GEBORGENHEIT IM BEGEGNUNGSCAFÉ - ZU BESUCH BEI AUSNAHMEZUSTAND IN DER TROPENHALLE - PROPOTSDAM
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02 / 2022 zu besuch bei schwerpunkt gut gebaut interview Geborgenheit im Ausnahmezustand Wohnraumsuche Wir lassen BegegnungsCafé in der Tropenhalle im Krisenmodus niemanden allein
IM ÜBERBLICK EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam Danke sagen auf ein wort 3 Dieser Krieg muss aufhören Foto: Stefan Specht Auf dem Cover der aktuellen kurz und knapp EINSVIER steht nicht eine*r, son- 4 Nachrichten aus dem Unter- dern stehen viele Menschen im nehmensverbund der ProPotsdam, Fokus. Bei einem gemeinsamen aus Drewitz, der Innenstadt, dem Frühstück hat sich ProPotsdam- Schlaatz und Bornstedt Geschäftsführer Jörn-Michael Leistet Ersthilfe für ukrainische Geflüch- schwerpunkt Potsdam Blau-Gelb Westphal für ihr Engagement tete: Das Team der Biosphäre Seite 8 6 Interview: Wir lassen bedankt. Alle haben sich nach niemanden allein Beginn des Krieges in der Ukrai- 8 Ausnahmezustand unter Palmen ne um diejenigen gekümmert, 12 Umfrage: Was führte Sie die auf der Flucht so viel verloren Foto: Sebastian Gabsch nach Potsdam? haben. 13 Wir und der Krieg gegen die Ukraine Ganz rechts auf dem Titelbild sehen Sie Carolin Röper, Ban- aus den kiezen kettleiterin in der Biosphäre 14 Eine Zuflucht im Traditionslokal Potsdam. Nach Ausbruch des 16 Hilfe für die Ukraine Krieges übernahm sie die Koordi- zu besuch bei Unterstützen Ankommen in Potsdam: nation der Anlaufstelle für Ge- 18 Martina und Günther Kruse Martina und Günther Kruse Seite 18 flüchtete. Der Herr neben ihr ist im BegegnungsCafé Günther Kruse, links davon seine Ehefrau Martina. Beide betreiben kultur erleben ein Begegnungscafé für Geflüch- 20 Zusammenrücken beim Foto: Kristina Tschesch tete in Drewitz. Circus Montelino Links auf dem Cover entde- 21 Singen für den Frieden cken Sie Enrico Puhl, Teamleiter lokal sozial FacilityManagment Bauinstand- 22 Einfach ankommen dank der haltung bei der GEWOBA, und KiTa-Paten wenn Sie das Heft aufklappen, daneben Bianca Henke, Kauf- gut gebaut Setzt ein Zeichen gegen den Krieg: männische Kundenbetreuerin im 24 Wohnraumvermittlung Der Chor für den Frieden Seite 21 Unternehmensverbund der Pro- im Helfermodus Potsdam. Sie haben in sehr kur- in potsdam zu hause zer Zeit Wohnraum für Geflüchte- 26 Bummeln durch die Weltstadt te vorbereitet. Neben Bianca Potsdam Foto: Stefan Gloede Henke steht Matthias Krönert, Haustechniker der Biosphäre gute unterhaltung Potsdam, im Gespräch mit 28 Gewaltige Bild-Geschichten Jörn-Michael Westphal. Ganz 29 Blumiger Haarschmuck links sitzen Oxana Ronis und Ma- tipps und service rina Kudriaschowa von der Sozia- 30 Chatten Sie mit uns! Bringen Familien zusammen: Catharina le Stadt ProPotsdam gGmbH. 31 Energiespartipps: Kahl und Robert Witzsche Seite 22 Über die Arbeit dieser Men- Wenig Aufwand, viel Nutzen schen berichten wir in dieser Ausgabe der EINSVIER. 31 impressum Carolin Brüstel (2. v. r.) 2
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22 AUF EIN WORT Dieser Krieg muss aufhören M it dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich die Welt verändert. Mitten in Europa werden Menschen getötet, Städte und Dörfer zerstört, Landschaften verwüstet Im Interesse unserer Mieter*innen sind und Kriegsverbrechen begangen. Millio- wir dabei, unsere langfristigen Lieferver- nen Menschen mussten ihre Heimatorte träge für Gas, Wärme und Strom zu verlän- verlassen. So schrecklich die Geschehen gern. Das wird nicht ohne Preisanpassun- sind, so erschüttert ist die Welt. gen gehen, aber wir sind bestrebt, die Die Potsdamer*innen haben sich von Mieter*innen vor Überraschungen bei den dem Entsetzen nicht lähmen lassen, son- laufenden Betriebskosten zu bewahren. dern mit Solidarität reagiert. Sie haben Sollten trotz der Hilfen der öffentlichen Hilfsgüter für die Ukraine organisiert und Hand Menschen in individuelle Notlagen ihre Herzen und Arme für die Flüchtenden geraten, dann werden wir gemeinsam Lö- geöffnet. Entschlossen haben sie, unter ih- sungen suchen. Unser Auftrag ist die Be- nen auch die Mitarbeitenden unseres Un- reitstellung von Wohnungen zu sozialver- ternehmens, bei der Unterbringung und „Ein Zurück träglichen Konditionen, diesem Auftrag Versorgung geholfen. In dieser Ausgabe zur vormaligen werden wir auch unter den derzeitigen Be- berichten wir über einige Beispiele dieses Normalität wird dingungen im vollen Umfang nachkom- Engagements. Und: Mit diesem Heft dan- men. Dies gilt auch für unsere Verpflich- ken wir allen, die sich eingesetzt haben und es wohl nicht tungen zum Neubau und unsere Ziele zur dies immer noch tun. geben.“ energetischen Sanierung unserer Bestände In Deutschland sind die Auswirkungen im Sinne der Generationsgerechtigkeit. des Krieges allenthalben zu spüren: Die Wie die Welt nach dem Krieg und den ohnehin angespannte Lage auf dem Ener- aktuellen Krisen aussehen wird, weiß nie- giemarkt hat sich eruptionsartig verschärft, mand. Ein Zurück zur vormaligen Norma- die Inflation bewegt sich auf einem histori- lität wird es wohl nicht geben, zu stark sind schen Hoch, die Störung von Lieferketten die Veränderungen. Was uns die neue Nor- schmälert die Verfügbarkeit von Nahrungs- malität abverlangen wird, wann sie eintritt und Futtermitteln, von Dünger und Bau – das wissen wir nicht. Was wir wissen: Die- stoffen. Die ProPotsdam muss sich vielen ser Krieg muss aufhören, und zwar schnell. Herausforderungen stellen: vor allem dem Anstieg der Energiekosten für Strom, Gas Jörn-Michael Westphal • Bert Nicke und Wärme, dem Mangel an Baumateriali- en und technischen Ersatzteilen sowie der Kostenentwicklung am Bau. 3
