GEBORGENHEIT IM BEGEGNUNGSCAFÉ - ZU BESUCH BEI AUSNAHMEZUSTAND IN DER TROPENHALLE - PROPOTSDAM

 
WEITER LESEN
GEBORGENHEIT IM BEGEGNUNGSCAFÉ - ZU BESUCH BEI AUSNAHMEZUSTAND IN DER TROPENHALLE - PROPOTSDAM
02 / 2022

zu besuch bei     schwerpunkt          gut gebaut       interview
Geborgenheit im   Ausnahmezustand      Wohnraumsuche    Wir lassen
BegegnungsCafé    in der Tropenhalle   im Krisenmodus   niemanden allein
GEBORGENHEIT IM BEGEGNUNGSCAFÉ - ZU BESUCH BEI AUSNAHMEZUSTAND IN DER TROPENHALLE - PROPOTSDAM
IM ÜBERBLICK                                                                             EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam

Danke sagen                                auf ein wort
                                        3 Dieser Krieg muss aufhören

                                                                                                                             Foto: Stefan Specht
   Auf dem Cover der aktuellen             kurz und knapp
EINSVIER steht nicht eine*r, son-       4 Nachrichten aus dem Unter-
dern stehen viele Menschen im              nehmensverbund der ProPotsdam,
Fokus. Bei einem gemeinsamen               aus Drewitz, der Innenstadt, dem
Frühstück hat sich ProPotsdam-­            Schlaatz und Bornstedt
Geschäftsführer        Jörn-Michael                                             Leistet Ersthilfe für ukrainische Geflüch-
                                           schwerpunkt Potsdam Blau-Gelb
Westphal für ihr Engagement                                                     tete: Das Team der Biosphäre      Seite 8
                                        6 Interview: Wir lassen
bedankt. Alle haben sich nach
­
                                           niemanden allein
Beginn des Krieges in der Ukrai-
                                        8 Ausnahmezustand unter Palmen
ne um diejenigen gekümmert,
                                       12 Umfrage: Was führte Sie
die auf der Flucht so viel verloren

                                                                                                                             Foto: Sebastian Gabsch
                                           nach Potsdam?
haben.
                                       13 Wir und der Krieg gegen die Ukraine
   Ganz rechts auf dem Titelbild
sehen Sie Carolin Röper, Ban-              aus den kiezen
kettleiterin in der Biosphäre          14 Eine Zuflucht im Traditionslokal
Potsdam. Nach Ausbruch des             16 Hilfe für die Ukraine
Krieges übernahm sie die Koordi-
                                           zu besuch bei                        Unterstützen Ankommen in Potsdam:
nation der Anlaufstelle für Ge-
                                       18 Martina und Günther Kruse             Martina und Günther Kruse   Seite 18
flüchtete. Der Herr neben ihr ist
                                           im BegegnungsCafé
Günther Kruse, links davon seine
Ehefrau Martina. Beide betreiben           kultur erleben
ein Begegnungscafé für Geflüch-        20 Zusammenrücken beim

                                                                                                                             Foto: Kristina Tschesch
tete in Drewitz.                           Circus Montelino
   Links auf dem Cover entde-          21 Singen für den Frieden
cken Sie Enrico Puhl, Teamleiter
                                           lokal sozial
FacilityManagment Bauinstand-
                                       22 Einfach ankommen dank der
haltung bei der GEWOBA, und
                                           KiTa-Paten
wenn Sie das Heft aufklappen,
daneben Bianca Henke, Kauf-                gut gebaut                           Setzt ein Zeichen gegen den Krieg:
männische Kundenbetreuerin im          24 Wohnraumvermittlung                   Der Chor für den Frieden         Seite 21
Unternehmensverbund der Pro-               im Helfermodus
Potsdam. Sie haben in sehr kur-
                                           in potsdam zu hause
zer Zeit Wohnraum für Geflüchte-
                                       26 Bummeln durch die Weltstadt
te vorbereitet. Neben Bianca
                                           Potsdam
                                                                                                                             Foto: Stefan Gloede

Henke steht Matthias Krönert,
Haustechniker       der   Biosphäre        gute unterhaltung
Potsdam,     im      Gespräch    mit   28 Gewaltige Bild-Geschichten
Jörn-Michael       Westphal.    Ganz   29 Blumiger Haarschmuck
links sitzen Oxana Ronis und Ma-
                                           tipps und service
rina Kudriaschowa von der Sozia-
                                       30 Chatten Sie mit uns!                  Bringen Familien zusammen: Catharina
le Stadt ProPotsdam gGmbH.
                                       31 Energiespartipps:                     Kahl und Robert Witzsche         Seite 22
   Über die Arbeit dieser Men-
                                           Wenig Aufwand, viel Nutzen
schen berichten wir in dieser
Ausgabe der EINSVIER.                  31 impressum

   Carolin Brüstel (2. v. r.)

                                                              2
GEBORGENHEIT IM BEGEGNUNGSCAFÉ - ZU BESUCH BEI AUSNAHMEZUSTAND IN DER TROPENHALLE - PROPOTSDAM
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22                                                                   AUF EIN WORT

Dieser
Krieg muss
aufhören

M
             it dem Angriff Russlands auf
             die Ukraine hat sich die Welt
             verändert. Mitten in Europa
werden Menschen getötet, Städte und
Dörfer zerstört, Landschaften verwüstet                             Im Interesse unserer Mieter*innen sind
und Kriegsverbrechen begangen. Millio-                           wir dabei, unsere langfristigen Lieferver-
nen Menschen mussten ihre Heimatorte                             träge für Gas, Wärme und Strom zu verlän-
verlassen. So schrecklich die Geschehen                          gern. Das wird nicht ohne Preisanpassun-
sind, so erschüttert ist die Welt.                               gen gehen, aber wir sind bestrebt, die
   Die Potsdamer*innen haben sich von                            Mieter*innen vor Überraschungen bei den
dem Entsetzen nicht lähmen lassen, son-                          laufenden Betriebskosten zu bewahren.
dern mit Solidarität reagiert. Sie haben                         Sollten trotz der Hilfen der öffentlichen
Hilfsgüter für die Ukraine organisiert und                       Hand Menschen in individuelle Notlagen
ihre Herzen und Arme für die Flüchtenden                         geraten, dann werden wir gemeinsam Lö-
geöffnet. Entschlossen haben sie, unter ih-                      sungen suchen. Unser Auftrag ist die Be-
nen auch die Mitarbeitenden unseres Un-                          reitstellung von Wohnungen zu sozialver-
ternehmens, bei der Unterbringung und            „Ein Zurück     träglichen Konditionen, diesem Auftrag
Versorgung geholfen. In dieser Ausgabe         zur vormaligen    werden wir auch unter den derzeitigen Be-
berichten wir über einige Beispiele dieses
                                               Normalität wird   dingungen im vollen Umfang nachkom-
Engagements. Und: Mit diesem Heft dan-                           men. Dies gilt auch für unsere Verpflich-
ken wir allen, die sich eingesetzt haben und    es wohl nicht    tungen zum Neubau und unsere Ziele zur
dies immer noch tun.                               geben.“       energetischen Sanierung unserer Bestände
   In Deutschland sind die Auswirkungen                          im Sinne der Generationsgerechtigkeit.
des Krieges allenthalben zu spüren: Die                             Wie die Welt nach dem Krieg und den
ohnehin angespannte Lage auf dem Ener-                           aktuellen Krisen aussehen wird, weiß nie-
giemarkt hat sich eruptionsartig verschärft,                     mand. Ein Zurück zur vormaligen Norma-
die Inflation bewegt sich auf einem histori-                     lität wird es wohl nicht geben, zu stark sind
schen Hoch, die Störung von Lieferketten                         die Veränderungen. Was uns die neue Nor-
schmälert die Verfügbarkeit von Nahrungs-                        malität abverlangen wird, wann sie eintritt
und Futtermitteln, von Dünger und Bau­                           – das wissen wir nicht. Was wir wissen: Die-
stoffen. Die ProPotsdam muss sich vielen                         ser Krieg muss aufhören, und zwar schnell.
Herausforderungen stellen: vor allem dem
Anstieg der Energiekosten für Strom, Gas                         Jörn-Michael Westphal     •   Bert Nicke
und Wärme, dem Mangel an Baumateriali-
en und technischen Ersatzteilen sowie der
Kostenentwicklung am Bau.

                                                     3
GEBORGENHEIT IM BEGEGNUNGSCAFÉ - ZU BESUCH BEI AUSNAHMEZUSTAND IN DER TROPENHALLE - PROPOTSDAM
KURZ UND KNAPP                                                                                                                           EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam

Foto: Anja Sadowski                                                               WIEDER AM START

                         Rekorde im
                         Dschungel

                                                             Grafik: Hellograph
                         Die kleinsten Tiere stellen die
                         aufregendsten Rekorde auf:
                         Ameisen etwa können das
                         Dreißigfache ihres eigenen
                         Körpergewichts tragen. Bei den
                         Themenwochen in der Biosphäre
                         Potsdam können Groß und Klein
                         erfahren, welche Dschungeltiere
                         zu Höchstleistungen imstande
                         sind. Vom 25. Juni bis 4. Sep-                           Entscheiden Sie, wer die besten Ideen für das Miteinander in der Stadt hat:
                         tember können Sie zudem selbst                           Beim von der ProPotsdam ausgelobten Online-Förderwettbewerb Gemeinsam FÜR
                         bei vielen Mitmachspielen Ihre                           Potsdam stehen erneut Preisgelder in der Gesamthöhe von 62.000 Euro bereit. Vom
                         Geschicklichkeit, Ausdauer und                           15. August bis 11. September können gemeinnützige Vereine und Organisationen ihre
                         Stärke auf die Probe stellen. Ein                        Bewerbung mit beispielhaften Projekten auf die Website laden. Aus dieser reichen
                         Abenteuer für die ganze Familie.                         Auswahl wählen dann vom 18. September bis 13. November alle Internet-User*innen
                                                                                  ihre Lieblingsprojekte in den Kategorien Kunst & Kultur, Nachbarschaft & Soziales,
                             biosphaere-potsdam.de
                                                                                  Sport & Freizeit sowie Umwelt & Naturschutz. Eine Jury kürt auch in diesem Jahr
                                                                                  weitere Preisträger*innen.

