Exkursionsbericht Japanexkursion - bis 22. Juni 2009 - PH Zürich
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Japanexkursion Exkursionsbericht 7. bis 22. Juni 2009 G eographisches I nstitut U niversität Z ürich , 2009
Exkursionsbericht 7. Juni – 22. Juni 2009 Herausgeber: Hermann Escher & Stefan Baumann Redaktion: Sarina Hablützel, Stefanie Knubel & Karin Forrer Fotografien: Yves Götz, Gavino Strebel & Stefan Baumann Titelblattgestaltung: Martin Steinmann Geographisches Institut der Universität Zürich 1
Geographisches Institut der Universität Zürich Winterthurerstrasse 190 CH-8057 Zürich Zürich, 2009 2 Japan-Exkursion Juni 2009
Inhalt Einleitung 5 Reiseroute 9 Programm 10 Tokyo – Eindrücke aus der grössten Metropole der Welt 13 Die sozialen Gegensätze einer Global City 17 Die Schweizer Botschaft in Tokyo 24 Japanische Maschinenindustrie & Flussrenaturierung nach Schweizer Vorbild 30 Vulkanismus und Mythen rund um den Mount Fuji 36 Narai im Kisotal – Tourismus als Lösung für historische Poststadt 42 Das kriegerische und bäuerliche Leben im alten Japan 47 Der japanische Autohersteller Toyota 53 Das grosse Hanshin Erdbeben und seine Folgen 59 Miyajima und Tourismus in Japan 65 Die Kunst des Sakebrauens 70 Das Schicksal der Bevölkerung von Hiroshima 76 Der grösste Buddha der Welt 83 Weltkulturerbe aus der alten Hauptstadt Kyoto 87 Teilnehmende 92 Budget 95 Geographisches Institut der Universität Zürich 3
Rechte Seite: 1 Gruppenfoto beim Besuch des Studenten- wohnheims Wakeijuku 4 Japan-Exkursion Juni 2009
Einleitung Following up on two lectures on “Geography of Japan” (spring term 2007, autumn term 2008) a group of students of the Department of Geography of Zurich University spent two weeks in Japan. This study tour aimed at introducing the students to different aspects of current Japan. For time and logistics reasons the tour was organized in a number of blocks addressing the following to- pics: • Tokyo: Urban geography, economy and industry, universities, relations Switzerland – Japan; river restoration • Hakone: Volcanic activities, traffic in Edo period • Narai (Kiso) and Takayama: Rural areas, traditional buildings • Toyota-City: Automobile industry, robotics • Kobe: Great Hanshin Earthquake 1995, disaster prevention • Hiroshima: Industry, education (high school and university levels), tourism; nuclear bombing • Kobe/Nara: Traditional Japan This report summarizes activities and impressions on a day-by-day basis. It was prepared by par- ticipants in the study tour who also contributed the photographs.
This study tour would not have become possible without the generous support and substantial assis- tance offered by an important number of persons and institutions in Japan as well as in Switzerland. Deep appreciation and heartfelt thanks are extended to all who made this study tour possible. Ein langer Flug mit kurzer Nacht über Sibiriens Norden; Appetit auf Essen – aber keine Ahnung, was im Schaufenster ausgestellt ist; der angemessene Winkel einer Verbeugung; eine Fähre mit Onsen; Fujisan bei Postkartenwetter; Eierkochen im Vulkanwasser; erschütternde Atombomben-Gedächt- nisstätte; das Wohnzimmer im Erdbebensimulator; die älteste erhaltene Holzkonstruktion; mit 270 km/h durch die Gegend brausen; Karaoke; Kneipenbesuch mit japanischen Studiosi; gediegener Empfang in einem historischen Gebäude; Frühstück auf Schweizer Boden; solides Handwerk - tan- zende Roboter --- davon und noch von vielem anderem ist im nachfolgenden Bericht zu lesen, den die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Exkursion konzipiert, verfasst und bebildert haben. Es war kein alltägliches Unterfangen, das da Ende Frühjahrsemester 2007 mit der etwas leicht- sinnig hingeworfenen Bemerkung „jetzt müsste der Vorlesung eigentlich die praktische Anschau- ung in Japan folgen“ seinen Anfang nahm. Zudem wäre es trotz intensiven Vorbereitungen beina- he beim Konjunktiv geblieben: Die rasche Verbreitung in Japan des H1N1 Virus („Schweinegrippe“) liess Ende Mai 2009 eine kurzfristige Annulation der zweiwöchigen Exkursion ernsthaft in Erwä- gung ziehen. So weit kam es zum Glück nicht, und auch die gemäss Kalender angesagte Regenzeit hielt sich den ausländischen Besuchern gegenüber in vornehmer Höflichkeit zurück. Wir alle benützen japanische Produkte, sehen japanische Filme, Sushi werden hierzulande man- cherorts angepriesen – und doch scheint Japan unendlich weit weg, fremd, unnahbar, ja gar etwas unheimlich. Ziel der Exkursion war es daher, die Shoji, die japanischen Schiebetüren, aufzuschie- ben, um dem in der Vorlesung Gehörten mit eigenen Augen erlebte Konturen zu geben. Erste Ein- drücke auf der Fahrt vom Flugplatz in die Stadt (immerhin eine Distanz wie Zürich – Olten) mögen etwas enttäuschend, gleichzeitig aber auch beruhigend gewesen sein: westlich aussehende Bau- ten, westlich gekleidete Leute, westliche Autos, mit Ausnahme der Schriftzeichen alles eigentlich recht vertraut. Und auch die ersten Kontakte mit Leuten im Hotel, im Restaurant, auf der Strasse schienen diesen Eindruck zu bestätigen. Ist Japan vielleicht doch nicht ganz so verschieden? Erst der zweite und viele nachfolgende Blicke zeigten dann, welch andere Lebensart, Verhaltenswei- sen, Kultur hinter dieser Fassade stecken, ein verwirrendes Bild. Dieses Rätsel aufzulösen, war in den zwei Wochen Aufenthalt (Zeit und Budget liessen nicht mehr zu) natürlich nicht möglich, war auch nicht Ziel der Exkursion. Es ging vielmehr darum, eine Auswahl von Themen exemplarisch darzustellen. Angesichts der grossen Distanzen drängte sich eine Reiseroute auf mit Ankunft in To- kyo und Abflug in Osaka. Dadurch gliederte sich das Programm in drei regionale Blöcke: Tokyo und Umgebung, die ländlichen Regionen des Kisotals und von Takayama sowie das westliche Japan mit Toyota City, Kobe, Hiroshima und Kyoto / Nara. Thematisch umfassten diese Blöcke folgende The- men: 6 Japan-Exkursion Juni 2009