KURZ UND KNAPP EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam Foto: Anja Sadowski WIEDER AM START Rekorde im Dschungel Grafik: Hellograph Die kleinsten Tiere stellen die aufregendsten Rekorde auf: Ameisen etwa können das Dreißigfache ihres eigenen Körpergewichts tragen. Bei den Themenwochen in der Biosphäre Potsdam können Groß und Klein erfahren, welche Dschungeltiere zu Höchstleistungen imstande sind. Vom 25. Juni bis 4. Sep- Entscheiden Sie, wer die besten Ideen für das Miteinander in der Stadt hat: tember können Sie zudem selbst Beim von der ProPotsdam ausgelobten Online-Förderwettbewerb Gemeinsam FÜR bei vielen Mitmachspielen Ihre Potsdam stehen erneut Preisgelder in der Gesamthöhe von 62.000 Euro bereit. Vom Geschicklichkeit, Ausdauer und 15. August bis 11. September können gemeinnützige Vereine und Organisationen ihre Stärke auf die Probe stellen. Ein Bewerbung mit beispielhaften Projekten auf die Website laden. Aus dieser reichen Abenteuer für die ganze Familie. Auswahl wählen dann vom 18. September bis 13. November alle Internet-User*innen ihre Lieblingsprojekte in den Kategorien Kunst & Kultur, Nachbarschaft & Soziales, biosphaere-potsdam.de Sport & Freizeit sowie Umwelt & Naturschutz. Eine Jury kürt auch in diesem Jahr weitere Preisträger*innen. Mehr lesen? Foto: Varvara Smirnova Mehr Informationen zu dem Wettbewerb finden Sie hier. gemeinsam-fuer-potsdam.de Bunter Schlaatz Afrika feiert Farbenfroh, fröhlich und musika- Gleich an zwei Tagen, am 9. und lisch verspricht das Stadtteilfest 10. September, erleben Sie beim im Schlaatz zu werden. Für den von der ProPotsdam geförderten 27. August bereiten die Akteur*in- Afrika Festival die Vielfalt des nen, Vereine und Träger aus dem Kontinents. Unter Federführung Quartier ein buntes Bühnenpro- des Internationalen Centers für gramm und dazu viele Aktionen Foto: Leon Lenk Deutsche und Immigranten (ICDI) vor. Zudem können Sie sich unter schlägt es zudem eine Brücke zu anderem bei der ProPotsdam über anderen Kulturen. Das Bühnen das Masterplanverfahren informie- programm auf dem Luisenplatz ren, das den Schlaatz grundlegend und der legendäre Straßenumzug verändern will. Kaffee und Kuchen werden ergänzt durch Diskussio- gibt’s vom Friedrich-Reinsch-Haus. nen und Runde Tische. schlaatz.de/stadtteilfest-am- facebook.com/icdiev schlaatz-2022-sommer-78 4
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22 KURZ UND KNAPP Foto: Stefan Gloede Foto: Landeshauptstadt Potsdam Nachhaltiger Nachwuchs In Drewitz erproben sich die Drei- bis Sechsjährigen der INTEGRATIONSPREIS Kita Storchennest als Landwirt*innen. In einem von der AUSGESCHRIEBEN ProPotsdam geförderten Projekt lernen sie im eigenen Kita-Garten, wie man vielfältige Gemüsesorten anbaut, Seit 2005 verleiht der Migrantenbeirat der Landeshauptstadt den erntet und verarbeitet. Mit Unterstützung des Integrationspreis, seit 2008 stiftet die ProPotsdam dazu den Bildungsprogramms „Ackerracker“ erkunden die Sonderpreis Nachbarschaft. Wer sich als Einzelperson oder Träger Kinder so spielend, wo Lebensmittel herkommen und erfolgreich um ein Zusammenleben von Menschen verschiedener wie gut Selbstgemachtes schmeckt. Herkunftskulturen kümmert, kann sich bis zum 28. August bewer- kita-storchennest.de ben. Zum Start der Interkulturellen Woche am 29. September werden die Preisträger*innen ausgezeichnet. potsdam.de/integrationspreis Foto: Jan Piechotka Foto: Matthias Baumbach Kultur-Hotspot Drewitz Im Sommer verwandelt sich ganz Drewitz dank des oskar. Begegnungszentrums wieder zu einem Kulturzentrum. So lockt am 3. September Rock am Aufräumen für Potsdam Löschteich die Freund*innen härterer Klänge ins Quartier. Vom 18. bis 25. September trumpft das Zum World Cleanup Day treffen sich alljährlich Freiwillige in aller Drewitzer Filmfestival am iCafé mit cineastischen Welt zum Großreinemachen. Auch in Potsdam: Am 17. Septem- Perlen und Begleitevents auf. ber können auch Sie ein Zeichen gegen die Verschmutzung des Planeten setzen. Nach dem Aufräumen gastiert das Theater Sinn und Ton auf dem Luisenplatz, das Extavium hält spannende Experimente bereit. Oberbürgermeister Mike Schubert hat die Schirmherrschaft über die Aktion der lokalen Wirtschaftsjunioren übernommen. oskar-drewitz.de potsdam-macht-sauber.de ProPotsdam im Social Web facebook.com/ProPotsdam twitter.com/ProPotsdam @ProPotsdam 5
SCHWERPUNKT POTSDAM BLAU-GELB EINSVIER EINSVIER 02 01 /22 · ProPotsdam Wir lassen niemanden allein „Was passiert, wenn Mieter*innen die Miete nicht mehr bezahlen können?", fragte Holger Catenhusen Jörn-Michael Westphal. Holger Catenhusen, Geschäftsführer des Mietervereins Potsdam e. V., sprach mit ProPotsdam-Geschäftsführer Jörn-Michael Westphal über den Krieg in der Ukraine, steigende Energiepreise und Hilfsprogramme für Mieter*innen. Holger Catenhusen: Am 24. Februar be- eingetretenen Preisanstiegs, wie zum gann der russische Angriffskrieg auf die Beispiel beim Gas, war nicht absehbar. Ukraine. Wie schnell ist Ihnen klar gewor- „Während der Wir haben sehr schnell begonnen zu den, dass das auch hierzulande wirt- Corona-Pandemie gab prüfen, welche Auswirkungen diese Ent- schaftliche Auswirkungen haben könnte? es ein Aussetzen von wicklungen auf unsere Mieter*innen, Wohnungskündigungen. Jörn Michael Westphal: Meine ersten unser Unternehmen und unsere Bau- Gedanken galten nicht den wirtschaftli- und Sanierungsvorhaben haben. Unsere chen Auswirkungen, sondern dem Leid Sind Sie für ein solches Wohnungen werden fast vollständig mit der Menschen in der Ukraine, das mich Moratorium?“ Gas als Energieträger versorgt, sei es jeden Tag aufs Neue betroffen macht. über die Fernwärme oder direkt. Wir ha- — Holger Catenhusen, Steigende Energiepreise und die Sicher- ben dafür zwar langfristige Verträge, aber Geschäftsführer des Mietervereins heit der Energieversorgung wurden be- wie sich die Preisentwicklungen auswir- Potsdam e.V. reits in den Monaten zuvor intensiv dis- ken, wird sich erst in den kommenden kutiert. Die Dimension des jetzt Monaten zeigen. 6
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22 SCHWERPUNKT POTSDAM BLAU-GELB Was passiert, wenn Mieter*innen ange- Pauschale Versprechen kann keiner ab- sichts gestiegener Kosten für Lebensmittel geben, weil niemand die Entwicklungen vo- und Energie Probleme haben, die Miete zu raussehen kann. Ich kann aber versprechen, bezahlen? dass wir uns für unsere Mieter*innen einset- Ganz wichtig ist, dass sich die Bewoh- zen, damit wir in sozialen Härtefällen geeig- ner*innen an uns wenden. Nur so sind Ge- nete Lösungen finden. Wir tun alles, was in spräche über individuelle Lösungen mög- unseren Möglichkeiten liegt, damit sich kei- lich. Wir prüfen gemeinsam, ob z. B. bei ner fürchten muss. Wichtig ist, dass die Mie- Alleinwohnenden die finanzielle Belastung ter*innen frühzeitig das Gespräch mit uns auch wegen der Wohnungsgröße zu hoch ist suchen. Mit Blick auf unsere Mieter*innen und eine kleinere Wohnung in unserem Be- gilt auch und gerade jetzt: Wir lassen nie- stand passender sein könnte. manden allein. Haben Sie konkrete Programme, um Ihre Können Sie Ihren Mieter*innen bei den ak- Mieter*innen zu entlasten? „Pauschale tuellen Entwicklungen auch einen positiven Sogar mehrere. Mit dem Wohnflächen- Versprechen Ausblick bieten? Gibt es etwas, worauf man bonus können wir eine vergünstigte Miete kann keiner hoffen kann? abgeben, weil anbieten, wenn Mieter*innen von einer gro- Zuallererst ist meine größte Hoffnung, Foto: Adam Sevens ßen in eine kleinere Wohnung umziehen. dass der Krieg in der Ukraine schnell vorbei Mit diesem Bonus sparen unsere Mieter*in- niemand die sein