PASSION FÜR'S LAND kompetent - kritisch - verantwortungsbewusst - Top Agrar
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Wir gratulieren ... dem Landwirtschaftsverlag zum siebzigjährigen Bestehen und freuen uns auf eine weiterhin erfolgreiche und gute Zusammenarbeit. www.agravis.de Wir helfen wachsen.
70 JAHRE 3 ES GEHT AUCH SCHON MAL „OHNE“ R ums, da ist es passiert: Dank eines ungeschickten Fahrmanövers ist der Rückspiegel großteils zersplittert und nur noch geringfügig nutzbar. Und dann die Erkenntnis: Es geht auch ohne – solange wir vorwärts unterwegs sind und einigermaßen freie Sicht haben. In Unternehmen wie unserem ist das ähnlich. Ob bei Gefälle oder an Steigungen: Ständiges Schauen in den Spiegel bringt das Ganze nicht wirklich voran. Der Blick muss nach vorn gehen und die „Fahrweise“ muss den vorausliegenden Bedingungen rechtzeitig angepasst werden. Aber es gilt genauso: Immer mit Vollgas unterwegs zu sein ist stark ermüdend. Es braucht auch Pausen zur Erholung und zum prüfenden Blick auf die Karte. So eine kurze Rast haben wir anlässlich unseres 70. Verlagsgeburtstages eingelegt. Mit dieser Sonderausgabe präsentieren wir Ihnen das Ergebnis unserer kleinen Denkpause, die – um im Bild zu bleiben – fast ohne Rückspiegel auskommt und statt- dessen den Blick in verschiedene Richtungen nach vorn wagt. Was wird Sie als Land- wirte, als Konsumenten und natürlich als Nutzer unserer Angebote in den kommenden Jahren erwarten? Worauf setzen namhafte Unternehmer aus dem Agribusiness, was geschieht beim Lebensmittelhandel? Wie sehen die Angebote eines Fachverlages in der Zukunft aus? Wir haben dazu in den letzten Wochen viele spannende Gesprä- che geführt, einige Inhalte daraus finden Sie auf den folgenden Seiten. Wir hoffen, mit dieser Fahrweise weiterhin die rechte Reiseroute zu finden und auch künftig als Agrarverlag No. 1 für Sie da sein zu dürfen. Und wir wünschen Ihnen damit ähnlich viel Vergnügen und Anregungen, wie wir bei der Vorbereitung erlebt haben. Im Dialog mit lauter Menschen, die offensichtlich lieber Windschutzscheiben putzen als Spiegel. Denn die nächste Kurve kommt bestimmt! Herzlichst Ihre Hermann Bimberg Werner Gehring
4 ZAHLEN & FAKTEN CHRONIK 19 4 6 – 2016 Die 70 Jahre Verlagsgeschichte – von der Gründung bis heute – werden nachfolgend mit Jahreszahlen und Ereignissen festgehalten. 1994 Übernahme des 1947 Das Verlagsprogramm Rheinisch-West- 1 wird um das Verlegen fälischen Jägers von Büchern erweitert Beteiligung am ungarischen Land- 1976 9 1989 1996 wirtschaftsverlag mmg (Budapest) Jubiläum: 150 Jahre 8 „Landwirtschaft- Beteiligung am Erste Ausgabe der Agrar-Verlag-Allgäu liches Wochenblatt Gründungsjahr der Zeitschrift „Reiter und Gründung der Max- (AVA) mit dem Westfalen-Lippe“ 7 LV-Druckerei Pferde in Westfalen“ Eyth-Verlagsgesell- „Allgäuer Bauern- 1949 schaft mbH (LV und blatt“ Errichtung DLG) mit Herausgabe einer Niederlas- der „DLG-Mitteilungen“ sung in Österreich 1946 1972 Start des Magazins „top agrar“ mit bundesweiter 1991 1 1995 9 Verbreitung, später Erste Ausgabe des Erstes Erschei- Ausgaben „top agrar Landtechnik-Magazins „profi“, nen des Magazins Österreich“ und später auch mit internatio- „top agrar Öster- 1 9 „top agrar polska“ nalen Ausgaben in Groß- reich-Journal“ sowie internationale britannien, Irland, Russland, (zeitgleich mit Verbreitung dem Baltikum, der Türkei dem EU-Beitritt 9 3 und in Griechenland Österreichs) Beteiligung am Deutschen Übernahme der 1 1948 Bauernverlag (Berlin), mit 8 „Landschriftenverlag dem regionalen Wochenblatt Gründung des GmbH“, Bonn „Bauernzeitung“ in den polnischen neuen Bundesländern Landwirt- 0 Umzug des Verlages schaftsverlags 9 nach Münster-Hiltrup in Posen, ein 1997 (1954 Neubau) Jahr später: Erste Ausgabe 4 Erste Ausgabe der von „top agrar Zeitschrift „Schweinezucht polska“ Erstes Erschei- 1992 Gründung des Landwirtschaftsverlages mit der und Schweinemast“ (SUS) nen der Zeitschrift 6 Lizenz für die Herausgabe des „Landwirtschaftlichen „Hof direkt“ Wochenblatt Westfalen-Lippe“ am Standort (Direktvermark- Steinhagen (Ostwestfalen) tung)
70 JAHRE 5 2 2 014 Einführung der 2 006 Internet-Portale „agripool.de“ und 0 „traktorpool.de“ Erste Ausgabe des Magazins Kauf der polnischen „Einfach Hausgemacht“ 0 2001 Landfrauen-Zeitschrift „Gospodiny“ und Inbetriebnahme der neuen 2 012 Markteinführung des Verlagsgebäude in Münster- Hiltrup und Posen 0 landwirtschaftlichen Übernahme Wochenblattes Ausgliederung der digitalen der Zeitschrift „Tygodnik“ Ausstieg aus Geschäftsfelder in die „Landfreund“ dem Druckgeschäft: „LV digital GmbH“ (Bern, Schweiz) Tochterunternehmen LV Druck wird von Start des neuen Verlagsbereichs 2 005 Mehrheitsbeteili- Griebsch & Rochol „LV-Contact“, der alles rund um 1998 gung am Agrarverlag (Hamm) übernommen das moderne Dialogmarketing Südwest (Kaisers- – vom klassischen Mailing bis lautern), mit dem zum Telemarketing – bietet 2 „Pfälzer Bauer/ Übernahme Übernahme der 2003 Landbote“ der Zeitschrift Farm-Tours GmbH, 2015 Veranstalter für Erste Ausgabe „Reiter Revue 0 Agrarreisen „Landlust“, International“ Stiftung Magazin für die Westfälische „schönen Seiten 1 Erwerb der Fachzeitschrift Landschaft löst des Landlebens“ „LEBENSMITTEL PRAXIS“ die Landwirt- (Neuwied) und deren schaftskammer 1 Tochtergesellschaften Westfalen-Lippe als Gesellschaf- ter ab 2016 2 002 Erwerb des E + E Timm Verlags 2 007 2 016 (Hamburg) „top agrar“ wird mit dem Titel mit der Zeit- „Fachmedium des Jahres 2007“ Der Hamburger Verlag Gruner + Jahr und der Land- 1999 schrift „Pfer- in der Kategorie Landwirtschaft demarkt“ & Ernährung ausgezeichnet, und wirtschaftsverlag gründen erhält diese Auszeichnung 2013 das Gemeinschaftsunterneh- ein zweites Mal men „Land, Living und Food“, Gründung von Agri Publishing u. a. mit den Zeitschriften International (API, Tonbridge) und „Essen + Trinken“ und UK-Start von „profi international“ „Landlust“ B egonnen hat alles nicht in einer Garage, wohl Lippe“ war im November 1933 von den Nationalsozia- aber in den alten Gebäuden einer stillgelegten listen „gleichgeschaltet“ und im März 1945 eingestellt Brennerei im ostwestfälischen Steinhagen. Den worden. Mit der Wochenblatt-Wiederbegründung – die Weg frei machte die Britische Militärregierung mit der erste Ausgabe erschien am 20. April 1946 – wurde der Vergabe der Lizenz für die Herausgabe des „Landwirt- Grundstein des Landwirtschaftsverlags gelegt, der schaftlichen Wochenblattes Westfalen-Lippe“ („License organisch gewachsen und in den zurückliegenden to print Nr. 37“ vom 15. April 1946) an die drei Gründer 70 Jahren zu einem bedeutenden Fachverlag mit inter- Franz Luster-Haggney, Hermann Sültemeyer und Dr. nationalen Geschäftsfeldern aufgestiegen ist. Ludwig Weddige. Die bereits 1844 gegründete Fachzeit- Die Chronik mit den wichtigsten Daten & Fakten gibt schrift „Landwirtschaftliche Zeitung für Westfalen und davon Zeugnis.
