Gemeindebrief Nr. 2/2020 - März - Mai 2020

 
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Gemeindebrief Nr. 2/2020 - März - Mai 2020
Gemeindebrief Nr. 2/2020
       März – Mai 2020
Gemeindebrief Nr. 2/2020 - März - Mai 2020
Das Diakonissenhaus Jerusalem, Schäferkampsallee 30, das „Ella-Louisa-Haus“, wurde vom
Diakoniewerk an einen Investor verkauft. Die Schwestern haben weiterhin Wohnrecht und leben
in Gemeinschaft zusammen. Die Schwesternschaft gehört dem Kaiserswerther Verband an und
versteht sich als Glaubens- und Lebensgemeinschaft evangelischer Christinnen, in der Spirituali-
tät, Gastfreundschaft und Begegnungen ihren Platz haben. Die Zahl der Diakonissen ist kleiner
geworden, aber auch die „Feierabendschwestern“ tragen mit ihrer Fürbitte und der ihnen noch zur
Verfügung stehenden Kraft unsere Jerusalem-Gemeinde mit.

Das Krankenhaus Jerusalem
Bereits seit dem Jahre 1913 vereint das Krankenhaus Jerusalem hohe Fachkompetenz mit intensi-
ver persönlicher Zuwendung. Ständige Erweiterungen und umfassende bauliche Erneuerungen
haben die Klinik im Zentrum von Hamburg kontinuierlich dem Stand des medizinischen Fort-
schritts angepasst – so beherbergt das Krankenhaus Jerusalem hinter seiner historischen Fassade
heute eine moderne Belegarzt-Klinik mit 105 Betten. Im Zuge von Gesundheitsreform und ande-
ren Anpassungen war aber nun auch dies nicht mehr ausreichend, um die Arbeitsplätze und den
Betrieb dauerhaft sicherzustellen. Deshalb wurde ein Verkauf eingeleitet. Mit dem Wechsel des
Klinikträgers im September 2007 und einer Investitionssumme von zehn Millionen Euro wird das
Krankenhaus Jerusalem nun schrittweise erweitert und modernisiert werden. Eine Liste mit Na-
men und Adressen der Fachärzte ist in der Aufnahme des Krankenhauses erhältlich.

Inhaltsverzeichnis:
Editorial                                                                         Seite   1
Hans-Christoph Goßmann, Predigt über Matthäus 3, 13-17 im Rahmen
der interreligiösen Tagung „Religionen im Film“                                   Seite   2
Klaus Reige. Komm komm, wer immer Du bist.
Die interreligiöse Tagung „Religionen im Film“                                    Seite   5
Yuriy Kadnikov, Film und Religion in der Betrachtung
eines liberalen Rabbiners                                                         Seite   7
Hans-Christoph Goßmann, Film und Religion
– aus christlicher Perspektive                                                    Seite    8
Ali-Özgür Özdil, Der Islam im Film                                                Seite   12
Oshra Beate Danker, Neues aus der Jüdischen Gemeinde Pinneberg                    Seite   13
Germaine Paetau, Neues von der Musik                                              Seite   14
Michaela Lohr, Weltgebetstag 2020                                                 Seite   17
Regelmäßige Veranstaltungen                                                       Seite   19
Jerusalem-Akademie                                                                Seite   19
Veranstaltungskalender                                                            Seite   20

Spenden für die Gemeinde erbitten wir auf folgende Konten:
Haspa:     IBAN - DE33 2005 0550 1211 1292 16 BIC - HASPDEHHXXX
Evangelische Bank eG: IBAN – DE25520604106306446019 BIC – GENO DEF1 EK1
Konto des Fördervereins Jerusalem-Kirchengemeinde Hamburg e.V.:
Haspa: IBAN - DE40 2005 0550 1211 1237 55 BIC - HASPDEHHXXX
Unsere Internet-Seiten finden Sie unter: Jerusalem-Kirche = www.jerusalem-kirche.de
Bestellungen und andere Anfragen richten Sie bitte an die Jerusalem-Gemeinde
Sekretariat: Frau Birthe Henkel, Schäferkampsallee 36, 20357 Hamburg, Öffnungszeiten:
Di. und Do. von 9.00 bis 12.00 Uhr und Mi. von 14.30 bis 17.30 Uhr, Telefon: 040/202 28 136,
Fax: 040/202 28 138, E-Mail: jerusalem-kirche@gmx.de,
Pastor: Dr. Hans-Christoph Goßmann, E-Mail: jerusalem-pastor@gmx.de

Impressum:
Herausgeber ist die ev.-luth. Jerusalem-Gemeinde zu Hamburg. Auflage: 600 Stück
Redaktion: Dr. Hans-Christoph Goßmann, Druck: Druckerei Dietrich GmbH, Beeksfelde 18,
25482 Appen/Pi. Für namentlich gekennzeichnete Artikel zeichnen die Autoren verantwortlich.
Der Brief erscheint viermal im Jahr und wird auf Spendenbasis an Mitglieder und Freunde der
Gemeinde verschickt. Redaktionsschluss für den Jerusalem-Brief 3-2020 ist der 1. April 2020.
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                                          Editorial

