Dölling und Galitz Verlag - Vorschau und lieferbares Programm 2018/2019 - Hamburg Architektur Kunst Geschichte Judaica Natur München ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Dölling und Galitz Verlag Vorschau und lieferbares Programm 2018/2019 Hamburg Architektur Kunst Geschichte Judaica Natur München
Demonstration der Außerparlamentarischen Opposition APO, 1968 in der Hamburger Mönckebergstraße (Foto: Günter Zint)
»Zitat ######« Zitatquelle Autonomer »Wasserwerfereinsatz« an der Bernhard-Nocht-Straße, 1983 (Foto: Günter Zint)
Günter Zint ist eine Institution in Hamburg. Über zwei Millionen Fotos hat der rastlose Foto graf in den letzten 50 Jahren gemacht und war dabei stets mehr als nur Beobachter. Die Milieus seiner Sujets kennt er genau, fast im- mer ist Zint Teil des Geschehens und drückt noch auf den Auslöser, wenn der Polizeiknüp- pel schon auf ihn niedersaust, ist immer genau dann zur Stelle, wenn es gerade losgeht: Wenn bei Springer eine Bombe hochgeht, der Inhalt eines Wassereimers treffsicher auf dem Helm eines Polizisten landet oder wenn noch unbekannte Musiker wie die Beatles die musi- kalische Weltbühne betreten … Die Authenti zität vieler seiner Fotos basiert dabei oft auf freundschaftlicher Beziehung: zu McCartney, Lennon, Hendrix, »Wolli Indienfahrer« oder zu Nina Hagen. Begleitet von Texten von Tania Kibermanis führt uns dieses Fotobuch zurück ins wilde Hamburg der 60er, 70er und 80er Jahre, als eine junge Generation gegen das Establishment aufbegehrte. Von den heute fast rührend anmutenden frühen Sponti-Provoka tionen bis zu dem mit hohem persönlichen Wilde Zeiten Einsatz geführten Kampf gegen den Abriss des Hamburg-Fotografien von Günter Zint 1965 – 1985 Fischerdorfs Altenwerder oder gegen die AKW Mit Texten von Tania Kibermanis Brokdorf und Gorleben spannt das Buch eine rasanten Bogen und bannt dabei den Geist von ca. 240 Seiten, ca. 250 Abbildungen drei Jahrzehnten Stadtgeschichte ins Bild: Hardcover mit Fadenheftung lange Haare und kurze Röcke, revolutionärer 25,5 x 28 cm, ISBN 978-3-86218-116-2, ca. € 49,90 Oktober 2018 Mut und sanfter Widerstand, das freizügige Leben in den Kommunen und der verlotterte Kiez-Alltag … dagegen fühlt sich das Leben im Hamburg von heute frischgewaschen und sogar ein bisschen verklemmt an. p Wilde Hamburger Zeiten im Bild – Der Fotograf Günter Zint (Jg. 1941) war Hausfotograf im Star-Club und im »Salambo«. Er gründete in den 60er von den 1960ern bis in die 1980er Jahre Jahren die St. Pauli Nachrichten und arbeitete als Foto- p Fotos von »mitten drin« im Geschehen graf für Stern, Spiegel, konkret und mit Autoren wie p Unbekannte Bilder des großen Günter Zint Günter Wallraff. 2005 gründete er das St. Pauli Museum. p Bildgeschichten von Tania Kibermanis Die Texterin Tania Kibermanis (Jg. 1972) lebt und p Ein Geschenk mit Suchtpotenzial schreibt seit 22 Jahren auf St. Pauli. Ihre Porträts und p In Kooperation mit dem Junius Verlag Kolumnen erscheinen u.a. in der ZEIT und der Brigitte. 777 Jimi Hendrix im Star-Club, 1967 77 Versammlung der APO im Audimax, 1968 7 Foto für die Zeitschrift »Pardon« zum Thema Paragraf 218, 1982 (alle Fotos: Günter Zint) 5
Aus dem Projektekatalog der Neuen Heimat Apartmenthaus Jerusalem Bayerischer Rundfunk München Buntekuh, Lübeck Collini Center, Mannheim Congress Center Hamburg und Plaza Hotel Elbe Einkaufszentrum, Hamburg Feriensiedlung Port Grimaud, Frankreich Gartenstadt Hohnerkamp, Hamburg Hotel und Kongresszentrum Monte Carlo Internationales Congress Centrum Berlin Klinikum Aachen Mümmelmannsberg, Hamburg Nordweststadt, Frankfurt am Main Neuperlach, München Neue Vahr, Bremen Olympia-Einkaufszentrum, München Parkstadt Bogenhausen, München Reihenhäuser Mexiko-Stadt SPD-Zentrale Bonn Wohnungsbau in Ghana Neue-Heimat-Projekt Klinikum Aachen, Fertigstellung 1985, Bausumme 2 Milliarden DM (© HAA, Bestand Neue Heimat, Foto: A. Milleris)
»Bei uns können Sie BU ######## eine ganze Stadt bestellen.« Albert Vietor »Zitat ######« Zitatquelle Übergabe des Neue-Heimat-Projekts Olympiazentrum Kiel-Schilksee, 1972, Bausumme 10 Millionen DM (© HAA, Bestand NH)
Die Neue Heimat hat zwischen 1947 und 1985 Hunderttausende von Wohnungen in der Bundesrepublik errichtet und war damit der größte Wohnungsbaukonzern Europas. Nach dem Motto »Wir machen alles« baute sie auch Universitäten, Kongresszentren, Großkliniken. Damit prägte der Konzern das Gesicht der Bundesrepublik städtebaulich und architekto- nisch nachhaltig: er war Ausdruck und Spiegel- bild der bundesdeutschen Sozialgeschichte. In der Wiederaufbauzeit nach dem Krieg und im »goldenen Zeitalter« zwischen 1957 und 1973 verkörperte der Konzern die Hoffnung auf ein besseres Leben für breite Bevölkerungsschich ten – eine Hoffnung, die sich im Wirtschafts- wunderland zu realisieren schien … Die Neue Heimat war Flaggschiff der gewerkschaftli- chen Gemeinwirtschaft, die als Alternative zu einer strikt auf Profit bezogenen kapitalis tischen Ökonomie gedacht war. Das Konzept war zunächst überzeugend: Man bot sich als Generalunternehmer an, lieferte Komplett angebote und versprach niedrige Preise. So versuchte die Neue Heimat auf ihrem Feld, eine sozialdemokratische Utopie zu verwirk lichen – bis dieses Konzept öffentlicher Wohl- Herausgegeben von Ullrich Schwarz fahrt in den 1970er Jahren ins Wanken geriet. neue heimat Das Gesicht der Bundesrepublik Das Buch ist die erste umfassende Dokumen Bauten und Projekte 1947 – 1985 tation der wichtigsten Projekte der Neuen Heimat in Deutschland und im Ausland. Weitere Schriftenreihe des Hamburgischen Architekturarchivs, Band 38, hg. von Hartmut Frank und Ullrich Schwarz Themen: Design und Ausstattung der Bauten ca. 800 Seiten, ca. 700 historische und Farbabbildungen und das Verhältnis des Konzerns zu den Medien. Hardcover mit Fadenheftung und Lesebändchen Unveröffentlichte Fotos und Pläne vermitteln 23 x 28 cm, ISBN 978-3-86218-112-4, ca. € 79,00 Januar 2019 einen in dieser Form bisher nicht möglichen Zugang zu einer der prägendsten Phasen unserer Geschichte. p Erste umfassende Präsentation der wichtigsten Bauten der Neuen Heimat im In- und Ausland Beiträge von Norbert Baues, Robert Galitz, p BRD-Geschichte im Spiegel von Architektur und Städtebau Karl Heinz Hoffmann, Gert Kähler, Peter Kramper, Lars Quadejacob, Dirk Schubert, Ullrich Schwarz p Unveröffentlichtes Material aus dem Neue-Heimat-Archiv p Bibliophiles Schwergewicht, reich bebildert, hochinformativ p Begleitende Ausstellungen 2019 (Pinakothek der Moderne in München und Museum für Hamburgische Geschichte) 777 Großsiedlung Lübeck- Buntekuh, 1961 – 1967 (Foto: Michael Zapf) 77 Elbe-Einkaufszentrum Hamburg-Osdorf, 1966 (© HAA, Bestand NH) 7 Ferienwohnsiedlung der Neue Heimat International in Fuentes de Satélite, Mexiko, 1978 (Neue Heimat 9 Monatshefte, 6/1978)
