FITG-Journal Industrie- und Technikgeschichte
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FITG-Journal Industrie- und Technikgeschichte in Frankfurt und der Rhein-Main-Region Zeitschrift des Förderkreises Industrie- und Technikgeschichte e.V. No.: 01/02-2011 Februar 2011 Inhalt: Wolfgang Giere wird 75 · Grußworte · „Quo vadis“ – Betrachtungen zu einem Industriemuseum Frankfurt · „Bollerwagen mit Dynamo“ – eine Rezension · Die Wirtschaftswunderjahre in Deutschland · Zuse und die Patente · Wechselvolle Geschichte eines Industriedenkmals · Industriemuseum Frankfurt · Naxos: Die letzten Fünf · Der „Autobahnwagen“
2 ▼ ▼ ▼ FITG-Journal Industrie- und Technikgeschichte in Frankfurt und der Rhein-Main-Region Zeitschrift des Förderkreises Industrie- und Technikgeschichte e.V. No.: 01/02-2011 Februar 2011 Stammtisch · Stammtisch Inhalt „Quo vadis“ – Betrachtungen zu einem Industriemuseum Frankfurt die nächsten Stammtische des FITG finden statt am Wolfgang Giere wird 75 von Karl-Heinz Steiner.................................. Seite 9 Donnerstag, den 17. Februar, am Donnerstag, den 17. von Dietmar Stroh......................................... Seite 3 März und am Donnerstag, den 21. April 2011 jeweils „Bollerwagen mit Dynamo“ um 18 Uhr im Restaurant Cafe MaXimilian‘s (früher: Grußwort aus dem rezensiert von Jürgen Steen..........................Seite 13 Oldtimer-Stübchen) bei der Technischen Sammlung historischen museum frankfurt Hochhut, Frankenallee / Hattersheimer Str. 2 – 4, von Jan Gerchow.......................................... Seite 4 Auszüge aus „Bollerwagen mit Dynamo“......Seite 15 Frankfurt am Main Einige Erinnerungen an eine fruchtbare „Die Wirtschaftswunderjahre in Deutschland“ Stammtisch · Stammtisch Zusammenarbeit rezensiert von Karl-Heinz Steiner...................Seite 17 von Klaus Waldschmidt.................................. Seite 5 Impressum Zuse und die Patente ISSN-Nr.: 1613-5369 Wolfgang Giere zum 75. Geburtstag von Giuseppe Del Castillo et. al.......................Seite 18 Herausgeber: Förderkreis Industrie- und von Johannes Wagner..................................... Seite6 Technikgeschichte e. V. Wechselvolle Geschichte eines Industriedenkmals Vorsitzender: Prof. em. Dr. med. Wolfgang Giere Wolfgang Giere wird 75 Auszüge aus einem Buch von F. Buchholz........Seite 21 Waldschmidtstraße 39 · 60316 Frankfurt am Main von Peter Schirmbeck.................................... Seite 6 Fon: 069 - 43 03 09 · Fax: 069 - 43 03 00 Industriemuseum – der Stand der Dinge......Seite 23 E-Mail: w.giere@fitg.de · Web: www.fitg.de Dem Wissenschaftler und Mediziner Verantw. Editor: Dr. Wolfgang Kirsten Herrn Professor Dr. med. Wolfgang Giere Naxos: „Die letzten Fünf“ Mitarbeit: Karl-Heinz Steiner zum 75. Geburtstag von Laura Wagner........................................Seite 24 E-Mail: wolfgang.kirsten@kgu.de von Vollmar Hopp......................................... Seite 7 Konto: 653 497 · Frankfurter Sparkasse · Oral History: Der „Autobahnwagen“............Seite 25 BLZ: 500 502 01 Lieber Herr Giere! Gestaltung: Schwarz auf Weiß, Darmstadt von Bernd Rüdiger Beyer............................... Seite 8 Beitrittserklärung......................................Seite 26 saw@hdhd.de
3 ▼ ▼ ▼ Miete für die Lager unserer umfangreichen Samm- lung von Rechnern konnte nicht mehr gewährleistet werden. Er überzeugte mich davon, dass mehr als die Hälfte der gerade erst besorgten Maschinen verschrot- tet werden muss. Es fiel mir erstaunlich leicht, diesen Wolfgang Giere wird 75 schmerzlichen Schritt zu gehen – war es doch ein von mir geachteter Fachmann, der mir dies klarmachte. Was von den Maschinen übrig blieb, konnte in Lagern der Universität und des HMF untergebracht werden. Auch das hat Wolfgang Giere gedeichselt, zusammen mit den von Dietmar Stroh, Förderkreis Industrie- und Technikgeschichte dort Zuständigen. Bereits 1996 konnten die Aktiven des FITG mit Hilfe des HMF in dessen Räumen eine Technikausstellung W olfgang Gieres „halbrunder“ Geburtstag ist ein über seine Sammlertätigkeit im Bereich der Datenver- unter dem Titel „36 Objekte der Industrie- und Tech- willkommener Anlass, die mehr als 20-jährige arbeitung berichtet wurde. Flugs nahm ich Kontakt zu nikgeschichte“ gestalten. Sie war Wolfgang Giere zum hervorragende Zusammenarbeit mit ihm im ihm auf und stellte schnell fest, dass wir überaus ähn- 60. Geburtstag gewidmet; die 36 Objekte standen für Förderkreis Industrie- und Technikgeschichte (FITG) liche Ideen hatten. Die besonders erfreuliche Erkennt- sein Geburtsjahr 1936. Heute, 15 Jahre später, erinne- zu würdigen. nis war aber, dass ich an einen mit allen Wassern gewa- re ich mich noch gerne an die regelmäßigen Vorberei- Als Bewahrer der wesentlichen Bauteile von Groß- schenen DV-Fachmann geraten war. Wir traten beide tungstreffen, denen Giere, es versteht sich von selbst, Computern und Lochkartenmaschinen wurde ich 1989 dem gerade gegründeten FITG bei, der sich zum Ziel fernbleiben musste. So gelang es uns, ihn ziemlich zu auf ihn aufmerksam durch einen Artikel der FAZ, in dem gesetzt hatte, ein Technikmuseum ins Leben zu rufen. überraschen. Eine gedeihliche Zusammenarbeit begann. Unter Gieres 1999 plagte mich die Sorge um meinen schwer er- Regie kümmerte ich mich um Großrechner; er um alle krankten Enkel, den wir vom Ausland in das Frank- Die Mitglieder des Förderkreises Industrie- anderen Datenverarbeitungsanlagen. Wir erweiterten furter Universitätsklinikum gebracht hatten, um eine und Technikgeschichte übermitteln unsere Sammlungen und erarbeiteten Konzepte. Leider optimale Behandlung zu gewährleisten. Zur gleichen machten Anfang der 1990er Änderungen in der Kom- Zeit konzipierte der FITG eine Ausstellung zum The- dem Vorsitzenden munalpolitik dem Verein einen Strich durch die Rech- ma „Speichertechnik“. Ich pendelte in dieser Zeit in Herrn Prof. Dr. Wolfgang Giere nung – die Idee eines Museums starb und der Verein der Uniklinik zwischen der Kinderklinik (Besuch von erlahmte. Enkel und Tochter) und Gieres Büro (Besprechung der die besten Grüße zu seinem 75.ten Geburts- Hier tat sich Wolfgang Giere hervor: zusammen mit Ausstellung). Hier trat der DV-Fachmann Giere in den tag. Wir wünschen ihm Gesundheit und der IHK und dem Historischen Museum (HMF) hauchte Hintergrund; der Medizinprofessor unterstütze, wo er er dem Verein wieder Leben ein. Selbstlos übernahm er, nur konnte. Der gleichzeitige Stress des in die Schluss Lebensfreude, weiterhin Tatkraft und Ener- trotz drohenden Niederganges, die Führung des Ver- phase gekommenen Projektes „Jahr 2000“, das ich in gie für die vielen Dinge, die er noch vor hat. eins, der mittlerweile auch von schweren finanziellen der Frankfurter Sparkasse leitete, hat einen Dank an Sorgen geplagt war – die weitere Bezahlung der hohen Giere leider verdrängt. Das hole ich jetzt nach:
4 ▼ ▼ ▼ Wolfgang Giere wird 75 Lieber Wolfgang, dafür, dass Du meiner Familie in ei- Wolfgang Giere ist für mich nicht nur der Vorsitzen- der Rat gibt, wenn er erbeten wird, der anspornt, wenn ner üblen Zeit mit Rat zur Seite standest, danke ich Dir de des FITG. Wie schon früher festgestellt, ist er einer er schlummerndes Potenzial erahnt und der sich in der ganz besonders. der ganz wenigen, mit dem ich mich noch über die in- Gesellschaft mehr als uneigennützig engagiert. In 2001 forderte Wolfgang Giere den Aufbau ei- zwischen ausgestorbene Großrechnertechnik unter- Lieber Wolfgang, ich wünsche Dir für das neue Le- ner Ausstellung „20 Jahre PC“. Er war derjenige, dem halten kann. Darüber hinaus ist er in vielen Sparten bensjahr und viele weitere Jahre Gesundheit, Kraft und dieses Jubiläumsdatum gewahr wurde. Die Ausstel- der Technik bewandert. Sein neues Buch „Bollerwagen Ausdauer zum Vollenden dessen, was Du Dir vorgenom- lung wurde in den Räumen der „Stiftung Technische mit Dynamo“, das auch den in Jahren von ihm erarbei- men hast und viel Zeit für Deine Enkel, denen Du als Sammlung Hochhut“ gezeigt und gab den Anstoß zu teten Katalog der Sammlung des FITG enthält, zeigt Technikbegeisterter, Universitätslehrer und Großvater einer Intensivierung des Gedankenaustausches zwi- das. Über allem steht aber für mich der Mensch Giere, allerhand zu bieten hast. schen dem Personal der Stiftung und den Mitgliedern des FITG. Schließlich schlug Giere vor, sich regelmä- Grußwort aus dem ßig an einen Stammtisch im „Oldtimer-Stübchen“ der Stiftung zu treffen. Nachdem am Stammtisch die FITG-Themen abgehandelt sind, kommen neben ande- ren technischen Informationen auch Themen privaten Charakters zur Sprache, z. B. die EDV-Ausstattung zu Hause oder die Enkel. Die Themenvielfalt und inte- historischen museum frankfurt ressante Gäste lassen mich ausgesprochen gerne den Stammtisch besuchen. Dafür sei dem Initiator Giere von Jan Gerchow, Direktor des historischen museums frankfurt gedankt. Eine von ihm geplante Exkursion führte den FITG I zum „Auto- und Technikmuseum Sinsheim“. Dort gibt nitiativen und Vereine wie der Förderkreis Indus- auch der Förderkreis keine Zukunft gehabt. Seiner es für technisch Interessierte eine Menge alter, neu- trie- und Technikgeschichte sind die natürlichen Initiative ist es zu danken, dass der Förderkreis sich er und spektakulärer Fortbewegungsmittel zu sehen. Verbündeten eines Historischen Museums. Den unter seinem Vorsitz neu gründete und zu seinem 75. Auch Militärgerät, unter dem sich – ich traute meinen Auftrag zur Bewahrung der historischen Überlieferung Geburtstag eine nach museologischen Qualitätskrite- Augen nicht – eine Artillerierakete befand, mit der ich der Stadt kann das Museum nur erfüllen, weil das Be- rien dokumentierte Sammlung vor allem zur EDV-Ge- während meines Militärdienstes überaus vertraut war wahren und Sammeln dank Initiativen und Vereinen schichte Frankfurts vorweisen kann. Das Historische und über die ich einiges mehr erklären konnte, als auf wie dem Förderkreis tief in unserer Gesellschaft und Museum war hilfreich, aber ohne den Vorsitzenden, den Schautafeln zu sehen war. Während der Rückfahrt Kultur verankert sind. Geschichte findet nicht nur im der nach seiner Emeritierung die Zeit zur Bearbeitung in Gieres Auto unterhielten wir uns über Einzelheiten Museum statt. und Dokumentation der Sammlungen seines Förder- dieser Rakete, was ihn veranlasste, mich zum Schrei- Der Förderkreis, 1987 gegründet, hat keinen glück- kreises fand, wäre das weiterführende Werk nicht ge- ben eines Buches über dieses Thema aufzufordern. lichen Anfang gehabt. Das Scheitern der Pläne für ein lungen. Zielsicher erkannte er, der Bewahrer, dass es noch mög- Frankfurter Industriemuseum Anfang der 1990er Jah- Der 75. Geburtstag bietet Gelegenheit, Danke zu lich ist, Wissen über das längst ausgemusterte Gerät re hat lähmend gewirkt und ohne Wolfgang Giere, zu sagen und zu wünschen, dass er und sein „Spirit“ dem schriftlich zu fixieren. dessen 75. Geburtstag wir herzlich gratulieren, hätte Förderkreis und uns erhalten bleiben.
5 ▼ ▼ ▼ Wolfgang Giere wird 75 mit dem Ziel eines Informatikstudiums mit dem Neben- fach Medizin. Hier war Herr Giere ein kompetenter und engagier- Einige Erinnerungen an eine ter Ansprechpartner. Er stellte die notwendigen Ver- anstaltungen auf medizinischer Seite zusammen und fruchtbare Zusammenarbeit war selbst auch im Lehrprogramm beteiligt. Der Fach- bereich Informatik ist ihm für diese kooperative Zu- sammenarbeit zu großem Dank verpflichtet. Dies darf ich sicherlich auch im Namen der Studenten sagen, die diese Studienmöglichkeit in Frankfurt gewählt hatten. von Klaus Waldschmidt, Technische Informatik, Goethe Universität Frankfurt Eine große heimliche Liebe von Herrn Giere war mir in all den Jahren allerdings weitgehend verborgen ge- blieben. Ich meine die Liebe zu alten Rechnern und pe- E s war etwa Mitte der achtziger Jahre, als ich Prof. Ausschuss von großem Wert und da ich neben ihm sit- ripheren Geräten der Datenverarbeitung. Ich habe die- Dr. Wolfgang Giere zum erstem Mal traf. Ich war zen durfte, konnte ich auch hervorragend davon pro- se Leidenschaft von Herrn Giere eigentlich erst nach gerade an die Universität Frankfurt gekommen fitieren. meiner Pensionierung richtig zur Kenntnis genommen. und hatte den Lehrstuhl für Technische Informatik am Ich war allerdings sehr erstaunt, als ich erfuhr, dass Ich hatte für einige Zeit den Vorsitz in der Konrad- Fachbereich Informatik übernommen. Herr Giere dem Fachbereich Medizin angehörte. Dieses Zuse-Gesellschaft übernommen und kam auf diese Wei- Unser erstes Zusammentreffen fand im ständigen Erstaunen war jedoch nur von kurzer Dauer und wich se mit Herrn Giere wieder in Kontakt. Ausschuss 5, dem Ausschuss für Datenverarbeitung, großer Bewunderung, als mir klar wurde, dass Herr Gie- So hatte ich Gelegenheit, seine beeindruckende statt. In jener Zeit hatten die ständigen Ausschüsse ei- re die führende Persönlichkeit bei der Einführung der Sammlung in einer Lagerhalle in Frankfurt zu besich- ne bedeutende und tragende Rolle in der Organisation Datenverarbeitung am Fachbereich Medizin darstellte. tigen und erhielt Kenntnis und Einblick in das umfang- der Frankfurter Universität. Er wird heute als Pionier der medizinischen Informatik reiche Werk: „Bollerwagen mit Dynamo- Erlebte Indus- Im ständigen Ausschuss 5 wurden alle relevanten bezeichnet und blickt auf ein großes wissenschaftli- trie und Technikgeschichte“. Fragen der Datenverarbeitung an der Universität und ches Werk zurück. Auf 353 Seiten wird hier erlebte Technikgeschichte insbesondere des Hochschulrechenzentrums beraten Ich möchte hier jedoch gerne noch einen anderen von der EDV bis zum Web dargestellt. und beschlossen. Aspekt ansprechen, da wir in diesem Punkt eine sehr Im Anhang ist ein systematischer Katalog seiner Ich hatte bei meiner ersten Sitzung einen Platz gute und fruchtbare Zusammenarbeit hatten. Sammlung zusammengetragen. Ich habe dieses Werk neben Herrn Giere zugewiesen bekommen, den ich Der Fachbereich Informatik war seit seiner Grün- mit großem Interesse studiert. während der ganzen Zeit der Zugehörigkeit zum Aus- dung stark auf Anwendungen und Einbettung in die Ich wünsche der Sammlung für die Zukunft einen schuss behalten durfte. Herr Giere war schon länger Universität ausgerichtet und hatte bereits sehr früh Ne- angemessenen Platz und eine gedeihliche Weiterent- im Ausschuss und verfügte über eine große Erfah- benfachvereinbarungen mit den großen und benach- wicklung. rung, sowohl in technischer als auch in organisatori- barten Fachbereichen, wie Wirtschaftswissenschaften, Ich gratuliere Herrn Kollegen Giere zu seinem 75. scher Hinsicht. Mathematik, Physik usw. vereinbart. Auch mit dem Geburtstag und bedanke mich für die vielen Jahre einer Diese Erfahrung war für mich als neues Mitglied im Fachbereich Medizin begannen recht bald Gespräche fruchtbaren Zusammenarbeit.