wird. Ein positiver Ausblick ist nicht so nen durchschnittlich 150 Euro Kaltmiete Entwicklungen einfach, da wir noch nicht alle Auswirkun- pro Monat. Hinzu geben wir 100 Euro Zu- voraussehen kann. gen abschätzen können. Doch bei all den Ich kann aber schuss zu den Umzugskosten für jeden Qua- schlechten Nachrichten und den schlimmen dratmeter reduzierter Fläche. Eine weitere Schicksalen bin ich froh über die Solidarität, Option ist unser Sozialfonds Plus, der Mie- versprechen, die wir Potsdamer*innen den Geflüchteten ter*innen in den Fällen hilft, wenn z. B. eine dass wir uns für aus der Ukraine entgegenbringen. Das Team Unterstützung durch Wohngeld nicht mög- unsere Mieter* der Biosphäre Potsdam hat sehr schnell die innen einsetzen, lich ist. Anlaufstelle für Geflüchtete eingerichtet. Mit unserer gemeinnützigen Soziale Stadt Lukas Siebenkotten, Präsident des Deut- damit wir in ProPotsdam gGmbH und vielen Ehrenamt- schen Mieterbundes, forderte jüngst, dass sozialen lichen konnten wir kurzfristig in der Potsda- keinem gekündigt werden darf, der wegen Härtefällen mer Innenstadt, in Drewitz und auch im stark gestiegener Heizkosten seine Neben- geeignete Schlaatz Begegnungs- und Hilfsangebote kostenabrechnung nicht fristgerecht bezah- für Ukrainer*innen schaffen. Aber auch das len kann. Während der Corona-Pandemie Lösungen Engagement Anderer in den Nachbarschaf- gab es ein ähnliches Aussetzen von Woh- finden.“ ten hat einmal mehr gezeigt, dass das Ehren- nungskündigungen. Sind Sie für ein solches amt in Potsdam eine wichtige Stütze ist. — Jörn-Michael Westphal, Moratorium? Geschäftsführer der Während der Corona-Pandemie konn- Vielen Dank für das Gespräch. ProPotsdam GmbH ten wir beobachten, dass es nicht zu der be- fürchteten Welle von Zahlungsproblemen Mehr lesen? gekommen ist. In der Praxis gab es nur sehr Hier gibt es das wenige Fälle, in denen Mieter*innen ihre gesamte Interview. Zahlungen nicht leisten konnten. In diesen propotsdam.de/ Fällen haben wir eine einvernehmliche Lö- Interview-Hilfe-fuer-Miete sung finden können und Unterstützungsan- gebote aufgezeigt. Können Sie Ihren Mieter*innen öffentlich versprechen, dass aufgrund der stark ge- stiegenen Energiepreise niemandem gekün- digt wird? 7
SCHWERPUNKT POTSDAM BLAU-GELB EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam Ausnahme- zustand unter Palmen Seit Anfang März fungiert die Orangerie der Biosphäre Potsdam als Anlaufstelle für aus der Ukraine Geflüchtete. Innerhalb kürzester Zeit hat das Team der Potsdamer Tro- penwelt dort einen Ort geschaffen, wo Menschen in Not Quartier, Verpflegung und weitere Hilfe erhalten. Und das bei laufendem Betrieb nebenan. EINSVIER-Redakteurin Anja Rütenik hat mit Biosphäre-Mitarbeitenden über diese Ausnahmesituation gesprochen. 8
ProPotsdam · EINSVIER 02 01 /22 /22 SCHWERPUNKT POTSDAM BLAU-GELB S till ist es in der Orangerie der betten geliefert, Trennwände von der Biosphäre an diesem Vormittag, ProPotsdam zur Verfügung gestellt und sehr still. Und das, obwohl hier drei Sanitärcontainer mit Toiletten und fast 120 Menschen Quartier bezogen Duschen geordert. „Nur wenig später haben. Zu sehen sind nur wenige von hätten wir vermutlich gar keine mehr ihnen, vor allem Kinder und Teenager, bekommen“, ist sich Sebastian Leifgen die mit ihren Smartphones und Tablets sicher. Alle, die ihm einfielen, hat Bio an der Ladestation sitzen. Die Geräte sphäre-Chef Leifgen um Hilfe gebeten, sind ihre Verbindung in die Heimat, zu darunter die Stadtfraktionen der Partei- Familien und Freunden, zum Vertrau- en und den Stadtteilladen im Bornsted- ten. Wie ein Eindringling fühlt man sich, ter Feld. möchte das bisschen Privatsphäre, das die aus der Ukraine Geflüchteten ha- „Die ersten zwei, Ein Ort zum Ankommen ben, nicht verletzen. drei Wochen waren Doch mit dem Aufstellen der Sani- Seit Anfang März, nur wenige Tage emotional sehr tärcontainer war es nicht getan: Vor der nach dem Angriff auf die Ukraine, ist die Orangerie der Biosphäre eine Not- belastend.“ Inbetriebnahme mussten Stromleitun- gen und frostsichere Wasserleitungen unterkunft für aus dem Land Geflüch- — Sebastian Leifgen, verlegt werden. Matthias Krönert, der tete. Zu jeder Tages- und Nachtzeit fin- Geschäftsführer der seit 20 Jahren als Haustechniker der Bio den sie hier Zuflucht, einen Schlafplatz, Biosphäre Potsdam sphäre für Dinge wie das künstliche Ge- eine warme Dusche, zu essen und zu witter zuständig ist, erinnert sich an diese trinken. Zu verdanken ist das den Mit- Wochen: „Es war extrem schwierig“, be- arbeiter*innen der Biosphäre, die mit richtet er. „Alle haben mit angepackt, Foto: Stefan Specht ihrem Engagement weit über ihre ei- und Lücken haben wir mit externen Fir- gentlichen Aufgaben hinaus innerhalb men gefüllt. Es ging erst mal nur darum, kürzester Zeit scheinbar Unmögliches zu helfen.“ Unterstützung gab es unter geschafft haben. anderem von der AWO und dem Zuliefe- Schon als die Nachrichten den Be- rer Bär & Ollenroth, der die Hälfte der ginn des Angriffs verkündeten, war klar, notwendigen Anschlusstechnik gespon- dass es in Potsdam kurzfristig hohen Be- sert hat. Matthias Krönert hat eine be- darf an Unterkünften für geflüchtete sondere Beziehung zur Ukraine, ist mit Ukrainer*innen geben wird, berichtet Zeichen für den Frieden: Den Kolibri vor der Ukraine-Flagge hat ein Biosphäre-Geschäftsführer Sebastian Biosphäre-Mitarbeiter auf die Fassade gemalt. Leifgen. Nur wenige Monate nach sei- nem Antritt als Chef der Tropenhalle sahen er und sein Team sich mit einer Ausnahmesituation konfrontiert. In drei Tagen zum Quartier Bereits vor der offiziellen Anfrage der Stadtverwaltung begann der Ge- Foto: Benjamin Maltry schäftsführer, alles in die Wege zu leiten, was für eine Flüchtlingsunterkunft be- nötigt wird. Dabei geholfen hat ihm auch sein beruflicher Hintergrund: Er kommt aus der Beherbergungsbranche. „Für mich war das ein Hotelprojekt“, berichtet Leifgen. Als das „Go“ der Stadtverwaltung kam, blieben nur drei Tage Zeit, alles vorzubereiten: Bereits gebuchte Veran- staltungen wurden abgesagt, 150 Feld- 9