                           Liebe Leserin,          Welche regelmäßigen Gemeindeveranstal-
                           lieber Leser,           tungen durchgeführt werden und wann die
                                                   nächsten Gottesdienste und Bibelstunden
                            auch in diesem         stattfinden werden, können Sie dieser Aus-
                            Jahr haben wir         gabe des Jerusalem-Briefes natürlich wie
                            im Rahmen der          gewohnt auch entnehmen.
                            Reihe „Zu Gast
                            in     Abrahams        Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihr
                            Zelt“ gemein-                          Hans-Christoph Goßmann
                            sam mit dem
                            Christian Jensen
                            Kolleg,     dem                         * * *
                                 Islamischen
Wissenschafts- und Bildungsinstitut und
dem Zentrum für Mission und Ökumene
                                                           Monatsspruch im Monat
eine jüdisch-christlich-islamische Tagung
                                                                März 2020
durchgeführt. Diesmal ging es um das
Thema „Religionen im Film“.                             Jesus Christus spricht: Wachet!

In dieser Ausgabe des Jerusalem-Briefes                                       Markus 13, 37
finden Sie einen Rückblick auf diese Ta-
gung: Sie können die Predigt über Matthä-
us 3, 13-17, lesen, die ich im christlichen
Gottesdienst auf dieser Tagung gehalten                             * * *
habe, und dazu einen Bericht über diese
Tagung von Klaus Reige sowie die Einfüh-
rungen in das Thema von Rabbiner Yuriy
Kadnikov, Imam Dr. Ali-Özgür Özdil und
mir.

Oshra Beate Danker, Mitglied des Freun-
deskreises der Jüdischen Gemeinde Pinne-
berg, gibt einen Rückblick auf das Ge-
meindeleben unserer jüdischen Partnerge-
meinde in dem vergangenen Vierteljahr.

In den letzten Monaten hat sich in musika-
lischer Hinsicht in unserer Kirche wieder
viel getan. Germaine Paetau berichtet da-
rüber in dieser Ausgabe des Jerusalem-
Briefes.

Auf den folgenden Seiten finden Sie auch
die Einladung zu dem diesjährigen Weltge-
betstagsgottesdienst am 6. März sowie
einen Bericht über die Verwendung der
Weltgebetstags-Kollekten vom letzten
Jahr.
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                     Predigt über Matthäus 3, 13-17
         im Rahmen der interreligiösen Tagung „Religionen im Film“
                         von Pastor Dr. Hans-Christoph Goßmann

