VHS-Tag 2016: Fulminanter Aufbruch - Verbandsmagazin des Deutschen Volkshochschul ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
ISSN 1611-6712 ISSN | 21. 1611-6712 Jahrgang| 23. | Preis 6,50 E || www.dvv-vhs.de Jahrgang Ausgabe 3/2016 Das Magazin des Deutschen Volkshochschul-Verbandes e. V. VHS-Tag 2016: Fulminanter Aufbruch „Einstieg Deutsch“: Digitale Teilhabe: Gelungener Start Impulse aus der Politik
t! n en Hef tio em Mit den m a s f or die r In e in eh g M eila nd e rB richtigen Tools i mehr Zeit für das Wesentliche! E-Mail-Marketing | Online-Publishing digitale Lerninhalte | Feedback -Tools Roadshow Herbst 2016 27. September in Berlin vhs360° 28. September in Augsburg Jetzt anmelden auf vhs360.de!
Ed i t o r i al Liebe Leserin, lieber Leser, mit der vorliegenden dis.kurs-Ausgabe wollen wir noch einmal die Erinnerung an den Volkshochschultag wachrufen. Die Nachlese vermittelt in Texten und Bildern etwas von der mitreißenden Dynamik, die entstanden ist aus dem Zusammentreffen Hunderter hoch motivierter Kolleginnen und Kollegen aus den Volkshochschulen und den Verbänden sowie den vielen Gästen aus dem In- und Ausland, die den Austausch fachlich und auch menschlich bereichert haben. Persönlich bin ich sehr stolz auf mein Team, das den Volkshochschultag in Eigenregie professionell organisiert und damit zu einem echten Meilenstein auf unserem Weg in ein digitales Zeitalter der Weiterbildung gemacht hat. Der Volkshochschultag hat uns verdeutlicht, welche Strahlkraft wir entwickeln können, wenn wir unser Know-how, unsere Erfahrungen und unsere Begeisterungsfähigkeit bündeln. Mit diesem Spirit hat der Volkshochschultag auch dazu beige- tragen unsere Beziehungen zur Politik, zu den kommunalen Spitzenverbänden und in die Wirtschaft und Wissenschaft hinein zu vertiefen und zu festigen. Das wird uns sehr helfen. Denn die nächsten Anlässe stehen unmittelbar bevor. Beim IT-Gipfel der Bundesregierung im November in Saarbrücken werden wir die Gelegenheit suchen, die Perspektive der Weiterbildung einzubringen. Wir wollen uns als starker Partner empfehlen, wenn es um breite gesellschaftliche Teilhabe am digi- talen Wandel geht. Hohe Fachlichkeit kombiniert mit besonderem Engagement kennzeichnen die Volkshochschulen auch im Bereich der Bildung und Integration von geflüchteten Menschen. Hier haben wir mit der Anhebung des Mindesthonorars für die Lehrkräfte im Integrationskurs einen wichtigen Teilerfolg erzielt. In weiteren Verhandlungen wird es nun darum gehen, die Volkshochschulen auch strukturell für diese große Herausforderung zu stärken. Seien Sie gewiss, dass uns der Erfolg des Volkshochschultags ein Ansporn und kein Ruhekissen ist. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre. Ihr Ulrich Aengenvoort dis.kurs 3/2016
Die Cloud-Lösung für Bildungsanbieter ... mehr als nur eine Verwaltungsoftware Chat ‹ › interne Kommunikation ermöglicht Telefonie ‹ › Livestreaming Video-Conferencing ‹ › Onlineberatung Bildschirmübertragung ‹ › Onlinekurse Startseite Programm Kontakt anmelden Volkshochschule Musterstadt 14:44 Mit dieser Technologie können Veranstaltungen direkt im Browser und ohne zusätzliche Software online durchgeführt werden. 14:45 cmxOrganize ermöglicht Telefonie, Video- conferencing und Chat. 14:47 Außerdem können Bildschirminhalte übertragen werden. Name, Vorname Name, Vorname Nachricht hier eingeben � Senden Name, Vorname Name, Vorname rierter eg nett- Das neue int cmxKonzepte GmbH & Co. KG Altusrieder Str. 17 n t e I ftritr D-87764 Legau +49 8330 21378-00 au VHS-live-Konzept a di +49 8330 21378-29 soc e ial-m info@cmxkonzepte.de www.cmxkonzepte.de ohne zusätzliche Software
In h alt sve rze ic h n is AKTUELL Raus aus der Nische, rein in vernetztes Denken Ulrich Aengenvoort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Volkshochschulen: Vielfalt von Aachen bis Zwickau Dr. Beate Blüggel und Dr. Michael Lesky . . . . . . . . . . . . . . 8 VOLKSHOCHSCHULTAG Volkshochschulen haben das Ohr am Puls der Zeit Von Bauchschmerzen und Bananen Bundespräsident Joachim Gauck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Claudia Zanker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Bundesminister zu Gast bei Volkshochschulen Perspektiven schaffen durch Sascha Rex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Bildung und digitale Teilhabe Bundesminister Dr. Gerd Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Kommt die digitale Bildungsrevolution? Forum 1: Dr. Christoph Köck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 REPORT Smart City und Smart Country Forum 2: Christoph Jost . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Kulturelle Bildung braucht (Frei-)Räume Dr. Julia Gassner und Markus Bassenhorst . . . . . . . . . . . 59 Zwischen German Angst und Euphorie Forum 3: Bernd Passens und Jens Kemmer . . . . . . . . . . . . . 24 Digital – global – inclusive PRAXIS Forum 4: Esther Hirsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Durchblick im Dschungel der Unser digitales Ich Yoga-Angebote Forum 5: Michael Thiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Brigitte von Dungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 VHS von morgen Lernen, um zu bleiben Forum 6: Sascha Rex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Katrin Wartenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 „Die Chancen der Digitalisierung gemeinsam entwickeln und gestalten“ TELC NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann im Interview . . . . . 34 Lehrwerk und Test aus einer Hand Ein starkes Signal nach innen und außen Dr. Tullia Santin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Annegret Kramp-Karrenbauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Mit Schwung die digitale Zukunft gestalten GRIMME-INSTITUT Dr. Ernst Dieter Rossmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Politisches Engagement und unterhaltende Der lange Weg zur digitalen Gerechtigkeit Wissensvermittlung Andre Damon, Lin Helme und Farrell Hunter . . . . . . . . . . . . 44 Vera Lisakowski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Gelebte digitale Teilhabe Politische Partizipation Jugendlicher Magda Langholz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 medial fördern Digitaler Wandel erfasst die Volkshochschulen Cathrin Bengesser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Frauke Bilger und Alfred Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 VHS-Tag setzt fulminantes Startsignal SERVICE Stefan Will . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Lernportal fördert Spracherwerb und Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 interkulturellen Austausch Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Claudia Burkhardt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3
