Future ManuFacturing - robotik intralogistik - Magazin für intelligente Produktion - VDMA Verlag
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Future Manufacturing Magazin für intelligente Produktion Robotik Intralogistik www.vdma-verlag.com 2017/06
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Arbeit 4.0 Zahlen, Daten, Fakten Schweden ist nach einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation im europäischen Vergleich besonders weit entwickelt. Dort arbeiten 32 Prozent Das klassische Büro hat Staub ange- der Beschäftigten zumindest gelegentlich mobil. setzt, weil Arbeitnehmer ihrer Tätig- In Finnland ist der Anteil mit 28 Prozent ähnlich keit zunehmend unabhängig von Ort hoch. In Deutschland nehmen diese Möglichkeit und Zeit nachgehen können. Digital 12 Prozent der Arbeitnehmer wahr. geprägte Formen der Arbeit sind Der EU-Durchschnitt liegt auf dem Vormarsch. Für Ar- bei 17 Prozent. beitsschutz und Gesund- heit wird das Thema Arbeit 4.0 immer wichtiger. Unter „mobile Worker“ kann man alle Beschäf- tigten eines Unterneh- mens verstehen, die mit mobilen Endgeräten arbei- ten. Bereits mehr als die Hälf- te (54 Prozent) sind der Studie „Mobiles Arbeiten“ der Deutschen Gesellschaft für Personalführung zufolge mobil an wechselnden Arbeitsplätzen tätig, davon Bilder: senoldo, msanca/Fotolia 14 Prozent innerhalb und 11 Prozent außerhalb des Unternehmens.
Editorial Willkommen in der Zukunft Schöner hätte sich ein Science-Fiction-Autor in den 1970er Jahren die Pro- duktion und Logistik im Jahr 2017 nicht ausdenken können: autonom fah- rende Transportsysteme, die völlig eigenständig benötigtes Material in die Fertigung bringen. Dort wird das Material von einem Roboter entgegenge- nommen, der wiederum selbstständig im Produktionsprozess fortfährt und die fertigen Teile entweder an einen anderen Roboter oder seinen mensch- lichen Kollegen weitergibt. Die Digitalisierung ermöglicht heute ein vernetztes Zusammenspiel von unterschiedlichen Systemen. Dass Software dabei eine sehr bedeutende Patrick Schwarzkopf Rolle spielt, liegt auf der Hand. In der Intralogistik wird sie zunehmend als Geschäftsführer wichtiges Werkzeug verstanden, um Lösungen und Anlagen neu und weiter des VDMA-Fachverbands Robotik + Automation zu entwickeln. Neben der Automatisierung von Prozessen steht verstärkt auch deren Autonomisierung auf der Agenda. Das gilt für die Lagerlogistik in gleichem Maß wie für die Produktionslogistik. Je kleiner die Losgröße, je flexibler der Fertigungsprozess – desto anspruchsvoller wird die Material- bereitstellung. Hier ist Effizienz gefragt. Wie passt der Mensch in eine solche Arbeitsumgebung? Offenbar sehr gut. Praxisbeispiele, bei denen der Mensch mit seinem Kollegen Roboter auf Du und Du ist, gibt es bereits. Ähnlich sieht es im Bereich Assistenzsysteme aus. Diese unterstützen den Menschen, dort wo es sinnvoll ist. In der Logistik gehört die Datenbrille zur Kommissionierung schon fast zu den Klassikern. Sascha Schmel Kaum ein modernes Lager oder eine Fertigung, in der die Warenbereitstel- Geschäftsführer lung nicht IT-gestützt erfolgt. des VDMA-Fachverbands Fördertechnik und Intralogistik Um die Science-Fiction-Geschichte weiterzuschreiben, braucht es aus heu- tiger Sicht nicht mehr ganz so viel Fantasie wie vor fünf Jahrzehnten. Die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine intensiviert sich auch in Zu- kunft. Die Kommunikation zwischen beiden Parteien wird einfacher und intuitiver. Natürlich werden einige Tätigkeiten von Maschinen ersetzt, es entstehen jedoch auch neue Arbeitsplätze und Berufsbilder, ebenso wie neue Geschäftsmodelle. Patrick Schwarzkopf Sascha Schmel
Inhalt Editorial 4 Robotik Arbeit 4.0: Die Digitalisierung als Chance für Beschäftigung 6 VDMA Competence Center Arbeitsmarkt: Zwischen Stellenabbau und Jobsicherung Mensch und Maschine im Team 8 VDMA Robotik + Automation: Zusammenwirken wird körpernäher und intuitiver Optische Schutzeinrichtungen ermög- lichen wandlungsfähige Produktions- Adaptive Automation: Mit 3D-Daten zum autonomen Roboter 10 szenarien. IDS Imaging Systems: Roboter stellen sich adaptiv auf Situationen ein 14 Leichtbauroboter arbeiten bei Klebeverfahren 12 Hand in Hand mit den Werkern F uture M anufacturing 2 0 1 7 KUKA Roboter: Endmontage an der Karosserie ohne trennende Schutzeinrichtung Die Themen der nächsten Future Work Lab präsentiert Industriearbeit der Zukunft 14 Ausgaben: Präzisionswerk- Fraunhofer IPA: Digitalisierung der Produktionsarbeit benötigt neue Wege zeuge, Werkzeugmaschinen, Automatisierung, Industrielle Next Level: Automatisierung dank Machine Learning 16 Bildverarbeitung. Framos: Bildverarbeitung und Künstliche Intelligenz automatisieren Sortiervorgänge Neues aus der Industrie 18 Intralogistik Die Logistik im Umfeld von Industrie 4.0 und Smart Factory 20 TU München: Intelligente Verfahren zur Versorgung von Produktion und Handel mit Hilfe der Logistik Die automatisierte Zukunft der Intralogistik 22 Jungheinrich: Fahrerlose Transportsysteme als Basis künftiger Produktionsprozesse Simulations-Tools stellen Materialfluss- und Lagersysteme dar. Effiziente Prozessgestaltung mit Hilfe der Simulation 24 für die Materialflussplanung 24 E&K Automation: Materialflusssimulation auf neuer Stufe Staffelübergabe an den Routenzug 26 Toyota Material Handling: Die Wertschöpfungskette auf verschwendungsarme Produktion einstellen Intelligente Vernetzung von Automatisierung und Autonomie 28 Still: Routenzuglösungen können alle Stationen des Warenflusses abbilden Zukunft erfahren mit mobiler Robotik 30 Das Zukunftskonzept eines Routen- zuges verknüpft Automatisierung und Grenzebach: Fahrerlose Transportsysteme entwickeln sich zum mobilen Roboter Autonomie. Logistik ist ein Wettbewerbsfaktor 32 28 Leuze electronic: Automatisches Kleinteilelager wird zum Herzstück eines neuen Werks Titel: Motorblock, Bugatti. Gewinnspiel 35 Fotografiert von Manfred Zimmermann, Euromediahouse.