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus             gesamten Auslegungsgeschichte Wider-
und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft          stände und kritische Fragen ausgelöst:
des Heiligen Geistes sei mit uns allen.            Sollte es wirklich so sein, dass sich Jesus
Amen.                                              von Johannes taufen lies? Bedeutet dies
                                                   nicht eine Unterordnung Jesu unter Johan-
Liebe Gemeinde,                                    nes? War aber Johannes nicht lediglich
bei manchen Berichten im Neuen Testa-              Vorläufer und Wegbereiter Jesu? Wen
ment wird die Frage gestellt, ob sich das          wundert es angesichts derartiger Fragen,
Dargestellte wirklich so abgespielt hat. Bei       dass die Taufe Jesu nicht in die christlichen
dem Predigttext für den heutigen Sonntag           Glaubensbekenntnisse aufgenommen wur-
ist dies anders: Niemand vertritt die Mei-         de?
nung, dass das, was dieser Text berichtet,         Dabei ist es wichtig, was in diesem Text
historisch nicht geschehen sei. Denn es            zur Sprache kommt; es lohnt, seine Aussa-
geht um etwas, was für die Evangelisten            gen in den Blick zu nehmen und sich mit
problematisch war und                                                   ihnen detailliert ausei-
was sie sich dement-                                                    nanderzusetzen. Denn
sprechend gewiss nicht                                                  er enthält vieles, was
ausgedacht hätten; es                                                   für uns hilfreich sein
geht um die Taufe Je-                                                   kann, wenn wir uns die
su, die somit zu den                                                    Bedeutung der Taufe
am Besten bezeug-                                                             vergegenwärtigen
testen historischen Er-                                                 möchten.
innerungen an das Le-                                                   Beginnen wir mit dem
ben Jesu gehört. Ich                                                    ersten Satz des Textes:
lese den Text:                                                          „Jesus kam aus Galiläa
                                                                        an den Jordan zu Jo-
Jesus kam aus Galiläa                                                   hannes, dass er sich
an den Jordan zu Johannes, dass er sich            von ihm taufen ließe.“ Der Ort, an dem
von ihm taufen ließe. Aber Johannes wehr-          Johannes taufte, lag am Ostufer des Jordan,
te ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass         südlich der heutigen Allenby-Brücke. Die
ich von dir getauft werde, und du kommst           Wahl des Ortes hat eine tiefe symbolische
zu mir? Jesus aber antwortete und sprach           Bedeutung, denn am Ostufer des Jordans
zu ihm: Lass es jetzt geschehen! Denn so           stand einst das Volk Israel, bevor es den
gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfül-       Fluss überquerte und in das ihm von Gott
len. Da ließ er's geschehen. Und als Jesus         verheißene Land einzog. Die Situation vor
getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem       der Landnahme wird hier in Beziehung
Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der             gesetzt zu der Situation vor der Taufe. Wie
Himmel auf, und er sah den Geist Gottes            für die aus der Wüste kommenden Israeli-
wie eine Taube herabfahren und über sich           tinnen und Israeliten mit der Überquerung
kommen. Und siehe, eine Stimme vom                 des Jordans ein gänzlich neues Kapitel in
Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber          ihrer Geschichte aufgeschlagen wird, so
Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.                auch für diejenigen, die sich nun im Jordan
                           Matthäus 3, 13-17       von Johannes taufen lassen. Jesus wollte
                                                   dies, er wollte diesen radikalen Neuanfang,
Es ist leicht nachvollziehbar, dass dieser         und deshalb kam auch er zu Johannes. Dies
Text anstößig gewirkt hat. Er hat in seiner        wird im ersten Satz unseres Textes in aller
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Klarheit zur Sprache gebracht: Jesus kam,           Aber Jesus belässt es dann doch nicht bei
„dass er sich von ihm taufen ließe.“ Das            der bloßen Aufforderung, sondern be-