• Tokyo: Stadtgeographie, Wirtschaft und Industrie, Universitäten; Beziehungen Schweiz–Japan; Revitalisierung von Flüssen • Auf dem Weg ins Kisotal: Vulkanismus in Hakone; Verkehrswesen zur Edozeit • Narai (Kiso) und Takayama: Entwicklungen im ländlichen Raum, traditionelles Bauen • Toyota City: Automobilindustrie, Robotik • Kobe: Erdbeben 1995, Vorsorge für den Fall von Naturkatastrophen • Hiroshima: Industrie, Tourismus, Schulen und Universitäten, Atombombenabwurf im August 1945 • Kyoto / Nara: traditionelles Japan In Tokyo und Umgebung benutzten wir die Metro, in den ländlichen Regionen einen gemieteten Bus, im westlichen Japan (Nagoya – Kobe und Hiroshima – Kyoto) den Shinkansen, sodann zwi- schen Osaka und Hiroshima die Fähre. Das Programm war anspruchsvoll, intensiv und dicht und verlangte aktives Dabeisein der Teilnehmenden. Zudem wollten die Städte auch auf eigene Faust erkundet sein – die Nächte waren daher oft sehr kurz. Dafür kam die Gruppe mit einer reichen Aus- beute an Eindrücken, an Erfahrungen und natürlich auch an Photos zurück. Davon vermittelt dieser Exkursionsbericht eine Auswahl. Die Exkursion wäre nicht möglich geworden ohne die grosszügige Unterstützung und Gastfreund- schaft seitens zahlreicher Personen und Institutionen in Japan und in der Schweiz. In herzlicher Dankbarkeit seien diese nachfolgend aufgeführt: • German Institute for Japanese Studies, Tokyo: Dr. R. Lützeler und Dr. V. Elis • Wakeijuku Students Hostel, Tokyo: Mr. M. Maekawa, President and CEO Mycom AG Zug; Mr. Iwa- saki, Executive Director and Mr. Tochigi, Managing Director • Swiss Embassy, Tokyo: Ambassador and Mrs P. Fivat; Mr. H. Flückiger, Consul, Mr. M. Godel, Councellor Trade, Mr. A. Groff, Councellor Economy and Finance, Mr. P. Nelson, Councellor Cul- ture, Mr. M. Moesner, Attaché Science • Fujitsu Research Institute, Tokyo: Mr. M. Schulz • Gaipro Inc., Tokyo: Mr. M. Stricker, CEO • Maekawa MFG, Moriya City: Mr. M. Maekawa, President and CEO Mycom AG Zug; Mr. S. Takahashi, Factory Vice General Manager, Mr. A. Ogita, Assistant Plant Manager • River Environment Division, Chiba Prefectural Government: Mr. K. Hayashi, Assistant Director; Chiba University, Ms T. Asami ; NGO Group Matsudo • Chiba University: Mr. O. Ejderyan • IFIL Initiative for Intercultural Learning: Mr. D. Ursprung • Minshuku Izeya, Narai (Kiso): Mr. Y. Sakai, owner • Toyota Schweiz: Mr. Ph. Rhomberg, Ms D. Billeter • Toyota Motor Corporation, Toyota-City: Ms Fumi Saito, Corporate Public Relations Division • Switzerland – Office for Trade, Investment and Culture, Kobe: Ms S. Nagai • Honorary Consulate General of Switzerland, Osaka: Mr. D. Sommerhalder, Honorary Consul General Geographisches Institut der Universität Zürich 7
• Nestlé Japan Ltd., Kobe: Mr. P. Jaggy, Director, Mr. Th. Hauser, Director • International Division, International Affairs Office, Kobe City: Mr. Y. Tanzawa • Crisis Management Office, Kobe City: Mr. Y. Hasegawa • Volunteer City Guides, Kobe • Disaster Reduction and Human Renovation Institution, Kobe: Staff and Volunteer Guides • Headmaster Junior High School, Hiroshima: Ms E. Masaki • International Business Office, Hiroshima Prefectural Governement: Mr. Y. Ishii, Office Director, Mr. K. Miyatani, Senior Supervisor, Mr. M. Tamagaki, Supervisor, Mr. Y. Takenaka • Toyo Advanced Technologies Ltd, Hiroshima: Mr. K. Osawa, Managing Director, Mr. T. Nakatani, Staff Manger, Mr. Y. Abe, General Manager, Mr. K. Kurata, Staff Manger • Kamoizumi Shuzo Ltd., Higashi-Hiroshima: Mr. H. Maegaki, President • Higagshi Hiroshima University: Prof. C. Funck, Prof. T. Tsukamoto • Hiroshima Peace Memorial Museum: Ms M. Matsubara • Guide in Kyoto and Nara: Ms A. Guignard • Music Performance in Kyoto: Mr. S. Guignard • Interpreter Tokyo: Ms N. Moriyama • Interpreter Hakone, Narai, Takayama, Toyota-City: Ms M. Kumazawa • Interpreter Kobe: Ms M. Wada • Interpreter Hiroshima: Ms N. Kohara • Bus drivers in the areas of Kiso – Takayama, Kobe and Hiroshima • Merlo + Partner AG, Dietikon: Ms M. Merlo • TCS Reisen, Schwyz: Mr. P. Achermann • Hankyu Travel International, Tokyo: Ms K. Fujii • WebArts Luzern: Ms A. Strauss Der finanzielle Beitrag des Geographischen Institutes der Universität Zürich bedeutete für die Stu- dierenden eine wichtige Unterstützung, wofür sie dankbar sind. Die Abteilung Wirtschaftsgeogra- phie des Geographischen Instituts ermöglichte den Druck des vorliegenden Berichts sowie die Ab- schlussveranstaltung vom 27. Oktober 2009. Vielen Dank! Für die Leitenden war diese Exkursion Herausforderung und Bereicherung zugleich: Herausforderung, weil die Konzipierung und Detailplanung einer solchen Reise anspruchsvoll ist und weil trotz sorgfälti- gen und umfassenden Vorbereitungen ein gewisses Risiko bleibt, gerade im Erdbebenland Japan. Be- reicherung, weil die motivierte und motivierende Gruppe sich am Programm aktiv beteiligte, die Mög- lichkeiten für Gespräche in Firmen und Universitäten oder für Erkundigungen auf eigene Faust intensiv nutzte, dem japanischen Comment flexibel folgte und bis zum Schluss auch physisch durchhielt. Ge- nauso wie wir zeigten sich auch die japanischen Gastgeber vom Engagement der Zürcher Studieren- den beeindruckt. Herzlichen Dank an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dieser Japanreise! Hermann Escher, Stefan Baumann und Hertha Escher 8 Japan-Exkursion Juni 2009
g u Ts Mutsa-wan Aomori Hachinohe Hirosaki S E A O F Reiseroute Akita Miyako J A P A N Kamaishi Tsuruoka Sado- Sendai jima 0 300 Kilometer Takayama Matsumoto Gujo-Hachiman Narai Tokyo Narita Airport Biwa- Fuji-san ko Toyota City Hakone Kyoto Nagoya Kobe Osaka Hiroshima Awaji- jima Kansai Airport Miyajima onoseki a-kyushu Matsuyama S h i k o k u Fukuoka 0 100 200 300 Kilometer o Hachijo-jima Bun Omuta Kumamoto go -s Ky u s h u ui do ndai Se Miyazaki Kagoshima P A C I F O C E A Tanega aku Geographisches Institut der Universität Zürich 9
Programm Day Location Subject Means of Accommodation transport SU Zürich 1055 dept. via Helsinki (1440/1720) Finnair AY 862/ – 7.6.09 – Tokyo AY 73 MO Tokyo 0855 arrive Narita, transfer to hotel Private bus Tokyo Gimmond 8.6. Hotel Tokyo City tour (incl. Imperial Palace, Asakusa, Private bus, boat Sumida cruise, Odaiba) TU Tokyo Walking tour Tokyo: Meiji Shrine, Tokyo Subway / foot Tokyo Gimmond 9.6. Metropolitan Govt. Building Hotel Presentations at DIJ: Subway / foot – Problems of rural Japan – Social structure of Tokyo, incl. walking tour through San’ya and Tokyo Midtown Dinner with jap. students at Wakeijuku Subway WE Tokyo Swiss Embassy: breakfast; presentations by Subway Tokyo Gimmond 10.6. heads of different sections Hotel Japanese Economy: Presentation by Dr. M. Schulz Meeting Mr Stricker, Gaipro Subway Free afternoon: Kabuki / Shibuya / Akihabara TH Tokyo Company visit Maekawa MFG, Moriya Tsukuba line Tokyo Gimmond 11.6. Hotel Restoration of rivers, Matsuda Tsukuba line, JR Dinner Izakaya at Shimokitazawa Subway FR Tokyo Transfer to Hakone area: Onshi Hakone Park, Private bus Narai, 12.6. – Hakone Edo time toll gate, Cryoptomeria Avenue; Ryokan Izeya – Fuji- Owakudani and Hakone Visitor Center; Yoshida Sengen-jinja at Fuji-Yoshida Stop at Lake Suwa Narai Dinner, discussion with inn owner SA Narai and Visit local museum and Buddhist temple Foot Narai, 13.6. area Hiking Torii pass to Yabuhara Ryokan Izeya Bath at Koma-no-yu Onsen Private bus SU Narai Transfer to Matsumoto, visit of Private bus Ryokan Gujo 14.6. – Matsumoto castle area Hachiman – Takayama Transfer to Takayama, short visit of old town Visit Hida Minzoku-mura (old farm houses) – Gujo Transfer to Gujo Hachiman Hachiman 10 Japan-Exkursion Juni 2009