70 JAHRE 7 INTERVIEW NOCH SIND VIELE FR AGEN OFFEN Marktforschung ist auch für Verlage ein essenzielles Thema. Mit Horst Regenscheit, Inhaber des gleichnamigen Hamburger Research- und Consultingunternehmens, sprachen wir über Trends bei der Nutzung von Fachmedien. Herr Regenscheit, es müsste doch gerade eine Art goldenes Zeitalter für Markt- forscher sein, denn selten haben sich die Dinge rund um die Kommunikation so rasch und gravierend verändert, oder? Regenscheit: Klar sehen auch wir als Marktforscher immer schneller werdende Veränderungen, vor allem im Verhältnis Print zu Online und Social Media. Und was das Zusammenspiel dieser Mediengattungen angeht, sind noch viele Fragen offen. Unser aller Aufgabengebiet wird damit noch breiter und vielschichtiger, so gesehen, eine wirklich interessante und positive Entwicklung. Für uns Verlage ist das durchaus eine Herausforderung. Einerseits hat man das Gefühl, die Menschen sind an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr digital unterwegs. Andererseits kennen wir unsere Zielgruppen recht gut und wissen, dass es nicht ganz so ist. Wo ist da im Moment die Balance? Gibt es gravierende Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppierungen? Regenscheit: Die Balance hängt letztendlich vom Informationsbedürfnis der jeweili- gen Gruppen ab, und hier gibt es große Unterschiede. Das macht die Ausrichtung der Informations- und Kommunikationsangebote nicht einfacher. In der eher traditionell orientierten Landwirtschaft haben Printmedien noch einen höheren Stellenwert als in anderen Bereichen, gleichwohl sind die Trends auch hier eindeutig.
8 Wie sonst auch sind die Jüngeren online-affiner, gerade in Bezug auf den Social-Media-Bereich, der mehr und mehr klassische Online-Angebote überlagert. Unter- stützt wird dies durch die steigende Verbreitung von Während des Studiums der Agrarwissen- Smartphones und Tablets, mit denen man räumlich schaften entdeckte Horst Regenscheit seine flexibel die im konkreten Augenblick relevanten Infor- Passion für die Marktforschung. In über mationen zur Hand hat und auch mit seiner Community im Kontakt bleiben kann. 25 Jahren Berufspraxis konnte er sich einen Andere Gruppen, wie beispielsweise Reiter oder Jäger, profunden Erfahrungsschatz aufbauen, den er erwarten dagegen ein ausgewogenes Verhältnis von vor allem in der Medien- und Kommunikations- qualitativ hochwertiger Information und Unterhaltung, und zwar über alle Kanäle hinweg. Und für diese forschung einsetzt, naheliegend mit dem Fokus Gruppen sind eben auch die Apps und Social-Media- auf den Agrarbereich. Darüber hinaus arbeitet Angebote eines Verlages entscheidend, wenn man unterwegs ein konkretes Problem hat und schnell nach er für technologieorientierte Unternehmen der Lösungen sucht. Investitions- und Konsumgüterindustrie. Aber ungeachtet dessen, für wen er arbeitet, Apropos Social Media: Im Moment äußert sich jeder zu allem – in unterschiedlicher Güte. Wie bewerten verfolgt er stets das Ziel, damit auch Sie eigentlich die Bedeutung der journalistischen Unternehmen bei Strategie-, Innovations- und Qualität? Sind die Menschen heute immer weniger Optimierungsprozessen erfolgreich zu beraten. bereit, sich mit guten Inhalten intensiver zu be- schäftigen? Wenn ja, warum? Suchen die Menschen überhaupt verlässliche Ankerpunkte, die ihnen wichtige Entscheidungshilfen bieten? WIR HABEN IMMER NOCH LUST AUF LAND! 70 JAHRE ERFOLGREICHE VERLAGSARBEIT Darauf können Sie mit Freude und Stolz zurückblicken, denn sie zeugen von Qualität bei gleichzeitiger Wandlungsfähigkeit. Nicht ganz so lange, aber doch schon viele Jahre, stehen wir als strategische und operative Partner an Ihrer Seite. Ebenso wie der Landwirtschaftsverlag sind wir Insider, Impulsgeber und Umsetzer in unserer Heimatbranche, der Agrar- und Ernährungsindustrie. Wir freuen uns auf kommende gemeinsame Herausforderungen und gratulieren herzlich zum Jubiläum. www.ebnerstolz.de WIRTSCHAFTSPRÜFER | STEUERBERATER | RECHTSANWÄLTE | UNTERNEHMENSBERATER
70 JAHRE 9 Regenscheit: Verlässliche Ankerpunkte sind in Zukunft Wir ziehen den Kreis da im Grunde sogar noch sicher von entscheidender Bedeutung. Hier wächst etwas weiter. Auch digitale Produkte, die den der Stellenwert von Qualitätsjournalismus, da er aus Betriebsleitern die Arbeit wesentlich erleichtern, der Flut von Informationen die relevanten filtert und sind in unserem Fokus. uns Lesern in adäquater Form darstellt. Denn in das klassische Agrarbüro zieht die Wer sich detailliert und aus unterschiedlichen Perspek- digitale Welt unaufhaltsam ein. Was einmal der tiven über ein Thema informieren will, für den sind In- Aktenordner war, ist schon heute oftmals ein ternet und Soziale Netzwerke in den unterschiedlichen richtiggehendes Informationssystem. Die Anzahl Facetten die Methode der Wahl. und Qualität der verfügbaren und verwertbaren Vor allem Social-Media-Gruppen bieten hier verlässliche Informationen nimmt rasant zu, Unternehmens- Orientierungsmöglichkeiten. Insbesondere in eher entscheidungen werden damit immer fundierter, beruflich orientierten Communities ist die Glaubwürdig- und die Ansprüche an die Lieferanten der Infor- keit von Empfehlungen sehr hoch. mationen steigen enorm. Alles in allem wird es auch in Zukunft auf die richtige Das ist für einen Fachverlag wie uns durchaus Mischung ankommen. eine Herausforderung, aber da sehen wir uns mit unseren kompetenten und motivierten Mit- Das sehen wir in der Tat ähnlich. arbeitern auf einem vielversprechenden Weg. Regenscheit: Ja, der Landwirtschaftsverlag sollte sich künftig noch mehr mit der Gesamtheit der Kommuni- kation auseinandersetzen. Das umfasst schon jetzt Vielen Dank für das Gespräch. mehr als die Zeitschriften und erschöpft sich auch längst nicht in der dazugehörigen Website. In Zukunft gehören gute Seminare genauso dazu wie geeignete Feldtage, gedruckte und digitale Sonderprodukte, Das Interview führte Hermann Bimberg, E-Learnings und vieles mehr. Geschäftsführer des Landwirtschaftsverlags EINEN SCHRITT VORAUS MIT NACHHALTIGER LANDWIRTSCHAFT • Wegweisende Ideen, Technologien und Schulungen • Kulturlösungen zu Pflanzenschutz, Saatgut und Services • Über 150 Jahre Bayer Forschungserfahrung www.forwardfarming.com