war der Grund, warum er zur Taufstelle am           gründet sie mit den Worten „Denn so ge-
Jordan kam. Er war fest entschlossen, sich          bührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfül-
taufen zu lassen. Dabei stieß er auf Wider-         len.“ Es geht Jesus also um die Erfüllung
stand, denn Johannes empfand es als nicht           aller Gerechtigkeit. Das griechische Verb
angemessen, dass er Jesus tauft, wehrte             πληρόω, das an dieser Stelle als Infinitiv
dementsprechend die Taufe ab und sprach:            Aorist begegnet, wird im Matthäus-
„Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft        Evangelium ausschließlich in Bezug auf
werde, und du kommst zu mir?“ Dies ist              Jesus gebraucht. Damit unterstreicht der
nun in der Tat bemerkenswert, denn hier             Evangelist durch seine hier gebrauchte
wird beschrieben, dass Johannes das Tauf-           Wortwahl die Bedeutung dieses Handelns
begehren Jesu zurückweist. Bemerkens-               Jesu.
wert ist zudem, wie Johannes diese Zu-              Was ist damit gemeint, wenn hier von „al-
rückweisung Jesu begründet: „Ich bedarf             le[r] Gerechtigkeit“ die Rede ist? Die Pre-
dessen, dass ich von dir getauft werde, und         digt Johannes des Täufers war eine Buß-
du kommst zu mir?“ Die Gründe, die in der           predigt, eine Predigt, die zur Umkehr auf-
Auslegungsgeschichte dieses Textes Wi-              rief. Zu dieser Umkehr gehört es, die eige-
derstände und kritische Fragen ausgelöst            nen Sünden zu bekennen und auf dem wei-
haben, werden hier zur Sprache gebracht,            teren Lebensweg diese Sünden nicht mehr
und zwar von Johannes selbst. Gemäß un-             begehen zu wollen. Vor diesem Hinter-
serem Text verhielt es sich so, dass Johan-         grund wird die Zurückweisung Jesu durch
nes selbst sich lediglich als Vorläufer und         den Täufer verständlich. Bei Jesus konnte
Wegbereiter Jesu verstand und diesen des-           Johannes keine Sünden erkennen, die eine
halb nicht taufen wollte. Wie reagierte Je-         Umkehr erforderlich machten. Aber Jesus
sus auf diese Zurückweisung? Er machte              war es wichtig, sich durch die Taufe in die
deutlich, dass er fest entschlossen war, sich       Reihe derjenigen zu stellen, die der Verge-
taufen zu lassen, und sich davon auch               bung bedürfen. Jesus hat sich somit nicht
durch den Widerstand des Johannes nicht             außen vor gehalten, als es um Buße, um
abbringen lassen wollte. Er ließ sich gar           Umkehr ging. Das ist von entscheidender
nicht erst auf eine Diskussion darüber ein,         Bedeutung für alle, die ihr Leben in der
ob der Einwand des Johannes gerechtfer-             Nachfolge Jesu gestalten möchten. Für die
tigt war oder nicht, sondern wollte getauft         christliche Gemeinschaft war es von An-
werden, und zwar von Johannes. Deshalb              beginn an konstitutiv, zur Buße, zur Um-
begann seine Antwort mit den Worten                 kehr bereit zu sein; das Christentum be-
ἄφες ἄρτι. Das Wort ἄφες ist der Impera-            gann somit als Bußbewegung. Das Wort
tiv Aorist von dem Verb ἀφίημι, zu                  Gottes ruft auch uns in unserem Leben zur
Deutsch: geschehen lassen, und ἄρτι be-             Umkehr zu Gott, damit auch wir die Ge-
deutet: jetzt. Diese Aufforderung übersetzt         rechtigkeit Gottes in unserem Leben um-
Martin Luther als „Lass es jetzt gesche-            setzen.
hen!“ Es ist philologisch durchaus möglich          Als Jesus mit solcher Vehemenz die Zu-
und auch angebracht, sie in der Überset-            rückweisung durch den Täufer abwehrte,
zung noch schärfer wiederzugeben. So                gab dieser seinen Widerstand auf und tauf-
übersetzt F. Stier diese Aufforderung Jesu          te Jesus. Bemerkenswert ist, wie dies im
folgendermaßen: „Lass es zu, sofort!“ Indi-         Text beschrieben wird: „Da ließ er's ge-
rekt gibt Jesus damit dem Täufer Recht,             schehen.“ Es wird an dieser Stelle nicht
aber er möchte offensichtlich darüber jetzt         gesagt, dass Johannes nun aktiv wurde und
nicht diskutieren, sondern ein Zeichen set-         die Taufe vollzog, sondern vielmehr, dass
zen – das Zeichen, dass auch er sich taufen         er es geschehen ließ. Durch diese Formu-
lässt.                                              lierung wird angedeutet, dass letztlich
                                                    nicht er, Johannes, die Taufe vollzog, son-
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dern Gott durch ihn. Denn in der Taufe             Wie können wir Heutige den offenen Him-