MO Gujo Transfer to Toyota City Private bus Kobe Hotel 15.6. Hachiman Otani – Toyota City Guided tour of Toyota company Harborland – Nagoya – Kobe Transfer to Nagoya Station and via Shin-Osaka Private Bus, to Kobe Shinkansen Nozomi, Kobe Presentation by Nestlé Japan JR to Kobe TU 16.6. Kobe – Hokudancho-Earthquake Memorial Park on Private bus Ferry Awaji-jima Awaji-jima (Kobe earthquake 1995) Maiko Park: Akashi Kaikyo Bridge Exhibition – Kobe Kobe: Disaster Reduction and Human Foot Renovation Institution Guided tour through Foreign Settlement Area Meeting with City Crisis Group and visit viewpoint 26 F – Osaka Ferry Osaka – Hiroshima, via Matsuyama Private bus, ferry – Hiroshima (change ferry) WE Hiroshima Arrive Hiroshima Tram Hiroshima Hotel 17.6. New Hiroden Visit High School Private car Guided tour of Miyajima JR, ferry TH Hiroshima Visit Toyo Advanced Technologies, incl. Private bus Hiroshima Hotel 18.6. presentation by Hiroshima Prefecture Govt. New Hiroden – Saijo Visit Kamoizumi Brewery at Saijo JR, bus Higashi Hiroshima University (Saijo): development of campus, visit Dept. of Geography Dinner with students FR Hiroshima Peace Park and Museum Tram Kyoto 19.6. Testimonial of Survivor Hotel & Spa Kyoto Royal – Kyoto Transfer from Hiroshima to Kyoto Shinkansen Nozomi City tour in Kyoto Foot SA Nara Nara: visit of Horyu-ji and Todai-ji JR, Nara-sen, local Kyoto 20.6. bus Hotel & Spa Kyoto Royal SU Kyoto Program in Kyoto: Visit of Golden und Silver Local bus, foot Kyoto 21.6. Pavilion Hotel & Spa Kyoto Royal Final dinner with Japanese music MO Kyoto Transfer to Kansai Int. Airport JR – 22.6.09 – Zürich 1100 dept. via Helsinki (1510/1630) Finnair AY 78 / AY 863 1815 arrive Zürich Geographisches Institut der Universität Zürich 11
Rechte Seite: 1 Riesige Betonpisten führen durch die ganze Stadt. 12 Japan-Exkursion Juni 2009
Tokyo – Eindrücke aus der grössten Metropole der Welt Montag, 8. Juni 2009 Von Samuel Graf 13 metro lines, 8.5 million inhabitants, 620 square kilometres. This is obviously not nearly enough to be the world’s biggest city. To make matters worse, the city of Tokyo is divided into 23 districts, which are almost autonomous since 1943. Upon arrival at Narita International Airport – approxi- mately 60 kilometres out of the centre – the fact that Tokyo should be the largest metropolis on the entire globe seems quite absurd. Instead of the expected masses of houses there are many open areas next to the airport. But as you drive towards Tokyo and the closer you get to the heart of the city, green turns into grey, instead of grass there are massive roads and the rice fields have been replaced with driving ranges or skyscrapers. As soon as you reach Tokyo, there is no doubt anymore that this has to be the biggest and one of the most important metropolis of the world. The capital city of Japan reaches beyond the boundaries of its districts and is known as Greater Tokyo Area with a population of over 35 million.
Tokyo – das politische und wirtschaftliche Zentrum Japans, einer der bevölkerungsreichsten Orte der Welt, die Met- ropole der asiatischen Welt. Interessanterweise existiert die Stadt Tokyo jedoch im administrativen Sinne gar nicht mehr. Sie wurde im Jahr 1943 als politische Einheit aufge- löst und besteht heute aus 23 administrativ autonomen Stadtbezirken, welche eigenständigen Städten gleichzu- stellen sind. Mit rund 8.5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern sind diese 23 Bezirke zusammen bevölke- rungsmässig weit von der weltweit grössten Stadt entfernt. Aber die Megastadt Tokyo reicht weit über die Grenzen der Stadtbezirke hinaus und bildet zusammen mit weiteren Grossstädten wie beispielsweise Yokohama die „Greater Tokyo Area“. Diese Metropole mit ungefähr 35 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist vor Mexiko City und Mumbai die grösste Stadtagglomeration der Welt. Während und nach der Ankunft am Narita International Airport wurde uns diese enorme Grösse allerdings kaum bewusst. Der Flughafen liegt rund 60 km nordöstlich des Stadtzentrums von Tokyo, direkt neben einem überdimen- sionierten und grasgrünen Golfplatz – vom erwarteten Häu- sermeer weit und breit keine Spur. Der Transfer ins Stadt- zentrum führte uns anschliessend ebenfalls vorbei an er- staunlich viel dünn- bis unbesiedelten Flächen. Wir stell- ten uns allmählich die Frage, wo denn wohl die 35 Millio- nen Menschen leben. Je näher wir uns jedoch dem Kern der japanischen Hauptstadt näherten, desto mehr verflüchtig- ten sich die Zweifel an der immensen Grösse und der Be- völkerungsdichte von Tokyo. Auf breiten Highways brauste unser Car quer durch ein Wirrwarr von kleinen Wohnhäu- sern, klobigen Bürokomplexen, unzähligen Driving Ranges – Golf ist in Japan eine äusserst populäre Sportart – und noch zahlreicheren Wolkenkratzern ungebremst mitten in das pulsierende Herz Tokyos. Die dicht an den Häuserfron- ten vorbeiziehenden Strassen erinnern an ein Computer- spiel und könnten in den wildesten Autosimulatoren sofort zur Hauptattraktion werden. Diese irrsinnigen Verkehrswe- ge wurden im Zuge der Olympischen Sommerspiele von 1964 sprichwörtlich aus dem Boden gestampft und prägen nun das Stadtbild in einmaliger Weise. 14 Japan-Exkursion Juni 2009
Nichts desto trotz tauchen zwischen den engsten Häuser- zeilen plötzlich grüne, weitläufige Plätze auf. Traditionel- le japanische Bauten, buddhistische Tempel und shintois- tische Schreine schaffen Idyllen, wie man sie sich mitten in der Megastadt Tokyo in den kühnsten Träumen nicht hät- te vorstellen können. In den lärmigsten und hektischsten Regionen der Stadt findet man etliche solche Rückzugs- gebiete, wo eine unvergleichliche Stille herrscht. Obschon das japanische Volk unter extrem grossem Leistungsdruck steht, finden bemerkenswert viele Japanerinnen und Japa- ner trotzdem Zeit, sich an diesen friedvollen und ruhigen Orten aufzuhalten, um dem alltäglichen Stress zu entflie- hen. Ein weiterer Ort, um den erdrückenden Hochhäusern und der Hektik der Stadt zu entkommen, ist die über die Rain- bow Bridge erreichbare Insel Odaiba. Die in der Bucht von Tokyo gelegene Insel hat ihren Ursprung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals war geplant, elf Kanonenstände (jap. daiba) vor der Küste als Schutz vor unerwünschten Eindringlingen anzulegen. Dieses Vorhaben war eine Reak- tion auf die Ankunft der Amerikaner mit ihren sogenann- ten Schwarzen Schiffen, um die Öffnung Japans gegenüber dem Westen zu erzwingen. Schlussendlich wurden jedoch nur fünf der geplanten Kanonenstände als kleine künstliche Inseln in der Bucht angelegt, da erstens ein Freundschafts- vertrag mit den USA abgeschlossen wurde und zweitens das Geld knapp wurde. Einige Inseln wurden später wieder aus der Bucht entfernt, um dem Schiffsverkehr mehr Platz zu überlassen. Über eine andere wurde ein Anlegeverbot verhängt und die Insel der Natur überlassen. Die ehema- lige Insel des heutigen, modernen Odaiba fiel dem enor- Linke Seite: men Platzmangel rund um die Bucht von Tokyo zum Opfer. 