SCHWERPUNKT POTSDAM BLAU-GELB EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam Foto: Stefan Specht Sichere Zuflucht, Essen und ein Bett für die Nacht: Innerhalb weniger Tage wurde die Orangerie zur Notunterkunft. einer Ukrainerin verheiratet und war schon mittelt wurden. Doch nicht immer gelingt oft dort. Seine Frau Olga half in den ersten die rasche Vermittlung, dann gibt es Men- Tagen aus und dolmetschte. Ihre eigene Fa- schen, die zwei, drei Wochen in dem proviso- milie ist noch in ihrer Heimat. „Ich habe rischen Lager ausharren müssen. Manche Angst, in die Ukraine zu fahren und zu se- kommen zurück, weil die Zeit im von der hen, wie es dort jetzt aussieht“, berichtet sie. Stadt gebuchten Hotel vorbei ist oder Pri- Wo sonst Brautpaare ihre Liebe besie- vatleute nicht länger Obdach anbieten kön- geln, Jubilare schöne Stunden mit ihren nen. Gästen verbringen oder bei Tagungen neue „Die Menschen „Die Sprachbarriere ist das Schwierigs- Impulse gesetzt werden, schlafen seit Wo- haben erst te“, berichtet Carolin Röper. Die Biosphä- einmal Ruhe chen Menschen, die alles verloren haben. re-Mitarbeiterin ist Bankettleiterin in der Ihr Haus, vielleicht auch ihre Familie und Gastronomie und für gedeckte Tafeln etwa Freund*innen zurücklassen mussten. Kin- gebraucht nach bei Hochzeiten zuständig. Seit Anfang März der, die keine Zeit mehr hatten, ihr Lieb- der langen, hat sie die zentrale Koordination in der An- schwierigen lingskuscheltier einzupacken, weil die Bom- laufstelle übernommen und war die Schnitt- ben und Panzer immer näher rückten. stelle zwischen der Stadtverwaltung und Manche Geflüchtete kommen mit Koffern Flucht.“ dem Biosphäre-Team. „Es war ein Glück, und Rucksäcken zur Aufnahmestelle, ande- dass schon am Anfang das Nötigste da war. — Carolin Röper, re nur mit dem, was sie am Körper tragen, Die gesamte Biosphäre hat uns hier den Rü- Mitarbeiterin der darunter alte Menschen und Mütter mit cken freigehalten“, erzählt die junge Frau, Biosphäre Potsdam Kindern. die immer noch dort einspringt, wo gerade Bedarf besteht. „Die meisten Menschen, die Engagement über den bei uns ankamen, haben erst mal Ruhe ge- Feierabend hinaus braucht nach der langen, schwierigen 300 bis 500 Menschen kamen zeitweise Flucht“, sagt sie. Inzwischen sind viele der pro Tag zur Auffangstelle. Die meisten blie- Geflüchteten tagsüber damit beschäftigt, ben nur für ein, zwei Nächte, bevor sie an sich bei den Ämtern vorzustellen. Für die andere Städte oder Unterkünfte weiterver- Verständigung mit den Ukrainer*innen ste- 10
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22 SCHWERPUNKT POTSDAM BLAU-GELB hen freiwillige Helfer zur Verfügung. Auch der Dienstleister, der die Service- kräfte für die Notunterkunft stellt, ist selbst Ukrainer und dolmetscht, wenn es gebraucht wird. Wo zunächst Feldbett an Feldbett stand, separiert nur durch Trennwände, Foto: Benjamin Maltry haben die Bewohner*innen inzwischen provisorische, durch Bauzäune und Vor- hänge getrennte Räume und so zumin- dest etwas mehr Privatsphäre. Mahlzei- ten gibt es dreimal am Tag, 50 Personen finden im Essbereich Platz. Sind es mehr, wird in Etappen gegessen. Für die Kinder gibt es Spielzeug, gespendete Kleider und Hygieneartikel liegen bereit. Neues Projekt in Vorbereitung Engagiert: Das Biosphäre-Team, hier Matthias Krönert und Carolin Röper. Das außerordentliche Engagement seines Teams weit über die reguläre Ar- ung zur Verfügung. Nach einigen Wo- Orangerie wieder als Veranstaltungsort beitszeit weiß Geschäftsführer Sebastian chen hat die Biosphäre mit Karsten genutzt werden. „Wir haben es gern ge- Leifgen zu schätzen. „Alles hat nur so Görig zudem einen Projektleiter für die macht und sind froh, dass wir auf diese gut geklappt, weil die Mitarbeiter hier so Flüchtlingshilfe eingestellt, der die Ko- Weise helfen konnten“, bilanziert Sebas- gut mitgezogen haben“, sagt er anerken- ordination übernimmt. „Es ist erstaun- tian Leifgen die vergangenen dreieinhalb nend. Sei es für die technischen Anla- lich, wie der Betrieb der Flüchtlings Monate. Er und sein Team hätten sich gen, die Koordination oder Ausschilde- unterkunft mittlerweile ein fester gerne noch weiter für die Geflüchteten rungen, die den Ankommenden den Weg Bestandteil der Biosphäre geworden engagiert. Und doch freuen sich alle, weisen. „An den Mitarbeitenden gehen ist“, so Sebastian Leifgen. dass es bald wieder glückliche Stunden die Ereignisse der vergangenen Monate Nun, da die Grundbedürfnisse wie sein werden, die die Menschen in der und die Schicksale ihrer Schützlinge na- Schlafen und Essen abgedeckt sind, Orangerie der Biosphäre Potsdam ver- türlich nicht spurlos vorbei. Das ist in möchte das Biosphäre-Team den nächs- bringen werden. den Gesprächen zu merken, die emotio- ten Schritt gehen und den Menschen biosphaere-potsdam.de nale Ausnahmesituation müssen die helfen, sich zu integrieren, Arbeit und Kolleg*innen verarbeiten. Deshalb steht Kinderbetreuung zu finden. So soll eine ihnen bei Bedarf psychologische Betreu- ukrainische Küche in der Biosphäre auf- Mehr erfahren? gebaut werden. Olga Krönert hat einen Hier geht es zu einem Ist stolz auf seine Mitarbeiter*innen: Geschäftsführer Sebastian Leifgen Aufruf in ihrer Muttersprache vorberei- Video-Beitrag über das Engagement des tet. Es sei ein Experiment, so Leifgen: Biosphäre-Teams. eine Gastronomie, in der das Personal kein Wort Englisch oder Deutsch spricht. Das Biosphäre-Team hofft, im Juni die ersten Ukrainer*innen einstellen zu kön- nen. „Im besten Fall können wir andere Foto: Benjamin Maltry Unternehmen dafür begeistern und da- bei unterstützen, ebenfalls diesen Schritt zu gehen“, so der Biosphäre-Chef. In den vergangenen Monaten haben sich das Team und die externen Dienst- leister eingespielt, auch Freiwillige sind weiterhin dabei. Ende Juni wird die Not- unterkunft im Bornstedter Feld auf An- TEXT ANJA RÜTENIK ordnung der Stadt schließen und die 11
SCHWERPUNKT POTSDAM BLAU-GELB EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam Was führte Sie nach Potsdam? Viele Wege führen nach Potsdam: ein neuer Arbeitsplatz, die Liebe oder die Hoffnung auf Sicherheit für die eigene Familie. EINSVIER sprach mit Mitarbeiter*innen des Unternehmensverbunds der ProPotsdam über ihre Beweggründe, in Potsdam zu wohnen oder zu arbeiten. iczProPotsdam low u „Ich lebe seit 2015 in Deutschland. a uff a h nka r Mit meiner kleinen Familie bin ich damals ob c e zubildende Imm Mi ili aus Afghanistan geflohen, da unser Leben dort Anna in Gefahr war. Mittlerweile wohnen wir seit vier Jahren in Potsdam. In meiner Heimat war ich Jurist, hier in Deutschland mussten wir noch einmal ganz neu anfangen.“ A us Fot adbir o: St r TOBA ef an e Gl oe ahGEW de T er n m ad „Geboren wurde ich in Polen, in der Nähe ag an Mohamm von Breslau. Im Sommer 2012, mit elf Jahren, Kunde zog ich mit meiner Mutter und meinen Geschwistern nach Berlin, da hier mein Stiefvater gearbeitet hat. Meine Mutter wollte, dass die Familie zusammen ist. Ich habe mich damals sehr auf den Umzug gefreut. Foto: St Als Kind war das ein neues großes ef an Gl oe Abenteuer für mich.“ de „Neben der Ukraine ist Potsdam meine zweite owa a o schtsdam gGmbH Heimat. Vor 21 Jahren bin ich nach Deutschland rit ProP gezogen, mit meinem Mann, unserer Tochter und eS d seinen Eltern, die damals als Juden immigrieren tarbeit rin Sozial Ku d ta konnten. In Potsdam habe ich meine zweite Tochter Marina geboren, hier habe ich meine Ausbildung gemacht, hier habe ich meine Wohnung und Arbeit und e vor allem meine Freunde.“ Mi is am gGmbH Fo onroPotsd to: St ef Rt P an Gl oe de tarbeit rin Sozial na d ta eS xa „Die Entscheidung, als jüdische O Immigranten aus Russland nach Deutschland zu ziehen, hat eigentlich meine Oma Anfang der e Neunziger für meine Mutter und mich getroffen. Zum Mi einen sah sie in unserer Heimat keine Zukunft für Foto: St uns und zum anderen wohnte der Rest ef an Gl oe unserer Familie bereits hier.“ de 12