                                                                                                   Mehr lesen?
Foto: Varvara Smirnova

                                                                                                   Mehr Informationen zu dem
                                                                                                   Wettbewerb finden Sie hier.

                                                                                                      gemeinsam-fuer-potsdam.de

                                                                                                                                   Bunter Schlaatz
                         Afrika feiert
                                                                                                                                   Farbenfroh, fröhlich und musika-
                         Gleich an zwei Tagen, am 9. und                                                                           lisch verspricht das Stadtteilfest
                         10. September, erleben Sie beim                                                                           im Schlaatz zu werden. Für den
                         von der ProPotsdam geförderten                                                                            27. August bereiten die Akteur*in-
                         Afrika Festival die Vielfalt des                                                                          nen, Vereine und Träger aus dem
                         Kontinents. Unter Federführung                                                                            Quartier ein buntes Bühnenpro-
                         des Internationalen Centers für                                                                           gramm und dazu viele Aktionen
                                                             Foto: Leon Lenk

                         Deutsche und Immigranten (ICDI)                                                                           vor. Zudem können Sie sich unter
                         schlägt es zudem eine Brücke zu                                                                           anderem bei der ProPotsdam über
                         anderen Kulturen. Das Bühnen­                                                                             das Masterplanverfahren informie-
                         programm auf dem Luisenplatz                                                                              ren, das den Schlaatz grundlegend
                         und der legendäre Straßenumzug                                                                            verändern will. Kaffee und Kuchen
                         werden ergänzt durch Diskussio-                                                                           gibt’s vom Friedrich-Reinsch-Haus.
                         nen und Runde Tische.
                                                                                                                                       schlaatz.de/stadtteilfest-am-
                             facebook.com/icdiev                                                                                       schlaatz-2022-sommer-78

                                                                                                        4
GEBORGENHEIT IM BEGEGNUNGSCAFÉ - ZU BESUCH BEI AUSNAHMEZUSTAND IN DER TROPENHALLE - PROPOTSDAM
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22                                                                                KURZ UND KNAPP

                                                                                                                                                                  Foto: Stefan Gloede
Foto: Landeshauptstadt Potsdam

                                                                                                       Nachhaltiger Nachwuchs
                                                                                                       In Drewitz erproben sich die Drei- bis Sechsjährigen der
                                 INTEGRATIONSPREIS                                                     Kita Storchennest als Landwirt*innen. In einem von der

                                 AUSGESCHRIEBEN
                                                                                                       ProPotsdam geförderten Projekt lernen sie im eigenen
                                                                                                       Kita-Garten, wie man vielfältige Gemüsesorten anbaut,
                                 Seit 2005 verleiht der Migrantenbeirat der Landeshauptstadt den       erntet und verarbeitet. Mit Unterstützung des
                                 Integrationspreis, seit 2008 stiftet die ProPotsdam dazu den          Bildungsprogramms „Ackerracker“ erkunden die
                                 Sonderpreis Nachbarschaft. Wer sich als Einzelperson oder Träger      Kinder so spielend, wo Lebensmittel herkommen und
                                 erfolgreich um ein Zusammenleben von Menschen verschiedener           wie gut Selbstgemachtes schmeckt.
                                 Herkunftskulturen kümmert, kann sich bis zum 28. August bewer-
                                                                                                          kita-storchennest.de
                                 ben. Zum Start der Interkulturellen Woche am 29. September
                                 werden die Preisträger*innen ausgezeichnet.

                                    potsdam.de/integrationspreis

                                                                                                                                                                  Foto: Jan Piechotka
Foto: Matthias Baumbach

                                                                                                       Kultur-Hotspot Drewitz
                                                                                                       Im Sommer verwandelt sich ganz Drewitz dank des
                                                                                                       oskar. Begegnungszentrums wieder zu einem
                                                                                                       Kulturzentrum. So lockt am 3. September Rock am
                                 Aufräumen für Potsdam                                                 Löschteich die Freund*innen härterer Klänge ins
                                                                                                       Quartier. Vom 18. bis 25. September trumpft das
                                 Zum World Cleanup Day treffen sich alljährlich Freiwillige in aller
                                                                                                       Drewitzer Filmfestival am iCafé mit cineastischen
                                 Welt zum Großreinemachen. Auch in Potsdam: Am 17. Septem-
                                                                                                       Perlen und Begleitevents auf.
                                 ber können auch Sie ein Zeichen gegen die Verschmutzung des
                                 Planeten setzen. Nach dem Aufräumen gastiert das Theater Sinn
                                 und Ton auf dem Luisenplatz, das Extavium hält spannende
                                 Experimente bereit. Oberbürgermeister Mike Schubert hat die
                                 Schirmherrschaft über die Aktion der lokalen Wirtschaftsjunioren
                                 übernommen.
                                                                                                          oskar-drewitz.de
                                    potsdam-macht-sauber.de

                                       ProPotsdam im Social Web            facebook.com/ProPotsdam         twitter.com/ProPotsdam                @ProPotsdam

                                                                                                5
GEBORGENHEIT IM BEGEGNUNGSCAFÉ - ZU BESUCH BEI AUSNAHMEZUSTAND IN DER TROPENHALLE - PROPOTSDAM
SCHWERPUNKT POTSDAM BLAU-GELB                                                                                       EINSVIER
                                                                                                                    EINSVIER 02
                                                                                                                             01 /22 · ProPotsdam

Wir lassen
niemanden allein

„Was passiert, wenn Mieter*innen die Miete nicht mehr bezahlen können?", fragte Holger Catenhusen Jörn-Michael Westphal.

            Holger Catenhusen, Geschäftsführer des Mietervereins Potsdam e. V., sprach mit
           ProPotsdam-Geschäftsführer Jörn-Michael Westphal über den Krieg in der Ukraine,
                    steigende Energiepreise und Hilfsprogramme für Mieter*innen.

Holger Catenhusen: Am 24. Februar be-                                                                    eingetretenen Preisanstiegs, wie zum
gann der russische Angriffskrieg auf die                                                                 Beispiel beim Gas, war nicht absehbar.
Ukraine. Wie schnell ist Ihnen klar gewor-                   „Während der                                Wir haben sehr schnell begonnen zu
den, dass das auch hierzulande wirt-                     Corona-Pandemie gab                             prüfen, welche Auswirkungen diese Ent-
schaftliche Auswirkungen haben könnte?                   es ein Aussetzen von                            wicklungen auf unsere Mieter*innen,

                                                        Wohnungskündigungen.
    Jörn Michael Westphal: Meine ersten                                                                  unser Unternehmen und unsere Bau-
Gedanken galten nicht den wirtschaftli-                                                                  und Sanierungsvorhaben haben. Unsere
chen Auswirkungen, sondern dem Leid                     Sind Sie für ein solches                         Wohnungen werden fast vollständig mit
der Menschen in der Ukraine, das mich                       Moratorium?“                                 Gas als Energieträger versorgt, sei es
jeden Tag aufs Neue betroffen macht.                                                                     über die Fernwärme oder direkt. Wir ha-
                                                               — Holger Catenhusen,
Steigende Energiepreise und die Sicher-                                                                  ben dafür zwar langfristige Verträge, aber
                                                         Geschäftsführer des Mietervereins
heit der Energieversorgung wurden be-                                                                    wie sich die Preisentwicklungen auswir-
                                                                     Potsdam e.V.
reits in den Monaten zuvor intensiv dis-                                                                 ken, wird sich erst in den kommenden
kutiert.   Die     Dimension        des    jetzt                                                         Monaten zeigen.

                                                                           6
GEBORGENHEIT IM BEGEGNUNGSCAFÉ - ZU BESUCH BEI AUSNAHMEZUSTAND IN DER TROPENHALLE - PROPOTSDAM
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22                                                  SCHWERPUNKT POTSDAM BLAU-GELB

                    Was passiert, wenn Mieter*innen ange-                                          Pauschale Versprechen kann keiner ab-
                    sichts gestiegener Kosten für Lebensmittel                                  geben, weil niemand die Entwicklungen vo-
                    und Energie Probleme haben, die Miete zu                                    raussehen kann. Ich kann aber versprechen,
                    bezahlen?                                                                   dass wir uns für unsere Mieter*innen einset-
                        Ganz wichtig ist, dass sich die Bewoh-                                  zen, damit wir in sozialen Härtefällen geeig-
                    ner*innen an uns wenden. Nur so sind Ge-                                    nete Lösungen finden. Wir tun alles, was in
                    spräche über individuelle Lösungen mög-                                     unseren Möglichkeiten liegt, damit sich kei-
                    lich. Wir prüfen gemeinsam, ob z. B. bei                                    ner fürchten muss. Wichtig ist, dass die Mie-
                    Alleinwohnenden die finanzielle Belastung                                   ter*innen frühzeitig das Gespräch mit uns
                    auch wegen der Wohnungsgröße zu hoch ist                                    suchen. Mit Blick auf unsere Mieter*innen
                    und eine kleinere Wohnung in unserem Be-                                    gilt auch und gerade jetzt: Wir lassen nie-
                    stand passender sein könnte.                                                manden allein.