6 ▼ ▼ ▼ Wolfgang Giere wird 75 Wolfgang Giere Wolfgang Giere zum 75. Geburtstag wird 75 von Johannes Wagner, stellv. Geschäftsführer, von Peter Schirmbeck, Initiator der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main Route der Industriekultur RheinMain Ehemals in jungen Jahren D ie Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Dem persönlichen Engagement von Professor Wolf- hat ihn die Technik angefahren. Main war Gründungsmitglied des Förderkreises gang Giere und weiteren Mitgliedern des Vereins ist Doch hat er sie nicht abgeschrieben, Industrie- und Technikgeschichte e.V. (FITG) im es zu verdanken, dass wiederum mit Hilfe der IHK ein im Gegenteil – er lernt sie lieben. Jahr 1987. Ziel war der Aufbau und die Einrichtung eines Neubeginn des Förderkreises Industrie- und Technik- Industrie- und Technikmuseums in Frankfurt. Es galt, geschichte im Juni 1995 gelang. Mit neuen Zielen, ei- Nicht tonnenschwer mit Achsen und Gewinde das industrielle Erbe in Frankfurt und in der Region zu nem neuen Vorstand und mit Wolfgang Giere als neuem nein – elektronische Gebinde erhalten und einer größeren Öffentlichkeit zugänglich Vorsitzenden konnten die Weichen neu gestellt werden. mit Drähten, Speichern und Platinen, zu machen. Dies auch vor dem Hintergrund einer deut- Seinen großen Kenntnissen auf dem Gebiet der die sollen nun der Menschheit dienen. lichen Schrumpfung der Industrie. In dieser Zeit – En- Technik und seinem persönlichen Engagement ist es de des letzten Jahrhunderts – ist die Liste Frankfurter zu verdanken, dass der „neue Förderverein“ schon bald Halb sank er hin, halb zog es ihn: Industrieunternehmen, teilweise mit langer Tradition, seine ersten Erfolge erzielen konnte. Ausstellungen wie Computer in die Medizin! deutlich geschrumpft. Verlagerungen, Fusionen, Ver- z. B. „36 Objekte der Industrie- und Technikgeschichte“ Damit ein jeder sehen kann, käufe und Insolvenzen waren die Ursachen. Hoechst im Jahr 1996, Präsentationen z. B. im Rahmen der jähr- so fing das alles einmal an, AG, Messer Griesheim, Naxos, Holzmann, VDO oder lich stattfindenden Museumsuferfeste oder auf Messen so schnell fließt der Technik Lauf, Hartmann & Braun sind Beispiele für den industriellen sowie eigene Publikationen fanden ein breites Interes- hebt er sie alle einfach auf. Strukturwandel in dieser Zeit. se. Darüber hinaus haben Wolfgang Giere und sein Team In der Folgezeit wurde allerdings zunehmend deut- die zahlreichen zum Teil privat gesammelten Exponate Vom Rechenzentrum – imposant – lich, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des gesichtet, erfasst und die erhaltenswerten Teile fach- bis hin zum PC in der Hand. Satzungszwecks des Fördervereins fehlten und der Auf- gerecht gelagert. So rast die Zeit, doch sei‘n wir ehrlich: bau eines Industriemuseums aus finanziellen Gründen Wir wünschen Professor Giere und dem Förderkreis Altern ist und bleibt beschwerlich! in weite Ferne rückte. Aus diesem Grund stand der För- Industrie- und Technikgeschichte weiterhin Kraft, Ge- derkreis Anfang der 90er Jahre vor seiner Auflösung. sundheit und Erfolg.
7 ▼ ▼ ▼ Dem Wissenschaftler und Mediziner deren Hilfe medizinische Daten gesammelt, einander biologisch sinnvoll zugeordnet und daraus Schlussfol- Herrn Professor Dr. med. Wolfgang Giere gerungen gezogen werden können. Dazu gehört ein breites biologisches und medizinisches Grundlagenwis- sen, das mit den Regeln der elektronischen Datenverar- zur Ehrung anlässlich der Vollendung beitung zu verknüpfen ist. Herr Professor Giere ist ein Wissenschaftler, der seines 75. Lebensjahres täglich unter Beweis gestellt hat, welche bedeutsamen Erkenntnisse fachübergreifendes Denken und Arbeiten bringen. Seine Erfahrungen hat er in seinem lesens- werten Buch „Bollerwagen und Dynamo“ (siehe Buch- von Vollmar Hopp, Ehrenmitglied der Universität Rostock besprechung auf Seite 13) niedergelegt. Damit hat er auch ein Zeichen gesetzt, wie in Zu- kunft wieder junge Menschen während des Studi- E in Urtrieb der Menschen ist, ihr Umfeld, die Na- vollendet, zählt zu den Wissenschaftlern und Medizi- ums in die Wissenschaften eingeführt werden sollten. tur, die Vorgänge in den lebenden Systemen und nern, die die Methoden des Erkennens von Unbekanntem Wissenschaftliches Arbeiten bedeutet häufig, gegen in ihrem Zusammenspiel zu erkennen. Streben beherrschen und wissenschaftliche Erkenntnisse erfolg- den Strom zu schwimmen, d. h. die gegenwärtig herr- nach Erkenntnissen ist das Ziel und der Inhalt wissen- reich für die medizinische Praxis nutzbar machen. schenden Vorstellungen der Menschen über Natur, Le- schaftlichen Arbeitens in allen Fachrichtungen. In den Schon 1967, kurz nach Beendigung seines Medizin- ben und über ihr gesellschaftliches Verhalten infrage Methoden ähneln sie sich untereinander sehr: Das Be- studiums, setzte er im Evangelischen Krankenhaus Be- stellen. Herr Professor Giere hat diese Fähigkeit, gegen obachten, Vergleichen, Quantifizieren, Interpretieren thesda in Duisburg die EDV (Elektronische Datenverar- den Strom zu schwimmen, oft genug bewiesen. und Schlussfolgerungen ziehen, um schließlich allge- beitung) in der Medizin ein und wurde zum Pionier von Es dauert oft lange, bis wissenschaftliche Erkennt- mein gültige Gesetze zu formulieren. Computeranwendungen im klinischen Alltag. Er trieb nisse von der Gesellschaft angenommen werden und Medizin ist die Wissenschaft von gesunden und kran- die elektronische Datenverarbeitung zur IKT (Informa- welche Widerstände sich ihnen in den Weg stellen. Er- ken Lebewesen und deren Heilung. Sie ist eine fachü- tions- und Kommunikationstechnologie). kenntnisse erwerben und sich danach im Alltag orien- bergreifende Wissenschaft, in der Theorie und Praxis 1970 bot sich dem damals erst 34jährigen Mediziner tieren sind Langzeitprozesse. Mit Geduld und Ausdauer eng miteinander verzahnt sind. Medizinische Effekte die Chance, beim Aufbau der Deutschen Klinik für Di- hat Herr Professor