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BIOKATALYSE: REAKTIONSTECHNIK: MEHR BIO IM VERBUND MIKRO MACHT MOBIL ELEMENTS DEZEMBER 2015 # 53 DATENSTRÖME: BIG BUSINESS DURCH BIG DATA * DAS INNOVATIONSMAGAZIN
www.evonik.de Unsere Zukunftsexperten beherrschen das Ideen-Kamasutra: in 43 Stellungen zur besten Idee. Evonik ist der kreative Industriekonzern. Mit Leiden- schaft und Know-how entwickeln unsere Experten die Lösungen von morgen – von Leichtbau bis Medizin- technik. Unsere strategische Innovationseinheit Creavis eröffnet als Impulsgeber unseren Kunden neue Märkte und schafft so die Grundlage für eine langfristig erfolgreiche Partnerschaft. Besuchen Sie uns in der Zukunft unter www.creavis.de.
EDITORIAL Elementar Mehr Kooperationen wagen, offen kommuni Prozessoptimierung zieren: Das sind laut einer Innovationsstudie im durch Big Data. Seite 04 Auftrag des VCI wichtige Elemente, um Innova Dr. Ulrich Küsthardt tionen den Weg zu ebnen. Dahinter steht das Chief Innovation INHALT Wissen, dass Innovation ein komplexer Prozess Officer, Evonik Industries AG ist, der in parallelen, sich gegenseitig beein ulrich.kuesthardt flussenden Schritten verläuft. Wer ihn optimie @evonik.com 04 Digitale Intelligenz ren will, muss sich insbesondere auch mit der Big-Data-Analyse als neues Schnittstelle von Wirtschaft und Wissenschaft Werkzeug für die Prozess auseinandersetzen. Deshalb suchen wir die Nähe optimierung zu Hochschulen, Forschungsinstituten und In 12 Biokatalyse dustriepartnern, um gemeinsam schneller zum Neues Enzymsystem ermög- licht Zugang zu 1-Alkenen Ziel zu kommen. Beispiele sind unsere Zusam menarbeit mit dem Fraunhofer ICT-IMM in Mainz 15 Gastkommentar Prof. Dr. Harald Gröger über (ab S. 22) oder unsere neueste Venture-Capital- das Potenzial der Biokatalyse Beteiligung an Airborne Oil & Gas (S. 30). für Basis- und Bulkchemikalien Dazu gehört auch der offene Austausch. Vor 16 Aceton aus Abgas 13 Jahren haben wir die Zeitschrift elements an Wie Bakterien CO2 in gefragte den Start g ebracht, um insbesondere die wissen Wertstoffe verwandeln können schaftliche Community über unsere Innovati 22 Anlagen im Kleinformat onsaktivitäten auf dem Laufenden zu halten und 03 Small-Scale-Chemie macht die Möglichkeiten der Mikro- unseren Dialog mit der Fachwelt zu unterstützen. reaktionstechnik zugänglich Ein Angebot, das gern angenommen wird, wie 26 Den Wandel katalysieren unsere Leserumfrage im Herbst 2014 gezeigt hat. Die Bewegung im Energie- Das positive Ergebnis hat uns ermutigt, elements markt bietet neue Chancen für inhaltlich und vor allem optisch weiterzuentwi die Katalysatorentwicklung ckeln. 34 Evonik-Innovationspreis 2015 Der Kern der Zeitschrift, die Vorstellung unserer Fotos Seite 3: Maximus Chatsky, Dirk Bannert/Evonik, Stefan Wildhirt/Evonik Die Finalisten Innovationsprojekte, hat sich nicht geändert. 10 Data Mining Wir haben ihm aber einige neue Elemente hinzu Smarte Prozesse gefügt, unter anderem den Gastkommentar. 20 Corporate Foresight Hier laden wir Hochschulforscher ein, ihre Sicht Soft-Robotik 29 CompanyNews auf Forschungstrends darzustellen. 32 Professionals Dr. Jens Busse Bei dem fertigen Heft steht nun die gleiche 38 Wunschzettel Frage im Raum wie bei einer neuen E ntwicklung: Prof. Dr. Renée Schroeder Wird es den Markt, in diesem Fall die Leser, 39 Lesetipps / Impressum überzeugen? Sagen Sie uns Ihre Meinung: Lassen Sie es uns wissen, wenn Ihnen etwas besonders gut oder überhaupt nicht gefällt. Nur so können wir lernen, uns und auch das Heft weiterent wickeln und mit Ihnen in einen Dialog kommen. Das ist für uns elementar. Titel und Rücktitel: Maximus Chatsky Feedback Sagen Sie uns Ihre Dr. Jens Busse betritt immer wieder Meinung zur neuen Neuland – von Berufs wegen. Seite 32 elements: elements@evonik.com ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIG DATA 04 Illustration: Maximus Chatsky ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIG DATA BIG BUSINESS DURCH BIG DATA Daten sind das Rohöl des 21. Jahrhunderts – aber nur, wenn sie umfassend gespeichert und gewinnbringend genutzt werden. Ein interdisziplinäres Team von Evonik hat nun damit begonnen, Big Data als neues, digitales Werkzeug für die Prozessoptimierung zu erschließen. 05 D von Dr. Kai Dadhe iese These ist nahezu unbe Data daher gar nicht hoch genug bewerten. stritten: Alles, was digitali Den meisten Unternehmen sind Bedeutung sierbar ist, wird digitalisiert und Potenziale der Digitalisierung durch werden. Damit steigt über aus bewusst. Die eigentliche Herausforde kurz oder lang der Grad der rung ist die gezielte Nutzung der Datenfülle Digitalisierung auch im pro für die klassischen Zwecke des produzie duzierenden Gewerbe. Das betrifft sowohl renden Gewerbes, also für Produktivitäts die horizontale Wertschöpfungskette zwi steigerung, Verfahrensoptimierung und schen Zulieferern, Produktion und Kun Effizienz gewinn. In vielen Unternehmen den als auch die vertikale Wertschöpfung wächst zwar der Datenstrom ständig an, entlang der verschiedenen Bereiche eines aber nur ein sehr kleiner Teil davon wird Unternehmens von Einkauf und Logistik verwertet. bis Marketing und Vertrieb. Digitale In Auch die Chemiebranche steht noch Anlagen erzeugen einen telligenz ist heute überall – jedes Bauteil, ziemlich am Anfang. Denn in der Prozess stetig wachsenden Strom Gerät oder Modul liefert mehr Daten als industrie erfolgen Entwicklung und Ver an Daten. Richtig genutzt, lassen sich damit die sein Vorgänger, Prozesse und Mitarbeiter besserung von Verfahren und M ethoden Prozesse immer effizienter erzeugen eine wachsende Fülle an digita per se langsamer. Sie haben weit länge steuern. ler Information. Man kann das Thema Big re Taktzeiten als b eispielsweise IT-, ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIG DATA Digitale Information ist eine neue und reiche Quelle für die künftige Prozessoptimierung. Aber: Erfahrung und Kompetenz bleiben so wichtig wie bisher. Der Abgleich digitaler Information mit Expertenwissen macht aus nackten Daten wertvolle Werkzeuge. Telekommunikations- oder Dienstleis Ahnung vom großen Bild zulassen, eröff Management und die Analyse von Betriebs tungsunternehmen. Dennoch ist der Ein net erst das vollständige Puzzle neue Wege zuständen gewinnen an Zuverlässigkeit und satz von Big Data für die chemische Indus für eine interdisziplinäre und strategische Transparenz. trie eine Aufgabe, an der angesichts sich Optimierung von