kommunalparlamenten. 1997 nahm er unter dem Titel „Sozialstruktur der extremen Rechten“ die Mandatsträger | Welches Bild gibt die AfD auf kommunaler Ebene der Republikaner und der NPD in Hessens Kommunen ab? in den Blick. Mehrfach hat er auch rechte Jugendkultur Prof. Dr. Benno Hafeneger: Manche AfD-Fraktion untersucht. ist sehr fleißig und auch kompetent, denn bisweilen sind dort frühere CDU- oder vereinzelt auch ehema- lige SPD-Mitglieder aktiv, die auch kommunalpoliti- sche Erfahrung mitbringen. Zum Teil sind es sogar Die AfD wird ihre parlamentarische Präsenz dazu nut- ehemalige Amts- oder Mandatsträger etablierter zen, um die politische Kultur zu verändern und poli- Parteien. Ein Teil der Abgeordneten kommt aus dem tische Handlungsfelder zu verschieben. Schon jetzt rechten Lager, beispielsweise von den Republika- wendet sie sich vielerorts gegen emanzipatorische nern. Manche Fraktionen bestehen überwiegend aus Kräfte und gegen eine Förderung beispielsweise von Unbekannten. In anderen Parlamenten etabliert sich Jugendarbeit freier Träger oder von Selbstorganisati- eine Art Arbeitsteilung zwischen denen, die Kärrner- onen verschiedener Minderheiten. arbeit im Hintergrund machen und denen, die nach außen hin provokant in Erscheinung treten. Manche Fraktionen versuchen, die komplette kommunalpoli- Kommunalpolitik mit tische Themenpalette zu besetzen; andere sind eher nationalistischem Fokus faul und haben nur ein Thema. Man kann davon ausgehen, dass die AfD sukzessive | Tritt die AfD kommunal ähnlich provokant auf wie lernt, mit Politik umzugehen. Schon jetzt gibt es Frak- auf Bundesebene? tionen, die kommunale Haushalte akribisch durch- gehen und insbesondere Ausgaben für Integration, Es gibt AfD-Fraktionen, die sind sehr parlamentsori- „Wenn demokrati- Flüchtlinge, Frauenförderung oder Inklusion kriti- entiert, treten seriös auf und wollen koalitionsfähig sieren. Da zeigt sich eine Zukunftsstrategie: Die AfD sche Parteien ein- erscheinen – ganz anders als die Rabaukenfrakti- wendet sich gegen emanzipatorische Politik. Statt- knicken, ist das eine onen, die es auch gibt. Dieses Rabaukentum, das dessen fordert sie Mittel für eher traditionell ausge- problematische poli- verbal die eigene Klientel bedient, finden wir vor al- richtete Aktivitäten. Man muss sich bewusst machen: tische Entwicklung.“ lem auf Landes- und Bundesebene, wo sich die AfD dis.kurs 03 | 2018
Schlaglicht 5 zum Teil noch im Findungsprozess befindet. In den Kommunalparlamenten dominiert eher die lokale Foto: Landtag Rheinland-Pfalz / Torsten Silz Sachpolitik. Dort sehen wir weniger Provokation als vielmehr Anpassung an die formalen parlamentari- schen Gepflogenheiten. Viele versuchen, konkrete Kommunalpolitik zu machen, allerdings immer auch mit einem starken nationalistischen Fokus. Oft gerie- ren sich AfDler als Kümmerer gegenüber dem unte- ren Drittel der Gesellschaft. Das verfängt im Osten besonders gut, wo die Auflösung öffentlicher Infra- struktur und die Abkopplung ganzer Regionen ein viel dramatischeres Ausmaß haben als im Westen. Das Wutbürgertum ist dort viel stärker als im Westen und fühlt sich von der AfD repräsentiert. Seit 20160 sitzt die AfD in Rheinland-Pfalz im Landtag. Auch hier wurde anhand von einge- | Wie reagieren die anderen Ratsfraktionen auf die brachten Anträgen und Anfragen untersucht, welche Themen die AfD besetzt, welche Argu- AfD? mentationsmuster sie nutzt und mit welchen Strategien und Politikstilen sie agiert. Wir haben festgestellt: Da, wo AfD-Parlamentarier professionell auftreten oder sogar persönlich schon aus anderen Kontexten bekannt sind, begegnet man Ähnliches beobachten wir schon jetzt im Bereich der ihnen weniger reserviert. Im Rahmen unserer Unter- Jugendhilfe. Im Zuge dessen wird auch das Personal suchung haben wir 25 Parlamentarier interviewt. Es in diesem Programmbereich zunehmend als linksex- zeigt sich, dass mit den AfD-Parlamentariern distan- trem diffamiert. Themen von Veranstaltungen werden ziert umgegangen wird. Hier sind die anderen Par- in der Öffentlichkeit skandalisiert. Solche Fälle werden teien noch im Lernprozess und der Umgang bewegt bundesweit zunehmen und damit auch medial an sich zwischen Distanz, inhaltlicher Auseinanderset- Präsenz gewinnen, denn im Zuge wachsender Ver- zung und Grenzenmarkierung; aber auch Gelassen- netzung und Professionalität werden bestimmte Vor- heit ist ein erkennbares Merkmal. gehensweisen, die in einer Kommune den gewünsch- ten Effekt erzielt haben, auch andernorts kopiert. | Was kommt da auf die Volkshochschulen zu? Wenn es stimmt, dass die AfD auf eine Verände- rung der politischen Kultur abzielt, so lässt sich das Der Bildungsbereich wird zunehmend ein Hand- vor allem über Bildung befördern. Der Bildungsbe- lungsfeld der AfD-Politik. Noch ist es eher vereinzelt, reich wird daher zunehmend ein Handlungsfeld der dass die Volkshochschulen ins Blickfeld der AfD ge- AfD-Politik werden. Derzeit beobachten wir das nur raten, aber das wird kommen. Denn die vhs ist eine punktuell. Schon jetzt wendet sich die AfD auf kom- Institution, die eine Integrationsleistung vollbringt. munaler Ebene gegen Jugendzentren als Orte alter- Das bringt sie mit den zentralen AfD-Themen Flucht, nativer Soziokultur. Das steht auch den Volkshoch- Asyl und Migration in Berührung. Die AfD wird nach schulen bevor, denn auch sie sind Orte, an denen sich Kosten, Schwerpunkten und Ausgewogenheit der die politische Kultur in der Gesellschaft widerspiegelt. vhs-Programme fragen. Auch im Zusammenhang mit Erinnerungspolitik „Verbot ist keine aufklärerische Politik“ könnte die vhs in den Fokus geraten. Die AfD will ei- nen Perspektivenwechsel bewirken, weg von der – so die AfD – „Schuldkultur“. Sie wird sich auch dagegen | Wie sollen Politik und Zivilgesellschaft mit der AfD wenden, wenn vhs Rechtsextremismus thematisiert. umgehen? Sie wird hinterfragen, welche Themen gesetzt und welche Referenten eingeladen werden. Es ist davon Wir werden auf Dauer Sechs-Parteien-Parlamente ha- auszugehen, dass die Zuschüsse für politische Bil- ben. Die Antwort darauf kann nur sein: Auseinander- dung an Volkshochschulen in Frage gestellt werden. setzung Ja, Ignorieren Nein. Auch der Ruf nach einem dis.kurs 03 | 2018