BU ######## »Mein Specialfach ist: Privat- und Luxusarchitektur. Das entspricht meinem Charakter, meinem Geschmack.« Martin Haller an seinen Vater, 1861 Ein Baumeister mit taktischen Geschick und Gespür für Menschen: Martin Haller, ca. 1897 (© StaHH)
Die erste Biografie über den »Privat- und Luxusarchitekten« der Hamburger Belle Époque Martin Haller (1835 – 1925) liest sich wie das Lehrbuch einer gelungenen Erziehung. Und wie ein Roman. Die erst jüngst transkribierten, im Alter verfassten Handschriften des Rathaus- baumeisters verraten das Geheimnis seines erfolgreichen Lebens in Hamburg zwischen 1860 und 1920. Nach Studien in Potsdam, Berlin und Paris findet Haller – nicht zuletzt über gesellschaftliche Beziehungen – erste Auftrag geber. Villen am westlichen Alsterufer, Bank gebäude rund um die Börse und Amüsierstätten zwischen Uhlenhorst und Reeperbahn sichern dem auch zeichnerisch begabten Senatorensohn schnell volle Auftragsbücher. Insgesamt führt er in Hamburg über 500 Neu- und Umbauten aus. Manche seiner Bauherren – so die wohl habenden Brüder von Ohlendorff, die Bankiers von Schinckel und die Warburgs, das amerikani- sche Ehepaar Budge oder der »Diamantenkönig« Alfred Beit – bleiben Haller über viele Jahre als Auftraggeber treu. Das vielseitige Buch zeichnet die Entstehungsgeschichte spektakulärer Immo- bilien wie die des Kontorhauses Dovenhof, der Musikhalle oder des viel bewunderten Hambur- ger Rathauses auf. Vom Hamburger Brand 1842 Karin von Behr bis zu Hallers letzter Reise nach Amerika ent- Martin Haller 1835 – 1925 steht so ein schillerndes Lebensbild der Belle Privat- und Luxusarchitekt aus Hamburg Époque. Ausschnitte aus Hallers erfrischend Mit einem Essay von David Klemm offen verfassten Tagebüchern machen es da ca. 216 Seiten, ca. 60 Farbabbildungen rüber hinaus zu einer Hamburgensie der ange- Leinenband mit Fadenheftung und Lesebändchen nehm amüsanten Art. 16,5 x 24 cm, ISBN 978-3-86218-118-6, ca. € 24,90 März 2019 Die Autorin Karin von Behr studierte Kunstgeschichte und Psychologie in Hamburg. Sie ist Bibliothekarin, Journalistin und Buchautorin zu Themen der Architektur und Gartenkunst, häufig biografischer Natur (»Ferdinand Streb«, »Hamburg und seine Bauten 1985 – 2000«, »Künst- p Die erste Biografie des Hamburger Rathausarchitekten lergärten in Deutschland«, zuletzt »Emil Maetzel«). p Eine echte Hamburgensie, amüsant und lehrreich p Geheimnisse eines »erfolgreichen Lebens« p Mit Zitaten aus seinen unveröffentlichten Erinnerungen p Ein Geschenkbuch mit Anspruch 7777 Als Student in Paris, um 1859 777 Der Falkner, frühe Zeichnung Hallers, um 1860 77 Mit der Familie vor dem Landhaus in Billwerder, ca. 1882 7 Das Rathaus, Rathaus- baumeisterbund / Martin Haller, 1880 (© für alle 11 Abbildungen StaHH)
Der gesetzeskräftige Bebauungsplan, BU ######## der Schauder erregen kann, wenn man ihn sich verwirklicht denkt … Da gelang es im allerletzten Augen- blick, dies Unglück abzuwenden.« Fritz Schumacher, Das Werden einer Wohnstadt, 1932 Die historische Rollerbahn im Grünzug von Hamburg-Dulsberg, Teil der Planung von Fritz Schumacher und Otto Linne, Aufnahme um 1953 (© Behörde für Umwelt und Energie Hamburg)
Auf dem Dulsberg haben die verschiedensten Planer Spuren hinterlassen und erste Bau steine für eine moderne Stadtplanung gelegt. Seit 1897 wurde die Acker- und Weidefläche im Hamburger Osten zu einem Wohngebiet umgeplant, aber erst der Hamburger Ober baudirektor Fritz Schumacher (1869 – 1947) war es, der ein zeitgemäßes Konzept auch gegen Widerstände in den eigenen Reihen durchsetz- te. Seine stadtplanerischen Ideen prägen bis heute den Stadtteil maßgeblich. Zwischen 1918 und 1930 plante er die beiden Schulen an der Krausestraße (Ahrensburger Straße) und Alter Teichweg (Graudenzer Weg) auf dem Dulsberg sowie gut 20 Prozent der Wohnhäuser. Darüber hinaus initiierte er den Bau von Wohnbauten der bedeutendsten Hamburger Architekten jener Zeit. Dieses Buch zeichnet anhand teil weise unveröffentlichter Fotos, Pläne und Skizzen die Entstehungsgeschichte des neuen Ansatzes in der Planung Schumachers nach und stellt weitere historisch bedeutsame Bauten auf dem Dulsberg vor (u.a. die Gerson-Blöcke, die Laubenganghäuser der Gebrüder Frank und den Naumann-Block von Klophaus, Schoch, zu Putlitz). Weitere Themen sind der Grünzug- Entwurf von Otto Linne und der Wiederaufbau Roger Popp nach dem Krieg. Schließlich erklärt das Buch, Fritz Schumacher und der Dulsberg was an der stadtplanerischen Entwicklung ca. 152 Seiten, ca. 160 historische und Farbabbildungen heute für die rund 17.000 Bewohner und Be- Hardcover mit Fadenheftung und Lesebändchen wohnerinnen des Dulsberg wichtig ist und wie 21 x 26,8 cm, ISBN 978-3-86218-110-0, € 29,90 man den Stadtteil bei verändertem Umfeld bereits erschienen behutsam weiterentwickeln kann. Der Autor Roger Popp wuchs auf dem Dulsberg auf, besuchte dort den Kindergarten (in der Lothringer Straße), den Fußballverein (DSC Hanseat) und die Katholische Schule (St. Franziskus). Bis heute lebt er p Eine Stadtteil-Geschichte für alle Dulsberger im Stadtteil. Er studierte Architektur und Stadtplanung p Wichtiger Beitrag zur Geschichte der Stadtplanung in Hamburg und promovierte über »Die Mittelmaße p Fritz Schumacher aus neuer Perspektive in der Architektur«. p Reich bebildert p Begleitende Ausstellungen und Veranstaltungen im Stadtteil vom 3.6. bis 1.9.2018 Bund Deutscher Architekten und Das Buch veranschaulicht, welche aktuellen Hamburger Neu- oder Architektinnen BDA Hamburg (Hg.) Umbauten aus der Sicht von Fachleuten und Laien herausragende BDA Hamburg Architektur Preis 2018 architektonische Qualitäten aufweisen. Es zeigt die Sieger des BDA Die Baujahre 2016 – 2018 ca. 112 Seiten, ca. 170 Farbabbildungen, Hamburg Architektur Preises 2018 und des Publikums Architektur Broschur, ISBN 978-3-86218-111-7, € 19,80 Preises, der vom BDA Hamburg und der Lokalredaktion des »Ham- November 2018 burger Abendblatts« vergeben wird. Das Buch bietet damit einen ein- »Das sind Hamburgs neue Vorzeige-Bauwerke [...] zigartigen Querschnitt der regen Bautätigkeit im Großraum Hamburg Sie tragen klangvolle Beinamen wie Terrassen über die letzten zwei Jahre. Ein aktueller Beitrag zur Hamburger oder Decks: Aber ausgezeichnet wurden Hamburgs beste Bauwerke allein für ihren architektonischen Architekturdiskussion rundet den Band ab. und kulturellen Wert.« Hamburger Abendblatt über den Vorgängerband 2016 13
»Am Neste kann man sehen, BU ######## was für ein Vogel darin wohnt.« Ferienhaus Alvano, Hamburg (Foto: Marcus Bredt)
