2/21 Magazin der Schader-Stiftung Dialog zwischen Gesellschafts-wissenschaften und Praxis - Schader Stiftung
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SCHADER- D IALOG Magazin der Schader-Stiftung Dialog zwischen Gesellschafts- 2 /2 1 wissenschaften und Praxis PRAKTISCH I R R E L E VA N T 1
SEITE 3 SEITE 16 E D I TO R I A L DT DT 2 02 1 SEITE 4 SEITE 18 PRAKTISCH PROJEKTE I R R E L E VA N T SEITE 22 SEITE 6 N AC H R I C H T E N Titelbild: Unter dem Titel „Künstlertourist: Urban Views“ # S C H A D E R U P DAT E präsentierte die Schader- Galerie 2015 phantastische Blicke auf urbane Realitä- SEITE 23 ten und Utopien. In „Tokyo Mono“ hat Marion Eichmann SEITE 8 TERMINE eine japanische Stadt de- tailreich nachgebaut. Ist die # T E A M T H U R S DAY Vogelperspektive oder auch der Blick mit dem Opern- SEITE 26 glas auf die Szenerie „prak- tisch irrelevant“ oder regt er SEITE 10 ZUKUNFT einen Dialog an? S C H A D E R B LO G I N N E N S TÄ D T E SEITE 11 SEITE 27 A L LTAG A U F Z E I T IMPRESSUM SEITE 14 UNMÖGLICHE G E S P R ÄC H E
E D I TO R I A L IMPRESSUM „Wir hatten eine tolle Lösung, die passte nur leider nicht zum Das Problem.“ Diese lakonische Magazin S C H A D E R - D I A L O G Erkenntnis durfte ich vor Jahren von einem älteren Kollegen immer wiederjährlich. erscheint zweimal mal hören. Und jenseits der lapidaren Einsicht in eine latente Theorie-Praxis-Schere drängt S C H A D E R- D I A LO G 2 /2 1 sich Magazin der Schader-Stiftung immer wieder die Frage auf, ob es wirklich praktisch relevantDialog ist, zwischen was wir tun; in den Gesellschafts- wissenschaften und Praxis Gesellschaftswissenschaften und auch in der Schader-Stiftung. HERAUSGEBER Schader-Stiftung, Seite 26: Das „Graphic Recording“ von „praktisch irrelevant“ Christopher Henke entstand am 13. Juli nannten Kolleg*innen im vergangenen Jahr v. i. S. jene StaffelGemeinhardt d. P.: Alexander des Schader- 2021 während der Auftaktveranstaltung Podcasts „In guter Gesellschaft“, die sozialwissenschaftliche AThesen „Zukunft der Innenstädte und Ortskerne“ U T O R E Nauf U N ihre D A U Evidenz TO R I N N E N Michèle Bernhard, Saskia Flegler, Alexan- im Rahmen desund Operationalisierbarkeit hinterfragt. Dieser Titel schienederfast Projekts „Systeminno- unverschämt, wäre er Gemeinhardt, Christopher Hamich, vation für Nachhaltige Entwicklung (s:ne)“. Aylin Klisura, Karen Lehmann, Peter nicht Illustriert sind die ursprünglich Impulse und der Aus- die Idee eines Kollegen, der über 25 JahreLonitz, als Kirsten Wissenschaftlicher Mensch, Anna-Lisa Müller, tausch von kommunalen Vertreter*innen, Interessierten Referent für zu die Schader-Stiftung tätig war. Ab Mitte September wird Tobias Robischon Laura Pauli, Tobias Robischon, Tatiana Soto und Expert*innen Bermudez, Philipp Schulz, Luise Spieker, den vielfältigen Herausforderungen, vor täglich erleben und gestalten, wie gesellschaftswissenschaftliche denen die Innenstädte und Ortskerne Georgios Erkenntnis praktisch Terizakis, Anna-Lena Treitz, Dennis Weis relevant werden kann; er wurde zum hauptamtlichen Bürgermeister seines Wohnortes durch die gesellschaftlichen und klimati- schen Veränderungsprozesse stehen. Michelstadt im Odenwald gewählt. Und da Darmstadt und Michelstadt www.schader-stiftung.de/ R E D A K T I O N mit einer di- zukunftinnenstadt rekten Bahnstrecke gut angebunden sind, verabschiedet ihn Monika das Kollegium der Stiftung Berghäuser, Alexander Gemeinhardt, Peter Lonitz nicht nur mit einer Exkursion zur neuen Wirkungsstätte, sondern wir werden auch G E S TA LT U N G in kommenden Kooperationen ganz praktisch relevant zusammenarbeiten. Denn Büro Schramm für Gestaltung die GmbH, bueroschramm.de Schader-Stiftung, so umschrieb er seine bisherige Aufgabe, beschäftigt sich perma- DRUCK h_da nent mit „Bürgermeisterproblemen“. Ph. Reinheimer, Darmstadt HOCHSCHULE DARMSTADT UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES .... . .. . ......... ... . . . ......... .... .. . ........ ..... ... ......... ..... . .. ........ © 2021 Schader-Stiftung, Darmstadt ........ . . ........ ...... .. . ......... s:ne .. . .... .. ....... ...... . .. ......... ...... .. . ......... ... . .......... .... .. ... ........ Im vorliegenden Magazin zieht aber auch die erste Fellow der Schader-Residence . ... . .......... .. . . . . .. ....... ..... . ........ SYSTEMINNOVATION FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG © der abgebildeten Werke: Christopher Bilanz, Anna-Lisa Müller. Nach einem intensiven SocialMedia-Jahr stellen Henke, Sascha wirMüller, Kopp, Marc darüber Aileen Orate, Christoph Rau, Schader-Stiftung hinaus vor, wie wir diese Kanäle nutzen. Und auch kommunale Themen begleiten die Stiftung im zweiten Halbjahr in besonderem Maß. Unser Konventsthema ISSN 2199-5044 „Normalität als Experiment“ wird beim achten Großen Konvent einen Bogen schlagen vom globa- len Denken zum lokalen Handeln. Sicherlich praktisch relevant! ALEXANDER G E M E I N H A R DT Vorstand der Schader-Stiftung 3
P R A K T I S C H I R R E L E VA N T. EIN PODCAST Weibliche Stimme, begeistert: „Praktisch!“ Alte Stimme, kopfschüttelnd: „Irrelevant.“ Jugendliche Stimme, leicht genervt: „Und was macht man jetzt damit?“. Acht Worte, die die Kernfragen des Dialogs zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis auf den Punkt bringen: Was hilfts? Ist es wichtig? Und was kann man damit anfangen? Mit diesem Intro beginnen die Folgen der Podcastreihe „praktisch irrelevant“. Es fing mit Corona an und der Idee, einen Podcast über Die uns heutzutage als Gemeinplatz erscheinende Idee, gesellschaftswissenschaftliche Ideen und deren Verbreitung dass Kontakte Vorurteile abbauen und so friedensstiftend in der Praxis zu starten. Er sollte die erste Podcastreihe der wirken, liegt bereits unzähligen Austauschprogrammen und Stiftung ergänzen: Dort stehen Menschen, ausgewählte Städtepartnerschaften ehemals gegeneinander kriegführen- Personen im Mittelpunkt, hier Ideen, sozialwissenschaftliche der Nationen zugrunde. Dennoch scheint eine systematische Theoreme, Konzepte und Thesen. Der Podcast soll – für Anwendung der Kontakttheorie zum Abbau von Vorurteilen die Schader-Stiftung unmittelbar naheliegend – der Frage noch eine Ausnahme zu sein. In der Stadtteilarbeit etwa wur- nachgehen, was man mit gesellschaftswissenschaftlichen de erst vor Kurzem damit begonnen, in einzelnen kleinen Konzepten praktisch machen kann. Diese Konzepte sollen Projekten. Dabei sind die wechselseitigen Vorurteile und da- uns helfen, die Welt zu verstehen – aber kann man sie auch mit zusammenhängenden Inter-Gruppen-Konflikte in den praktisch anwenden und sie für praktische Zwecke nutzen? sozial belasteten und ethnisch heterogenen Quartieren seit Und wenn ja, wie und mit welchem Erfolg? Jahrzehnten ein Dauerthema. Zwar zeigte sich, dass etablierte