6 Verbot ist keine aufklärerische Politik. Schon jetzt lässt Wir wollen einerseits die politische Kultur der AfD sich allerdings beobachten, wie demokratische Par- nicht in öffentlichen Räumen haben. Andererseits teien unter dem Druck von AfD und der von ihr er- handelt es sich bei der AfD um eine demokratisch zeugten öffentlichen Stimmung einlenken und die legitimierte Partei im Spannungsfeld von nationalli- in der Kritik stehenden Kräfte oder Einrichtungen zur beralem, rechtspopulistischem und völkischem Ge- Mäßigung anhalten. Wenn demokratische Parteien dankengut. Wenn sie parlamentarisch vertreten ist, einknicken, ist das eine problematische politische stehen ihr öffentliche Räume zu. Ich sage, damit muss Entwicklung. Man kann mit der AfD aber auch nicht man souverän umgehen. Man kann solche Veranstal- so umgehen, wie man all die Jahre zuvor mit rechten tungen kommentieren, aber man kann der AfD nicht bzw. rechtsextremen Kräften umgegangen ist, näm- die Räume verweigern. Das ließe sich auch juristisch lich, sie einfach auszugrenzen und sie zu ignorieren, nicht durchhalten. Wir müssen zunächst einmal an- denn das schwächt die AfD nicht. erkennen, dass es mit der AfD eine neue Akteurin auf der politischen Bühne gibt. Man muss sie behandeln AfD in Parlamenten – Der Umgang sollte folgenden Grundsätzen folgen: wie andere demokratisch legitimierte Akteure, aber Themen. Strategien. ·· Wir sollten bewusst, gezielt und klug in die Aus- man kann dagegen demonstrieren. Wir brauchen da Akteure einandersetzung gehen – als selbstbewusste De- eine kluge Gegenöffentlichkeit. Das Buch von Benno mokraten, in dem Wissen, dass wir die besseren Hafeneger, Hannah Jestädt, Argumente haben. Für diese Auseinandersetzung Es wäre eine Strategie für Volkshochschulen, ihre Lisa-Marie Klose, Philine Lewek – erschienen im müssen wir uns qualifizieren. Es geht weniger da- Räume generell nicht für Veranstaltungen von Par- April 2018 im Wochen- rum, unser Gegenüber zu überzeugen, sondern teien oder politische Organisationen zur Verfügung schau Verlag, Frankfurt darum, öffentlich Position zu beziehen. zu stellen, um die Regie in der politischen Bildung a.M. – ist das Ergebnis einer empirischen Studie über ·· Da, wo AfDler rassistische oder antisemitische Po- nicht aus der Hand zu geben. Dazu muss eine Kom- die Arbeit der AfD in den sitionen vertreten, sollten wir uns klar und deutlich mune bereit sein, entsprechende Regeln zu verein- Kommunalparlamenten abgrenzen; scharfen Auseinandersetzungen sollte baren und auf die Mieteinnahmen zu verzichten. Das von Hessen und Nieder- nicht aus dem Weg gegangen werden. Mitunter wäre die richtige Strategie, denn sonst riskiert man sachsen und im Landtag von Rheinland-Pfalz. kommt es auch darauf an, verhohlenen Rassismus fatale Konflikte zwischen Teilnehmergruppen. und Antisemitismus zu entschlüsseln und kennt- lich zu machen. ·· Wir sollten auf unserer Agenda bestehen und un- | Kann ein Rauswurf das richtige Mittel im Umgang sere Themen setzen, statt uns Themen von der AfD mit rechtsextremen Äußerungen von Kursteilneh- aufzwingen zu lassen. mer*innen sein? ·· Wir sollten Souveränität zeigen und nicht jede AfD-Äußerung kommentieren. Wir sollten darauf Das wäre immer das letzte Mittel. Man braucht ein achten, dass wir AfD-Vertreter nicht zu vermeintli- abgestuftes Reaktionsmodell. Die Frage des ange- chen Opfern machen, denn wir beobachten, dass messenen Umgangs, beispielsweise mit rassistischen in einigen Kommunalparlamenten die AfD die po- Äußerungen, ist eine spannende pädagogische litische Isolierung gut durchhält und in der Außen- Frage. Wichtig ist eine Satzung, die die Einhaltung darstellung daraus sogar Stärke gewinnt. demokratischer Grundsätze zur Bedingung macht und antidemokratische Äußerungen ächtet. Rassis- Für Organisationen stellt sich die Frage, wie sie das mus, Sexismus und Antisemitismus sind aber gleich- eigene Personal strategisch qualifizieren. Es geht zeitig Teil der Alltagskultur, und wir sehen, dass sie nicht allein um den Umgang mit rassistischen Äuße- sich in größerem Ausmaß verbreiten und auch in rungen. Die gab es immer schon. Neu ist, dass diese pädagogischen Veranstaltungen geäußert werden. Positionen jetzt politisch an Einfluss gewonnen ha- Entscheidend ist deshalb, zivilgesellschaftliche Ein- ben und parlamentarisch stärker repräsentiert sind. richtungen und Organisationen und deren Personal Organisationen müssen sich darauf verständigen, wo für den klugen Umgang mit solchen Äußerungen zu die Grenzen des Akzeptablen liegen, auch, damit die qualifizieren. Das Recht auf freie Meinungsäußerung Kursleitenden nicht hilflos sind. ist unbedingt zu achten, aber man darf rassistische Agitation nicht dulden, denn an diesem Punkt wer- den Grenzen überschritten. Das Bestehen auf dem Das Interview führte Simone | Wie sollten Kommunen und Volkshochschulen Hausrecht und Teilnahmeverbote sind immer auch Kaucher, Pressesprecherin reagieren, wenn die AfD ihre Räume für öffentliche ein Weg, um andere Teilnehmer zu schützen und auf des Deutschen Volkshoch- Veranstaltungen beansprucht? einer demokratischen Bildungskultur zu bestehen. | schul-Verbandes. dis.kurs 03 | 2018