10 INTERVIEW MEHR MENSCHEN, MEHR NAHRUNGSMIT TEL, MEHR ERTR AG Wie Bayer die Zukunft des Ackerbaus sieht und wie das Unternehmen den Kontakt zu Bürgern und Verbrauchern verbessern will, erläutert Dr. Helmut Schramm im top agrar-Gespräch. Die Kritik am chemischen Pflanzenschutz und reich neue Medikamente akzeptiert, selbst wenn diese insbesondere an der Unbedenklichkeit der Wirk- mithilfe der Gentechnik hergestellt werden. Im Agrar- stoffe wächst. Macht die Arbeit noch Spaß? bereich fehlt in vielen Fällen die Akzeptanz von moder- Schramm: Es macht sie zumindest nicht leichter. Wir nen Produktionsmethoden, zumindest in Deutschland sind aber überzeugt von dem, was wir tun. Wir leis- und weiten Teilen Europas. ten unseren Beitrag für die Versorgung der Welt mit gesundheitlich unbedenklichen und qualitativ hochwer- Warum ist das so? tigen Nahrungsmitteln. Deutschland stellt gegenwärtig Schramm: Das ist ein vielschichtiges Problem. Zwei nur etwas mehr als 1 % der Weltbevölkerung, Tendenz Effekte sind meines Erachtens sehr wichtig: Erstens fallend. Trotzdem importieren wir netto mehr Agrar- haben wir es in Deutschland mit einigen Gruppierungen güter, als wir exportieren. Umgerechnet auf die Fläche zu tun, die ganz bewusst mit plakativen Schwarz-Weiß- sind das etwa 6 Mio. ha. Das heißt, wir leben auf Bildern eine Stimmung erzeugen, die sich gegen die Kosten anderer. Wenn wir uns in Zukunft noch stärker moderne Landwirtschaft richtet. Das bleibt haften und beschränken, zum Beispiel mehr extensivieren, wird führt dazu, dass Verbraucher neue Technologien, wie das Defizit noch steigen. Wenn wir das nicht wollen, beispielsweise Smartphones, akzeptieren, nicht aber brauchen wir eine moderne, nachhaltige Landwirtschaft. moderne Anbau- und Produktionsverfahren in der Land- wirtschaft. Zweitens haben wir es in den vergangenen Sind die Deutschen ängstlicher als andere Nationen? Jahrzehnten versäumt, Verbraucher bei der Entwick- Schramm: Ja. Man spricht im angelsächsischen Raum lung der Landwirtschaft und auch bei unserer Arbeit nicht umsonst von der „German Angst“. Bei uns ist die mitzunehmen. Das hat zu einer Entfremdung geführt, Flasche fast immer halb leer, in vielen anderen Regionen die wir schleunigst ändern müssen. ist sie dagegen mindestens halb voll. NABU und BUND haben in der Öffentlichkeit eine Ist die Skepsis im Agrarbereich größer als im hohe Glaubwürdigkeit. Kommen Sie dagegen an? Pharmabereich? Schramm: Viele Nichtregierungsorganisationen (NGO) Schramm: Das sehe ich so. Wenn es um die eigene Ge- leisten eine sehr gute Arbeit. Sie sind daran interessiert, sundheit geht, haben die Patienten einen anderen Blick die Probleme gemeinsam mit den Unternehmen und für innovative Medikamente. So werden im Pharmabe- gesellschaftlichen Organisationen zu lösen.
70 JAHRE 11 Foto: Ralf Heil Die Erträge müssen um 60 % steigen!
12 siert denkt und handelt, immer sehr viel Unterstützung. Das gilt zum Teil auch für die Union. Danach wird die Dr. Helmut Schramm ist seit Juli 2011 Luft schon dünner. Dennoch müssen wir auch mit der Geschäftsführer der Bayer CropScience SPD und den Grünen im Gespräch bleiben. Deutschland GmbH. Der promovierte Die Weltbevölkerung steigt, der Konsum tierischer Agrarwissenschaftler arbeitet seit 1988 für Lebensmittel wächst, der Klimawandel macht die Bayer und ist seit 2013 auch Präsident des Landwirtschaft in einigen Regionen sehr schwierig und die Flächen sind schon heute knapp. Wie stark Industrieverbands Agrar (IVA). Der IVA vertritt müssen die Erträge steigen? die Interessen der agrarchemischen Unterneh- Schramm: Laut Welternährungsorganisation FAO bis men in Deutschland und hat 50 Mitglieder. 2050 um mindestens 60 %. Dann müssen wir etwa 3 Mrd. Menschen mehr ernähren als heute. Daneben ist er seit 2014 Aufsichtsratsvorsitz- ender des Forums Moderne Landwirtschaft. Ist das machbar? Schramm: Das ist ambitioniert, aber nicht utopisch. Nehmen Sie den Weizen. Dort ist ertragsmäßig in den Mit diesen arbeiten wir gerne und erfolgreich zusam- vergangenen Jahren wenig passiert, auch weil es so men. Es gibt auf der anderen Seite aber auch NGOs, schwierig war, mit klassischen Züchtungsmethoden die ein anderes Modell verfolgen: große Schritte zu machen. Der nächste logische Inno- Sie setzen im Wesentlichen auf das Geschäft mit der vationsschritt ist der Hybridweizen. Wir wollen in sechs Angst und Verunsicherung, sprechen der Industrie bis sieben Jahren entsprechende Sorten einführen. jegliches Verantwortungsbewusstsein ab und unter- stellen gerade den größeren Unternehmen ausschließ- Was ist für Sie ein nachhaltiger Anbau? lich Profitgier. Mit denen können wir nicht konstruktiv Schramm: Nachhaltig ist für mich, wenn ich als Land- zusammenarbeiten, weil diese kein Interesse an der wirt eine Fläche dreißig, vierzig Jahre bearbeitet und konstruktiven Lösung von Problemen haben. diese anschließend in einem mindestens so guten, vielleicht sogar besseren Zustand an die nächste Sind Landwirte für die Kommunikation mit den Generation übergebe. Bürgern und Verbrauchern nicht besser geeignet, weil sie näher dran sind? Wo liegen die größten Potenziale – in der Züchtung Schramm: Landwirte müssen auch ihren Part leisten. oder im Pflanzenschutz? Aber ich nehme uns ausdrücklich nicht aus der Verant- Schramm: In beiden Bereichen. Es kommt auf die in- wortung. Bayer hat sich im Pharma- und Agrarbereich telligente Verknüpfung an. Wir brauchen neue Sorten eine hohe Glaubwürdigkeit erarbeitet. Die müssen wir und neue chemische und biologische Wirkstoffe. Die in die Waagschale werfen. Digitalisierung wird uns weitere Potenziale eröffnen. Wie gut ist die Unterstützung seitens des Welche? Berufsstandes? Schramm: Wir können in Zukunft viel mehr Informati- Schramm: Die ist sehr gut. Natürlich kann man immer onen verarbeiten, vernetzen und daraus Daten gene- noch mehr tun. rieren, die uns helfen werden, den Pflanzenschutz weiter zu optimieren. Wann ist der richtige Zeitpunkt der Und vonseiten der Politik? Behandlung? Welche Dosierung wähle ich? Entschei- Schramm: Da gibt es zwei Wahrnehmungen: Im bila- dend wird sein, wie gut es gelingt, die Informationen teralen Gespräch bekommen wir viel Unterstützung miteinander zu verknüpfen. und Zuspruch. Bleibt am Standort und geht euren Weg weiter, heißt es. In der öffentlichen Diskussion wird Was versprechen Sie sich davon? Mehr Umsatz? dann allerdings mancher Politiker zurückhaltender mit Schramm: Es geht nicht um mehr Pflanzenschutzmittel, dem Zuspruch. sondern um einen sichereren, noch gezielteren und umweltfreundlicheren Einsatz. Gilt das für alle Parteien? Schramm: Wir sprechen mit allen Parteien. Dabei be- Und wer bezahlt dafür? Bayer oder der Landwirt? kommen wir von der FDP, die sehr wissenschaftsba- Schramm: Das ist völlig offen. Es sind unterschiedliche