Dr. med. Wolfgang Giere sich dieser und Defekte beruhen auf biologischen Prozessen, deren agnostik in Wiesbaden mitzuarbeiten. Er wurde damit Aufgabe erfolgreich gestellt. ureigenes Wesen noch längst nicht aufgeklärt sind. Sie zum Mitbegründer des ersten deutschen klinischen Re- Wir alle, denen es ein Vergnügen und eine wissen- gehorchen ihren eigenen Gesetzen, die sich selten in chenzentrums. schaftliche Bereicherung war mit Herrn Professor Dr. mathematische Formeln quantitativ fassen lassen. Vo- Seit 1976 hatte Professor Giere den Lehrstuhl für Do- med. Wolfgang Giere zusammen zu arbeiten, gratulie- raussagen über zukünftige biologische Entwicklungen kumentation und Datenverarbeitung der Johann-Wolf- ren dem Geburtstagsjubilar herzlich. Wir wünschen ihm zu machen, ist sehr schwer, günstigstenfalls lassen sich gang-von-Goethe-Universität Frankfurt am Main inne. Gesundheit und weiterhin Neugierde auf Geheimnisse Trends erkennen. Der Königsberger Professor Dr. med. Die großen Verdienste von Professor Giere beste- und Erkenntnisse. Glück und Zufriedenheit stellen sich Wolfgang Giere, der am 3. Februar sein 75.Lebensjahr hen u. a. darin, dass er Programme entwickelte, mit dann von selbst ein.
8 ▼ ▼ ▼ Wolfgang Giere wird 75 Einladung zur Jahreshauptversammlung des FITG am 17. März 2011 ab 17:00 Uhr in der Frankfurter Sparkasse, Neue Mainzer Str. 47 – 53 in Frankfurt am Main Lieber Herr Giere! Vorher gibt es ab 15:30 Uhr eine Führung von Herrn Stroh durch die EDV-Sammlung der Sparkasse. Hin- terher ist Gelegenheit zum gemütlichen Beisammen- von Bernd Rüdiger Beier, ehemaliger Mitarbeiter von Wolfgang Giere sein. Interessante Weblinks zur Industriegeschichte Z u Ihrem 75. Geburtstag möchte ich Ihnen von und wissenschaftliche Leistung weiterhin Früchte trägt ganzem Herzen alles, alles nur erdenklich Gute und vieles in der zukünftigen Praxis der Medizin – dabei Adler Motoren Veteranen Club wünschen. Dies erfolgt aus den USA (zur Zeit in denke ich insbesondere, aber nicht nur auch an IATROS www.adler-veteranen.de Clearwater, Florida, ein kleiner Abstecher aus der Lehre – hängen bleibt und vor allem auch mit entscheidend Feldbahnmuseum Frankfurt in College Park), was wahrscheinlich, zumindesten so, die medizinische Landschaft national wie international www.feldbahn-ffm.de nicht wäre, wenn wir uns nicht „über den Weg” gelaufen weiterhin prägen wird. Sie können mit Zufriedenheit wären. Nachdem Sie Ihre Professur in Frankfurt ange- und wahrlich berechtigtem Stolz auf ein äußerst erfolg- Historisches Museum der Stadt Frankfurt treten hatten und die Lehrveranstaltungen begannen, reiches wissenschaftliches Wirken wie auch Karriere als www.historisches-museum.frankfurt.de war mein Interesse im Studium sofort auf diesen Zweig hochgeschätzter Hochschullehrer zurückblicken. Be- IHK Frankfurt der Medizin gerichtet, und es hat sich im wahrsten sonders ist allerdings auch hervorzuheben, dass Sie im- www.frankfurt-main.ihk.de Sinne des Wortes „gelohnt”. Ohne diese Vorlesungen mer ein offenes Ohr für die außerstudienmässigen wie Museum der Stadt Rüsselsheim und Exkursionen (z. B. nach Heidelberg zum DKFZ) beruflichen Probleme hatten. Sie waren, nein Sie sind www.stadt-ruesselsheim.de/rd/1127.htm sowie der dann erfolgten Anstellung bei Ihnen hätte und bleiben Vorbild und Freund zugleich! ich – ebenfalls zumindest nicht so und bestimmt auch In diesem Sinne nochmals meinen aufrichtigen und Museum für Rechner-, Computer und nicht in dieser Intensität – meine internationalen Tä- herzlichsten Glückwunsch und danke für Sie und der Kommunikationstechnik tigkeiten und Kontakte (MUMPS USERS GROUP, SCAMC, Dank gilt ganz besonderes auch Ihrer Gattin, ohne die www.technikum29.de/ DGMS, DGH, etc) sowie Kooperationen, die bis heute an- Vieles ebenfalls auch so nicht möglich geworden wäre! Zeppelin-Museum Zeppelinheim dauern, etablieren und pflegen können. Ich hoffe aber www.zeppelin-museum-zeppelinheim.de/ weiterhin auch inständig, dass Ihre „pioneer”-Tätigkeit am 14. Januar 2011, z. Zt. USA
9 ▼ ▼ ▼ Quo vadis Industriemuseum besetzung“ durch das Theater von Willi Praml, Weiter- entwicklung des Gebäudes zur zwar umkämpften, aber „Quo vadis“ – Betrachtungen zu dennoch etablierten, Heimstatt des Theaters, Beschluss der Stadtverordneten über die Legalisierung und den Verbleib des Theaters Willi Praml in der Naxos Halle. einem Industriemuseum Frankfurt Hierzu eine Aussage aus der Fraktion „Die Grünen“ im Römer: „Mit der Forderung, dass die Naxos-Halle wei- terhin als Industriedenkmal wahrnehmbar und als Spiel- stätte für die Kultur erhalten bleibt, konnten wir Grüne zum 75ten Geburtstages von Wolfgang Giere uns durchsetzen.“ Auch die Altlastenproblematik, dies zeigen aktuelle von Karl-Heinz Steiner Messungen, hat sich erfreulicherweise weitgehend ver- flüchtigt. D er fehlende Baustein in der Museumslandschaft Planung einer kulturellen der Stadt Frankfurt/Main ist das „Industriemu- Nutzung von 600 qm Aus- seum Frankfurt“. Dies ist zumindest die Meinung stellungsfläche durch das des ehemaligen Kulturdezernenten der Stadt Frankfurt MMK oder das Filmmuseum und „Vater des Museumsufers“ Hilmar Hoffmann. Leider im Rahmen der Neubebau- bisher nur ein einsamer Rufer in der Wüste. Während ung des Turmpalast-Areals die unter seiner Amtszeit gegründeten und zwischen- und nicht zuletzt die Sa- zeitlich etablierten Museen wie Architekturmuseum, nierung der Naxos-Halle für Filmmuseum usw. nach rund 25jährigem Bestehen das Theater Willi Praml. einer Grundsanierung unterworfen werden und man Apropos Naxos-Halle, Museumserweiterungen, wie die des Städel Museums ursprünglich der für das bereits realisiert bzw. die Erweiterung des Museums der Frankfurter Industriemu- Weltkulturen plant, sucht man vergleichbare Anstren- seum vorgesehene Ort. Ge- gungen auf dem Gebiet der musealen Präsentation von scheitert ist dieses Projekt Industriekultur/Industriegeschichte Frankfurts ver- an der Finanzierung und gebens. An den finanziellen Möglichkeiten der Stadt an den im Fußboden ver- Frankfurt kann es nicht liegen. Man gönnt sich u. a. steckten Altlasten. In den zurzeit: Die aufwändigen Umbauten des Opernhauses, vergangenen Jahren ereig- die Sanierung des Palmengarten-Gesellschafthauses, nete sich jedoch erfreu- den Kauf und die Sanierung des Paradieshofes für die liches: Kauf des Geländes Fliegende Volksbühne Frankfurt von Michael Quast, die durch die Stadt FFM, „Haus- Blick in die Naxos Halle