A k tue ll Raus aus der Nische, rein in vernetztes Denken Sprachförderung für Geflüchtete Von Ulrich Aengenvoort dings sind die Maßnahmen nicht ausreichend aufeinander abgestimmt, teilweise stehen sie A ls 2015 mehr als eine Million Flücht- sogar in Konkurrenz zueinander. Dieser Zustand linge nach Deutschland kamen, richte- ist untragbar: Aus den vorhandenen Sprachför- ten Volkshochschulen innerhalb kurzer derinstrumenten muss nun endlich eine kohä- Zeit Sprachkurse ein mit dem Ziel einer ersten rente Sprachförderkette entwickelt werden, die sprachlichen Orientierung. Ab November waren Geflüchtete – und zwar zunächst alle – bereits Volkshochschulen das quantitative und qualita- wenige Tage nach der Ankunft in Deutschland tive Rückgrat des allgemeinen Sprachförderpro- eingliedert, ihnen das Erreichen eines Grund gramms der Bundesagentur für Arbeit. Parallel niveaus zur sprachlichen Teilhabe ermöglicht Über den Autor bauten sie ihr Angebot an Integrationskursen und bei jenen mit guter Bleibeperspektive bis Ulrich Aengenvoort ist massiv aus, denn die Bundesregierung schätzte zur vollständigen sozialen und beruflichen Inte- Direktor des Deutschen Volkshochschul-Verbandes Fotos: Nola Bunke die Teilnehmerzahl für 2016 auf rund 550.000. gration reicht. Flüchtlinge müssen nach ihren in- Wie stellt sich die Situation heute – ein Jahr spä- dividuellen Voraussetzungen und Möglichkeiten ter – dar? Was wurde erreicht und was muss vor die Sprache zielgerichtet lernen können. Dies allem noch getan werden? setzt eine vorherige Anamnese des Bildungs- und Lernstands und eine flächendeckende Ein- stufungs- und Bildungsberatung ebenso voraus Sprachförderprogramme verlinken wie eine gute pädagogische Betreuung und Für Geflüchtete steht heute eine beeindru- Begleitung während des Lernprozesses inmitten ckende Vielfalt an Landes- und Bundesprogram- reibungslos ineinandergreifender Elemente der men zur Sprachförderung zur Verfügung. Aller- Sprachförderkette. 4 dis.kurs 3/2016
© Thinkstock/iStock/Rawpixel Ltd Neu! Der ideale Einstieg Erste Schritte plus Neu Einstiegskurs in Integrationskurse! Kursbuch ISBN 978–3–19–371911–9 € 10,- App kostenlos erhältlich im App Der Einstiegskurs führt lernungewohnte Kursteilnehmer/innen an die Arbeit mit Store oder im Google Play Store Schritte plus Neu heran und ist besonders geeignet als Einstieg in Integrations- Audio-CD kurse sowie für die neuen Kurse „Einstieg Deutsch“: ISBN 978–3–19–391911–3 € 14,99 Trainingsbuch ▶ sprachliche Vorbereitung auf einfache Alltagssituationen ISBN 978–3–19–401911–9 € 6,- ▶ erster Einblick in Wortschatz, Redemittel und Grammatik ▶ strukturierter und systematischer Einstieg in die deutsche Sprache ▶ macht mit gängigen Aufgaben- und Übungstypen vertraut ▶ ansprechendes Layout mit vielen Fotos und Illustrationen ▶ inklusive kostenloser App, mit der die Hörtexte auf dem Smartphone abgerufen werden können ▶ zusätzliches Trainingsbuch für die selbständige Arbeit zu Hause ▶ kostenlos im Lehrwerkservice unter www.hueber.de/erste-schritte-plus-neu: Lehrerhandbuch, Kopiervorlagen sowie die Hörtexte als MP3-Download Weitere Infos unter Hueber Verlag Tel.: +49 (0)89 9602-9603 Baubergerstraße 30 Fax: +49 (0)89 9602-286 www.hueber.de/erste-schritte-plus-neu 80992 München E-Mail: kundenservice@hueber.de Deutschland www.hueber.de
A k tue ll Die Verzahnung muss nicht bei null anfangen. norarkräfte in Integrationskursen qualifikationsad- Mit dem neuen „Gesamtprogramm Sprache“ will äquat bezahlt werden, ihre Abwanderung in den die Bundesregierung ab 2017 sicherstellen, dass Schulbereich gestoppt und neue Lehrkräfte für das Sprachenlernen frühzeitig um Elemente be- Integrationskurse gewonnen werden können. ruflicher Bildung ergänzt wird. Dies ist sicherlich sinnvoll für neu Angekommene, die schnell in Arbeit und Beruf integriert werden wollen, aber » Aus den vorhandenen Sprachförderinstrumen- ten muss nun endlich eine kohärente Sprachför- auch sinnvoll für viele schon länger in Deutsch- land lebende Zuwanderer, deren Beteiligung vor derkette entwickelt werden. « allem an Maßnahmen zur betrieblichen Weiter- bildung viel zu gering ist. Gleichwohl bedarf es Aus dem Blick geraten ist der Bundesregierung stets seiner sorgfältigen und vor allem auch in- dabei die Kostensteigerung bei den Trägern, her- dividuellen Abstimmung, ab wann die Sprachför- vorgerufen beispielsweise dadurch, dass Flücht- derung mit konkreten Instrumenten der Arbeits- linge häufig sozialpädagogische und psycholo- gische Betreuung sowie Dolmetscher benötigen und aus verschiedenen Gründen, die sie meist nicht selbst zu verantworten haben, auch Kurse abbrechen müssen. Mit nunmehr 3,90 Euro liegt die Trägerpauschale pro Integrationskursteilneh- mer immer noch deutlich unterhalb des vom DVV errechneten Kostendeckungssatzes von 4,40 Euro. Die Folge sind Paradoxien im System: Wegen der besseren Bezahlung entschärft sich der Kursleitermangel signifikant, gleichzeitig kön- nen viele Träger ihr Angebot aber nicht auswei- ten, weil die Pauschale die Kosten des Kurses nicht deckt. Ohne eine schnelle Abhilfe drohen wichtige Strukturen dauerhaft beschädigt zu werden. Den Anfang machen die so wichtigen Alphabetisierungskurse, die betriebswirtschaft- lich gar nicht mehr tragbar sind. Der DVV und die kommunalen Spitzenverbände haben die marktförderung verlinkt wird. Denn eine verfrühte Bundesregierung auf die Situation aufmerksam Zuweisung in solche Maßnahmen kann den für gemacht und auf dringende Abhilfe gedrungen. den beruflichen Erfolg eminent wichtigen grund- legenden Spracherwerb empfindlich stören und Mehr Effizienz durch Steuerung schnurstracks in den Niedriglohnsektor führen. Hiervor haben erst jüngst die kommunalen Spit- Angebot und Nachfrage nach Integrationskursen zenverbände in Niedersachsen gewarnt. sind vor Ort nicht ausbalanciert. Überkapazitäten bei Trägern sind ebenso an der Tagesordnung Mit dem BMBF-geförderten Programm „Einstieg wie lange Wartezeiten für zugelassene Kursinte- Deutsch“ steuert auch der DVV seit dem Som- ressierte. mer 2016 ein wichtiges Glied zur Sprachförder- kette bei, das früh ansetzt und auf einen bruch- Viele Volkshochschulen haben nach der An- losen Übergang in den Integrationskurs abzielt. kündigung hoher Teilnehmerzahlen, einer rei- bungslosen Überleitung aus den Sprachför- dermaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit Paradoxien beseitigen sowie verkürzter Asylverfahren ihre Kapazitäten Das zentrale Element der Sprachförderkette ist ausgebaut und müssen nun feststellen, dass die der Integrationskurs. Mit der Erhöhung der Ho- Plätze leer bleiben. Dies nicht, weil es keine In- noraruntergrenze für freiberufliche Lehrkräfte von teressenten gäbe, sondern weil viele Flüchtlinge bisher 23 Euro auf 35 Euro zum 1. Juli 2016 hat monatelang auf die Zulassung zum Integrations- die Bundesregierung – insbesondere auf Initia- kurs warten müssen oder behördlicherseits kurz- tive des DVV und der kommunalen Spitzenver- fristig zu Wohnortwechseln veranlasst werden. bände – die Weichen dafür gestellt, dass die Ho- Zugleich fehlen andernorts Integrationskurse 6 dis.kurs 3/2016