Wertschöpfungsketten. Auch für Bereiche außerhalb der Produk wandelnder Märkte, wachsender Kunden tion ist digitale Intelligenz ein Zugewinn: erwartungen und steigender Energie- und Big Data koppelt menschliche Gewinnmargen lassen sich in Abhängigkeit Rohstoffkosten kein Weg vorbeiführt. und digitale Intelligenz von den Kosten der Rohmaterialien simu Natürlich waren Chemieunternehmen In Zukunft gibt es kein Big Business in der lieren. Wer Datenbanken intelligent ana auch in den Zeiten vor der rasanten Digi chemischen Industrie ohne optimale Nut lysiert, kann Patent- und Marktrecherchen talisierung stets bestrebt, ihre Produktion zung digitaler Intelligenz. Allerdings erzeugt beschleunigen, die Volatilität einzelner auf modernem Stand zu halten. Bei Evonik das Schlagwort Big Data oftmals Vorbehalte Märkte besser abschätzen und seine Reak werden Verfahren und Abläufe seit Langem oder gar Ängste. Wird der Mensch überflüs tionsgeschwindigkeit auf Marktänderungen kontinuierlich optimiert und neuen Anfor sig? Übernimmt der Computer das Kom erhöhen. derungen angepasst. Kosten- und Energie mando? Was also heißt Big Data ganz kon effizienz gehören zu den wichtigen Zielen kret für die Produktion? Wie aus Daten praktikable jeder einzelnen Anlage, und Innovationen Dabei geht es nicht um das Spiel mit gro Werkzeuge werden sind eine feste Grundlage für Wettbewerbs ßen Zahlen wie Tera-, Peta- oder Exabytes. Die Integration digitaler Intelligenz gleicht 06 fähigkeit und Nachhaltigkeit. Big Data bedeutet nicht, dass künftig digitale einem technologischen Evolutionsprozess, Doch die bisherigen Werkzeuge für Pro Intelligenz über Vorgehen und Abläufe ent bei dem bestimmte Voraussetzungen ge zessoptimierung und Effizienzsteigerung scheidet oder gar jeder einzelne Mitarbeiter geben sein müssen. Das Unternehmen be geraten an ihre Grenzen. Dafür gibt es meh sein eigener IT- und Statistikexperte wird. nötigt beispielsweise die entsprechende rere Gründe: Verbesserungen fokussieren Vielmehr ist digitale Information eine neue Infrastruktur für die Nutzung aller verfüg herkömmlicherweise auf einen einzelnen und reiche Quelle für die künftige Prozess baren Daten. Dabei hilft die Tatsache, dass Verfahrensschritt oder Teilprozess – die optimierung. Aber nicht die einzige: Erfah sowohl großer Speicherplatz als auch hohe Zusammenhänge mit vor- oder nachgela rung und Kompetenz bleiben so wichtig wie Rechnerkapazitäten heute wirtschaftlich gerten Stufen der Wertschöpfung bleiben bisher. In Zukunft werden menschliche und darstellbar sind. Auch stehen alle notwen oft ausgeblendet oder werden nur in Teilen digitale Intelligenz sich ergänzen und eng digen Tools bereits zur Verfügung: Verteil berücksichtigt. verzahnen: Durch Abgleich digitaler Infor tes Rechnen und horizontal skaliertes Spei mation mit dem vorhandenen Prozess- und chern sind mittlerweile Alltag, parallele Klassische Prozessoptimierung Expertenwissen werden nackte Daten zu Algorithmen erlauben moderne Datenorga gerät an ihre Grenzen praktikablen und gewinnbringenden Werk nisation und -kommunikation. Hinzu kommt, dass digitale Informationen zeugen. Big Data bedeutet also eine ganz Die Tools sind es aber nicht allein. Von als Grundlage für die Prozessoptimierung heitliche und interdisziplinäre Optimierung entscheidender Bedeutung ist die Visuali in voneinander getrennten „Daten-Silos“ unter Zuhilfenahme moderner Methoden sierung. Denn wer seinen Computer nicht zwar vorhanden sind, ihre Verknüpfung und Technologien zur Steigerung der Wert versteht, arbeitet nicht damit. Jeder Mitar und die Vernetzung untereinander jedoch schöpfung. beiter muss die aus Daten erzeugten Infor schwierig und mit Hindernissen verbunden Was heißt das für die Praxis? Big Data kann mationen, Grafiken und Darstellungen im sind. Viele heute schon verfügbare digita Vorteile in allen Bereichen der Wertschöp Arbeitsalltag intuitiv begreifen und rich le Informationen gehen verloren, weil sie fungsketten generieren; von großer Bedeu tige Entscheidungen treffen können. Diese schlicht nicht gespeichert werden können. tung sind diese für den alltäglichen Produk Übersetzungsarbeit von ungerichteten In Nicht zuletzt werden Daten meist manu tionsbetrieb. Beispielsweise liefern moderne formationen in alltagstaugliche Sprache ist ell aufgearbeitet und ausgewertet – dieses Sensoren, Durchflussmesser oder Motoren unverzichtbar, zugleich aber eine nicht zu Vorgehen ist fehleranfällig, aufwendig und heute nicht nur Standarddaten, sondern unterschätzende Herausforderung. Sie er langsam. Die Folge: Der Blick auf die gesam melden zusätzlich und kontinuierlich Funk fordert nicht nur spezielle IT-Instrumente, te Produktion ist verstellt, Optimierungs tionsprobleme, schwankende Betriebspara sondern vor allem auch Alltagswissen: Wel potenziale bleiben unerkannt, Effizienz meter oder Kommunikationsfehler. che Probleme hat ein bestimmter Prozess? gewinne unerschlossen. Werden all diese Informationen erfasst, Wo sind Schwachstellen und Ansatzpunkte, In dieser Mängelliste steckt bereits die gespeichert und gezielt genutzt, wird der an denen digitale Intelligenz Abhilfe schaf Lösung: Durch Sammlung, Filterung, Auf Betrieb effizienter, Betriebszustände wer fen kann? Am Ende stehen praktikable und bereitung und Vernetzung aller verfügbaren den feinteiliger erkannt und Fehleranalysen maßgeschneiderte Werkzeuge, die den Be digitalen Informationen entsteht eine ein einfacher und treffsicherer. Daneben kön trieb nicht nur effizienter und zuverlässiger, heitliche Sprache für das Gesamtsystem. So nen Instandhaltung und Wartung für jedes sondern – entgegen mancher Erwartung – wie einige wenige Puzzleteilchen kaum eine einzelne Aggregat adaptiert werden. Das in vielen Fällen auch einfacher machen. ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIG DATA 07 Illustration: Maximus Chatsky ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIG DATA Performance Mate- rials hat Daten-Silos aufgelöst und digitale Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammen- geführt. Das ist die Basis, um Produktions abläufe, Instandhaltung und Energie- und Rohstoffverbräuche zu optimieren und Fehlerquellen schnell zu finden. BIG DATA IN DER PRAXIS: PROZESSOPTIMIERUNG AUF KNOPFDRUCK Wie viel Energie verbraucht mein Prozess gerade? Liegt die Katalysatoraktivität noch im Optimum? Funktionieren alle Aggregate störungsfrei? Diese Fragen tauchen tagtäglich in der Produktion auf. Big Data soll helfen, sie schneller zu beantworten. Es ist oft nicht so leicht festzustellen, ob ein Prozess bereits optimal beschäftigt sich mit zwei unterschiedlichen Aufgaben: zum einen mit 08 läuft. Die Bestimmung der entsprechenden Parameter kann sehr auf- Predictive Maintenance, also der vorausschauenden Instandhaltung, wendig sein. Denn die herkömmliche Verfahrensweise basiert meist zum zweiten mit konkreten Verfahrensfragen. auf vorgegebenen Zeitplänen und viel Empirie. So erfolgt in der Regel eine Wartung von Aggregaten nach bestimmten Intervallen, Hintergrund bei Predictive Maintenance ist die Frage, wie es mithilfe Katalysatoren werden nach festen Ablaufplänen erneuert, Energie- digitaler Intelligenz gelingen kann, bestimmte Aggregate effizienter und Rohstoffverbräuche nur in großen Abständen kontrolliert. und flexibler zu warten und instand zu halten. Im bisherigen Betrieb zeigte sich, dass diese Aggregate besonders anfällig für Ablagerun- Die Nutzung aller digitalen Informationen ermöglicht weit mehr, gen sind, die die Effizienz des Verfahrens beeinträchtigen und einen nämlich eine zu jeder Zeit optimale Prozessführung und -über erhöhten Instandhaltungsaufwand nach sich ziehen. Durch Nutzung wachung. Diese verwenden alle verfügbaren digitalen Informationen und Auswertung aller verfügbaren digitalen Messdaten soll geklärt zur gezielten Optimierung wesentlicher Parameter. Sie erlauben werden, wie es zu den Ablagerungen kommt, welche Prozesspara- Momentaufnahmen, die einzelne Aggregate im Auge behalten und meter sie fördern und wie sie verringert werden können. Ziel ist die Energie- und Stoffflüsse in jeder Sekunde erfassen. Digitale Intelli- Entwicklung angepasster Wartungsinstrumente, die den störenden genz liefert sogar Prognosen beispielsweise über den weiteren Ver- Einfluss minimieren und Kosten sparen. lauf einer Reaktion oder über den exakten Zeitpunkt, an dem Geräte oder Bauteile gewartet oder ausgetauscht werden müssen. Das zweite Teilprojekt fokussiert in einem großtechnischen Ver fahren auf unerwünschte Schwankungen einer bestimmten Stoff Evonik hat im Geschäftsgebiet Performance Intermediates bereits eigenschaft – ein Phänomen, das in der chemischen Produktion in den vergangenen Jahren untersucht, welche Vorteile die Nutzung häufig auftritt. Hier soll Big Data klären helfen, warum der Parameter der Datenwelt für bestimmte Fragestellungen bringt. Am Beispiel variiert und welcher vorangegangene Prozessschritt dafür ver verfahrenstechnischer Prozesse konnte gezeigt werden, dass sich der antwortlich ist. Sind es möglicherweise bereits Vor- oder Zwischen- Energieverbrauch spürbar senken lässt. Digitale Daten können produkte, die in ihrer Zusammensetzung schwanken? Mit diesen darüber hinaus klare Angaben liefern, wann genau der Katalysator Untersuchungen wird deutlich, wie wichtig es ist, den Blick auf die gewechselt werden muss. Sie erlauben sogar Berechnungen zu gesamte Wertschöpfungskette zu richten, um schnell und sicher der Frage, welche monetären Verluste ein momentaner Abfall der Fehler und Ursachen aufzuspüren. Selektivität nach sich zieht. Das Pilotprojekt verfolgt mehrere Ziele: Hypothesen der Experten Auf diese ersten Schritte folgt nun ein größerer Sprung. Im Sommer zur Fehlerursache können mit den vorhandenen Daten validiert 2015 startete das Geschäftsgebiet in Kooperation mit dem Geschäfts- oder falsifiziert werden. Die Mitarbeiter lernen, Ursache-Wirkung- gebiet Verfahrenstechnik & Engineering von Technology & Infra- Beziehungen in einem komplexen digitalen Raum zu erkennen und structure und dem Bereich Global IT & Processes ein Pilotprojekt, mit für die Produktionspraxis zu nutzen. Sie lernen, Daten zu nutzen dem die Potenziale digitaler Information für definierte Produktions und Daten zu vertrauen. Gelingt es in dem Projekt, Effizienz und verfahren genauer ausgelotet werden. Fragen zur Nutzung von Anlagenverfügbarkeit zu steigern und definierte Produktqualitäten Big Data für die Prozessoptimierung werden dabei aus technischer, zu sichern, profitiert davon nicht nur der einzelne Bereich. Vielmehr methodischer und wirtschaftlicher Sicht unter Einbeziehung der wird dadurch bewiesen: Die großen Potenziale von Big Data für die Kompetenzen im gesamten Unternehmen beleuchtet. Das Projekt gesamte Wertschöpfungskette sind nicht nur blanke Theorie. ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIG DATA Wer Big Data für sich nutzt, rüstet sich für Fragen und Herausforderungen, die wir heute noch gar nicht kennen. Big-Data-Analyse Das Segment Performance Materials hat heute, dass Prozessoptimierung mit neuen Der Experte im Anlagenbetrieb im Geschäftsgebiet Performance Interme digitalen Instrumenten auf großes Interesse diates mit einigen der Evolutionsschritte der Mitarbeiter stößt und Ideen und Vor bereits erste Erfahrungen gesammelt. Bei schläge freisetzt, die zuvor nicht möglich verschiedenen produktionsnahen Opti gewesen wären. Denn der Mehrwert ist für mierungsprojekten wurden Daten-Silos jeden schnell ersichtlich: Wenig nützliche aufgelöst, die digitalen Informationen zu und wenig wertschöpfende Tätigkeiten sammengeführt und in Kontext zueinan werden überflüssig, es entsteht Zeit für neue Nutzen Transparenz und tieferes Verständ- der gebracht – Letzteres ist ein besonders Aufgaben und komplexere Fragestellungen, Dr. Kai Dadhe leitet nis, schnelle Beantwor- wichtiger Schritt. Das Geschäftsgebiet die eigene Tätigkeit wird aus ganz anderer die Gruppe Manu- 09 tung spezieller Frage- hat ein sogenanntes Kontextmodell ent Perspektive durchdacht und an kommende facturing Intelligence stellungen, schnelle im Geschäftsgebiet wickelt. Dabei handelt es sich um eine Anforderungen angepasst. Performance Entscheidungen, mehr Effizienz und Kosten Modellierungsvorschrift, die vorgibt, wie Letzten Endes geht es um die Schaffung Intermediates mit optimierung. Daten aus unterschiedlichen Bereichen auf einer analytischen, interdisziplinären Kul den Schwerpunkten logische Art und Weise zusammengeführt tur, bei der Prozess-, IT-, Geschäfts- und Prozessführung, Prozessinformations werden können, um sie für konkrete Fra Methodenwissen eng miteinander verzahnt management und gestellungen nutzbar zu machen. Mit die sind. Im Idealfall wird es durch Schaffung -optimierung. Dabei sem – mittlerweile zum Patent angemelde konzerneigener Big-Data-Kompetenzen zur werden sowohl techni- ten – Kontextmodell entflechtet der Bereich Selbstverständlichkeit, die