Das Haus, das Wohnen anderer Menschen übt eine ganz besondere Faszination auf uns aus. Anders ist nicht zu erklären, dass es ganze Zeitschriftenjahrgänge zum Thema »Das Leben der Anderen« gibt. So ist es nicht erstaunlich, dass für jeden Architekten und jede Archi tektin der Entwurf eines privaten Wohnhauses eine besondere Heraus forderung ist: Wie entwerfe ich so, dass mir unbekannte Menschen dort glücklich leben? Noch heikler aber ist der Entwurf eines Hauses für Menschen, die man kennt. Denn das erfordert die Übersetzung von indi viduellem und sozialem Verhalten in gebauten Raum, in Architektur. Dieser Anspruch gilt für die eigene Familie Herausgegeben von Gert Kähler wie auch für andere, in deren Wohnwünsche »Ich freue mich immer, sich der oder die Entwerfende einfühlen muss. nach Hause zu kommen« Sowohl die Gründungsväter wie auch die Part- Privathäuser der Architekten ner des Architekturbüros von Gerkan, Marg von Gerkan, Marg und Partner und Partner haben sich dieser Herausforderung ca. 400 Seiten, ca. 320 Farbabbildungen immer wieder mit Verve gestellt – beim Bau Hardcover mit Fadenheftung, 27 x 18 cm oder Umbau des eigenen Hauses oder dem für ISBN 978-3-86218-113-1, ca. € 49,90 andere. In diesem Buch wird der Blick auf die März 2019 unterschiedliche Perspektive von Bauherr und Architekt gelenkt: Wie kam man zusammen? Woran entzündeten sich die Diskussionen? Und wie bewertet man das Ergebnis hinterher? In der Beantwortung dieser Fragen zeigt das Buch die sehr persönliche Seite des Eigen-Heim- Baus anhand von 24 sehenswerten Objekten von der Villa bis zum Ferienhaus – zu Land und auch zu Wasser. Der Autor und Herausgeber Gert Kähler ist Architektur p Private Wohnbauten eines der weltweit historiker und Publizist mit zahlreichen Veröffentlichun renommiertesten deutschen Architekturbüros gen zu Themen der Stadt und der Architektur des p 24 Projekte von der Villa bis zum Ferienhaus 20. Jahrhunderts (»Geheimprojekt HafenCity«, »Der p Bauherren und Architekten erzählen vom Architekt als Bauherr«, 2016). Er befasst sich seit vielen Leben im eigenen Haus Jahren kritisch mit der Entwicklung Hamburgs. 777 Haus Luserke, Hamburg (Foto: Klaus Frahm) 77 Kombüse auf Volkwin Margs Bramsegelschoner »Activ« (Foto: Gert Kähler) 7 Wohnraum Haus Alvano, Hamburg (Foto: Klaus Frahm) 15
Fertige Hieven: Kaffee aus Brasilien auf der »Cap San Lorenzo«, Juli 1965 (Foto: Karl-Heinrich Altstaedt) »Also wir haben immer gelächelt über den Container, haben gesagt: ›Das kann nicht angehen.‹« Hafenarbeiter Paul Wonner, 2010
Globale Entwicklungen wie Technisierung, Contai nerisierung und Rationalisierung nehmen seit den 1960er Jahren starken Einfluss auf Arbeitsstrukturen und Handlungsräume aller Akteure im Hamburger Hafen. Mit neuen Berufsbildern änderten sich die Qualifikationsanforderungen, mit diesen die ökonomi- schen Möglichkeiten und damit auch das Selbstbild der dort tätigen Menschen. Parallel zur technischen Transformation setzte eine »Musealisierung von Hafenarbeit« ein. Die empirische Studie untersucht, wie ehemalige Hafenarbeiter soziale, technische und atmosphärische Veränderungen im Rückblick schil- dern. Wie stellt sich der Wandel sozialer Beziehungen in der Erzählung dar? Welche Auswirkungen hatten technische Neuerungen für den Einzelnen, aber auch für die ganze Berufsgruppe? Wie veränderte sich die Atmosphäre am Arbeitsplatz? Und – last but not least – welche Rolle spielt das Hafenmuseum Hamburg in diesem Prozess? Die Studie bildet anhand mündlicher, medialer und musealer Darstellungen des Hafens und seiner Akteure die enge Verflechtung von Raum und Arbeitskultur und ihr Einfluss auf die individuelle und kollektive Identifikationsbildung ab. Die Autorin Janine Schemmer ist Empirische Kulturwissen- schaftlerin. Sie war in der Werkstatt der Erinnerung an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg tätig. Janine Schemmer Derzeit arbeitet sie am Institut für Kulturanalyse an der Hafenarbeit erzählen. Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Forschungsschwerpunkte: Erzählforschung, kulturwissenschaftliche Technikforschung, Erfahrungs- und Handlungsräume im räumliche Transformationsprozesse. Hamburger Hafen seit 1950 Hg. von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, Reihe Forum Zeitgeschichte, Band 28 ca. 300 Seiten, 25 Abbildungen, Hardcover, 17 x 24 cm ISBN 978-3-86218-108-7, ca. € 30,00 Oktober 2018 p Neue Blicke auf das Stereotyp des Hafenarbeiters p Einblicke in Veränderungsprozesse im Hafen p Thema »Musealisierung von Hafenarbeit« 777 Stückgutumschlag auf einem Containerterminal, Tollerort, ca. 1990 (SHMH, Archiv Hafenmuseum) 77 Das Museum der Arbeit sucht Zeitzeugen, Flyer 1987/88 (Archiv FZH) 7 Das Hafenmuseum Hamburg ist in Schuppen 50 seit 1999 untergebracht 17 (Foto: Janine Schemmer)
Seit über 400 Jahren leben Juden in Hamburg. Noch heute erinnern zahlreiche Orte im Stadtbild an ihre wechselvolle Geschichte, die mit dem Nationalsozia- lismus endete. Diejenigen, die rechtzeitig fliehen konnten und, über den Erdball verstreut, ein neues Zuhause fanden, haben Hamburg nie vergessen – genausowenig wie die alten Rezepte, nach denen in ihren Familien gekocht und gebacken wurde. Sie gaben sie an ihre Nachfahren weiter: das Rezept für den Butterkuchen mit seinem unvergesslichen Ge- schmack oder das für die süß-saure Rote Grütze, für traditionelle jüdische Rezepte wie Hühnersuppe mit Mazzeknödeln oder Gehackte Leber … Heute gibt es wieder jüdisches Leben in Hamburg. Juden aus den verschiedensten Ländern lassen sich erneut in der Hansestadt nieder und kochen Speisen aus ihren Herkunftsländern: Persisches Kräuteromelette, russischen Borschtsch, Aargauer Rüeblitorte … Das »Jüdische Kochbuch aus Hamburg« hat all diese Rezepte gesammelt und sie mit Anekdoten und Bio- grafien bereichert. So entsteht ein traditionelles und gleichzeitig modernes multikulturelles »Cookbook«. Die Herausgeberinnen Gabriela Fenyes arbeitete als Journalis- tin und war viele Jahre Vorstandsmitglied der Jüdischen Ge- meinde in Hamburg. Barbara Guggenheim, geboren in Zürich, Hg. von Gabriela Fenyes, Barbara Guggenheim war Literaturagentin und ist Gründungsmitglied des »Jüdischen und Judith Landshut Salon am Grindel«. Judith Landshut entstammt einer tradi Das Jüdische Kochbuch aus Hamburg tionsreichen jüdischen Familie aus der Tschechoslowakei und war viele Jahre in der Jüdischen Gemeinde in Hamburg tätig. The Jewish Cookbook from Hamburg deutsch /englisch, ca. 280 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen, Broschur mit Fadenheftung und Lesebändchen, 17 x 24 cm, ISBN 978-3-86218-109-4, ca. € 23,00 »Es war ein sehr berührender Moment, Oktober 2018 als der Postbote eine Versandtüte mit einem handgeschriebenen Kochbuch brachte, das Hamburg 1936 in Zeiten der Verfolgung verlassen hatte. Über Groß- p Ein historischer, indes persönlicher Streifzug britannien gelangte es nach Australien, durch die jüdische Küche, gekocht in Hamburg und von da wurde es 2016 wieder nach p Eine lebendige Sammlung aus Rezepten, Anekdoten und Biografien Hamburg zurückgeschickt.« p Traditionell, modern und multikulturell Barbara Guggenheim, 2018 3 Hauswirtschaftsunterricht in der »Israelitischen Töchter- schule Carolinenstraße«, um 1925 (© CAHJP Jerusalem) 33 Versandtüte aus Australien von Francis Reiss für das Kochbuch seiner Mutter, 2016 18