10 ▼ ▼ ▼ Quo vadis Industriemuseum Wie kommt es im Kontrast dazu, trotz der befinden sich die Exponate fast aus- der unbestreitbaren Erfolge der von Peter schließlich in Depots. Das Licht des Tages Schirmbeck konzipierten „Route Indus- erblicken sie höchstens sporadisch. In triekultur Rhein Main“, zu der Gering- jüngster Zeit konnte eines der Großrech- schätzung der Industriegeschichte Frank- nerexponate eine Statistenrolle – als Ra- furts? sterfahndungs-Computer der 80’er Jahre Offensichtlich hat man beschlossen alle – im Film: „Der Baader-Meinhof-Komplex“ Erinnerungen an die Zeiten der „Malocher übernehmen. in den Frankfurter Fabriken (Blue Collar Diese Vernachlässigung der musealen Worker)“ und ihren Beitrag zum Wohlstand Präsentation der Technik des vergangenen der Stadt zugunsten der kulturellen Be- Jahrhunderts ist verbunden mit dem Phä- dürfnisse unserer „White Collar Worker“ nomen eines kontinuierlichen Schwundes wie: „Business Nomaden“, „Young Profes- der industriegeschichtlichen Exponate sionals“ oder auch „High Potentials“ zu unserer Stadt durch eine Art „schleichende tilgen. Auf der einen Seite die mangelnde Diffusion“. Man kann es auch, verursacht Unterstützung für die Darstellung der Ge- durch die mangelnde Würdigung der Ex- schichte des „produzierenden Gewerbes in ponate, als „Abstimmung mit den Füßen“ Frankfurt“, auf der anderen Seite schmückt bezeichnen. sich Frankfurt mit ihren Produkten z. B.: Zu nennen sind exemplarisch der schon der „Informationstechnik“. Zwei Beispiele vor etlichen Jahren erfolgte Wegzug des In- sollen das erläutern: Frankfurt bezeich- ventars der Schriftgießerei D. Stempel AG net sich zu Recht als „einer der führenden (gegründet 1895) von Sachsenhausen nach Internetknoten in Europa“ bzw. freut sich Darmstadt, der Abtransport von Archivma- über den Aufbau des „Loewe-CSC-Groß- terialien der AEG nach Berlin, der Verkauf rechners“ auf dem Industriegelände der des Hoechster Schlosses und als Folge da- InfraServe Hoechst, einem der – mit 600 von das Ausräumen und Einlagern des Fir- Billionen Rechenoperationen/Sekunde – menmuseums der Farbwerke Hoechst AG schnellsten Großcomputer Europas“. und aktuell in jüngster Zeit der Abtrans- Daraus zu folgern, dass es zumin- port der letzten fünf Schleifmaschinen der dest gelingen könnte die umfangreichen Naxos Union nach Rüsselsheim. Soweit, Sammlungen zur Geschichte der Datenver- ohne Anspruch auf Vollständigkeit, die arbeitung – insbesondere aus den Samm- mir persönlich bekannten Beispiele. Dieser lungsbeständen des FITG (Wolfgang Giere, Aderlass war, mangels Auffangmöglichkeit Dietmar Stroh) – in Frankfurt angemessen in Form eines Industriemuseums Frank- zu präsentieren, ist ein Trugschluss. Lei- furt, nicht zu verhindern. Dondorf Druckerei
11 ▼ ▼ ▼ Quo vadis Industriemuseum Weitere Verluste an industriegeschichtlichen Expo- letztlich auch der Rolle der Frankfurter Industrie im 1. die intensive Beschäftigung mit dem vorhandenen Mate- naten werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Weltkrieg (Rüstung) bzw. im Dritten Reich (Zwangsar- rial ein überraschend konträres Ergebnis. Vorausgesetzt, der Zukunft zu beklagen sein! beiterlager). dass sich Industrie in Frankfurt nicht nach den Maßstä- Leider wird diese Entwicklung in der öffentlichen Schaut man rund 25 Jahre in die Vergangenheit zu- ben der Schwerindustrie messen lässt, versuchte die freie Meinung weitgehend ignoriert oder sogar toleriert. So rück, so hat sich auch einmal das Historische Museum wie auch die preußische Stadt zu jeder Zeit, die Ansied- schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in Frankfurt intensiver mit unserem lokalen industriellen lung von Fabriken, zur Not auch gegen den Einspruch der Rubrik die „Redaktion antwortet“ auf einen Leser- Erbe beschäftigt. des Innungshandwerkes, zu fördern, soweit nicht die brief der das Fehlen eines Industriemuseums beklagt: Zu nennen ist die Ausstellung (Bearbeitung Jürgen Unzumutbarkeit der Belästigungen des Bürgers durch die „Zweifellos hat Frankfurt eine stolze Industriegeschich- Steen): „Die zweite industrielle Revolution – Frankfurt Fabrik einen Standort außerhalb der eigentlichen Stadt- te, doch die kann fast jede deutsche Großstadt aufwei- und die Elektrizität 1800-1914“ aus dem Jahre 1981. grenzen erfordert“. sen. Auch angesichts der Haushaltslage der Stadt … Im Vorwort des Ausstellungskataloges schreibt der An späterer Stelle heißt es: „…, von denen Bocken- halte ich die Gründung eines neuen Museums für nicht damalige Direktor Hans Stubenvoll: „Meines Wissens heim zahlenmäßig etwa ein Viertel der in Frankfurt an- vertretbar. Eine gut gemachte Abteilung im Historischen ist es in der 100 jährigen Geschichte des Hauses die erste sässigen Fabriken aufweisen konnte“. Museum muss reichen (von Matthias Alexander)“. Ausstellung, die industriezeitliche Technik in das Zen- Auch in diesem Fall führt die Erkenntnis zu Bocken- Was lernen wir daraus: „Kein Alleinstellungsmerk- trum historischer Fragen an die Stadtgeschichte des 19. heim als alten, historischen Industriestandort – von der mal, also raus aus Frankfurt“. Ob man diese Kriterien Jahrhunderts rückt“. erwähnten Industrie ist übrigens kaum noch etwas übrig auch an alle anderen Kultureinrichtungen, die letztlich Bedauernswerterweise führte diese erste (gab es – nicht zu dem Beschluss den Klinkerbau der B. Dondorf in vielen Städten vorhanden sind, wie Oper, Schauspiel noch weitere?) Ausstellung zu dem Themenkreis „in- GmbH – Druckerei und