Potenziale digi sche als auch Arbeits- das babylonische Datengewirr und schafft prozesse mithilfe taler Intelligenz für das alltägliche Geschäft moderner Methoden Möglichkeiten, bestimmte Daten schnell zu nutzen. In der Datenwelt beherrschen und Systeme ganzheit- Voraussetzung Big-Data-Analyse ist und einfach abzufragen und für den Prozess Geschwindigkeit und Dynamik das Ge lich betrachtet. mehr als IT: Die An- wichtige Kennzahlen zu entwickeln. schehen. Das gilt in gewisser Weise auch für kai.dadhe@evonik.com forderungen kommen die Umsetzung: Nur wer frühzeitig beginnt, aus dem operativen Digitale Intelligenz wird zum Big Data strategisch für die eigenen Zwecke Geschäft. Darüber vertrauten Mitspieler hinaus müssen die zu nutzen, kann die Geschwindigkeit dieser methodischen und Big Data ist eine recht neue Herausforderung digitalen Evolution selbst mitbestimmen technischen Voraus- für die Prozessindustrie. Viele Fragen sind und die Entwicklung mitgestalten. setzungen geschaffen daher noch offen: Wo liegt das richtige Maß Es ist schlicht eine Frage der Zukunfts und die Mitarbeiter an Transparenz? Wer erhält Zugang zu wel fähigkeit, ob ein Unternehmen in der Lage geschult werden. chen (vorher verschlossenen) Informatio ist, aus der Datenflut einen gerichteten In nen? Unterschiedliche Kompetenzen müs formationsfluss zu erzeugen, die Datenf ülle sen auf optimale Art und Weise gebündelt in praktikable Werkzeuge umzumünzen werden – wie gelingt das? und die dafür notwendigen Änderungen der Klar ist: Big Data ändert die Art und Wei Arbeits- und Organisationsprozesse zu ver Foto: Evonik se, wie in den einzelnen Bereichen mit Daten ankern. All das bringt nicht nur Gewinn für umgegangen wird, es verleiht digitaler In Produktivität, Prozesse und Performance Ziel Jeder Mitarbeiter formation größere Bedeutung, berücksich – auch die Außenwirkung ist nicht zu un hat jederzeit alle Illustrationen: Maximus Chatsky notwendigen Informa tigt sie bei allen Entscheidungsprozessen terschätzen: Wer Big Data für sich nutzt, tionen zur Hand, und löst Grenzen zwischen den Disziplinen erweist sich als innovativer Arbeitgeber, um optimal agieren und Arbeitsbereichen auf. Das ist eine Her sichert seine Technologieführerschaft und zu können. Die Daten ausforderung für alle und bedarf einer pro festigt Vertrauen bei Lieferanten, Kunden werden dazu auto matisch grafisch so auf- fessionellen Moderation und Begleitung. Die und Partnern. Vor allem aber rüstet er sich bereitet, dass sie ersten Erfahrungen des Geschäftsgebiets für Fragen und Herausforderungen, die wir schnell erfassbar sind. Performance Intermediates zeigen schon heute noch gar nicht kennen. ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIG DATA 10 Quellen: Studien von Boston Consulting Group, PricewaterhouseCoopers, Roland Berger Strategy Consul- tants und Deloitte ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIG DATA DATA MINING Smarte Prozesse Industrie 4.0, Big Data, Digitalisierung, Internet der Dinge: Hinter diesen Schlagworten verbergen sich die fortschreitende Vernetzung von Mensch und Maschine und der Wunsch, mit der Analyse riesiger Datenmengen komplexe Systeme besser zu verstehen und vorherzusagen. Für die Industrie bieten sie die Chance, Geschäfts- und Produktionsprozesse intelligenter zu gestalten. IT- und Geschäftswelt wachsen deshalb immer mehr zusammen. Doch was heißt das eigentlich genau? Eine Bestandsaufnahme. 11 Grafik: C3 Visual Lab Foto: Jetta Productions/Blend Images/Corbis ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIOK ATALYSE Mithilfe eines neuen Enzymsystems kann Evonik kurzkettige Fettsäuren in 1-Alkene umwandeln. Jetzt arbeiten die Experten daran, das Enzymsystem in lebende Zellen – zum Beispiel Escherichia coli – zu transferieren. MEHR BIO IM CHEMIEVERBUND Die Industrie lebt von Netzwerken: In aus geklügelten Verbundstandorten profitieren 12 die Produktionsprozesse voneinander. Diese Synergien schaffen effiziente Wert schöpfungsketten. Biotechnologische Verfahren sollten sich möglichst nahtlos in dieses etablierte System einfügen – so das Ziel der Evonik-Forscher. Sie haben jetzt die Basis für ein biokatalytisches Verfahren gelegt, mit dem sich ein wichtiges chemisches Zwischenprodukt gewinnen lässt. ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIOK ATALYSE SE KO Konzept einer Bioraffinerie, AS HL o rg a M EN die Chemie und Biologie O nis BI D intelligent verknüpft. toffe ch eR IO ts Quelle: Biokatalyse 2021, Clustermagazin, es off Energie und Res XI ts t e Ausgabe Nr. 2 CO2 (Fein)chemikalien D he isc auf Holzbasis n ga e toff or s ts an Re tige Nutzpflanzen/Biomass he neuar e isc an lle Nutzpflanzen/Bio entione rg mass konv e ano Kraftstoffe/Energie/ Re cy cli Wärme und ng neuartige Produkte FE ger land PR tr ä OF wi OD ie r ts toffe Re rg KT ST ST ch e sts U En E aft RE he e lic s MA sil fo RK T Deponie O Märkte und Verbraucher von Dr. Thomas Haas hne Erdöl stünde die mo auf biotechnologischem Wege herzustellen. Abbildung 1. Fokus auf Nachhaltigkeit derne Welt still. Doch nicht Die Experten haben sich auch zum Ziel ge nur unsere Mobilität und setzt, diese Verfahren und deren Zwischen Schwerpunkt der biotechnologischen Forschung die Energieversorgung be produkte auf Basis nachwachsender Roh bei Evonik ist es, Rohstoffe der dritten Generation nötigen das schwarze Gold, stoffe in die chemische Verbundproduktion zu verwerten. auch die Chemieindustrie zu integrieren. Denn nur so lassen sich fos Rohstoffe Biotechnologie ist auf sichere Erdölquellen angewiesen. Auf sile und biogene Rohstoffströme gleicher Pflanzenöle der fossilen Ressource basieren Kunststof maßen nutzen und damit die etablierten, 1. Weizen Direkte fe, Medikamente, Lacke, Farben, Textilien effizienten Wertschöpfungsketten der In Generation Mais Fermentation Zucker und vieles mehr. Um dieses vielfältige Pro dustrie erhalten und ausbauen, ebenso wie duktspektrum über verschiedene Verfah das über viele Jahre erarbeitete chemische Biomasse-Reststoffe Lignocellulose- renswege herstellen zu können, benötigen Prozess-Know-how sowie die bestehende 2. aus Land- und Hydrolyse 13 die Industriebetriebe molekulare Bausteine Infrastruktur. Generation Forstwirtschaft Integrierte aus der Petrochemie, vor allem Kohlen Ganz gleich ob Rohstoffe, Produkte oder Fermentation wasserstoffe unterschiedlicher Kettenlänge. Prozesse – nur integrierte Konzepte machen Basierend auf diesen Ausgangsstoffen hat