Die Geschichten »Von dem Fischer un syner Fru« und »Von dem Machandelboom« gehören zu den schöns- ten deutschen Märchen, deren Handlung und Erzähl- stil bis heute faszinieren. Vor über 200 Jahren zeich- nete P hilipp Otto Runge (1777 – 1810) die bis dahin nur mündlich überlieferten Geschichten erst- mals auf, Jahre bevor die Brüder Grimm sie von ihm in ihre Sammlung von Kinder- und Hausmärchen übernahmen. In diesem liebevoll gestalteten Künst- lerbuch können sie nun wiederentdeckt werden. Die Künstlerin Nathalie David bebildert die Märchen mit Collagen aus Motiven des Künstlers Runge, Fragmenten und Details aus seinen Zeichnungen, Aquarellen und Spielkartenentwürfen. Die Märchen lassen sich so nicht nur lesend, sondern auch schau- end erleben und eignen sich damit wunderbar zum Vorlesen – wahlweise op Plattdüütsch oder in der gegenübergestellten hochdeutschen Fassung. Er- gänzt wird das Buch durch zwei CDs (Hörbuch und Hörspiel), auf denen die Märchen mit Musik von Vladyslav Sendecki, mit Gesang von Ursula Wittich und den Stimmen von Hildegard Schmahl, Patrycia Ziolkowska, Werner Grassmann und Hermann Book lebendig werden. Dieses multimediale Künstlerbuch bietet ein reiches Angebot zum Schauen, Selbstlesen, Vorlesen und Hören. Hg. von der Philipp Otto Runge Stiftung Runges Märchen Die Künstlerin Nathalie David, geb. in Frankreich, studierte Als Buch, Hörbuch und Hörspiel freie Kunst in Nizza, Hamburg und Paris. Sie ist Filmemacherin, Zeichnerin und Fotografin und realisiert künstlerisch-dokumen- Ein Künstlerbuch von Nathalie David tarische Filme über Persönlichkeiten aus dem Kunstbereich. hochdeutsch / plattdeutsch, ca. 96 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen, Klappenbroschur mit Fadenheftung, 16,5 x 23,5 cm, 2 CDs (Hörbuch und Hörspiel auf Hochdeutsch) Altersempfehlung »Von dem Fischer« ab 4 Jahren, »Von dem Machandelboom« ab 10 Jahren ISBN 978-3-86218-107-0, ca. € 24,90 Juni 2018 »Manntje! Manntje! Timpe Te! Buttje! Buttje in der See! p Ein multimediales Buch zum Lesen Myne Fru de Ilsebill oder Vorlesen, zum Hören und Schauen Will nich so as ik wol will.« p Zum spielerischen Plattdüütsch lernen »Von dem Fischer un syner Fru«, p Märchen (wieder) entdecken aufgezeichnet von Philipp Otto Runge, 1806 p Ein Geschenkbuch mit Tradition 23 66 67 I was man sich immer wünschen mag. „Na“, sagte die VON DEM VON DEM FISCHER UN SYNER FRU 9 Frau, „ist das nun nicht schön?“ „Ach ja“, sagte der MACHANDELBOOM Mann, „so soll es auch bleiben, nun wollen wir auch in VON DEM FISCHER D Ach Fru, säd’ de Mann, dem schönen Schloss wohnen und wollen zufrieden sein.“ at is nu all lang’ heer, wol twe dusend Johr, do wöör dar een ryk SEINER FRAU wat wullst du König syn? dat mag „Das wollen wir uns bedenken“, sagte die Frau, „und wollen es be- Mann, de hadd’ ene schöne frame Fru, un se hadden sik beyde UND ik em nich seggen. – Worüm nich? säd’ de Fru, schlafen.“ Indes gingen sie zu Bett. Den andern Morgen wachte die sehr leef, hadden awerst kene Kinner, se wünschden sik awerst Frau zuerst auf, es war gerade Tag, und sah von ihrem Bett aus das sehr welke, un de Fru beed’d so veel dorüm Dag un Nacht, man se kregen VON DEM ga stracks hen, ik mutt König syn. herrliche Land vor sich liegen. Der Mann reckte sich noch, da stieß sie keen’ un kregen keen’. Vör erem Huse wöör een Hof, dorup stünn’ een Mach MACHANDEL ihn mit dem Ellbogen in die Seite und sagte: „Mann, andelboom, ünner dem stünn’ de Fru eens im Winter, un schelld’ sik enen BAUM steh auf, und guck mal aus dem Fenster – sieh! Appel, un as se sik den Appel so schelld’, so sneet se sik in’n Finger, un dat II D Könnten wir nicht König werden über all das Land? Blood feel in den Snee; – ach! säd’ de Fru, un süft’d so recht hoog up, un seg as ist nun alles lange her, 45 Geh hin zum Butt, wir wollen König sein!“ „Ach, Frau“, dat Blood vör sik an, un wöör so recht wehmödig: hadd’ ik doch een Kind so wohl zweitausend Jahre, sagte der Mann, „was wollen wir König sein? Ich rood as Blood un so witt as Snee! – un as se dat säd’, so wurr’ ehr so recht da war da ein reicher Mann, Biographie Philipp Otto Runge | Markus Bertsch 47 mag nicht König sein.“ „Na“, sagte die Frau, „willst frölich to Mode, ehr wöör recht, as schull dat wat warden. Do güng’ se to der hatte eine schöne, fromme Frau, du nicht König sein, so will ich König sein; geh hin dem Huse, un’t güng’ een Maand hen, de Snee vörgüng’; un twe Maand, do und sie hatten sich beide sehr lieb, Anmerkungen zu Runges Märchen | Ulrike Runge 51 zum Butt, ich will König sein.“ „Ach, Frau“, sagte wöör dat gröön; un dre Maand, do kömen de Blömer uut der Eerd’; un veer hatten aber keine Kinder, der Mann, „warum willst du König sein? Das mag Maand, do drüngen sik alle Bömer in dat Holt un de grönen Twyge wören sie wünschten Die Randzeichnungen | Hubertus Gaßner 57 ich ihm nicht sagen.“ „Warum nicht?“, all’ in eenanner wussen, door süngen de Vägelkens, dat dat ganße Holt sich aber sehr Biographie Nathalie David 61 sagte die Frau, schalld’ un de Blöiten felen von den Bömern; do wöör de fofte Maand wech welche, und die un se stünn’ ünner dem Machandelboom, de röök so schön, do sprüng’ ehr Frau betete so viel „geh stracks hin, dat Hart vör Freuden un se füll up ere Knee und kunn’ sik nich laten; un darum, Tag und Nacht, nur sie ich muss König as de soste Maand vörby wöör, do wurren de Früchte dick un kriegten keine und kriegten keine. Vor III sein.“ — staark, do wurr’ se ganß still; un de söwde Maand, ihrem Haus war ein Hof, darauf stand ein Machandel- VON DEM MACHANDELBOOM 65 do greep se na den Machandelbeeren un eet baum, unter dem stand die Frau einmal im Winter und se so nyd’sch, do wurr’ se trurig un krank; do schälte sich einen Apfel, und als sie sich den Apfel so schälte, güng’ de achte Maand hen, un se reep eren da schnitt sie sich in einen Finger und das Blut fiel in den Schnee. VON DEM Mann, un weend’ un säd’: wenn ik staarw’, „Ach!“, sagte die Frau und seufzte so recht hoch auf und sah das Blut MACHANDELBAUM so begraaf my ünner den Machandelboom! Do wurr’ se ganß getrost un freude sik, bet vor sich an und wurde so recht wehmütig, „hätte ich doch ein Kind so rot wie Blut und so weiß wie Schnee!“ Und als sie das sagte, so wur- de neegte Maand vörby wöör, do kreeg se de ihr so recht fröhlich zumute, ihr war recht, als sollte das was wer- een Kind so witt as Snee un so rood as Blood, den. Dann ging sie ins Haus. Und es ging ein Monat hin, der Schnee 19
»Glück, Wohlstand und ein langes Leben« Chinesischer Neujahrswunsch »Zitat ######« Zitatquelle Die drei Götter des Glücks, des Wohlstands und des langen Lebens, Druck aus der Ming-Dynastie, 236 x 123 cm (Ausschnitt)