future manufacturing Arbeit 4.0: Die Digitalisierung als Chance für die zukünftige Beschäftigung FABIAN SEUS Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeit und die Tätigkeiten der Beschäftigten werden kontrovers diskutiert. Die einen prognostizieren die Ersetzung menschlicher Arbeit auf breiter Linie – getrieben durch die exponentielle Zunahme von intelligenten, softwarege- triebenen Automatisierungsschritten. Die anderen verbinden mit Industrie 4.0 die Hoffnung auf neue Geschäftsfelder, eine Stärkung des Produktionsstandorts Deutschland und eine Sicherung der Beschäftigung. D ie Studie des World Economic 5,1 Millionen Arbeitsplätze weltweit we- wahrscheinlichkeit auf Deutschland über- Forum 2016 „The Future of Jobs“ niger als 0,3 Prozent der insgesamt be- tragen. Demnach seien hierzulande sogar versucht, Veränderungen der Ar- trachteten Arbeitsplätze. Schon eine Ab- 59 Prozent der Arbeitsplätze bedroht. beitsmärkte bis zum Jahr 2020 zu quanti- kühlung der Weltkonjunktur kann zu Der VDMA hält die Aussagen der ge- fizieren. Unter dem Strich werden voraus- einem solchen Effekt führen. nannten Studien bezogen auf Deutsch- sichtlich weltweit 5,1 Millionen Arbeits- Viel öffentliche Aufmerksamkeit hat land weiterhin für unbrauchbar. Maßgeb- plätze wegfallen. Die als Schreckenssze- auch eine Studie von Frey und Osborne lich ist die Unterscheidung, dass lediglich nario verbreitete Meldung muss jedoch aus dem Jahr 2013 erfahren. Demnach Tätigkeiten und nicht ganze Berufe als relativiert werden, denn die Analyse be- seien in den USA 47 Prozent der Beschäf- solche automatisierbar und digitalisierbar zieht sich lediglich auf eine Befragung von tigten in Berufen tätig, die in den nächs- sind. Zudem bleiben positive Beschäfti- Personalleitern aus global aufgestellten ten 10 bis 20 Jahren mit einer hohen gungseffekte sowie Anpassungseffekte bei Unternehmen in neun Industriesektoren Wahrscheinlichkeit (mehr als 70 Prozent) den Unternehmen und ihren Mitarbeitern von 15 Ländern beziehungsweise Wirt- automatisiert werden können. In weiteren in der Studie bewusst unberücksichtigt. schaftsgemeinschaften. Zudem bedeuten Studien wurde diese Automatisierungs- Aufgrund der Analyse einzelner Tätigkei- ten lässt sich daher nicht auf gesamtwirt- schaftliche Effekte schließen. Auch das Bundesministerium für Ar- Foto: Schunk beit und Soziales sieht die Arbeiten kri- tisch und hat eine eigene Studie an das Zentrum für Europäische Wirtschafts- forschung (ZEW) in Auftrag gegeben. Das ZEW hat sich mit der Übertragung der Studie von Frey und Osborne auf Deutsch- land auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass lediglich 12 Pro- zent der Arbeitsplätze in Deutschland eine hohe Automatisierungswahrscheinlichkeit aufweisen. Die Forscher stellen in ihrem Bericht klar, dass von einem reinen techno- logischen Automatisierungspotenzial nicht per se auch auf eine unmittelbare Gefähr- dung von Arbeitsplätzen geschlossen wer- den kann. So schwierig der Blick in die Zukunft ist, so einfach ist der Blick in die Vergangen- Mensch und Maschine brauchen sich gegenseitig. Der Wandel in der Arbeitswelt muss aktiv heit. Zum Ende des Jahres 2015 waren in gestaltet werden. Deutschland 43,49 Millionen Menschen 6
future manufacturing erwerbstätig. Ein Rekord seit der Wieder- len. Ein bedeutendes Optimierungspoten- Fort- und Weiterbildung oder Studium: Es vereinigung und dies trotz einer konti- zial lässt sich also dort erschließen, wo in sind alle Beteiligten gleichermaßen gefor- nuierlichen Automatisierung in den ver- direkter Zusammenarbeit Mensch und Ma- dert. Gemeinsam müssen Bedarfe ermit- gangenen Jahren. Deutschland weist die schine ihre jeweiligen Stärken einsetzen telt, Formate entwickelt und Freiräume dritthöchste Roboterdichte der Welt auf können. für Bildung geschaffen werden. (292 Roboter pro 10.000 Beschäftigte im Professor Julie Shah, Interactive Robo- Unternehmen und Mitarbeiter, Politik verarbeitenden Gewerbe) und liegt damit tics Group, Massachusetts Institute of Tech- und Wissenschaft, Gewerkschaften und hinter Korea und Japan weit vor allen nology bringt es am Beispiel von Robotern Verbände haben als Partner die Möglich- anderen europäischen Industrienationen. auf den Punkt: „Es ist wichtig zu verste- keit auf die bevorstehenden Verände- Es zeigt sich: Arbeit wird produktiver und hen, dass es bei dieser Technologie nicht rungen zu reagieren und die Arbeitswelt die industrielle Produktion wettbewerbs- um das Ersetzen von Menschen geht. Es von morgen bereits heute positiv zu fähiger. Am Ende führt eine steigende geht darum, die Stärken von Menschen gestalten. l Nachfrage nach Produkten auch zu einer und Robotern optimal zu nutzen, um steigenden Nachfrage nach Arbeitskräften. höhere Stufen der Effizienz und Produk- Fabian Seus Hinzu kommt: Menschenleere Fabriken tivität zu erklimmen, als dies der Mensch Leiter VDMA Competence Center Arbeitsmarkt www.allesbleibt-anders.net kann es nicht geben. Spezifische mensch- oder Roboter auf sich alleine gestellt liche Fähigkeiten, wie feinmotorische Fin- können.“ gerfertigkeit, Flexibilität und Urteilsver- Dennoch gilt natürlich: Die Digitalisie- mögen, Erfahrungswissen und Vernunft rung wird die Aufgaben und Tätigkeiten sind und bleiben unersetzlich. Maschinen der Beschäftigten verändern. Der Wandel haben andere Stärken. Sie können bei- in der Arbeitswelt vollzieht sich, aber er spielsweise schwere Gewichte halten oder lässt sich gestalten. Eine zentrale Rolle einen konstanten Anpressdruck sicherstel- nimmt der Bereich Bildung ein. Ob Aus-, UNSERE KAMERAS SIND DESHALB PERFEKT KOMPATIBEL, WEIL WIR SELBST TEAMPLAYER SIND. IDS – PEOPLE INSIDE! Industrial cameras made by people. 7 www.ids-imaging.de
future manufacturing Mensch und Maschine im Team PATRICK SCHWARZKOPF Enger und intensiver werden Mensch und Maschine schon in naher Zukunft zusammenarbei- ten als jemals zuvor. Diese Zusammenarbeit wird körpernäher, intuitiver und intelligenter sein. Das bietet neue Möglichkeiten, die Arbeit der Zukunft zu gestalten, die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine neu zu denken und Arbeitsplätze zu verbessern. Es geht dabei um gute Arbeit der Zukunft. Foto: Kuka M it ihren blitzschnellen Bewegun- gen arbeiten Roboter besonders effizient. Das tun sie meist hin- ter Schutzzäunen, damit die Menschen in der Fabrik von den schnellen Bewegungen der stählernen Arme geschützt bleiben. Die Arbeitsbereiche des Roboters und des Menschen blieben bisher strikt voneinan- der getrennt. Doch nun schlägt die Robo- tik ein neues Kapitel auf und installiert sichere Roboter, die direkt mit dem Werker in einem gemeinsamen Arbeitsbereich zu- sammenarbeiten. Damit wird der Roboter zum maschinel- len Kollegen, der Gegenstände anreicht, das Gewicht schwerer Werkstücke auf- nimmt oder für den konstanten Anpress- druck beim Einkleben sorgt. Der Mensch bringt seine einzigartige Feinfühligkeit