Ak t uel l oder Flüchtlinge werden nicht schnell genug tigte Weiterbildungsansprüche artikulieren. Der in vorhandene Angebote vermittelt. Um Abhilfe umfangreiche Bildungsbedarf der nach Deutsch- zu schaffen, hat der DVV dem BAMF ein kom- land geflüchteten Menschen, der sich nicht nur munales Steuerungsmodell vorgeschlagen, das auf das Erlernen der Sprache beschränkt, wird auf dem Grundsatz von Planungssicherheit ba- die Volkshochschulen noch viele Jahre in An- siert: Die zugelassenen Träger garantieren dem spruch nehmen. Deshalb müssen sie jetzt von BAMF vor Ort ein jährliches Mindestkursangebot Bund, Ländern und Gemeinden zur Wahrneh- und machen die Kursstarts in einer Datenbank mung dieser Aufgabe auch mit den notwendi- transparent. Im Gegenzug sichert das BAMF den gen Strukturmitteln ausgestattet werden, um die Trägern eine Garantieförderung für dieses Min- Personal- und Sachkosten dauerhaft decken zu destkursangebot zu. So könnten beide Seiten können. vorausschauend planen. Fazit Strukturen bedarfsgerecht ausbauen Die verschiedenen staatlichen Ebenen habe im Die Volkshochschulen konnten nur deshalb zu Verbund mit den Trägern in nur einem Jahr ein einer tragenden Säule der Flüchtlingsintegration beachtliches Sprachförderangebot für Geflüch- werden, weil sie ihre personellen und materiellen tete auf den Weg gebracht. Mit inhaltlicher Nach- Ressourcen stark auf diesen Bereich konzentriert justierung, vermehrter Kooperation, intelligenter haben. In einer akuten gesellschaftlichen Aus- Steuerung und fairem Umgang mit den Trägern nahmesituation ist das vertretbar, vermittelbar kann dieses nun zu einer wirksamen Sprachför- und auch erforderlich. Auf Dauer jedoch reißt derkette weiterentwickelt werden. Damit die In- eine solche Praxis Gräben auf zu den klassi- tegration von Flüchtlingen kein Wunschdenken schen Teilnehmergruppen, die ebenfalls berech- bleibt. RZ_Anz_VHS_App_A4_PFADE.indd 3 07.03.16 09:14 dis.kurs 3/2016 7
A k tue ll Volkshochschulen: Vielfalt von Aachen bis Zwickau Konstituierung des Gender- und Diversity-Ausschusses Von Dr. Beate Blüggel und tig ein Schutz gewährleistet. Diese sind schon im Dr. Michael Lesky Grundgesetz angelegt. Die Folge ist eine größere Sensibilität für Verschiedenartigkeit und damit I n diesen Wochen begehen wir ein kleines Ju- einhergehenden unterschiedlichen Bedürfnissen. biläum. Seit zehn Jahren gilt in Deutschland das Allgemeine Gleichstellungsgesetz, das Es ist daher nur folgerichtig, dass der Deutsche die „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse Volkshochschul-Verband den langjährigen Frau- oder wegen der ethnischen Herkunft, des Ge- enausschuss in den neu gegründeten Gender- schlechts, der Religion oder Weltanschauung, und Diversityausschuss überführt hat, der sich einer Behinderung, des Alters oder der sexuel- „mit Fragen der Vielfalt und Chancengleichheit in len Identität verhindern und beseitigen“ soll. Dies den Aufgabenbereichen des Vereins beschäftigt, trägt einer schon länger stattfindenden gesell- um diese in allen Entscheidungsbereichen zu schaftlichen Veränderung Rechnung: Deutsch- berücksichtigen“. Der Ausschuss hat sich Mitte land wird vielfältiger. Spätestens mit dem Inkraft- April 2016 in einer ersten Sitzung konstituiert. treten des Gesetzes ging es nicht mehr allein um Er tritt mindestens zweimal jährlich zusammen die Gleichstellung von Mann und Frau, sondern und berichtet dem Mitgliederrat und dem Vor- um die Anerkennung und den Schutz einer gan- stand jährlich über seine Arbeit. Im Ausschuss zen Reihe von „personenbezogenen Merkma- sind alle Bundesländer durch Mitarbeitende len“. Damit wird ein Recht betont und gleichzei- aus Volkshochschulen und Landesverbänden Über die Autorin ebenso wie die Bundesgeschäftsstelle und das und den Autor: Institut für internationale Dr. Beate Blüggel ist Vor- Zusammenarbeit vertre- sitzende des Gender- und Diversity-Ausschusses des - ten. Die Vorsitzende des Ausschusses nimmt mit DVV und Direktorin der beratender Stimme an VHS Aachen. - den Vorstandssitzungen Dr. Michael Lesky ist teil. Mitglied im Gender- und Diversity-Ausschuss und Wie vermitteln wir Fachreferent beim Volks- Werte? hochschulverband Ba- Nach einer Bestands- den-Württemberg. aufnahme der rechtli- chen Grundlagen und der Aktivitäten in den verschiedenen Bundes- ländern sowie einer Pla- nung der zukünftigen Ar- beit stand in der ersten Sitzung des Ausschus- ses das Thema Flücht- linge im Mittelpunkt. Die Ausschussmitglie- der waren sich einig: Durch die große Zahl 8 dis.kurs 3/2016
Ak t uel l der Flüchtlinge an Volkshochschulen verändert sich deren Arbeit – nicht nur im Bereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Nicht wenige Mit- arbeitende sind verunsichert, sie führen eine anhaltende Wertediskussion: Wie vermitteln wir Werte? Was sind denn die Werte unserer Gesell- schaft? Wo ist die Position der Volkshochschule, wo sind die Grenzen der Neutralität der Volks- hochschule? Diese Fragen waren im Volkshochschulverband Baden-Württemberg Anlass für die Entwicklung von „Verhaltensleitlinien“, die im Zusammenwir- ken von Geschäftsstelle und Diversity-Rat des Landesverbandes zur Erarbeitung der Plakatserie „Verhaltensleitlinien für Volkshochschulen (Das geht uns alle an: Herzlich willkommen in der Volkshochschule! / Regeln zur Kursteilnahme)“ führten. Der Ausschuss nahm die Verhaltensleit- linien zur Kenntnis und beschloss, sie in einem ersten Rundschreiben allgemein bekannt zu ma- chen. Die Verhaltensleitlinien führen die Diskussion über die in der Volkshochschule geltenden Werte auf das Grundgesetz zurück, denn die in öffentlichem Auftrag arbeitende und öffentlich geförderte Volkshochschule verhält sich sinnvol- lerweise wie der Staat selbst. Das Grundgesetz bleibt ohne Modifizierungen durch das private Hausrecht vollumfänglich gültig. Das Hausrecht bietet so kein Einfallstor für eigene, subjektive Moralvorstellungen im Verhältnis zu den Teilneh- menden. Respekt und Gleichbehandlung, aber auch ne- gativ formulierte Grundsätze wie „keine Gewalt“, „keine Drogen“ und „kein Lärm“. Regeln für eine gute Lernatmosphäre Da jedoch auch die Inhalte des Grundgeset- Die ersten Reaktionen aus den Volkshochschu- zes vielen Menschen nicht oder nur teilweise len und Landesverbänden sind sehr positiv, bekannt sind, wurden die Verhaltensleitlinien die klar formulierten Hinweise und Regelungen entworfen. Sie sollen in verständlicher Weise scheinen einem Bedürfnis nach einer deutlichen darüber orientieren, welches Verhalten an Volks- Standortbestimmung für die Arbeit vor Ort in den hochschulen erwartet wird, um eine gute Atmo- Volkshochschulen zu entsprechen. sphäre für Begegnung, Beratung und Bildung zu schaffen – und zwar unabhängig von Herkunft, Die Verhaltensleitlinien liegen in deutscher, eng- Geschlecht und Behinderung. lischer, französischer, spanischer, türkischer, per- sischer und arabischer Sprache vor. Die Plakate Die Verhaltensleitlinien bestehen aus zwei Pla- können als PDF über die Homepage des Volks- katen: Im ersten Plakat „Herzlich willkommen in hochschulverbandes Baden-Württemberg her- der Volkshochschule!“ wird die weltanschauliche untergeladen werden. Landesverbände, die das Neutralität der Volkshochschulen und der Grund- Logo des Landesverbandes austauschen wollen, satz der Gleichbehandlung aller Menschen er- können über die Geschäftsstelle des Volkshoch- läutert. Im zweiten Plakat sind die „Regeln zur schulverbandes Baden-Württemberg Vorlagen Kursteilnahme“ formuliert: positiv formulierte ohne Logo erhalten. Rückfragen beantwortet Rechte der Lehrkräfte und Teilnehmenden wie Frau Lepold (Mail: lepold@vhs-bw.de). dis.kurs 3/2016 9