1 Die nördlichste Flugroute nach Japan 2 Auf dem Weg vom Flughafen in die Innenstadt In den 1980er Jahren wurde die Insel weiter vergrössert. von Tokyo durchquerten wir weite ländliche Gebiete. Die japanische Wirtschaft befand sich im Aufschwung und 3 Japaner – ein freundliches Volk! 4 Der überwältigende erste Eindruck von Tokyo Odaiba sollte ein Sinnbild der futuristischen Lebensweise verkörpern. Nach dem Platzen der Bubble Economy am An- Rechte Seite: 1 Der Blick vom Kaiserpalast zur Innenstadt – fang der 1990er Jahre wurde Odaiba praktisch verlassen. zwei gegensätzliche Welten 2 Durch einen Wassergraben und eine streng Erst später entwickelte sich die Insel zu einem Unterhal- bewachte Brücke wird der Kaiserpalast be- schützt. tungs- und Einkaufsgebiet. Heute befinden sich unter an- 3 Die Rainbowbridge ist ein gigantisches Bau- werk mitten in Tokyo. 4 Freiheitsstatue und Fuji TV auf Odaiba Geographisches Institut der Universität Zürich 15
derem das Fuji TV Studio und eine kleinere Kopie der Frei- heitsstatue auf der Insel. Blickt man vom Sandstrand der Insel aus zurück auf die Stadt, erstreckt sich hinter der imposanten Rainbow Bridge dem Horizont entlang eine gewaltige Skyline, welche nicht zu enden scheint. Nach dem ersten Tag in der Metropole Tokyo und den vie- len Eindrücken fühlten wir uns nicht nur lost in translati- on, sondern auch etwas verloren in Raum und Zeit. Den- noch stand eine der grössten Herausforderungen noch vor uns. Inmitten der fremden Kultur mit ihren unverständli- chen, japanischen Schriftzeichen und ungewohnten Ges- ten versuchten wir uns zum ersten Mal an den japanischen Speisekarten. Ein Ding der Unmöglichkeit? Keineswegs! Die extrem erfinderischen Japaner erleichtern Touristen die Menuauswahl dadurch, dass sie alle Gerichte in Schaukäs- ten vor den Restaurants ausstellen. Diese sehen zwar sehr echt aus, bestehen jedoch alle aus Plastik. So hatten auch wir eine faire Chance, uns den Bauch mit leckeren japani- schen Speisen vollzuschlagen. Berg, Jens-Rainer (2006): Tokyo: Geburt einer Metropole. http://www.geo.de/GEO/kultur/geschichte/5198. html?q=tokyo. LUNA, Ian (2008): Tokyo – Life – Style, Deutsche Verlags- Anstalt, ISBN: 3421036853. Linke Seite: 1 In diesem Hotel wurde der Film «Lost in Trans- lation» gedreht. 2 Fast jedes Restaurant präsentiert seine Menüs in Plastikform – eine riesige Hilfe! 3 Im Asakusa Kannon Tempel ist die Hektik der Grossstadt wie weggezaubert. 4 Auf dem Sumida Fluss: Auch per Schiff besich- tigten wir Tokyo. Rechte Seite: 1 PD Dr. Ralph Lützeler zeigt uns das Tagelöh- nerviertel San’ya. 16 Japan-Exkursion Juni 2009
Die sozialen Gegensätze einer Global City Dienstag, 9. Juni 2009 Von Lukas Reinhardt In the morning of the second day in Tokyo we visited the Meiji-Shrine and its park which is one of the biggest green spaces in the centre of the city. The Shrine is dedicated to the spirits of Emperor and Empress Meiji. Then, to get a better idea of the dimensions of Tokyo, we took the elevator to the top floor of the Tokyo Metropolitan Government Building. During the second part of the day we addressed the main topic of the day: the situation of rural Japan and the social structure of Tokyo. First we heard two interesting presentations at the Ger- man Institute for Japanese Studies about demographic problems, rural areas and the segregation in Tokyo. On a tour on the one hand through a day labourer district and on the other hand to Tokyo Midtown, an impressive building as a symbol of modern architecture in Tokyo, we were able to directly see the big social differences. In the evening we were invited for dinner at the Wakeijuku dormitory, a hostel for students of different Japanese universities.
Der Meiji-Schrein im Stadtbezirk Shibuya ist einer der tou- ristischen Hauptattraktionen Tokyos. Er ist den Seelen des Meiji-Kaisers (jap. tenno) und der Kaiserin gewidmet. Nach dem Tode des Kaisers im Jahr 1912 und der Kaiserin 1914 wurde 1915 mit dem Bau des Schreins begonnen. Am ers- ten November 1920 sind die Seelen des Kaiserpaars in den Schrein überführt worden. Dieser fiel jedoch dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer, als er am 1. April 1945 von amerika- nischer Seite bombardiert wurde. Die heutigen Bauten, grösstenteils aus japanischer Zypresse, stammen aus dem Jahr 1958. Das bedeutendste Fest des Schreins findet zum Geburts- tag des Meiji-Tenno jeweils am 3. November statt und dauert fünf Tage. Eine grosse Zahl von Besuchern begibt sich dann zum Schrein und nimmt am vielseitigen Festpro- gramm teil. Vor allem zum Neujahr und während den ers- ten Tagen eines jeden neuen Jahres strömen Massen von Besuchern zum Schrein, um für ein gutes neues Jahr zu be- ten und sich ein Amulett (jap. O-Mamori) zu kaufen. Alleine in diesen Tagen verzeichnet der Meiji-Schrein jeweils rund 5 Millionen Besucher. Das Gelände des Schreines besteht aus drei Bereichen: Naien (der innere Bezirk mit den Schrein-Gebäuden), Gaien (der äußere Bezirk mit einer Gemäldegalerie zum Anden- ken an den Meiji Kaiser und Sportanlagen) und die Meiji- Gedächtnishalle. Der Gaien dient auch als Ort für shintois- tische Hochzeitszeremonien. Wir hatten Glück und sahen bei unserem Besuch eine festlich gekleidete Braut beim Fo- toshooting. Der Schrein ist von einem immergrünen Wald aus 120’000 Bäumen 365 verschiedener Arten umgeben, welche von Menschen aus allen Teilen Japans gespendet wurden, als der Schrein errichtet wurde. Der Wald ist zum einen Teil des Schreins, zum anderen aber auch Erholungs- gebiet im zugebauten Zentrum Tokyos. Der lange Kiesweg zum Heiligtum führt unter drei grossen Holz-Torii hindurch, von welchen das grösste über 12 Meter hoch ist und aus 1700-jährigem Holz besteht. Während der ersten Stunden war unsere Sicht auf Tokyo meist durch das nächste Hochhaus eingeschränkt, und wir schienen in den Strassen von Tokyo eingeengt. Um eine 18 Japan-Exkursion Juni 2009