Kolumne 7 © Foto: CDU / Laurence Chaperon Wann demokratische Bildung, wenn nicht jetzt? Demokratie braucht Demokraten. Demokratie braucht Bildung. Demokratie braucht Anstand. W er dieser Tage Nachrichten im Fernsehen schaut, die Zeitung aufschlägt oder Twitter- Debatten im Netz verfolgt, kann den Eindruck gewin- Demokratiebildung muss sich immer wieder auf Ver- änderungen einlassen. Gesellschaften sind im Wan- del, öffentliche Debatten verschieben sich, technolo- nen: Unsere Demokratie steht vor gewaltigen Her- gischer Fortschritt verändert Rahmenbedingungen. ausforderungen – von innen wie von außen. Zur De- Das alles hat Auswirkungen auf die gelebte Demo- mokratie gehört der Kompromiss, der im Ringen um kratie. Und deshalb muss das alles auch Auswirkun- die richtigen Lösungen gefunden werden muss. Was gen auf die Arbeit der Volkshochschulen haben. passiert, wenn wir gar nicht mehr miteinander reden, Medienbildung ist dabei ein wichtiger Faktor – an- sondern nur noch übereinander? Was passiert, wenn gesichts der wachsenden Bedeutung der Kommuni- gegeneinander gehetzt wird, das Argument des kation im Netz, angesichts der massenhaften Samm- anderen nicht einmal mehr gehört wird und Fake- lung und Auswertung von Daten auch mit dem Ziel News eine sachliche Debatte unmöglich machen? der politischen Einflussnahme. Zur Demokratie gehören transparente Verfahren, die Zeit brauchen. Was passiert, wenn technologischer Die Volkshochschulen haben diese Zeichen der Zeit Fortschritt in einem Tempo vonstattengeht und der erkannt. Programmangebote zur digitalen Verbrau- Eindruck entsteht, dass demokratische Entscheidun- cher-, Politik- und Gesellschaftsbildung finden sich gen dem nur noch hinterherhecheln? Zur Demo- landauf, landab. Die Reihe Smart Democracy greift kratie gehört die Einbindung der Bürgerinnen und Themen einer politischen Medienbildung auf und Bürger. Was passiert, wenn durch Globalisierung Ent- arbeitet mit neuen digitalen Lernformaten. Vor Ort, scheidungen so weit weg von den Bürgerinnen und aber auch über das Netz, kommen Menschen zu- Bürgern getroffen werden, dass sich Gefühle wie Ohn- sammen, um sich zu informieren, sich auszutauschen macht und Ausgeliefertsein immer weiter ausbreiten? und gemeinsam zu diskutieren. Damit werden die Volkshochschulen ihrem Anspruch auch im digitalen Wenn wir die Errungenschaften der Demokratie er- Zeitalter gerecht, wahre Orte des demokratischen halten und für die Zukunft ertüchtigen wollen, müs- Lernens zu sein. sen wir das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und die Lösungskompetenz der Demokratie stärken. Da- für braucht es überzeugte Demokraten. Und diese fallen nicht vom Himmel. Demokratie braucht des- halb Bildung, sie braucht Orte des Einübens und Ler- nens. Die Volkshochschulen in Deutschland verste- Herzlichst hen sich als solche Orte. Ihre Annegret-Kramp-Karrenbauer dis.kurs 03 | 2018
8 Unverzichtbar für gelingende Integration: die Volkshochschulen vor Ort Bundeskonferenz zur Weiterbildung in der Migrationsgesellschaft Von Simone Kaucher F ast ein Viertel der in Deutschland lebenden Interesse der Kunden gleichermaßen bedienen, er- Menschen hat einen Migrationshintergrund. fordern gezielte Planung und besondere Ressourcen. Entsprechende Zahlen veröffentlichte das Sta- Volkshochschulen sollten Menschen in die Lage ver- tistische Bundesamt turnusmäßig Anfang August setzen, mit den vielfältigen Veränderungen in ihrer 2018. Die Zahl der Menschen mit unterschiedlicher Lebenswelt umzugehen. Herkunft und Prägung wächst und mit ihr die gesell- schaftliche Herausforderung, Vielfalt als Chance zu Mit welchen Erwartungen sind Teilnehmerinnen begreifen. Die Volkshochschulen in Deutschland stel- und Teilnehmer zur ersten fachbereichsübergrei- len sich der Aufgabe, die daraus für die Weiterbildung fenden Konferenz nach Hannover gekommen? erwächst. „Vielfalt. Zusammen. Lernen – vhs in der Was nehmen sie mit nach Hause? Migrationsgesellschaft“ lautete der Titel der ersten »Viele tolle Inhalte, Input, nette Kollegen, gute Stim fachübergreifenden Bundeskonferenz. Die Diskussi- mung… Das hat viel Spaß gemacht in Hannover. Danke onen unter rund 350 Vertreterinnen und Vertretern an Michael Guttmann und sein Team hier, danke an den aus Weiterbildung, Wissenschaft, Politik und Zivilge- DVV. Das war super!« sellschaft ergaben: Integration kann nur gelingen, Dr. Philipp Salamon-Menger, vhs Wiesbaden wenn Aufnahmegesellschaft und Zugewanderte sich auf Augenhöhe begegnen. Volkshochschulen Vielfalt im Leitbild und in der können die dafür nötigen Bildungsvoraussetzungen Praxis verankern schaffen und Begegnung organisieren. Es spricht einiges für ein weitgefasstes Verständnis Inzwischen hat sich gezeigt: Deutsch zu lernen und von Vielfalt und Integration: Die Integration und In- eine Vermittlung in Arbeit reichen alleine nicht aus. klusion unterschiedlicher Zielgruppen sollten selbst- Auch kulturelle und politische Bildung spielen eine verständlich im Leitbild der vhs verankert und im wichtige Rolle für die Integration und die Teilhabe Alltag gelebt werden. Die vielfältige Gesellschaft er- am öffentlichen Diskurs. Bei der Beantwortung der fordert innovative Lern- und Diskussionsformate so- Frage, welche Grundkompetenzen in einer vielfälti- wie eine neue Betrachtung vorhandener und benö- gen Gesellschaft nötig sind und wie sie sich auf- und tigter Lerninhalte. Im Fokus der Konferenz stand die ausbauen lassen, wurde deutlich: Angebote, die den Frage, inwiefern fachbereichsübergreifende Ansätze gesellschaftlichen Auftrag „Vielfalt lernen“ und das helfen könnten. Intensiv diskutiert wurden die Chan- Prof. Dr. Klaus Meisel von der Münchner Volkshochschule formuliert seine Vision der Volkshochschule als „integriertes Unternehmen“. dis.kurs 03 | 2018