                    Haben Sie konkrete Programme, um Ihre                                       Können Sie Ihren Mieter*innen bei den ak-
                    Mieter*innen zu entlasten?                           „Pauschale             tuellen Entwicklungen auch einen positiven
                        Sogar mehrere. Mit dem Wohnflächen-              Versprechen            Ausblick bieten? Gibt es etwas, worauf man
                    bonus können wir eine vergünstigte Miete             kann keiner            hoffen kann?

                                                                        abgeben, weil
                    anbieten, wenn Mieter*innen von einer gro-                                     Zuallererst ist meine größte Hoffnung,
Foto: Adam Sevens

                    ßen in eine kleinere Wohnung umziehen.                                      dass der Krieg in der Ukraine schnell vorbei
                    Mit diesem Bonus sparen unsere Mieter*in-            niemand die            sein wird. Ein positiver Ausblick ist nicht so
                    nen durchschnittlich 150 Euro Kaltmiete            Entwicklungen            einfach, da wir noch nicht alle Auswirkun-
                    pro Monat. Hinzu geben wir 100 Euro Zu-          voraussehen kann.          gen abschätzen können. Doch bei all den

                                                                        Ich kann aber
                    schuss zu den Umzugskosten für jeden Qua-                                   schlechten Nachrichten und den schlimmen
                    dratmeter reduzierter Fläche. Eine weitere                                  Schicksalen bin ich froh über die Solidarität,
                    Option ist unser Sozialfonds Plus, der Mie-         versprechen,            die wir Potsdamer*innen den Geflüchteten
                    ter*innen in den Fällen hilft, wenn z. B. eine    dass wir uns für          aus der Ukraine entgegenbringen. Das Team
                    Unterstützung durch Wohngeld nicht mög-            unsere Mieter*           der Biosphäre Potsdam hat sehr schnell die

                                                                      innen einsetzen,
                    lich ist.                                                                   Anlaufstelle für Geflüchtete eingerichtet.
                                                                                                Mit unserer gemeinnützigen Soziale Stadt
                    Lukas Siebenkotten, Präsident des Deut-              damit wir in           ProPotsdam gGmbH und vielen Ehrenamt-
                    schen Mieterbundes, forderte jüngst, dass              sozialen             lichen konnten wir kurzfristig in der Potsda-
                    keinem gekündigt werden darf, der wegen              Härtefällen            mer Innenstadt, in Drewitz und auch im
                    stark gestiegener Heizkosten seine Neben-
                                                                          geeignete
                                                                                                Schlaatz Begegnungs- und Hilfsangebote
                    kostenabrechnung nicht fristgerecht bezah-                                  für Ukrainer*innen schaffen. Aber auch das
                    len kann. Während der Corona-Pandemie                 Lösungen              Engagement Anderer in den Nachbarschaf-
                    gab es ein ähnliches Aussetzen von Woh-                finden.“             ten hat einmal mehr gezeigt, dass das Ehren-
                    nungskündigungen. Sind Sie für ein solches                                  amt in Potsdam eine wichtige Stütze ist.
                                                                     — Jörn-Michael Westphal,
                    Moratorium?
                                                                        Geschäftsführer der
                        Während der Corona-Pandemie konn-                                       Vielen Dank für das Gespräch.
                                                                        ProPotsdam GmbH
                    ten wir beobachten, dass es nicht zu der be-
                    fürchteten Welle von Zahlungsproblemen
                                                                                                                   Mehr lesen?
                    gekommen ist. In der Praxis gab es nur sehr
                                                                                                                   Hier gibt es das
                    wenige Fälle, in denen Mieter*innen ihre                                                       gesamte Interview.
                    Zahlungen nicht leisten konnten. In diesen
                                                                                                                      propotsdam.de/
                    Fällen haben wir eine einvernehmliche Lö-
                                                                                                                      Interview-Hilfe-fuer-Miete
                    sung finden können und Unterstützungsan-
                    gebote aufgezeigt.

                    Können Sie Ihren Mieter*innen öffentlich
                    versprechen, dass aufgrund der stark ge-
                    stiegenen Energiepreise niemandem gekün-
                    digt wird?

                                                                                7
GEBORGENHEIT IM BEGEGNUNGSCAFÉ - ZU BESUCH BEI AUSNAHMEZUSTAND IN DER TROPENHALLE - PROPOTSDAM
SCHWERPUNKT POTSDAM BLAU-GELB                         EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam

Ausnahme-
zustand unter
Palmen

          Seit Anfang März fungiert die Orangerie der Biosphäre
          Potsdam als Anlaufstelle für aus der Ukraine Geflüchtete.
          Innerhalb kürzester Zeit hat das Team der Potsdamer Tro-
          penwelt dort einen Ort geschaffen, wo Menschen in Not
          Quartier, Verpflegung und weitere Hilfe erhalten. Und das
          bei laufendem Betrieb nebenan. EINSVIER-Redakteurin
          Anja Rütenik hat mit Biosphäre-Mitarbeitenden über diese
          Ausnahme­situation gesprochen.

                                    8
GEBORGENHEIT IM BEGEGNUNGSCAFÉ - ZU BESUCH BEI AUSNAHMEZUSTAND IN DER TROPENHALLE - PROPOTSDAM
ProPotsdam · EINSVIER 02
                                            01 /22
                                               /22                                                                                            SCHWERPUNKT POTSDAM BLAU-GELB

                      S
                             till ist es in der Orangerie der                                                                                   betten geliefert, Trennwände von der
                             Bio­sphäre an diesem Vormittag,                                                                                    ProPotsdam zur Verfügung gestellt und
                             sehr still. Und das, obwohl hier                                                                                   drei Sanitärcontainer mit Toiletten und
                      fast 120 Menschen Quartier bezogen                                                                                        Duschen geordert. „Nur wenig später
                      haben. Zu sehen sind nur wenige von                                                                                       hätten wir vermutlich gar keine mehr
                      ihnen, vor allem Kinder und Teenager,                                                                                     bekommen“, ist sich Sebastian Leifgen
                      die mit ihren Smartphones und Tablets                                                                                     sicher. Alle, die ihm einfielen, hat Bio­
                      an der Ladestation sitzen. Die Geräte                                                                                     sphäre-Chef Leifgen um Hilfe gebeten,
                      sind ihre Verbindung in die Heimat, zu                                                                                    darunter die Stadtfraktionen der Partei-
                      Familien und Freunden, zum Vertrau-                                                                                       en und den Stadtteilladen im Bornsted-
                      ten. Wie ein Eindringling fühlt man sich,                                                                                 ter Feld.
                      möchte das bisschen Privatsphäre, das
                      die aus der Ukraine Geflüchteten ha-
                                                                                                „Die ersten zwei,                               Ein Ort zum Ankommen
                      ben, nicht verletzen.                                                    drei Wochen waren                                    Doch mit dem Aufstellen der Sani-
                         Seit Anfang März, nur wenige Tage                                       emotional sehr                                 tärcontainer war es nicht getan: Vor der
                      nach dem Angriff auf die Ukraine, ist
                      die Orangerie der Biosphäre eine Not-
                                                                                                   belastend.“                                  Inbetriebnahme mussten Stromleitun-
                                                                                                                                                gen und frostsichere Wasserleitungen
                      unterkunft für aus dem Land Geflüch-                                           — Sebastian Leifgen,                       verlegt werden. Matthias Krönert, der
                      tete. Zu jeder Tages- und Nachtzeit fin-                                         Geschäftsführer der                      seit 20 Jahren als Haustechniker der Bio­
                      den sie hier Zuflucht, einen Schlafplatz,                                        Biosphäre Potsdam                        sphäre für Dinge wie das künstliche Ge-
                      eine warme Dusche, zu essen und zu                                                                                        witter zuständig ist, erinnert sich an diese
                      trinken. Zu verdanken ist das den Mit-                                                                                    Wochen: „Es war extrem schwierig“, be-
                      arbeiter*innen der Biosphäre, die mit                                                                                     richtet er. „Alle haben mit angepackt,
Foto: Stefan Specht

                      ihrem Engagement weit über ihre ei-                                                                                       und Lücken haben wir mit externen Fir-
                      gentlichen Aufgaben hinaus innerhalb                                                                                      men gefüllt. Es ging erst mal nur darum,
                      kürzester Zeit scheinbar Unmögliches                                                                                      zu helfen.“ Unterstützung gab es unter
                      geschafft haben.                                                                                                          anderem von der AWO und dem Zuliefe-
                         Schon als die Nachrichten den Be-                                                                                      rer Bär & Ollenroth, der die Hälfte der
                      ginn des Angriffs verkündeten, war klar,                                                                                  notwendigen Anschlusstechnik gespon-
                      dass es in Potsdam kurzfristig hohen Be-                                                                                  sert hat. Matthias Krönert hat eine be-
                      darf an Unterkünften für geflüchtete                                                                                      sondere Beziehung zur Ukraine, ist mit
                      Ukrainer*innen geben wird, berichtet                                  Zeichen für den Frieden: Den Kolibri vor der Ukraine-Flagge hat ein
                      Biosphäre-Geschäftsführer       Sebastian                             Biosphäre-Mitarbeiter auf die Fassade gemalt.
                      Leifgen. Nur wenige Monate nach sei-
                      nem Antritt als Chef der Tropenhalle
                      sahen er und sein Team sich mit einer
                      Ausnahmesituation konfrontiert.