A k tue ll Von Bauchschmerzen und Bananen Im Sprachprogramm „Einstieg Deutsch“ lernen Flüchtlinge das Wichtigste für die Kommunikation im Alltag. Von Claudia Zanker renzierung nötig“, weiß Schloimann, auch wenn alle bereits lateinische Schriftzeichen kennen. I n Recklinghausen sind heute alle krank: Saa- Jeden Tag haben die Teilnehmerinnen und Teil- dat aus Afghanistan hat Bauchschmerzen, nehmer vier Stunden Unterricht am Vormittag. Khatitscha aus Tadschikistan hat Bauch- Donnerstagnachmittags üben sie zusätzlich im schmerzen und Fieber, ihr Landsmann Avazsho EDV-Raum mit einer ehrenamtlichen Lernbeglei- hat ebenfalls Bauchschmerzen und Fieber und terin mit dem Lernportal „Ich will Deutsch lernen“ außerdem Kopfweh, Ignazio aus Angola plagen (iwdl.de). Das bietet die Chance, individuell zu Bauchschmerzen, Fieber, Kopfschmerzen und fördern. Rückenschmerzen. Hossein aus dem Iran be- Über die Autorin endet die Reihe schließlich lachend mit „mir tut Alltagsnahe Themen Claudia Zanker ist Refe- alles weh“. Alle fünf sind kerngesund und haben rentin für Öffentlichkeits- sichtlich Spaß bei ihrem Deutschunterricht. Seit Im Angebot „Einstieg Deutsch“ lernen sie zu- arbeit im Projekt „Einstieg nächst auf einfachem Niveau die wichtigsten Deutsch“ beim DVV. Dinge für den Alltag: Begrüßung, sich vorstellen, Familie, Einkaufen. In dieser Woche dreht sich alles um den Körper, Krankheiten und Arztbesu- che. Als sie am Morgen zu Beginn der Stunde die Bezeichnungen der Körperteile sammeln, die sie schon kennen, kommt schnell ganz viel zu- Fotos: Nola Bunke sammen. Alle wissen schon etwas, klopfen sich auf Arme, Schulter und Brust, recken Hände und Finger in die Höhe, tippen auf Augen, Ohren, Nase und rufen die Wörter stolz in den Raum. Die Teilnehmer in Recklinghausen bringen ganz unterschiedliche Voraussetzungen und Lernerfah- Emin aus Aserbaidschan kennt sogar schon rungen mit. Alle sind hochmotiviert. „Wirbelsäule“ und demonstriert am Rücken sei- nes Sitznachbarn, worum es sich handelt. Und drei Wochen lernen sie gemeinsam mit fünfzehn die Frauen im Kurs wissen durchs Schminken weiteren Geflüchteten an der Volkshochschule schon, was „Wimpern“ und „Augenbrauen“ Recklinghausen. meint. Alle sind hochmotiviert zu lernen und hof- fen, nach den sechs Wochen schon die A1-Prü- fung ablegen zu können. „Erst gut Deutsch Wartezeit sinnvoll nutzen lernen“ ist daher auch die einheitliche Antwort, „Eine bunte Mischung hat sich für das sechswö- wenn man die Teilnehmer nach ihren Plänen für chige Lernangebot „Einstieg Deutsch“ zusam- die Zukunft fragt. men gefunden“, freut sich Susanne Schloimann, die zuständige Studienleiterin für Sprachförde- Frauen unter sich rung an der VHS Recklinghausen. Sie ist froh, denjenigen, die „in der Wartschleife sitzen, weil In Gelsenkirchen heißt es am gleichen Tag: „Ba- sie noch keinen Integrationskurs besuchen kön- nanen esse ich total gern“. Heute geht es um Le- nen“, nun etwas Passendes anbieten zu kön- bensmittel und Vorlieben. Lachen, Gekicher und nen. Vierzehn Frauen und sechs Männer aus Getuschel auf Arabisch – die sechzehn Teilneh- verschiedenen Nationen mit ganz unterschied- merinnen sitzen in Gruppen an Tischen und fra- lichen Voraussetzungen und Lernerfahrungen gen sich wechselseitig „Isst du gerne Bananen, lernen hier gemeinsam. „Da ist ganz viel Diffe- isst du gern Fisch?“ – vor sich einen Zettel mit 10 dis.kurs 3/2016
Ak t uel l möglichen Antwortvarianten. Sarah Jane Collins, erzählt Haxhere Salkurti. Sie ist selbst vor zwei- ihre Dozentin, lobt und ermuntert und lässt einhalb Jahren aus Albanien gekommen. Immer schwierige Wörter nochmals nachsprechen. Hier dienstags und donnerstags nachmittags üben ist „Einstieg Deutsch“ ein reiner Frauenkurs, der sie und Stephanie Müller – die zweite Lernbe- durch den Kontakt zur lokalen Frauenberatungs- gleiterin – mit den Frauen Deutsch. stelle zustande gekommen ist. „Es ist fast so, als würden sich Freundinnen zum Lernen treffen“, Üben mit Lernportal und App Der Großteil der sechzehn Teilnehmerinnen kommt aus Syrien, so wie Zienab und Najat. Die beiden Schwestern sind Anfang zwanzig und ler- nen im Kurs gemeinsam mit ihrer Mutter Nada. Als am Nachmittag die Laptops ausgepackt wer- den, nehmen sie sich ein Gerät, schalten es an, ziehen die Kopfhörer auf und klicken sich ganz selbstständig durch die Übungen im Lernportal „Ich will Deutsch lernen“. Ihre Mutter braucht noch etwas länger. Erst muss sie den Zettel mit der E-Mail-Adresse und dem Passwort finden, mit dem Touchpad am Laptop ist sie auch noch nicht so geübt. Aber Asmaa, selbst im Alter ihrer Töchter, hilft ihr. Abwechselnd lösen die beiden Zuordnungsübungen, hören Dialoge, klicken, sortieren und tippen. Am Laptop nebenan erklärt Lernbegleiterin Salkurti einer weiteren Teilneh- merin geduldig, wie sie sich eine E-Mail-Adresse An der VHS Gelsenkirchen lernen 16 Frauen in entspannter Atmosphäre Deutsch. „Einstieg Deutsch“ ist das zweitgrösste Bundesprogramm zur Sprachförderung von Zugewanderten. Das BMBF stellt für die Dauer von drei Jahren Teilnehmer mit unterschiedlichen Lernerfahrungen jährlich 19 Millionen Euro zur Verfügung. Da- und Kenntnissen helfen sich gegenseitig. von können rund 1.900 Lernangebote für circa 45.000 Flüchtlinge pro Jahr angeboten werden. Die sechs- bis achtwöchigen Lernangebote anlegen kann und unterstützt sie beim Notieren basieren auf einem Blended-Learning-Ansatz: der Passwörter. So lernen die beiden älteren Präsenzunterricht verknüpft mit Online-Phasen und Exkursionen. Die Lerninhalte orientieren sich Frauen ganz nebenbei auch noch den Umgang an den unmittelbaren und wichtigsten Alltagsbe- mit dem Computer. Einen eigenen Laptop be- langen. Vorrangig werden Sprechfähigkeit und sitzt bisher keine der Frauen, aber ein Handy Hörverstehen trainiert. haben sie alle, so dass sie zuhause mit der „Einstieg Deutsch“ wendet sich an Flüchtlinge Sprachlern-App „Einstieg Deutsch“ üben können. ab 16 Jahren, die noch keine Teilnahmeberech- tigung für den Integrationskurs haben, vorrangig an Menschen aus Ländern mit guter Bleibepers- Immer freitags unternehmen die Frauen zudem pektive (Eritrea, Irak, Iran, Somalia und Syrien). gemeinsam Exkursionen, gehen in die Stadt- Gemeinnützige Weiterbildungseinrichtungen bücherei, zum Berufsinformationszentrum, ins können für die Durchführung der Lernangebote Kunstmuseum oder zum Flohmarkt. Am letzten beim DVV Mittel beantragen. Unterrichtstag wollen sie zusammen picknicken Weitere Informationen: www.einstieg-deutsch.de und feiern. dis.kurs 3/2016 11