Hintergrund 9 cen und Risiken der Digitalisierung für eine integrati- Diversity-Management: onsfördernde und inklusive Programmplanung und Strategien im Fokus -entwicklung. Am Beispiel inklusiven Lernens verdeutlichten Do- »Ich habe mir ganz fest vorgenommen, bei der Mitar zentinnen und Dozenten mit Behinderung beim beiterauswahl mehr auf Vielfalt zu achten – hinsichtlich Training die praktische Umsetzung. Im Rahmen ei- Migrationshintergrund, Geschlecht, Alter und Milieu.« ner „Fishbowl-Diskussion“ stellten Expertinnen der Anette Borkel, Hamburger Volkshochschule Landeshauptstadt Hannover, der Universität Bremen und des WDR ihre jeweils eigenen Diversity-Manage- Damit Volkshochschulen Motoren einer gelingen- ment-Strategien vor. Der Leitbild-Experte Dr. Prasad den Integration sein können, müssen sie auch selbst Reddy unterstützte vhs-Vertreterinnen und Vertreter zur Veränderung bereit sein. Um für eine vielfältige darin, das vom Gender- und Diversity-Ausschuss er- Gesellschaft ein modernes Diversity-Management stellte Grundlagenpapier „Diversity-Management an umzusetzen, braucht es Personal, das die gesell- der vhs“ auf die eigene Einrichtung zu übertragen. schaftliche Vielfalt widerspiegelt und interkulturell sensibilisiert ist. Daher standen Grundzüge einer in- »Mir ist klar geworden, dass es für uns noch eine große novativen Organisations- und Personalentwicklung Herausforderung sein wird, die fehlenden Bausteine in im Fokus des ersten Programmpanels. der Bildungsarbeit mit Geflüchteten zu ergänzen. Für die Integration in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft sind zum Beispiel auch Mathematik oder andere klassi Für die Volkshochschule als „integriertem Unterneh- sche Schulfächer relevant.« men“ hatte Prof. Dr. Klaus Meisel von der Münchner Regina Seibel, vhs Main-Taunus-Kreis Volkshochschule folgende Vision: Volkshochschulen entwickeln flexible Netzwerke, in denen Programm- bereiche keine eigene abgeschlossene Organisati- Hervorgehoben wurde auf der Konferenz die Bedeu- onsstruktur sind und stattdessen fachgebietsüber- tung der Volkshochschulen für Integration und sozi- greifend mit flexiblen Methoden und Formaten alen Zusammenhalt in den Städten, Gemeinden und jenseits des klassischen Programmangebots zusam- Landkreisen. Laut wissenschaftlicher Studien verwei- men gearbeitet wird. Sie verfügen über strategische sen Kommunen in Deutschland durchweg auf die Netzwerkpartner in den Kommunen, und jede Mit- mit dem Zuzug Geflüchteter einhergehende stark arbeiterin und jeder Mitarbeiter ist offen, an der Ge- wachsende Zahl der Bildungsangebote vor Ort. Kom- samtentwicklung der Organisation mitzuwirken. munen erkennen, dass Integration zur Regelaufgabe geworden ist. Dank ihrer kommunalen Verankerung »Der Workshop ‚Die Kunst des Scheiterns‘ hat uns das und ihres vielschichtigen Angebots sehen sich Volks- Thema Vielfalt sehr gut verdeutlicht. Wir Teilnehmerin hochschulen bestens in der Lage, eine breite Debatte nen und Teilnehmer haben uns als sehr unterschiedliche über demokratische Werte und gesellschaftlichen Menschen erlebt. Aus der täglichen vhs-Praxis wissen wir, Zusammenhalt zu organisieren. Volkshochschulen dass es wichtig ist, sich auf unterschiedliche Menschen sind vielerorts bereits gut vernetzt – unter anderem und ihren Habitus einzulassen.« Melanie Heine, vhs Castrop-Rauxel mit Wohlfahrtsverbänden und Migrantenorganisati- onen. Im Verbund mit diesen Partnern solle vhs ver- stärkt aktiv auf die Menschen zugehen, so ein Appell aus der Wissenschaft. Im Panel „Kooperation-Netzwerke“ ging es vor allem um die Weiterentwicklung der internen und exter- nen Zusammenarbeit von vhs. Erst durch den schritt- weisen Ausbau des Crossing-overs zwischen den Programmbereichen und durch ein flexibles Agieren in neuen Räumen und mit neuen Kooperationspart- nern können sich die Einrichtungen adäquat positi- onieren und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt Wie gelingt Personal- und Organisationsentwicklung in einer vielfältigen Gesellschaft? Mode- beitragen. Ein die Programmbereiche übergreifendes ratorin Felice Balletta (vhs Fürth, l.) diskutiert in der mit (v.l.) Babet Volkmann (Landeshaupt- stadt Hannover), Dirk Thole (BTC Business Technology Consulting AG), Britta Frielingsdorf Denken und Arbeiten gilt hier als zentrales Zukunfts- (WDR) und Vera Kuenzer (Hochschule Bremen). modell. Im Zentrum steht demnach nicht länger die dis.kurs 03 | 2018
10 »Die Volkshochschulen sind ein wichtiger Akteur der po litischen Bildung. Ich bin total begeistert, dass sie sich aufmachen, diese Rolle wieder zu stärken und in die Kom munalen Netzwerke einzubringen.« Sybille Haußmann, Landkreis Düren, Leiterin des Amtes für Schule, Bildung und Integration das Nachholen von Schulabschlüssen erleichtern, sind auf Länderebene alleine kaum zu herzustellen. Hier ist aus Sicht der Volkshochschulen der Bund stär- ker gefordert. Außerdem bedarf es einer besseren materiellen Ausstattung, um die Volkshochschulen Ein Dank zum Schluss: Bernd Passens (Leiter des Grundsatz- referats beim DVV) bedankt sich bei Dr. Rahel Stoike-Sy, die für die Herausforderungen der Migrationsgesellschaft beim DVV für die Organisation der Konferenz verantwortlich zu rüsten: Räume und Konzepte müssen für eine viel- zeichnete. fältige Gesellschaft angepasst werden. Dringend ge- boten ist auch der Ausbau der digitalen Infrastruktur, fachliche Zuständigkeit der Mitarbeitenden, sondern um durch die Kombination von Präsenzkursen und die kompetenzorientierte Organisation. Online-Angeboten differenziertes Lernen zu fördern. Neue Kooperationspartner »Ich bin mit der Erwartung hierhergekommen, neue An regungen zu erhalten, wie wir in der vhs-Praxis die Integ finden und gewinnen ration nach dem Sprachkurs weiter befördern können.