ein, sein – oft unbewusstes – Erfahrungs- Die Zusammenarbeit wird immer enger. wissen und seine überragende Flexibilität. Das Beispiel der Mensch-Roboter-Kolla- boration verdeutlicht die Chancen, die manuelle Verrichtung von Produktions- neue Kombination von Mensch und Ma- in einer engeren Verschränkung typisch schritten einen gravierenden Nachteil: schine wird die menschliche Arbeit wett- menschlicher und typisch maschineller Absolute Fehlerfreiheit oder 100-Prozent- bewerbsfähiger und hat eine glänzende Fähigkeiten liegen. Es geht nicht um die Qualität – wie sie gerade bei sicherheits- Zukunft. Ersetzung der menschlichen Tätigkeit, son- kritischen Produkten unerlässlich ist – dern um deren Aufwertung. kann man mit ihr nicht erreichen. Ein Befähigung zur anspruchsvollen Arbeit Bei allen Vorteilen vollautomatischer Nachteil, der sich durch den Einsatz von Produktionsprozesse, bleibt Handarbeit un- bildverarbeitungsbasierenden Assistenz- Die Erkenntnis, dass uns die Arbeit nicht erreicht, wenn es um die Anpassungs- systemen überwinden lässt. Fehler wer- ausgehen wird, setzt sich immer mehr fähigkeit bei kleinen Losgrößen sowie um den automatisch und sicher erkannt, der durch und wird auch von wissenschaft- Flexibilität und Fingerfertigkeit geht. Doch menschliche Werker kann den Fehler so- lichen Analysen gestützt. Die großen „Irren ist menschlich“, und so hat die fort beheben. Das Ergebnis: Durch diese Automatisierungswellen der Vergangen- 8
future manufacturing heit führten über Produktivitätsgewinne schon in wenigen Jahren in Deutschland volles neues Werkzeug verfügbar, mit dem zu immer höherem Output und immer pro Jahr 10.000 neue Mitarbeiter ein- sich vieles optimieren lässt: die Qualität höherwertigen Produkten, was wiederum stellen.“ von Produkten, die Verbesserung von Pro- neue Arbeitsplätze schuf. Dieser fortwäh- Dem befürchteten Arbeitskräfteman- zessen, die Verhinderung von Fehlern und rende dynamische Prozess der „Creative gel kann begegnet werden: Mit Techno- die Ressourceneffizienz. Die künstliche In- Destruction“, bei dem Maschinen mensch- logie, die Arbeitsplätze ergonomischer telligenz ersetzt die menschliche nicht, liche Arbeit ersetzen, aber gleichzeitig an macht, die Arbeitskraft so lange wie mög- sondern verstärkt sie. Sie hilft, Antworten anderer Stelle neue Arbeitsplätze schaf- lich erhält und maschinelle und mensch- zu finden, aber sie kann nicht die richtigen fen, erfordert auch die ständige Qualifizie- liche Stärken optimal kombiniert. Die Fragen stellen – das bleibt die exklusiv rung und Weiterbildung der Menschen. Mensch-Roboter-Kollaboration weist den menschliche Domäne. Die schlauen Ma- Sie benötigen immer höhere Qualifika- Weg. Als Vorreiter ist die Automobilindus- schinen nehmen dem Menschen das Den- tionen und müssen mit immer höherer trie bereits eifrig dabei, die Möglichkeiten ken nicht ab, sondern sie helfen, intelli- Komplexität umgehen. Unter dem Strich in verschiedenen Einsatzfeldern wie der gentere Entscheidungen zu treffen. sinkt die Beschäftigung nicht, doch die körperlich anstrengenden Über-Kopf-Mon- Gefahr besteht, dass nicht alle den stei- tage zu erproben. Vielleicht kommt schon Kommunizieren statt bedienen genden Anforderungen gerecht werden bald der Roboterbizeps: Kraftverstärkende können. Exoskelette befinden sich in der Erprobung. Social Robotics schicken sich an, Maschi- „Was passiert mit den Geringqualifi- nen menschliches Sozialverhalten beizu- zierten?“ lautet die oft gestellte Frage. Maschinen werden schlauer bringen. Durch die Imitation von Gefühlen Hier kann die engere Verbindung von und menschlicher Verhaltensweisen soll Mensch und Technologie neue Wege er- Wir sind es gewohnt, dass Maschinen ihre die Schnittstelle zwischen Mensch und öffnen, die weniger Qualifizierten zu befä- Aufgaben schnell und zuverlässig erledi- Maschine natürlicher, intuitiver und effek- higen, den Umgang mit höherer Komple- gen, auch dass ihre Aktionen vorprogram- tiver gestaltet werden. Maschinen erken- xität zu meistern. Denkbar sind körpernah miert und vorhersehbar sind. Doch nun nen, wie der Mensch sich gerade fühlt – getragene Geräte, Datenbrillen und intel- halten die mit Intelligenz ausgestatteten genervt oder glücklich, erschöpft oder fit. ligente Assistenzsysteme aller Art. Das Geräte Einzug in den Alltag und in die Die Maschinen erhalten auch ein könnte die Chance sein, in höherwertigere Fabriken. Sie sind mit einem begrenzten menschliches Gesicht: Auf dem Display Arbeit einzusteigen. Ein vielversprechen- Grad an Autonomie ausgestattet. Plötz- signalisiert der Mundwinkel nach oben den der Ansatz. lich erzielen die neuronalen Netze und das reibungslosen Betriebszustand. Es geht Zahlreiche Volkswirtschaften müssen maschinelle Lernen dank der verfügbaren dabei allerdings nicht um die Herstellung sich der Herausforderung einer alternden Rechenleistung und Big Data spektakuläre einer emotionalen Bindung: Es muss zu Gesellschaft stellen. In Deutschland geht Durchbrüche. jeder Zeit unterscheidbar bleiben, wer die Baby-Boomer-Generation in wenigen Das ist die gute Nachricht: Automati- Mensch und was Maschine ist. Es geht Jahren in den Ruhestand. Schon 2015 ver- sierung lässt sich nicht nur nutzen, um darum, intuitiver, natürlicher und ange- kündete der damalige VW-Personalvor- repetitive Verrichtungen zu erledigen. Sie nehmer mit den Maschinen zu kommuni- stand Dr. Horst Neumann: „Um die Rent- dient zur Entdeckung bisher unerkannter zieren. Auch das wird ein Teil der neuen nerabgänge aufzufangen, müssten wir Zusammenhänge. Dadurch ist ein wert- Nähe zwischen Mensch und Maschine sein. l Patrick Schwarzkopf Foto: ABB Geschäftsführer VDMA Robotik + Automation Automatisierung hilft auch bei der Entdeckung bisher unbekannter Zusammenhänge. 9
future manufacturing Adaptive Automation: Mit 3D-Daten zum autonomen Roboter HEIKO SEITZ Bisher waren Roboter „blinde“ Befehlsempfänger, die vorgegebenen und fest definierten Bahnen folgten. Mittels 3D-Daten können sich Roboter der jeweiligen Situation adaptiv anpassen und auf ihre Umgebung reagieren. Ein Versprechen wird Realität. Der Roboter wird zu einem autonom anpackenden Mitarbeiter. D ie Vorteile: Schnelle Umrüstzeiten, kostensparend, aber langsam und nicht Paletten oft verdreht oder durch restliche hohe Varianz von Werkstücken, ein- prozessstabil. Gussrückstände schief stehen. Dieser „Griff faches Teach-in, vereinfachte Tei- Die Entwicklung von 3D-Kameras und in die Kiste“ (Bin-Picking) und das lage- lezuführung bei gleichbleibend hohem 3D-fähiger Software eröffnet der Branche richtige Übergeben von Teilen waren für Automatisierungsgrad. Jeder Prozessschritt die Erschließung ganz neuer MachineVi- die Robotik eine deutliche Herausforde- durchdacht, alle Eventualitäten ausge- sion-Technologien. Durch 3D-Vision kön- rung. Der Freiburger Systemintegrator Isys schlossen. nen Aufgaben gelöst werden, die mit 2D Vision entwickelte dafür