A k tue ll Perspektiven schaffen durch Bildung und digitale Teilhabe Von Bundesminister Dr. Gerd Müller das Thema Schwangerschaft informieren können © Michael Gottschalk/photothek.de und ein Nachrichtenservice sie an Impfungen B ei meinem Besuch in einer muslimischen und Vorsorgetermine erinnert. Mädchenschule in Nigeria hatte ich ein eindrucksvolles Erlebnis: Die interessier- Digitale Technik – ten, bildungshungrigen Schülerinnen haben sich Motor für Entwicklung von mir vor allem eines gewünscht: einen Com- puter – und damit Zugang zu Wissen und die „Digitale Teilhabe für alle“ – das Motto des dies- Möglichkeit, mit dem Rest der Welt in Kontakt jährigen Volkshochschultages – ist auch für mich Über den Autor: zu treten. als Bundesentwicklungsminister ein wichtiges Thema. Telemedizin, E-Learning, Mobile-Banking, Dr. Gerd Müller ist seit Wie den Mädchen in Nigeria geht es vielen elektronischer Handel oder E-Government sind Dezember 2013 Bundes- Menschen in Entwicklungsländern: Sie wollen wertvolle Instrumente in der Zusammenarbeit minister für wirtschaftliche die Zukunft ihres Landes aus eigener Kraft ge- mit unseren Partnerländern. Sie bieten den Men- Zusammenarbeit und stalten. Bildung, Wissen und der Zugang zur di- schen Chancen, ihre Lebenssituation zu verbes- Entwicklung. Seit 1994 ist gitalen Welt sind für sie entscheidende Schlüs- sern, Familien gut zu versorgen, am gesellschaft- er Mitglied des Deutschen sel. Was in den Entwicklungsländern durch di- lichen und politischen Leben teilzunehmen. Bundestages für seinen gitale Technik bewegt werden kann, war unter Wahlkreis Kempten, anderem auf der diesjährigen CeBIT zu sehen: In Kenia ermöglicht das digitale Bezahlsystem Lindau und Oberallgäu Start-up-Unternehmen aus Uganda, Kamerun, M-Pesa auch Menschen ohne Bankkonto einen und war bis 2005 u.a. Kenia, Ruanda und Myanmar stellten ihre in- bargeldlosen Zahlungsverkehr. In Ghana erhal- außen- und europapoliti- novativen, digitalen Geschäftsideen vor. Bei- ten Kakao-Kleinbauern landwirtschaftliche Be- scher Sprecher der CSU spielsweise in Kenia, wo sich Menschen in ab- ratung per SMS. Sie erfahren, wann der beste im Deutschen Bundes- tag. Von 2005 bis 2013 war er Parlamentarischer Staatssekretär beim Bun- desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Ver- braucherschutz. In Afghanistan unterstützt DVV International junge Erwachsene beim Einstieg ins Berufsleben, unter ande- rem mit IT-Schulungen. geschiedenen Regionen mittels einer stabilen, Zeitpunkt ist, die Felder zu bestellen. Auch Da- backsteinähnlichen IT-Box und unabhängig von ten zur Vermarktung ihrer Ernte können sie abru- einer zuverlässigen Energieversorgung mit dem fen. „Smart Cities“, etwa in Bangladesch, versor- Internet verbinden können. Oder in Kamerun, wo gen ihre Bürger per Mobiltelefon und Internet mit sich Frauen per Mobilfunk und Internet rund um kommunalen Dienstleistungen. 12 dis.kurs 3/2016
Ak t uel l Dies sind nur einige Beispiele, die deutlich ma- – und das nicht nur, weil ich selbst Pädagoge chen, dass digitale Technik und der damit ver- bin. Ich bin dankbar, dass sich der DVV mit sei- bundene Zugang und Austausch von Wissen ner umfassenden Expertise und Erfahrung nicht den Menschen in Entwicklungsländern Zukunfts- nur in Deutschland, sondern auch im Ausland so perspektiven bietet. stark engagiert. In Deutschland sind die Volkshochschulen un- Bildungs- und Wissenschancen verzichtbar, wenn es darum geht, geflüchteten ermöglichen Menschen zu helfen, sich in die Gesellschaft zu Den Menschen in unseren Partnerländern Zu- integrieren. Im Ausland schaffen DVV Internatio- gang zu hochwertiger Bildung und Wissen zu nal und seine Partner Bleibe- und Zukunftspers- ermöglichen – das ist ein Kernbereich deutscher pektiven für viele Menschen, sei es durch Alpha- Entwicklungspolitik. Denn wer keinen Zugang betisierungs- und Sprachkurse, durch Angebote zu Bildung hat, dem wird ein elementares Men- zur beruflichen Bildung oder zur Existenzgrün- schenrecht vorenthalten und dem werden die dung, um nur einige Beispiele zu nennen. Chancen auf ein besseres Leben geraubt. Kinder brauchen Schulen, Jugendliche eine Ausbildung, Ein besonders erfolgreiches Beispiel unserer Zu- Erwachsene Arbeit und Einkommen. sammenarbeit ist ein Bildungsprojekt in Afgha- Neben unserer langfristi- gen Zusammenarbeit im Aufbau von Strukturen der Erwachsenenbildung, ist uns die Bildungsarbeit im Kontext der aktuellen Flüchtlingskrise wichtig. Einen Schwerpunkt un- serer Arbeit in diesem Bereich haben wir auf die Region rund um Syrien gelegt: Dort sorgen wir dafür, dass Kinder, die vor dem Krieg in Syrien fliehen mussten, nun in Jordanien, im Libanon, in der Türkei und im Irak Die Bildungsangebote des DVV International in Afghanistan werden zu zur Schule gehen kön- einem Drittel von Frauen wahrgenommen. nen. Wir dürfen nicht zu- lassen, dass hier eine Generation ohne Bildung nistan. Unter schwierigsten Bedingungen sind und Hoffnung, eine „verlorene Generation“, her- dort Bildungszentren für Erwachsene entstan- anwächst. den. Hier werden vor allem junge Menschen bei ihrem Einstieg ins Erwerbsleben unterstützt, beispielsweise durch Schulungen im IT-Bereich, Erfolgreiche Zusammenarbeit: mit Englisch- oder Buchhaltungskursen. Al- DVV und BMZ lein im vergangenen Jahr haben rund 200.000 Bei unserem Engagement für mehr Bildung welt- Menschen, davon etwa ein Drittel Frauen, daran weit arbeiten wir in zahlreichen Projekten über teilgenommen. DVV International eng mit dem Deutschen Volks- hochschul-Verband zusammen. DVV International engagiert sich heute in mehr als 30 Ländern und ist für das BMZ zu einem Mit großem Interesse habe ich deswegen den unverzichtbaren Partner geworden. Was vor Volkshochschultag 2016 in Berlin besucht. Der mehr als 50 Jahren mit einem ersten gemein- Austausch mit vielen „Gleichgesinnten“, die wie samen Projekt in Costa Rica begann, hat sich zu ich von der immensen Bedeutung von Bildung einer stabilen und erfolgreichen Zusammenar- überzeugt sind, war für mich sehr bereichernd beit entwickelt. dis.kurs 3/2016 13