In der Stadt Yangliuqing in Tianjin südlich von Peking wird die Kunst des Holzschnitts zum neuen Jahr seit mehr als 400 Jahren gepflegt. Sie entstand dort bereits in der späten Ming- Dynastie um 1628 und erreichte ihre Blüte in der Mitte der Qing-Dynastie (1723 – 1820). Neujahrs- bilder sind schon seit mehr als 2000 Jahren in China bekannt. Sie haben ihren Ursprung in Schutzgemälden zur Abwehr böser Geister. Später wurde es zu einer Tradition in der Be völkerung und vor allem in der Geschäftswelt, anlässlich des chinesischen Neujahrfestes farbenfrohe Gemälde mit guten Wünschen an Türen, Wänden, Fenstern und Öfen zu platzie- ren. Die in ihrem Detailreichtum beeindrucken- den, zum Teil mehrere Meter großen Holzschnitt drucke aus Yangliuqing zeigen eine Vielzahl von Motiven. Eines der beliebtesten ist ein wohlgenährtes Baby, das eine Lotusblüte und einen großen Fisch im Arm hält. Die Lotusblume symbolisiert den Lauf der Zeiten, der Fisch steht für Überfluss. Kraniche, Kiefern und Pfirsiche Herausgegeben von Liu Jianchao stehen für Langlebigkeit, Pfingstrosen für Reich- Chinesische Neujahrs-Holzschnitte tum, Pflaumen für Ausdauer, Loyalität und aus Yangliuqing Anmut, der Tiger für Tapferkeit, der Elefant für Frieden … Die handwerkliche Technik, die bei deutsch/chinesisch, ca. 350 Seiten, ca. 250 Farbabbildungen Leinenhardcover mit Fadenheftung und Schutzumschlag diesen kostbaren farbenfrohen Werken zum 28,5 x 28,5 cm, ISBN 978-3-86218-117-9, ca. € 49,90 Einsatz kommt, ist eine hochkomplexe Kombi- Frühjahr 2019 nation aus Holzschnitt und Handbemalung. Der gesamte Prozess umfasst Zeichnen, Nach- zeichnen, Holzgravur, Stempeldruck und feinstes Übermalen der Drucke. Das aufwendig gestal tete Buch leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständis traditioneller und moderner chinesi- scher Volkskunst und schlägt eine Brücke in den Fernen Osten. p Eine Brücke zum Verständnis der chinesischen Kultur Der Herausgeber Liu Jianchao ist Direktor des p Bedeutungserklärungen zu jedem Motiv Tianjin Yangliuqing Woodblock New Year Prints Museum, das über 10.000 der künstlerisch wertvollsten Neujahrs p Erstveröffentlichung wertvoller historischer Exponate holzschnitte in seiner Sammlung hat. p Mit Beispielen moderner Neujahrsholzschnitte p Anschauliche Darstellung der handwerklichen Technik p Hochwertiger Bildband Yihong-Garten, Der Traum der Roten Kammer, Qing-Dynastie, 777 von links: Holzschnittblock, Konturdruck, kolorierter Druck (63 x 104 cm, hier Ausschnitte) (© für alle Abbildungen: Tianjin Yangliuqing Woodblock New Year Prints Museum, China) 21
ist der Hummelstaat nicht annähernd so langlebig wie HAUTFLÜGLER Die S taats trage n de n eine Bienenkolonie. Während bei Bienen das ganze Volk überwintert, überleben bei Hummeln nur die begatte- ten Jungköniginnen den Winter; bei der Staatsgründung im Frühjahr sind sie zunächst auf sich gestellt. Die erste Generation Arbeiterinnen muss die junge Königin selbst aufziehen. Wenn die ersten Arbeiterinnen geschlüpft sind, überlässt ihnen die Königin alles Weitere und legt nur noch Eier. Auf den ersten Blick würde man Ameisen nicht für Hautflügler halten, doch zeitweise tragen auch Amei- senmännchen und die jungen Königinnen zwei Flügel- paare und sind flugfähig – zumindest für die Dauer eines 1 Die Rotschopfige Sandbiene Andrena haemorrhoa Hochzeitsfluges. In einem Punkt übertreffen sie die ande- lebt, wie die meisten Wildbienen, ohne Staat und ren Hautflüglergruppen bei Weitem: Ameisenköniginnen kümmert sich allein um ihre Brut. können extrem langlebig sein. Königinnen der Schwarzen Wegameise sind nachweislich 29 Jahre alt geworden. Wie alle Staaten bildenden Hautflügler beherrschen Warum um alles in der (Tier-)Welt hat der große schwedi- auch Ameisen die Kunst der Temperatursteuerung. Wald- sche Naturforscher Carl von Linné eine Insektenordnung ameisen beispielsweise nutzen ihre Nestkuppeln als Wär- Hymenoptera, also Hautflügler, genannt, als er vor über mefänger. An schattigen Standorten bauen sie hohe Kup- 300 Jahren allen damals bekannten Tier- und Pflanzenarten peln, an stark besonnten Stellen halten sie ihre Nester ihre Namen gab? Bienen, Wespen und ihre Verwandtschaft flach und breiten sich lieber in den Boden aus. Moderndes schwirren zwar tatsächlich auf »Hautflügeln« durch ihr Er- Pflanzenmaterial sorgt zusätzlich für Wärme, die intelligent wachsenenleben, aber das tun auch Käfer, Libellen, Flor- genutzt wird: Die Arbeiterinnen schleppen die besonders fliegen und andere Insekten – allesamt keine Hymenoptera. empfindlichen Larven und Puppen immer dorthin, wo die Die häutigen Flügel sind also kein »Alleinstellungs- Binnentemperatur für ihre Entwicklung gerade optimal ist. merkmal«. Etwas Exklusives ist da schon eher der »Klett- Außerdem können Ameisen ebenso wie Wespen, Hum- verschluss«, der bei Hautflüglern im Flug das vordere meln und Bienen ihre Nester per Muskelzittern mit Stoff- und das hintere Flügelpaar miteinander verbindet. Diese wechselwärme aufheizen. Kopplung der beiden Flügelpaare sorgt dafür, dass sie sich Auch die große Familie der Schlupfwespen gehört synchron bewegen. zu den Hautflüglern. Unter ihresgleichen hat sich aller- Bekannt, ja geradezu berühmt wurden Hautflügler aber dings keine Form von Insektenstaaten entwickelt. Schlupf- wegen einer ganz anderen Erfindung: Von den Termiten mal wespen gehen allein auf die Jagd, impfen verschiedenste abgesehen, haben sich nur in dieser Insektenordnung Staa- Insekten mit ihren Eiern und lassen ihre Larven als ver- ten entwickelt. Ihre Mitglieder verständigen sich höchst steckte Untermieter im fremden Körper heranwachsen. raffiniert per Duft- und Körpersprache. Das bekannteste Beispiel sind die Völker der Honigbiene. Bienenvölker sind – fast – reine Frauengesellschaften: Tausende Arbeiterinnen kümmern sich um beinahe alles. Sie bauen Waben aus Wachs, das sie aus speziellen Wachs- drüsen ausschwitzen; sie halten die Larven sauber und füttern sie; sie hegen und pflegen die Königin, fliegen auf Nektarsuche und verwandeln den dünnflüssigen Nektar in einem langwierigen Prozess in Honig, der in Wachszellen für schlechte Zeiten gespeichert wird. Und sie verteidigen unter Einsatz ihres Lebens den Staat gegen Eindringlinge. Nur eine einzige Aufgabe bleibt der Bienenkönigin, nach Befruchtung durch männliche Bienen (Drohnen), vorbehal- ten: das Eierlegen. Bis zu 2000 Eier presst sie sich Tag für Tag aus dem Leib. Hummeln – die nichts anderes sind als eine beson - 1 Die Schwarze Rossameise Camponotus herculeanus ders pelzige Bienengattung – leben ganz ähnlich: Auch ist bereit für den Hochzeitsflug. Nach der Paarung wird sie gründen Staaten, auch bei ihnen erledigen in der Re- sie die Flügel abwerfen und sich den Rest ihres Lebens gel die Arbeiterinnen alle anfallenden Arbeiten. Allerdings zu Fuß fortbewegen. 1 Hornissen am Einflugloch zu ihrem Nest. Die großen Wespen sind zwar nicht aggressiv, aber am Nest sollte man sie in Ruhe lassen. 