eine Lösung: eine Durch Automatisierung kann sehr effi- nicht realisierbar sind. konfigurierbare Robotersteuerung mit ei- zient mit hohen Stückzahlen gefertigt Ein Roboter entnimmt sicher und zu- gener Bahnplanung und Kollisionsprüfung. werden. Hohe Spezialisierung verbessert verlässig unsortiert und überlagernd lie- Mit einer eigenen inversen Kinematik die Effizienz weiter. Die Flexibilität und gende Rohr-T-Stücke direkt aus einer klei- werden die Gelenkwinkel der Roboter- schnelle Umrüstung dieser spezialisierten, nen Transportkiste. Ein anderer Roboter arme für Greifpositionen oder Verfahr- aber kostspieligen Anlagen bleibt auf der depalettiert große Alugussteile direkt auf wege berechnet. Ausgangspunkt für die Strecke. Schnell eine kleine Serie alternati- ein Förderband. Feinfühlig findet sein ro- komplexen Berechnungen sind 3D-Infor- ver Teile fertigen, rechnet sich nicht. Jeder buster Greifer sicheren Griff. Schon beim mationen wie die Werkstückform, die Prozessschritt müsste angepasst werden. ersten Versuch ohne die geringste Kolli- Position, die Lage oder eine virtuelle Ab- Kleinserien werden oft mühselig in Hand- sion mit dem Werkstück. Obwohl die Teile bildung der Umgebungssituation. Eine arbeit produziert und gefertigt. Flexibel, auf den gebrauchten oder schmutzigen Vielzahl marktüblicher Roboter können Fotos: IDS Die Fähigkeit zum Griff in die Kiste macht den Roboter zum Kollegen. 10
future manufacturing Die klassischen Verfahren wie Time-of- licht und erlaubt kurze Belichtungszeiten. flight (TOF), Stereo Vision oder Lasertrian- Schon mit ein bis zwei Bildpaaren sind gulation lassen sich nur als Vorauswahl 3D-Auflösungen von wenigen Millimetern gegeneinander abwägen. Denn viele der möglich. Mit kurzen Belichtungszeiten, we- eingesetzten 3D-Kameras sind Hybridsys- nigen Bildaufnahmen und sehr schnellen teme und setzen mehrere Verfahrens- Stereobild-Matching-Algorithmen sind 3D- merkmale ein, um ein breiteres Einsatz- Daten schon nach etwa 500 Millisekun- Mit variabler Baseline und einem spektrum abzudecken und die Ergebnisse den bereit zur weiteren Verarbeitung. Da- starken Texturprojektor lassen sich Arbeitsabstände bis fünf Meter zu verbessern. mit sind sehr hohe Taktzeiten im Material- realisieren. Dadurch können Objekte Isys Vision verwendet für Bin-Picking handling möglich. mit einem Volumen von mehreren Kubikmetern wie hoch beladene und Material-Handling 3D-Stereovision- Weitere Vorteile durch den Einsatz von Paletten oder komplette Räume Kameras von Ensenso. Diese bestehen aus zwei Flächenkameras liegen auf der Hand. erfasst werden. zwei Flächenkameras, die nach dem Prin- Neben der 3D-Datenerhebung durch die zip der Stereovision arbeiten, in Verbin- Stereovision können mit dem Rohbildma- dung mit einem leistungsstarken Pattern- terial der Flächenkameras auch Referenz- projektor, um selbst von Werkstücken mit merkmale einer Szene erfasst und zur über diese Lösung gesteuert werden und schwierigen Oberflächen robuste 3D-Da- stetigen Nachjustierung des maschinellen machen langwieriges Programmieren über- ten zu erhalten. Dabei eignen sich die Sehens verwendet werden. Die Prozess- flüssig. Teilewechsel sind schnell realisiert, kompakten Kameras der einen Serie vor ergebnisse bleiben konstant und robust. so dass auch die Produktion von Klein- allem im Nahbereich und werden meist Wiederkehrende Kontrolle beziehungswei- serien mit diesem robotergestütztem Ma- direkt am Kopf des Roboters als mobiles se aufwendiges Rekalibrieren des Stereo- terial-Handling ermöglicht wird. Auge eingesetzt. Das neue 3D-System der vision-Systems ist nicht mehr notwendig. anderen Serie kann mit der flexiblen Mit Fähigkeiten wie Bin-Picking und la- 3D-Kameras erfassen die Situation Baseline sehr variabel mit verschiedenen gerichtiger Teilezuführung kann die Robo- Kameras von IDS Imaging Development tik in Zusammenarbeit mit der Isys-Vision- Ausschlaggebend für die optimale Steue- Systems GmbH aus größeren Abständen Lösung und Ensensos 3D-Kameras die rung des Roboters sind die Ausgangs- große Volumen erfassen. Es eignet sich Lücke zur adaptiven Automation schlie- daten. Je nach Projekt und Anwendung optimal für unsortiertes Material-Hand- ßen. Selbst Kleinserien können damit entscheidet sich der Integrator für eine ling aus großen Gitterboxen. Durch die einfach und kosteneffizient automatisiert geeignete 3D-Kamera-Technologie. Dabei 100Watt-Leistung erzeugt das LED-Licht werden. l spielen neben der generellen Eignung des des Projektors auch bei Arbeitsabständen Verfahrens sowohl Kosten als auch Ge- von fünf Metern noch feinste Texturen Heiko Seitz nauigkeit, Geschwindigkeit und robuste auf der Werkstückoberfläche. Dadurch ist IDS Imaging Development Systems GmbH Datenerhebung eine Rolle. das System unabhängig vom Umgebungs- D-1098-triflex 210x100M_D-1098-triflex 210x100M 26.04.16 17:04 Seite 1 igus meine-kette ... Energieführen leicht gemacht ... ® Geschlossene Roboterkette – leicht zu öffnen triflex TRCF für höchste Anlagenverfügbarkeit ® l 3-Kammersystem für dicke, steife Schläuche und viele Leitungen l Einfaches Aufklappen mit Schraubendreher l Kürz- oder verlängerbar l jetzt 25% höhere Zugbelastung l Baugrößen 65, 85, 100 Ø Video unter igus.de/triflexTRCF TOC Europe, Amsterdam – Stand E88 15th ASEAN Ports & Shipping 2017, Yagon/Myanmar plastics for longer life ® Auch als fertig konfektioniertes Komplettsystem, inklusive Leitungen mit 36 Monaten Garantie 11 igus GmbH Tel. 02203-9649-800 info@igus.de ®
future manufacturing Leichtbauroboter arbeiten bei Klebeverfahren Hand in Hand mit den Werkern ULRIKE KROEHLING Mensch und Roboter arbeiten beim Maschinen- und Anlagenhersteller Dürr in Bietigheim- Bissingen (Landkreis Ludwigsburg) in der Endmontage ohne trennende Schutzeinrichtungen zusammen. Sowohl zum Kleben von Dachfinnen auf Autokarosserien als auch zum Einkleben von Tanks in die Karosserie kommen sensitive Leichtbauroboter von Kuka zum Einsatz. Sie erhöhen die Qualität des Klebeergebnisses, sparen Zeit und senken die Stückkosten. Nicht zuletzt profitieren die Kunden von der Platzersparnis durch die kompakte Bauweise und von der einfacheren Handhabung für den Werker. B eim Kleben der Finne legt der Wer- Fotos: Kuka Roboter ker das Werkstück manuell in den Greifer des Roboters, der es ansaugt und zur Klebedüse am Applikationsturm führt. Der Leichtbauroboter fährt die Fin- ne von unten langsam an die Klebedüse heran. „Sollte er dabei auf ein Hindernis stoßen, fährt er dank seiner Fähigkeit zur Kollisionserkennung ein wenig zurück und startet die Bewegung von vorne“, verdeut- licht Dieter Ahlborn, Director APT/Gluing Final Assembly bei der Dürr Systems AG, die MRK-Fähigkeit des Leichtbauroboters. Erst nach drei Versuchen gibt er auf und fährt er in die Ausgangsposition zurück. Ansonsten wird der Klebeprozess gestar- Als Lieferant schlüsselfertiger Anlagen für das automatisierte Kleben entwickelt tet und