Verlag (Bauzeit 1873 bis 1890, er usw. anwenden sollte? dustriezeitliche Technik“ nicht zu dem dringenden bleibt nach langer, kontroverser Diskussion vor dem Ab- Man findet einen bemerkenswerten Gleichklang der Wunsch nach einem Industriemuseum Frankfurt. Auf riss verschont) für die Einrichtung eines Industriemuse- FAZ mit der Argumentation des Historischen Museums. die Darstellung des: „Prozesses der Industrialisierung ums zu nutzen. Im Rahmen der Neuordnung des Univer- Hier schrieb mir sein Direktor Jan Gerchow auf meine der Lebenswelt in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts“ sitätsgeländes besteht dazu die Möglichkeit, man muss Frage nach Umfang und Art der Präsentation der In- (nach Jürgen Steen) in der erforderlichen Breite und es nur wollen! Die erforderlichen, etwa 1.500 bis 2.000 dustriegeschichte im Neubau des Museums: „Wir haben Tiefe wurde verzichtet. qm Museums-Fläche, wären in diesem Gebäude darstell- durchaus vor, das Thema Industriegeschichte in der neu- Trotzdem, im Vergleich zu heute, waren die 80er bar, sind aber offensichtlich – mangels Lobby – nicht en Dauerausstellung ‚Frankfurt Einst?‘ zu präsentieren. Jahre des vergangenen Jahrhunderts quasi eine „Blüte erwünscht Attraktiv ist dieser Standort für ein Indus- Eines der Haupt-Objekte wird sogar ein ‚Adler Autobahn‘ der Industriegeschichte“ in Frankfurt. triemuseum durch die unmittelbare Nachbarschaft zum von 1934 sein, auch die Chemieindustrie, Hartmann und Lassen wir Volker Rödel zu Wort kommen. Er schreibt Senckenberg Museum. Auch dieses wird, unter Nutzung Braun und andere Firmen werden in der Ausstellung vor- im Vorwort seines im Jahre 1984 erschienen Buches der freiwerdenden, denkmalgeschützten Universitäts- kommen“. „Fabrikarchitektur in Frankfurt/Main 1774-1924“ fol- gebäude, in den nächsten Jahren für rund 180 Mio EUR Auch hier die Tendenz: „Darstellung nur exempla- gendes: „Entgegen allen historischen und modernen ausgebaut. Oft ist es gerade der naturwissenschaftlich risch“, aber keinesfalls eine eigenständige Präsen- Äußerungen über eine in Frankfurt am Main herrschende interessierte Besucherkreis der auch den Fragen der In- tation der Industriegeschichte Frankfurts unter Be- industrielle Rückständigkeit, gar einer der Stadt unter- dustriegeschichte zugetan ist, sodass aus der unmittel- rücksichtigung der Sozialen Situation der damaligen stellten generellen industriefeindlichen Haltung, in deren baren Nachbarschaft beider Museen (Luftlinie ca. 350 m Arbeiterschaft, den Produktionsbedingungen und Ruch Frankfurt bis in die Moderne hinein stand, erbrachte voneinander entfernt) auch eine hohe Besucherfrequenz
12 ▼ ▼ ▼ Quo vadis Industriemuseum des Industriemuseums resultiert. Leider erfolgte auf die- Buchholz (Stadtteilbotschafter), der die Geschichte der Museen und Denkmalschutz, die Förderung der wissen- se Anregung, den geplanten Kulturcampus Bockenheim Druckerei Dondorf in seiner Schrift: „Die wechselvolle schaftlichen Erschließung und Volksbildung unter be- (Musik und Tanz) durch ein Industriemuseum Frankfurt Geschichte eines Industriedenkmals (2009)“ und einer sonderer Berücksichtigungder Geschichte der Industrie zu ergänzen, keinerlei Rückmeldung städtischer Stellen. damit verbundenen Ausstellung der Öffentlichkeit vor- und Technik des heutigen Stadtgebiets und der Wirt- Ähnlich folgenlos, trotz allgemeinen Lobes und Erwäh- stellte. Auch sein Vorschlag in den Räumen zumindest schaftsregion.“ die Sicherung und Bewahrung, zu- nung in der Presse, blieben die Arbeiten von Friedhelm ein „Stadtteil-Industriemuseum für Bockenheim“ zu mindest auf Teilgebieten, erfolgreich bewältigt wer- etablieren blieb ohne Widerhall bei den konnte. Dies gilt jedoch nicht für die sich daraus Politik und Verwaltung. implizit ergebende Forderung nach angemessener Keine der offiziellen Stellen der Präsentation der gesammelten Exponate im Kontext Stadt Frankfurt unterstützt zurzeit eines eigenständigen „Ausstellungsbereiches Indus- Forderungen nach Konzeption, triegeschichte“ bzw. „Industriemuseums“ als gleich- Finanzierung, Realisierung und berechtigtes Mitglied im Konzert der städtischen Mu- Betrieb der erforderlichen Aus- seen Frankfurts. stellungsfläche eines Museums Das von Herrn Hilmar Hoffmann angemahnte Industriegeschichte Frankfurt/ und geforderte Schließen der Lücke in der Museums- Main. Vielleicht aus Gründen einer landschaft Frankfurts durch den „fehlenden Baustein anderen Setzung von Prioritäten Industriemuseum“ wird bei der derzeitigen Konstella- innerhalb der etablierten Museen; tion der beteiligten, meinungsbildenden Akteure noch vielleicht auch aus Angst den zu sehr lange auf sich warten lassen. kleinen „Finanzierungskuchen Museum“ noch stärker teilen zu Anmerkung zum Schluss: müssen1. Man fragt sich in diesem Zusammenhang auch: Warum So muss man leider konstatie- gelingt z. B. keine Ausstellung: „Geschichte der Che- ren, dass von den in der Satzung mischen Industrie in Frankfurt? Frankfurt ist Veran- festgelegten Zielen des Förder- staltungsort der ACHEMA (das Weltforum der Prozessin- kreises Industrie- und Technikge- dustrie und Technologiegipfel für Chemische Technik), schichte FITG – Frankfurt/Main: Sitz des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) und „Sicherung und Bewahrung indus- der Dechema, weist mit dem Chemiepark Hoechst noch trie- und technikgeschichtlicher Ge- einen prosperierenden Chemiestandort auf, war Stamm- genstände in Zusammenarbeit mit sitz der Degussa, war Sitz der Cassella (heute Allessa), baute die IG Farben Hauptverwaltung zum Universitäts- 1 Nachtrag: aus der FNP vom 16.12.2010: gebäude um, feierte bereits das 150jährige Bestehen des „Der Neubau des Historischen Museums Chemiestandortes Griesheim und im Jahre 2013 können soll 46 Millionen Euro kosten. Ursprüng- lich wurde einmal eine Zahl von 29 Millio- wir ein fiktives, 150jähriges Jubiläum der Farbwerke Neuordnung Campus Bockenheim nen Euro genannt.“ Hoechst AG feiern.