« Daneben ging es im Kooperationslabor um die An- Christian Ziege, vhs Jena bahnung strategischer Zusammenarbeit, so beispiels- weise im Workshop „ABCami: Alphabetisierung und Grundbildung an Moscheen – Wege der Zusammen- »Die Frage des Umgangs mit der AfD beschäftigt mich arbeit“. Einigkeit herrschte darin, dass sich die Aufga- sehr, und ich fände es gut, wenn wir diese Frage nicht nur ben seit dem Jahr 2015 verschoben haben. Heute als Thema der politischen Bildung begreifen, sondern uns stehen aus Sicht der Kommunen nicht mehr Fragen fachbereichsübergreifend vernetzen.« Doris Dieckmann, vhs Köln der Erstversorgung im Mittelpunkt. Vielmehr geht es darum, Geflüchtete in die Gesellschaft zu integrieren. Das erste Feedback während und nach der Konferenz Nicht nur im Osten, sondern auch in gut situierten hat gezeigt, dass die ganzheitliche Betrachtung ge- Vierteln in westdeutschen Städten nehmen dabei sellschaftlicher Großthemen gut angekommen ist. Vorbehalte innerhalb der Aufnahmegesellschaft zu. Sicherlich wird daher die erste fachbereichsübergrei- Volkshochschulen können und müssen hier – so fende Konferenz nicht die letzte gewesen sein. | die Meinung von Experten – als Zentren des politi- schen Diskurses eine noch stärkere Rolle spielen. Ob der Diskurs dabei auch mit Vertretern der AfD ge- führt werden sollte, beantworteten die am Podium beteiligten Kommunalvertreter unterschiedlich. Zu- stimmung fand der Rat aus der Wissenschaft, diese Debatte auf eine unverrückbare Anerkennung der Menschenrechte zu gründen. Auch müssten die in Deutschland geltenden Werte eines demokratischen Gemeinwesens als unverrückbare Grundlage des Zu- sammenlebens verstanden werden. Moderator Andree Pfitzner (2. V. l.) im Gespräch mit Sybille Nicht zuletzt formulierten die vhs auf der Bundeskon- Haußmann (Leiterin des Amtes für Schule, Bildung und Integ- ration im Landkreis Düren) Götz Ulrich (Landrat Burgenland- ferenz auch Forderungen an die Politik: Geschlossene kreis und Vorsitzender des Landesverbandes der Volkshoch- Bildungsketten, die neben Alphabetisierungs- und schulen Sachsen-Anhalt) und Prof. Dr. Roland Roth (Professor Simone Kaucher ist Presse- Sprachkursen sowie beruflicher Qualifizierung auch für Politikwissenschaft). sprecherindes DVV. dis.kurs 03 | 2018
Hintergrund 11 Neuorientierung in Zeiten von Digitalisierung, Globalisierung und Polarisierung 54. Bundeskonferenz mittelstädtischer und regionaler Volkshochschulen nehmenden stellt die Volkshochschulen vor große Ausblick: Herausforderungen. Immer wichtiger werden inno- Die 55. Bundeskonferenz der mittelstädtischen und vative Lernangebote, die zeitnah auf neue Themen regionalen Volkshochschu- und Trends eingehen und bei denen sich die Teilneh- len findet vom 17.–19. Mai menden aktiv mit dem Gelernten auseinandersetzen 2019 in Rosenheim am Inn können. Durch die digitalen Lernmedien haben sich statt. Auskunft: Ewald Gaden, die didaktischen Möglichkeiten stark erweitert. Nun vhs Speyer. gilt es, neue Lernkonzepte und -formate zu schaffen, die diese didaktischen Innovationen integrieren und hinsichtlich Ort und Zeit für Lernende attraktiv sind. Auch abseits der Vorträge wurden die zukünftigen Herausfor- derungen für die vhs diskutiert. Informelles Lernen mit neuen Lernformen Während der Tagung wurde darüber debattiert, Von Ewald Gaden und Susanne Scharschmidt dass in der Weiterbildung das informelle Lernen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dabei wird D igitalisierung verändert die Welt grundlegend. nicht gezielt, bewusst und organisiert gelernt, son- Auch, wie und wo wir lernen und uns dazu dern nebenbei durch Handlungen und Tätigkeiten. online vernetzen, verändert sich. Das Lernen In Zukunft wird es wichtiger, die Verbindung von wird individueller und mobiler. Dementsprechend formalem und informellem Lernen mittels neuer ist die Arbeit in den Volkshochschulen einem starken Lernformen zu nutzen. Volkshochschulen bieten al- Wandel unterzogen. Diesen Konsens teilten auch len Menschen Bildungsangebote passend zu ihrem über 100 Gäste der 54. Bundeskonferenz mittelstädti- Lern- und Bildungsstand und ermöglichen damit ge- scher und regionaler Volkshochschulen, die vom 14.– sellschaftliche und politische Teilnahme. Erforderlich 16. Mai 2018 in der Landeshauptstadt Erfurt tagte. ist hierfür, dass neue Konzepte für innovative Lehr- und Lernformate entwickelt, Methoden erprobt und Mitarbeitende weiter qualifiziert werden. vhs müssen sich neu orientieren Thema der Bundeskonferenz war die Neuorientierung „Hierfür eignen sich weniger die klassischen Vorträge, der Volkshochschulen in Zeiten von Digitalisierung, eher zum Beispiel Bürgerdialoge“, so der Bundeskon- Globalisierung und Polarisierung. Die Teilnehmenden ferenz-Vorsitzende Ewald Gaden in einem Interview. diskutierten, auf welche Weise die kommunalen Wei- Die Bürgerdialoge sind ein Format, das neue Per- terbildungszentren stabil weiterzuentwickeln sind, sonenkreise und neue Formate direkt in den Stadt- inwiefern die Demokratie zu stärken ist und welche teilen anspricht. Bedarfsgerechte Angebotsformen neuen Methoden in der Erwachsenenbildung die ge- werden zukünftig durch verschiedene Akteure in ei- sellschaftliche Teilhabe für alle ermöglichen. Wichtig nem Akteurs-Netzwerk angeboten. Kooperationen Ewald Gaden