die Kleberaupe sorgfältig aufge- Dürr für die Automobilindustrie Roboterzellen mit sensitiven Leichtbaurobotern von Kuka. tragen, während der Roboter die Bahn abfährt. Anschließend entnimmt der Wer- ker die Finne am Ausgangspunkt und ver- baut sie am Fahrzeug. Für das automatisierte Tankeinkleben mit dem Leichtbauroboter sieht das An- lagenkonzept einen spezifischen Prozess vor. In der Endmontage führt der Fachar- beiter den Tank mit Hilfe eines Manipula- tors an einen Drehtisch, reinigt ihn, bringt ihn in die richtige Position und übergibt ihn zur weiteren Bearbeitung an den Ro- boter. Damit die Klebedüse nicht eintrock- net, befindet sich die Applikationsdüse in einem Sperrmittelbehälter. Nach einem Signal fährt der Roboter aus dem Behälter in die Grundposition. Beim Einkleben des Tanks in der Endmontage bringt der Facharbeiter den Tank Dort fließt Klebstoff in einen Auffang- mit Hilfe eines Manipulators in die richtige Position und übergibt ihn zur weiteren Bearbeitung an den Leichtbauroboter. behälter und die Klebedüse wird manuell 12
future manufacturing gereinigt. Wenn der Startpunkt am statio- Umorientierung in einem Radius von 360 inf o rmati o nen nären Tank erreicht ist, öffnet die Düse Grad – ohne absetzen zu müssen. Wenn er unter Druck, damit keine Luftblasen ent- seine Arbeit beendet hat, tritt wieder der Über Dürr stehen. Der Roboter trägt dann die Klebe- Facharbeiter in den Mittelpunkt, indem er Die Dürr AG ist ein Maschinen- und An- naht in hoher Gleichmäßigkeit auf den den Tank an der vorgegebenen Position lagenbauer mit Stammsitz im baden- Tank auf und überwacht mittels Sensoren in die Fahrzeugkarosserie einpasst. Dieser württembergischen Bietigheim-Bissingen. am Applikationskopf die passgenaue Hö- komplexe Vorgang erfordert die indivi- In enger Zusammenarbeit mit den Kunden he der Naht. „Zwar ist eine Kleberaupe per duellen Fähigkeiten des Menschen. Der entwickelt Dürr mit 16.000 Mitarbeitern Handauftrag machbar, doch an die Präzi- Manipulator unterstützt ihn bei ergono- an 92 Standorten in 28 Ländern integrierte sion eines Roboters reicht das Ergebnis misch ungünstigen Bewegungsabläufen. Gesamtkonzepte für hocheffiziente Ferti- gungsprozesse. 60 Prozent des Umsatzes nicht heran“, erklärt Ahlborn. Eine roboter- Obwohl Zäune und Einhausungen bei entfallen auf das Geschäft mit Automobil- basierende Lösung kann – im Gegensatz beiden Klebeprozessen fehlen, sind die herstellern und -zulieferern. Als Lieferant zu einem Linearportal – die dreidimensio- Sicherheitsanforderungen hoch. Das ge- schlüsselfertiger Anlagen für automati- nale Komplexität der Raupengeometrie samte Sicherheitskonzept erfüllt strenge sierte Klebeprozesse entwickelt Dürr für abbilden. Vorgaben und Normen, die auf einer Ri- die Automobilindustrie Roboterzellen mit Ein MRK-fähiger Roboter klebt dank sikobewertung basieren. Dazu wird bei- Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK). seiner siebten, mitdrehenden Achse ohne spielsweise der Roboter so platziert, dass www.durr.com der direkte Kontakt mit dem Menschen möglichst minimiert wird. Zudem muss der Roboter innerhalb von Millisekunden abschalten, sobald eine Berührung regis- triert wird. Das Konzept für die Klebezellen ist so ausgelegt, dass der Roboter grundsätzlich unterhalb des Kopf- und Brustbereichs des Werkers agiert. Die Applikationstechnik, bestehend aus dem Leichtgewicht-Appli- kator und dem Leichtbauroboter, ist groß- flächig, weich und abgerundet gestaltet, so dass bei der Berührung des Roboters nur geringe Kräfte wirken. „Wir liefern die Anlagentechnik für die neue Mensch- Beim Kleben der Dachfinne legt der Werker das Werkstück manuell in den Greifer Roboter-Kollaboration komplett aus einer des Leichtbauroboters, der es ansaugt und zur Klebedüse am Applikationsturm Hand“, sagt Ahlborn. führt. MRK-Systeme sind ein beherrschendes Thema in der Automobilindustrie. „Im Be- reich Kleben sind bereits zehn Anlagen verkauft“, verrät Ahlborn. Die erste Anlage mit der Tank-Applikation hat der erste Kun- de vor einem Jahr in Betrieb genommen. Bei Dürr schaut man daher optimistisch in die Zukunft. „Mit unseren MRK-fähigen Lösungen mit dem dem Leichtbauroboter von Kuka hoffen wir auf weitere Aufträge“, so Ahlborn. Zudem arbeitet man in Bie- tigheim-Bissingen an MRK-Lösungen zum roboterbasierenden Kleben von kleinen Scheiben und anderen Bauteilen. l Ulrike Kroehling KUKA Roboter GmbH 13
future manufacturing Future Work Lab präsentiert und vermittelt die Industriearbeit der Zukunft Thilo Zimmermann Die Digitalisierung der Produktionsarbeit ist bereits in vollem Gange. Deshalb stellen sich neue Fragen: Wohin entwickelt sich unsere Arbeit? Wie kann das Potenzial zum Beispiel von Robotik, Exoskeletten oder Montageassistenten optimal für die Arbeit eingesetzt werden? Innovative Ansätze bietet das Future Work Lab. In dem Innovationslabor für Arbeit, Mensch und Technik bündeln die Fraunhofer-Institute IAO und IPA sowie das IAT und IFF der Universität Stuttgart ihre Kompetenzen rund um Industrie 4.0. D ie Industriearbeit verändert sich. nisation und Gestaltung von Arbeit. Der und motivierender zu produzieren, son- Die Digitalisierung und die intel- Bedarf an Flexibilität und Mobilität steigt. dern bringen auch oft disruptive Innova- ligente Vernetzung von Mensch, Unternehmen suchen deshalb neue tionen und ganz neue Geschäftsmodelle Maschine und Objekt erreichen Wissens- Wege, um einerseits ihre Mitarbeiter für mit sich. Um sich in diesem dynamischen arbeit, Produktionsarbeit, Dienstleistung die digitale Arbeitswelt zu qualifizieren Marktumfeld auf Dauer zu behaupten, und deren Schnittstellen. Als Reaktion auf und andererseits das Potenzial neuer Tech- sollten Unternehmen ihre Innovations- diese Entwicklung verändern sich sozio- nologien optimal einzusetzen. Diese bie- prozesse systematisch angehen und stra- technische Arbeitssysteme sowie die Orga- ten nicht nur die Chance, schneller, besser tegisch verankern. Fotos: Fraunhofer IPA/Rainer Bez 14