Idee von den wahren Dimensionen der Metropole zu er- halten, fuhren wir am späteren Morgen mit dem Lift zum obersten Stockwerk des Rathauses von Tokyo. Das Tokyo Metropolitan Government Building, kurz auch Tocho ge- nannt, hat jedoch nichts gemeinsam mit einem Rathaus nach unseren Vorstellungen. Die Bezeichnung „Rathaus“ passt auch deshalb nicht wirklich, da jeder Stadtbezirk sein eigenes Verwaltungsgebäude besitzt. Das Tocho wur- de im Jahr 1991 eröffnet, ein typischer Prestigebau aus der Zeit des Wirtschaftsbooms der 1980er Jahre. Den Bürgern wurde der Monumentalbau als Sitz der Stadt- oder eben besser gesagt der Metropolverwaltung mit 13’000 städti- schen Angestellten als Ausdruck urbanen Selbstbewusst- seins verkauft. Das Gebäude besticht vor allem durch seine ungewöhnliche Architektur und durch den atemberauben- den Ausblick von den Aussichtsplattformen im 45. Stock- werk in rund 200m Höhe. Die von Kenzo Tange, einem der bedeutendsten Architekten Japans entworfenen monu- mentalen Doppeltürme sollen nach dem Vorbild von Not- re Dame geschaffen worden sein. Die Aussichtsdecks der beiden Türme können mit einem Hochgeschwindigkeitslift erreicht werden und bieten einen fantastischen Blick über die Stadt. An besonders klaren Tagen sieht man sogar den Mount Fuji. Dieses Glück blieb uns leider verwehrt. Dafür war dieses umso grösser etwas später auf unserer Reise. Das eigentliche Hauptthema des Tages war die soziale Struktur der Metropole Tokyo. Als Einstieg hörten wir zwei äusserst interessante Vorträge am Deutschen Institut für Japanstudien (DIJ). Das Institut setzt sich zum Ziel, durch eine Vertiefung der Kenntnisse von Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft des gegenwärtigen Japans sowie der deutsch- japanischen Beziehungen einen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis zu leisten. Durch die Arbeit des Instituts sollen Linke Seite: 1 Imposante Toriis zeigen den Weg zum Schrein gleichzeitig Anregungen für den weiteren Ausbau der ja- 2 Bitte Waschen! Erst dann den Schrein betreten. panologischen Forschung in der Bundesrepublik Deutsch- 3 Vor jedem Schrein liegen Schöpfer zum Wa- schen der Hände und des Mundes bereit. land gegeben und junge Wissenschaftler gefördert wer- Rechte Seite: den. Die beiden Forschungsschwerpunkte am DIJ liegen 1 Fotoshooting vor dem Meiji-Schrein 2 Die Braut wird perfekt in Szene gesetzt. zurzeit auf dem demographischen Wandel in Japan und auf 3 Auf Holztafeln werden die Wünsche und Gebe- der Glücksforschung und -wahrnehmung in Japan. Das In- te geschrieben. 4 Sakefässer als Opfergaben vor dem Meiji-Schrein Geographisches Institut der Universität Zürich 19
stitut ist Teil einer öffentlichen Stiftung und wird vollum- fänglich aus dem deutschen Bundeshaushalt finanziert. Der erste Vortrag von Herrn Dr. Volker Elis handelte von aktuellen Problemen der Gemeinden im ländlichen Raum Japans. Zurzeit findet in den ländlichen Gebieten Japans eine Entvölkerung statt, welche vorwiegend durch die bei- den Faktoren Alterung der Bevölkerung und Abwanderung hervorgerufen wird. Die ganze Problematik wird durch eine starke Abnahme der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter verstärkt. Die ländliche Bevölkerung weist nämlich einen hohen Anteil an über 65-Jährigen auf. Dasselbe Phänomen wird laut Dr. Volker Elis mit einer gewissen Verzögerung auch in den Metropolen eintreten. Ebenso macht Elis auch eine Reihe von wirtschaftlichen Problemen aus. Dazu zählt er unter Anderem den Mangel an attraktiven Beschäftigungsmöglichkeiten, eine niedri- ge Produktivität im ersten Sektor sowie eine schwache In- dustrie. Verschärft wird die Problematik durch stetig stei- gende Kosten für die Gemeinden, verursacht durch abneh- mende Steuereinnahmen sowie steigende Kosten für sozi- ale Dienstleistungen. Deshalb haben ländliche Gemeinden grosse Schwierigkeiten, die lokale Infrastruktur aufrecht- zuerhalten. Durch kommunale Gebietsreformen versuchen die Gemeinden, einen Ausweg aus den Finanzproblemen zu finden. Dies erklärt die vielen Eingemeindungen, wel- che in den letzten Jahren in Japan vollzogen wurden. Damit wird versucht, durch eine schlankere Verwaltung Synergie- effekte zu generieren. Doch was kann man gegen die fortschreitende Entvölke- rung und den Infrastrukturabbau tun? Elis meint, dass durch eine Übertragung der kommunalen Aufgaben auf die Ebene der Siedlungen dem Infrastrukturabbau entgegen- gewirkt werden kann. So soll vor allem eine Stärkung der ehrenamtlichen Tätigkeiten erreicht werden. Ebenso sind Pauschalzahlungen von Seiten der Gemeinden erforder- lich. Diese Ziele will Elis mittels Bottom-up-Ansätzen wie einer verstärkten Partizipation, einer stärkeren Rolle der NGOs sowie über Local Governance erreichen. Elis kommt zum Schluss, dass nicht der demographische Wandel die 20 Japan-Exkursion Juni 2009
Ursache für die dargestellten Probleme ist, sondern der re- gionale Strukturwandel. Der zweite Vortrag mit dem Titel „Tokyo – auf dem Weg zu einer gespaltenen Stadt?“ wurde von Herrn Dr. Ralph Lüt- zeler gehalten. Lützelers Forschung untersucht, inwiefern die Global-City-These von Saskia Sassen auf die Stadt To- kyo zutrifft. In der internationalen Stadtforschung wird seit Längerem von einer Verschärfung der sozialen Gegensätze sowie sozialräumlicher Segregation in Metropolen gespro- chen. Tokyo wird in diesen Diskurs kaum miteinbezogen, es wird sogar oft behauptet, dass Tokyo aufgrund eines ho- mogenen Charakters der japanischen Bevölkerung kaum gesellschaftliche Disparitäten aufweise. Lützeler konnte in seiner Forschung jedoch diese klischeehafte Sichtwei- se widerlegen. So ergeben sich bei genauerer Betrachtung der regionalen Dimensionen der Ungleichheit in der Glo- bal City Tokyo zumindest Indizien für eine gewisse sozia- le Polarisierung, die aber bei Weitem nicht das Ausmass von London oder New York erreicht. Begründet wird dies zum einen mit einem deutlich höheren Anteil an Minder- heiten und Immigranten sowie einer stärkeren Ausprägung des Neoliberalismus in Städten wie New York und London. Ein Yuppie-Phänomen konnte sich nicht einmal zu Zeiten der Bubble Economy in Tokyo ausbilden. Zu stark ist hier ein Entlöhnungssystem auf der Basis von Firmenzugehö- rigkeitsdauer und Lebensalter verankert. Mittels einer Clusteranalyse hat Lützeler sozialstrukturelle Raumtypen erarbeitet, die sich voneinander signifikant un- terscheiden. Zusätzlich konnten Stadtbezirke identifiziert werden, in denen man soziale Aufwertungs-, Abwertungs- oder Polarisierungsprozesse findet. In unterschiedlichen Linke Seite: Stadtbezirken sind verschiedene Segregationsphänomene 1 In mitten bewohnter Gebiete liegt ein Friedhof. 2 Nur der Pöstler findet die Adressen auf Anhieb. zu erkennen. Der Bezirk Minato weist beispielsweise Gen- 3 Der Blick über die Stadt, leider getrübt vom Dunst, mit dem man zur Regenzeit rechnen muss. trification auf, der Bezirk Taito hingegen Armutssegrega- 4 Das monumentale Ratshaus des Architekten Kenzo Tange tion und der Bezirk Shinjuku einen auffällig hohen Anteil ausländischer Wohnbevölkerung (Internationalisierung). Rechte Seite: 1 PD Dr. Ralph Lützeler legt uns die sozialen Dis- Die gemäss ihrem Einkommen, neben den Obdachlosen, paritäten dar. 2 Budgetshotels und ihre Gäste beginnen Tage- am schlechtesten gestellte soziale Schicht in Tokyo um- löhner in San’ya zu konkurrieren. Neu weist die Karte beim Ausgang aus der Metro den fasst die Tagelöhner, welche vorwiegend im Tagelöhner- Backpackers den Weg. viertel San’ya wohnen. 3 Soviel Ordnung und Sauberkeit hätte in einem Tagelöhnerquartier niemand erwartet. Geographisches Institut der Universität Zürich 21