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AUS DEN KIEZEN EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam POTSDAM-WEST Eine Zuflucht im Traditions- lokal Seit März beherbergt die ehema- lige Ausflugsgaststätte Seekrug am Templiner See vier ukrainische Familien. Angestoßen hatte die Hilfsaktion Alexander Konovalov, Facility Manager am Luftschiff hafen. Der vor vielen Jahren aus Russland emigrierte Potsdamer musste nicht lange überlegen. Alexander Konovalov arbeitet seit rund 20 Jahren als Facility Manager im Luftschiffhafen. A lexander Konovalov, „Sascha“, wie untrennbar mit dem Rudersport verbunden ihn eigentlich alle nach der russi- und ein bekannter Stützpunkt des Sports. schen Koseform von Alexander Das Gebäude gehört heute der Landes- nennen, arbeitet seit 2003 am Luftschiff hauptstadt Potsdam. Immer noch nutzen hafen. Seit rund zwei Jahren ist der Facility Rudervereine Räume in dem Gebäude, „Der Krieg ist Manager und mit seinem Team dafür ver- auch der Bundesstützpunkt Potsdam hat antwortlich, das gesamte Luftschiffha- hier seine offizielle Adresse. Die Gaststätte fen-Areal in Stand zu halten. „Ich bin seit durch nichts zu ist seit 2013 geschlossen. Damit die ur- fast 20 Jahren mit dem Gelände verheiratet. rechtfertigen, sprünglich acht Doppelzimmer in einem Ein Großteil meines Lebens“, sagt der egal was die Anbau wieder genutzt werden können – Medien in 50-Jährige. Alexander kam selbst vor mehr etwa von Sportlern, die an den Trainingsla- als 20 Jahren zusammen mit seiner Frau aus gern teilnehmen – wurden sie hergerichtet der russischen Stadt Nischni Tagil nach Russland und es erfolgte eine brandschutztechnische Deutschland. In Potsdam habe er viele Uk- verkünden.“ Ertüchtigung. Eines der Zimmer, das als zu- rainer kennengelernt, berichtet er. Durch sie sätzlicher Fluchtweg dienen muss, ist in ei- — Alexander Konovalov, habe er auch unmittelbar von der Situation nen gemütlichen Gemeinschaftsraum ver- Facility Manager, in ihrem Heimatland erfahren. Die vier Fa- wandelt worden, mit Einbauküche, einem Luftschiffhafen GmbH milien sind Verwandte, Freunde und Be- großen Tisch und Stühlen. kannte seiner ukrainischen Freunde. Schnelle Hilfe für die Familien Das Traditionsrestaurant Seekrug Gemeinsam mit der Geschäftsführung Der denkmalgeschützte Seekrug wurde der Luftschiffhafen GmbH hatte Alexander ab 1925 errichtet. Seit den 1950er-Jahren Konovalov die Idee, die zu der Zeit leerste- sind das Gebäude und das umliegende Areal henden Gästezimmer für die Unterbringung 14
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22 AUS DEN KIEZEN Foto: Stefan Gloede Foto: Stefan Gloede Der Seekrug wurde ab 1925 errichtet und steht mittlerweile unter Denkmalschutz. Wäsche waschen und trocknen zu können, hat der Stützpunkt den Familien ihren Waschraum zur Verfügung gestellt. Der surreale Krieg Mit ihren Verwandten in der Ukraine ha- ben die Familien regelmäßig Kontakt. Die Schulkinder werden online unterrichtet. „Manchmal muss der Unterricht unterbro- chen werden, weil der Lehrer wegen eines „Wir haben den Raketenalarms Schutz im Keller oder einem der ukrainischen Familien zu nutzen. Damit Familien noch Bunker suchen muss. Das ist schon etwas wandten sie sich an die Stadt. Der Verwal- schnell Alltags surreal.“ Der Krieg sei einfach furchtbar, gegenstände tungsstab zur Hilfe für Menschen aus der sagt Alexander. „Er ist durch nichts zu Ukraine habe sehr schnell und unkompli- rechtfertigen, egal was die Medien in Russ- ziert reagiert, sagt Alexander. Die erste Fa- organisiert, über land verkünden.“ Wie lange die Familien milie kam am 11. März in Potsdam an. Nach die man zu Hause bleiben, ist ungewiss. Einen Termin gebe es der Erstaufnahme in der Biosphäre konnte gar nicht groß nicht, doch sei den Familien klar, dass sie nachdenkt.“ sie in den Seekrug ziehen. Insgesamt sind es nicht ewig im Seekrug wohnen können. Sie jetzt acht Frauen und Kinder. Sie kommen hoffen, in Potsdam eine Wohnung zu finden. aus Städten im Süden, Osten und der Zent- — Alexander Konovalov, ralukraine wie Saporischschja, Dnipro und Facility Manager, Krywyj Rih, wie Alexander erzählt. „Auch Luftschiffhafen GmbH da sind schon Raketen eingeschlagen.“ Einen normalen Alltag ermöglichen Den Familien ginge es gut, sie fühlten sich sehr wohl. Als sie eingezogen waren, fiel auf, dass noch einiges für den normalen All- tag fehlte: Kochtöpfe, Geschirr, Besteck oder ein Bügeleisen. „Alltagsgegenstände, über die man zu Hause gar nicht groß nach- denkt. Das haben wir dann alles sehr schnell TEXT SARAH STOFFERS organisiert“, bemerkt Alexander. Um ihre 15
AUS DEN KIEZEN EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam INNENSTADT Grundversorgung im Quartierstreff Als die ersten ukrainische Geflüchteten in Potsdam eintrafen, wurde der Quartierstreff Staudenhof schnell zur Anlaufstelle. In kürzester Zeit stellten die Haupt- und Ehrenamtlichen eine Grundversorgung auf die Beine. Unter anderem wurden die Geflüchteten mit warmem Essen, Hygieneprodukten oder Babynahrung versorgt. Auch halfen die Ehrenamtlichen beim Ausfüllen notwen- diger Papiere und boten eine psychologische Beratung an. Bei der Grundversorgung halfen zudem andere Ein- richtungen, etwa das Freiland. Seit Anfang Mai gibt es im Quartierstreff wieder die regulären Angebote, zu denen auch Sprachkurse für Deutsch als Fremdsprache gehören. quartierstreff-staudenhof.de DREWITZ oskar. als Kontakt- und Sammelstelle Das Begegnungszentrum oskar. bot sich zu Kriegsbeginn als Kontaktstelle für Ehrenamtliche an, beispielsweise für Grafik: Studio Qrfld Sprachmittler*innen oder Kinderbetreuung. Auch eine Sammelstelle für Sachspenden richtete das Nachbar- schaftshaus ein und stellte Informationen bereit. Mitt- lerweile können die ukrainischen Geflüchteten im oskar. an den regulären Kursen teilnehmen, etwa beim Sprach- café, in dem jeden Samstag Deutsch unterrichtet wird. oskar-drewitz.de SCHLAATZ Kurse für alle im Begegnungshaus Die Haupt- und Ehrenamtlichen des Friedrich-Reinsch- Hauses halfen aktiv bei den verschiedensten Hilfs- und Unterstützungsangeboten, vor allem auch im Quartierstreff, mit. Im Begegnungshaus selbst richteten sich die vielfältigen Angebote von Beginn an natürlich auch an die Geflüchteten aus der Ukraine. Dazu gehörten die russisch-deutsche Dolmetscher-Sprechstunde jeden Mittwoch oder der Nachbarschaftstreff am Suppentopf. milanhorst-potsdam.de 16