future manufacturing Arbeit verändert sich, sie wird schnel- reicht dem Werker das Bauteil ergono- kn o w - h o w ler, dynamischer und flexibler. Daraus ent- misch an. stehen neue Formen der Mensch-Maschine- Zum Thema Robotik gehört ein weite- Über das Innovationslabor Interaktion. „In unserem Innovationslabor rer Demonstrator, der eine neue, einfache Das Future Work Lab arbeitet unter Lei- wollen wir den Menschen diesen Transfor- Form der Roboterprogrammierung vor- tung des Fraunhofer IAO im Forschungs- mationsprozess anhand von konkreten führt. Die am Fraunhofer IPA entwickelte campus Arena2036. Regelmäßig finden Demonstratoren zeigen und so den anste- Software „drag&bot“ ermöglicht, Roboter- „Open Lab Days“ statt. An diesen Tagen henden Wandel erlebbar machen“, erklärt programme künftig per „Drag & Drop“ zu öffnet das Future Work Lab für angemel- Prof. Wilhelm Bauer, Institutsleiter des erstellen: Der Programmablauf wird durch dete Besucher, die die Demonstratoren Fraunhofer IAO. das Auswählen und Zusammenstellen ein- live erleben können. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für „Das Future Work Lab versteht sich als zelner Programmbausteine definiert. Diese Bildung und Forschung. Ideengeber, wie die Arbeit der Zukunft in Programmbausteine, so genannte Skills, Unternehmen aussehen kann“, fasst der sind Funktionen wie eine Roboterbewe- Institutsleiter des Fraunhofer IPA, Prof. gung, das Schließen des Greifers oder das Thomas Bauernhansl, zusammen, „in un- Lokalisieren eines Werkstücks. Der Vorteil serer Demonstratorenwelt können produ- gegenüber bisherigen Verfahren: Skills sind zierende Unternehmen und deren Mitar- herstellerunabhängig, wiederverwendbar, beiter die Industriearbeit der Zukunft live und sie verbergen die Komplexität des Ro- erfahren und testen, wie die digitale Trans- boterprogramms vor dem Anwender. Zu- formation die Arbeit verändern wird.“ Mit dem können sie hierarchisch angeordnet greifbaren Demonstratoren, Angeboten und zu komplexen Skills gruppiert wer- zur Kompetenzentwicklung und Weiter- den. Dieser effiziente Ansatz vereinfacht bildung sowie einer Plattform für den Programmieraufwände erheblich. wissenschaftlichen Austausch richtet sich Darüber hinaus zeigen die Demonstra- das Future Work Lab an Industrie, Gewerk- toren zahlreiche weitere Innovationen für schaften, Politik und Wissenschaft – und die künftige Industriearbeit, beispielswei- ganz zentral an die Produktionsmitarbei- se einen personalisierten Montagearbeits- ter von heute und morgen. platz mit dem Montageassistenzsystem Active-Assist von Bosch Rexroth. Diese aus Vielfältige Demonstratorenwelt Hard- und Software bestehende Lösung verbindet einen realen Montagearbeits- Mit der Software „drag&bot“ lassen Die Demonstratorenwelt zeigt, wie die Ar- platz mit der virtuellen Welt der Infor- sich Roboter auf neue, intuitive Weise auch ohne Expertenwissen beitswelt der Zukunft aussehen kann. Ein mationstechnologie. Anwender können je programmieren. wichtiges Thema ist beispielsweise die nach Aufgabenstellung eine Vielzahl ver- Mensch-Roboter-Kollaboration, die auch schiedener digitaler Assistenten mitein- mit Schwerlastrobotern möglich ist. Dabei ander kombinieren. unterstützt der Roboter den Werker be- Im Future Work Lab identifiziert Active- tenvisualisierung in der Produktion, intel- ziehungsweise ermöglicht ihm das ermü- Assist das jeweilige Werkstück und ruft ligente Sensorik zur aktiven Unfallpräven- dungsfreie Heben und feinfühlige Hand- den zugehörigen Arbeitsplan ab. Danach tion oder Unfallerkennung im Notfall bis haben schwerer Lasten. An dem Arbeits- führen digitale Assistenten die Mitar- hin zum Einsatz eines Exoskeletts, also platz wird ein Massedurchflussmesser beiter durch die Montage und projizieren einer am Körper getragenen Hebehilfe. montiert. Eine mehr als zehn Kilogramm per Beamer die Arbeitsanweisungen auf Auch den Einsatz von Augmented Reality schwere Gehäusehaube muss auf den einen Arbeitstisch. Leuchtdioden an Bau- für einen effizienten Entwicklungsprozess Sensor gefädelt und verschweißt werden. teilbehältern, so genannte Pick-to-Light- können Besucher des Future Work Labs Beim Schweißvorgang dient der Roboter und Pick-to-Beamer-Module, markieren erleben. l zudem als universelle Vorrichtung und eindeutig, welche Bauteile der Mitarbei- ter als nächstes greifen soll. Kameras und Thilo Zimmermann Ultraschallsensoren überprüfen die Arbeits- Projektleiter des Future Work Lab Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik schritte und helfen den Mitarbeitern, bei und Automatisierung Fehlern Korrekturmaßnahmen einleiten zu können. Optische, nicht trennende Schutzeinrichtungen und Weitere Demonstratoren reichen von der Einsatz eines Schwer- einem komplett kabellosen Arbeitsplatz lastroboters ermöglichen wandlungsfähige Produk- über neue Methoden zur Qualifizierung tionsszenarien. der Arbeitnehmer, Tools zur Echtzeitda- 15
future manufacturing Next Level: Automatisierung dank Machine Learning UTE HÄUSSLER Die Umschlagvolumina im B2C- und B2B-Warenversand wachsen seit Jahren und bringen Anlagen und traditionelle Technologien in allen Industrien an ihre Grenzen. Vor allem die schwierige Sortierung unterschiedlicher Objekte verbraucht manuelle Ressourcen, dauert lang, ist fehleranfällig und verursacht hohe Kosten. Bildverarbeitung gepaart mit künstlicher Intelli- genz hilft komplexe Sortiervorgänge direkt am Förderband zu automatisieren. M it Bildverarbeitung erhobene der verschiedenen Größenklassen und selbst in Kategorien einteilen. Diese Klas- Daten ermöglichen Machine Formen, der Vielzahl der verwendeten Ver- sifizierungen finden durch die Anwen- Learning als nächsten Evolu- packungsmaterialien sowie der Stapelung dung eines neuronalen Netzes statt. Das tionsschritt der Automatisierung in indus- und Häufung der Pakete auf dem Förder- neuronale Netz stellt einen mehrstufigen, triellen Sortierprozessen. Die „sehenden band sind die einzelnen Pakete mit her- rechenaufwendigen Prozess dar, der Da- Maschinen“ lernen mit kognitiven Prozes- kömmlichen Technologien nicht erfassbar. ten über mehrere Stufen separiert und so sen anhand großer Datenmengen selbst, Der Sortiervorgang ist daher auch bei die Klassifizierungen vornimmt. Die intel- ob beispielweise ein bestimmtes Objekt hohen Umschlagvolumina oft noch stark ligente Leistung des Algorithmus liegt beschädigt ist, wie es klassifiziert und sor- manuell geprägt. Dies führt zu hohen darin, dass er Bildmuster erkennt und an- tiert werden muss und ob es korrekt ver- Kosten sowie zu langsamen und fehler- hand der vorher getätigten Klassifizierung schlossen ist. Mit der erlernten künstli- anfälligen Sortiervorgängen. lernt, warum und anhand welcher Merk- chen Intelligenz können die „sehenden Hier hilft Machine Learning. Die Me- male diese Klassifizierung existiert. Die und denkenden Maschinen“ logistische thode verleiht einem Algorithmus selbst- Maschine lernt in diesem Fall, anhand Prozesse vollautomatisiert steuern. lernende Fähigkeiten. Dazu bekommt er welcher Parameter ein Paket als Paket ein- Für Intralogistiker aller Branchen mit zunächst eine hohe Anzahl an Bilddaten, zustufen ist. Damit kann der Algorithmus hoher Warenvielfalt, große E-Commerce- zum Beispiel zehntausende Bilder von auf zukünftige einzelne Objekte selbstständig Versender sowie Versand- und Paket- einem Förderband gestapelten Objekten. klassifizieren. dienstleister ist die Sortierung unter- Für den Computer bedeutet dies zunächst Machine Learning kommt zum Einsatz, schiedlichsten Sendungen zur korrekten Chaos. Anschließend werden die Bildda- wo die bildgebende oder taktile Sensor- Weiterverarbeitung eine der größten Her- ten durch einen Menschen vorklassifiziert. technik ihre Grenzen erreicht. Beispiels- ausforderungen. Uneinheitliche Verpackun- Dem Algorithmus wird gesagt „Das ist