                      In drei Tagen zum Quartier
                         Bereits vor der offiziellen Anfrage
                      der Stadtverwaltung begann der Ge-
                                                                    Foto: Benjamin Maltry

                      schäftsführer, alles in die Wege zu leiten,
                      was für eine Flüchtlingsunterkunft be-
                      nötigt wird. Dabei geholfen hat ihm
                      auch sein beruflicher Hintergrund: Er
                      kommt aus der Beherbergungsbranche.
                      „Für mich war das ein Hotelprojekt“,
                      berichtet Leifgen.
                         Als das „Go“ der Stadtverwaltung
                      kam, blieben nur drei Tage Zeit, alles
                      vorzubereiten: Bereits gebuchte Veran-
                      staltungen wurden abgesagt, 150 Feld-

                                                                                                                 9
GEBORGENHEIT IM BEGEGNUNGSCAFÉ - ZU BESUCH BEI AUSNAHMEZUSTAND IN DER TROPENHALLE - PROPOTSDAM
SCHWERPUNKT POTSDAM BLAU-GELB                                                                                        EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam

                                                                                                                                                        Foto: Stefan Specht
Sichere Zuflucht, Essen und ein Bett für die Nacht: Innerhalb weniger Tage wurde die Orangerie zur Notunterkunft.

einer Ukrainerin verheiratet und war schon                                                               mittelt wurden. Doch nicht immer gelingt
oft dort. Seine Frau Olga half in den ersten                                                             die rasche Vermittlung, dann gibt es Men-
Tagen aus und dolmetschte. Ihre eigene Fa-                                                               schen, die zwei, drei Wochen in dem proviso-
milie ist noch in ihrer Heimat. „Ich habe                                                                rischen Lager ausharren müssen. Manche
Angst, in die Ukraine zu fahren und zu se-                                                               kommen zurück, weil die Zeit im von der
hen, wie es dort jetzt aussieht“, berichtet sie.                                                         Stadt gebuchten Hotel vorbei ist oder Pri-
    Wo sonst Brautpaare ihre Liebe besie-                                                                vatleute nicht länger Obdach anbieten kön-
geln, Jubilare schöne Stunden mit ihren                                                                  nen.
Gästen verbringen oder bei Tagungen neue                        „Die Menschen                                „Die Sprachbarriere ist das Schwierigs-
Impulse gesetzt werden, schlafen seit Wo-                         haben erst                             te“, berichtet Carolin Röper. Die Biosphä-

                                                                 einmal Ruhe
chen Menschen, die alles verloren haben.                                                                 re-Mitarbeiterin ist Bankettleiterin in der
Ihr Haus, vielleicht auch ihre Familie und                                                               Gastronomie und für gedeckte Tafeln etwa
Freund*innen zurücklassen mussten. Kin-                         gebraucht nach                           bei Hochzeiten zuständig. Seit Anfang März
der, die keine Zeit mehr hatten, ihr Lieb-                        der langen,                            hat sie die zentrale Koordination in der An-

                                                                 schwierigen
lingskuscheltier einzupacken, weil die Bom-                                                              laufstelle übernommen und war die Schnitt-
ben und Panzer immer näher rückten.                                                                      stelle zwischen der Stadtverwaltung und
Manche Geflüchtete kommen mit Koffern                              Flucht.“                              dem Biosphäre-Team. „Es war ein Glück,
und Rucksäcken zur Aufnahmestelle, ande-                                                                 dass schon am Anfang das Nötigste da war.
                                                                     — Carolin Röper,
re nur mit dem, was sie am Körper tragen,                                                                Die gesamte Biosphäre hat uns hier den Rü-
                                                                     Mitarbeiterin der
darunter alte Menschen und Mütter mit                                                                    cken freigehalten“, erzählt die junge Frau,
                                                                    Biosphäre Potsdam
Kindern.                                                                                                 die immer noch dort einspringt, wo gerade
                                                                                                         Bedarf besteht. „Die meisten Menschen, die
Engagement über den                                                                                      bei uns ankamen, haben erst mal Ruhe ge-
Feierabend hinaus                                                                                        braucht nach der langen, schwierigen
    300 bis 500 Menschen kamen zeitweise                                                                 Flucht“, sagt sie. Inzwischen sind viele der
pro Tag zur Auffangstelle. Die meisten blie-                                                             Geflüchteten tagsüber damit beschäftigt,
ben nur für ein, zwei Nächte, bevor sie an                                                               sich bei den Ämtern vorzustellen. Für die
andere Städte oder Unterkünfte weiterver-                                                                Verständigung mit den Ukrainer*innen ste-

                                                                             10
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22                                                                   SCHWERPUNKT POTSDAM BLAU-GELB

                        hen freiwillige Helfer zur Verfügung.
                        Auch der Dienstleister, der die Service-
                        kräfte für die Notunterkunft stellt, ist
                        selbst Ukrainer und dolmetscht, wenn es
                        gebraucht wird.
                            Wo zunächst Feldbett an Feldbett
                        stand, separiert nur durch Trennwände,

                                                                                                                                                                       Foto: Benjamin Maltry
                        haben die Bewohner*innen inzwischen
                        provisorische, durch Bauzäune und Vor-
                        hänge getrennte Räume und so zumin-
                        dest etwas mehr Privatsphäre. Mahlzei-
                        ten gibt es dreimal am Tag, 50 Personen
                        finden im Essbereich Platz. Sind es mehr,
                        wird in Etappen gegessen. Für die
                        Kinder gibt es Spielzeug, gespendete
                        Kleider und Hygieneartikel liegen bereit.

                        Neues Projekt in Vorbereitung                Engagiert: Das Biosphäre-Team, hier Matthias Krönert und Carolin Röper.
                            Das außerordentliche Engagement
                        seines Teams weit über die reguläre Ar-      ung zur Verfügung. Nach einigen Wo-                 Orangerie wieder als Veranstaltungsort
                        beitszeit weiß Geschäftsführer Sebastian     chen hat die Biosphäre mit Karsten                  genutzt werden. „Wir haben es gern ge-
                        Leifgen zu schätzen. „Alles hat nur so       Görig zudem einen Projektleiter für die             macht und sind froh, dass wir auf diese
                        gut geklappt, weil die Mitarbeiter hier so   Flüchtlingshilfe eingestellt, der die Ko-           Weise helfen konnten“, bilanziert Sebas-
                        gut mitgezogen haben“, sagt er anerken-      ordination übernimmt. „Es ist erstaun-              tian Leifgen die vergangenen dreieinhalb
                        nend. Sei es für die technischen Anla-       lich, wie der Betrieb der Flüchtlings­              Monate. Er und sein Team hätten sich
                        gen, die Koordination oder Ausschilde-       unterkunft mittlerweile ein fester                  gerne noch weiter für die Geflüchteten
                        rungen, die den Ankommenden den Weg          Bestandteil der Biosphäre geworden                  engagiert. Und doch freuen sich alle,
                        weisen. „An den Mitarbeitenden gehen         ist“, so Sebastian Leifgen.                         dass es bald wieder glückliche Stunden
                        die Ereignisse der vergangenen Monate            Nun, da die Grundbedürfnisse wie                sein werden, die die Menschen in der
                        und die Schicksale ihrer Schützlinge na-     Schlafen und Essen abgedeckt sind,                  Orangerie der Biosphäre Potsdam ver-
                        türlich nicht spurlos vorbei. Das ist in     möchte das Biosphäre-Team den nächs-                bringen werden.
                        den Gesprächen zu merken, die emotio-        ten Schritt gehen und den Menschen
                                                                                                                             biosphaere-potsdam.de
                        nale Ausnahmesituation müssen die            helfen, sich zu integrieren, Arbeit und
                        Kolleg*innen verarbeiten. Deshalb steht      Kinderbetreuung zu finden. So soll eine
                        ihnen bei Bedarf psychologische Betreu-      ukrainische Küche in der Biosphäre auf-                                   Mehr erfahren?
                                                                     gebaut werden. Olga Krönert hat einen                                     Hier geht es zu einem
                        Ist stolz auf seine Mitarbeiter*innen:
                        Geschäftsführer Sebastian Leifgen            Aufruf in ihrer Muttersprache vorberei-                                   Video-Beitrag über
                                                                                                                                               das Engagement des
                                                                     tet. Es sei ein Experiment, so Leifgen:
                                                                                                                                               Biosphäre-Teams.
                                                                     eine Gastronomie, in der das Personal
                                                                     kein Wort Englisch oder Deutsch spricht.
                                                                     Das Biosphäre-Team hofft, im Juni die
                                                                     ersten Ukrainer*innen einstellen zu kön-
                                                                     nen. „Im besten Fall können wir andere
Foto: Benjamin Maltry

                                                                     Unternehmen dafür begeistern und da-
                                                                     bei unterstützen, ebenfalls diesen Schritt
                                                                     zu gehen“, so der Biosphäre-Chef.
                                                                         In den vergangenen Monaten haben
                                                                     sich das Team und die externen Dienst-
                                                                     leister eingespielt, auch Freiwillige sind
                                                                     weiterhin dabei. Ende Juni wird die Not-
                                                                     unterkunft im Bornstedter Feld auf An-
                                                                                                                                     TEXT ANJA RÜTENIK
                                                                     ordnung der Stadt schließen und die

                                                                                           11
SCHWERPUNKT POTSDAM BLAU-GELB                                                                                                EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam

    Was führte Sie nach Potsdam?
                    Viele Wege führen nach Potsdam: ein neuer Arbeitsplatz, die Liebe
                 oder die Hoffnung auf Sicherheit für die eigene Familie. EINSVIER sprach
               mit Mitarbeiter*innen des Unternehmensverbunds der ProPotsdam über ihre
                          Beweggründe, in Potsdam zu wohnen oder zu arbeiten.