13 ▼ ▼ ▼ Für Sie gelesen „Bollerwagen mit Dynamo“ Erlebte Industrie- und Technikgeschichte. Persönlicher Bericht zugleich systematischer Katalog der FITG-Sammlung, 2010 rezensiert von Jürgen Steen W olfgang Giere ist 2003 als Professor für Doku- Kaliningrad geborenen Autors bis zur Emeritierung als mentation und Datenverarbeitung am Klini- Gründer und Direktor des Zentrums der medizinischen kum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Informatik des Frankfurter Universitätsklinikums. Teil emeritiert worden. Mit der Arbeit an der jetzt vorge- II „Wandel der Technik allgemein: Selbsterlebte Beispie- legten Veröffentlichung begann er im Frühjahr 2005. le“ (S. 61 – 112) protokolliert den allgemeinen techni- Die Versetzung in den „Ruhestand“ ist der Anfang des schen Wandel der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. vielzitierten neuen Lebensabschnitts und oft eine quä- Das „Selbsterlebte“ als Matrix der Auswahl der Beispiele Wolfgang Giere: lende Zäsur, weil mit dem „Arbeitsleben“ das jahrzehn- macht wie von selbst den Einfluss der technischen und »Bollerwagen mit Dynamo« – telang identisch gelebte Leben von heute auf morgen technologischen Evolution der zweiten Hälfte des 20. Erlebte Industrie- und Technikgeschichte endet. Glücklich, wen das nicht oder nur in Maßen Jahrhunderts auf unsere Lebenswelt deutlich. Teil III Beitrag des „Förderkreis Industrie- und Technikgeschichte e.V.“ (FITG) zum 100. Geburtstag des Computererfinders betrifft. „Mir macht es Freude, im Ruhestand zurück- „Von der EDV zum Web: Selbsterlebte Entwicklung der Konrad Zuse. zublicken auf das Erlebte …“, schreibt er im Vorwort. Computertechnik“ (S. 113 – 195) führt mitten in das „Bollerwagen mit Dynamo“ nur als „Rückblick“ zu ver- Arbeitsleben des Pioniers der medizinischen Datenver- 353 S. mit 24 Abb., Literaturverzeichnis und ausführlichem stehen, wäre allerdings nicht nur allzu bescheiden, es arbeitung und ist deshalb „selbsterlebte“ und repräsen- Index. ISBN: 978-3-9805562-1-7 Das Buch können Sie in der LiteraTour-Buchhandlung, wäre falsch. tative Darstellung der Entwicklung eines wesentlichen Aarstraße 96 in 65232 Taunusstein zum Preis von 30 EUR Auf 337 Seiten ist das Werk in vier Teile gegliedert: Teilbereichs der elektronischen Datenverarbeitung. Teil bestellen. Teil I „Autor-Auto-Biografisches“ (S. 3 – 69) ist ver- IV „Anhänge, Hintergründe“ (S. 199 – 287) bietet erläu- mehrt um eine Zeittafel die autobiografisch mit „er- ternde Informationen zu den Teilen I – III, für den Teil Mitglieder im „Förderkreis Industrie- und Technikgeschichte“ erhalten das Buch zum Vorzugspreis von 20 EUR/Buch direkt lebter Technik“ verwobene Erzählung der Lebensge- III den systematischen Katalog der technikgeschichtli- vom Autoren. schichte von den Kindertagen des 1936 im heutigen chen Sammlungen des Förderkreises. Der abschließen-
14 ▼ ▼ ▼ Für Sie gelesen de Index mit fast 30 Seiten macht Wolfgang Gieres Werk Im Buch ist ein Bericht der Neuen Ruhr-Zeitung blitzt auf, was als Grundzug im gesamten Werk zu auch zur Fundgrube eines Wandels, der, davon ist der vom 25. Januar 1968 zum programmierten Arztbrief, spüren ist: Technik ist als Mittel der Gestaltung der Autor sicherlich zu recht überzeugt, typisch für seine der ersten EDV-Entwicklung Gieres abgebildet. Das Foto Lebenswelt zu begreifen und keine Macht, der die Generation ist. zeigt den 32jährigen im Rechenzentrum der Stadt Duis- Lebenswelt ausgeliefert ist. Das ist nur zu unterstrei- Ohne ihn gäbe es die heutigen Sammlungen des För- burg. Der Emeritus inventarisierte und dokumentierte chen. Der Traum vom Dynamo blieb ein Traum. Wolf- derkreises nicht. Mit dem Aufheben begann er bereits die Sammlungen des Förderkreises vor Ort auf seinem gang Giere ist zu wünschen, dass „sein“ Museum kein in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Sammlun- Note-Book, das in die Aktentasche passt und dessen Traum bleibt. gen präsentieren die sinnfällige Entwicklung des Com- Rechenleistung um das X-fache größer ist als die Leis- Auf dem Umschlag lächelt uns Wolfgang Giere an, so puters. Die Einordnung des systematischen Katalogs tung des Rechenzentrums von 1968. wie er uns begegnet. Das Porträt erschien in der legen- der EDV-Sammlung des Förderkreises als Anhang zur Wolfgang Gieres Wunsch ist ein Museum und sein dären Reihe „Frankfurter Gesichter“ Erich Dittmanns selbsterlebten Entwicklung der Computertechnik ist Werk ist ein Baustein, weil es den Wandel überzeugend (1916 – 1999) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung deshalb mehr als plausibel, so unkonventionell das auf und lebensnah belegt und ordnet. Dieses „Ordnung im Juni 1996 aus Anlass des 60. Geburtstags. Zum Ge- den ersten Blick auch wirken mag. Sammlungkataloge schaffen“ ist die weiterführende Leistung. Auch der burtstag eröffnete das historische museum frankfurt sind nach funktionalen Kriterien systematisiert. Der erzählende Teil I gehört zum Ordnen. In der Erzählung die Ausstellung „36 Objekte der Industrie- und Tech- Emeritus hat seit 2003 kontinuierlich an der Systematik werden die Erinnerungen zur Biografie geordnet. Oh- nikgeschichte“, eine Anspielung auf das Geburtsjahr gearbeitet. Das ganze Werk ist Konrad Zuse gewidmet ne Ordnung kann der Wandel nicht begreifbar werden. und konzipiert von Mitgliedern des gerade neu ge- und rechtzeitig zum Jubiläumsjahr, zu seinem 100. Ge- Wolfgang Giere ist bewusst, dass Ordnen ein Werkzeug gründeten Förderkreises und dem Rezensenten. Am burtstag, fertig geworden. ist und in der Einleitung begründet er ausführlich die Eröffnungstag und in der Ausstellung feierten an die Wolfgang Giere betont, dass er keine „allgemeine von ihm getroffene Wahl. Auch Lesetipps fehlen nicht, 200 Gäste den 60. Geburtstag. Er hatte es verdient. Als Technikgeschichte“ im Sinn gehabt hätte. Als Beschei- weil er damit rechnet, dass die Teile verschiedene Inte- Anfang der 90er Jahre die auch von der Stadt getra- denheitsadresse an die vermeintliche Königsdisziplin, ressen ansprechen. Das ist nicht falsch, darf aber nicht genen Planungen für ein Frankfurter Industriemuseum die zur Technikgeschichte als autonomer Geschichte die Bedeutung der Publikation, eben ihre Komposition, zusammenbrachen, gehörte er zu den wenigen, die da- der Technik neigt, ist das hoffentlich nicht gemeint. relativieren. Der Museumswunsch ist konsequent, weil für einstehen wollten, dass mit dem Ende der offiziellen Technikgeschichte ist eine eigene Konstruktion. Sie ohne die Sinnfälligkeit des Wandels der Diskurs, den Planungen nicht auch Idee und Ziel und die im Aufbau ist dem Selbsterlebten als Konstruktionsprinzip nicht wir über unsere Gegenwart und Zukunft führen und befindlichen Sammlungen zu Grabe getragen wurden. überlegen, es sind zwei Ansätze mit jeweils eigenem führen müssen, blind bleibt. Der Kenner der Museumsgeschichte weiß um die zeit- methodischen Recht, die nicht gegeneinander aus- Apropos „Bollerwagen mit Dynamo“. Der 6jähri- lichen Dimensionen von Museumsgründungen, Samm- gespielt werden können. Charme des Selbsterlebten ge stattete den familiären Bollerwagen mit Strippen lungen wachsen, Ideen reifen, Museumsgründungen ist allemal, dass der Technikgebrauch Vorrang hat. aus, so dass er von hinten gelenkt werden konnte ähneln Netzwerken, deren Maschen nach und nach Gleichsam wie von selbst kommt damit der politische, und er träumte von einem Dynamo, um den Boller- geflochten werden, weil vernünftige und tragfähige gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Kon- wagen auch bei Dunkelheit nutzen zu können. Was Lösungen Zeit brauchen. 15 Jahre besagen nichts und text ins Spiel und die Erfahrung der lebensweltlichen mag Wolfgang Giere zu diesem Titel bewogen haben, müssen nicht betrüben. Veränderung durch Technik. Spätestens hier sind der doch ganz und gar nicht zur Biografie eines EDV- Selbsterlebtes und Sinnfälligkeit des Wandels Ge- Pioniers zu passen scheint?! Im kindlichen Ziel, die In diesem Sinne herzlichen Glückwunsch zum 75. und schwister. vorgegebene Technik den Bedürfnissen anzupassen, „ad multos annos“.