Industriestandorte auch künftig erfolg Kommunale Abfälle 3. Pflanzenreststoffe Syngas- die Chemieindustrie in den vergangenen reich. Diese ermöglichen es, einerseits die Generation Industrielle Abgase Fermentation Jahrzehnten sehr effiziente Wertschöp Vorteile der Biotechnologie zu nutzen und fungsketten und Produktionsverbunde andererseits bereits bestehende Verbund aufgebaut und etabliert. Was als Nebenpro standorte weiterhin betreiben zu können. dukt im Prozess eines Unternehmens an Viele Industrieprodukte, b eispielsweise fällt, kann oftmals einem anderen Unter Kunststoffe wie Polyethylen, lassen sich nur nehmen als Rohstoff dienen. Das Besondere sehr schwer komplett biotechnologisch er zern selbst als Rohstoff eingesetzt, etwa zur der Chemieproduktion ist zudem: Spezial zeugen – Zwischenprodukte auf dem Weg Herstellung von Weichmachern. Ein Team chemikalien werden nicht abgekoppelt von dorthin dagegen schon. Die Evonik-Exper der Creavis, der strategischen Innovations Basissubstanzen erzeugt, sondern sie sind ten spüren diese molekularen Schnittstellen einheit von Evonik, hat in Kooperation mit bei der Herstellung untrennbar miteinander auf und entwickeln alternative Prozesse auf Wissenschaftlern der Universität Graz nun verknüpft. So lassen sich wertvolle Synergie Basis nachwachsender Rohstoffe (Abb. 1). einen biotechnologischen Zugang zu den effekte erzielen, die den Produktionsverbund Eine Schlüsselsubstanz sind 1-Alkene, also 1-Alkenen gefunden 1. Die Experten entwi letztlich wirtschaftlich machen. Kohlenwasserstoffketten mit einer endstän ckelten dazu einen bereits bekannten For digen C-C-Doppelbindung: Evonik nutzt schungsansatz weiter 2: Als Ausgangsstoff Chemie und Biologie beispielsweise Propen als Ausgangsverbin für die 1-Alkene dienten hierbei kurzketti intelligent verknüpfen dung für die Herstellung von Acrylsäure, die ge Alkansäuren, also gesättigte Fettsäuren. Aufgrund der schwindenden Erdölressour in die Superabsorberproduktion fließt, oder Diese entstehen auf natürlichem Wege bei Grafik: C3 Visual Lab cen, des Klimawandels und der CO2-Dis von Methionin, das in der Tierernährung anaeroben, bakteriellen Prozessen. Um aus kussionen wird die Chemieindustrie aber eine Rolle spielt. 1-Buten wird von Evonik den kurzkettigen Fettsäuren die gewünsch in Zukunft auf Alternativen aus regenerati als Rohstoff verkauft, aber auch im Kon ten 1-Alkene herzustellen, wurde ein ven Quellen angewiesen sein. Auch Evonik arbeitet daran, den Anteil nachwachsender Foto: Callista Images/cultura/Corbis Rohstoffe in seinen Produktionsprozessen zu erhöhen. Vor allem biotechnologische Verfahren spielen bei der Aufbereitung von Biomasse eine große Rolle. Hier überneh Ob Rohstoffe, Produkte oder Prozesse: men Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze Nur Konzepte, die Biotechnologie in die oder spezielle Enzyme die chemischen Um wandlungsschritte. Es geht bei Evonik aber chemische Produktion integrieren, machen nicht nur darum, etablierte Produkte jetzt Industriestandorte künftig erfolgreich. ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIOK ATALYSE Fettsäuren, sehr kleine Moleküle sind, kön Abbildung 2. Neues Enzymsystem arbeitet mit Luftsauerstoff nen sie die Membran von Bakterien leicht Die oxidative Decarboxylierung gesättigter Fettsäuren zu 1-Alkenen mithilfe passieren. Die Mikroorganismen wandeln des Enzyms OleT. Der Weg oben nutzt H2O2, um langkettige Fettsäuren (C12 diesen Ausgangsstoff mithilfe des entwi bis C20) in 1-Alkene zu überführen. Der untere Weg verwendet das neue ckelten Enzymsystems in ihren Zellen in die Enzymsystem (CamA/CamB), um Fettsäuren mit einer Kettenlänge zwischen vier und 22 C-Atomen mit Sauerstoff zu decarboxylieren. gewünschten 1-Alkene um. Da die 1-Alkene leicht flüchtig sind, lassen sie sich durch An legen eines schwachen Vakuums einfach aus O OleT der wässrigen Lösung extrahieren. OH + CO2 Die 1-Alkene bilden also eine molekulare n n Schnittstelle und eröffnen damit die Mög n = 7–15 H2O2 + 2 H+ 2 H2O lichkeit, eine biotechnologische Synthese route mit den nachgelagerten petrochemi schen Verfahren zu verbinden. Mithilfe des O OleT neuen Enzymsystems von Evonik lässt sich OH + CO2 jetzt im Labor Buttersäure zu 1-Propen um n n n = 0–18 O2 + 2 H+ 2e– H 2O wandeln und daraus Superabsorber oder der O Futtermittelzusatz Methionin herstellen. CamB CamA Pentansäure bietet Zugang zu 1-Buten – und OH n das eröffnet wiederum Wege in die weiter OH O führende C4-Chemie, also Verbindungen, NAD(P)H NAD(P)+ die auf vier Kohlenstoffatomen basieren. OH O Glukose n Biotechnologische Verfahren lassen sich Formiat OH n aber auch über einen weiteren Rohstoff mit Phosphit Dehydrogenase Nebenprodukte der industriellen Verbundproduktion kop peln: über Synthesegas. Es besteht aus ei ner Mischung von Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid und Wasserstoff. Synthesegas wird aus kommunalen oder Agrarabfällen erzeugt, aber auch in der Industrie – bei spielsweise als Abgas in der Stahlproduk tion. Seit Jahrzehnten wird es in der chemi schen Synthese eingesetzt. Bakterien sind 14 etabliertes Enzymsystem verwendet: die in der Lage, aus den kleinen Gasmolekülen Der Experte P450-Monooxygenase OleT. Sie katalysiert größere chemische Bausteine zu bilden. In die entsprechende chemische Reaktion – Laborversuchen haben die Evonik-Forscher eine oxidative Decarboxylierung – sehr ef Mikroorganismen dazu gebracht, reine fizient und substratspezifisch: So lassen sich 2-Hydroxy-Isobuttersäure, kurz 2-HIBS, gezielt und quantitativ Propen oder 1-Buten zu erzeugen: den Grundbaustein für den Vielversprechender produzieren. Anfang: Im Labor Kunststoff PLEXIGLAS®. Insbesondere die Neben dem Enzymsystem wird für die konnten mit OleT hier als Rohstoff eingesetzten kurzkettigen Reaktion aber auch ein Oxidationsmittel be sowohl Propen als auch Fettsäuren lassen sich biotechnologisch gut Dr. Thomas Haas nötigt. Bislang war dies Wasserstoffperoxid, 1-Buten quantitativ aus Synthesegas herstellen. Damit hat sich leitet bei der Creavis synthetisiert werden. den Bereich Science das jedoch nicht nur zu unerwünschten Evonik nach dem 2-HIBS einen weiteren & Technology, der Nebenreaktionen führt, sondern auch das Zugang zu Basischemikalien ausgehend von die technologischen Enzymsystem schädigen kann. Das Team Synthesegas eröffnet. Kompetenzen der aus Evonik-Experten und Wissenschaftlern Um Biologie mit Chemie intelligent zu strategischen Innova der