Arbeitsgrundsätze wie die für alle offene Komm-Struktur Ein soziologischer Klassiker ist die „Kontakthypothese“, des Quartierszentrums und die explizit auf bestimmte Ziel- die der US-Soziologe Gordon Allport 1954 in seinem Werk gruppen ausgerichtete Projektarbeit es erschweren, Grup- über Vorurteile formulierte: Der Kontakt zu Personen aus ei- pen zusammenzuführen, die einander eher meiden. Dennoch ner anderen Gruppe, etwa einer anderen Ethnie, verringert sind die ersten Erfahrungen überaus positiv. die (meist negativen) Vorurteile gegenüber dieser Gruppe. Da- mit stellte er sich gegen die damals verbreitete Auffassung, In der Podcast-Folge zur Kontakthypothese schildert dies Kontakte zwischen den Gruppen würden die bestehenden ein Universitätsprofessor mit Schwerpunkt Sozialpsycho- Konflikte eher verschärfen. Wesentlich sind die Umstände logie und die Koordinatorin der Sozialen Quartiersarbeit eines des Kontakts, worauf schon Allport hinwies: Vorurteile werden Bundeslandes. Diese idealtypische Abfolge einer Darstel- eher dann abgebaut, wenn die Personen in der Kontakt- lung wissenschaftlicher Theorie und empirischen Wissens- situation gemeinschaftliche Ziele verfolgen, in der Situation stands, gefolgt von deren Anwendung in der Praxis ist aller- den etwa gleichen Status haben, miteinander interagieren dings nur bei manchen Themen möglich. Theoreme wie die müssen, um ihre Ziele zu erreichen und dieser Kontakt von Kontakthypothese gelten als Sternstunden der Soziologie. Autoritäten unterstützt wird. Auch wenn nicht alle dieser Soziale Regelhaftigkeiten, die dann zur Grundlage praktischen Bedingungen vollständig erfüllt sind, tritt in aller Regel der Handelns gemacht werden können, werden eher selten for- Kontakteffekt, ein Abbau von Vorurteilen, auf. Nach über muliert. In einem Forschungsfeld wie zum Beispiel der Suche 60 Jahren Forschung ist die Hypothese vielfach bestätigt wor- nach den Gründen für das Nicht-Wählen-Gehen findet sich den und es hat sich eine vollständige Kontakttheorie ent- vielmehr eine Fülle von Erklärungsansätzen, wie Bildungs- wickelt, die sich detailliert der Rahmenbedingungen und niveau, empfundene Relevanz der jeweiligen Wahl, Parteien- Effekte annimmt. 4 S C H A D E R - D I A LO G P R A K T I S C H I R R E L E VA N T
verdrossenheit und andere. Deren unmittelbare „Anwen- Was jedoch als der sozial akzeptable Zustand eines öffent- dung“ erscheint nur schwer möglich. Aktivitäten, die auf eine lichen Raumes gilt, differiert je nach Ort und Kontext stark Erhöhung der Wahlbeteiligung zielen, können sich darauf und kann auch marginalisierte Gruppen einbeziehen, die nur mittelbar stützen. Das trifft zwar auch für die Beobachtung sich dort aufhalten. Eine wichtige Erfahrung aus Projekten zu, wonach entscheidend ist, dass wählen gehen als soziale an Bahnhöfen, Stadtplätzen und ähnlichen Orten ist die Norm gilt, die regelmäßig selbstverständlich ausgeübt wird. Notwendigkeit aktiven Handelns, um einen als angemessen Doch genau dort setzen Projekte an, bei denen noch nicht anerkannten sozialen Zustand aufrecht zu erhalten. Hierzu wahlberechtigte Jugendliche anlässlich realer Wahlen ihre Stim- bedarf es zum Beispiel spezieller Platz-Kümmerer, die in Kon- me abgeben, inklusive der Selbstorganisation des „echten“ fliktfällen eingreifen – auch eine Form sozialer Kontrolle. Wahlgangs. Dieses Einüben des Wählengehens führt nachweis- Relevant oder irrelevant? Im Podcast wird diese Frage nicht lich zur Erhöhung der späteren Wahlbeteiligung, die auch gestellt. Politisch relevant ist jedenfalls, dass aus dem inzwi- langfristig zu wirken scheint. schen wissenschaftlich bestätigten Zusammenhang zwischen äußerer Ordnung und sozialem Verhalten sehr unterschied- Inwieweit ist hier nun die wissenschaftliche Forschung liche politische Konsequenzen gezogen werden können. praktisch relevant geworden? Rückblickend haben der norma- tive Impuls der Projektinitiatoren (die Jugend soll wählen Der Titel der Podcastreihe „praktisch irrelevant“ muss lernen!) und das Vorbild anderer Projekte den Ausschlag ge- diejenigen enttäuschen, die hier eine amüsante Sammlung geben. Allerdings bestätigt die empirische Nichtwählerfor- akademischer Spinnereien und völlig weltfremder Forschung schung die Grundidee der Bedeutung von Wahlroutinen und erwarten. Das Gegenteil ist der Fall: Der Podcast müht sich Wahlnorm, und sie kann die positiven Effekte der Projekt- sehr darum, die Kerngedanken bedeutender sozialwissen- arbeit messen. schaftlicher Theorien zu erläutern und dann deren praktische Relevanz an lebensnahen Beispielen zu zeigen. Dies geht Komplizierter wird es, wenn eine sozialwissenschaftliche nicht einfach von der Hand: Sozialwissenschaft ist sehr viel Theorie umstritten ist, wie die Broken-Windows-Theorie. Beschreibung und Analyse. Theoreme, die man sich zunutze Die Theorie steht im Ruf, Vorlage für diskriminierende Polizei- machen könnte, sind eher rar. Wäre es nicht einfacher zu zei- praktiken und eine überzogene „zero tolerance“-Politik im gen, wo sozialwissenschaftliche Theorie praktisch unwichtig New York der 1980er und 1990er zu sein. Der Ursprungsessay ist? Interessante Frage, doch hier praktisch irrelevant. in einem US-Literaturmagazin interpretiert äußere Verwahr- losung in einem Quartier wie Vermüllung oder Schmierereien als Zeichen für eine nur schwach ausgeprägte soziale Kon- trolle. Zudem beschreiben die Autoren eine Abwärtsspirale durch den Rückzug sozialer Kontrolle und der darauffol- genden weiteren Ausbreitung sozial unerwünschten Verhaltens: Müll, aggressives Verhalten auf der Straße, Rückzug der Be- wohner aus dem öffentlichen Raum und mithin noch weniger soziale Kontrolle, dann deren Abwanderung und schließlich die Ausbreitung krimineller Gruppen, die Orte mit geringem Überwachungs- und Verfolgungsdruck bevorzugen. D R . TO B I A S ROBISCHON Über die Theorie und ihre Anwendbarkeit im heutigen Wissenschaftlicher Referent Deutschland sprachen wir im Podcast mit einem Sicherheits- der Schader-Stiftung und forscher und einer auf Kommunalberatung spezialisierten ab September 2021 haupt- amtlicher Bürgermeister Mitarbeiterin eines Landeskriminalamtes. Als empirisch be- der Stadt Michelstadt. legt gilt inzwischen, dass an einem verwahrlost wirkenden Ort eine höhere Neigung zu Normverstößen besteht: Wenn beispielsweise der Erste Müll auf die Straße wirft, folgen ihm rasch weitere. Offenbar nicht sanktionierte Normverstöße ziehen weitere Normverstöße nach sich. Umgekehrt geht ein sauberer und gepflegt wirkender öffentlicher Raum mit ei- nem erhöhten Sicherheitsempfinden einher. P R A K T I S C H I R R E L E VA N T 5