15 ▼ ▼ ▼ Leseprobe die Kleinbildfotografie mit der Leica. Kurz nach Kriegsende lernte ich sie erstmals kennen bei einer Fotografin, die Mutter gebeten hatte, uns Kinder in unserem Garten-Paradies in Kronberg zu „knip- sen“. Es sind wunderschöne Aufnahmen. Bei den Großeltern habe ich noch Plattenkameras im Gebrauch erlebt. Die Edixa ist mir später auf Reisen zu schwer gewesen. Deswegen hatte ich ab etwa 1980 eine Minox Kleinbildkamera (nicht die win- Auszüge aus dem Buch von Wolfgang Giere: zige Kamera der Spione) mit Klappobjektiv in der Hosentasche. Mit ihr habe ich lange Zeit viele schöne Bilder gemacht obwohl es „Bollerwagen mit Dynamo“ „nur“ eine Sucherkamera war ohne Wechselobjektive und fast ohne Schnickschnack. Allerdings brauchte sie eine Batterie für die auto- matische Entfernungseinstellung und Belichtungsmessung „durch das Objektiv“. Ich benutze sie wegen des hervorragenden Zeiss Tessar Objektivs noch heute gerne für Aufnahmen, die besonders scharf sein sollen. Heute ist das alles Geschichte. Filmmaterial stirbt 15. Medien nung, Belichtungszeit – alles musste von Hand eingestellt werden. aus, die Marke Agfa existiert nicht mehr. Die Grenzen zur Filmkame- Der technische Wandel bei den Medien ist vielleicht am prägnantes- Auch der Transport des Kleinbildfilmes (24x36 mm) erfolgte durch ra verschwimmen. Alles ist digital und die Computerhersteller wett- ten. Bei meinen Großeltern hingen schöne Daguerrotypien der Ur- zweimaliges Ziehen eines massiven Hebels. eifern mit immer kleineren und leistungsfähigeren Geräten. Neue großeltern an der Wand, Studioaufnahmen, für die man lange still- Die erste mühsam verdiente Edixa habe ich gegen einen Motorroller Marken beherrschen das Feld: Canon, Casio, Fuji, Sony,... Auch ich sitzen musste (siehe Abb. 15.1 auf S. 104). Meine Eltern benutzten getauscht, habe aber bei nächster Gelegenheit wieder eine gleiche mache meine Aufnahmen mit einem Apparat, der kaum größer und Fotoapparate mit 6x6 cm Rollfilmen. Die Leica begann gerade ihren (gebraucht) erstanden und besitze sie heute noch. Die Firma Wir- dicker ist, als eine Kreditkarte. Siegeszug. Filmen war ungeheurer Luxus. Angeblich besaß Onkel gin in Wiesbaden gibt es allerdings nicht mehr, ebensowenig wie all Bernhard Koch, der Besitzer der Verlagsbuchhandlung Gräfe&Unzer die anderen damals berühmten deutschen Marken: Der Edixa ver- in Königsberg einen Filmapparat. Philipp, unseren Ältesten, haben 15.2. Schmalfilm gleichbar war die „ostzonale“ Praktika, auf die dieselben Objektive Als ich in Kronberg auf der Schule war, staunten wir über Lehrer Mi- wir mit Doppel-Acht gefilmt, die weiteren drei Kinder mit Super- passten (deswegen „Jena-B“ aus der DDR und nicht das Original von chels, der mit seinen Jugendgruppen einen „Schmalfilm“ gedreht Acht. Kaum glaublich ist der rasche Wandel zur digitalisierten Welt Zeiss aus Wetzlar, das viel teurer war). Zeiss existiert als Kameraher- hatte. von heute mit völliger Einheit aller Medien. steller auch nicht mehr, die berühmte Zeiss Ikon ist Geschichte. Ich Ich selbst habe nach der Geburt des ältesten Sohnes eine gebrauch- hatte eine solche 6x6 cm Rollfilm Balgen-Klappkamera vom Vater te „Nizo“-Filmkamera gekauft und benutzt, die „Doppel-Acht“ Fil- 15.1. Fotoapparat geerbt. Leider war der Balgen defekt und konnte damals nicht zu er- me produzierte. Ein 16 mm Film wurde vorwärts und rückwärts je Mein erstes selbstverdientes Geld sparte ich zum Kauf eines Foto- schwinglichen Preisen repariert werden. Außerdem wollte ich keine zur Hälfte bespielt und bei der Entwicklung in der Mitte durchge- apparates, eines preiswerten Spitzengerätes: Wirgin Edixa Reflex. Sucherkamera mit Großformat, sondern einen Kleinbild-System- schnitten. Wenn man die eine Hälfte belichtet hatte, musste man im Es war eine System-Spiegelreflexkamera mit Lichtschacht, Lupe, Apparat. Lange hatte ich geschwankt, ob ich nicht vielleicht eine Dunkeln (in einem schwarzen Tuch-Sack) die Spule umdrehen, um „Jena-B“ (baugleich dem Zeiss Biotar) 1:2, 58 mm Brennweite und Robot kaufen sollte, eine 24x24 mm Automatik mit Federwerk, die anschließend die andere Hälfte belichten zu können. Ich benutzte „Vorwahlblende“. Das hieß, man stellte die gewünschte Blende am es gestattete, rasch hintereinander mehrere Aufnahmen zu tätigen. Schwarz-Weiß-Filme. Ring ein und zog nach der Scharfeinstellung bei voller Blendenöff- Auch sie ist vom Markt verschwunden. Berühmt war (und ist) auch Demgegenüber stellte das „Super-8-Format“ einen deutlichen Fort- nung vor der Aufnahme die Blende zu. Weil man durch Lupe und die Rolleiflex mit 6x6 cm Format und zwei parallelen Objektiven, schritt dar. Es war nicht nur etwas größer, sondern verzichtete auch Lichtschacht in andere Richtung sah als das Objektiv, war die Edixa eines für die Belichtung, eines für den Sucherspiegel. Sie benötigt auf das umständliche Umdrehen der Spule. Eine Super-8-Kamera besonders geeignet für unauffällige Kinderaufnahmen und hat mir deswegen keinen Klappspiegel. Unerschwinglich war die professi- von Agfa bekam ich Anfang der siebziger Jahre bei Bayer-Leverku- zu schönen Schnappschüssen verholfen. Später kamen hinzu Weit- onelle Hasselblad Systemkamera für das 6x6 cm Format mit Klapp- sen geschenkt quasi als Honorar für die Moderation eines Symposi- winkel mit 35 mm, Tele mit 90 mm, Belichtungsmesser, Blitzgerät, spiegel und unendlich teuren Objektiven – alles Geschichte heute. ums über Datenverarbeitung in der Medizin. Mit diesem sehr handli- Filter usw. Der Verschluss war als Schlitzverschluss das damalige Vor dem Krieg gab es viele Großformat-Kameras. Mutter hatte eine chen Filmapparat habe ich alle Kinder- und Reisefilme gedreht. Non-Plus-Ultra mit langen Belichtungszeiten bis zu einer ganzen primitive Box mit dem Format 4,5x6 cm. Viele unserer Kinderbilder Jahre später habe ich den Apparat in Wiesbaden bei einem Foto- und kurzen bis zu einer tausendstel Sekunde. Natürlich war bei in den Fotoalben sind mit ihr entstanden. Von Vaters Klappkamera händler zur Reparatur gegeben. Nach einer Weile bekam ich ihn aus diesem Gerät nichts elektrisch, nichts automatisch. Blende, Entfer- habe ich schon berichtet. Professionelle Fotografen bevorzugten dem Werk(!) zurückgeschickt mit freundlichen Grüßen: Die Repara-
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