70 JAHRE 13 Modelle denkbar: Die Kosten für digitale Lösungen kön- Ist die Industrie schon auf diesem Weg? nen im Pflanzenschutzmittel selbst oder im Service einge- Schramm: Da haben wir noch eine ziemliche Lernkurve preist werden oder sie werden den Landwirten direkt in vor uns. Im Moment arbeitet noch jedes Haus für sich. Rechnung gestellt. Das ist auch richtig, um die Prozesse zu verstehen Vielleicht bekommen wir Bezahlmodelle, die sich weniger und zu klären, wohin man will. Wenn es danach um am Input und mehr am Output orientieren? Dann zählt digitale Konzepte und Geschäftsmodelle geht, werden nicht mehr, wie viel Dünger und Pflanzenschutz aufge- wir darüber sprechen müssen, wie wir diese gemein- wendet wird, sondern was an Ertrag herauskommt. Wenn sam weiterentwickeln können. die Digitalisierung dazu beiträgt, die Erträge zu steigern und die Kosten zu senken, wäre es fair, wenn sich Land- Investieren Sie in die Digitalisierung genauso viel wirte, Handel und Industrie den Nutzen teilen. Aber das Geld wie in die Wirkstoffforschung? entscheidet der Markt. Schramm: Nein, bei Weitem nicht. Aber Bayer will im Zeitraum von 2015 bis 2020 mindestens 200 Mio. Wird die Digitalisierung auf ähnliche Akzeptanzhür- Euro in die digitale Landwirtschaft investieren. den stoßen wie der chemische Pflanzenschutz selber? Derzeit testen und verkaufen wir in zehn Ländern Schramm: Der Verbraucher dürfte damit kaum Probleme Digital-Farming-Produkte. Ziel ist es, ein führendes haben, da die Digitalisierung viele neue Möglichkeiten digitales System zur Unterstützung des Pflanzen- bietet. Für den Landwirt ist wichtig, dass er bei der Di- schutzes aufzubauen. gitalisierung die Wahlfreiheit behält und seine Daten mit den verschiedenen Anbietern nutzen kann. Es geht also Neonikotinoide wurden bei wichtigen Kulturen um Transparenz, Datenschutz und Datensicherheit. verboten, Glyphosat hat nur eine befristete Verlän- gerung bekommen. Auf welcher Basis sind diese Mehr Transparenz gäbe es, wenn die Unternehmen Entscheidungen gefallen? konzernübergreifende Lösungen erarbeiten würden. Schramm: Jedenfalls nicht auf wissenschaftlicher Basis. Schramm: Das stimmt. Bei Glyphosat haben die vier in Deutschland an der Wir gratulieren zum 70. Geburtstag und freuen uns auf weitere spannende Berichte über Landtechnik von Morgen. ZA-TS – der vollautomatische ISOBUS-Wiegestreuer bis 30 km/h | bis 50 ha/h | bis 54 Meter | bis 4.200 Liter | 200 Hz Wiegetechnik Argus Twin: Noch mehr Präzision und Komfort! Radarsensoren überwachen permanent beide Streufächer – automatische Optimierung der Querverteilung über das elektrische Einleitsystem. NEU: Dynamic Spread – richtungsweisend! Dynamische Anpassung von Streubreite und Ausbringmenge an die Flächenstruktur mit bis zu 128 Teilbreiten. for Innovation | www.amazone.de
14 Zulassung beteiligten Behörden, das Bundesamt für Hinzu kommt, dass im nächsten Jahr die Bundestags- Risikobewertung (BfR), das Bundesamt für Verbrau- wahl stattfinden wird. Aber wir bleiben dran. cherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das Julius Kühn-Institut (JKI) und auch das Umweltbundesamt Wer unterstützt Sie dabei, die Imker? (UBA) dem Wirkstoff die Zulassungsfähigkeit zuge- Schramm: Der Imkerverband bisher nicht, vereinzelte sprochen. Und dennoch hat sich die SPD über diese Imker an der Basis dagegen schon. Darauf müssen Entscheidung hinweggesetzt, sodass sich Deutsch- wir aufbauen. Für mich ist es kein Wunder, dass der land in Brüssel nur enthalten hat. Das ist klar politisch Rapsanbau rückläufig ist und die Erträge in Relation zu motiviert. anderen Kulturen überproportional sinken. In diesem Jahr hatten wir Einbrüche von 25 bis 30 %. Dazu hat Was hat das Verbot der Neonikotinoide gebracht? auch eine fehlende insektizide Beizung beigetragen. Schramm: Jeder hat verloren: Die Landwirte dürfen ihr Saatgut nicht mehr beizen und fangen jetzt an, ihren Seit 2009 gelten ein neues EU-Pflanzenschutzmittel- Raps im Herbst mit dann nur sehr begrenzt wirksamen recht. Wurde die angestrebte Harmonisierung bei Pyrethroiden in Form der Flächenspritzung zu behan- der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln erreicht? deln. Die Umwelt verliert, weil jetzt Millionen Hektar Schramm: Nein, davon sind wir weit entfernt, insbeson- Raps im Herbst mit Pyrethroiden behandelt werden dere in der mittleren Zone, zu der Deutschland gehört. (Anm. d. Red.: Mehrfachbehandlungen), was auf fast Es fehlt die gegenseitige Akzeptanz bei der Bewertung nacktem Boden gar keinen Sinn macht. von Pflanzenschutzmitteln. Und für die Imker hat es auch nichts gebracht, weil ihre Bienenvölker immer noch durch die Varroa-Milbe und Wie reagiert die EU-Kommission darauf? von ihnen übertragene Viren massiv gefährdet sind. Schramm: Das deutsche Zulassungsverfahren wurde von Brüssel überprüft. Die Ergebnisse dieses Audits Wie reagiert die Politik auf die Fakten? werden bald auf dem Tisch liegen. Wir hören, dass sie Schramm: Bislang gibt es noch keine Bewegung. für Deutschland eher schlecht ausfallen werden. IHR PLUS AN NÄHE. Wir beraten Sie persönlich und kompetent in allen Versicherungsfragen rund um Ihre Tierhaltung. Landwirt Hermann Holtkamp im Gespräch mit R+V-Fachberater Peter Hecker Die R+V-Ertragsschadenversicherung bietet Ihnen finanziellen Schutz bei Tierseuchen und übertragbaren Tierkrankheiten. www.agrarkompetenzzentrum.ruv.de