54 55 In der griechischen Antike hießen Schmetterlinge fein- Wissenschaftler in Karlsruhe sind – per Forscherblick S C H M E T T E R L I N G E L u x u s lin ie d e r E v o lu t io n sinnig »Psyche«: Hauch, Seele. Und fast genauso schön ist durchs Rasterelektronenmikroskop (REM) – der Lösung das dänische »sommerfugl«. Diese »Vögel« fliegen in der des Rätsels ein Stück weit näher gekommen.1 Die Antwort Tat nur im Sommer. heißt Chaos. Während auch bei allerkleinsten Insekten die Die deutsche Sprache kommt vergleichsweise grob da- Flügeloberflächen meist ziemlich regelmäßige Strukturen her. Welcher Name könnte für ein lautlos flatterndes und zeigen, offenbart das REM bei Greta Unregelmäßigkeit als segelndes Wesen unpassender sein als Schmetter-ling? Prinzip: Ein Chitin-»Gestrüpp« ist zu erkennen, das jeden Der Name soll auf Schmetten oder Schmand zurückgehen, einfallenden Lichtstrahl extrem stark streut. Ließe sich wie noch heute eine besonders feste Sorte saurer Sahne das Greta-Prinzip technisch umsetzen, wäre der Weg zur heißt. Der Name beruht auf einem Aberglauben: Im Volks- Herstellung absolut spiegelfreier Monitore, Brillen oder mund hieß es, die Flattertiere seien als Rahmdiebe unter- Fenster gefunden. wegs. Für das englische »butterfly« könnten ähnlich ab- Die Glasflügel-Schmetterlinge stellen die Ausnahme wegige Anschuldigungen im Umlauf gewesen sein. in einer höchst farbigen Schmetterlingswelt dar. Tupfen, Schmetterlinge müssen nicht unbedingt wie Schmet- Flecken, Zackenlinien, dunkel abgesetzte Flügeladern, terlinge aussehen. Sesia apiformis, der Hornissenschwär- raffinierte Farbübergänge – es gibt nichts, was es nicht mer, imitiert eine Hornisse so täuschend echt, dass selbst gibt. Fragt sich nur, wozu? Ein Grund dürfte sein, dass ein Fachmann sehr genau hinsehen muss, um die Maskera- sich Schmetterlinge einer Art als artgleich und damit als de zu durchschauen. Die Weibchen des Schneespanners potenzielle Partner erkennen. Musterung und Farbigkeit Apocheima pilosaria haben nur kleine Flügelstummel und funktionieren wie eine Visitenkarte. können nicht fliegen. Und viele Sackträgermotten ähneln Auffallende Augenmuster, wie sie das Tagpfauenauge mit ihren transparenten Flügeln eher skurril geformten trägt, sind darüber hinaus ein ausgezeichnetes Abschre- Libellen als Schmetterlingen. ckungsmittel gegen Feinde. Kommt ein Vogel dem Insekt Bis zur Unsichtbarkeit transparent sind die Glasflügel- bedrohlich nahe, klappt der Falter gedankenschnell die Schmetterlinge der Gattung Greta. Wo andere Schmetter- Flügel auf: Urplötzlich wird der Angreifer von einem Au- linge Flügeldecken haben, die in verschiedenen Farben genpaar »angestarrt«. Für einen kurzen Moment zuckt er schillern können, flattert Greta oto, der »Waldgeist«, auf zurück, und der Falter hat die Chance zu entkommen. völlig durchsichtigen Schwingen durchs Leben. Selbst bei schrägem Lichteinfall gibt es so gut wie keine Reflexion. Während eine Glasscheibe je nach Einfallswinkel der Strah- 1 Radvanul Hasan Siddique, perties of the glasswing butterfly. len Licht mehr oder weniger stark reflektiert, werfen die Guillaume Gomard, Hendrik Nature Communications April Hölscher: The role of random 2015. https://www.nature.com/ durchsichtigen Schwingen des Glasflügel-Schmetterlings nanostructures for the omni articles/ncomms7909. allerhöchstens fünf Prozent der Lichtstrahlen zurück. directional antireflection pro Wandlungskünstler Die geheime Erfolgsgeschichte der Insekten Fotos von Nicole Ottawa und Oliver Meckes 1 Die leuchtenden Flügelschuppen des Neon-Schwalben- 1 Dieser Bruch durch einen Flügel des Glasflügel- schwanzes haben eine völlig andere Oberflächenstruktur Falters Greta oto zeigt, dass er auf seiner Flügelober- und als die umgebenden farblosen Schuppen. Unterseite nur einzelne Schuppen und Haare besitzt. 1 Die smaragdgrüne Musterung des Neon-Schwalbenschwanzes Papilio palinurus entsteht, weil feinste Strukturen der Flügelschuppen das Licht brechen und streuen. 14 Texte von Veronika Straaß und Claus-Peter Lieckfeld 15 120 Seiten, 80 großformatige Abbildungen Broschur, 23 x 32 cm ISBN 978-3-86218-087-5, € 29,90 M ÜC K E N bereits angekündigt, jetzt lieferbar D ie F r a u e n s in d d ie S t e c h e r 1 Eine Anophelesmücke kurz vor dem Einstechen. 1 Details des Stechrüssels mit feinster Zähnung. Stechmückenmänner könnten einem fast sympathisch sein. schieden gestalteter Stechborsten, die im Ruhezustand Sie essen wenig, höchstens mal Nektar und andere Süß- in einer Art Futteral stecken. Mit diesem Futteral, an des- speisen, sie stechen nicht, sie saugen kein Blut. Sie tanzen sen Spitze zwei Geschmacksrezeptoren sitzen, tastet die wie in einer Männer-Disco, und sie begatten. Und dann? Mücke zunächst die Haut ab, vermutlich auf der Suche Mückenmännchen sterben schlicht und einfach nach der nach einer Stelle, wo Blutgefäße dicht unter der Oberflä- Samenspende. che verlaufen. Hat sie das richtige Fleckchen gefunden, Ihre Weibchen dagegen laufen nach der Paarung schieben sich aus dem Futteral zwei nadelspitze Stech- erst zur Hochform auf. Kaum ist ein Weibchen in den borsten in die Haut, gefolgt von einem weiteren Paar Schwarm der tanzenden Männchen eingetaucht und hat Borsten, die in messerscharfen Klingen mit gezähnten sich mit einem von ihnen gepaart, wird sie, die bisher nur Kanten enden. Diese beiden Borstenpaare – Bohrer und von Nektar und Pflanzensäften gelebt hat, blutrünstig. Säge – werden nun alternierend in die Haut gestoßen, Mit enormer Zielsicherheit fahndet sie nach geeigneten wobei die Sägezähne sich nach jedem Schub in der Haut Spendern, um ihren Durst zu stillen. Die Vorlieben sind verkeilen und ein Herausrutschen der Stechborsten ver- da durchaus verschieden. Manche der weltweit rund hindern. Während die Mücke emsig abwechselnd bohrt 3500 Mückenarten bevorzugen Affen, andere saugen und sägt, spuckt sie gleichzeitig durch eine fünfte hohle lieber an Sperlingsvögeln, wieder andere zapfen das Stechborste ein raffiniertes Sekret ins Bohrloch, das für Blut von Reptilien. Und selbst Fische wie der amphibisch mehrerlei sorgt: Es betäubt, sodass das Opfer den Über- lebende Schlammspringer sind vor Mücken nicht sicher. fall zunächst gar nicht spürt. Es macht die Zellwände rund- Auf seiner Suche nach einem Opfer lässt sich das Mü- um durchlässig und sorgt so für reichlich nachfließendes ckenweibchen von Unterschieden in Helligkeit, Form und Blut. Und schließlich verhindert es, dass das Blut gerinnt Farbe, in Temperatur, Feuchtigkeit und Kohlendioxid- und der Mücke den Rüssel verstopft. Das Sekret ist gewis- gehalt leiten. Besonders sensibel aber reagieren viele sermaßen das »Rohrfrei« der Mücken. Die sechste Stech- Arten auf Duftstoffe. Auch mit den besten Deos können borste schließlich funktioniert wie ein Trinkhalm, durch wir Menschen nicht verhindern, dass wir unablässig eine den die Mücke ihre Blutmahlzeit saugt. Geruchsfahne aus Buttersäure, Milchsäure, diversen Fett- Erst etwa drei Minuten später, wenn die Mücke längst säuren, ein wenig Ammoniak und Eiweißbruchstücken satt von dannen geschwirrt ist, wird’s lästig. Das unan- hinter uns herziehen. Eine fitte Mücke muss dieser Wolke genehme Gefühl verursacht vor allem der eingespritzte nur folgen wie ein Spürhund der Fährte, und schon sitzt Mückenspeichel. Wenn die Betäubung an der Einstichstel- »So haben Sie die Metamorphose und saugt sie an nackten Schultern und Waden. le wieder nachlässt, spüren wir die Abwehr des Körpers. Das Geräte-Set, mit dem sich Stechmückenweibchen Er bekämpft die fremden Eiweißstoffe aus dem Speichel ans Werk machen, erinnert ein wenig an ein Schweizer der Mücke, er reagiert buchstäblich allergisch auf die Taschenmesser. Sie arbeiten mit einem ganzen Bündel ver- Injektion – und das juckt! 