Tokyo verfügt also über „inselhaft“ in der Stadt verteilte, hoch benachteiligte Distrikte. Eine grosse, räumlich zu- sammenhängende „Mieterstadt“ als Wohnort der durch die oberen Klassen ausgebeuteten Angestellten und Ar- beiter existiert jedoch nicht. Es können auch auf der Ebene der Stadtbezirke natürli- che Segregationserscheinungen auftreten. Lützeler selber meint jedoch, dass es sich dabei eher um ein statistisches Phänomen handelt, welches weit ausserhalb des Bewusst- seins der meisten Einwohner existiert. Für die Zukunft ver- mutet er jedoch eine Verstärkung residentieller Segrega- tion. Im Anschluss an die Erläuterungen Lützelers konnten wir gewisse Aspekte des eben Gehörten eigens auf einem Stadtrundgang erfahren. Zunächst besuchten wir ein Ta- gelöhnerviertel und anschliessend im Gegensatz dazu das westlich geprägte Ausgangsviertel Roppongi und dort vor allem Tokyo Midtown. Mit Verspätung trafen wir beim letzten Programmpunkt des Tages ein, einer Einladung zum Besuch mit Nachtessen im Studentenwohnheim Wakeijuku, welches im Jahr 1955 von Kisaku Mayekawa gegründet wurde. Der Geschäftsmann gründete auch die Mayekawa Manufacturing Company, welche wir später auf unserer Tour durch Japan besichtig- ten. Das Heim beherbergt über 500 Studenten, welche an über 50 verschiedenen Universitäten in ganz Tokyo studie- ren. Die in Wakeijuku wohnhaften Studenten stammen so- wohl aus Japan als auch aus dem Ausland. Einer der be- rühmtesten japanischen Schriftsteller, Haruki Murakami, welcher auch bei uns bekannt ist, wohnte ebenfalls einst im Wohnheim Wakeijuku. Es bietet den durchwegs männ- lichen Studenten zusätzlich die Möglichkeit, traditionelle japanische Kultur, Bräuche und Philosophie zu studieren. So werden zum Beispiel Kurse in Karate, Judo, Aikido Zen sowie Teezeremonie angeboten. In eine ebensolche Zere- monie wurden wir nach kurzer Begrüssung durch die Stu- dentenschaft eingeführt. Das anschliessende Buffet und die angeregten Gespräche mit gleichaltrigen Japanern und Studenten aus der ganzen Welt rundeten einen ereignisrei- chen und unvergesslichen Tag ab. 22 Japan-Exkursion Juni 2009
Meiji-Schrein. http://www.meijijingu.or.jp/english/. (engl, jap) Tokyo Metropolitan Government: Tokyo Metropolitan Government Buildings. http://www.metro.tokyo.jp/ENGLISH/TMG/outline. htm. (engl) Deutsches Institut für Japanstudien (DIJ): Herausforderun- gen des demographischen Wandels und Glück und Un- glück in Japan. http://www.dijtokyo.org/. (dt, engl, jap) Wakeijuku Foundation: Dormitory for male university stu- dents in Tokyo. http://www.wakei.org/english/index.htm. (engl) Linke Seite: 1 Arbeitslose – ein Bild, das sich im Zentrum To- kyos offenbar immer öfter zeigt. 2 Roppongi/Tokyo Midtown: Die westlich ge- prägten Einkaufsmeilen ähneln sich weltweit. 3 Shopping-Ebenen & ... 4 ... Eingangsbereich der neu eröffneten Tokyo- Midtown-Shopping-Mall Rechte Seite: 1 Teezeremonie in der Wakeijuku Foundation 2 Utensilien für die Teezeremonie 3 Welcome-Party mit den Studierenden des Wohnheims Wakeijuku Geographisches Institut der Universität Zürich 23
Die Schweizer Botschaft in Tokyo Mittwoch, 10. Juni 2009 Von Jonas Grunder Today, we put our focus on Switzerland and its relationship with Japan. First, we had the honour to visit the Swiss Embassy in Tokyo, where we started the day with a fabulous breakfast at the Swiss Residence. Subsequently, we joined various presentations of different sections of the Em- bassy. The Swiss Business Hub was one of those sections. We also received interesting informa- tion about the tasks of the Swiss consul and his team. Later, we enjoyed a business-lunch with Mr. Stricker, CEO of the Gaipro head-hunter company. He demonstrated us, how business partners have to behave. We discussed questions like: How to greet your partner in an appropriate way? Or, who has to exchange his business-card with whom? It was a very interesting and helpful work- shop and we learnt a lot about the Japanese culture. We finished our day with a free afternoon in trendy Shibuya and had a delicious dinner in a Japanese restaurant - eating traditional Japanese food and drinking a glass of Sake was just great. “Kampai”!
Der vierte Tag unserer Exkursion stand ganz im Zeichen der Schweiz. Obwohl wir ungefähr 9640 Kilometer von der schweizerischen Landesgrenze entfernt waren, konnten wir im Viertel Minato-ku schweizerisches Territorium aus- findig machen. Wie das möglich ist? Den Botschaften sei Dank! Die Schweiz verfügt heute über rund 150 Auslandvertre- tungen, 93 Botschaften und 12 Missionen bei internatio- nalen Organisationen sowie 41 Generalkonsulate. In To- kyo unterhält die Schweiz eine ihrer 93 Botschaften, um schweizerische Interessen in Japan zu vertreten. Die Bot- schaften und Generalkonsulate sind für das jeweilige Gast- land zuständig. Als Aussenstellen verfügen sie über das nötige Kontextwissen im jeweiligen Land. Sie stärken die bilateralen Beziehungen und bilden Promotionszentren für die Schweiz, ihre Kultur, Institutionen und Wirtschaft. Sie sind aber auch ein wichtiges Bindeglied zwischen den Landsleuten im Ausland und den Behörden in der Schweiz. Dank den guten Beziehungen von Herrn Escher, die er dank seinem langjährigen beruflichen Japanaufenthalt an der Schweizer Botschaft aufgebaut hat, bekamen wir die ein- malige Gelegenheit, mit dem Schweizer Botschafterehe- paar in Tokyo, Herrn und Frau Fivaz, zu frühstücken. Wer kann schon behaupten, dass er jemals mit einem Botschaf- ter zusammen in seiner Residenz an einer Tafel gesessen hat und mit ihm einen Schwatz über die Rolle des Bot- schafters halten konnte? Ab dem heutigen Tag gehört eine kleine Schar Zürcher Studenten und Studentinnen zu den- jenigen Personen, die das mit Stolz von sich sagen können und das Frühstück sichtlich genossen haben. Zwischen einem Biss Rührei und einem Schluck Kaffee lauschten wir alle aufmerksam den Worten von Herrn Fivaz. Wir wollten vor allem etwas über das Verhältnis und die Beziehungen zwischen Japan und der Schweiz von ihm er- fahren. Dabei imponierte er mir mit einem einleuchtenden Vergleich von drei Eigenschaften, die aus seiner Sicht bei- Linke Seite: 1 In der Residenz des Botschafters wurden wir de Länder verbinden. Zunächst einmal haben beide Länder mit einem exzellenten Frühstück empfangen. traditionell administrative Einheiten, die sich selbst ver- Rechte Seite: 1 Ein Stückchen Heimat! walten. In der Schweiz sind dies die Kantone, in Japan die 2 Standesgemässe Kleidung... Präfekturen. 3 ... der gesamten Delegation des Geographi- schen Instituts Geographisches Institut der Universität Zürich 25