# S C H A D E R U P D AT E 280 Zeichen für ein Update der Follower*innengemeinde. Prägnante Mehrzeiler für Zwischendurch. Für eine Stiftung, der ein lebhafter Dialog ganz besonders am Herzen liegt, gibt es fast kein besseres Tool. Auf zum schnellsten Kanal der Öffentlichkeitsarbeit: Twitter. Seit 2013 tummelt sich die Schader-Stiftung auf einer Plattform, die für viele mittlerweile zum Ort der Echokam- mern und der Polarisierung geworden ist: Twitter. Für uns ist der Dienst als ein Ort des Wissensaustauschs und eine der zentralen Säulen unserer Öffentlichkeitsarbeit deutlich positiver konnotiert, denn in erster Linie steht Twitter für das Kerngeschäft, das die Schader-Stiftung umtreibt: den Dialog. Es ist der schnellstmögliche, der kürzeste und un- mittelbarste Weg, mit Kolleg*innen in den Austausch zu ge- hen und gleichzeitig zu sehen, was sie beschäftigt. Wir beteiligen uns nicht an den alltäglichen Debatten, den großen Trends mit den vielen Tweets und den Top-Hashtags. Das müssen wir auch gar nicht, denn wir wollen unsere Follower*innen über Aktuelles aus der Stiftung informieren, unsere Themen platzieren, mit unseren Kooperationspart- ner*innen spannende Tagungen bewerben und unser Netz- werk erweitern. Noch wichtiger: es handelt sich nicht um eine Einbahnstraße. Auch wir erfahren von den Partner*innen oder jenen, die es noch werden, von anstehenden Veran- staltungen oder neusten Erkenntnissen. Es ist ein schnelleres Medium, als es Newsletter und Pressemitteilung sind. 6 S C H A D E R - D I A LO G P R A K T I S C H I R R E L E VA N T
Ganz organisch gewachsen, haben wir mittlerweile eine kritische Masse an Follower*innen erreicht, die sich einer- seits von alleine stetig vergrößert und andererseits, elementar für unseren Stiftungszweck, eine große Reichweite in die Welten von Wissenschaft und exzellenter Praxis gewährleistet. Denn eine Vielzahl der mittlerweile 280 Zeichen-Kurztexte verbreitet sich schlagartig, auch oder gerade durch die Multi- plikator*innen, mit denen wir sonst auch vor Ort arbeiten. Weit über fünfzigtausend Konten erreichen wir in regulären Monaten mit unseren Tweets. Nicht weniger freuen wir uns über die Personen, bei denen rechtzeitig noch ein Link Dialog lässt sich nicht auf Soziale Medien auslagern. Er lässt sich aber erst recht nicht medial isoliert führen und verstehen. Twitter dient als Ergänzung, gleichwertig zu Insta- gram, Youtube, dem Podcast „In guter Gesellschaft“ und dem schaderblog. Sie finden auf allen Kanälen Bruchstücke, die Lust auf mehr machen, die Inspiration fördern und eigene Gedankenspiralen anregen und die Sie letztlich auf physischem oder digitalem Wege irgendwann auf dem Schader-Campus landen lassen sollten. zur Onlineveranstaltung eintrifft, deren Thema sie bren- nend interessiert. Gerade in der gegenwärtigen Covid19- Pandemie sind einige Kanäle so nie abgebrochen, der Aus- tausch, der in der Schader-Stiftung strategisch auf multi- plen Säulen aufgebaut ist, konnte durchgehend fortgesetzt, dokumentiert und kommuniziert werden. ALEXANDER DENNIS WEIS G E M E I N H A R DT Wissenschaftlicher Vorstand der Referent der Schader- Schader-Stiftung Stiftung # S C H A D E R U P D AT E 7
# T E A M T H U R S D AY Visuell ansprechende Beiträge in bunter Vielfalt – oder zumindest der Versuch. Neben Influencer*innen mit ihren Bildern von Stränden, Tieren und Mahlzeiten bietet Instagram auch eine wunderbare Plattform für Posts mit Informationsgehalt und einem Blick hinter die Kulissen. Seit kurzer Zeit mit dabei: @schaderstiftung Ein ganz anderes Bild als die nüchterne, informationsba- sind wir Ende vergangenen Jahres hier genau richtig ange- sierte Welt von Twitter gibt die Plattform Instagram her: kommen. Journalistische Beiträge und aktivistische Arbeit das Visuelle dominiert. Dieser Kanal bietet die Möglichkeit, können prima auf Instagram koexistieren. Bilder entfalten Eindrücke aus der Stiftungsarbeit in Form von Schnapp- eine andere Wirkung, sie machen den Dialog greifbarer. Denn schüssen oder in Kurzvideos zu präsentieren. Da sich der Dia- wir treffen auf eine andere Zielgruppe. Über die Presse, log zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis nicht Fachpublikum und Expert*innen hinaus erreichen wir auf nur in Veranstaltungen und Publikationen ausdrücken sollte, Instagram Interessierte mit unterschiedlichsten Hintergrün- den. Ganz abgesehen von der Alterspyramide, die dort anders aussieht, kommen wir mit Bürger*innen in Kontakt, denen das Anliegen der Stiftung und der Aufgabenbereich des Teams in der Goethestraße andernfalls verborgen geblieben wären. Darüber hinaus haben wir fortan die Möglichkeit, unsere Follower*innen in unseren Arbeitsalltag zu integrieren. Mehr als nur den Blick hinter die Kulissen vermitteln wir ein Gefühl für die Prozesse, die unsere Dialogveranstaltungen begleiten. Ob in Echtzeit oder dokumentarisch, Live-Ver- anstaltung oder Rückblick, die Optionen sind mannigfaltig. Natürlich rücken auch die Kolleg*innen in den Fokus. Immer donnerstags stellt #teamthursday eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter der Geschäftsstelle vor. Ihre Stim- men sind vernehmbar, sie sind präsenter als in anderen Be- reichen der öffentlichen Kommunikation und geben dem Kanal das markante menschliche Antlitz. 8 S C H A D E R - D I A LO G P R A K T I S C H I R R E L E VA N T
Seit Winter 2020 sind wir also unter @schaderstiftung zu finden. Aber wie lässt sich das, was unser Job ist – nämlich der Dialog zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis – auf Instagram abbilden? Wie nutzen wir das Medium am bes- ten für uns und die Menschen, die sich für unsere Arbeit in- teressieren? Ganz einfach, wir wecken Neugier! Wir schaffen Anreize, sich mit unseren Themen, Formaten und Ideen auseinanderzusetzen. Wir regen zur Interaktion an, gleich ob Quiz, Fragen oder Denkanstöße. Wir bringen neuen Inter- essent*innen unsere klassischen Formate näher. Einige haben das Magazin, in dem Sie gerade blättern, erst über unseren Account kennengelernt. Das gefüllte Profil der Schader- Stiftung ermöglicht so einen breit angelegten und visuell gut zugänglichen Einblick. Bei Instagram tummeln sich Akteur*innen aus Wissen- schaft und Praxis und deshalb gibt es dort auch uns, schauen Sie doch gern mal vorbei! Der Start scheint uns gelungen, der Kanal wächst stetig und erfreut sich großer Beliebtheit bei Kooperationspartner*innen, Referent*innen und vielen Anderen. Wer weiß, vielleicht wird Instagram bald durch ein neues soziales Medium abgelöst, dann folgen vielleicht auch wir dorthin. Bis dahin freuen wir uns über Feedback zu un- serem Kanal! ANNA-LENA TREITZ DENNIS WEIS Studentische Mitarbeiterin Wissenschaftlicher der Schader-Stiftung Referent der Schader- Stiftung # T E A M T H U R S D AY 9