70 JAHRE 15 Arbeiten denn wenigstens die deutschen Zulassungs- Welche Länder haben strenge und zugleich vorbild- behörden vertrauensvoll zusammen? liche Verfahren? Schramm: Nein, das Verfahren ist sehr kompliziert. Schramm: Die Österreicher machen das pragmatisch. Die beteiligten zwei Ministerien (Anm. d. Red.: Umwelt Das haben wir bei Wirren um den insektiziden Wirk- und Landwirtschaft) und vier Behörden neutralisieren stoff Thiacloprid gesehen, als Brüssel die Grenz- sich gegenseitig. Momentan blockiert das Umwelt- werte im Honig erst abgesenkt und dann wieder bundesamt (UBA) viele Entscheidungen. angehoben hat, weil angeblich keine Daten verfügbar waren, was gar nicht stimmte. Was werfen Sie dem UBA vor? Da haben die Österreicher von vorneherein gesagt: Schramm: Das Amt arbeitet vielfach politisch und nicht Das machen wir nicht mit – und damit recht behalten. primär wissenschaftlich. Nehmen Sie das Beispiel Andere EU-Länder gehen auch großzügiger mit Glyphosat im Urin. Das ist nicht der Kompetenzbereich Ausnahmegenehmigungen um als Deutschland. des UBA, sondern des BfR. Außerhalb der EU sind die USA vorbildlich – sehr strenge Zulassungsbedingungen, aber nach klaren Wie muss ein zukunftsfähiges Zulassungsverfahren wissenschaftlichen Kriterien. Hart, aber fair. aussehen? Schramm: In vielen Ländern, in denen es gut läuft, Die Zulassungsbehörden beklagen, dass nicht liegt das Zulassungsverfahren in der Hand einer Be- immer vollständige Unterlagen eingereicht wer- hörde, bei der die Kompetenzen klar geregelt sind. den, die den Zulassungsprozess verlangsamen. Die Entscheidungen können streng sein, aber sie Stimmt das? müssen nach wissenschaftlichen Kriterien erfolgen. Schramm: Ja. Ich habe die Zulassungsbehörden als Maßgabe für die Zulassung sollte nicht die theoreti- IVA-Präsident gebeten, Anträge, die nicht vollständig sche Gefahr sein, die von einem Wirkstoff bzw. sind, zurückzuweisen, auch wenn es die von Bayer Produkt ausgeht, sondern das realistische Risiko sind. Wer seine Hausaufgaben nicht macht, soll das unter Praxisbedingungen. System nicht blockieren. „U N SER E M A S CHINEN ENTSTE H E N D U RC H I H RE A NF OR DER UN GE N U N D M I T M E INEM HER ZBL UT.“ PHILIPP HORSCH Geschäftsführer und Entwicklungsleiter 70 Jahre Landwirtschaftsverlag, wir gratulieren von Herzen! www.horsch.com Was uns antreibt, ist nicht nur die Freude an technologischer Innovation, sondern vor allem Landwirtschaft aus Leidenschaft. Diesen Anspruch finden Sie in jedem unserer Produkte wieder, denn er begleitet uns auf dem gesamten Weg von der Entwicklung bis zur Montage. Wenn wir Maschinen bauen, stehen Ihre individuellen Anforderungen im Ackerbau im Zentrum unseres Denkens und Handelns. HORSCH Produkte bringen Sie in Ihrer täglichen Arbeit ein großes Stück weiter und tragen zur Zukunft eines modernen Ackerbaus bei. Weil wir selbst auch Landwirte sind, wissen wir, wovon wir reden. Fragen Sie uns und unsere exklusiven Vertriebspartner, wir sind für Sie da. Landwirtschaft aus Leidenschaft
16 Um die noch ausstehende Bewertung der hormonel- passenden Pflanzenschutzmittel aus einer Hand len Wirkung von Pflanzenschutzmitteln ist es ruhig liefert, nicht immer größer, wenn es immer weniger geworden. Wie weit ist die Kommission? Alternativen gibt? Schramm: Ende 2013 sollte die Regelung eigentlich Schramm: Derjenige, der das beste Paket anbietet, stehen. Immerhin liegt seit dem Sommer ein Vorschlag gewinnt den Wettbewerb. Kein Landwirt wird Mogel- auf dem Tisch. Wenn dieser so umgesetzt würde, gin- pakete kaufen. So einfach ist das. gen wichtige Wirkstoffe bei den Getreide- und Kartof- felfungiziden, aber auch bei den Insektiziden verloren. Wird es den Namen Monsanto nach dem Zusammen- schluss noch geben? Ist die Kommission zu Kompromissen bereit? Schramm: Bayer hat in der ganzen Welt ein exzellentes Schramm: Das müssen wir abwarten, aber die Ge- Image, verbunden mit einer hervorragenden Reputation. spräche sind sehr schwierig. Wir erwarten den Abschluss der Übernahme bis Ende 2017. Bis dahin werden Bayer und Monsanto weiter als Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen? zwei unabhängige Unternehmen operieren. Schramm: Bis Ende des Jahres will die Kommission entscheiden. Ich glaube, es wird länger dauern. Wie sieht der Landwirt der Zukunft für Bayer aus? Das gefällt uns nicht. Wir wollen schnell Klarheit, weil Schramm: Er wird noch stärker als heute Unternehmer uns der momentane Übergangsstatus auch nicht hilft. sein. Die steigenden Anforderungen an die Produkti- onstechnik, die Einhaltung der Auflagen, der techni- Ist dann der Standort Deutschland für Sie noch sche Fortschritt fordern immer mehr Know-how. Der attraktiv, wenn es bei der kritischen Grundeinstel- Kapitaleinsatz steigt. lung der Gesellschaft und der schwierigen Zulas- Das alles wird nicht ohne Folgen für den Strukturwan- sungspraxis bleibt? del bleiben, der sich wahrscheinlich weiter beschleuni- Schramm: Deutschland und Europa sind für uns weiter- gen wird. hin sehr wichtige Märkte. Aber wenn wir eine Situation bekommen, dass hier immer weniger Pflanzenschutzmit- Neue Züchtungsmethoden wie CRISPR/Cas9 sind tel eingesetzt werden dürfen, kann es diesem Bereich marktreif. Was heißt das für die Pflanzenzüchtung? genauso ergehen wie der grünen Gentechnik. An dieser Schramm: Die neuen Züchtungstechnologien haben Zukunftstechnologie wird inzwischen an Standorten enorme Potenziale. Bei CRISPR/Cas9 bleiben sie im geforscht, die bessere Bedingungen bieten. Genom, bringen aber bestimmte Gensequenzen an Stellen, wo deren Eigenschaften stärker ausgeprägt Mit der Übernahme von Monsanto bieten sich Ihnen werden. Das kann beispielsweise die Trockenheits- für die Gentechnikforschung ganz neue Optionen? und Schaderregerresistenz verbessern, aber auch Schramm: Beide Unternehmen verfügen unabhängig Protein- und Ölsäuremuster optimieren. davon über attraktive Angebote und sind sehr innovativ. Die Kunden werden davon sowohl beim Saatgut als Lässt sich diese Technologie den Verbrauchern auch bei Pflanzenschutzprodukten profitieren. besser vermitteln als die bisherige Gentechnik? Schramm: Ich hoffe es. Wir müssen die Verbraucher Dow Chemical und DuPont, Chem China und von Anfang an mitnehmen und ihnen den Nutzen ver- Syngenta, Bayer und Monsanto. Die Konzerne mitteln. Hinzu kommt: Die Produkte unterscheiden werden immer größer. Können Sie verstehen, sich nicht von klassisch gezüchteten. Wir machen das, dass diese Mega-Konzerne von Teilen der Politik, was auch in der Natur passiert – nur viel schneller und Verbrauchern und Bauern skeptisch gesehen zielgerichteter. werden? Schramm: Das verstehe ich. Aber die Sorge vor A b- In den vergangenen Jahren hat es wenig neue hängigkeiten ist unbegründet. Mit Bayer, BASF und Wirkstoffe gegeben. Wie viel technischer Fortschritt Syngenta haben wir in Deutschland schon heute eine ist beim chemischen Pflanzenschutz noch möglich? Situation, wie wir sie künftig weltweit vorfinden könn- Schramm: Wir brauchen neue Wirkstoffe. Das ist keine ten. Und trotzdem haben wir in Deutschland einen Frage. Wir haben Lücken und zunehmende Resistenzen. sehr harten Wettbewerb. Wie konkret sind die Perspektiven? Wird die Abhängigkeit der Landwirte von einem Schramm: Es gibt schon gute Kandidaten. Ob sie zu- Systemanbieter, der das Saatgut und die dazu gelassen und marktreif werden, sehen wir dann.