ein weise in der Sortierung von stark diversi- gen machen eine maschinelle Sortierung Paket“ und anhand individueller Merk- fizierten Objekten. Mit 3D-Scannern wäre fast unmöglich. Aufgrund der Vielzahl male kann er die Objekte anschließend eine Identifizierung der Form unzureichend und bei niedriger Geschwindigkeit mög- lich. Für eine angeschlossene Anlage mit Greifroboter bedeutet dies potenzielle Sor- Foto: Framos tierungenauigkeiten, Fehlleitungen, Anla- genausfälle, Wartezeiten und eine aufwen- dige manuelle Nachbereitung. Machine Learning gesteuerte Anlagen dagegen er- kennen anhand des gelernten Klassifika- tions-Schemas die Objekte und deren Form exakt und der Roboter kann die Sortiervor- gänge vollständig maschinell und in er- höhter Geschwindigkeit durchführen. Die Daten werden von einem Kamera- system erfasst und in einer lokalen Rechen- einheit analysiert. Der Algorithmus sieht Mit Bildverarbeitung, angereichert durch künstliche Intelligenz, steht eine vollintegrierte das Bild, prozessiert, ob und welche seiner automatisierte Industrie-4.0-Lösung mit Machine Learning zur Verfügung. gelernten Muster er erkennt und kann 16
steute Wireless future manufacturing damit den Sortiervorgang komplett auto- matisch steuern beziehungsweise Hand- lungsbefehle an die nachgelagerten Sys- temschritte triggern. Gleichzeitig lernt der Algorithmus mit jedem Bild weiter und verfeinert seine Kriterien. Mit Bildverar- beitung, angereichert durch künstliche In- telligenz, steht Unternehmen mit hohen Umschlagvolumina und aufwendigen Sor- tiervorgängen eine vollintegrierte automa- tisierte Industrie-4.0-Lösung mit Machine Learning zur Verfügung. Die Nutzung der dabei erfassten Daten ermöglicht erstmals eine lückenlose Ana- lyse der gesamten Sortierzyklen und der nachgelagerten Prozessschritte. Dabei gilt die in vielen Branchen sehnsuchtsvoll angestrebte Losgröße 1 als Standard. In automatisierten Sortierprozessen werden im wahrsten Sinne des Wortes am lau- fenden Band Echtzeit-Entscheidungen auf unvorhersehbare Ereignisse mit ständig wechselnden Kriterien getroffen. Eine auf- wendige Vorsortierung oder Vor-Klassifi- zierung kann wegfallen. Die mit Machine Learning erweiterten Bildverarbeitungs- algorithmen versetzen die Anlagen in die Lage, selbstständig valide Entscheidungen zu treffen. Damit rückt das Ziel der Null- Fehler-Logistik sowie eine präventive Feh- lervermeidung in greifbare Nähe. Mit den riesigen Datenmengen der intelligenten Algorithmen lassen sich verlässlichere Pro- gnosen bilden. Neue Freiheiten entdecken Mit Machine Learning steuert die Bild- verarbeitung in der Wertschöpfungskette eine intelligente Handlung und lässt sich als strategischer Vorteil nutzen. Mit dem umfangreichen Sammeln und Bewerten von Bilddaten wird ein zuverlässiges und autonomes maschinelles Handeln mög- lich und erzeugt innerhalb der Automati- sWave.NET® sierung und Industrie 4.0 eine zusätzliche wirtschaftliche Bedeutung. Plötzlich lassen sich Zusammenhänge bilden und Erkennt- Intelligente Funknetzwerke nisse ableiten, die vorher unsichtbar wa- ren. Die Bildverarbeitung avanciert so vom Über sWave.NET® kommunizieren bloßen Inspektor zum Produktionsopti- Ihre Maschinen und Anlagen per Funk und direkt mierer und kann mit diesem Beratungs- mit den IT-Plattformen Ihres Unternehmens: charakter und dessen strategischer Rolle zuverlässig, flexibel und ohne Umweg. ihr volles Potenzial entfalten. l Ute Häußler Weitere Informationen unter www.steute.com Corporate Communications FRAMOS GmbH 17
ROBOTERGREIFER On Robot On Robot, dänischer Hersteller von Robotergreifern, profitiert vom industrieübergreifenden Einsatz kollaborativer Roboter- arme. So steigt die Nachfrage nach den flexiblen, sicheren und benutzerfreundlichen Zwei-Finger-Greifern. Der Hersteller der RG2-Gripper hat sich auf flexible, benutzerfreundliche Greifer spezialisiert, die ohne vorherige Programmierkenntnisse ein- fach zu installieren sind. On Robot ist ein weiteres Unterneh- men aus dem Robotik-Valley in Odense, DänemarkDie Greifer von On Robot zeichnen sich durch eine schnelle und einfache Integrationsphase aus. www.onrobot.com MENSCH-ROBOTER-KOLLABORATION Pilz Echte MRK kommt ohne trennende Schutzzäune zwischen Mensch und Roboter aus. Wie dies sicher umgesetzt werden kann, zeigt Pilz am Beispiel einer nach dem Prinzip der Leistungs- und Kraft- begrenzung und komplett mit Produkten aus dem Portfolio von Pilz abgesicherten MRK-Applikation. Hier kommen zwei Produkte für die sichere MRK zum Einsatz. Mit dem innovativen Kraft- und Druck- messsystem Probms bietet Pilz ein komplettes Pa- ket für die Validierung von MRK-Applikationen an. Im Set enthalten ist ein Kollisionsmessgerät gemäß ISO/TS 15066. Auch der Safety Laser Scanner Psenscan unterstützt Anwender von Roboterapplikationen: Im Gegensatz zur Absicherung durch Lichtgitter überwacht er permanent den gesam- ten Gefahrenbereich. www.pilz.com AUTOMATISIERUNG Rethink Robotics Intera 5 von Rethink Robotics ist eine Softwareplattform, die alles von einem ein- zelnen Controller aus vernetzt. Die Plattform ermöglicht neue Einsatzmöglichkei- ten des flexiblen Roboters Sawyer in der gesamten Arbeitszelle. Zudem erleichtert sie die Automatisierung, weil Sawyer einfacher eingearbeitet werden kann. Auf Grundlage des Train-by-Demonstration-Prinzips ebnet Intera 5 den Weg für ver- netzte Produktionsumgebungen. Die Plattform ist ein neuer Ansatz für die Auto- matisierung, mit dem Unternehmen ihre Roboter steuern und Daten sammeln können für Einsatzbereiche, die bisher nur schwer automatisiert werden konnten. www.rethinkrobotics.com 18
SCHWERLASTHANDLING Demag Die Demag-Komponenten mit Batterietechnik ermöglichen den Trans- port von schweren Lasten ohne externe Energiezuführung und -versor- gung. Damit wird die Voraussetzung für ein flexibles Schwerlasthand- ling geschaffen. Das Fahrwerk besteht aus vier Fahreinheiten aus dem Demag-Systembaukasten mit DRS-Radblöcken und integrierter An- triebseinheit sowie der zugehörigen Steuerung. Die Onboard-Ladeein- heit sorgt für die Aufladung der Batterie in der Versorgungszone. Die Ladeeinheit arbeitet sowohl mit robusten Blei-Säure-Batterien als auch mit leistungsstarken Li-Ionen Batterie zusammen. www.demagcranes.de SPRACHSTEUERUNG Tablet Solutions Das Wiener Startup Tablet Solutions hat Workheld, die Field-Manage- ment-Software mit intelligenter Sprachsteuerung, auf den deutschen Markt gebracht. Mit dem Sprachassistenten (Voicebot) können Techni- ker Anweisungen erhalten oder Probleme dokumentieren, ohne das Tablet anzufassen. Die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine verschwindet, und Sprache wird zur neuen Interaktionsform. Bei Tablet Solutions steht der mobile Techniker im Vordergrund. Er braucht ein robustes Device, eine selbsterklärende Bedienung und aktuelle Informationen zur Auftragsabwicklung. Die intelligente Sprachsteuerung wird gezielt eingesetzt, um den Arbeitsprozess zu vereinfachen. www.workheld.com MENSCH-MASCHINE-KOLLABORATION ABB SafeMove2 ist die neueste Generation der sicher- heitszertifizierten Software von ABB zur Überwa- chung von Roboterbewegungen. Die Software bie- tet mehr Flexibilität, größere Platzersparnis sowie moderne Inbetriebnahme-Tools für mehr Produk- tivität bei geringeren Gesamtinvestitionskosten. Sie vereinfacht Produktionsszenarien und bietet Tools, die eine schnellere Inbetriebnahme sowie Einrichtung und Validierung von Anlagen erlauben. Die Effizienz und Flexibilität, die durch verbesserte Lösungen zur Mensch-Maschine-Kollaboration gewonnen werden, sind ein Beitrag zu Industrie 4.0. www.abb.com 19