ZWISCHEN KLISCHEE UND D E M O K R AT I E L E H R E Was macht ein Politikwissenschaftler bei der P O L I Z E I U N D P O L I T I K- Polizei? Ein Blogbeitrag von Georgios Terizakis. WISSENSCHAFT Und damit zurück zur Ausgangsfrage, in der präzisierten Seit etwa fünf Jahren wird mir diese Frage gestellt, seit- Variante: Was macht nun ein Politikwissenschaftler wie ich dem ich mich also entschieden habe, Polizeianwärter*innen an einer Hochschule, die Polizeianwärter*innen ausbildet? auszubilden. Die Frage ist nicht richtig ausgedrückt, denn Wenn die oben genannten Klischees beiseitegelassen und eigentlich müsste sie lauten: Was macht ein Politikwissen- die organisationalen Bedingungen in den Blick genommen schaftler an einer Polizeihochschule? In dieser präziseren For- werden, ist eine mögliche Antwort relativ schnell deutlich. mulierung kommt mir die Frage bekannt vor und zwar aus Polizist*innen werden an staatlichen Hochschulen über ein meiner Zeit als junger Student der Politikwissenschaft – frei- Bachelor- und Masterstudium ausgebildet. In diesen Studi- lich nicht an einer Polizeihochschule, aber an der Univer- engängen wäre es zunächst naheliegend, einen fachübergrei- sität. Mit zwei gängigen Klischees wurden ich und auch meine fenden Blick über den Tellerrand zu organisieren. Diese Mitstudierenden konfrontiert. Klischee 1: „Du wirst doch Funktion kann den Sozialwissenschaften – darunter fällt die mal später Politiker.“ Klischee 2: „Politikwissenschaft ist ein Politikwissenschaft – an diesen Einrichtungen zugeschrieben Laberfach.“ werden. Jedoch haben besagte Fächer auch eine eigene Exis- tenz in diesen speziellen Hochschulen über die letzten Jahr- K L I SC H E E S A L S A N T WO RT zehnte entwickelt und bringen diese curricular ein. Klischee 1 bezieht sich auf eine missverständliche Vor- Z U R D E M O K R AT I E E R Z I E H E N stellung, was Politik ist oder sein kann. Politik wird hier mit Parteipolitik und im Grunde mit einem Parteiklüngel gleich- Nicht nur dass Politikwissenschaftler*innen kompetente gesetzt. Nun, neben dem üblichen Politiker*innenbashing Kenner*innen des politischen Systems der Bunderepublik versteckt sich hier eine verkürzte Politikvorstellung. Politik Deutschlands sind, politische Ideen erläutern können oder wird nicht begriffen als verbindliche Regelung und Entschei- das eindimensionale Modell von Links-Rechts reflektieren dung über die Dinge, die uns alle betreffen. Vielmehr wird helfen; sie sind darüber hinaus und viel mehr Demokratie- sie als „schmutziges Geschäft“ imaginiert, welches nichts mit lehrende, die diesen Begriff, jenseits seiner formalen Be- Bürger*innen zu tun hat. Aus meiner Perspektive, die eines deutung, mit Leben füllen und den Polizeistudierenden nahe- Demokratiewissenschaftlers, ist dies eine Sichtweise, die es bringen, erlebbar machen und vorleben sollen. Das ist eine aufzuklären gilt, was ich auch in Endlosschleifen seitdem Aufgabe, für die es sich lohnt, als Politikwissenschaftler*in tue – in der Regel mit großer Freude. unter die Polizist*innen zu gehen und sich der Herausfor- derung dieser Interdisziplinarität zu stellen; jenseits der Kli- Klischee 2 bezieht sich auf die Vorstellung, dass Politik- schees des Politikers und Laberers. wissenschaftler*innen keine präzisen Wissenschaftler*innen sind. Unkommentiert lasse ich mal, dass interpretations- und verstehensorientierte Forschung per se keine präzise Wissen- schaft darstellt. Jedoch hat die Politikwissenschaft im Sinne des Klischees sehr präzise Forschungszweige ausgebildet. P R O F. D R . G E O R G I O S TERIZAKIS Pars pro toto sei die Wahlforschung genannt, die beindruckend Professor für Politikwissen- genau mit ihren rechnerischen Modellen Vorhersagen tref- schaft an der Hessischen fen kann. Auch das ist Politikwissenschaft. Hochschule für Polizei und Verwaltung 10 S C H A D E R - D I A LO G P R A K T I S C H I R R E L E VA N T
A L LTAG AUF ZEIT Am 15. April 2021 zog ich als erste Fellow des Residence-Programms der Schader-Stiftung in Haus Schader ein. Konnte ich am Anfang die Frage, „was ich da so mache“, selbst gar nicht recht beantworten, so habe ich über die drei Monate vor Ort genau diese Offenheit zu schätzen gelernt. Und mit dieser Offenheit wurde das Neue und Fremde des Lebens und Arbeitens in der Schader-Residence und in Darmstadt zu einer berei- chernden Normalität und zu einem Alltag auf Zeit in der Stiftung und in der Stadt. SCHADER-RESIDENCE 11
Die Frage, die ich zu Beginn meines Residence-Fellow- Es begann damit, dass sich die Gelegenheit für mich er- ships bei der Schader-Stiftung wohl am häufigsten gehört gab, im Sommersemester 2021 an der Universität Heidel- habe, war diese: „Und was machst Du da so?“ Ehrlich ge- berg die Professur für Humangeographie Nordamerikas und sagt habe ich sie mir auch selbst gestellt. Nach drei Mona- Stadtgeographie zu vertreten. Von Norddeutschland aus ten als „Residency Nummer 1“ in Haus Schader kann ich gesehen, wo ich meinen Lebensmittelpunkt habe, teilten sagen: Man macht in diesem Fellowship sehr viel. Vor allem Heidelberg und Darmstadt ihre vergleichsweise südliche Lage, nimmt man mit allen Sinnen wahr: das Neue, das Andere, aber doch lagen sie in meiner Wahrnehmung recht weit das Fremde. Anderes sehen, Neues hören, eine unbekannte auseinander. Als ich dann das Angebot bekam, als erste Stadt spüren und riechen, sie körperlich und kognitiv erfah- Fellow in die Residence-Wohnung der Schader-Stiftung ein- ren. Auf langen Spaziergängen, Fahrradtouren, beim Fah- zuziehen, lernte ich, wie stark die Rhein-Main-Neckar- ren mit Bus und Bahn erleben, wie langsam die weißen Region vernetzt ist und wie nah Heidelberg letztlich bei Flecken auf der mental map Darmstadt immer weniger wer- Darmstadt liegt. Das stellte sich über das Frühjahr als den. Und noch eines habe ich getan: geredet. Mit Men- sehr hilfreich heraus, da ich so meine beiden neuen Aufgaben schen aus der Stiftung; mit Menschen, die Teil des großen wunderbar miteinander verbinden konnte: Lehren und Netzwerks der Stiftung sind; mit Menschen, denen ich zu- Forschen in Heidelberg, Leben und Forschen in Darmstadt. fällig im Rahmen von Veranstaltungen oder über den nach- Natürlich gab es Momente, in denen mir die Multilokalität barschaftlichen Bambuszaun hinweg begegnet bin. Und ich nicht leicht fiel – dienstags morgens etwa, wenn der Wecker habe erlebt und mitgestalten können, wie die Residence ne- in Darmstadt um 5 Uhr klingelte, damit ich rechtzeitig ben den Konferenz- und Büroräumen, der Galerie und dem zum Vorlesungsbeginn um 9 Uhr in Heidelberg sein konnte. Garten ein Teil von Haus Schader wurden. Schließlich wird Oder wenn ich die aktuell gültigen Regelungen der Corona- das Fremde Normalität. Verordnungen von drei Bundesländern – Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg – und die 7-Tage-Inzidenz- werte dreier Städte im Kopf haben wollte, um zu wissen, was ich wo tun oder nicht tun kann. Oder wenn ich während der Zeit der abendlichen Ausgangssperre in Heidelberg anfing zu überlegen, welche Züge