                                     iczProPotsdam
                                low   u                                                       „Ich lebe seit 2015 in Deutschland.
                               a uff a
                           h nka
                                    r
                                                                                           Mit meiner kleinen Familie bin ich damals
                           ob c
                                 e
             zubildende Imm Mi
                             ili

                                                                                        aus Afghanistan geflohen, da unser Leben dort
     Anna

                                                                                        in Gefahr war. Mittlerweile wohnen wir seit vier
                                                                                         Jahren in Potsdam. In meiner Heimat war ich
                                                                                         Jurist, hier in Deutschland mussten wir noch
                                                                                                  einmal ganz neu anfangen.“
        A us

                                                                  Fot

                                                                                                                        adbir
                                                                     o:
                                                                        St

                                                                                                                    r TOBA
                                                                          ef
                                                                            an

                                                                                                                  e
                                                           Gl
                                                             oe

                                                                                                                ahGEW
                                                      de

                                                                                                     T
                                                                                                                   er

                                                                                                 n m ad
         „Geboren wurde ich in Polen, in der Nähe

                                                                                                        ag
                                                                                                      an
                                                                                         Mohamm
       von Breslau. Im Sommer 2012, mit elf Jahren,                                        Kunde
   zog ich mit meiner Mutter und meinen Geschwistern
    nach Berlin, da hier mein Stiefvater gearbeitet hat.
   Meine Mutter wollte, dass die Familie zusammen ist.
    Ich habe mich damals sehr auf den Umzug gefreut.

                                                                                                                                                 Foto:
                                                                                                                                                       St
            Als Kind war das ein neues großes

                                                                                                                                                         ef
                                                                                                                                                           an
                                                                                                                                          Gl
                                                                                                                                            oe

                   Abenteuer für mich.“
                                                                                                                                     de

                                                                                        „Neben der Ukraine ist Potsdam meine zweite
                                         owa
                              a o    schtsdam gGmbH                                     Heimat. Vor 21 Jahren bin ich nach Deutschland
                            rit ProP                                                   gezogen, mit meinem Mann, unserer Tochter und
                             eS d

                                                                                       seinen Eltern, die damals als Juden immigrieren
           tarbeit rin Sozial Ku
                                 d
                               ta

                                                                                      konnten. In Potsdam habe ich meine zweite Tochter
     Marina

                                                                                      geboren, hier habe ich meine Ausbildung gemacht,
                                                                                         hier habe ich meine Wohnung und Arbeit und
                  e

                                                                                                  vor allem meine Freunde.“
        Mi

                                                                                                                       is am gGmbH
                                                                  Fo

                                                                                                                    onroPotsd
                                                                    to:
                                                                        St
                                                                          ef

                                                                                                               Rt P
                                                                            an

                                                           Gl
                                                             oe
                                                      de
                                                                                              tarbeit rin Sozial na
                                                                                                                    d
                                                                                                                  ta
                                                                                                                eS
                                                                                                              xa

             „Die Entscheidung, als jüdische
                                                                                          O

      Immigranten aus Russland nach Deutschland
     zu ziehen, hat eigentlich meine Oma Anfang der
                                                                                                     e

   Neunziger für meine Mutter und mich getroffen. Zum
                                                                                           Mi

    einen sah sie in unserer Heimat keine Zukunft für
                                                                                                                                                 Foto:
                                                                                                                                                       St

          uns und zum anderen wohnte der Rest
                                                                                                                                                         ef
                                                                                                                                                           an

                                                                                                                                          Gl
                                                                                                                                            oe

              unserer Familie bereits hier.“
                                                                                                                                     de

                                                                                 12
13
AUS DEN KIEZEN                                                                                            EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam

                      POTSDAM-WEST

Eine Zuflucht
im Traditions-
lokal
Seit März beherbergt die ehema-
lige Ausflugsgaststätte Seekrug
am Templiner See vier ukrainische
Familien. Angestoßen hatte die
Hilfsaktion Alexander Konovalov,
Facility Manager am Luftschiff­
hafen. Der vor vielen Jahren aus
Russland emigrierte Potsdamer
musste nicht lange überlegen.
                                                Alexander Konovalov arbeitet seit rund 20 Jahren als Facility Manager im Luftschiffhafen.

A
         lexander Konovalov, „Sascha“, wie                                                 untrennbar mit dem Rudersport verbunden
         ihn eigentlich alle nach der russi-                                               und ein bekannter Stützpunkt des Sports.
         schen Koseform von Alexander                                                      Das Gebäude gehört heute der Landes-
nennen, arbeitet seit 2003 am Luftschiff­                                                  hauptstadt Potsdam. Immer noch nutzen
hafen. Seit rund zwei Jahren ist der Facility                                              Rudervereine Räume in dem Gebäude,

                                                       „Der Krieg ist
Manager und mit seinem Team dafür ver-                                                     auch der Bundesstützpunkt Potsdam hat
antwortlich,   das   gesamte   Luftschiffha-                                               hier seine offizielle Adresse. Die Gaststätte
fen-Areal in Stand zu halten. „Ich bin seit           durch nichts zu                      ist seit 2013 geschlossen. Damit die ur-
fast 20 Jahren mit dem Gelände verheiratet.            recht­fertigen,                     sprünglich acht Doppelzimmer in einem
Ein Großteil meines Lebens“, sagt der                   egal was die                       Anbau wieder genutzt werden können –

                                                         Medien in
50-Jährige. Alexander kam selbst vor mehr                                                  etwa von Sportlern, die an den Trainingsla-
als 20 Jahren zusammen mit seiner Frau aus                                                 gern teilnehmen – wurden sie hergerichtet
der russischen Stadt Nischni Tagil nach                  Russland                          und es erfolgte eine brandschutztechnische
Deutschland. In Potsdam habe er viele Uk-               verkünden.“                        Ertüchtigung. Eines der Zimmer, das als zu-
rainer kennengelernt, berichtet er. Durch sie                                              sätzlicher Fluchtweg dienen muss, ist in ei-
                                                    — Alexander Konovalov,
habe er auch unmittelbar von der Situation                                                 nen gemütlichen Gemeinschaftsraum ver-
                                                        Facility Manager,
in ihrem Heimatland erfahren. Die vier Fa-                                                 wandelt worden, mit Einbauküche, einem
                                                      Luftschiffhafen GmbH
milien sind Verwandte, Freunde und Be-                                                     großen Tisch und Stühlen.
kannte seiner ukrainischen Freunde.
                                                                                           Schnelle Hilfe für die Familien
Das Traditionsrestaurant Seekrug                                                               Gemeinsam mit der Geschäftsführung
   Der denkmalgeschützte Seekrug wurde                                                     der Luftschiffhafen GmbH hatte Alexander
ab 1925 errichtet. Seit den 1950er-Jahren                                                  Konovalov die Idee, die zu der Zeit leerste-
sind das Gebäude und das umliegende Areal                                                  henden Gästezimmer für die Unterbringung

                                                                 14
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22                                                                                                                  AUS DEN KIEZEN

                                                                                                                                                               Foto: Stefan Gloede
                                                 Foto: Stefan Gloede

                                                                       Der Seekrug wurde ab 1925 errichtet und steht mittlerweile unter Denkmalschutz.

                                                                                                                Wäsche waschen und trocknen zu können,
                                                                                                                hat der Stützpunkt den Familien ihren
                                                                                                                Waschraum zur Verfügung gestellt.

                                                                                                                Der surreale Krieg
                                                                                                                    Mit ihren Verwandten in der Ukraine ha-
                                                                                                                ben die Familien regelmäßig Kontakt. Die
                                                                                                                Schulkinder werden online unterrichtet.
                                                                                                                „Manchmal muss der Unterricht unterbro-
                                                                                                                chen werden, weil der Lehrer wegen eines
                                                                          „Wir haben den                        Raketenalarms Schutz im Keller oder einem
der ukrainischen Familien zu nutzen. Damit                                 Familien noch                        Bunker suchen muss. Das ist schon etwas
wandten sie sich an die Stadt. Der Verwal-                                schnell Alltags­                      surreal.“ Der Krieg sei einfach furchtbar,

                                                                            gegenstände
tungsstab zur Hilfe für Menschen aus der                                                                        sagt Alexander. „Er ist durch nichts zu
Ukraine habe sehr schnell und unkompli-                                                                         rechtfertigen, egal was die Medien in Russ-
ziert reagiert, sagt Alexander. Die erste Fa-                            organisiert, über                      land verkünden.“ Wie lange die Familien
milie kam am 11. März in Potsdam an. Nach                                die man zu Hause                       bleiben, ist ungewiss. Einen Termin gebe es
der Erstaufnahme in der Biosphäre konnte                                   gar nicht groß                       nicht, doch sei den Familien klar, dass sie

                                                                            nachdenkt.“
sie in den Seekrug ziehen. Insgesamt sind es                                                                    nicht ewig im Seekrug wohnen können. Sie
jetzt acht Frauen und Kinder. Sie kommen                                                                        hoffen, in Potsdam eine Wohnung zu finden.
aus Städten im Süden, Osten und der Zent-                                — Alexander Konovalov,
ralukraine wie Saporischschja, Dnipro und                                    Facility Manager,
Krywyj Rih, wie Alexander erzählt. „Auch                                   Luftschiffhafen GmbH
da sind schon Raketen eingeschlagen.“

Einen normalen
Alltag ermöglichen
   Den Familien ginge es gut, sie fühlten
sich sehr wohl. Als sie eingezogen waren, fiel
auf, dass noch einiges für den normalen All-
tag fehlte: Kochtöpfe, Geschirr, Besteck
oder ein Bügeleisen. „Alltagsgegenstände,
über die man zu Hause gar nicht groß nach-
denkt. Das haben wir dann alles sehr schnell
                                                                                                                            TEXT SARAH STOFFERS
organisiert“, bemerkt Alexander. Um ihre

                                                                                      15
AUS DEN KIEZEN                                          EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam

                                                                                           INNENSTADT

                                             Grundversorgung im
                                             Quartierstreff
                                             Als die ersten ukrainische Geflüchteten in Potsdam
                                             eintrafen, wurde der Quartierstreff Staudenhof schnell
                                             zur Anlaufstelle. In kürzester Zeit stellten die Haupt- und
                                             Ehrenamtlichen eine Grundversorgung auf die Beine.
                                             Unter anderem wurden die Geflüchteten mit warmem
                                             Essen, Hygieneprodukten oder Babynahrung versorgt.
                                             Auch halfen die Ehrenamtlichen beim Ausfüllen notwen-
                                             diger Papiere und boten eine psychologische Beratung
                                             an. Bei der Grundversorgung halfen zudem andere Ein-
                                             richtungen, etwa das Freiland. Seit Anfang Mai gibt es im
                                             Quartierstreff wieder die regulären Angebote, zu denen
                                             auch Sprachkurse für Deutsch als Fremdsprache gehören.