Volksh och sch u lt a g Volkshochschulen haben das Ohr am Puls der Zeit Rede von Bundespräsident Joachim Gauck zur Eröffnung des 14. Deutschen Volkshochschultages I n Zeiten des Wandels tun Institutionen oft seine persönliche und berufliche Entwicklung gut daran, sich auf ihre Wurzeln und ihren genauso engagiert wie für das Gemeinwesen, in Wesenskern zu besinnen. Denn nur wer sich dem er lebt. seiner Identität gewiss ist, kann gesellschaftli- che Veränderungen selbstbewusst mitgestalten. Offen für alle, vielfältig und bürgerschaftlich en- Lassen Sie mich deshalb, bevor ich mich der gagiert – das waren die Prinzipien der Erwach- digitalen Herausforderung zuwende, über die senenbildung, für die Max Hirsch ein Leben Sie heute und morgen ja intensiver sprechen lang stand. Und diese Prinzipien sind es doch werden, zunächst eine Erinnerung aufrufen an auch, die Volkshochschulen in Deutschland bis einen Mann, der für Ihre Geschichte von beson- heute verbinden, so verschieden die rund 900 derer Bedeutung ist. Ich denke an den liberalen Einrichtungen oft auch sind, so sehr sich Träger- Gewerkschaftsführer und Pionier der Volkshoch- schaft und Publikum, Pädagogik und Programm schulen: Max Hirsch. im Laufe der Zeit auch verändert haben mögen. Er war es, der 1878 hier in Berlin die Hum- Und diese Prinzipien sind es auch, mit denen ich boldt-Akademie gründete, die erste Volkshoch- mich als Bundespräsident identifizieren kann. So schule Deutschlands. Die Ziele, die ihm damals danke ich Ihnen also herzlich für die Einladung, wichtig waren, sie sind immer noch aktuell, auch heute hier zu sprechen. Sie merken vielleicht wenn wir sie heute wohl anders formulieren wür- schon: Ich bin gern zu Ihnen gekommen. den. Hirsch wollte, so sagte er, „höhere, wahrhaft wissenschaftliche Bildung“ verbreiten, und zwar Offen für alle in „allen Volkskreisen“. Er wollte ein thematisch breit gefächertes Angebot, und zwar „für alle, die Volkshochschulen, das ist ihr erstes Prinzip, sind nach gründlicher Belehrung verlangen“. Ja, das offen für alle. Menschen, die sich weiterbilden kann man auch in unsere heutige emanzipato- wollen, finden hier, wonach sie suchen und was rische Sprache übersetzen, und dann stimmt es sie brauchen, ganz egal, wie alt sie sind, woher wunderbar. Nicht zuletzt wollte er jedem Einzel- sie stammen und welche Vorkenntnisse sie mit- nen die Chance eröffnen, sich durch Bildung zu bringen. Als Schulen für das ganze Leben bieten einem mündigen, selbstverantwortlichen Bürger sie jeder und jedem die Chance, sich persönlich zu entwickeln. Zu einem Bürger, der sich für weiterzuentwickeln oder sich auf neue Anforde- 14 dis.kurs 3/2016
Vo l ksho chschul t ag rungen im Berufsleben vorzubereiten. An Volks- Volkshochschulen sind somit Werkstätten der hochschulen können Bürgerinnen und Bürger ihr Demokratie. Recht auf Bildung einlösen. Damit kommt unsere Gesellschaft ihrem Anspruch auf Chancenge- Werkstätten der Demokratie rechtigkeit einen Schritt näher. Volkshochschu- len zeigen, wie viele Gesichter lebenslanges Es ist keine vier Wochen her, da habe ich ge- Lernen heute hat. Und sie zeigen, dass es nicht nau in diesem Raum eine Rede gehalten vor 750 auf den sogenannten „lückenlosen Lebenslauf“ haupt- und ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen ankommt, sondern darauf, was jemand im Laufe und Landräten aus dem ganzen Land, und da des Lebens dazulernt, auch auf Umwegen, auch kam dieser Satz schon einmal vor, dass Kom- in Phasen der Selbstvergewisserung. munen Werkstätten und Lernorte der Demokratie sind. Das fügt sich ganz schön zusammen: Die Volkshochschulen, das ist ihr zweites Merkmal, Wahrnehmung der Leistung der kommunalen Po- sind vielfältig: Ihr Themenspektrum reicht von litik durch das Staatsoberhaupt und jetzt meine der beruflichen bis zur politischen, von der tech- Wahrnehmung Ihrer Arbeit und Ihrer Tätigkeit. nischen bis zu kulturellen Bildung. Sie sind auch ein Seismograph gesellschaftlicher Trends und Und es gibt natürlich noch etwas, was in Zeiten Lebensstile. Ich denke zum Beispiel an die Lust wie diesen nicht fehlen darf: Ich finde es be- am Konkreten, vom Gartenbau bis zur Handar- eindruckend, was Sie gegenwärtig leisten, um beit. An die Freude am künstlerischen Gestalten Flüchtlingen einen Weg in unsere Gesellschaft und an das Bedürfnis nach Bewegung oder ge- zu ebnen. In Ihren Integrationskursen vermitteln sunder Ernährung. Ich denke auch an die Sehn- Sie Menschen aus anderen Kulturen und Le- sucht nach Orientierung in einer unübersichtli- benszusammenhängen, die zu uns gekommen chen Welt, in der wir gemeinsam Verantwortung sind, das, was hier wichtig ist: zuerst die deut- übernehmen müssen. Volkshochschulen bringen sche Sprache, das Recht, das hier gilt, vielleicht uns andere Kulturen näher, sie setzen sich mit auch die deutsche Geschichte und die demokra- politischen, ethischen und religiösen Positionen tischen Prinzipien, die in diesem Lande gelten. auseinander. Sie spiegeln die Komplexität un- Sie bilden Flüchtlinge, die bei uns bleiben kön- serer Zeit, und sie zeigen Wege auf, mit dieser nen und wollen, aus, Sie bilden sie auch beruf- Komplexität umzugehen. lich weiter und verbessern so ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Alle, die sich hier engagieren, Damit bin ich beim dritten Merkmal angekom- leisten einen wichtigen Beitrag zur Integration. men: Volkshochschulen sind bürgerschaftlich Ich will Ihnen heute dafür von Herzen danke sa- engagiert. Sie haben nicht nur Aufstiegsmög- gen. lichkeiten für den Einzelnen im Blick, sondern vermitteln auch soziales und politisches Verant- Immer wieder haben Volkshochschulen auf ge- wortungsbewusstsein. Als Schulen der Kommu- sellschaftliche Veränderungen reagiert und sie nen sind sie fest verankert in ihrer Stadt, ihrer mitgestaltet. Immer wieder haben sie ihr Pro- Gemeinde oder ihrem Landkreis. Sie stiften gramm und ihr pädagogisches Handwerkszeug Begegnungen zwischen Bürgern, stärken das an neue Bedürfnisse angepasst, ohne ihren Miteinander und den Zusammenhalt. Auch Prinzipien untreu zu werden. Und diese Anpas- dis.kurs 3/2016 15