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22 AUS DEN KIEZEN AM STERN POTSDAM WEST Foto: shutterstock/monticello Foto: Sylvia Göres AWO koordiniert die Hilfen Adler zeigen Flagge Bereits seit Beginn des Ukrainekrieges hat der AWO Zum Start in die Aufstiegsrunde lief das Handballer-Team Bezirksverband Potsdam zu Sach- und Geldspenden und des VfL Potsdam in den Farben der ukrainischen Flagge aufs Unterstützung aufgerufen und Hilfstransporte mitorgani- Spielfeld der MBS-Arena. Die Sondertrikots wurden verstei- siert. Der Bezirksverband übernahm die Organisation gert und die Summe durch 20 Prozent der Ticketeinnahmen und Koordinierung des Netzwerkes der helfenden aufgestockt. Der Erlös von 2.000 Euro wurde an HelpTo – Häuser und die Sprachmittlung in der Stadtverwaltung. dem gemeinnützigen Projekt des Neuen Potsdamer Toleran- Im Auftrag der Stadt baute die AWO zudem ein Koordi- zedikt e. V. – und an den Freundes- und Förderkreis des nierungsbüro Ehrenamt auf. Auch eine Beratungsstelle Klinikum Ernst von Bergmann e. V. gespendet. für geflüchtete Menschen aus der Ukraine wurde vfl-potsdam.de eingerichtet. awo-potsdam.de/standort/koordinierungsbuero-ukraine-hilfe BABELSBERG NAUENER VORSTADT Foto: shutterstock/Cloudy Design Foto: Adam Sevens Soli-Festival bei Babelsberg 03 Unterstützung dank Für den Fußballverein Babelsberg 03 ist die Hilfe für Geflüch- großem Netzwerk tete Teil seiner DNA. So wurden für das Flüchtlingsprojekt „Konvoi Drushba“, das von Fans des Clubs mitinitiiert wurde, Der Treffpunkt Freizeit richtete unter anderem einen offenen Spenden bei Spielen im Karl-Liebknecht-Stadion gesammelt. Treff ein, eine Art ganztägiges Kontakt-Café. Einige Wochen Damit konnten unter anderem Hilfsgüter an die ukrainische lang wurde die Einrichtung auch als Notunterkunft genutzt, Grenze gebracht werden. Ende April wurde ein Soli-Festival der normale Betrieb war unterbrochen. Nachdem wieder im Stadion von den Initiatoren des Flüchtlingsprojekts Angebote stattfinden konnten, wurden dank des großen organisiert. Die Einnahmen in Höhe von rund 5.000 Euro Netzwerkes an Ehrenamtlichen unter anderem 13 verschie- gingen an „Konvoi Drushba“ und das Projekt „MediKits“ der dene Deutsch-Sprachkurse auf die Beine gestellt. In den Flüchtlingshilfe Babelsberg für medizinische Erstversor- Sommerferien sind Sprachcamps für Jugendliche geplant. gungskits. treffpunktfreizeit.de babelsberg03.de 17
ZU BESUCH BEI EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam Geborgenheit in der Fremde Treff für Geflüchtete: Martina und Günther Kruse laden Neu-Potsdamer*innen ins BegegnungsCafé ein. Ein Stück zweite Heimat finden Geflüchtete aus vielen Nationen im Begegnungs- Café des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks (EJF), geleitet von Martina und Günther Kruse. EINSVIER-Redakteur Torsten Bless war zu Besuch. E in Mittwoch im April: Ulrike Beer- Die Menschen nicht allein lassen baum und Franziska Melzer vom Zu den Neuankömmlingen hier zählt Hans-Otto-Theater bringen im os- „Für mich ist der Valeriia Buchuk. Sie hat es nach einer trau- kar. bei ihrer Neufassung der „Prinzessin Treff eine große matischen Flucht aus Charkiw nach Pots- auf der Erbse“ Gemüse zum Sprechen und moralische und dam verschlagen. „Für mich ist der Treff Obst zum Lachen. 60 faszinierte Kinder eine große moralische und emotionale Un- und ihre Eltern, vornehmlich aus der Uk- emotionale Unter- terstützung“, bekundet die 35-Jährige. raine, schauen ihnen im Drewitzer Stadt- stützung.“ „Die Atmosphäre hier ist sehr herzlich, ich teilzentrum zu. Der Ukraine-Treff ist ein fühle mich mit meinen Anliegen nicht al- — Valeriia Buchuk, Ableger des Internationalen Begegnungs- lein gelassen.“ Geflüchtete aus der Cafés. Dessen Initiator*innen Martina und Für Martina und Günther Kruse ist das Ukraine Günther Kruse führen souverän und mit Engagement selbstverständlich. „Als Charisma durch den Nachmittag. Christen ist es für uns ein Akt der Barm- 18
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22 ZU BESUCH BEI herzigkeit und Nächstenliebe, zu trösten und zu unterstützen“, betont der einstige Pfarrer und spätere Referatsleiter im Bil- dungsministerium. Als 2015 immer mehr Menschen Zuflucht vor Krieg und Zerstö- rung in Syrien suchten, trommelte das Ehepaar in der Babelsberger Kirchenge- meinde ehrenamtliche Mitstreiter*innen zusammen. Das durch eine Idee von Marti- na Kruse entstandene BegegnungsCafé öff- nete im Februar 2016 seine Pforten. Neben Neu-Potsdamer*innen aus Syrien finden auch Menschen aus Eritrea, Afghanistan, dem Sudan, Palästina oder dem Iran ihren Weg ins Café. An das Ankommen bei Kaffee und Ku- chen schließt sich ein vornehmlich von Alle Fotos: Sebastian Gabsch Martina Kruse gestaltetes Programm an. Da wird gesungen, über Themen wie Schu- le, Klimawandel, Gesundheit, Gleichbe- rechtigung informiert und diskutiert. Aber Im oskar. packen Freiwillige und Gäste gemeinsam mit an. auch Erzählungen von Flucht und Vertrei- bung finden einen Raum. Sehr beliebt sind Die Anerkennung für das Begegnungs- die Ausflüge, etwa in den Bundestag, den Café ist groß: Die ProPotsdam zeichnete es Zoo, den Friedrichstadt-Palast oder Reisen 2021 mit dem Sonderpreis Nachbarschaft in den Harz und an die Ostsee. beim Integrationspreis der Landeshaupt- stadt aus. Doch bei allem Elan stößt das Der Tag hat nur 24 Stunden Ehepaar mitunter an seine Grenzen. „Der Die Arbeit der Kruses wäre ohne die Hilfsbedarf ist hoch, die Ideen sind zahl- vielen freiwilligen Helfer*innen nicht denk- „Als Christen reich, aber der Tag hat nur 24 Stunden“, bar. Auch dank ihrer Unterstützung knüpf- ist es für uns ein räumt Günther Kruse ein. Das Land Bran- Akt der Barm- te das Ehepaar im Laufe der Jahre an einem denburg finanziert seit dem 1. Mai eine mit großen Netzwerk. So konnten immer wie- Lennart Krönes besetzte Koordinations- der Möbeltransporte, Wohnungen, sogar herzigkeit und stelle. „Da können wir auch mal in die Ausbildungs- und Arbeitsplätze an Ge- Nächstenliebe, zweite Reihe treten.“ flüchtete vermittelt werden. Um den Besu- zu trösten und zu Ans Aufhören denken die Zwei nicht. unterstützen.“ cher*innen in Corona-Zeiten mehr Sicher- „Wir sagen oft, das war heute wieder so heit zu geben, zog das Café im September schön und erfüllt die Menschen so sehr, da letzten Jahres um in die größeren Räume — Günther Kruse, machen wir weiter“, bekundet Martina des oskar., nach Drewitz. Co-Leiter des Kruse. Martina Kruse, Studienrätin für BegegnungsCafés begegnungscafe-potsdam@ejf.de Deutsch, Französisch und Russisch, bietet im Begegnungszentrum der Sozialen Stadt ProPotsdam gGmbH seit sieben Jahren INTERNATIONALES BEGEGNUNGSCAFÉ an jedem Sonntag von 15 bis 17 Uhr im oskar. Deutschkurse für Migrant*innen an. „Das Oskar-Meßter-Str. 4 – 6 · 14480 Potsdam Leitungsteam erlebe ich als sehr offen, auf- geschlossen, freundlich und zugetan“, schwärmt sie. „Die Möglichkeiten hier sind Mehr sehen? fantastisch.“ Ein langjähriger Gast aus dem Hier gibt es ein Video Café, der 26-jährige Syrer Anwar Homsi, von einem Besuch im leitet unter dem Mentoring der Lehrerin BegegnungsCafé. TEXT TORSTEN BLESS jetzt selbst Sprachkurse. 19