                                                quartierstreff-staudenhof.de

                                                                                                DREWITZ

                                             oskar. als Kontakt-
                                             und Sammelstelle
                                             Das Begegnungszentrum oskar. bot sich zu Kriegsbeginn
                                             als Kontaktstelle für Ehrenamtliche an, beispielsweise für
Grafik: Studio Qrfld

                                             Sprachmittler*innen oder Kinderbetreuung. Auch eine
                                             Sammelstelle für Sachspenden richtete das Nachbar-
                                             schaftshaus ein und stellte Informationen bereit. Mitt-
                                             lerweile können die ukrainischen Geflüchteten im oskar.
                                             an den regulären Kursen teilnehmen, etwa beim Sprach-
                                             café, in dem jeden Samstag Deutsch unterrichtet wird.

                                                oskar-drewitz.de

                                                                                              SCHLAATZ

                                             Kurse für alle im
                                             Begegnungshaus
                                             Die Haupt- und Ehrenamtlichen des Friedrich-Reinsch-
                                             Hauses halfen aktiv bei den verschiedensten Hilfs-
                                             und Unterstützungsangeboten, vor allem auch im
                                             Quartierstreff, mit. Im Begegnungshaus selbst richteten
                                             sich die vielfältigen Angebote von Beginn an natürlich
                                             auch an die Geflüchteten aus der Ukraine. Dazu gehörten
                                             die russisch-deutsche Dolmetscher-Sprechstunde jeden
                                             Mittwoch oder der Nachbarschaftstreff am Suppentopf.

                                                milanhorst-potsdam.de

                                        16
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22                                                                                    AUS DEN KIEZEN

                                                                                   AM STERN                                                  POTSDAM WEST
Foto: shutterstock/monticello

                                                                                                                                                                      Foto: Sylvia Göres
                                 AWO koordiniert die Hilfen                                          Adler zeigen Flagge
                                 Bereits seit Beginn des Ukrainekrieges hat der AWO                  Zum Start in die Aufstiegsrunde lief das Handballer-Team
                                 Bezirksverband Potsdam zu Sach- und Geldspenden und                 des VfL Potsdam in den Farben der ukrainischen Flagge aufs
                                 Unterstützung aufgerufen und Hilfstransporte mitorgani-             Spielfeld der MBS-Arena. Die Sondertrikots wurden verstei-
                                 siert. Der Bezirksverband übernahm die Organisation                 gert und die Summe durch 20 Prozent der Ticketeinnahmen
                                 und Koordinierung des Netzwerkes der helfenden                      aufgestockt. Der Erlös von 2.000 Euro wurde an HelpTo –
                                 Häuser und die Sprachmittlung in der Stadtverwaltung.               dem gemeinnützigen Projekt des Neuen Potsdamer Toleran-
                                 Im Auftrag der Stadt baute die AWO zudem ein Koordi-                zedikt e. V. – und an den Freundes- und Förderkreis des
                                 nierungsbüro Ehrenamt auf. Auch eine Beratungsstelle                Klinikum Ernst von Bergmann e. V. gespendet.
                                 für geflüchtete Menschen aus der Ukraine wurde
                                                                                                        vfl-potsdam.de
                                 eingerichtet.

                                    awo-potsdam.de/standort/koordinierungsbuero-ukraine-hilfe
                                                                                                                                                 BABELSBERG

                                                                    NAUENER VORSTADT

                                                                                                                                                                      Foto: shutterstock/Cloudy Design
Foto: Adam Sevens

                                                                                                     Soli-Festival bei
                                                                                                     Babelsberg 03
                                Unterstützung dank                                                   Für den Fußballverein Babelsberg 03 ist die Hilfe für Geflüch-

                                großem Netzwerk                                                      tete Teil seiner DNA. So wurden für das Flüchtlingsprojekt
                                                                                                     „Konvoi Drushba“, das von Fans des Clubs mitinitiiert wurde,
                                Der Treffpunkt Freizeit richtete unter anderem einen offenen         Spenden bei Spielen im Karl-Liebknecht-Stadion gesammelt.
                                Treff ein, eine Art ganztägiges Kontakt-Café. Einige Wochen          Damit konnten unter anderem Hilfsgüter an die ukrainische
                                lang wurde die Einrichtung auch als Notunterkunft genutzt,           Grenze gebracht werden. Ende April wurde ein Soli-Festival
                                der normale Betrieb war unterbrochen. Nachdem wieder                 im Stadion von den Initiatoren des Flüchtlingsprojekts
                                Angebote stattfinden konnten, wurden dank des großen                 organisiert. Die Einnahmen in Höhe von rund 5.000 Euro
                                Netzwerkes an Ehrenamtlichen unter anderem 13 verschie-              gingen an „Konvoi Drushba“ und das Projekt „MediKits“ der
                                dene Deutsch-Sprachkurse auf die Beine gestellt. In den              Flüchtlingshilfe Babelsberg für medizinische Erstversor-
                                Sommerferien sind Sprachcamps für Jugendliche geplant.               gungskits.

                                   treffpunktfreizeit.de                                                babelsberg03.de

                                                                                                17
ZU BESUCH BEI                                                                                                    EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam

Geborgenheit in
der Fremde

Treff für Geflüchtete: Martina und Günther Kruse laden Neu-Potsdamer*innen ins BegegnungsCafé ein.

 Ein Stück zweite Heimat finden Geflüchtete aus vielen Nationen im Begegnungs-
  Café des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks (EJF), geleitet von Martina
      und Günther Kruse. EINSVIER-Redakteur Torsten Bless war zu Besuch.

E
         in Mittwoch im April: Ulrike Beer-                                                          Die Menschen nicht allein lassen
         baum und Franziska Melzer vom                                                                  Zu den Neuankömmlingen hier zählt
         Hans-Otto-Theater bringen im os-                      „Für mich ist der                     Valeriia Buchuk. Sie hat es nach einer trau-
kar. bei ihrer Neufassung der „Prinzessin                      Treff eine große                      matischen Flucht aus Charkiw nach Pots-
auf der Erbse“ Gemüse zum Sprechen und
                                                                moralische und                       dam verschlagen. „Für mich ist der Treff
Obst zum Lachen. 60 faszinierte Kinder                                                               eine große moralische und emotionale Un-
und ihre Eltern, vornehmlich aus der Uk-                      emotionale Unter-                      terstützung“, bekundet die 35-Jährige.
raine, schauen ihnen im Drewitzer Stadt-                          stützung.“                         „Die Atmosphäre hier ist sehr herzlich, ich
teilzentrum zu. Der Ukraine-Treff ist ein                                                            fühle mich mit meinen Anliegen nicht al-
                                                                 — Valeriia Buchuk,
Ableger des Internationalen Begegnungs-                                                              lein gelassen.“
                                                                  Geflüchtete aus der
Cafés. Dessen Initiator*innen Martina und                                                               Für Martina und Günther Kruse ist das
                                                                        Ukraine
Günther Kruse führen souverän und mit                                                                Engagement        selbstverständlich.   „Als
Charisma durch den Nachmittag.                                                                       Christen ist es für uns ein Akt der Barm-

                                                                          18
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22                                                                                              ZU BESUCH BEI

                               herzigkeit und Nächstenliebe, zu trösten
                               und zu unterstützen“, betont der einstige
                               Pfarrer und spätere Referatsleiter im Bil-
                               dungsministerium. Als 2015 immer mehr
                               Menschen Zuflucht vor Krieg und Zerstö-
                               rung in Syrien suchten, trommelte das
                               Ehepaar in der Babelsberger Kirchenge-
                               meinde ehrenamtliche Mitstreiter*innen
                               zusammen. Das durch eine Idee von Marti-
                               na Kruse entstandene BegegnungsCafé öff-
                               nete im Februar 2016 seine Pforten. Neben
                               Neu-Potsdamer*innen aus Syrien finden
                               auch Menschen aus Eritrea, Afghanistan,
                               dem Sudan, Palästina oder dem Iran ihren
                               Weg ins Café.
                                  An das Ankommen bei Kaffee und Ku-
                               chen schließt sich ein vornehmlich von
Alle Fotos: Sebastian Gabsch

                               Martina Kruse gestaltetes Programm an.
                               Da wird gesungen, über Themen wie Schu-
                               le, Klimawandel, Gesundheit, Gleichbe-
                               rechtigung informiert und diskutiert. Aber
                                                                                Im oskar. packen Freiwillige und Gäste gemeinsam mit an.
                               auch Erzählungen von Flucht und Vertrei-
                               bung finden einen Raum. Sehr beliebt sind                                                       Die Anerkennung für das Begegnungs-
                               die Ausflüge, etwa in den Bundestag, den                                                   Café ist groß: Die ProPotsdam zeichnete es
                               Zoo, den Friedrichstadt-Palast oder Reisen                                                 2021 mit dem Sonderpreis Nachbarschaft
                               in den Harz und an die Ostsee.                                                             beim Integrationspreis der Landeshaupt-
                                                                                                                          stadt aus. Doch bei allem Elan stößt das
                               Der Tag hat nur 24 Stunden                                                                 Ehepaar mitunter an seine Grenzen. „Der
                                  Die Arbeit der Kruses wäre ohne die                                                     Hilfsbedarf ist hoch, die Ideen sind zahl-
                               vielen freiwilligen Helfer*innen nicht denk-          „Als Christen                        reich, aber der Tag hat nur 24 Stunden“,
                               bar. Auch dank ihrer Unterstützung knüpf-           ist es für uns ein                     räumt Günther Kruse ein. Das Land Bran-

                                                                                     Akt der Barm-
                               te das Ehepaar im Laufe der Jahre an einem                                                 denburg finanziert seit dem 1. Mai eine mit
                               großen Netzwerk. So konnten immer wie-                                                     Lennart Krönes besetzte Koordinations-
                               der Möbeltransporte, Wohnungen, sogar                herzigkeit und                        stelle. „Da können wir auch mal in die
                               Ausbildungs- und Arbeitsplätze an Ge-                Nächstenliebe,                        zweite Reihe treten.“
                               flüchtete vermittelt werden. Um den Besu-           zu trösten und zu                           Ans Aufhören denken die Zwei nicht.