ist Leiter war dabei der Austausch zwischen Referenten und zu Schulen, Vereinen und Verbänden werden immer der vhs Speyer und den Teilnehmenden von vhs aus ganz Deutschland. wichtiger werden, um verfügbare Ressourcen vor Ort Vorsitzender der Bundes- Ziel der Bundeskonferenz war, Ideen zu entwickeln, effektiv zu nutzen. Zudem ist es notwendig, den Zu- konferenz mittelstädtischer Volkshochschulen. wie vhs in ihrer Rolle als wohnortnahe Anbieter für gang zu Weiterbildung zu erleichtern, um eine op- Susanne Scharschmidt ist Weiterbildung und als Treffpunkt für Bürgerinnen timale Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern aller Bereichsleiterin Politik – und Bürger gestärkt werden können. Die zuneh- Altersgruppen an einer zukünftigen Wissensgesell- Gesellschaft – Umwelt an mende Flexibilität und Mobilität der potenziellen Teil- schaft in sozialer Verantwortung zu garantieren. | der Volkshochschule Erfurt dis.kurs 03 | 2018
12 Präventionsarbeit stärkt Resilienz gegenüber religiösem Extremismus Neues Projekt zur Radikalisierungsprävention im DVV Im Interview mit dis.kurs stellen die DVV-Referen- ten Adriane Schmeil und Thomas Praßer ein neues Projekt der politischen Jugendbildung vor. | „Prävention und Gesellschaftlicher Zusammen- halt“ – was verbirgt sich dahinter? Schmeil: „Prävention und Gesellschaftlicher Zusam- menhalt“ ist ein neues Projekt, das am 1. Mai 2018 im Deutschen Volkshochschul-Verband startete und durch Mittel des Bundesministeriums für Familie, Se- nioren, Frauen und Jugend gefördert wird. Beim DVV ist es angesiedelt im Bereich der Politischen Jugend- Auf dem 23. Deutschen Präventionstag am 11. und 12. Juni in Dresden stellten die DVV-Refe- bildung und hat zum Ziel, innerhalb des Verban- renten Adriane Schmeil und Thomas Praßer das Projekt erstmals der Fachöffentlichkeit vor. des und an den Volkshochschulen eine Kompetenz im Bereich der Präventionsarbeit aufzubauen. Dem übergeordnet soll ein Netzwerk zu anderen Trägern Schmeil: Gerade weil wir uns im Bereich der primä- der politischen Jugendbildung und zu Akteuren der ren Vorbeugung bewegen, gibt es inhaltlich viele Präventionsarbeit entstehen. Schnittstellen zur Arbeit der vhs. Sowohl Angebote der Politischen Jugendbildung als auch der kulturel- Praßer: Mit dem Projekt bewegen wir uns im Feld len Bildung kann man als Handlungsfelder der Prä- der Prävention religiös-politisch motivierter Radi- ventionsarbeit sehen. Dort werden Kompetenzen kalisierungen und sind angeschlossen an das Nati- gestärkt, die Jugendliche resilient gegenüber An- onale Präventionsprogramm gegen islamistischen sprachen von salafistischen Gruppen machen. Eine Extremismus (NPP). Dieses Programm wurde von der Veranstaltung zur Demokratiebildung, ein Kurs zur Bundesregierung im Jahr 2017 ins Leben gerufen, Auseinandersetzung mit Identitäten und Zugehörig- um islamischem Extremismus mit Präventions- und keiten oder auch zum ehrenamtlichen Engagement Repressionsmaßnahmen zu begegnen. in einer kulturellen Einrichtung – das alles bewirkt, dass extremistische Ansprachen weniger attraktiv auf | Wo gibt es bei Präventionsarbeit Schnittmengen die Jugendlichen wirken, weil sie in ihrer Handlungs- zur Arbeit der Volkshochschulen? kompetenz gefördert und in ihrer Persönlichkeitsent- wicklung – ihrem Empowerment – gestärkt werden. Praßer: Volkshochschulen verfügen über wertvolle Zugänge zu Jugendlichen – sowohl mit als auch | Warum stellt das Projekt eine Verbindung her ohne Migrationshintergrund – zum Beispiel in Lehr- „Religiöse Radi- zwischen Radikalisierungsprävention und gesell- gängen zum Nachholen von Bildungsabschlüssen, in kalisierung und schaftlichem Zusammenhalt? Sprach- und Integrationskursen oder auch im Bereich mangelnder gesell- der kulturellen und politischen Bildung. Im Sinne pri- Praßer: Religiöse Radikalisierung und mangelnder schaftlicher Zusam- märer Präventionsarbeit wollen wir über diese An- gesellschaftlicher Zusammenhalt sind oft zwei Seiten gebote möglichst viele Jugendliche erreichen, ohne menhalt sind oft derselben Medaille. Zum einen gefährden natürlich dabei Gruppen auszuschließen oder vermeintlich ge- zwei Seiten der- Radikalisierung selbst und die daraus hervorgehen- fährdete Jugendliche besonders in den Blick zu neh- selben Medaille.“ den Ereignisse – schlimmstenfalls Terroranschläge men und damit zu stigmatisieren. Thomas Praßer – den gesellschaftlichen Frieden. Auf der anderen dis.kurs 03 | 2018
Hintergrund 13 Seite entstehen Hinwendungsmotive zu einer Ra- Praßer: Uns ist wichtig, dass das Angebot für vhs Fachaustausch zur Radi- dikalisierung häufig auch erst, wenn Personen Des- in Zukunft stetig wächst. In 2018 befinden wir uns kalisierungsprävention integrationserfahrungen innerhalb der Gesellschaft noch in der Konzeptions- und Erprobungsphase. In Am 21. und 22. Novem- ber 2018 laden der DVV machen. Insofern kann man Präventionsarbeit dann dieser Zeit arbeiten wir zunächst nur mit einigen und die vhs Aachen zum auch weiterdenken, zum Beispiel im Sinne von Anti- ausgewählten vhs zusammen. Mit Fortführung des Fachaustausch „Radika- Diskriminierungsarbeit oder der Ermöglichung von Projekts im nächsten Jahr wollen wir die Unterrichts- lisierungsprävention im Bildungsangebot der Volks- gesellschaftlicher Teilhabe. einheiten ergänzen, mehr Teilnehmende für die hochschulen“ ein. Train-the-Trainer-Schulungen gewinnen und weitere Der Fachaustausch soll Wir sind uns im Klaren darüber, dass wir uns mit dem Kooperationen mit Volkshochschulen eingehen. Au- Projekten der Radikalisie- Projekt in einem politisch und gesellschaftlich hoch- ßerdem ist eine Publikation in Form einer Online-Off- rungsprävention, Trägern