70 JAHRE 17 Welche Potenziale bieten biologische Lösungen? Mit oder ohne neutrale Medienpartner? Können diese chemische Pflanzenschutzmittel Schramm: Mit. Die Fachmedien sind auch in Zukunft ersetzen? unverzichtbar. Die Landwirte werden sich weiterhin Schramm: Das ist ein anspruchsvolles Geschäft, eine zweite, unabhängige Meinung einholen und der weil wir mit lebendem Material, Mikroorganismen, Industrie nicht blind vertrauen. zum B eispiel Pilzsporen oder Bakterien, arbeiten. Aus meiner Sicht ist das auch ein gesundes Verhält- Biologische Wirkstoffe müssen in erster Linie gegen- nis, denn es zwingt uns dazu, besser zu werden, um über Krankheitserregern und Schadinsekten wirksam, weiterhin im Wettbewerb bestehen zu können. standardmäßig produzierbar sein und benötigen ggf. auch noch eine besondere Logistik, v. a. dann, wenn Welche Perspektiven hat für Sie der Agrarstandort die Mittel gekühlt werden müssen. Deshalb wachsen Deutschland? die Bäume in diesem Bereich nicht in den Himmel. Schramm: Wir haben beste Voraussetzungen, gute Böden, ein mildes Klima, Zugang zu Betriebsmitteln, Wie sieht der Ackerbau in zwanzig Jahren aus? bestens ausgebildete, unternehmerisch denkende Schramm: Wenn die politischen und rechtlichen Rah- Landwirte und einen staatlichen Rahmen, der ein hohes menbedingungen passen, werden wir dann einen Maß an Rechtssicherheit bietet. Wenn wir es schaffen, hocheffizienten Ackerbau haben, bei dem wir mit dass die Verbraucher wieder hinter einer modernen, zielgerichtetem Dünger und Pflanzenschutz dank der nachhaltigen Landwirtschaft stehen, hat der Standort digitalen Landwirtschaft quantitativ und qualitativ Deutschland eine gute Zukunft. mehr ernten werden. Vielen Dank für das Gespräch. Verändert sich auch das Verhältnis von Industrie und Landwirt? Schramm: Nein. Das Dreieck von Industrie, Handel und Das Interview führte top agrar-Chefredakteur Landwirten wird es auch in Zukunft geben. Dr. Ludger Schulze Pals Wir gratulieren dem Landwirtschaftsverlag Münster zum 70-jährigen Jubiläum. www.krone.de
18 ZAHLEN & FAKTEN DER L ANDWIRTSCHAF TS VERL AG HEUTE 1946 – vor 70 Jahren – wurde die Landwirtschaftsverlag GmbH gegründet. Wie das Verlagsunternehmen am Standort Münster-Hiltrup aus kleinen Anfängen bis heute zu einem Marktführer mit internationalen Aktivitäten gewachsen ist, belegen nachfolgend aktuelle Kerndaten: 10 „LV-Seminare“ jährlich veranstalten die Redaktionen der Zeitschriften, dabei setzen sie auf topaktuelle Themen, renommierte Referenten und ein intensives Networking. 30 Fach- und Publikums zeitschriften werden verlegt. 1.800.000 7 50 110.0 0 0.0 0 0 Exemplare beträgt die Auflage aller Zeitschriften des Landwirtschaftsverlags (IVW-geprüft). Mitarbeiter im In- und Ausland sind im Landwirt- 44 schaftsverlag beschäftigt. Jahre sind vergangen, seit 1972 das Magazin „top agrar“ zum ersten Mal erschienen ist. Das Kern- verbreitungsgebiet erstreckt sich über 3 Länder. Euro Umsatz erzielte der Landwirtschaftsverlag im Jahre 2015. 6.500.000 Leser erreichen die vom Land- wirtschaftsverlag herausgegebenen Fach- und Publikumszeitschriften.
70 JAHRE 19 Wochenblatt 6 0.0 0 0 Abonnenten zählt das „Wochenblatt für Landwirt- schaft & Landleben“. 132 Hektar beträgt 2013 23 die durchschnitt- liche landwirt- war das Gründungs- schaftliche jahr der Stiftung Anbaufläche der LV Münster, die sich „profi“-Abon der Förderung des nenten. ländlichen Raumes verpflichtet und Sprachen umfasst die Internet- 2016 den Deutschen Plattform „traktorpool“ des Land- Landbaukultur-Preis wirtschaftsverlags, die weltweit ausgeschrieben hat. abgerufen wird. Auch die Internet- Angebote von „rimondo.com“ und „landreise.de“ werden stark nachgefragt. + 4 9 / 0 2 5 01/8 01-30 0 0 72% ist die Telefon-Kontaktnummer für den Leserservice des Landwirtschaftsverlags. 50 Neuerschei- der landwirtschaftlichen Betriebe ab nungen hatte 100 Hektar LF erreicht „top agrar“. der LV-Buch- verlag 2015 1 24.2 9 9 im Programm, besonders konzentriert x 10 auf Themen Exemplare hat die verkaufte Auflage rund um das der Food-Zeitschrift „Einfach Haus- Landleben. gemacht“ im 1. Quartal 2016 (IVW) erreicht, die von der Verlagsgruppe Mastschweine durch- Deutsche Medien-Manufaktur (DMM) schnittlich halten 71 % – dem Gemeinschaftsunternehmen der Betriebe unter den der Landwirtschaftsverlag GmbH „Wochenblatt“-Beziehern. und Gruner & Jahr GmbH & Co. KG – herausgegeben wird. Die 3 Gesellschafter sind am Landwirtschaftsverlag beteiligt: F ÜNFT- reichweitenstärkste Kaufzeit- Stiftung Westfälische Landschaft, schrift in Deutschland ist das Westfälisch-Lippischer Land- Magazin „Landlust“ mit 4,8 wirtschaftsverband e. V. und Millionen Lesern pro Ausgabe Raiffeisenverband Westfalen- (Allensbacher Werbeträger- Lippe e. V. Analyse, AWA).
20 Familienbetriebe behalten ihre starke Stellung! Foto: Maren Leichhauer
70 JAHRE 21 INTERVIEW ERFOLG ZEIGT SICH AUCH L ANGFRISTIG Der scheidende Agravis-Vorstandsvorsitzende Dr. Clemens Große Frie im Interview zum schwierigen Geschäftsjahr 2016, zum Verhältnis der Genossenschaften untereinander und zu den Bauern sowie zur Zukunft der Landwirtschaft in einer immer kritischer gestimmten Gesellschaft. Bauern hatten in diesem Jahr wenig zu lachen. Läuft Agravis auch schon komplett im Krisenmodus? Große Frie: Nein, Gott sei Dank nicht. Natürlich haben wir ein anstrengendes Jahr, wir leiden sozusagen mit den Landwirten. Es wäre schon seltsam, wenn beispiels- weise die Krise der Milchviehhalter uns nicht auch irgendwie einholen würde. Aber als kritisch kann ich unsere Lage nicht bezeichnen. Wie sieht es momentan konkret aus? Kein Geschäft mehr bei Kraftfutter und Landmaschinen, U msatz- und Ergebnisschwund? Große Frie: Unsere Umsätze gehen leicht zurück im Vergleich zum Vorjahr. Der Futtermittelbereich läuft ganz gut, wenn auch mit gewissen Rückgängen. Auch das Landtechnikgeschäft ist passabel. Bei den Neumaschinen spüren wir die Zurückhaltung der Landwirte. Aber gebrauchte Maschinen verkaufen wir nach wie vor ordentlich, und auch der Bereich Ersatzteile und Dienstleistungen ist ein wichtiges Standbein. Das läuft. Das heißt: Alles halb so schlimm? Große Frie: Sorge bereitet mir in erster Linie das Rohstoffgeschäft, also der Bereich, in dem insbesondere Getreide gehandelt wird. Die Preise sind gesunken und das schlägt auf die Umsätze durch. Alles in allem erwarten wir einen Umsatzrückgang um vielleicht 10 %, das heißt einen Konzernumsatz im B ereich von 6 bis 6,5 Mrd. €. Und einen Gewinn vor Steuern von 46 Mio. € zu erreichen, so wie wir es auf der Hauptversammlung angekündigt haben, wird eher schwer. Die Umsatzrendite liegt also wieder deutlich unter 1 % … Große Frie: Unsere Rendite ist immerhin stabil. Richtig zufrieden wäre ich mit 1 bis 1,5 %.