ich nehme wollte, um gar nicht erst während der Sperrzeiten unterwegs zu sein. Denn so richtig habe ich bis zum Ende keine Antwort auf die zweite Frage gefunden, die sich mir während der Re- sidency stellte: War das mein Arbeits- oder mein Wohnort? Letztlich kann ich sagen, dass es immer beides war. Ich habe in der Residence gewohnt, und ich habe dort gearbei- tet. Die vielen Gespräche, die ich dort geführt habe, waren oft auch Teil von beidem. Etwa, wenn ich im Rahmen des ersten Tischgesprächs bei regionalem Spargel mit eingelade- nen Darmstädter*innen über die „Themen in Darmstadt“ in Austausch gekommen bin. Dort lernte ich Historisches über Darmstadt ebenso wie Informelles und Subjektives Anna-Lisa Müller und über die Art, wie es ist, in Darmstadt zu leben, und die Orte, Alexander Gemeinhardt an denen dieses Leben geschieht. Oder wenn ich bei anderen Gelegenheiten mit Personen am Tisch saß, die mein In- teresse an Stadtentwicklungsprozessen in der Migrations- gesellschaft teilten, und deren Impulse zweifellos in meine wissenschaftliche Forschung einfließen werden. Und dann gab es da noch „meinen“ Georg-Büchner- Platz. Er ist die Materialisierung dieses Doppels aus Woh- nen und Arbeiten, das aus meiner Sicht den Kern und den Reiz des Fellowships ausmacht. 12 S C H A D E R - D I A LO G P R A K T I S C H I R R E L E VA N T
Georg-Büchner-Platz, Darmstadt Dieser Platz war mir schon bei meinem ersten Besuch Bürger*innen selbst Migrationsbiographien aufweisen und in Darmstadt ins Auge gesprungen, und ich lernte ihn die ganz selbstverständlich zwischen ihren lokalen, über- während der drei Monate noch besser kennen. Als Ort, der regionalen und internationalen Referenzrahmen wechseln. eine Grenze zwischen „Maske tragen in der Innenstadt“ und „maskenfreier Zone“ markierte; als Ort der vielfältigen Wenn ich also etwas in Darmstadt bei den lokalen Nutzungen ganz unterschiedlicher Menschen; als Ort, Akteur*innen hinterlassen habe, dann vielleicht das: einen der für das Staatstheater Darmstadt eine neue Vorderbühne anderen, neuen Blick – nicht nur, aber auch auf diesen darstellte, als es mit seinem Programm „ins Freie“ ging; Platz im Herzen ihrer Stadt und auf seinen Wert für eine und schließlich als Ort, an dem sich sehr gut (Frei-)Zeit vielfältige Gesellschaft. Und sie haben bei mir viel neues, verbringen lässt. Ich habe ihn nicht nur fotografisch do- bis dahin fremdes Wissen hinterlassen: über lokale Dynami- kumentiert und ethnographisch beschrieben, sondern auch ken einer Stadt zwischen Metropole und Provinz, über in Vorträgen als Beispiel für meine laufenden Forschungen Modi des Lebens als Darmstädterin, über Heiner und Wald- verwendet. Und er diente mir in meinen Gesprächen mit den kunst, über Hügel und Höhen. Menschen vor Ort in Darmstadt als Beispiel für das, was ich als Stadt- und Migrationsforscherin tue, und als Beispiel für das, was Darmstadt für mich während des Fellowships zu einem so inspirierenden Ort machte. Schader Residence Als Stadtforscherin bin ich daran interessiert, wie sich Menschen den öffentlichen Raum zu eigen machen und in ihm als Teil einer Stadtgesellschaft sichtbar werden. Als Migrationsforscherin untersuche ich vor allem, wie sich eine Gesellschaft verändert, in der immer mehr Menschen Migrationserfahrungen haben und ganz unterschiedliche kulturelle und räumliche Bezüge in ihren Alltag integrieren. DR. ANNA-LISA Und am Beispiel des Georg-Büchner-Platzes ließ sich für MÜLLER Vertretungsprofessorin mich besonders gut untersuchen, welche Bedeutung öffent- für Geographie an der lichen Plätzen in einer Stadtgesellschaft zukommt, deren Universität Heidelberg SCHADER-RESIDENCE 13
UNMÖGLICHE G E S P R ÄC H E – U N D WA S S I E M Ö G L I C H M AC H T Bürgermeister sind beliebte Adressaten des Wissenschafts-Praxis-Dialogs, sie gelten zu Recht als wichtige Mittler in unterschiedlichste Bereiche. Ihre Aufgabe ähnelt insofern der des Wissenschafts-Praxis-Dialogs, wie er Zweck der Schader-Stiftung ist. Ebenso ähneln sich die Probleme. Tobias Robischon war seit 1994 Wissen- schaftlicher Referent der Schader- Stiftung. Im September 2021 tritt er sein Amt als hauptamtlicher Bürgermeister der Stadt Michelstadt an. Beim Großen Konvent 2017 moderierte er ein Gespräch mit dem Soziologen Stefan Selke und Brigitte Zypries, dama- lige Bundesministerin für Wirtschaft und Energie. Die Allzuständigkeit der Kommune macht deren obersten Zum einen Sachverhalte, die die Bürgerschaft seiner Ge- Repräsentanten, den Bürgermeister oder die Bürgermeisterin, meinde als Gesamtheit betreffen und ihn in seiner Rolle als zum bestens geeigneten Adressaten für alle Fragen, für die Repräsentant dieser Gemeinschaft fordern. Zum anderen es nicht ausdrücklich andere Zuständigkeiten gibt – und selbst Aufgaben an der Schnittstelle zwischen den ganz großen, all- für diese, wenn nur hinlänglich begründet werden kann, gemeinen Themen und dem praktischen Tun in der Kom- dass die Sache die „Angelegenheiten der örtlichen Gemein- mune, mit denen er in seiner Rolle als Verwaltungschef, gewähl- schaft“ berührt. Ein Bürgermeister soll also für „Alles“ zu- ter lokal Regierender und Staatsvertreter umgehen muss. ständig sein und ist es im Zweifel auch tatsächlich. Sieht man von dieser Erwartung einmal ab, so muss sich ein Amtsin- Für Wissenschaftler*innen, die einen Zugang zur Praxis haber typischerweise mit zwei Arten von Problemen befassen: und zur Umsetzung ihrer Ergebnisse suchen, sind Bürger- 14 S C H A D E R - D I A LO G P R A K T I S C H I R R E L E VA N T
meister*innen damit ideale Ansprechpartner*innen. Die Er- haupt erst die Grundlage für einen Austausch schafft. Ak- wartung, mit dem Zugang zugleich einen Schlüssel zur un- teure mit sehr unterschiedlichen Interessen, Wahrnehmungen mittelbaren Umsetzung der eigenen Ideen gefunden zu haben, und Blickwinkeln lassen sich durchaus auf einen wechsel- greift jedoch zu kurz. Die kommunikativen Herausforde- seitigen Austausch ein, wenn ihre jeweilige Perspektive auch rungen, vor denen Bürgermeister*innen in der Kommune respektiert wird. Das gelingt, wenn sichtbar wird, dass die- stehen, ähneln stark den grundlegenden Problemen des se als Beitrag zu einem gemeinsamen Etwas, eben dem Ge- Wissenschafts-Praxis-Dialogs – denen die Wissenschaft selbst sprächsgegenstand, Anerkennung findet. nur allzu gerne ausweicht, indem sie es etwa mit einer Ab- kürzung über einen „Bestimmer“ versucht. Aus einer solchen Konstellation ergibt sich notwendiger- weise auch die Bereitschaft, die Perspektiven und Wertungen Beim Transfer in die Praxis interessieren aus sozialwissen- Anderer als solche einmal wahrzunehmen. Damit ist eine schaftlicher Sicht zumeist Querschnittsthemen, die viele wichtige Voraussetzung geschaffen, um die letztlich zu treffen- Akteure aus verschiedenen Sektoren betreffen. Der