Die zweite Gemeinsamkeit zwischen Japan und der Schweiz ist in den ähnlichen Landschaftsbildern zu sehen. Auch in Japan gibt es nämlich Alpen, und die ländlichen Gebiete wie beispielsweise Narai, welches wir im Verlauf der Exkur- sion noch besuchten, weisen einige Ähnlichkeiten mit der Schweiz auf. Der Naturraum wird denn auch in beiden Län- dern gepflegt und hat einen grossen Stellenwert. Die dritte von Herrn Fivaz erwähnte Gemeinsamkeit betrifft die Militärethik der beiden Länder. So haben Schweizer Söldner eine lange Tradition, Beispiele dafür sind die Söld- ner beim französischen Hof oder die Schweizer Garde im Vatikan. In Japan existiert mit den Samurai ebenfalls eine Tradition von Kriegern. Der Botschafter betonte, dass sol- che Eigenschaften dazu führen, dass die Schweiz und Ja- pan beim näheren Hinsehen gar nicht so verschieden sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Natürlich hätten wir ihn am liebsten noch Stunden lang mit unseren Fragen gelöchert, doch wie es sich für einen Bot- schafter wohl gehört, musste er nach rund einer Stunde schon den nächsten Termin wahrnehmen und verabschie- dete uns freundlich. Anschliessend stand für uns eine Rei- he von spannenden Vorträgen in der Schweizer Botschaft an. Die Vorsteher der verschiedenen Abteilungen der Bot- schaft sprachen mit uns über ihre Tätigkeit und Aufgaben- bereiche, die sie vor Ort wahrnehmen. Obwohl die Präsen- tationen auf Grund unseres dicht gedrängten Programms ein wenig im Akkord abgehandelt wurden, konnten wir ex- trem viele spannende Aspekte und Informationen mitneh- men. Vor allem aus Sicht unserer Wirtschaftsgeografen, war der Morgen ein äusserst interessanter und lehrreicher So bekamen wir auch einen Einblick in die Standortförde- rung der Schweiz im Ausland. Martin Godel, Handelsver- antwortlicher und Leiter des Swiss Business Hub, führte uns zum Beispiel in die Aufgaben seiner Organisation ein. Der Swiss Business Hub ist eine Organisation, welche zum Ziel hat, Handelsbeziehungen zwischen schweizerischen und japanischen Firmen aufzubauen und zu stärken. So werden Firmen aus der Schweiz bei einer Neuansiedlung in Japan tatkräftig unterstützt und mit wichtigen Informati- onen versorgt. Vor allem Marktanalysen und Handelsmes- 26 Japan-Exkursion Juni 2009
sen sind Kernkompetenzen des Swiss Business Hubs und dienen einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern. Welche Schwierigkeiten für ausländische Firmen in Japan auftauchen können und wie sie damit umgehen, wurde am Nachmittag bei einem Business-Lunch im Büro des Schwei- zer Unternehmers Martin Stricker angesprochen. Herr Stri- cker hat sowohl japanische als auch Schweizer Wurzeln und führt seit zwei Jahren das Headhunter-Unternehmen Gaipro in Tokyo. Er erklärte uns die Schwierigkeiten und die formalen Notwendigkeiten, die eine ausländische Fir- ma zu beachten hat, wenn sie in Japan Fuss fassen möchte. Dabei beliess er es nicht nur bei seinen Erklärungen, er bat uns sogar, bei einem kleinen Rollenspiel aktiv mitzuma- chen. Dazu sollten vier von uns eine formale, japanische Begrüssungszeremonie nachspielen, wie sie tagtäglich in Japan vonstatten geht. Wie verhält sich der Kunde richtig? Wer begrüsst wen und vor allem wie? Die Antworten auf all diese Fragen muss sich ein Ausländer verinnerlichen, um den nötigen Respekt zu zeigen und dann auch Respekt zu erhalten. Besonders Jörg hatte sich seine Rolle als Sekre- tär, der für das leibliche Wohl zuständig ist, sehr zu Herzen genommen und scheute sich nicht, den Vorgesetzten auf allen Vieren den Tee zu servieren und sich gleichzeitig bis zu den Zehenspitzen zu verbeugen! Uns wurde schnell ein- mal klar, dass es gar nicht so einfach ist, sich auf die kor- rekte, japanische Art zu begrüssen. Zu den Grundregeln ge- hört, dass immer zuerst der Kunde ins Sitzungszimmer hin- einkommt, begleitet von der Sekretärin. Danach, wenn der Firmenchef eintrifft, begrüssen sich stets die beiden rang- höchsten Mitglieder mit einer Verbeugung. Mit respektvol- Linke Seite: len Gesten werden die persönlichen Visitenkarten ausge- 1 Dr. Matin Schulz vom Fujitsu Research Institu- te: «Japan in der Krise – what is different?» tauscht. Eine der grössten Herausforderung für ausländi- 2 Vertreter der Botschaft stellen ihre Dossiers vor: Alberto Groff Wirtschaft und Finanzen, sche Kunden folgt unmittelbar: Nie die Visitenkarte achtlos 3 Felix Moesner, Wissenschaft, Technologie und Universitäten wegstecken! Das ist einer der gravierendsten Fauxpas, den 4 Martin Godel: Handel (Swiss Business Hub), man in Japan begehen kann. Die Visitenkarten sollen im- 5 Peter Nelson: Kultur und Presse, 6 Hans-Peter Flückiger: Konsul mer gut lesbar vor sich hingelegt werden, damit man dem Rechte Seite: Gegenüber den nötigen Respekt zeigt und sich gleichzeitig 1 Herr Escher überreicht Martin Stricker echten Schweizer Honig. die Namen merken kann. Danach spielt sich derselbe Ab 2 Verhaltensregeln werden spielerisch geübt... 3 ... und von Martin Stricker gecoacht. 4 Bento-Box zum Mittagessen Geographisches Institut der Universität Zürich 27
auf eine Rangstufe tiefer ab bis sich alle Beteiligten einan- der vorgestellt haben. Weiter hat uns Herr Stricker über die in Japan sehr häufig verwendeten Floskeln aufgeklärt. Grundsätzlich werden so viele Floskeln wie nur möglich zum Beispiel in Email-Nach- richten verwendet. Nie würde der Japaner eine direkte Verneinung oder An- schuldigung dem Gegenüber zukommen lassen. Um zu zeigen, dass man mit etwas nicht einverstanden ist, lässt man schlicht und einfach ein paar Höflichkeitsfloskeln aus und der Empfänger realisiert beim Durchlesen des Emails sofort, dass der Verfasser verärgert ist. Diese indirekte Art zu kommunizieren mag für unseren Kulturkreis seltsam er- scheinen. Dennoch ist es faszinierend, wie die Japaner ihre Emotionen und ihre Ausdrucksweise stets auf eine höfliche Art und Weise ausdrücken können, ohne das Gegenüber gleich mit Anschuldigungen zu brüskieren. Gut ausgerüstet mit den neuen Erkenntnissen über die ja- panische Begrüssungszeremonie und die einzigartige Kom- munikationsart, verbrachten wir den Rest des Nachmittags auf eigene Faust. Für viele von uns gab es nur ein Ziel in Tokyo. Das berühmte Trendviertel Shibuya oder aber auch, vor allem bei den männlichen Exkursionsteilnehmern, das Elektronik-Viertel Akihabara. Shibuya bestätigte wohl für viele von uns das Bild des überfüllten, lauten und etwas verrückten Tokyo, das man sich schon im Voraus vorgestellt hatte. Wer einmal an der berühmten Strassenkreuzung von Shibuya stand, weiss wovon ich spreche. Sobald die Am- pel für die Fussgänger auf Grün schaltet, strömen von al- len Seiten Hunderte von Menschen über die Kreuzung. Al- leine diesem Spektakel hätte man stundenlang zuschauen können. In Tokyo gibt es wohl keinen besseren Ort, um das moderne Japan zu erleben. Dieses offenbart sich bei einem Bummel durch die zahlreichen Geschäfte, beim Einkaufen oder Ausgehen. Nirgends findet man einen ausgefallene- ren Kleiderstil als in Shibuya. Es gibt nichts, was man nicht tragen darf in diesem Viertel und es scheint, als sei Shibu- ya auch ein Ort zum Ausbrechen, um seine eigenen kreati- ven Ankleideideen zur Schau zu stellen. Zudem gibt es in diesem Bezirk viele miteinander konkurrierende Kaufhäu- 28 Japan-Exkursion Juni 2009