22 Clemens Große Frie (Jahrgang 1952) stammt Eigenkapital sogar verdreifacht! Wachstum kostet Geld, aus dem Kreis Warendorf und hat in Bonn auch deshalb ist eine ordentliche Finanzausstattung wichtig. Denken Sie nur mal an ein neu eingegliedertes Landwirtschaft studiert. Nach der Promotion Unternehmen wie Ceravis. Eine solche Übernahme zum Dr. agr. im Jahr 1981 war er zunächst macht man nicht nebenbei. Wir haben hier gemeinsam mit unseren dänischen Freunden eine gute Basis gefun- Geschäftsführer des VDL-Bundesverbandes den. Oder das internationale Geschäft: Das ist wich- (Berufsverband Agrar, Ernährung, Umwelt). tig für die Ertragslage. Rund 17 Mio. € von unserem Von 1985 bis 2003 war Große Frie für BASF Jahresergebnis stammen aus dem Auslandsgeschäft. Da haben wir im Ausland Partner, mit denen wir in tätig, zuletzt in Südafrika. Danach wechselte Gemeinschaftsunternehmen sehr erfolgreich zusam- er als Vorstandsvorsitzender zur Raiffeisen- menarbeiten. Hauptgenossenschaft Hannover (RHG), Im Ausland klappt es also, aber mit dem direkten die 2004 mit der RCG in Münster zur Agravis Nachbarn, mit der RWZ in Köln, kommen Sie nicht Raiffeisen AG verschmolz. Ende 2016 geht ins Geschäft ... Große Frie: Ach ja, das ist eine lange Geschichte. Große Frie in den Ruhestand; sein Nachfolger Tatsache ist, dass wir uns gern mit der RWZ zusam- wird Andreas Rickmers (52), der seit September mengetan hätten. Unternehmensberater haben uns dieses Jahres Agravis-Vorstandsmitglied ist bestätigt, dass eine Verschmelzung etliche Millionen gebracht hätte. Aber wir müssen natürlich respektieren, und zuvor für das Unternehmen Cargill dessen dass der RWZ-Aufsichtsrat beschlossen hat, selbst- europäisches Agrargeschäft leitete. ständig weiterarbeiten zu wollen. Das ist dann so. Aber Ihren Vorstandskollegen Kempkes haben Sie leichten Herzens nach Köln wechseln l assen? Große Frie: Christoph Kempkes ist zur RWZ Rhein- Main gegangen, das stimmt. Dahinter steht aber keine Es hilft aber nicht, immer wieder von dieser Ziel- bestimmte Absicht oder gar ein Hintergedanke un- marke zu reden, wenn man sie nicht erreicht! sererseits. Bisher war es auch schon so, dass wir in Große Frie: Vor ein paar Jahren lagen wir noch viel bestimmten Geschäftsfeldern gemeinsam mit der RWZ niedriger als heute, das dürfen wir nicht vergessen. aktiv waren. Und wir arbeiten dran. Unser Strategieprogramm, Das wird sich hoffentlich nicht ändern. Solche Alli- das wir mit großem Nachdruck verfolgen, ist für 1 % anzen sind unumgänglich, übrigens nicht nur mit der Umsatzrendite „gut“. Und das kriegen wir. Dass wir RWZ, sondern auch mit anderen Zentralen. Die großen gut aufgestellt sind, sehen auch andere Leute so. Warenzentralen haben sämtlich eine Größe erreicht, die Das lässt sich belegen. gegenseitiges „Fressen“, also eine vollständige Über- nahme ganz unmöglich macht. Deshalb ist es klüger, Belegen womit? zusammenzuarbeiten. Dazu sind wir bereit. Am liebsten Große Frie: Zum Beispiel damit, dass unsere neuesten auf Augenhöhe und zu gleichen Teilen; notfalls aber Tranchen von Genussscheinen – da ging es immerhin auch mit Minderheitsbeteiligungen. um 30 Mio. € – in nur wenigen Tagen und bereits deut- lich vor Ende der offiziellen Zeichnungsfrist ausverkauft Zum Ende des Jahres geben Sie selbst den Staffelstab waren. Das spricht doch für sich, bei Zinssätzen von des Vorstandschefs weiter an Andreas Rickmers. 2,2 bzw. 3,2 %. Wie entwickelt sich das Unternehmen weiter? Sind deutliche Kurswechsel zu erwarten? Das ist ein ordentlicher Schub fürs Eigenkapital ... Große Frie: Das Wichtigste für jeden Vorstandschef ist, Große Frie: Genau. Ende des Jahres werden wir bei die Performance zu halten, auszubauen und Augenmaß rund 30 % der Bilanzsumme liegen, das ist zufrieden- zu bewahren. Das spricht erst einmal dagegen, dass stellend. Im ersten Agravis-Jahr, also direkt nach der 180-Grad-Wendungen sinnvoll wären. Andererseits ist Fusion von RCG (Münster) und RHG (Hannover), Stillstand immer Rückschritt. Bereitschaft zur Verände- hatten wir nur rund 19 % Eigenkapital. Was die Relativ- rung ist immer gefragt, überall. Das betrifft Vorstände zahl nicht verrät: In absoluten Zahlen hat sich unser genau wie alle Beschäftigten.
70 JAHRE 23 Rückblickend auf 13 Jahre persönlicher Agravis- Was ist denn bei den Verfahren herausgekommen? Erfahrung: Was war der größte Erfolg Ihrer Amts- Einmal ging es um Pflanzenschutzmittel, einmal zeit, was die schlimmste Niederlage? um Landtechnik. Haben Sie einen Bußgeldbescheid Große Frie: Erfolg zeigt sich eher langfristig. Ich bin bekommen? ein wenig stolz darauf, das Unternehmen stets auf Große Frie: Bislang ist gar nichts geschehen. Ich kann Wachstums- und Veränderungskurs gehalten zu haben, mir auch nicht vorstellen, dass wir uns Verstöße gegen gemeinsam mit dem Aufsichtsrat, dem Management- das Wettbewerbsrecht haben zuschulden kommen Team und den Mitarbeitern. lassen, die eine Strafe rechtfertigen würden. Bedenken Wir haben die Holding-Strukturen extrem ausgebaut, müssen wir aber auch, dass heute manches anders heute gehören zu Agravis 229 Tochter- und Beteili- gesehen wird im Umgang mit solchen Themen als vor gungsunternehmen. Für alle gelten gewisse, identische zehn Jahren. Die Maßstäbe sind strenger geworden. Grundregeln, aber die Gesellschaften und ihre Füh- rungskräfte handeln eigenverantwortlich. Sie können Wettbewerb ist ein g utes Stichwort. Mit den Primär- frei entscheiden, was für ihr Unternehmen gut ist oder genossenschaften sind Sie auch nicht immer auf nicht. Das motiviert und führt – über großen Einsatz – einer Linie. Sie machen denen Konkurrenz. zu guten Ergebnissen, auch für den Konzern. Große Frie: Im Agravis-Land gibt es noch gute 100 Pri- märgenossenschaften, und zu diesen haben wir ganz Misserfolge gab es gar nicht? überwiegend ein gutes Verhältnis. Die Spannungen Große Frie: Nun, man redet halt nicht so gern darüber. waren früher ausgeprägter. Heute ist der Wettbewerb Die eine oder andere Firmenübernahme hat sich auch innerhalb der Primärstufe viel bedeutender. Wenn Sie anders entwickelt als gewünscht. Glücklicherweise sich umschauen, finden Sie zum Beispiel Themen wie- nicht die „dicksten Dinger“. Aber so etwas kommt eben der wie Kraftfutterwerke, die überdimensioniert sind. vor. Und wenn man Besuch vom Kartellamt bekommt, Da machen sich Nachbarn gegenseitig Kunden streitig flankiert von einem starken Polizeiaufgebot, ist das nur und das Geschäft kaputt. Wir als Agravis machen etwa begrenzt lustig. Darauf hätte ich gut verzichten können. ein Viertel des Umsatzes mit Genossenschaften. MIT DER NR. 1 AUF NUMMER SICHER GEHEN Wir bedanken uns für die erfolgreiche und nachhaltige Zusammenarbeit! VEREINIGTE HAGEL • Ein Unternehmen in der AgroRisk Gruppe Vereinigte Hagelversicherung VVaG • Wilhelmstraße 25 • 35392 Gießen Telefon 0641 7968-0 • Telefax 0641 7968-222 • www.vereinigte-hagel.de