KULTUR ERLEBEN EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam Zusammenrücken unterm Zirkuszelt Foto: Stefan Gloede Der Mitmachzirkus Der Circus Montelino hat ukrainische Artist*innen bei sich aufgenommen. Dank der großen Unterstützung seines Netz · Im Montelino trainieren werkes konnten sie und ihre Familien schnell Anschluss in rund 300 Mitmachende ab 5 Jahren bis ins hohe Alter. Potsdam finden. E · Es gibt Kurse für Kinder, igentlich hatte der Circus Montelino über seinen Newsletter nur einen kur- Jugendliche, aber auch für Erwachsene: Von Akrobatik zen Zweizeiler verschickt: Wer könne sich vorstellen, junge Artist*innen aus über Seiltanz bis hin zum der Ukraine und ihre Familien aufzunehmen? Nach nur ein, zwei Tagen Jonglieren. explodierte sein E-Maileingang, das Telefon stand nicht mehr still, erzählt Zir- kus-Chef Bileam Tröger. „Uns erreichte eine unglaubliche Welle an Solidarität.“ · Der Trägerverein wurde bereits 2002 von Eltern Kurz zuvor hatte Tröger und sein Team ein Hilferuf ukrainischer Zirkusschulen gegründet. erreicht. Der Circus Montelino musste nicht lange überlegen. Bislang konnten rund 21 Schüler*innen zwischen acht und 21 Jahren von der Staatlichen Artistenschule · Das Zeltdorf ist direkter Nachbar des Volkspark Kiew und der privaten Einrichtung „Allé Up“ sowie ihre Mütter und Geschwister in Potsdam, unweit der Potsdam untergebracht werden, größtenteils bei Freund*innen und Unterstützern Biosphäre Potsdam. des Montelino. Von Anfang an wurde langfristig geplant und alles Notwenige orga- nisiert, damit die Familien schnell den Anschluss in Potsdam finden, so Tröger. „Nur mit einer Unterkunft gelingt ja noch keine Integration.“ Mithilfe der vielen Freiwil- ligen habe man sich um Behördengänge, Deutschkurse oder Schulplätze kümmern können. Eine Lehrerin, deren Kind im Zirkus trainiert, habe Deutschunterricht an- geboten und ihre Schüler*innen am Gymnasium für Tandems mit eingespannt. Die Kids seien sehr offen, es ginge ihnen gut, bemerkt Tröger. „Sie sind sehr taff. Foto: Stefan Gloede Die Gruppe ist großartig.“ Der Circus Montelino hat bereits Workshops und Auf- tritte organsiert. So konnten die jungen Artist*innen etwa ihr Können beim großen Benefiz-Familienfest „Potsdam für die Ukraine“ am 9. April im Volkspark zeigen. Nun ist geplant, ein gemeinsames Programm mit den ukrainischen Artist*innen und der Jugendgruppe des Montelino zu entwickeln. circus-montelino.de 20
Foto: Kristina Tschesch ProPotsdam · EINSVIER 02 /22 KULTUR ERLEBEN Foto: Jasper Kettner Singen für den Frieden Mit Musik ein Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine setzt der Chor für den Potsdams Frieden. Initiiert wurde er vom Chor International und den Heimatsounds. Bei Benefiz-Veranstaltungen am Brandenburger Tor und im Volkspark luden sie zum Zukunftssong Anstimmen von Musikstücken. Weitere Aktionen sind angedacht. Geleitet Was erwartet uns im Jahr 2040? Gemeinsam mit werden die Ensembles vom gebürtigen Ukrainer Eugen Zigutkin. Die aus Syrien, anderen Potsdamer*innen können Sie aus Ihren Ägypten, dem Iran, Griechenland und Deutschland stammende Gemeinschaft Träumen und Visionen einen Zukunftssong kreieren. von Heimatsounds pflegt bei Auftritten und den Proben im Waschhaus das In von der ProPotsdam unterstützten Workshops Liedgut der Herkunftsländer und gemeinsame Werte wie Respekt, Offenheit und erarbeiten Bernadette La Hengst und Almut Lustig Akzeptanz des Gegenübers. Seit Januar dieses Jahres ist die Soziale Stadt gemeinsam mit den Teilnehmer*innen Musik und ProPotsdam gGmbH Trägerin des preisgekrönten Musikprojektes. Begleitperformance. Bei einer großen Abschlussveran- staltung am 18. September im Nikolaisaal wird das heimatsounds.de fertige Werk samt Musikvideo ab 16 Uhr präsentiert. nikolaisaal.de Foto: shutterstock/svetlana_apo Grafik: shutterstock/GoodStudio MitMachMusik Im Projekt MitMachMusik treffen sich professionelle Instrumentalist*innen und Vokalist*innen mit jungen Stark für Kinder Geflüchteten. Im oskar. Begegnungszentrum in Drewitz und im Bürgerhaus am Schlaatz lernt der Maryna Zaykina ist mit russischen, jiddischen und hebräischen Liedern auf vielen Nachwuchs, neue Instrumente zu erkunden. Bühnen zuhause. Seit 18 Jahren lebt die ukrainische Künstlerin in Potsdam und Gemeinsam feiert man Feste der Länder, aus denen gestaltet den russischsprachigen Sonntagskreis „Musik und Märchen mit Mutti“. die Migrant*innen kommen, und probt für Konzerte. Vor Kurzem hat sie einen ukrainischen Ableger im AWO Kulturhaus Babelsberg Für Geflüchtete aus der Ukraine gleich welchen Alters gegründet. Mit einem Regisseur, einer Pianistin und Unterstützung der AWO feilt ist gerade das Gesangsensemble von MitMachMusik Maryna Zaykina für den Herbst an einem Kindertheaterprojekt auf Ukrainisch. geöffnet worden. info@in-ku.com mit-mach-musik.de 21