handelt letztlich Gott selbst. Und dies wird       mel in unserer Welt wahrnehmen? Der
im weiteren Verlauf des Textes nicht mehr          Predigttext gibt eine Antwort: Wenn wir in
nur angedeutet, sondern in aller Klarheit          der Nachfolge Jesu leben möchten, dann ist
benannt: „Und als Jesus getauft war, stieg         es uns aufgetragen, wie Jesus zur Umkehr,
er alsbald herauf aus dem Wasser. Und              zur Buße bereit zu sein. Diese Umkehr
siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und         befähigt uns, unseren Teil dazu beizutra-
er sah den Geist Gottes wie eine Taube             gen, der Gerechtigkeit Gottes in dieser
herabfahren und über sich kommen. Und              unserer Welt den Weg zu bereiten.
siehe, eine Stimme vom Himmel herab                Das wirft ein Licht auf die Taufe und ihre
sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem          Bedeutung. Die Taufe nimmt uns nicht aus
ich Wohlgefallen habe.“ Direkt im An-              dieser Welt heraus, sondern stellt uns mit-
schluss an die Taufhandlung, als Jesus aus         ten in diese Welt. Bei der Buße, der Um-
dem Wasser stieg, sah er den Geist Gottes          kehr, geht es darum, die Gerechtigkeit Got-
wie eine Taube auf sich herabkommen und            tes in dieser unserer Welt zu erfüllen und
hörte die Stimme Gottes, die sagte: „Dies          somit dem Willen Gottes gemäß zu leben.
ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlge-           Das Christentum war von Anfang an eine
fallen habe.“ Die himmlische Herrlichkeit          Bußbewegung. Und somit ist die Bereit-
kommt anlässlich der Taufe Jesu in die             schaft zur Buße, zur Umkehr, auch für un-
Welt; der Himmel steht offen. Jesus hatte          ser Leben als Christinnen und Christen
sich durch die Taufe dazu bekannt, die             konstitutiv.
Gerechtigkeit Gottes in dieser Welt zu er-         Dies verbindet uns mit Jüdinnen und Ju-
füllen, und nun bekennt sich Gott zu Jesus.        den. In der fünften Bitte des Achtzehnbit-
Er tut dies mit den Worten: „Dies ist mein         tengebetes, das nach rabbinischer Auffas-
lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen ha-           sung als das Gebet schlechthin gilt, heißt
be.“ Dies wird Gott zu einem späteren              es: „Bring uns zurück, unser Vater, zu
Zeitpunkt noch einmal wörtlich so sagen:           Deiner Lehre, und nähere uns, unser Kö-
bei der Verklärung bzw. Verwandlung Jesu           nig, Deinem Dienst. Und führe uns zurück
(Matthäus 17,5). Im Matthäus-Evangelium            in vollkommener Rückkehr zu Dir. Ge-
werden somit die Taufe Jesu und seine              priesen seist Du, Ewiger, dem die Rück-
Verklärung bzw. Verwandlung in einen               kehr gefällt.“ Das hebräische Nomen, das
direkten Zusammenhang gebracht. In bei-            an dieser Stelle im Deutschen als „Rück-
den Fällen bekennt sich Gott zu ihm als            kehr“ übersetzt ist, ist ‫תשובה‬. Dieses No-
Seinem Sohn. Es ist kein Zufall, dass die-         men bezeichnet die Buße, die Umkehr, zu
ses Bekenntnis in Worte gekleidet ist, die         der Jesus von Nazareth bereit war, als er
an den zweiten Psalm erinnern, in dem              sich von Johannes dem Täufer am Jordan
über den König von Juda gesagt wird: „Du           taufen ließ, woraufhin sich der Himmel
bist mein Sohn, heute habe ich dich ge-            geöffnet hat. Den Zugang zu diesem offe-
zeugt“ (Vers 7).                                   nen Himmel hat Gott auch uns durch die
Der Himmel steht offen; darauf dürfen              Taufe gewährt. Lasst uns Gott dafür Dank
auch wir Heutige vertrauen. Das ist für uns        sagen!
von immenser Bedeutung. Martin Luther              Amen.
hat diese Bedeutung einmal folgenderma-
ßen in Worte gefasst: „Damals ging der
Himmel auf. Der tut sich nicht zu bis zum                  Monatsspruch im Monat
jüngsten Tag. Noch heutigen Tages ist der                        April 2020
Himmel offen über die ganze Welt. […]
Wenn der Himmel verschlossen wäre, wer                 Es wird gesät verweslich und wird
wollte dann predigen, taufen, Sakrament                    auferstehen unverweslich
reichen, absolvieren? […] wo Christus ist,                                 1. Korinther 15,42
da ist der Himmel offen.“
Gemeindebrief Nr. 2/2020 - März - Mai 2020
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                         Komm komm, wer immer Du bist
                     Die interreligiöse Tagung „Religionen im Film“
                                      von Klaus Reige