der politischen Jugendbil- sensiblen Themenfeld bewegen. Umso wichtiger ist line-Broschüre geplant, die einen Überblick über die dung und Volkshochschu- es, dass wir uns als Träger der politischen Jugendbil- verschiedenen Aspekte des Projekts gibt und erste len die Möglichkeit geben, dung der Präventionsarbeit und dem gesellschaft- Erfahrungsberichte der Erprobung der Unterrichts- in einen konstruktiven Fachdialog einzutreten. lichen Zusammenhalt widmen. In Form von Radi- einheit einschließt. Es sollen gemeinsame kalisierungsprävention ebenso wie innerhalb der Potenziale und Synergien Querschnittsaufgabe Integration. | Der Aufbau eines Netzwerkes gehört ebenfalls zu hinsichtlich Formen und den Zielen des Projektes. Gibt es bereits Planungen Formaten der Zusammen- | Mit welchen Maßnahmen will das Projekt die zur Kooperation außerhalb der Volkshochschulen? arbeit, Arbeitsmethoden, Handlungspraxen und Volkshochschulen konkret unterstützen? Beratungsbedarfen erörtert Schmeil: Es gibt eine Vielzahl an Projekten und Ak- und „Best-Practice”-Bei- Schmeil: Zum einen möchten wir pädagogische teuren in der Präventionsarbeit. Um den Volkshoch- spiele der Präventionsarbeit vorgestellt werden. Fachkräfte für den Themenbereich der Prävention schulen einen ersten Überblick zu verschaffen, veran- Die Teilnahme an der sensibilisieren und ihnen didaktische Herangehens- stalten wir zunächst am 21. und 22. November 2018 Veranstaltung ist kosten- weisen an die Hand geben. Hierfür entwickeln wir einen zweitägigen Fachaustausch in der vhs Aachen. frei. Bei Interesse wenden derzeit ein Konzept für eine Fachtagung, welches Hier wollen wir Kompetenzen zusammenbringen Sie sich an die Projektre- ferenten Thomas Praßer wir im Rahmen einer Konzeptionswerkstatt zunächst und dabei natürlich auch Synergien entwickeln. (prasser@dvv-vhs.de) oder mit Mitarbeitenden aus Volkshochschulen und Kol- Adriane Schmeil leg*innen aus dem Verband diskutieren wollen. Für Praßer: Geplant ist außerdem eine Ausweitung der (schmeil@dvv-vhs.de). das Jahr 2019 ist dann die Durchführung der auf dem Zusammenarbeit mit den Jugendmigrationsdiens- Konzept fußenden Fachtagung geplant. ten, mit denen viele Volkshochschulen in anderen Be- reichen bereits kooperieren. Sozialarbeiterinnen und Zum anderen entwickeln wir Unterrichtseinheiten Sozialarbeiter der Jugendmigrationsdienste führen für den Einsatz in vhs-Kursen. Hierbei fokussieren wir – ebenfalls innerhalb des Bundesprogramms gegen die thematischen Schwerpunkte „Digitale Lebenswel- islamischen Extremismus – Präventionsangebote an ten“, „Zugehörigkeiten und Identitäten“ sowie „Politik Regelschulen durch. Zukünftig sollen sie dabei auf und Gesellschaft“. Die Unterrichtseinheiten werden breiter Basis auch auf die Unterstützung durch Volks- so konzipiert, dass diese flexibel in unterschiedlichen hochschulen zurückgreifen können. Innerhalb des Kurskontexten Anwendung finden können. Bei Bedarf Projekts möchten wir entsprechende Kooperationen können einzelne Elemente einer Unterrichtseinheit – vor Ort bundesweit koordinieren und ausbauen. Den im Sinne eines Baukastenprinzips – entnommen und Volkshochschulen selbst entstehen bei dieser Koope- in das jeweilige Kursangebot eingebaut werden. ration keine zusätzlichen Kosten. In 2018 möchten wir zunächst eine Unterrichtsein- | Würden Sie den Volkshochschulen zu diesem Zeit- heit in Zusammenarbeit mit vhs-Kursleitenden in der punkt gerne noch etwas mit auf den Weg geben? Praxis erproben. Diesen Prozess begleiten wir mit ei- ner Train-the-Trainer-Schulung, in der neben der Un- Praßer: Radikalisierungsprävention ist für viele Volks- terrichtseinheit vor allem Hintergrundinformationen hochschulen ein neues Arbeitsfeld und sicherlich in zu Radikalisierung, Extremismus und Präventionsar- vielerlei Hinsicht ein sensibles Thema. Wir glauben je- beit vermittelt werden, um die Kursleiterinnen und doch, dass wir mit primärer Präventionsarbeit einen Kursleiter für das Themenfeld „fit“ zu machen. Die wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusam- tatsächliche Erprobung der Unterrichtseinheit wird menhalt leisten können. Deswegen wünschen wir Die Fragen stellte Sabrina dann ebenfalls durch uns begleitet und im Anschluss uns, dass wir zukünftig über die Angebote der Volks- Basler, Juniorreferentin in der zusammen mit den Kursleitenden evaluiert. hochschulen viele Jugendliche erreichen werden. | dis.kurs-Redaktion. dis.kurs 03 | 2018
14 Verbände und Volkshochschulen sichern gemeinsam Seriosität und Aktualität des Angebots SPIEGEL-Kritik am Gesundheitsprogramm der Volkshochschulen greift zu kurz Von Dr. Hermann Huba D ie Volkshochschulen genießen in der Bevöl- erarbeiteten Grundsätze und Leitlinien respektieren kerung sehr großes Vertrauen. Dieses zu er- und umsetzen muss. Dazu gehören die oben aus- halten, erfordert ihr ständiges erfolgreiches zugsweise wiedergegebenen Seriositätsregeln mit Bemühen um seriöse Informations- und Bildungs- konkreten Hinweisen zur Programmplanung, die angebote auch und gerade in Fachgebieten, in de- durch eine Arbeitsgruppe, selbstverständlich unter nen Sinn- und Weltanschauungsfragen, psychische Beteiligung der Volkshochschulen, ständig aktuali- Aspekte und Gesundheitsfragen eine wesentliche siert werden. Rolle spielen. Zentral für ein seriöses Angebot sind drei Prinzipien: Auf der Grundlage dieser Satzungsverpflichtung prüfte der Verband in den Jahren 2012, 2015 und ·· Das Kontroversitätsgebot: Was in der Wissenschaft 2018 die Programme aller baden-württembergi- und in der öffentlichen Diskussion umstritten ist, schen Volkshochschulen auf die Einhaltung seiner muss in der vhs-Veranstaltung