1 Eine Gelbfiebermücke Aedes aegypti bei der Blutmahlzeit. 84 85 der Insekten noch nie gesehen: Was dem menschlichen Auge verborgen bleibt, zeigen die Makro-Fotografien.« FLIEGEN … u n d s o g e n a n n t e F lie g e n geröntgt und pro Flügel vier kräftige Antriebsmuskeln plus 13 (kleinere) Steuermuskeln identifiziert. Letztere machen zusammengenommen nur drei Prozent der Mus- kelmasse aus. Geo Auch das Lieblingstier der Genetiker kommt aus der taxonomischen Unterordnung der Fliegen: Die Frucht- oder Taufliege Drosophila melanogaster, ein knapp zwei Millimeter kleiner Winzling, ist überall präsent, wo es fault und gärt und nicht allzu kalt ist. Von den weltweit rund 3000 Arten fühlen sich etwa 50 in Deutschland wohl. Vor allem in unbedeckelten Komposteimern führen sie ein fürstliches Leben. Die gelbbraune, rotäugige Drosophila mit ihrer kurzen Generationsfolge und der überschaubaren Anzahl an Chromosomen (das gesamte Erbgut der Droso »Bizarre Schönheit und Vielfalt phila ist auf acht Chromosomen untergebracht) ist wie ge- schaffen für Kreuzungsexperimente und die Erforschung genetischer Gesetzmäßigkeiten. Auch die fein abgestimm- ten Wechselwirkungen der Hormone während der Me- tamorphose und sogar die Wirkungsweise von krebs- 1 Eintagsfliegen – hier ein Baetis-Männchen – sind auslösenden Genen lassen sich an diesen winzigen Fliegen gar keine Fliegen, auch wenn sie so heißen. erforschen. Müssten vor diesem Hintergrund Fliegen nicht unsere der bedrohten Insekten. Ausführliche Hochachtung und Wertschätzung genießen? Eigentlich ja, aber die gängige Meinung über die Brummer ist völlig Fliegen fliegen, flies fly – und das tun sie so offensichtlich anders gelagert; als Imbiss für den Teufel sind sie uns ge- und meisterhaft, dass sie nach ihrer Fortbewegungsart rade gut genug: In der Not frisst der Teufel Fliegen. benannt worden sind. Wenn man nach den Insektennamen geht, sind wir all- seits von Fliegen umgeben. Doch vieles, was für uns un- ter »Fliege« rangiert, ist überhaupt keine. Florfliegen und Texte löschen den Wissensdurst … Köcherfliegen zum Beispiel sind mit »richtigen« Fliegen nicht näher verwandt als ein Pinguin mit einem Huhn. Und Eintagsfliegen stehen – ihrem Namen zum Trotz – den Libellen weit näher als den Fliegen. Dafür sind Fliegen wiederum mit den Mücken so richtig eng verwandt: Beide gehören zu den Zweiflüglern. Das ist doch endlich mal ein anschaulicher Gruppen- name: Zweiflügler haben in der Tat nur zwei Flügel. Das Zum Staunen.« zweite hintere Flügelpaar, das bei Insekten eigentlich zur Grundausstattung gehört, ist bei den Zweiflüglern im Laufe der Evolution zu merkwürdigen kleinen Gebilden geschrumpft, den sogenannten Schwingkölbchen oder Halteren. Sie sehen ein wenig aus wie winzige Trommel- stöcke, schwingen beim Fliegen im gleichen Rhythmus wie die Flügel und sind mit raffinierten Sinneszellen übersät, die es der Fliege erlauben, Flugbewegungen äußerst fein Neue Westfälische Zeitung zu justieren. Bei der Schmeißfliegenart Calliphora eryathrocephala arbeitet dieses Hightech-Doppelaggregat sogar, wenn das Insekt auf seinen sechs Beinen unterwegs ist. Dennoch: Eine krabbelnde Fliege ist eine verhältnis- mäßig leichte Beute, ganz anders als das Flugobjekt. Erst in der Luft sind Fliegen Meister ihrer Klasse. Forscher der 1 Fuß der Stechfliege Stomoxys calcitrans. Oxford University und des Imperial College in London Dank der Krallen und Haftlappen unterhalb der Krallen 22 haben die Flugmuskulatur von Stubenfliegen (spezial-) kann sie auch auf senkrechten Flächen laufen. 22 1 Die Stubenfliege Musca domestica ist ein Kosmopolit. Sie fühlt sich überall zu Hause, wo Menschen leben. 64 65
»Im Wunderland der Kleinsten …« Geo Der Name Adonislibelle oder Adonisjungfer ist eine Art poetische Girlande. Eine bestimmte Blume soll in der antiken Sagenwelt aus den Tränen der Aphrodite Am liebsten laicht man in Adoniskreisen übrigens ge- ADONISJUNGFER Py rrh o s o ma n y mp h u la LIBELLEN meinsam ab. Die laichenden Weibchen sind gerade in er blüht sein, als die Göttin den Tod des Adonis beweinte … diesem Augenblick in höchster Gefahr – allzu leicht fallen Die mit de m Göt t e r n ame n sie bei der Eiablage Fröschen zum Opfer. Ob wohl das gesellige Ablaichen die Überlebenschancen für alle Teil- nehmer erhöht? Viele Augen sehen bekanntlich mehr. Wenn einer aus dem Fortpflanzungstrupp einen Feind kommen sieht, würde er durch seine Flucht vielleicht die Diese blutrot blühende Blume muss Adonis aestivalis, anderen alarmieren. Denkbar wäre das. Adonis annua oder Adonis flammea gewesen sein (es gibt Aber wären die Männchen nicht noch besser dran, wenn auch gelb blühende Arten). Und weil der Rotton dem der sie sich im gefährlichen Moment der Eiablage gänzlich besagten Kleinlibelle stark ähnelt, färbte der Name auf das zurückziehen und in Sicherheit bringen würden? Selbst Fluginsekt ab … wenn es so wäre, überwiegt für sie etwas anderes: Würde Die Frühe Adonislibelle Pyrrhosoma nymphula, mit nur sich das Männchen davonmachen, könnte das Weibchen zwei bis drei Zentimeter Körperlänge eine kleine unter womöglich von der Konkurrenz nachbefruchtet werden, den Libellen, gibt den Anfängern beim Libellen-Bestim- und dann wäre der ganze Einsatz vergebens gewesen – men eine gute, nämlich 50 -prozentige Chance: Neben der so jedenfalls vermuten Entomologen. 