An einem kalten Januartag stehe ich allein        Der Imam Ali, der Rabbi Yuriy und der
und verloren in Bredstedt am Bahnhof und          Pastor Christoph richten unsere Sinne in
bin orientierungslos. Ein schwarzes Fahr-         Richtung Orient nach Mekka bzw. Jerusa-
zeug fährt vor, in dem schwarz gekleideten        lem aus.
Menschen sitzen. Es ist ein Taxi, welches         Unsere Community mit den angereisten
mich zum Christian Jensen Kolleg in Brek-         Muslimen, Christen und Juden wird für die
lum bringen wird. Die Insassen lachen             nächsten Tage meine Heimat. All die Er-
mich freundlich, aber irgendwie doch              fahrungen und Vorurteile, die sich bei mir
fremdartig an. Ich vertraue ihnen und stei-       über Jahrzehnte über „den Islam“ und „das
ge ein. Vertrauen ist meine Basis für die         Judentum“, aber auch über „das Christ-
nächsten Tage. Nach dem Einsteigen wird           sein“ angesammelt hatten, lasse ich hinter
mir schnell klar, dass ich gerade zu einem        mir. Mit dem Rabbi spreche ich über den
Teil der muslimischen Community aus               Talmud und chassidische Meister. Meine
meiner Heimatstadt                                                       islamischen Freunde
Hamburg eingestie-                                                       bringen mir die per-
gen bin. Wir spre-                                                       sische Dichtkunst
chen zwar die glei-                                                      und den Dichter
che Sprache, doch                                                        Rumi, nach dem der
merke ich schnell,                                                         Mevlevi-Derwisch-
dass ich für ihre                                                        Orden benannt ist,
Worte und ihren                                                          näher. Ich tauche
Humor noch nicht                                                         ein in eine andere
die nötige Gelas-                                                        Welt. Mir erschei-
senheit und Reife                                                        nen die Diskurse
habe. Ich mache in diesen wenigen Minu-           über unsere Differenzen in den drei abra-
ten im Taxi die irritierende Erfahrung,           hamitischen Religionen eher in Äußerlich-
mich fremd zu fühlen und doch gleichzei-          keiten zu liegen. In der Spiritualität und in
tig geborgen zu sein. Bereits nach dieser         der Ausgestaltung menschlicher Beziehun-
kurzen Fahrt mit dem Taxi und meiner              gen überwiegen für mich die Gemeinsam-
Ankunft am Christian Jensen Kolleg in             keiten.
Breklum scheine ich in einen anderen
„Aggregatzustand“ verwandelt worden zu            Bei der diesjährigen Tagung ging es um
sein. Der Pastor sagt später dazu „fest,          das Thema „Religion im Film“. Ich gehe
flüssig, gasförmig, Breklumer“, was wohl          selten ins Kino und schaue kaum Filme im
bedeutet, dass der Breklumer Zustand ein          Fernsehen oder auf youtube. Auf der Ta-
besonderer Zustand der Spiritualität sein         gung habe ich nachvollzogen, woran das
soll.                                             liegt. Mir fehlt die Möglichkeit des ge-
                                                  meinsamen reflexiven Diskurses. So habe
Mit meinem Ankommen zur Veranstaltung             ich gelernt, dass der Film „The Message“
„Zu Gast in Abrahams Zelt“ in Breklum             gänzlich auf die Darstellung des Propheten
wechselt nun mein orientierungsloser Zu-          Mohammed verzichtet und filmtechnisch
stand aus Bredstedt und ich erhalte Orien-        eine Besonderheit darstellt. In christlicher
tierung im wörtlichen Sinne.                      Tradition haben wir mit dem Bilderstreit
                                                  eine jahrhundertealte Kontroverse, die mit
Gemeindebrief Nr. 2/2020 - März - Mai 2020
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den „Passionsspielen“ und deren Darstel-           essen und trinken, viel Geld sparen und
lungen im Film entschieden zu sein                 muss nicht stundenlang auf Flughäfen und
scheint. In den Nachbesprechungen geht es          in Flugzeugen meine Zeit vergeuden. Statt-
mir wie früher in meinem Deutschunter-             dessen kann ich in beruhigender Atmo-
richt und ich frage mich, haben wir alle das       sphäre, umgeben von Natur, spirituelle Er-
gleiche Buch gelesen bzw. den gleichen             fahrungen sammeln. Hierzu gehören be-
Film gesehen. Die Dis-                                                sonders die einfühlsa-
kurse sind sehr sprach-                                               me Freitagspredigt un-
sensibel zu führen,                                                   seres Imams Ali und
denn ob ein Film „reli-                                               die ausführliche Ein-
giös“ ist, „Religion                                                  führung in den Schab-
zum Thema macht“,                                                     bat durch unseren
„religiöse Bezüge her-                                                Rabbi Yuriy.
stellt“ oder „gelebte
Religionskultur“ be-                                                  In einem bewegenden
schreibt, scheint ein                                                 Schlusswort formuliert
großer Unterscheid zu                                                 unsere älteste Teil-
sein und was denn Religion für uns bedeu-          nehmerin, Johanna, ihre Erfahrungen und
tet und wie wir uns dem wissenschaftlich           ihren Ausblick sinngemäß folgenderma-
nähern können, wird kontrovers diskutiert.         ßen: Wir sind eine Familie mit Abraham
Ob dabei der Film hilfreich oder hinderlich        als Stammvater. Wir sind Schwestern und
ist, kann durchaus hinterfragt werden.             Brüder im Geiste. Wir glauben gemeinsam
Letztlich ist der Film ein vom Menschen            an den einen Gott. Es gibt in der heutigen
geschaffenes Medium, wie das Buch oder             Zeit so viele Herausforderungen für die
ein Bild, welches religiöse Erfahrung för-         Menschheit, dass wir uns mit dem Tren-
dern kann, aber auch viele Gefahren in sich        nenden nicht allzu lange aufhalten dürfen
birgt, weshalb in Moscheen und Synago-             und stattdessen unsere Gemeinsamkeiten
gen von bildlichen Darstellungen von               in den Mittelpunkt stellen sollten, um die
Menschen abgesehen wird.                           Einheit der Menschheit voranzubringen.
                                                   Sie ist in den heutigen Zeiten wichtiger
Auf der einen Seite sind die Tage ein theo-        denn je. Die Überschrift dieses Textes
logischer Diskurs auf hohem Niveau, aber           „Komm komm, wer immer du bist“ stammt
andererseits steht für mich das „Erfah-            von dem oben erwähnen persischen Dich-
rungslernen“ im Mittelpunkt, in dem sich           ter Rumi. Mit Zeilen von ihm möchte ich
die drei abrahamitischen Religionsgemein-          diesen Text beenden:
schaften gegenseitig zu ihren Festen einla-
den und wir alle wechselseitig Gäste sind.         Ich versuchte, ihn zu finden am Kreuz der
Normalerweise müsste ich dafür mehrere             Christen, aber er war nicht dort. Ich ging
tausend Kilometer weit fahren, viel Geld           zu den Tempeln der Hindus und zu den
ausgeben, genügend Zeit für die An- und            alten Pagoden, aber ich konnte nirgendwo
Abreise planen und neben sprachlichen              eine Spur von ihm finden. Ich suchte ihn in
Hürden auch noch kulturelle Hürden über-           den Bergen und Tälern, aber weder in der
winden. Hinzukommen würden noch Imp-               Höhe noch in der Tiefe sah ich mich im-
fungen, gesundheitliche Belastungen, die           stande, ihn zu finden. Ich ging zur Kaaba
komplizierte Sicherheitslage und die Her-          in Mekka, aber dort war er auch nicht. Ich
ausforderungen beim Essen, Trinken und             befragte die Gelehrten und Philosophen,
Schlafen.                                          aber er war jenseits ihres Verstehens. Ich
                                                   prüfte mein Herz, und dort verweilte er, als
Als „Breklumer“ kann ich hingegen schla-           ich ihn sah. Er ist nirgends sonst zu finden
fen wie in „Abrahams Schoß“, nachhaltig            (Rumi).
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       Film und Religion in der Betrachtung eines liberalen Rabbiners
                               von Rabbiner Yuriy Kadnikov