auch als kontrovers Seriositätsregeln. Selbstverständlich sind diese Mo- erscheinen. nitorings mit zahlreichen Rückfragen bei den Volks- ·· Das Überwältigungsverbot: Persönliche Überzeu- hochschulen verbunden, weil den Ausschreibungs- gungen und subjektive Gewissheiten von vhs-Mit- texten Inhalt und Didaktik der Veranstaltung nicht arbeitenden und Kursleitenden dürfen nicht als immer vollständig zu entnehmen sind. objektive Wahrheiten verkündet werden. Dabei hilft die Frage: Wer bietet was mit welchem Inte- Andererseits stehen der Öffentlichkeit in aller Regel ja resse an? auch nur diese, die Veranstaltungen ankündigenden ·· Das Therapieverbot: Bildungsveranstaltungen las- Texte zur Verfügung. Deshalb müssen sie besonders sen keinen Raum für Therapie und ersetzen The- sorgfältig formuliert werden und die Erwartungen rapien nicht. potenzieller Teilnehmenden präzise auf die Veranstal- tung einstellen. Auch das gehört zur Seriosität und Nur unter Beachtung dieser drei – zusammenhän- damit zur Qualität des vhs-Angebots. genden – Prinzipien werden die Volkshochschulen ihrem öffentlichen Auftrag gerecht, ihre erwachse- Wie inhaltliche Abweichungen von den Seriositäts- nen Teilnehmenden – ganz in der Tradition der Auf- regeln werden deshalb auch missverständliche Aus- klärung – zu informierten eigenen, freien und ver- schreibungstexte schriftlich beanstandet. Obwohl Seriosität verlangt antwortlichen Entscheidungen zu befähigen. Die diese beanstandenden Schreiben sehr konkret und Entscheidungen sollen den Teilnehmenden nämlich nicht den Verzicht deutlich formuliert sind, werden sie von den Volks- nicht abgenommen werden. Mission ist nicht der auf Aktualität, son- hochschulen nach anfänglicher Skepsis längst nicht Auftrag der Volkshochschule, entspricht nicht ihrer dern die angemes- mehr als unangemessene Einmischung empfunden. Praxis und nicht ihrem Selbstverständnis. sene, begleitende Sie treffen vielmehr auf großes, ja größtes Verständnis, Kommunikation weil sich die Gemeinschaft der Volkshochschulen in der Neuheit, des Baden-Württemberg von unseriösen vhs-Angeboten Gemeinsame Sicherung der Seriosität noch nicht Bewähr- konsequent distanziert. Genau das wäre im Fall eines Die Gestaltung eines seriösen vhs-Programms liegt fortgesetzten Verstoßes gegen die Seriositätsregeln ten und Geprüften zunächst in der Verantwortung der einzelnen vhs auch die schärfste Sanktion: Der zunächst informelle als selbständige Einrichtung. Die Gemeinschaft der des neuen Inhalts Ausschluss aus der vhs-Gemeinschaft durch öffent- Volkshochschulen in Baden-Württemberg hat dane- im Ankündigungs- liche Distanzierung von diesem Angebot und dann ben in der Satzung ihres Verbandes festgelegt, dass text und in der letztlich aber auch der aufgrund der Satzung mögli- jede Mitgliedsvolkshochschule in ihrer Arbeit diese Veranstaltung. che formelle Ausschluss aus der Gemeinschaft. Einen dis.kurs 03 | 2018
Hintergrund 15 solchen Fall hat es in den vergangenen sechs Jahren nämlich einen Anspruch darauf, in erschwinglicher freilich noch nicht annähernd gegeben. Auch eine Weise gerade auch über neue, noch umstrittene Ent- derart konsequente Distanzierung von wiederholten wicklungen auch im Gesundheitsbereich informiert unseriösen Angeboten wäre indessen gerechtfertigt, zu werden, um sich in der öffentlichen Diskussion weil bereits ein öffentlich breit diskutiertes unseriö- wie in der persönlichen Gesundheitsfürsorge orien- ses vhs-Angebot sehr lange gegen alle Einrichtun- tieren und positionieren zu können. gen wirken kann und die Reputation der Institution in Politik und Öffentlichkeit nachhaltig beschädigt. Seriosität und Aktualität können zuweilen schwer vereinbar sein, einen kategorialen Gegensatz bilden Rationalität des Neuen sie aber nicht. Seriosität verlangt nicht den Verzicht auf Aktualität, sondern die angemessene, beglei- Andererseits darf man das Kind auch nicht mit dem tende Kommunikation der Neuheit, des noch nicht Bade ausschütten. Zwar unterstellt der SPIEGEL in Bewährten und Geprüften des neuen Inhalts im An- seiner angeblichen Enthüllung (vom 18.8.2018) über kündigungstext und in der Veranstaltung. Deshalb das die Bevölkerung verdummende vhs-Gesund- ist es schon jenseits der maßlosen Übertreibung, heitsangebot, die Volkshochschulen handelten bei wenn Edzard Ernst in dem zitierten SPIEGEL-Arti- ihren alternativmedizinischen Angeboten aus Hab- kel den Untergang des Abendlandes mit den Wor- gier, wenn er von der Gesundheitsbildung als „Geld- ten beschwört, wissenschaftlich fragwürdige Kurse maschine“ spricht. Aber das ist einem insgesamt würden das rationale Denken untergraben und mit oberflächlichen Blick geschuldet. Der Informations- dem Verlust unserer Rationalität gehe „wirklich alles und Bildungsauftrag der Volkshochschule lässt es in die Brüche“. Denn er übergeht die Rationalität des Dr. Hermann Huba ist Direk- vielmehr schlicht nicht zu, sich ausschließlich auf An- Neuen, des im Entstehen Begriffenen, des noch Un- tor des Volkshochschulver- gebote zu beschränken, die wissenschaftlich und ge- fertigen, über das gerade eine aufgeklärte Bevölke- bandes Baden-Württemberg sellschaftlich „ausgepaukt“ sind. Die Bevölkerung hat rung mitsprechen können will und muss. | e. V. Anzeige Sprachliche Bildung • Digitales Lernen • Kulturaustausch • Auslandsaufenthalte Neue Lehrmethoden • Weiterbildung • u.v.m. 16. – 17. November 2018 10 – 18 Uhr • RHWK • Friedrichstraße 176 – 179 • Berlin (Mitte) • Französische Straße Freikarten unter www.expolingua.com dis.kurs 03 | 2018 Schirmherrschaft Medienpartner EXPOLINGUA @ExpolinguaB expolingua
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