future manufacturing Die Logistik im Umfeld von Industrie 4.0 und Smart Factory JOHANNES FOTTNER Die Vision für eine industrielle Produktion der Zukunft ist stark geprägt von den Gedanken der digitalen Transformation oder Industrie 4.0. Eine entscheidende Komponente, die diese Smart Factorys erst möglich machen wird, sind intelligente Verfahren zur Versorgung von Produktion und Handel mit Hilfe einer schlagkräftigen logistischen Infrastruktur. Innovative Konzepte sind geprägt von der Idee, kleinteiliger, hochflexibler und autonomer Komponenten von Logistik- systemen. D er Wunsch nach hochflexiblen Lö- Flexibilität des Zeitplans und des Layouts Mischung aus automatisierter Technik und sungen ist dabei auch in Verbin- zu benötigen (Transporte in öffentlichen optimalem Einsatz des Menschen – ko- dung mit automatisierter Technik Fluren, Übergabestellen in öffentlichen operativ oder auch kollaborativ. keinesfalls neu: Bereits Anfang der 1970er Bereichen, Nutzung öffentlicher Aufzüge), Der Bereich der fahrerlosen Transport- Jahre begannen Entwicklungsarbeiten, die oft nur manuell darstellbar waren, systeme hat sich über die Jahre und über um bis dahin vorwiegend manuell durch- andererseits auch Personal zu binden, das eine Vielzahl von technologischen und geführte Transporte auf automatisierte für andere, qualifizierte Tätigkeiten drin- organisatorischen Fortschritten zu einem Technik umzustellen. Insbesondere Trans- gend benötigt wurde. heute weithin etablierten System hoher portsysteme im Bereich der kleineren Las- Der Hintergrund damals wie heute ist Zuverlässigkeit innerhalb aller Industrie- ten, zum Beispiel Transport von Dokumen- die Herausforderung automatisierte Sys- bereiche entwickelt. ten im administrativen Umfeld oder der teme mit einem hohen Grad an räum- Im Bereich vollautomatisierter Läger Versorgung von Krankenhäusern, standen licher und kapazitiver Flexibilität auszu- operieren heutzutage bereits vollständig vor der Herausforderung, einerseits hohe statten. Dabei nutzt man vielfach eine sich autonom koordinierende Robots, die Foto: Shutterstock / gualtiero boffi Autonomer, frei verfahrbarer Roboter zur sequenzierten Ein- und Auslagerung. 20
future manufacturing „Der Begriff Industrie 4.0 sich auf ihrem Weg zur Ladungsübergabe matisierungstechnik in Unternehmen, die soweit organisieren, dass bereits von den Stand der Technik. So stand ursprünglich für von stark manuell ge- Fahrzeugen die für die spätere Palettie- hat der Lehrstuhl der die Autonomisierung der prägten auf automa- rung notwendige Sequenz dargestellt TU München für För- Logistik – nach Mechani- tisierte Prozesse um- wird. Das Internet der Dinge und auto- dertechnik Material- stellen, reduziert sich sierung, Elektrifizierung nome Systeme sind im Bereich der tech- fluss Logistik vor eini- durch einen gemisch- nischen Logistik damit bereits zur Realität gen Jahren ein Kon- und Automatisierung – ten Betrieb die Ein- geworden. zept entwickelt, bei im Sinne eines Internets gangsbarriere auf dem Daneben werden auch viele andere dem ein Routenzug der Dinge.“ Weg zur Automatisie- Transportmöglichkeiten zur Versorgung für KLTs in Bahnhöfen rung dramatisch. Tech- M ichael ten H ompel von Produktionsumgebungen im inner- vollautomatisch bela- nisch und auch orga- betrieblichen Bereich verwendet, die nur den wird. Die KLTs wer- nisatorisch bedeutet teilweise oder auch gar nicht automati- den erst am mit Material zu versorgenden dies allerdings meistens einen wesentlich siert sind. Ein in den vergangenen Jahren Produktionsarbeitsplatz das erste Mal in komplexeren Fall, als ein geschlossenes, gerade im Bereich der Versorgung getak- die Hand genommen. Der Fahrer kann sich vollautomatisiertes System. tet organisierter Produktionsumgebun- somit auf seine eigentliche Aufgabe – die Nicht nur die einzuhaltenden Sicher- gen vielfach eingesetztes Prinzip ist der Produktion zu versorgen – konzentrieren. heitsrichtlinien sind für das automati- Routenzug. Ob für Großladungsträger Durch den manuellen Tausch voller KLT sierte System eine technische Hürde, auch (GLT) wie Paletten, Gitterboxen oder gegen Leergut halten sich die notwen- die Sicherstellung, dass sich Menschen Kleinladungsträger (KLT) wie VDA-Behäl- digen Rahmenbedingungen am Arbeits- und Roboter nicht in der effizienten Aus- ter, Kartons, ob automatisiert, teilauto- platz in sehr überschaubaren Grenzen. übung ihrer Tätigkeiten stören, ist eine matisiert oder manuell betrieben – es Solche Konzepte können folglich auch in technische, organisatorische sowie ergo- findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher bestehenden Infrastrukturen leicht umge- nomische und psychologische Herausfor- Konzepte. setzt werden derung. Eine ganzheitliche Denkweise bei Der Automatisierungsgrad hängt viel- Eine der interessantesten Herausfor- der Entwicklung und Auslegung solcher fach nicht vom technisch Möglichen ab, derungen aktuell sind Systeme, in denen Systeme ist unabdingbar. sondern auch davon, welche zusätzlichen Menschen gemeinsam mit Robotern im Die Technische Logistik muss dabei als Aufgaben beispielsweise der Fahrer eines selben Bereich arbeiten (im Beispiel eine interdisziplinäre Funktion Anforderungen Routenzuges erledigen kann oder soll. Kommissionierung mit Magazino Toru aus der Informationstechnik, der Elektro- Dennoch ist auch hier der Einsatz von Auto- und Menschen im Parallelbetrieb). Gerade technik und der Betriebswirtschaftslehre (Organisation und Ablauf) genauso integ- rieren, wie aus dem physischen Material- fluss und der Mechanik. Die Vernetzung Foto: Lehrstuhl fml, TU München über unterschiedliche Grenzen und Denk- strukturen hinweg ist folglich ein wich- tiger Bestandteil von Industrie 4.0 und Future Manufacturing. Der Weg zu einer erfolgreichen Um- setzung dieser Gedanken ist ein Weg über eine anwendungs- und praxistaug- liche Wissenschaft im Verbund mit einer visionären und umsetzungsstarken In- dustrie. l Prof. Dr.-Ing. Johannes Fottner Professur für Technische Logistik TU München Foto: Magazino Oberes Bild: Automatisch beladener Routenzug. Unteres Bild: Toru Cube kann dank seiner Sensoren mit Menschen im selben Arbeitsbereich arbeiten. 21
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