ser, die um die Gunst junger und kaufwütiger Japaner auf ihrer Suche nach Individualität buhlen. Eine kleine Anekdote am Rande. Da wir am Morgen die Bot- schaft besucht hatten, waren alle in ihren besten Anzügen und Kleider erschienen. Von Herrn Strickers Büro aus sind wir direkt nach Shibuya gefahren, um uns dort ein wenig umzusehen. Als Samuel und ich uns eine gute halbe Stun- de durch die überfüllten Gässchen und Ladenpassagen ge- zwängt hatten, merkten wir, dass wir mit unseren Anzü- gen irgendwie fehl am Platz waren. Es bleib uns nichts an- ders übrig, als zurück in unser Hotel zu fahren, um uns dort „shibuyagerecht“ einzukleiden. Danach fühlten wir uns um einiges wohler und uns wurde einmal mehr bewusst, wie geregelt die Japaner leben. Im Businessviertel tragen alle einen Anzug, aber sobald man nach Shibuya oder Shinjuku fährt, darf es nicht ausgefallen genug sein. Lesson learnt, nicht wahr Sämi?! Einige unserer Gruppe genossen eine Kabuki-Aufführung im Kabuki-za. Der Tag wurde mit einem gemeinsamen Nachtessen in ei- nem traditionell japanischen Restaurant abgeschlossen. Ein weiteres Highlight an diesem herrlichen Tag, welches vor allem unsere kulinarischen Sinne noch einmal so richtig verwöhnen konnte. Unvergesslich wird der mit einem Gas- brenner flambierte Fisch bleiben. Denn die Japaner verste- hen es, nicht nur gutes Essen zu kochen, sie haben auch die unglaubliche Gabe, die Speisen dem Kunden unvergesslich zu präsentieren. Sei es die liebevolle Dekoration auf dem Teller oder eine kleine Showeinlage mit dem Gasbrenner, Linke Seite: 1 Eine Kreuzung beim Bahnhof Shibuya – alle die Japaner verstehen es einfach, andere Leute zu begeis- Fussgänger überqueren gleichzeitig (!) die Strasse tern. 2 Hier stimmt das Klischee, welches wir von Ja- Nach einem langen Tag bleibt die Erkenntnis, dass die pan haben. 3 Wer gerne extrovertierte Menschen beobach- Schweiz und Japan wirklich viele Gemeinsamkeiten be- tet, ist in diesem Viertel goldrichtig 4 Auch am Abend kommt das Leben in Shibuya sitzen, nur in der Mode sind die Japaner uns noch eine, ja nicht zum Stillstand. 5 Leuchtreklamen und Menschen so weit das wenn nicht sogar zwei, grelle Farbkombination voraus. Auge reicht. Federal Department of Foreign Affairs: Embassy Tokyo. Rechte Seite: http://www.eda.admin.ch/eda/en/home/reps/asia/ 1 In diesem Haus wird das traditionelle japani- sche Theater, Kabuki, aufgeführt. vjpn/embjpn.html. (engl) 2 In Akihabara schlägt das Herz jedes Multime- dialiebhabers höher. Gaipro: Swiss executive search firm in Japan. 3 Die Maschine schluckte zwar das Bahnbil- http://gaipro.com/en/. (engl, jap) lett, zurückbekommen hat’s der Schweizer Fahrgast jedoch erst mit Hilfe des Technikers. Geographisches Institut der Universität Zürich 29
Japanische Maschinenindustrie Flussrenaturierung nach Schweizer Vorbild Donnerstag, 11. Juni 2009 Von Urs Blumer The visit of the Mayekawa Manufacturing Company at Moriya City offers us the first contact with the economic geography of Japan. Mayekawa started with manufacturing refrigeration compres- sors. Now they produce almost all types of gas compressors and deliver them to customers all over the world. One slogan of this global thermal engineering company is “Refrigerating the Food of Japan”. The second topic of the day concerns a subject of physical geography: The restoration project of Sakagawa River in Matsudo. The introduction took place at the “Chamber of Commerce” of Mat- sudo. We then walked along the riverbed of the nearby Sakagawa. According to the project leader, Mr. Kaoru Hayashi, this project was “perhaps the most complex river project in Japan”. The wid- ening of the riverbed was not possible, the water circulation system was/is very complicated and the quality of the water had to be improved with an additional water treatment plant. This project – launched in 1998 – is another example of the cooperation between Japan and Switzer-
land. The know-how transfer between the two countries made a successful restoration of a river with poor water quality and little biodiversity in a densely populated ur- ban area possible. Sakagawa was turned into a pleasant place for water animals as well as a recreation area for local people. Eine Maschinenfabrik mit hohem Umwelt- und Qualitäts- bewusstsein Japanische Gastfreundschaft beginnt mit Tee. Dieser wur- de uns auch vor der Betriebsführung durch die Maschi- nenfabrik des Mayekawa Konzerns in kleinen Tassen ge- reicht, gefolgt von Begrüssungsworten zweier Herren des Managements, übersetzt von einer Dame aus der Marke- ting-Abteilung. Überhaupt scheinen die Japanerinnen ei- nen besseren Zugang zur englischen Sprache zu haben als deren männliche Vertreter. Die Produktionshallen der Mycom Corporation sind, wie üblich in der Maschinenbaubranche, erfüllt vom Maschi- nenlärm und dem Geruch ölhaltiger Kühlmittel für die me- tallverarbeitenden Prozesse. Die Angestellten liessen sich durch uns Fremdlinge kaum vom konzentrierten Arbeiten ablenken. Ist dies bereits der fast sprichwörtliche Arbeits- eifer der Japaner? Wir wurden auch durch eine Lehrwerk- statt geführt, die jungen Männern – angeblich auch Frau- en – offen steht. Anders als bei uns werden diese Lehrlinge jedoch nur für den Eigenbedarf des Unternehmens ausge- bildet und stehen somit nicht dem gesamten Markt als Be- rufsleute zur Verfügung. Mayekawa gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Kompressoren und industriellen Kühlsystemen. 1924 gründete Kisaku Maekawa die Firma Mayekawa & Co. in Tokyo und startete mit der Produktion von ersten Kompres- soren für Kühl- und Gefriergeräte. Im Jahr 1970 wurde die Fertigung in die neu erstellte Fabrik von Moriya verlegt, welche sich in der nordöstlich von Tokyo gelegenen Prä- Linke Seite: fektur Ibaraki befindet. 1 Der Experte in Sachen Sakagawa-Renaturierung Heute ist der Konzern global vernetzt und besitzt weltweit Rechte Seite: 1 Herzlicher Empfang mit Souvenirs über 100 Tochterfirmen (wovon 40 alleine im Überseebe- 2 Kompetente Erklärungen zu den Maschinen von Mycom 3 Freude über den Lebkuchen aus der Schweiz Geographisches Institut der Universität Zürich 31
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