Volksh och sch u lt a g sungsfähigkeit ist für mich auch eine der beson- den. Wir müssen es doch irgendwie schaffen, zu deren Stärken Ihrer Institution. mündigen Nutzern der digitalen Welt zu werden. Ich finde, das ist ein Mega-Thema der Weiterbil- dung. Lernen in Zeiten des Umbruchs Es waren mehrfach politische Umbrüche, die Die Digitalisierung ist aber nicht nur ein Gegen- die Erwachsenenbildung prägten und ihr so- stand der Weiterbildung, sondern sie bringt auch gar zu neuer Blüte verhalfen. Denken wir an etwas anderes hervor, nämlich neue Formen des die unterschiedlichen Zeiten, durch die diese Lernens. Zahlreiche digitale Lernangebote sind Nation gegangen ist. Nach dem Ende des Ers- entstanden, die den Unterricht vor Ort teilweise ten Weltkriegs, in der Frühphase der Weimarer ergänzen, teilweise sogar ersetzen. Vieles ist Republik, setzte mit der Demokratisierung eine da noch in der Erprobungsphase, anderes wird regelrechte Volkshochschul-Euphorie ein. Auch schon erfolgreich genutzt. Neue Anbieter – übri- nach der nationalsozialistischen Diktatur erleb- gens auch private – haben die Bildungsbranche ten die Volkshochschulen in der jungen Bun- belebt, Wettbewerb hat Prozesse der Erneuerung desrepublik großen Zulauf. Sie galten damals in Gang gesetzt. Das digitale Lernen, es berei- als Stätten der Besinnung und trugen bald zur chert die Bildungslandschaft. Vermittlung westlicher Werte und der Idee eines vereinten Europa bei. Und eine andere Zäsur: In Manche Lehrer und Dozenten, auch viele hier der Phase des Aufbruchs nach der Friedlichen im Saal, arbeiten ja längst mit digitalen Medien. Revolution kamen in Ostdeutschland nach Jahr- Sie sehen sich konfrontiert mit einem veränder- zehnten der Unfreiheit, in der allerdings auch die ten Lernverhalten der Schülerinnen und Schüler. Volkshochschulen eine wichtige Aufgabe hat- Und der Einsatz von digitalen Geräten, er verän- ten, neue, vielfältige Lernprozesse in Gang. Und dert auch die Rollen der Lehrenden wie Lernen- es waren die Volkshochschulen, denen viele den. Das erfordert oftmals ein Umdenken von Bürgerinnen und Bürger ihr Vertrauen schenk- allen Beteiligten. Ich finde, wir sollten digitales ten. Lernen weder verteufeln noch als Allheilmittel verklären. Wir sollten neue und altbewährte For- Heute ist es kein Wandel der Staatsform, dem men des Unterrichts nicht als Gegensätze be- die Volkshochschulen sich stellen müssen. Es ist greifen, sondern die Stärken und die Vielfalt der der digitale Wandel, der alle Bereiche unseres neuen Angebote für uns alle nutzbar machen. Lebens erfasst und somit auch die Erwachse- nenbildung verändert. Wir sollten über die Chan- Zugewinn an Freiheit cen und Herausforderungen der Digitalisierung diskutieren, und zwar nicht nur unter Fachleuten, Und hier im Congress Center werden Sie nun das ist relativ einfach, sondern in der ganzen Ge- heute und morgen erleben können, was das sellschaft. Nur so kann es gelingen, die Vorteile heißt: Digitale Angebote öffnen neue Möglichkei- zu nutzen, die diese Technik bietet, und zwar ten für selbständiges und gemeinsames Lernen, für alle. Und nur so kann es gelingen, auch die auch und gerade in der Erwachsenenbildung. Nachteile zu erkennen, die mit einer schranken- Wer sie nutzt, kann an jedem Ort und zu jeder losen Kommunikation verbunden sind, die oft in Zeit lernen. Er kann Inhalte exakt auf seine Be- aller Anonymität abläuft. dürfnisse und auf sein persönliches Zeitbudget abstimmen. Und er kann sich schneller und besser austauschen, mit wem er will, auch über Mega-Thema Digitalisierung Grenzen hinweg. Das alles bedeutet mehr Frei- Und wer von allen spricht, der muss ganz schnell heit für den Lernenden. Es bedeutet aber auch, wieder bei den Volkshochschulen einkehren. dass er mehr Entscheidungen treffen und dann Deshalb ist es gut und richtig, dass Sie, die selbst mehr Verantwortung für seine Weiterbil- Volkshochschulen, ihre Angebote erweitern, dung übernehmen muss. um Menschen eine Chance zu bieten, mit den neuen Entwicklungen Schritt zu halten. Es ist Digitale Angebote erleichtern das lebenslange wichtig, dass sie Medienkompetenz vermitteln. Lernen, weil sie sich gut in den Alltag einfügen Denn wir alle müssen lernen, im Strom der di- lassen. Berufstätige können, wenn sie denn wol- gitalen Informationen den Überblick zu behalten len, auf dem Weg zur Arbeit lernen, oder nach und Wichtiges von Unwichtigem zu unterschei- Feierabend, wenn die Kinder im Bett sind. Mit ih- 16 dis.kurs 3/2016
Vo l ksho chschul t ag nen lassen sich aber auch Menschen erreichen neuen technischen Möglichkeiten überdenken. und zum Lernen motivieren, die das klassische Und sie sollten digitale Angebote entwickeln, Kursangebot bislang nicht nutzen konnten oder die auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Nut- wollten. Beispiel: Menschen, die auf dem Lande zergruppen zugeschnitten sind, wenn Sie so wohnen und keine Bildungseinrichtung in ihrer wollen: personalisierte digitale Bildungsange- Nähe haben, können dank digitaler Medien auf bote. Nicht zuletzt ist es notwendig, dass Bund Lernangebote zugreifen. Und für viele junge und Länder auf dem Gebiet der digitalen Bil- Leute ist lebensbegleitendes Lernen ohnehin dung noch enger zusammenarbeiten und eine nur noch mit Tablet oder Smartphone überhaupt gemeinsame Strategie entwickeln. Es ist wich- vorstellbar. tig, dass sie sich austauschen, voneinander ler- nen und digitale Projekte besser koordinieren. Oft ist es das E-Learning, das mit der Hoffnung Nur so können sie in einer stetig wachsenden verbunden ist, zu mehr Chancengerechtigkeit Branche Qualitätsstandards setzen und Orien- beizutragen. Manche Wissenschaftler glauben tierung bieten. sogar, dass das Internet höhere Bildung für alle bringen kann, zum Nulltarif. Aber Computer sind Das Ziel der Anstrengungen ist klar, und ich will eben keine Zauberkisten, die automatisch zu es noch einmal auf den Punkt bringen: Mög- mehr Chancengerechtigkeit im Bildungswesen lichst viele Menschen sollen profitieren, auch sol- beitragen. Der gleiche Zugang für alle reicht che, denen das Lernen schwerfällt oder die aus oft nicht aus. Es bleibt so eine Verpflichtung für bildungsfernen Milieus stammen. Staat und Gemeinwesen, die Voraussetzungen für Chancengerechtigkeit zu garantieren. Auch Hier öffnet sich ein besonders weites Feld für darf sich wirkliche Chancengerechtigkeit nicht die Volkshochschulen. Ich weiß, Sie haben be- reits viele Schritte unternom- men und gute Erfahrungen mit kombinierten Angeboten gemacht. Besonders beein- druckend finde ich das On- line-Portal „Ich will Deutsch lernen“, das die Integrations- kurse für Flüchtlinge ergänzt. Wer sich hier anmeldet, kann im eigenen Rhythmus vertie- fen, was er an der Volkshoch- schule gelernt hat, auch dann, wenn der Kurs vor Ort bereits beendet ist. Er wird online von DVV-Präsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Eröffnung des Tutoren betreut und bekommt 14. Deutschen Volkshochschultages. auf Wunsch zusätzlich Hilfe etwa bei Bewerbungen und auf formale Gleichheit beschränken. Es ist wich- auch beim Einstieg in den Beruf. tig, vom Einzelnen, von seinen Talenten, seinen Stärken und seinen Schwächen auszugehen, Volkshochschulen sind lebendige Institutionen, ganz egal, ob er im Seminarraum oder mit dem das beweist nicht zuletzt das Thema dieses Kon- Smartphone lernt. Auch wenn es um digitale gresses. Sie können gesellschaftlichen Wandel Angebote geht, müssen wir deshalb formale mitgestalten, gerade weil sie auf einem stabilen Gleichheit um spezifische Förderung ergänzen, Wertefundament stehen und fest in ihren Kom- damit Menschen das erreichen können, was ihre munen verankert sind. Unsere Bürgergesellschaft Fähigkeiten erlauben. braucht solche Institutionen, jetzt und in Zukunft. Ich möchte Sie deshalb ermutigen: Haben Sie auch künftig Ihr Ohr am Puls der Zeit, probieren Gemeinsame Strategie entwickeln Sie Neues aus und stellen Sie sich auch schwie- Was wir deshalb brauchen, sind gemeinsame rigen Debatten. Und bleiben Sie dabei, wie Sie Anstrengungen aller Akteure der Weiterbildung. waren und wie Sie sind: offen für alle, vielfältig Sie sollten Lehrmethoden mit Blick auf die und bürgerschaftlich engagiert. dis.kurs 3/2016 17