LOKAL SOZIAL EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam Foto: Stefan Gloede Catharina Kahl und Robert Witzsche vom Potsdamer KiTa-Elternbeirat knüpfen Patenschaften zwischen ukrainischen und Potsdamer Familien. Einfach ankommen Das Projekt KiTaPaten bringt Potsdamer und ukrainische Familien zusammen, um den Geflüchteten den Start in einem fremden Land, einer fremden Stadt zu erleichtern. Dass die einfachsten Ideen meist die mehrere hundert Interessenten.“ Wich- Paten zum Beispiel in den Berliner Zoo besten sind, beweist das Projekt KiTa- tig für Witzsche und seine Vorstandskol- eingeladen. Nach der Flucht war das ein Paten, initiiert vom Potsdamer KiTa-El- legin Catharina Kahl ist es, dass die Pa- schönes Erlebnis, besonders für die klei- ternbeirat. Wie man als Eltern mit den tenschaften keinen Zwang bedeuten, nen Ukrainer“, erzählt Catharina Kahl. Themen Krieg und Flucht umgeht, be- sondern spielerisch entstehen. So müs- Neben gemeinsamen Spielnachmit- schäftigte kurz nach Kriegsbeginn auch sen die Potsdamer Familien auch nicht tagen können die Geflüchteten auch bei Robert Witzsche, Vorstandsmitglied im zwingend Ukrainisch sprechen. Eng- Behördengängen unterstützt werden. KiTa-Elternbeirat: „Auf dem Weg zur lisch ist ausreichend, ebenso wie die „Mittelfristiges Ziel ist es, Patenschaften Kita hatte ich dann die Idee, lokale mit „Körpersprache“, sprich sich mit Hän- innerhalb der gleichen Kita zu finden, geflüchteten Familien zu vernetzen, um den und Füßen verständigen zu können: um Flüchtlingsfamilien dort ganz be- vor allem den Kindern aus der Ukraine „Und Kindern sind Worte auch meist sonderen Halt zu geben“, bemerkt Ro- das Ankommen in Potsdam zu erleich- egal, Spielen ist ihre Sprache.“ bert Witzsche. Wer eine ukrainische tern.“ Nun sind Witzsche und seine Bei- Familie kennt oder sogar aufgenommen Ein erster Aufruf über die Kanäle ratskolleg*innen dabei, Patenschaften hat, kann sich gern beim Potsdamer Ki- des KiTa-Elternbeirats ergab eine für mit ukrainischen Familien zu knüpfen. Ta-Elternbeirat melden beziehungswei- Robert Witzsche überwältigende Reso- „Einige Kontakte konnten wir schon se den Kontakt vermitteln. nanz unter den Potsdamer*innen: „In vermitteln, erste Spielplatztreffen gab es kitapaten.de wenigen Tagen meldeten sich bereits schon. Eine Potsdamer Familie hat ihre 22
ProPotsdam · EINSVIER 02 /22 LOKAL SOZIAL Foto: Adam Sevens Foto: Julius Frick Mit dem Nötigsten versorgt Endlich wieder raus Kleidung, Windeln und Hygieneartikel: All das fanden aus der Ukraine Geflüch- „Übern Berg“ lautet das Motto der tete bei der Spendenstelle in der Lindenstraße 11. Organisiert haben diese Wer- diesjährigen Ausgabe des Potsdamer ner Schabert und seine ukrainische Frau Samanta. Weil ihre seit vielen Jahren Localize-Festivals. Vom 15. bis 17. Juli durchgeführten privaten Hilfslieferungen in die Ukraine durch Pandemie und bezieht das Festival für Stadt, Kultur Kriegsbeginn nicht mehr möglich waren, haben die Schaberts die von Potsda- und Kunst das brachliegende Gewer- mer*innen gespendeten Dinge kurzerhand auf Tischen in ihrem Hausflur ausge- begelände am Fuße des Telegrafen- legt. Schnell hat sich die private Initiative sowohl bei Spender*innen als auch bergs. Künstler*innen sind aufgerufen, Geflüchteten herumgesprochen. Bis zu 100 Menschen kamen täglich vorbei, um Arbeiten zu entwickeln, die sich damit sich mit dem Nötigsten zu versorgen oder einfach nur zu reden. Sechs Tage die beschäftigen, wie aktuellen Herausfor- Woche war die Spendenstelle zugänglich. Auch weiterhin wird das Paar Wege derungen künstlerisch begegnet wer- finden, Ukrainer*innen zu helfen. den kann. Unterstützt wird das Festival unter anderem von der ProPotsdam. localize.cargo.site Foto: shutterstock/Ink Drop Foto: Benjamin Maltry Hilfe für ukrainische Kinderkliniken Baut Euch Eure Stadt Schon seit vielen Jahren haben Mitglieder des Freundes- und Förderkreises Kli- Potsdams größtes kostenloses Som- nikum Ernst von Bergmann e.V. enge Verbindungen in die Ukraine. Seit Kriegs- merferienprojekt ist zurück am Schlaatz: beginn erreichen viele Anfragen nach Sach- und Medikamentenspenden für die Nachdem die „Stadt der Kinder“ im ver- Kindermedizin den Verein. „Die Krankenhäuser, die noch funktionieren, brau- gangenen Jahr an verschiedenen Orten chen nun umso mehr, weil sie mehr Menschen versorgen müssen“, berichtet der im Stadtgebiet unterwegs war, findet Vorsitzende Prof. Dr. Markus Jungehülsing. Mit Unterstützung des Potsdamer sie dieses Jahr wieder im Nuthewäld- Klinikums und vieler Mitarbeitender konnten bereits mehrere Transporte reali- chen statt. Vom 11. bis 21. Juli können siert werden, an Bord medizinische Geräte, Hygienematerial sowie dringend be- Kinder von acht bis zwölf Jahren bauen, nötigte Medikamente, etwa für Chemotherapien. Ermöglicht wird dies durch was das Zeug hält. Organisiert und un- Spendenaktionen, etwa das Benefizfest im Volkspark Potsdam, sowie durch weite- terstützt wird die Kinderbaustelle von re Geld- und Sachspenden. zahlreichen Potsdamer Vereinen und der ProPotsdam. evb-freunde.de stadtderkinder-potsdam.de 23
GUT GEBAUT EINSVIER 02 /22 · ProPotsdam Im Helfer- modus Enrico Puhl (links) und Olaf Stragies in der Zeppelinstraße, wo Wohnungen für Geflüchtete aus der Ukraine bereitgestellt wurden. Am 24. Februar 2022 veränderte sich die Welt. An diesem Tag begann der Angriff auf die Ukraine. Im Kriegsgebiet verloren unzählige Menschen ihr Zuhause. Die Länder in Europa standen nach 2015 erneut vor der Herausforderung, hunderttausende Geflüchtete auf- zunehmen und unterzubringen. Wo und wie das möglich ist, wollte EINSVIER-Redakteurin Carolin Brüstel von der ProPotsdam und der GEWOBA wissen. D ie passende Wohnung zu fin- Einige von ihnen retteten sich nach haben wir uns sehr schnell zusammenge- den kann Zeit in Anspruch anstrengender und oft gefährlicher setzt und Unterbringungsmöglichkeiten nehmen. Bis diese dann ein Flucht zu uns nach Potsdam. Hier er- besprochen.“ Bereits Anfang März, also richtiges Zuhause ist, dauert es noch wartet sie kein neues Zuhause, sondern nur wenige Tage nach Kriegsbeginn, bil- länger. Wie kostbar so ein Ort ist, zeigten zunächst ein Bettenlager in einer im- deten sich sowohl bei der Stadtverwal- mir persönlich in den letzten Monaten provisierten Anlaufstelle mit wenig tung als auch bei der ProPotsdam Kri- die schrecklichen Bilder aus der Ukrai- Privatsphäre. Die Geflüchteten sind in senstäbe, die eng zusammenarbeiten. ne: entkräftete Mütter, mit einem und Sicherheit und mit dem Notwendigsten Die größte Herausforderung war und ist mehreren Kindern an den Händen, die versorgt – aber noch nicht am Ende es, vermietbaren Wohnraum in kürzester tagelang unterwegs sind, um den Bom- ihrer Flucht. Zeit bereitzustellen. „Wo in Potsdam ben zu entkommen. Familien, die ihr sollen Geflüchtete unterkommen, wenn verbliebenes Hab und Gut in Rucksä- Aus der Not heraus die Leerstandsquote in der Stadt gegen cken, Plastiktüten, Rollkoffern, Kinder- Wie der Weg weiter ging, konnte mir Null geht, und es praktisch keine freien oder auch Einkaufswagen quer durch Bianca Henke im Gespräch verraten. Sie Wohnungen gibt?“, frage ich Bianca Europa schieben. In kürzester Zeit verlo- ist Kaufmännische Kundenbetreuerin Henke. Die Aufgabe erscheint mir un- ren Millionen Menschen ihr Zuhause, im Unternehmensverbund der ProPots- lösbar. „Bei der ProPotsdam arbeiten teilweise unwiederbringlich. dam: „Unmittelbar zu Beginn der Krise unentwegt mehrere Fachabteilungen, 24
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