Universität Graz hat dafür eine optima verknüpfen, forscht Evonik weiter an dieser tionseinheit in indus trieller Biotechnologie, le Alternative gefunden: Eine Kaskade aus sogenannten dritten Generation der Biotech Chemie, Physik und zwei weiteren Enzymsystemen sorgt jetzt nologie. Sie hat zum Ziel, nicht nur Zucker Technik bündelt. dafür, dass die benötigten Elektronen für oder Pflanzenreste in Synthesegas umzu thomas.haas den Redoxprozess nicht mehr von H2O2 auf wandeln und so als Rohstoff zu nutzen, son @evonik.com genommen werden, sondern von Sauerstoff dern auch Abfallstoffe anderen Ursprungs: aus der Luft (Abb. 2). beispielsweise kommunale Abfälle oder In dustrieabgase. Nächster Schritt: Transfer in Zelle Dieser Ansatz ermöglicht es der Industrie, Dafür musste das Forscherteam eine En unabhängiger sowohl von fossilen als auch zymkombination finden, die bestmöglich von einzelnen nachwachsenden Rohstof 1 „Oxidative Decar miteinander wechselwirkt und kompati fen zu werden. Denn alle Anstrengungen, boxylation of Short- bel zueinander ist. Diese Aufgabe haben die biotechnologische Routen zu etablieren und Chain Fatty Acids to Experten gemeistert: In weniger als einem marktreif zu machen, sind an den Ölpreis ge 1-Alkenes“, Angew. Chem. Int. Ed. 2015, Jahr konnten sie das Enzymsystem etablie koppelt. Nach wie vor ist das schwarze Gold 54, 8819–8822 ren und arbeiten jetzt daran, es in lebende der Hauptrohstoff, der durch die Adern der Zellen zu transferieren. Denn für eine späte Industriebetriebe strömt. Deswegen ist es 2 M. A. Rude, T. S. re großtechnische Produktion, zu der noch umso wichtiger, die Verbundstandorte zu Baron, S. Brubaker, ein weiter Weg der Entwicklung und des erhalten und auf eine breitere Basis zu stellen M. Alibhai, S. B. Del Cardayre, A. Schir Upscalings zu beschreiten ist, bietet diese – also schwarze und grüne Rohstoffquellen mer, Appl. Environ. In-vivo-Produktion einige Vorteile: Weil je nach Wirtschafts- und Versorgungslage Microbiol. 2011, 77, die Ausgangsstoffe, also die kurzkettigen nutzen zu können. 1718–1727 ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIOK ATALYSE Gastkommentar Biokatalyse trifft Petrochemie Prof. Dr. Harald Gröger hat seit 2011 einen Lehrstuhl für Organische Chemie an der Universität Bielefeld inne. harald.groeger @uni-bielefeld.de von Prof. Dr. Harald Gröger B iokatalytische Verfahren, unter denen man im engeren Sinne die Umwandlung von Chemikalien in wenigen definierten Schritten unter Einsatz von isolierten Enzymen oder diese enthaltenden Mikroorganismen ver steht, finden bereits heute breite Anwendung in »Enzyme als Biokatalysatoren der industriellen Chemikalienproduktion. Be haben ein enormes Synthese- sonders erfolgreich hat sich die Biokatalyse im potenzial auch für Reaktionen mit Bereich der Feinchemie und der pharmazeuti schen Wirkstoffe etabliert. nicht natürlichen Molekülen.« 15 Viele der Ausgangsverbindungen sind hierbei interessanterweise auf Petrochemie b asierende gehend mit hoher Stabilität. Bis vor Kurzem Chemikalien, die dann in biokatalytischen konnten mit den verfügbaren Enzymen kaum Produktionsprozessen weiterveredelt werden. Produktionsprozesse entwickelt werden, Dies unterstreicht das enorme Synthesepotenzial die diese technischen Anforderungen erfüllen. von Enzymen als „Katalysatoren aus der Natur“ auch für Reaktionen mit nicht natürlichen Mole Eine der Ausnahmen, die zugleich das Potenzial külen. Eines der Erfolgskriterien der Biokatalyse der Biokatalyse auch für den Bereich Basis- und in den Industriesegmenten der Arzneistoffe und Bulkchemie illustriert, stellt die enzymatische Feinchemikalien mit ihren komplexen und in Produktion von Acrylamid im Mehrere-Zehn vielen Einzelschritten aufzubauenden Zielstruk tausend-Tonnen-Maßstab dar. Zukünftig dürften turen ist die hohe Selektivität der Enzyme. aufgrund der beeindruckenden Entwicklungen in der Molekularbiologie mit der Konstruktion Im Gegensatz dazu gilt die Ausdehnung des maßgeschneiderter Enzyme und hocheffizienter Anwendungsspektrums der Biokatalyse auf den Mikroorganismen als Ganzzellkatalysatoren auch Illustration: C3 Visual Labs Bereich der Basis-, Bulk- und weite Teile der für diesen Industriechemikalienbereich bio Spezialchemie bis heute als eine weitgehend noch katalytische Produktionsverfahren an Bedeutung ungelöste Herausforderung. Diese ebenfalls gewinnen. Gepaart mit modernen verfahrens typischerweise auf Petrochemie basierenden Aus technischen Ansätzen sollten sich somit zukünf gangsverbindungen sind strukturell zwar einfa tig die Vorteile der Biokatalyse verstärkt auch cher und deutlich kostengünstiger, werden aber auf den Bereich der erdölbasierten Bulk-, Basis- Fotos: Dieter Debo, Frank Preuss/Evonik zugleich in wesentlich höheren Produktions und Spezialchemie übertragen lassen. Im Bereich tonnagen benötigt und weisen tendenziell deut der Oxidationschemie, beispielsweise, hat eine lich niedrigere Kilogrammpreise auf. Ein geeig Reihe kürzlich entwickelter, teilweise bereits im neter Katalysator für diese Produktklasse sollte Pilotmaßstab erprobter Verfahren dieses hohe hohe Aktivitäten und Raum-Zeit-Ausbeuten Synthesepotenzial der Biokatalyse inzwischen ebenso aufweisen wie lange Standzeiten, einher eindrucksvoll bestätigt. ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIOTECHNOLOGIE ACETON AUS ABGAS Das Projekt „CO2-basierte Acetonfermentation“ (COOBAF) hat gezeigt, dass kohlendioxidhaltige Industrieabgase zum wertvollen Rohstoff für die biotechnologische Herstellung von Aceton werden können. K von Dr. Marzena Gerdom, Dr. Jörg-Joachim Nitz ohlendioxid ist ein Problem, ebenso klimafreundlich wie ökonomisch den Machbarkeitsnachweis erbracht, dass so lautet eine weitverbreite- Aceton mit Kohlendioxid als alleiniger aus Industrieabgasen Produkte wie Aceton te Meinung. Kaum jemand Kohlenstoffquelle herstellen. gewonnen werden können (Abb. 1). sieht darin mehr als ein Bereits im Projekt VALERY (siehe ele- Treibhausgas. Dabei hat das ments 49) war es Evonik-Forschern ge- Mehrere problematische Abfallprodukt zahlreicher lungen, gemeinsam mit Hochschulpart- Abhängigkeiten Verbrennungsprozesse Potenzial für Gu- nern einen Syntheseweg für Valeraldehyd Auf dem Weltmarkt werden jährlich rund tes. Evonik-Forscher konnten zeigen, dass zu entwickeln, der als einen Ausgangs- sechs Millionen Tonnen Aceton umge- sich Kohlendioxid als Rohstoff für die Her- stoff Kohlendioxid verwendet. Auch beim setzt. Bei