Allein der Titel führt mich dazu, das The-         wurde von Gidi Dar im Jahr 2004 gedreht,
ma zu begrenzen. Denn die Meinung eines            und obwohl seine Zielgruppe keine ultraor-
Rabbiners bleibt – nur die Meinung eines           thodoxe Gruppe ist, ist der Film authen-
einzigen Rabbiners. Dieser können sich             tisch und von dem Rebben der Breslowa
einige meiner Kollegen anschließen, ande-          Chassidim gesegnet. Alle anderen Filme,
re nur einem Teil davon und wieder ande-           falls man sie beurteilen möchte, geben ein
re können Teile oder gar alles ablehnen.           gutes, ein weniger gutes oder sogar ein
Ich bin auch kein Kunsthistoriker, der             schlechtes Spiegelbild ab. Man nutzt
Filmproduktionen in jedem Detail kennt             selbstverständlich etwas Klischeehaftes
und interpretiert. Vielmehr werde ich mei-         bzw. „Codes“, um bei dem Zuschauer Inte-
nen Blick der Dinge darstellen.                    resse zu wecken und wiedererkannt zu
Vorab möchte ich noch erwähnen, dass ein           werden. In diesen Fällen kann man nur
Teil des jüdischen Volkes, der sich als ult-       jeden einzelnen Film bzw. sogar Szene
raorthodox betrachtet, gar keinen direkten         beurteilen, ob es gelungen oder misslungen
Zugang zu Filmen hat, wenn er diese nicht          ist. Auf jeden Fall ist zuzugestehen, dass
sogar ablehnt bzw. verteufelt. Ein Grund           diese Filme für die Mehrheit der Menschen
dafür ist das zweite Gebot                                        eine Art Begegnung mit „den
aus dem Dekalog und ande-                                         Juden“ leisten. Dies kann in
ren Stellen, welche mit Bild-                                     einem positiven wie in einem
nisverbot verbunden sind                                          negativen Sinne passieren.
(Ex. 20, 3-4; Deut. 4, 25-31;                                     Ein anderes Phänomen der
27, 15). Der Talmud milderte                                      Kinematographie ist, wenn
den Letzten, z.B. um wissen-                                      der Inhalt des Filmes, ob-
schaftliche Zwecke zu erfül-                                      wohl dort keine Juden darge-
len oder Abbildungen von                                          stellt waren, der jüdischen
Tieren und Pflanzen darzu-                                        Weltanschauung entspricht.
stellen.                                                          Dies passiert nicht nur mit
Als die bewegten Bilder populärer wurden,          dem Judentum, sondern auch mit dem
haben viele Juden in der neuen Branche ihr         Christentum und dem Islam oder einer
Glück versucht. Es gab nur wenige Film-            anderen Religion. Solche Inhalte gelten
produktionsfirmen in Hollywood, in denen           den Menschen, die keiner religiösen Insti-
keine Juden aktiv gewesen waren. Seitdem           tution angehören und kein Interesse haben,
leisteten und leisten sie einen großen Bei-        sich mit religiösem Denken auseinanderzu-
trag zu Kinematographie.                           setzen. Diese Zielgruppe glaubt, sie sei
Trotzdem sind viele Produktionen in der            areligiös, deswegen bekommen sie die
Unterhaltungsindustrie weit von den realen         gleiche „Beilage – aber unter einer anderen
Darstellungen des Judentums entfernt. Alle         Soße“. Hier kann nur die mit der jeweili-
Filme spiegeln den Blickwinkel eines Pro-          gen Tradition vertraute Person die Parallele
duzenten bzw. Regisseurs wider. Falls je-          entziffern.
mand der oben Genannten einer jüdischen            Da wir in einem Zeitalter leben, in dem
Gemeinde angehört, ist es eine unorthodo-          großer Wert auf der Geschwindigkeit der
xe Gemeinde. Das bedeutet, dass das Dar-           Informationsübertragung gelegt wird, wer-
gestellte keine Wiederspiegelung, sondern          den immer weniger junge Menschen, falls
eine Betrachtungsweise des jüdischen Le-           keine Notwendigkeit vorliegt, auf das Me-
bens abbildet. Mir persönlich ist nur ein          dium Buch zurückgreifen. Das geschriebe-
Spielfilm bekannt. Der hat den hebräischen         ne Wort mit seinen komplexen Inhalten
Titel „Uschpisin“ (Gäste). Dieser Film             wird in der Massenkultur eine geringe Rol-
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le spielen, so wie es schon im Mittelalter         enorme Rolle. Sie können, wie übrigens
Stand der Dinge war. Filme als Medium              jedes andere Werkzeug, zum Heil oder
spielen bei einer solchen Gesellschaft eine        zum Verderben führen.