                                                                                    unterstützen.“
                               cher*innen in Corona-Zeiten mehr Sicher-                                                   „Wir sagen oft, das war heute wieder so
                               heit zu geben, zog das Café im September                                                   schön und erfüllt die Menschen so sehr, da
                               letzten Jahres um in die größeren Räume               — Günther Kruse,                     machen wir weiter“, bekundet Martina
                               des oskar., nach Drewitz.                                 Co-Leiter des                    Kruse.
                                  Martina      Kruse,      Studienrätin   für          BegegnungsCafés
                                                                                                                              begegnungscafe-potsdam@ejf.de
                               Deutsch, Französisch und Russisch, bietet
                               im Begegnungszentrum der Sozialen Stadt
                               ProPotsdam gGmbH seit sieben Jahren                                                          INTERNATIONALES BEGEGNUNGSCAFÉ
                                                                                                                            an jedem Sonntag von 15 bis 17 Uhr im oskar.
                               Deutschkurse für Migrant*innen an. „Das
                                                                                                                            Oskar-Meßter-Str. 4 – 6 · 14480 Potsdam
                               Leitungsteam erlebe ich als sehr offen, auf-
                               geschlossen, freundlich       und   zugetan“,
                               schwärmt sie. „Die Möglichkeiten hier sind
                                                                                                                                               Mehr sehen?
                               fantastisch.“ Ein langjähriger Gast aus dem
                                                                                                                                               Hier gibt es ein Video
                               Café, der 26-jährige Syrer Anwar Homsi,                                                                         von einem Besuch im
                               leitet unter dem Mentoring der Lehrerin                                                                         BegegnungsCafé.
                                                                                    TEXT TORSTEN BLESS
                               jetzt selbst Sprachkurse.

                                                                                               19
KULTUR ERLEBEN                                                                           EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam

                  Zusammenrücken
                  unterm Zirkuszelt

                                                                                                                                    Foto: Stefan Gloede

                           Der Mitmachzirkus             Der Circus Montelino hat ukrainische Artist*innen bei sich
                                                         aufgenommen. Dank der großen Unterstützung seines Netz­
                       ·	Im Montelino trainieren        werkes konnten sie und ihre Familien schnell Anschluss in
                          rund 300 Mitmachende ab
                          5 Jahren bis ins hohe Alter.   Potsdam finden.

                                                         E
                       ·	Es gibt Kurse für Kinder,
                                                                 igentlich hatte der Circus Montelino über seinen Newsletter nur einen kur-
                          Jugend­liche, aber auch für
                          Erwachsene: Von Akro­batik             zen Zweizeiler verschickt: Wer könne sich vorstellen, junge Artist*innen aus
                          über Seiltanz bis hin zum              der Ukraine und ihre Familien aufzunehmen? Nach nur ein, zwei Tagen
                          Jonglieren.                    explodierte sein E-Maileingang, das Telefon stand nicht mehr still, erzählt Zir-
                                                         kus-Chef Bileam Tröger. „Uns erreichte eine unglaubliche Welle an Solidarität.“
                       ·	Der Trägerverein wurde
                          bereits 2002 von Eltern           Kurz zuvor hatte Tröger und sein Team ein Hilferuf ukrainischer Zirkusschulen
                          gegründet.                     erreicht. Der Circus Montelino musste nicht lange überlegen. Bislang konnten rund
                                                         21 Schüler*innen zwischen acht und 21 Jahren von der Staatlichen Artistenschule
                       ·	Das Zeltdorf ist direkter
                          Nachbar des Volkspark          Kiew und der privaten Einrichtung „Allé Up“ sowie ihre Mütter und Geschwister in
                          Potsdam, unweit der            Potsdam untergebracht werden, größtenteils bei Freund*innen und Unterstützern
                          Biosphäre Potsdam.             des Montelino. Von Anfang an wurde langfristig geplant und alles Notwenige orga-
                                                         nisiert, damit die Familien schnell den Anschluss in Potsdam finden, so Tröger. „Nur
                                                         mit einer Unterkunft gelingt ja noch keine Integration.“ Mithilfe der vielen Freiwil-
                                                         ligen habe man sich um Behördengänge, Deutschkurse oder Schulplätze kümmern
                                                         können. Eine Lehrerin, deren Kind im Zirkus trainiert, habe Deutschunterricht an-
                                                         geboten und ihre Schüler*innen am Gymnasium für Tandems mit eingespannt.
                                                            Die Kids seien sehr offen, es ginge ihnen gut, bemerkt Tröger. „Sie sind sehr taff.
Foto: Stefan Gloede

                                                         Die Gruppe ist großartig.“ Der Circus Montelino hat bereits Workshops und Auf-
                                                         tritte organsiert. So konnten die jungen Artist*innen etwa ihr Können beim großen
                                                         Benefiz-Familienfest „Potsdam für die Ukraine“ am 9. April im Volkspark zeigen.
                                                         Nun ist geplant, ein gemeinsames Programm mit den ukrainischen Artist*innen und
                                                         der Jugendgruppe des Montelino zu entwickeln.

                                                            circus-montelino.de

                                                                             20
Foto: Kristina Tschesch
                                  ProPotsdam · EINSVIER 02 /22                                                                                                                         KULTUR ERLEBEN

                                                                                                                     Foto: Jasper Kettner
                                  Singen für den Frieden
                                  Mit Musik ein Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine setzt der Chor für den                                          Potsdams
                                  Frieden. Initiiert wurde er vom Chor International und den Heimatsounds. Bei
                                  Benefiz-Veranstaltungen am Brandenburger Tor und im Volkspark luden sie zum
                                                                                                                                                       Zukunftssong
                                  Anstimmen von Musikstücken. Weitere Aktionen sind angedacht. Geleitet                                                Was erwartet uns im Jahr 2040? Gemeinsam mit
                                  werden die Ensembles vom gebürtigen Ukrainer Eugen Zigutkin. Die aus Syrien,                                         anderen Potsdamer*innen können Sie aus Ihren
                                  Ägypten, dem Iran, Griechenland und Deutschland stammende Gemeinschaft                                               Träumen und Visionen einen Zukunftssong kreieren.
                                  von Heimatsounds pflegt bei Auftritten und den Proben im Waschhaus das                                               In von der ProPotsdam unterstützten Workshops
                                  Liedgut der Herkunftsländer und gemeinsame Werte wie Respekt, Offenheit und                                          erarbeiten Bernadette La Hengst und Almut Lustig
                                  Akzeptanz des Gegenübers. Seit Januar dieses Jahres ist die Soziale Stadt                                            gemeinsam mit den Teilnehmer*innen Musik und
                                  ProPotsdam gGmbH Trägerin des preisgekrönten Musikprojektes.                                                         Begleitperformance. Bei einer großen Abschlussveran-
                                                                                                                                                       staltung am 18. September im Nikolaisaal wird das
                                     heimatsounds.de
                                                                                                                                                       fertige Werk samt Musikvideo ab 16 Uhr präsentiert.

                                                                                                                                                          nikolaisaal.de
                                                                                                                     Foto: shutterstock/svetlana_apo
Grafik: shutterstock/GoodStudio

                                                                                                                                                       MitMachMusik
                                                                                                                                                       Im Projekt MitMachMusik treffen sich professionelle
                                                                                                                                                       Instrumentalist*innen und Vokalist*innen mit jungen

                                  Stark für Kinder                                                                                                     Geflüchteten. Im oskar. Begegnungszentrum in
                                                                                                                                                       Drewitz und im Bürgerhaus am Schlaatz lernt der
                                  Maryna Zaykina ist mit russischen, jiddischen und hebräischen Liedern auf vielen                                     Nachwuchs, neue Instrumente zu erkunden.
                                  Bühnen zuhause. Seit 18 Jahren lebt die ukrainische Künstlerin in Potsdam und                                        Gemeinsam feiert man Feste der Länder, aus denen
                                  gestaltet den russischsprachigen Sonntagskreis „Musik und Märchen mit Mutti“.                                        die Migrant*innen kommen, und probt für Konzerte.
                                  Vor Kurzem hat sie einen ukrainischen Ableger im AWO Kulturhaus Babelsberg                                           Für Geflüchtete aus der Ukraine gleich welchen Alters
                                  gegründet. Mit einem Regisseur, einer Pianistin und Unterstützung der AWO feilt                                      ist gerade das Gesangsensemble von MitMachMusik
                                  Maryna Zaykina für den Herbst an einem Kindertheaterprojekt auf Ukrainisch.                                          geöffnet worden.

                                     info@in-ku.com                                                                                                       mit-mach-musik.de

                                                                                                      21
LOKAL SOZIAL                                                                                                     EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam

Foto: Stefan Gloede

                      Catharina Kahl und Robert Witzsche vom Potsdamer KiTa-Elternbeirat knüpfen Patenschaften zwischen ukrainischen und Potsdamer Familien.