einfache den Entscheidungen als legitim zu begreifen – ohne sie in Fall einer Disziplin mit einem eigenen Praxisfeld, zum Bei- der Sache notwendigerweise zu akzeptieren. Wenn bestimmte spiel Frühpädagogik, in das Forschungserträge direkt über- Perspektiven gezielt unbeachtet bleiben, delegitimiert dies tragen werden können, ist die Ausnahme. Daraus ergibt Entscheidungen in der Demokratie. sich schon das erste, grundlegende Dialogproblem, dem man auch in der Kommune begegnet: Warum sollten all diese Ak- Leider ist die Bereitschaft, sich auf konträre Sichtweisen teure überhaupt mit außenstehenden Wissenschaftler*innen – einzulassen, in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. oder der Stadtverwaltung reden? Oder miteinander? Warum Es herrscht eine große Gereiztheit, Bürger*innen reagieren sollten sie dafür Zeit, Arbeit und letztlich Geld aufwenden? auf jede Art öffentlichen Eingriffs in ihre persönliche Sphäre sehr aggressiv. Paradoxerweise führt der Ruf nach Diversität Gerne wird unterschätzt, wie deutlich schon bei der Kon- zu noch fester verschlossenen Diskurs-Blasen. Die dauernde taktaufnahme durch abgehobene Sprache, hochgestochene Bestätigung der persönlichen Voreingenommenheiten lässt Zielsetzungen und verengte Problembeschreibungen vermit- andere Standpunkte immer noch unverständlicher und ab- telt wird, wie gering das Interesse an den Erfahrungen und stoßender erscheinen. Jede abweichende Meinung wird so Sichtweisen der Praxisakteure tatsächlich ist. Dass diese die zu einer verstörenden Irritation. eigene Sichtweise (zumindest in den Grundzügen) teilen, wird meist stillschweigend vorausgesetzt. Ein Trugschluss, Selbst die soziale und reale Nähe von Nachbarschaft dem besonders gerne aufsitzt, wer die eigene Sicht der Dinge oder Vereinszugehörigkeit kann dies nur begrenzt auffangen. als die einzige normativ vertretbare begreift. So wundert es Viel zu leicht entzweit man sich heute über vermeintlich auch nicht, dass sich mit Themen wie Nachhaltigkeit oder so- grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten, kündigt Freund- zialer Integration im Stadtquartier vorzugsweise diejenigen schaften und kappt soziale Bande. Was tragisch ist: es ge- aus Wissenschaft und Praxis beschäftigen, die sich in ihren schieht im allseits festen Glauben, auf der einzig richtigen normativen respektive politischen Vorstellungen nah sind. Seite zu stehen und mit seinem Tun hohe Ideale zu verteidigen. Allzu oft sind das Akteure, die gar kein „skin in the game“, Man ist so fürchterlich fest überzeugt davon, im Recht zu also keine eigenen wirtschaftlichen, sozialen oder rechtli- sein, dass es als richtig erscheint, zu dessen vermeintlicher chen Verpflichtungen im Feld haben und somit ohne Rück- Verteidigung auch Fürchterliches zu tun. Zweifel wirkt hier sichtnahme auf solche Restriktionen agieren können. Im- friedensstiftend. So wie Zweifel an dem für richtig Gehaltenen mobilieneigentümer etwa machen sich notorisch rar in solchen auch in der Wissenschaft zu neuer Erkenntnis führt. Prozessen. Die Frage ist stets, welche Motivation ein Ak- teur hat, um sich auf ein Gespräch einzulassen. Welche mög- lichen Gründe kann man ihm nennen, zumal dann, wenn für ihn den die Verfügungshoheit über sein Eigentum die höchste D R . TO B I A S Priorität hat? ROBISCHON Wissenschaftlicher Referent der Schader-Stiftung und Damit tatsächlich ein Dialog zustande kommt, ist die ab September 2021 haupt- geschickte Wahl des Gesprächsgegenstands entscheidend. amtlicher Bürgermeister der Stadt Michelstadt. Nicht die Überschrift und auch nicht ein spezielles Format sind hier gemeint, sondern der Sachverhaltskomplex, der über- U N M Ö G L I C H E G E S P R ÄC H E 15
D A R M S TÄ D T E R TAG E D E R T R A N S F O R M AT I O N 2021 An den dritten Darmstädter Tagen der Transformation vom 15. bis 19. März 2021 nahmen rund eintausend Interessierte teil. Elf Workshops, Konferenzen und Podien boten die Möglichkeit, sich über die vielen Aspekte auszutauschen, die zu einer nachhaltigeren Entwicklung beitragen. Das Forschungs-Symposium „Transformative Forschung: Vom Experiment in den Mainstream“ bildete das Herzstück. Schwerpunkte der Darmstädter Tage der Transformation Herzstück der bunt gefüllten Veranstaltungswoche bildete 2021 waren Fragen aus der transformativen Forschung, das transformative Forschungs-Symposium (tF-Symposium), flankiert unter anderem von den Themen Nachhaltige Lebens- das bereits zum dritten Mal stattfand. Den über 200 Teil- stile, Umweltjournalismus, Einbindung von Praxisakteur*innen nehmenden wurde ein vielfältiges Programm aus Vorträgen, sowie Methoden des Austauschs und der Partizipation. An Workshops und Gesprächsrunden geboten. „An der Schnitt- den Veranstaltungen nahmen auch zivilgesellschaftliche Grup- stelle zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesell- pen teil, wie etwa Fridays for Future. Quang Paasch, einer schaft genügt der herkömmliche Nachhaltigkeits-Begriff der Sprecher, ordnete die „Fridays“ in der Debatte um post- nicht mehr, um die komplexen Herausforderungen zu lösen koloniale Strukturen der Klimaschutzbewegung in einen oder auch nur zu benennen. Transformative Forschung größeren Zusammenhang ein: „Schon vor Greta gab es Klima- setzt bereits bei der Bildung eines gemeinsamen Problem- schutz-Bewegungen. Wir haben den Protest aber auf die verständnisses an,“ so Alexander Gemeinhardt, Vorstand Straße geholt.“ Es sei wichtig, zivilgesellschaftliche Initiativen der Schader-Stiftung, zur Eröffnung des diesjährigen tF- mit Wissenschaft und etablierten Akteuren wie der Schader- Symposiums. Stiftung im Gespräch zu halten. Auch Perspektiven aus Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden kamen in einer Insgesamt wurden sechzehn sehr unterschiedliche trans- Tagung zu Wort: „Transformation fair gestalten“. formative Projekte vorgestellt und diskutiert: Von der globa- len Lederlieferkette über Wasserwiederverwendung in einem Gewächshaus bis zum Bereich klimagerechte Stadtentwick- 16 S C H A D E R - D I A LO G P R A K T I S C H I R R E L E VA N T