der Herstellung kommt fast aus- stellung von Basischemikalien eignet: Auf nun abgeschlossenen Projekt COOBAF hat schließlich die Phenolsynthese nach Hock 16 biotechnologischem Weg ließe sich daraus Evonik zusammen mit Hochschulpartnern zum Einsatz, wobei Benzol und Propen mit Abbildung 1. Die Idee hinter COOBAF Acetogene Mikroorganismen verwandeln Abgasströme in Aceton, das dann als Rohstoff für Isophoron oder PMMA genutzt wird. H2 Gasfermentation mit acetogenen CO2 Mikroorganismen CO2- und H2-reiche Abgasströme als Rohstoff Acetogene CO2-basiertes Aceton Mikro- als Rohstoff für verschiedene organismen Produkte O + Isophoron und Polymethylmethacrylat Folgeprodukte (PMMA) ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIOTECHNOLOGIE Sauerstoff in einer Radikalreaktion letzt- Abbildung 2. Vergleich industrieller und biotechnologischer Herstellung von Aceton lich zu den Koppelprodukten Phenol und Aceton reagieren. Dieses Verfahren hat Bei der biotechnologischen Produktion ist Aceton nicht an Phenol gekoppelt. mehrere Nachteile: Zum einen basiert es auf petrochemischen Rohstoffen und ist damit OH von deren Verfügbarkeit und dem Erdöl- O O preis abhängig. Zum anderen resultiert aus + + 3 CO2 + 8 H2 + 5 H2O der Kopplung der Acetonproduktion an die Produktion von Phenol, dass eine geringe Propen Benzol Aceton Phenol Kohlendioxid Wasserstoff Aceton Wasser Nachfrage nach Phenol leicht zu einem re- Großindustrielle Herstellung Alternative biotechnologische Herstellung duzierten Angebot an Aceton führt. Evonik stellt Aceton nicht selbst her. Wohl aber benötigen verschiedene Ge- schäftsgebiete das farblose Lösungsmittel, beispielsweise um Isophoron und dessen Folgeprodukte herzustellen, aber auch für Polymethylmethacrylat (PLEXIGLAS®). So entstand die Idee, nach einem neuartigen, biologischen Syntheseweg zu suchen. Ziel war es, mithilfe von Mikroorganismen aus eingesetzt. Dafür haben die Forscher eine können. Denn dieses Gas ist ebenfalls in Kohlendioxid und Wasserstoff – typischen Reihe acetogener, weniger gut erforschter vielen Industrieabgasen enthalten. Bestandteilen von Industrieabgasen – Ace- Bakterien getestet, die vermutlich schon bei Mittels Gentransfer brachte das Team den ton und Wasser zu erzeugen (Abb. 2). Die der Entstehung von Leben auf der Erde eine vielversprechendsten Stämmen bei, das na- Herstellung sollte keine Rohstoffe, sondern Rolle gespielt haben. türlich gebildete Acetyl-CoA weiter zu Ace- bisherige Reststoffe verwenden und so die Um für die weitere Entwicklung infrage ton zu verstoffwechseln. Mitte 2012 schließ- Atmosphäre nebenbei von etlichen Ton- zu kommen, mussten die Mikroorganismen lich erreichte das Projekt einen wichtigen nen Kohlendioxid befreien. Denn bislang mehrere Bedingungen erfüllen: Sie mussten Meilenstein: Die Forscher konnten nach- werden die meisten so zusammengesetzten CO2 über den Wood-Ljungdahl-Weg schnell weisen, dass ihre Bakterien aus Kohlendi- Industrieabgase bestenfalls thermisch ge- und in hohen Mengen in Produkte umsetzen oxid Aceton hergestellt hatten. nutzt oder sogar teilweise einfach nur beim (Abb. 3). Außerdem mussten sie langlebig Während die Molekularbiologen der Uni- Austritt aus dem Schornstein abgebrannt, und robust sein, um eine ökonomische Fer- versitäten Ulm und Rostock nun das Erbgut Kohlendioxid wird so der Atmosphäre wie- mentation zu ermöglichen, und in Gegen- der Organismen weiter optimierten, begann der zugeführt. wart von Kohlenmonoxid, einem für viele bei Evonik die Entwicklung des Fermenta- Gemeinsam mit Partnern der Universi- Mikroorganismen toxischen Gas, wachsen tionsprozesses. Die erste Schwierigkeit 17 täten Ulm (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Peter Dürre) und Rostock (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Hubert Bahl) hat Evonik deshalb Ende 2011 das vom Bundesforschungsministe- rium geförderte Projekt COOBAF gestartet (Förderkennzeichen 01RC1105A). Während sich das Evonik-Team auf die Entwicklung Abbildung 3. Stoffwechsel der acetogenen Bakterien des Fermentations- und Downstream-Pro- zesses konzentrierte, fiel den Hochschul- Bakterien, die CO2 über den Wood-Ljungdahl-Pfad zu Acetyl-CoA umsetzen partnern vor allem die mikrobiologische können, wurden die Gene zur Produktion von Aceton übertragen. und gentechnische Arbeit zu. Denn zu- nächst einmal bestand die Aufgabe darin, Wood-Ljungdahl-Weg Acetonsynthese Mikroorganismen zu identifizieren, die (natürlicher Stoffwechselweg) (synthetischer Stoffwechselweg) Kohlendioxid für ihren Stoffwechsel ver- wenden können – eine Fähigkeit, die außer- CO H 2O halb des Pflanzenreichs wenig verbreitet ist. Aceton CO-Dehydrogenase CO2 Hohe Anforderungen an 2 [H] CO2 CO2 Formiat-Dehydrogenase Mikroorganismen Formiat Tatsächlich nutzten bereits 1916 Wissen- ATP, THF Formyl-THF-Synthase Acetoacetat schaftler Bakterien, um Aceton zu produzie- Formyl-THF+ ren. Pionier dieser Entwicklung war Chaim H + Methenyl-THF-Cyclohydrolase H-S CoA Acetyl-CoA Weizmann, später der erste Staatspräsident Methenyl-THF 2 [H] Israels. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts 2 [H] CO-Dehydrogenase/ wurde das Bakterium Clostridium aceto- Methylen-THF-Dehydrogenase Acetyl-CoA-Synthase H2O Acetat Methylen-THF butylicum genutzt, um in der sogenannten 2 [H] ABE-Fermentation die Produkte Aceton, Methylen-THF-Reduktase Acetoacetyl-CoA Methyl-THF Ethanol und Butanol im industriellen Maß- Co-FeS-P stab herzustellen, mit Kohlenhydraten als Methyltransferase H-S CoA Methyl-Co-FeS-P [CO] CO Substrat. Am Ende aber genügte die Aceton HSCoA Grafiken: C3 Visual Lab ausbeute des Verfahrens nicht mehr, um mit CO-Dehydrogenase/ der Hock-Synthese zu konkurrieren. Acetyl-CoA-Synthase Acetyl-CoA Im Gegensatz zur ABE-Fermentation Acetyl-CoA Acetyl-CoA wurden bei COOBAF nicht Kohlenhydrate, sondern Kohlendioxid als Kohlenstoffquelle ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIOTECHNOLOGIE bestand in der Suche nach einem Labor, Abbildung 4. Kontinuierliche Prozessführung das Sicherheitsvorkehrungen für die Arbeit Indem die gebildeten Nebenprodukte laufend aus dem Fermenter entfernt sowohl mit Wasserstoff als auch Kohlen werden, gelang es, das Wachstum der Bakterien deutlich zu steigern. monoxid besaß. Fündig wurde das Team bei der Reaktionstechnik in Marl, wo auch Feedgas geeignete Industrieabgase nicht weit wa- Offgas ren. Die Forscher bauten das Labor so um, Retentat dass es die Voraussetzungen für biologische