                      Einfach ankommen
                      Das Projekt KiTaPaten bringt Potsdamer und ukrainische Familien zusammen, um den
                      Geflüchteten den Start in einem fremden Land, einer fremden Stadt zu erleichtern.

                          Dass die einfachsten Ideen meist die           mehrere hundert Interessenten.“ Wich-               Paten zum Beispiel in den Berliner Zoo
                      besten sind, beweist das Projekt KiTa-             tig für Witzsche und seine Vorstandskol-            eingeladen. Nach der Flucht war das ein
                      Paten, initiiert vom Potsdamer KiTa-El-            legin Catharina Kahl ist es, dass die Pa-           schönes Erlebnis, besonders für die klei-
                      ternbeirat. Wie man als Eltern mit den             tenschaften keinen Zwang bedeuten,                  nen Ukrainer“, erzählt Catharina Kahl.
                      Themen Krieg und Flucht umgeht, be-                sondern spielerisch entstehen. So müs-                  Neben gemeinsamen Spielnachmit-
                      schäftigte kurz nach Kriegsbeginn auch             sen die Potsdamer Familien auch nicht               tagen können die Geflüchteten auch bei
                      Robert Witzsche, Vorstandsmitglied im              zwingend Ukrainisch sprechen. Eng-                  Behördengängen unterstützt werden.
                      KiTa-Elternbeirat: „Auf dem Weg zur                lisch ist ausreichend, ebenso wie die               „Mittelfristiges Ziel ist es, Patenschaften
                      Kita hatte ich dann die Idee, lokale mit           „Körpersprache“, sprich sich mit Hän-               innerhalb der gleichen Kita zu finden,
                      geflüchteten Familien zu vernetzen, um             den und Füßen verständigen zu können:               um Flüchtlingsfamilien dort ganz be-
                      vor allem den Kindern aus der Ukraine              „Und Kindern sind Worte auch meist                  sonderen Halt zu geben“, bemerkt Ro-
                      das Ankommen in Potsdam zu erleich-                egal, Spielen ist ihre Sprache.“                    bert Witzsche. Wer eine ukrainische
                      tern.“                                                  Nun sind Witzsche und seine Bei-               ­Familie kennt oder sogar aufgenommen
                          Ein erster Aufruf über die Kanäle              ratskolleg*innen dabei, Patenschaften               hat, kann sich gern beim Potsdamer Ki-
                      des KiTa-Elternbeirats ergab eine für              mit ukrainischen Familien zu knüpfen.               Ta-Elternbeirat melden beziehungswei-
                      Robert Witzsche überwältigende Reso-               „Einige Kontakte konnten wir schon                  se den Kontakt vermitteln.
                      nanz unter den Potsdamer*innen: „In                vermitteln, erste Spielplatztreffen gab es
                                                                                                                                 kitapaten.de
                      wenigen Tagen meldeten sich bereits                schon. Eine Potsdamer Familie hat ihre

                                                                                               22
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22                                                                               LOKAL SOZIAL

                                                                                                                                                           Foto: Adam Sevens
Foto: Julius Frick

                              Mit dem Nötigsten versorgt                                                        Endlich wieder raus
                              Kleidung, Windeln und Hygieneartikel: All das fanden aus der Ukraine Geflüch-     „Übern Berg“ lautet das Motto der
                              tete bei der Spendenstelle in der Lindenstraße 11. Organisiert haben diese Wer-   diesjährigen Ausgabe des Potsdamer
                              ner Schabert und seine ukrainische Frau Samanta. Weil ihre seit vielen Jahren     Localize-Festivals. Vom 15. bis 17. Juli
                              durchgeführten privaten Hilfslieferungen in die Ukraine durch Pandemie und        bezieht das Festival für Stadt, Kultur
                              Kriegsbeginn nicht mehr möglich waren, haben die Schaberts die von Potsda-        und Kunst das brachliegende Gewer-
                              mer*innen gespendeten Dinge kurzerhand auf Tischen in ihrem Hausflur ausge-       begelände am Fuße des Telegrafen-
                              legt. Schnell hat sich die private Initiative sowohl bei Spender*innen als auch   bergs. Künstler*innen sind aufgerufen,
                              Geflüchteten herumgesprochen. Bis zu 100 Menschen kamen täglich vorbei, um        Arbeiten zu entwickeln, die sich damit
                              sich mit dem Nötigsten zu versorgen oder einfach nur zu reden. Sechs Tage die     beschäftigen, wie aktuellen Herausfor-
                              Woche war die Spendenstelle zugänglich. Auch weiterhin wird das Paar Wege         derungen künstlerisch begegnet wer-
                              finden, Ukrainer*innen zu helfen.                                                 den kann. Unterstützt wird das Festival
                                                                                                                unter anderem von der ProPotsdam.

                                                                                                                   localize.cargo.site
Foto: shutterstock/Ink Drop

                                                                                                                                                           Foto: Benjamin Maltry

                              Hilfe für ukrainische Kinderkliniken                                              Baut Euch Eure Stadt
                              Schon seit vielen Jahren haben Mitglieder des Freundes- und Förderkreises Kli-    Potsdams größtes kostenloses Som-
                              nikum Ernst von Bergmann e.V. enge Verbindungen in die Ukraine. Seit Kriegs-      merferienprojekt ist zurück am Schlaatz:
                              beginn erreichen viele Anfragen nach Sach- und Medikamentenspenden für die        Nachdem die „Stadt der Kinder“ im ver-
                              Kindermedizin den Verein. „Die Krankenhäuser, die noch funktionieren, brau-       gangenen Jahr an verschiedenen Orten
                              chen nun umso mehr, weil sie mehr Menschen versorgen müssen“, berichtet der       im Stadtgebiet unterwegs war, findet
                              Vorsitzende Prof. Dr. Markus Jungehülsing. Mit Unterstützung des Potsdamer        sie dieses Jahr wieder im Nuthewäld-
                              Klinikums und vieler Mitarbeitender konnten bereits mehrere Transporte reali-     chen statt. Vom 11. bis 21. Juli können
                              siert werden, an Bord medizinische Geräte, Hygienematerial sowie dringend be-     Kinder von acht bis zwölf Jahren bauen,
                              nötigte Medikamente, etwa für Chemotherapien. Ermöglicht wird dies durch          was das Zeug hält. Organisiert und un-
                              Spendenaktionen, etwa das Benefizfest im Volkspark Potsdam, sowie durch weite-    terstützt wird die Kinderbaustelle von
                              re Geld- und Sachspenden.                                                         zahlreichen Potsdamer Vereinen und
                                                                                                                der ProPotsdam.
                                 evb-freunde.de
                                                                                                                   stadtderkinder-potsdam.de

                                                                                          23
GUT GEBAUT                                                                                                                EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam

Im Helfer-
modus

Enrico Puhl (links) und Olaf Stragies in der Zeppelinstraße, wo Wohnungen für Geflüchtete aus der Ukraine bereitgestellt wurden.

        Am 24. Februar 2022 veränderte sich die Welt. An diesem Tag begann der Angriff auf die
       Ukraine. Im Kriegsgebiet verloren unzählige Menschen ihr Zuhause. Die Länder in Europa
         standen nach 2015 erneut vor der Herausforderung, hunderttausende Geflüchtete auf-
       zunehmen und unterzubringen. Wo und wie das möglich ist, wollte EINSVIER-Redakteurin
                     Carolin Brüstel von der ProPotsdam und der GEWOBA wissen.

D
            ie passende Wohnung zu fin-                     Einige von ihnen retteten sich nach               haben wir uns sehr schnell zusammenge-
            den kann Zeit in Anspruch                  anstrengender und oft gefährlicher                     setzt und Unterbringungsmöglichkeiten
            nehmen. Bis diese dann ein                 Flucht zu uns nach Potsdam. Hier er-                   besprochen.“ Bereits Anfang März, also
richtiges Zuhause ist, dauert es noch                  wartet sie kein neues Zuhause, sondern                 nur wenige Tage nach Kriegsbeginn, bil-
länger. Wie kostbar so ein Ort ist, zeigten            zunächst ein Bettenlager in einer im-                  deten sich sowohl bei der Stadtverwal-
mir persönlich in den letzten Monaten                  provisierten Anlaufstelle mit wenig                    tung als auch bei der ProPotsdam Kri-
die schrecklichen Bilder aus der Ukrai-                ­Privatsphäre. Die Geflüchteten sind in                senstäbe, die eng zusammenarbeiten.
ne: entkräftete Mütter, mit einem und                  Sicherheit und mit dem Notwendigsten                   Die größte Herausforderung war und ist
mehreren Kindern an den Händen, die                    versorgt – aber noch nicht am Ende                     es, vermietbaren Wohnraum in kürzester
tagelang unterwegs sind, um den Bom-                   ihrer Flucht.                                          Zeit bereitzustellen. „Wo in Potsdam
ben zu entkommen. Familien, die ihr                                                                           sollen Geflüchtete unterkommen, wenn
verbliebenes Hab und Gut in Rucksä-                    Aus der Not heraus                                     die Leerstandsquote in der Stadt gegen
cken, Plastiktüten, Rollkoffern, Kinder-                    Wie der Weg weiter ging, konnte mir               Null geht, und es praktisch keine freien
oder auch Einkaufswagen quer durch                     Bianca Henke im Gespräch verraten. Sie                 Wohnungen gibt?“, frage ich Bianca
Europa schieben. In kürzester Zeit verlo-              ist Kaufmännische Kundenbetreuerin                     Henke. Die Aufgabe erscheint mir un-
ren Millionen Menschen ihr Zuhause,                    im Unternehmensverbund der ProPots-                    lösbar. „Bei der ProPotsdam arbeiten
teilweise unwiederbringlich.                           dam: „Unmittelbar zu Beginn der Krise                  unentwegt mehrere Fachabteilungen,

                                                                              24
Sie können auch lesen