Volksh och sch u lt a g Bundesminister zu Gast bei den Volkshochschulen Erstmals besuchten drei Ressortchefs den VHS-Tag Von Sascha Rex aus Nutzerkompetenz, also der Fähigkeit, digitale Medien zu bedienen, und digitaler Lernkompe- D as Thema „Digitale Teilhabe“ beschäf- tenz, also der Fähigkeit, digitale Medien kompe- tigte die Teilnehmerinnen und Teilneh- tent einzusetzen. Das Ziel muss sein: Mündige mer des Volkshochschultags nicht allein während der Fachforen: Über diesbezügliche Pläne und Entwicklungen in den Bundesministe- » Die Idee ist ganz einfach: Jede und jeder rien berichteten die Ressortchefs für wirtschaft- soll die Chance haben, sich zu qualifizieren, liche Zusammenarbeit und Entwicklung, für Bil- sich weiterzubilden und zwar im Betrieb, am dung und Forschung sowie für Arbeit und Sozia- Arbeitsplatz, aber auch außerhalb des direkten Über den Autor: les im Kuppelsaal. Im Mittelpunkt standen dabei Bedarfs.« Sascha Rex ist Referent für die spezifischen Herausforderungen durch den Andrea Nahles, Bundesministerin für Gesellschaftspolitik und digitalen Wandel für den jeweiligen Fachbereich. Arbeit und Soziales Grundsatzfragen beim DVV. Bürger in der digitalen Lebens- und Arbeitswelt, die den digitalen Wandel nicht einfach nachvoll- ziehen, sondern diesen aktiv mitgestalten und seine Chancen nutzen.“ Beide Ministerinnen betonten, dass die gesell- schaftlichen Veränderungen nur mit einer Bil- dungsoffensive zu bewältigen seien. Andrea Nahles forderte deshalb ein „Recht auf Weiterbil- dung“ ein: „Die Idee ist ganz einfach: Jede und jeder soll die Chance haben, sich zu qualifizie- Prof. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für ren, sich weiterzubilden und zwar im Betrieb, am Bildung und Forschung Arbeitsplatz, aber auch außerhalb des direkten Bedarfs.“ Prof. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung, legte einen besonderen Im Zusammenhang mit der notwendigen Bil- Schwerpunkt auf die Bedeutung von Partizipa- dungsoffensive seien vor allem die Volkshoch- tion: „Politik muss Menschen in einer digitalen schulen gefragt, so die Überzeugung von Bil- Welt ermöglichen, Kompetenzen zu erwerben, dungsministerin Wanka. Mit dem Institut für nicht nur um an der Entwicklung teilzuhaben, internationale Zusammenarbeit könnten Volks- sondern auch um sie gestalten zu können.“ hochschulen zudem einen wichtigen Beitrag Auch Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit leisten, um den digitalen Wandel auch internati- und Soziales, betonte: „Bei den Überlegungen onal durch Bildungsangebote zu flankieren. zur Digitalisierung müssen wir die Menschen in den Mittelpunkt stellen!“ Dr. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftli- che Zusammenarbeit und Entwicklung, würdigte Welche Rolle die Bildung in diesem Prozess der die internationale Bildungsarbeit des DVV und Digitalisierung übernimmt, zeichnete die Bil- betonte deren große Bedeutung für die Entwick- dungsministerin folgendermaßen nach: „Digitale lungszusammenarbeit: „Jeder Einsatz für Bil- Bildung ist aus meiner Sicht eine Kombination dung lohnt sich: Der Einsatz der Volkshochschu- 18 dis.kurs 3/2016
Vo l ksho chschul t ag len weltweit ist großartig! Auf diesem Sektor sind wir mit Weiterbildung nicht erst beginnen, wenn sie der wichtigste Partner für uns und leisten als Menschen vom Verlust ihres Arbeitsplatzes be- Verband großartige Arbeit.“ droht sind. Sie sollen die Möglichkeit hierzu be- reits früher und zwar rechtzeitig erhalten.“ Bundesministerin Wanka ging auf die Herausfor- derungen ein, die der digitale Wandel auch für Angesichts der vielen in Deutschland Zuflucht die Volkshochschulen selbst bedeutet: „Verände- suchenden Menschen, die von den zahlreichen rungen durch Digitalisierung betreffen auch die und vielfältigen Bildungsangeboten der Volks- Einrichtungen an sich und ihre Strukturen. Dabei ist es unsere Aufgabe, Unterstützung zu leisten, aber auch Synergien zu ermöglichen. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Volkshochschulen – trotz ihrer Belastungen – bei diesen Überlegun- gen eine Vorreiterrolle übernehmen können.“ Dr. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hochschulen profitieren, sprachen alle drei Bun- desminister ihre Anerkennung aus. Bundesmi- nister Müller erklärte: „Um die Integrationsarbeit in Deutschland zu meistern, brauchen wir die Volkshochschulen!“ Bundesministerin Wanka, die im Rahmen des Volkshochschultags das neue Bundesprogramm „Einstieg Deutsch“ vor- stellte, mahnte zugleich: „Ich habe eine Bitte an Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Sie, wenn Sie Geflüchtete in ihren Einrichtun- Soziales gen vor sich haben: Machen Sie ihnen deutlich, dass es hier nicht nur Chancen für junge Män- Dass Volkshochschulen dabei schon heute gut ner gibt. Identifizieren Sie die lernbereiten jun- aufgestellt sind, merkte Andrea Nahles an: „Ich gen Frauen und kümmern Sie sich besonders bin immer wieder beeindruckt, wie sehr die auch um diese. Nur dann können sie besser in VHS-Angebote auf der Höhe der Zeit sind. Das unserer Gesellschaft ankommen.“ Auch der Bun- finde ich sehr gut, denn viele Menschen im Land desentwicklungsminister sprach sich für gleich- haben noch nicht die Dimension dessen verstan- berechtigte Bildungschancen aus und lenkte die den, was in den nächsten zehn Jahren passieren Aufmerksamkeit des Plenums auf globale Zu- wird.“ sammenhänge: „Wir sind noch lange nicht am Ziel, denn wir benötigen Grundbildung, Alpha- betisierung für alle! Natürlich gleichberechtigt »Identifizieren Sie die lernbereiten jungen – weltweit! Wir kämpfen für gleichberechtigten Frauen und kümmern Sie sich besonders auch Zugang zu Bildung.“ um diese. Nur dann können sie besser in unse- rer Gesellschaft ankommen. « Große Wertschätzung und Identifikation äußerte Prof. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Müller auch mit Verweis auf seine eigene Erfah- Bildung und Forschung rung als Erwachsenenbildner: „Hätten wir mehr Pädagogen in der Politik und in der Welt, die die Die wachsende Bedeutung einer qualifizierten Menschen zusammenführen und nicht ausein- Bildungsberatung hob Ministerin Nahles eben- anderbringen, dann gäbe es eine bessere und falls hervor: „Wesentlich für die Zukunft ist, dass gerechtere Welt.“ dis.kurs 3/2016 19
Sie können auch lesen