lung. Im Fokus: Wie kann ein Experimentierraum mit den, an dem Wissenschaft und Praxis konzentriert und kon- Praxisakteur*innen aufgebaut werden, was sind seine Cha- struktiv in den Dialog treten. Die Verbindung von Hochschule rakteristika und Erfolgsbedingungen? Darmstadt und Schader-Stiftung über das Projekt s:ne er- weist sich als Glücksfall für alle Beteiligten.“ Immer wieder thematisierten die Teilnehmenden typi- sche Stolpersteine und den Umgang damit, etwa die Heraus- W E I T E R E I N F O R M AT I O N E N : forderung, zwischen Wissenschaftler*innen und Praxisak- W W W. S C H A D E R - S T I F T U N G . D E / teur*innen eine gemeinsame Sprachebene zu finden. Als TAG E D E R T R A N S F O R M AT I O N besonders wichtig für den langfristigen Erfolg und die Wir- kung von transformativen Projekten wird die geteilte Verant- wortungsübernahme genannt. Dazu gehört auch, Beteiligte, die erst im Projektverlauf dazu stoßen, trotz bereits erfolgter Aushandlungsprozesse und durchlaufender Lernprozesse in die Gruppe zu integrieren. Diese oder ähnliche Erfahrungen hat auch die Schader- Stiftung als Partnerin im Verbundprojekt „s:ne“ (System- innovation für Nachhaltige Entwicklung) geteilt. Mit dem s:ne-Konzept war die Hochschule Darmstadt (h_da) in der DR. MICHÈLE SASKIA FLEGLER Bund-Länder-Förderlinie „Innovative Hochschule“ erfolg- BERNHARD Wissenschaftliche reich. Ziel des s:ne-Projekts ist es, mit Menschen aus Wirt- Wissenschaftliche Referentin der Schader- schaft, Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Bürger*innen Referentin der Schader- Stiftung bis April 2021 Stiftung neue Wege hin zu einer Nachhaltigen Entwicklung einzu- schlagen. Die Schader-Stiftung ermöglicht mit ihrem Teilvor- haben den Austausch zwischen diesen Akteur*innen. In die- sem Jahr war „s:ne“ erstmals Mitausrichter der Tage der Transformation. „Die Darmstädter Tage der Transformation haben sich in der dritten Auflage in der Community von transformativer Forschung und Transfer etabliert“, resümiert die wissenschaftliche Leiterin des s:ne-Gesamtprojekts Silke Kleihauer: „Mit dem zentralen tF-Symposium und vielen anderen Veranstaltungen sind sie zu einem Treffpunkt gewor- KAREN LEHMANN L A U R A PA U L I Wissenschaftliche Persönliche Referentin Referentin der Schader- des Vorstands und Wissen- Stiftung schaftliche Mitarbeiterin der Schader-Stiftung im Ein Projekt von Projekt s:ne h_da HOCHSCHULE DARMSTADT UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES .... . .. . ......... ... . . . ......... .... .. . ........ ..... ... ......... ..... . .. ........ ........ . . ........ ...... .. . ......... s:ne .. . .... .. ....... ...... . .. ......... ...... .. . ......... ... . .......... .... .. ... ........ . ... . .......... .. . . . . .. ....... ..... . ........ SYSTEMINNOVATION FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG Das Projekt wird im Rahmen des Bund-Länder-Programms „Innovative Hochschule“ gefördert von: Gemeinsame Wissenschaftskonferenz TAT I A N A S O T O LUISE SPIEKER GWK BERMUDEZ Studentische Mitarbeiterin Wissenschaftliche der Schader-Stiftung Referentin der Schader- Stiftung seit Mai 2021 TA G E D E R T R A N S F O R M AT I O N 17
I N F O R M AT I O N schader-stiftung.de P R OJ E KT E 2021 Die Schader-Stiftung fördert seit über 30 Jahren die Gesellschaftswissenschaften. Ihr Anliegen ist es dabei, den Praxisbezug der Gesellschafts- wissenschaften und deren Dialog mit der Praxis Zu einem pandemiebedingt digitalen Sounding Board zu stärken. Zu diesem Zweck stellt die Schader- schalteten sich also am 30. März 2021 Interessierte aus der Stiftung den Schader-Campus in Darmstadt zur Soziologie und anderen Gesellschaftswissenschaften, aus Verfügung. Schwerpunkte der Förderung set- Medien und Kultur zu. Mit der ersten Folge von „Sozioskop“ zum Thema Minimalismus im Hinterkopf ging es um Wis- zen jeweils die Themen des Großen Konvents senskommunikation auf Sozialen Medien und vor allen Din- der Schader-Stiftung, das Konventsthema 2021 gen um die Ausgestaltung von „Sozioskop“ – viel ehrliches lautet „Normalität als Experiment”. Hierzu sind Feedback von den Expert*innen inklusive. Aktuell sehen sich die Gründer*innen in ihrer Idee bestätigt, wollen aber ihre Anregungen und Anträge besonders willkom- Alleinstellungsmerkmale und verschiedene Unterformate wei- men. Ausführliche Dokumentationen der hier in terentwickeln. Die zweite Folge ist in Arbeit. Auswahl vorgestellten Veranstaltungen finden W W W. S C H A D E R - S T I F T U N G . D E / sich unter www.schader-stiftung.de S OZ I O S KO P D I G I TA L , S M A R T U N D S OZ I A L S O U N D I N G B OA R D GETRENNT S O Z I O S KO P Wenn man über Digitalisierung und Stadtgesellschaften Das Filmformat „Sozioskop“ hat die Schader-Stiftung der Zukunft diskutieren möchte: Wen braucht man dafür? sofort interessiert, weil es an der Schnittstelle zwischen Ge- Expertinnen und Experten für das Analoge! Das war die Mei- sellschaftswissenschaften und Praxis angesiedelt ist. Die nung der Bi/e Local-Gruppe, die federführend das Sounding produzierende Gruppe aus Soziolog*innen, Filmer*innen, Board am 1. Juli 2021 konzipierte und durchführte. Designer*innen und Journalist*innen suchte im Frühjahr 2021 vor allem Feedback und Förderung, die Schader- Zu leichtfertig lässt man sich auf technisch Mögliches, Stiftung bot dafür ein Sounding Board an. damit verbundene Annehmlichkeiten und die Faszination des Zukünftigen ein. Die Debatte benötigt ein Korrektiv „Sozioskop“ möchte junge Menschen, auch außerhalb durch Menschen, die sich gegängelt fühlen von digitalen An- der Universitäten, für sozialwissenschaftliche Themen begeis- forderungen, die mehr analoge Methoden, stärker unmit- tern, die in Form von alltagsnahen Reportagen behandelt telbare Kommunikation wünschen. Zugleich fanden sich werden. Die Inhalte sollen zum Diskutieren und Handeln an- unter unseren Fachleuten für das Analoge Personen, die regen, weil sie vermeintlich selbstverständliche Phänomene aufgrund ihres beruflichen oder ehrenamtlichen Hintergrunds aus einer neuen Perspektive beleuchten. Dazu treffen sich zwei stellvertretend für Gruppen mit Zugangsschwierigkeiten Reporterinnen mit Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen. zum Digitalen sprechen – etwa Menschen mit Behinderungen Das Team bespielt neben YouTube auch Instagram. oder betagte Personen. 18 S C H A D E R - D I A LO G P R A K T I S C H I R R E L E VA N T
Neben dem bewusst vielfältig besetzten Kreis der Teilneh- sierung und verstärkter Personalisierung kennzeichnet. Auch menden wünschte sich das Bi/e Local-Team die Diskus- regionale und lokale Medien wurden diskutiert. Diese haben sion seiner im Rahmen des Sommercamps 2019 entwickelten zwar auf der einen Seite nach wie vor viele Leser*innen, be- Idee: Zwei öffentliche Plätze sollen per Videoübertragung richten allerdings nur selten über wissenschaftliche Themen. und großen Bildschirmen miteinander verbunden werden – sodass sich analoge und digitale Kommunikation koppeln. W W W. S C H A D E R - S T I F T U N G . D E / Während der Veranstaltung wurde das grundlegende Kon- U M W E LTJ O U R N A L I S M U S zept ebenso debattiert wie die konkreten technischen und vor allem rechtlichen Anforderungen an die Umsetzung. ICH, DU UND DIE ANDEREN – Die Veranstaltung in Kooperation mit der ZEIT-Stiftung „ F R E M D E “ E R FA H R U N G E N Ebelin und Gerd Bucerius reflektierte somit sowohl elemen- tare Fragen zur Zukunft von Kommunikation in Stadtgesell- Wann gehöre ich dazu? Ist meine Zugehörigkeit von schaften