1 Die Frühe Adonisjungfer ist die erste Libelle, Scharlachlibelle ist sie die einzige Kleinlibelle, die auffällig Die Frühe Adonislibelle gehört erfreulicherweise zu die im Frühjahr das Wasser verlässt. rot gewandet ist. den häufigen Libellen – noch! Obwohl die kleine Rote nicht Allerdings trägt die Frühe Adonislibelle schwarze Beine sonderlich anspruchsvoll in der Wahl ihrer Laichgewässer zum roten Körper, die Scharlachlibelle dagegen hat rote ist, obwohl sie weder auf besonders klarem noch auf Beine. Den Beinamen »früh« bekam die Adonislibelle ver- besonders sauerstoffreichem Wasser besteht und gerne passt, weil sie verhältnismäßig zeitig, oft schon im April, auch in nährstoffreichen, zugewucherten Kleinstweihern fliegt. Ungewöhnlich früh, nämlich im August, verschwin- laicht, sind ihre Zahlen in den letzten Jahren deutlich det sie dann auch wieder. zurückgegangen. Zutiefst beunruhigend, wenn selbst Trotz der Plakatfarbe werden Adonislibellen leicht Generalisten wie sie auf dem Rückzug sind! übersehen, denn sie sitzen am liebsten gut versteckt auf Blättern. Während Großlibellen auf ihren Suchflügen nach Beute sofort ins Auge fallen, warten Kleinlibellen lieber an vielversprechenden Ansitzplätzen und starten erst, wenn ein Insekt in der passenden Größe angeschwirrt kommt. ADONISJU NGFER Pyrrhosoma nymphula Kleinlibellen und Großlibellen haben noch weitere eindeutige Unterscheidungsmerkmale. Bei Großlibellen Merkmale stoßen die riesigen Augen in der Mitte des Kopfes anein- Gehört zur Familie der Schlanklibellen aus ander, bei Kleinlibellen sitzen die Augen seitlich am Kopf der Unterordnung der Kleinlibellen. 1 Ein spätes Larvenstadium der Adonisjungfer. und erinnern damit ein wenig an E.T., den Oscar-preis- Körperlänge: 33 bis 36 Millimeter. Auffällig sind die drei breiten Kiemenblätter. gekrönten Außerirdischen. Großlibellenlarven haben ent- Flügelspannweite: fünf bis sieben Zentimeter. fernte Ähnlichkeit mit Spinnen und laufen eher schwer- Vorkommen fällig über den Bodenschlamm; Kleinlibellenlarven dage- Weit verbreitet in Europa und dem südlichen Skandinavien. Besiedelt gerne nährstoffreiche gen sind schlank, haben drei federartige Kiemenanhänge Weiher, aber auch Moortümpel oder langsam am Hinterleibende und schlängeln sich fischartig elegant fließende Bäche mit dichtem Uferbewuchs. durchs Wasser. Und schließlich: Großlibellen breiten im Besonders häufig in Parks und an Gartenteichen Sitzen die Flügel seitlich aus, Kleinlibellen klappen sie über zu sehen. dem Rücken zusammen. Lebensweise Anders als bei vielen Libellenarten kann man bei der Flugzeit: April bis August. Frühen Adonislibelle Männchen und Weibchen vonein- Die Tiere sind Ansitzjäger; sie lauern zwischen ander unterscheiden. Zumindest auf den zweiten Blick. Gräsern oder Blättern und fangen ihre Beute Während beim Weibchen ein schwarzer Strich schon beim nach einem kurzen Sprint. Ein Weibchen legt durchschnittlich 350 Eier – ersten Hinterleibsegment beginnt, findet er sich bei Männ- einzeln injiziert in Pflanzengewebe. Die Larven chen erst ab dem siebten. häuten sich während ihrer Entwicklung zwölfmal. Adonislibellen legen ihre Eier in die Stängel von Was- Entwicklungszeit: zwei Jahre. Fertig entwickelte serpflanzen. Dazu verschwinden sie schon mal ganz unter Larven steigen an einem Halm nach oben, wo sie Wasser. Das Männchen bleibt bei dieser Prozedur entwe- als fertige Libellen aus der Larvenhülle steigen. 1 Die Facettenaugen sind bei der Larve schon gut der fest angedockt auf dem Weibchen sitzen oder hockt Lebenserwartung der Adonismännchen: ausgebildet. in der Nähe. bis zu 75 Tage, Lebenserwartung der Weibchen: 1 Besonders auffällig ist die bunte Gesichtszeichnung. bis zu 45 Tage. 1 Die Larve der Adonislibelle mit eingeklappter Fangmaske. 1 Die farbenprächtige erwachsene Adonislibelle. 52 50 51 53 Larve Adult DAS INSEKT VON ANTEN N E B IS TA R S U S 6 7 3 2 1 A N ATO MIE E IN E S IN SE K TS A Kopf (Caput) 10 Oberschenkel (Femur) B Brust (Thorax) 11 Unterschenkel (Tibia) C Hinterleib (Abdomen) 12 Fuß (Tarsus) 8 21 13 19 14 20 18 16 17 15 1 Seidenspinner Bombyx mori 3 22 13 Vorderdarm 9 1 Gehirn 14 Mitteldarm 2 Auge 15 Hinterdarm (Rektum) 5 4 3 Punktauge (Ocellus) 16 Eierstöcke 10 4 Mundwerkzeuge 17 Vagina 11 5 Antenne 18 Nervensystem 6 Erstes Flügelpaar 19 Tracheensystem 7 Zweites Flügelpaar 20 Herz 12 8 Hüfte (Coxa) 21 Speicheldrüse 9 Schenkelring (Trochanter) A B C 1 10 : 1 1 100 : 1 Insekten verdanken ihren Namen (insectum = eingeschnit- Die Beine gliedern sich in Hüfte oder Coxa (8), Schen- ten) der Dreiteilung ihres Körpers in Kopf (A), Thorax oder kelring oder Trochanter (9), Oberschenkel oder Femur (10), Brust (B) und Abdomen oder Hinterleib (C). Der Kopf ist Unterschenkel oder Tibia (11) und Fuß oder Tarsus (12). die »Schaltzentrale«. Hier sitzen die Augen, die Mundwerk- Am Ende des Tarsus sitzen oft verschiedenste Krallen, zeuge, die Antennen und das Gehirn (1). Haken oder Lappen, die dem Insekt besseren Halt ver- Die Augen (2) setzen sich aus einer Vielzahl von Einzel- schaffen. augen, den sogenannten Ommatidien, zusammen. Da die Im Abdomen oder Hinterleib liegt der Mitteldarm (14), Einzelaugen erst in ihrer Gesamtheit – im Komplex – das wo die Nahrung mit Verdauungsenzymen versetzt wird 1 HauhechelBläuling Polyommatus icarus 3 26 Auge ausmachen, heißt diese Art Auge Komplexauge. und Nährstoffe absorbiert werden. Im anschließenden Hin- Wegen der halbkugeligen Form der Komplexaugen weist terdarm (15) wird den Nahrungsresten Wasser entzogen jedes Einzelauge in eine etwas andere Richtung und gibt und die Ausscheidung reguliert. Auch Eierstöcke (16) bzw. damit einen etwas anderen Bildausschnitt wieder. Insekten Hoden mit den entsprechenden Ausgängen (Vagina = 17) sehen ihre Umgebung vermutlich wie ein Mosaik. Zwischen und die Malpighischen Gefäße, das Pendant zu unseren den Komplexaugen auf dem Oberkopf oder vorne auf der Nieren, sitzen im Abdomen. Stirn sitzen kleine Punktaugen oder Ocellen (3), die je Das Nervensystem (18) verläuft in Form zweier Stränge nach Insektengruppe als Lichtmessgerät fungieren oder mit mehreren Querverbindungen durch den ganzen Insek- bei Kompassorientierung oder Flugstabilisierung helfen. tenkörper. Wegen seiner charakteristischen Form wird es 1 10 000 : 1 1 100 000 : 1 Die Mundwerkzeuge (4) von Insekten sind unglaublich Strickleiter-Nervensystem genannt. formenreich. Sie können kräftige gezähnte Beißzangen, Die feinen Löcher an den Körperseiten des Insekts sind aber auch komplizierte Spezialwerkzeuge zum Lecken, die Atemlöcher oder Stigmen. Sie münden in ein Netzwerk Saugen oder Stechen sein. aus feinen und feinsten Röhren, das sogenannte Tracheen- Die Antennen (5) oder Fühler sind gleichzeitig Tastor- system (19), über das das Körpergewebe mit Sauerstoff gane und Nase. Sie können wie einfache Stängel aussehen, versorgt wird. können aber auch an Federn, Keulen, Sägen oder Geißeln Das Herz (20) ist bei Insekten wie eine Röhre geformt erinnern. und zieht sich durch den ganzen Körper. Ein Blutgefäß- Am Thorax sitzen die Flügel (6 und 7) – meist sind es system wie bei den Wirbeltieren gibt es nicht. Das Herz hält zwei Paare – und die drei Beinpaare. Der Thorax ist zum das Blut – die farblose oder grünlich-gelbe Hämolymphe – 1 Schwimmkäfer Dytiscus spec. 3 42 größten Teil mit Flug- und Beinmuskeln ausgefüllt. in Umlauf; die Organe werden von Hämolymphe umspült. 112 115 9 ZUCKMÜC KEN Chironomidae MÜCKEN Sunda nce 1 Die Larve von Chironomus plumosus durchwühlt mit ihren weißen Puscheln den umgebenden Schlamm 1 Da Zuckmücken nicht stechen, brauchen sie auch keinen Saugrüssel. nach Nahrung. 92 93 23
Sie können auch lesen