24 Und im Primärgeschäft verhalten wir uns wie Genos- sich auch der Schweinezyklus immer wieder seit Ge- senschaften. Dazu gehört übrigens auch ein Stück nerationen wiederholt. Solidarität. Wir haben in unserem Kundenkreis bei- Hierzulande wird extrem professionell Landwirtschaft spielsweise Milchviehhalter, denen es schwerfällt, die betrieben, mit einer hervorragenden Infrastruktur. Für Rechnungen für das Milchleistungsfutter pünktlich zu mehr als 95 % der Betriebe gilt, dass sie nachhaltig bezahlen. Verschenken können wir auch nichts. Aber in und umweltbewusst wirtschaften. Die Qualität der solchen Fällen verlängern wir ohne großes Theater die Agrarprodukte ist hervorragend. Vieles geht ja gerade Zahlungsziele – und liefern weiter. Das ist anderswo deswegen in den Export. Beste Empfehlungen! nicht selbstverständlich! Aber leider müssen wir immer wieder auch feststel- Das wollen wir auch nicht vergessen: Unsere Aktionäre len, dass es viele Menschen gibt, die diese Form der profitieren von unserer Dividende. Immerhin halten Landwirtschaft nicht verstehen und nicht gutheißen. unsere Partner von der Raiffeisen-Fraktion ja 60 % Manche Trends sind einfach falsch, auch wenn ihnen unseres Kapitals und bekamen in diesem Jahr für viele hinterherlaufen. 2015 eine Ausschüttung im Gesamtumfang von gut 10 Mio. €. Ich finde, das ist nicht zu verachten. Was kann man tun, um gegenzusteuern? Zum großen Teil geht es ja eher um Ideologie statt um Fakten. Wenn Sie schon das Thema Solidarität ansprechen: Große Frie: Zuallererst: nicht aufgeben. Wir brauchen Pfleglicher Umgang der Zentralgenossenschaften, „Geduld und Spucke“, um die Botschaft unserer Bran- auch wenn sie jetzt Aktiengesellschaften sind, ist che an den Mann und an die Frau zu bringen. Zuhören, nicht mehr alltäglich, oder? Jedenfalls ist das früher aufklären, weitermachen! hochgehaltene Regionalprinzip längst durchbrochen. Eins müssen wir dabei im Hinterkopf behalten: Zurück Große Frie: Das Regionalprinzip ist inzwischen ein Wort in die vermeintliche Agrarromantik der 1950er Jahre aus der genossenschaftlichen Mottenkiste. Jedenfalls können wir nicht. Der Marktdruck ist auch international gibt es viele, die nicht mehr daran glauben. so groß, dass nur eine sehr leistungsfähige Landwirt- schaft – ich meine die ganze Branche – überleben kann. Sie haben gerade ein Mineralfutterwerk an der Die Verbraucher müssen das verstehen, wie auch die Donau g ebaut. Das liegt mitten im BayWa-Land! Landwirte die Wünsche der Verbraucher verstehen Große Frie: Ja, aber das stört die BayWa doch nicht. müssen. Die hat sich ohnehin aus diesem Geschäft längst zu- Ich bin überzeugt davon, dass wir einen gesellschaft- rückgezogen. lichen Konsens finden müssen und werden, und wir Die DoFu Donaufutter GmbH hätten wir sowieso werden qualitativ weiter zulegen, beispielsweise mit gegründet. Und Konkurrenz aus München spüren wir Blick auf Export oder Wohlbefinden bei Tieren. Das ja nicht in erster Linie dort, sondern in ganz anderen bedeutet aber auch: Die Gesellschaft muss eine moder- Gebieten Deutschlands. ne, sichere und die Umwelt respektierende Landwirt- schaft respektieren. Viele Landwirte treibt etwas ganz anderes um. Sie haben Angst um die Zukunft ihrer Höfe. G erade in In Ostdeutschland h aben Sie ganz andere Kunden: Nordwestdeutschland bläst den Bauern der Wind LPG-Nachfolger, zum großen Teil schon in der zwei- ins Gesicht. Wie beurteilen Sie die Lage? ten Generation und meist sehr große Betriebe. Läuft Große Frie: Hier im Nordwesten sind wir mit der Ver- da alles besser? edlung zum Teil an der Grenze dessen angelangt, was Große Frie: Nicht alles, aber manches. Indirekt gibt es möglich ist. Die Intensität ist zum Teil einfach nicht dieselben Probleme wie hier: Neue Ställe werden nicht mehr ausbaufähig. Auch bei den Leistungen sind wir mehr genehmigt oder sind zumindest unerwünscht. am Limit. Dafür sind die Höfe in der Regel größer: zwischen 300 Echte Produktivitätsfortschritte halte ich im Ackerbau und 3000 ha Fläche gehören meist dazu, die meis- für wahrscheinlicher als in der Tierhaltung. Dafür brau- ten haben mehr als 500 ha. Wenn man diese Größe chen wir nicht einmal die Gentechnik. Die klassische erreicht hat, ist es nicht sooo schwer, im Ackerbau ein Pflanzenzüchtung bietet teilweise sogar mehr. ordentliches Einkommen zu erzielen. Für uns als Handelsunternehmen ist der Nordosten der Bedeutet das also, dass der Strukturwandel in der Republik übrigens die Wettbewerbsregion schlechthin. Tierhaltung zum Stehen kommt? Da werden die interessanten Kunden von allen Seiten Große Frie: Nein, das habe ich nicht gesagt und auch umworben, um die Preise wird hart gerungen. Das nicht gemeint. Der Strukturwandel geht weiter, so wie macht nicht immer Spaß ...
70 JAHRE 25 Wie groß ist denn der Anteil der Familienbetriebe Verändert das auch die Handelsstrukturen? bei Ihren Kunden in den neuen Bundesländern? Große Frie: Mancherorts wird befürchtet, dass wir Bestimmen nicht Kapitalgesellschaften und bran- einen großen Versandhändler als Megakonkurrenten chenfremde Investoren das Geschehen? bekommen, sozusagen ein Amazon für die Landwirt- Große Frie: Landwirtschaft ist Wirtschaft, und wenn schaft. Das glaube ich nicht, denn wir können das der Markt interessant ist, dann gibt es auch ursprüng- Geschäft besser. Es ist doch ein Unterschied, ob ich lich branchenfremde Investoren. Landwirtschaft ist nur ein 1 kg Pflanzenschutzmittel als Paket verschicken aber immer traditionell geblieben. Die Familienbetriebe oder in ganz kurzer Zeit 1000 t Weizen annehmen, reini- werden eine starke und dominante Stellung behalten. gen, trocknen und einlagern muss. Wer bestimmt denn, wie es in der Landwirtschaft An Einigkeit fehlt es ja der Europäischen Union in weitergeht? Die Politik, Kapitalgeber, Zulieferer, der vielen Fragen. Wäre das Leben leichter, wenn die Lebensmittelhandel, Natur- und Tierschützer, die Agrarpolitik renationalisiert würde? Handelspartner oder Landtechnik-Datensammler? Große Frie: Das wäre eine Katastrophe! Wer meint, Große Frie: Zunächst einmal ist klar: Auch in der Land- Deutschland würde dann eine Insel der Glückseligkeit, wirtschaft wird alles digitalisiert, was geht. Düngung, der hat keine Vorstellung davon, welche dramatischen Pflanzenschutz, Bodenqualität usw. Daten werden en Konsequenzen der Rückzug auf die jeweils eigenen masse anfallen. Aber Eigentümer der Daten sind ja Märkte haben würde. Die ganze Branche ist internati- immer noch die Bauern, wenn es zum Beispiel um In- onalisiert: Düngemittel, Saatgut, Chemie, Futtermittel formationen geht, die mit Maschinen auf dem eigenen und die Märkte für Agrarprodukte. Diese Verflechtun- Acker gewonnen wurden. Der Bauer muss entschei- gen lassen sich nicht „mal eben“ wieder lösen. den können, wem er diese Daten zur Verfügung stellt – etwa einem Berater, dem Technikhersteller oder uns als Handelspartner und Betriebsmittellieferanten. Ein Das Interview führte Wochenblatt-Chefredakteur gutes Verhältnis zu den Kunden ist ganz wichtig. Anselm Richard A�c� i� Z�k�n�t� b�s�e Q�a�i�ä� ! Westfleisch gratuliert zu 70 Jahren landwirtschaftlicher Berichterstattung auf höchstem Niveau und freut sich auf die weitere Zusammenarbeit!
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