als auch das Konzept eines bi-lokalen im öffentlichen Dauer, oder bleibt sie ein fragiles Konstrukt, das durch einen Raum verorteten Video-Portals. kleinen Fehltritt jederzeit zum Einsturz gebracht werden kann? Herkunft weist viele Mitbürger*innen auf den ersten W W W. S C H A D E R - S T I F T U N G . D E / B I L O C A L Blick als Andere aus. Das Fremde bleibt sichtbar und allge- genwärtig. Das Fremde kann Neugier wecken oder Ablehnung hervorrufen. Doch die Entscheidung über „das Fremde“ analog · digital · vernetzt treffen Andere. Normalität und Sonderbares obliegen der Be- wertung durch die Mehrheit. B R A U C H T D I E U M W E LT Die Autor*innen und Künstler*innen der mittlerweile J O U R N A L I S M US? dritten Staffel des Literarischen Salons beschäftigen sich in unterschiedlichen Textformen mit den Themen, die in der Vielfaltsgesellschaft relevant sind und kontrovers diskutiert Was bedeutet die mediale Transformation für den Journa- werden. In Kooperation mit der Hochschule Darmstadt lismus? Wie hängen Öffentlichkeit und Ökologie zusammen? lud die Schader-Stiftung am 28. Juni und am 5. sowie 12. Juli Diesen Fragen widmete sich eine Tagung in Kooperation 2021 Asal Dardan, David Mayonga und Anna Prizkau zu mit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, die am digitalen Literaturabenden ein, an denen sie aus und über 16. März 2021 im Rahmen der „Darmstädter Tage der Trans- ihre Bücher berichten konnten. Erneut war die Resonanz formation“ stattfand. groß, über einhundert Gäste nahmen online teil und betei- ligten sich mit Fragen. Die verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit für klimatische Veränderungen steht in einem wechselseitigen Verhältnis zur Die Gespräche moderierten, wie im vergangenen Jahr, medialen Berichterstattung über das Thema. Gleichermaßen die Journalistin Canan Topçu, Dozentin am Fachbereich Ge- hat jedoch auch die Entwicklung digitaler Medien einen sellschaftswissenschaften der Hochschule Darmstadt, und Einfluss auf diese Berichterstattung und konkurriert teilweise Dennis Weis von der Schader-Stiftung. Videoaufnahmen der mit ihr. Diese Situation beleuchteten Impulsvorträge aus Abende sind über die Homepage der Stiftung zugänglich. Sicht von Klimaaktivismus, Journalismus und Kommunika- tionswissenschaft und zwei themenbezogene Science Cafés, W W W. S C H A D E R - S T I F T U N G . D E / die zum Abschluss in einer Podiumsdiskussion zusammen- FREMDHEIT geführt wurden. Im Fokus standen Umfang und Qualität der Klimabe- richterstattung sowie die Bedeutung sozialer Medien für Be- wegungen wie Fridays for Future, die von der Möglichkeit direkter Ansprache profitieren. Zugleich wurde die Problem- situation des (Wissenschafts-)Journalismus in den Blick ge- nommen, den eine Gleichzeitigkeit von steigender Ökonomi- PROJEKTE 2021 19
FAC H F O R U M S O Z I A L E S lichkeit beschäftigten. Ziel war eine gesellschaftswissenschaft- TEILHABEGERECHTIGKEIT IN liche Auseinandersetzung, die eine interdisziplinäre Wis- senskommunikation durch den spielerischen Wettbewerb DA R M S TA D T befördert sowie eine Verknüpfung von Prozessen der Synthe- tischen Biologie und Fragen der Philosophie herstellt. Dabei sein, mitgestalten, dazugehören – für alle Darm- städter*innen? Das „Fachforum Soziales“ fragte am 25. Juni In verschiedenen Impulsen und anschließenden Ge- 2021 nicht nach allgemeinen Bedingungen gelingender sprächsrunden wurden beispielsweise Science Art Filme dis- kommunaler Sozialpolitik, sondern nach der konkreten Situ- kutiert, die eine neurotechnische Perspektive auf die Zukunft ation vor Ort. Das Sozialdezernat wollte gemeinsam mit der einnehmen. Die Vergänglichkeit von Musik, insbesondere Schader-Stiftung mit diesem Veranstaltungszuschnitt explizit des Jazz, oder die Mythologie und Bedeutung von Grabdenk- eine Debatte rund um Teilhabegerechtigkeit vor Ort führen. mälern waren ebenfalls Inhalte der Veranstaltung. Welche Ideen und Konzepte das Potenzial zum ewigen Bestehen Externe Fachleute brachten den Blick über den Teller- haben, konnte auf der Webseite ewige-ideen.de ermittelt und rand mit ein: Renate Reiter von der FernUniversität Hagen in eine DNA-Sequenz übersetzt werden. erläuterte die Frage, was sozialgerechte Teilhabe fördert. Timo Heym von der Bundestransferstelle Sozialer Zusam- W W W. S C H A D E R - S T I F T U N G . D E / menhalt gab einen Überblick über sozialräumlich unter- EWIGESLEBEN schiedlich ausgeprägte Teilhabechancen. Den Kern der Tagung bildeten Kleingruppen, in denen mit Hilfe virtueller Pinnwände Teilhabemöglichkeiten und deren Entwicklungspotenziale in konkreten Themenfeldern zur Diskussion standen. Der Austausch drehte sich um Ein- flüsse von Armut, der Wohnsituation sowie des Sozialraums. DA R M S TA D T G E O G R A P H I S C H Es ging um digitale Teilhabe und die Frage, welche Auswir- kungen demographische Entwicklungen zeigen. Aufgrund Wissenschaftsstadt, Digitalstadt, UNESCO-Welterbestät- des heterogenen und mit professionellem Wissen ausgestat- te: Darmstadt besitzt aus geographischer Sicht viele Facet- teten Teilnehmendenkreises entspann sich eine konstruktive ten. Ein Anlass für das Geographische Institut der Universität Debatte mit nützlichen Anregungen für die weitere kommu- Heidelberg, in Kooperation mit der Schader-Stiftung vom nale Sozialpolitik. 31. Mai bis 2. Juni 2021 auf Stadtentwicklungs-Exkursion zu gehen. 15 Studierende unter Leitung von Philipp Schulz, W W W. S C H A D E R - S T I F T U N G . D E / Mitglied im Kleinen Konvent der Schader-Stiftung, besich- TEILHABEGERECHTIGKEIT tigten ausgewählte Orte in Darmstadt. Anknüpfungspunkt war der Praxisbezug von Themen, die zuvor im Kontext des Studiums vermittelt wurden. M A R K T P L AT Z D E R I D E E N . UNSTERBLICHE IDEEN FÜR Ausgehend vom Campus der Schader-Stiftung ging es zum Darmstadtium und zum neuen Welterbe Mathildenhöhe, EWIGES LEBEN durch die Innenstadt und den Herrngarten zur Waldspirale und schließlich bis zum Goetheteich im UNESCO Geo- Die DNA ist der Bauplan menschlichen Lebens. Könnte Naturpark Bergstraße-Odenwald. Weiteres Ziel war die Kon- man analog feststellen, dass Ideen der Bauplan der Gesell- versionsfläche der ehemaligen Cambrai-Fritsch-Kaserne, schaft sind? Gibt es ewige Ideen oder Ideen für die Ewigkeit? dem neuen Ludwigshöhviertel. Begleitet wurde die Gruppe von Expertinnen und Experten, die jeweils vor Ort einen Gemeinsam mit der Technischen Universität Darmstadt Input gaben. fand am 24. Juni 2021 im Rahmen des von der Volkswagen Stiftung geförderten Projekts „Eternal Cell“ ein digitaler Marktplatz der Ideen statt, auf dem sich viele Disziplinen aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Thema (Un)Sterb- 20 S C H A D E R - D I A LO G P R A K T I S C H I R R E L E VA N T
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