A rbeiten auf S1-Niveau erfüllte. R1 R2 Feed Das Evonik-Team entwickelte einen Fer- mentationsprozess im Zwei-Liter-Maßstab. Der eingesetzte Laborfermenter war dabei UF- aus Stahl und nicht, wie bei Laboranlagen Membran üblich, aus Glas, um bei höheren Drücken Externe arbeiten zu können. Denn Wasserstoff und Schlauch- Kohlenmonoxid sind bei Atmosphären- pumpe druck nur mäßig wasserlöslich, müssen Permeat aber als Substrat die Bakterien in der Nähr- lösung im Bioreaktor gut erreichen. Außerdem betrachteten die Forscher un- Zell- terschiedlich zusammengesetzte Gase. Da- suspension bei zeigte sich, dass das typische Abgas von Stahlwerken günstige Voraussetzungen für die Acetonproduktion bietet. Alternative Konzepte zur Begasung verbesserten die Versorgung der Zellen weiter. Kontinuierlicher Fermentationsprozess Abbildung 5. Schnelleres Wachstum Das typische Abgas Plötzlich aber stand das Team vor einem Pro- blem: Immer wieder hörten die Bakterien ab Das Wachstum bei kontinuierlicher und von Stahlwerken einem bestimmten Zeitpunkt der Fermen- diskontinuierlicher Prozessführung im Vergleich. 18 eignet sich besonders tation auf zu wachsen. Fehlte ein wichtiger Nährstoff? Entstand ein Produkt, das das Kontinuierliche Prozessführung gut für die Produktion Wachstum inhibierte? Letztlich zeigte sich, von Aceton mit dass ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren ursächlich war, vor allem aber die Kon- acetogenen Bakterien. zentration des Nebenprodukts Essigsäure. Der Batch-Prozess musste deshalb auf eine Biomasse kontinuierliche Prozessführung umgestellt werden, bei der fortlaufend das Neben- produkt entnommen wurde. Gleichzei- Batch- tig musste ein Teil der ausgeleiteten Zellen Prozessführung immer wieder in den Reaktor rückgeführt werden, da die Mikroorganismen nur rela- tiv langsam wuchsen (Abb. 4, 5). Darüber Fermentationsdauer hinaus erkannten die Forscher, dass sie den Abbildung 6. Höhere Produktivität Die Prozessentwicklung führte zu einer kontinuierlichen Steigerung der Aceton- und Biomassemenge. Aceton Aceton- und Biomasse- Biomasse Grafiken: C3 Visual Lab konzentration Fotos: Evonik Druck- 2-l-Fermenter 2-l-Fermenter flaschen (Batch-Prozess- führung) (Kontinuierliche Prozessführung) S1-Labor mit Anaerobierbank (links) und Zwei-Liter-Fermenter. ELEMENTS #53 DAS INNOVATIONSMAGA ZIN VON EVONIK
GLOBAL CHALLENGES: BIOTECHNOLOGIE dern auch als geeignetes Strippgas. Es war Die Experten Abbildung 7. Der Downstream-Prozess möglich, das Aceton so schnell zu entfernen, Der auf Basis von Absorption entwickelte Prozess wie die Prozessführung es erforderte. Sollte liefert hohe Ausbeuten und Reinheit. man nun das Aceton per Kondensation oder Absorption aus dem Strippgas entfernen? Es stellte sich heraus, dass die Absorption auf- CO2/H2-haltiger Absorbens grund ihrer höheren Ausbeuten die Metho- Gasstrom de der Wahl darstellt (Abb. 7). Dr. Marzena Gerdom Aceton In verschiedenen Simulationen haben ist seit 2011 als die Forscher ein gutes Absorbens identifi- Prozessingenieurin in der Abteilung Mit Aceton ziert. Es kann große Mengen Aceton auf- Bioprocess Technology beladenes nehmen und wird nur in geringer Menge & LCM des Geschäfts- Absorbens selbst verbraucht. Vor allem aber stimmte gebiets Verfahrens- Mit Aceton technik & Engineering die Reinheit des Acetons: Sie lag bei mehr beladener von Technology & Gasstrom als 95 Prozent und ließe sich leicht auf mehr Infrastructure tätig. als 99 Prozent steigern. Da die wesentliche marzena.gerdom Verunreinigung Wasser ist und Wasser bei @evonik.com Isophoron-Prozessen nicht stört, war damit der nächste Meilenstein erreicht – und das Projekt fast am Ziel. Abschließend erfolgte das Life Cycle As- sessment (Abb. 8a, b). Verglichen mit dem Fermenter Absorber Destillationskolonne bloßen Verbrennen der Industrieabgase fiel die CO2-Bilanz der biotechnologischen Acetonproduktion deutlich positiver aus (Szenario 1). Selbst wenn die Forscher be- Dr. Jörg-Joachim rücksichtigten, dass der Wasserstoff im Ab- Nitz beschäftigt sich gas thermisch genutzt werden könnte (Sze- als Gruppenleiter im Innovationsmanage- nario 2), die verlorene Wärmequelle also in ment Crosslinkers mit Ertrag deutlich steigern konnten, indem sie der Praxis durch Erdgas kompensiert wer- Forschungsprojekten Abbildung 8a. LCA auf dem Gebiet der dem Nährmedium bestimmte Kofaktoren den würde, lag der biologische Prozess noch Produktionsphasen, für zusetzten: So förderte beispielsweise günstiger als der momentane großindus Isophoronchemie. die das LCA erfolgte. Magnesium selektiv die Acetonausbeute, trielle chemische Benchmark-Prozess. joerg-joachim.nitz @evonik.com wogegen andere Spurenelemente unspezi- Bis zum Projektabschluss Ende 2014 wurde 19 CO2, H2, CO fisch die gesamte Produktivität erhöhten. die anfängliche Produktivität des Prozesses Die Prozessentwicklung führte zu einer um mehr als drei Zehnerpotenzen gesteigert. Steigerung des fermentativ gebildeten Ace- Jetzt wäre noch einmal ein Faktor 20 nötig, tons (Abb. 6), letztendlich stieg die Produk- damit das neue Verfahren im industriellen Fermentations- tivität des Prozesses um mehrere Zehner- Maßstab mit der Petrochemie auch ökono- prozess potenzen. misch konkurrieren könnte. Ansätze dazu Jetzt stand der Downstream-Prozess an. sehen die Beteiligten sowohl auf genetischer Hier kam dem Evonik-Team der niedrige als auf prozesstechnischer Seite. Aber bereits Downstream- Dampfdruck des Acetons zur Hilfe, der es jetzt konnte gezeigt werden, dass es auf bio- prozess ermöglichte, das Aceton aus der Fermen- technologischem Weg grundsätzlich mög- tationsbrühe herauszustrippen. Dabei er- lich ist, aus dem „Abfall“ CO2 gefragte Wert- wies sich die Mischung von Wasserstoff und stoffe herzustellen – und das auf ökonomisch Aceton Kohlendioxid nicht nur als Feedgas, son- wettbewerbsfähige Weise. Abbildung 8b. Ergebnis des Life Cycle Assessment (LCA) Je nach Szenario ergab das LCA der biotechnologischen Acetonherstellung eine mehr oder weniger große Reduktion des Beitrags zum Treibhauseffekt gegenüber dem chemischen Prozess. Links: Szenario 1, keine Substitution der thermischen Energie. Rechts: Szenario 2, Substitution der thermischen Energie durch Erdgas. 3,0 3,0 Benchmark: Phenolsynthese nach Hock Benchmark: Phenolsynthese nach Hock Treibhauspotenzial (100 Jahre) Treibhauspotenzial (100 Jahre) 2,0 2,0 –0,2 [kg CO2e/kg Aceton] [kg CO2e/kg Aceton] 0,7
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