                 Film und Religion – aus christlicher Perspektive
                         von Pastor Dr. Hans-Christoph Goßmann

Film und Religion, konkreter formuliert:           Ein Blick auf die Geschichte des Films
Film und christlicher Glaube – ist das             kann hier den Weg zu einer möglichen
überhaupt ein Thema? Ich gehe gerne ins            Antwort aufzeigen. Denn der Beginn die-
Kino, selten, aber gerne. Die Frage, ob dies       ser Geschichte wurde oft mit dem Slogan
in irgendeiner Weise in Beziehung zu mei-          verbunden: „als die Bilder laufen lernten“.
nem christlichen Glauben steht, stellt sich        Geht es bei der Ablehnung des Films sei-
mir dabei nicht. Kinobesuche sind für mich         tens fundamentalistischer Christinnen und
weder eine Ausdrucksform christlichen              Christen um das Thema ‚Bild‘? Steht hin-
Glaubens noch stehen sie in Widerspruch            ter dieser Ablehnung letztlich das biblische
zu diesem. Es ist jedoch so, dass                              Bilderverbot?
es andere Christinnen und Chris-                               Um diesen Fragen nachzugehen,
ten gibt, für die dies anders ist.                             legt es sich nahe, das Bilderver-
Kinobesuche sind für sie mit                                   bot und seine christliche Rezep-
ihrer Form christlichen Glau-                                  tion näher in den Blick zu neh-
bens unvereinbar. Nun könnte                                   men und zu fragen, wie es um
ich mich auf den Standpunkt                                    das Bilderverbot im Christentum
stellen, dass mich eine solche                                 bestellt ist. Werfen wir zunächst
Einstellung in meiner christli-                                einen kleinen Blick in die Kir-
chen praxis pietatis nicht in Fra-                             chengeschichte: In der Frühzeit
ge zu stellen braucht, handelt es                              waren Bilder kein Thema. Im
sich doch um evangelikale, z.T.                                frühen Christentum wurden Bil-
gar fundamentalistische Chris-                                 der ebenso abgelehnt wie im
tinnen und Christen, die fürch-                                spätantiken Judentum. Die Göt-
ten, dass der Film den Charakter                               ter- und Kaiserbilder, die religi-
verdirbt, weil er nach ihrer Auffassung            öse Verehrung erfuhren, waren auf das
ständig von Sex & Crime handelt und so-            Engste mit dem Götzendienst verbunden.
mit vor allem die sündige Welt ins Bild            Ab dem dritten Jahrhundert zogen jedoch
setzt und in gewisser Weise feiert. Chris-         Bilder in die Kirche ein. Dies ist durch die
tinnen und Christen, die eine solche Auf-          Hauskirche von Dura Europos in Ostsyrien
fassung vertreten, gibt es auch in Deutsch-        am Euphrat (um 235) belegt.
land, nicht nur in den USA, auch wenn sie          Aber mit den Bildern kam auch der Bilder-
bei uns eine kleine Minderheit darstellen.         streit in die Kirche. In der Ostkirche entwi-
Aber wenn sie ihre Ablehnung von Kino-             ckelte sich anhand des Chalcedonense, des
besuchen und Filmen allgemein mit ihrem            Glaubensbekenntnisses des Konzils von
christlichen Glauben begründen, so nehme           Chalcedon in Jahr 451, ein Streit über die
ich dies zum Anlass, nachzufragen, ob Ki-          Frage, ob Christus auf Ikonen dargestellt
no- und andere Filme lediglich aufgrund            werden dürfe oder nicht. Die Bildergegner
ihrer Inhalte abgelehnt werden. Gibt es hier       (Ikonoklasten) vertraten die Auffassung,
womöglich noch einen anderen Grund,                dass Bilder von Christus seine menschliche
eine theologische Dimension, die uns aus           Natur zu stark in den Vordergrund rücken
dem Blick geraten ist?                             würden und Christus als wahrer Gott nicht
                                                   bildlich dargestellt werde könne. Die Bil-
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derverehrer (Ikonodulen) hielten dem ent-           Hälfte des 16. Jahrhundert wurden zahlrei-
gegen, dass der göttliche Geist die bildli-         che theologische Abhandlungen zur Bil-
che Darstellung durchdringe. Im Jahr 726            derfrage veröffentlicht. Dies belegt, dass
verbot Kaiser Leo III. die Ikonen und ver-          die Bilderfrage zur der Zeit eine wichtige
anlasste ihre Vernichtung in den Kirchen            Frage gewesen ist.
und Klöstern. Dieses Verbot wurde durch             Soweit zur Bilderfrage in der Vergangen-
das Konzil des Jahres 754 bestätigt. Der            heit. Dieser kleine geschichtliche Über-
Bilderstreit wurde lange Zeit erbittert ge-         blick zeigt, dass von einer grundsätzlichen
führt. Nachdem das Konzil von Nicaea im             Ablehnung der Bilder im Christentum kei-
Jahr 787 die Bilderverehrung erlaubt hatte,         ne Rede sein kann. In der Gegenwart der
begann unter Leo V. (813-820) ein neuer             evangelisch-lutherischen Kirche ist diese
Bildersturm, der unter Kaiser Theophilus            Frage nicht mehr von Relevanz, auch wenn
(829-843) zu seinem Höhepunkt kam. Erst             das Bilderverbot auch heute noch derge-
dessen Witwe Theodora beendete den Bil-             stalt bei Intellektuellen nachwirkt, dass sie
dersturm im Jahr 843. Danach breitete sich          nur dem Wort die Fähigkeit zur Abstrakti-
in der Ostkirche die Ikonenmalerei aus.             on, zum Denken zuschreiben. Dem ist je-
Mit dem Sonntag der Orthodoxie, der 844             doch mit Dieter Prokop (ders., Art. Film, sozi-
zum ersten Mal gefeiert wurde, wurde das            ologisch, in: RGG4, Bd. 3, Sp. 122) entgegenzu-
Bild in eine enge Beziehung zur Inkarnati-          halten, dass „Bilder intelligente Produktio-
onslehre gesetzt: Wer Bilder von Christus           nen und Zuspitzungen von Gedanken“
ablehne – so hieß es –, der leugne auch die         (ebd.) sind. „Wer ‚sich ein Bild macht‘,
erlösende Menschwerdung des Gottessoh-              entwickelt auch seinen Verstand.“ (ebd.).
nes.                                                Dem entspricht, dass in der evangelisch-
Damit ist die Geschichte des Bilderstreits          lutherischen Kirche Filme nicht kontrovers
jedoch keineswegs beendet. In der Zeit der          diskutiert werden. Ganz im Gegenteil:
Reformation wurde er wieder erbittert ge-           Filme haben ihren festen Ort in der kirchli-
führt. Hatte Luther zunächst gegen Bilder           chen Bildung. So gibt es die Jury Evange-
opponiert, um der Auffassung entgegenzu-            lischer Filmarbeit.
treten, dass ihre Stiftung ein verdienstvol-        Werfen wir einen kleinen und keineswegs
les Werk sei, distanzierte er sich später von       umfassenden Blick in die Geschichte des
den Bilderstürmern – Karlstadt in Witten-           Films und seiner Beziehung zur Religion:
berg und den Wiedertäufern in Münster –             In der Geschichte des Films wurden von
und würdigte die Bilder als Möglichkeit,            Anfang an religiöse Inhalte dargestellt. Die
das des Lesens unkundige Volk zu lehren.            ersten Bibelfilme datieren in das Jahr 1897
Damit griff er auf die alte Auffassung zu-          und waren gefilmte oder nachgestellte Pas-
rück, Bilder in der Kirche seien als „biblia        sionsspiele. Im Tonfilm der 40er und 50er
pauporum“ – als „Bibel der Armen“, die              Jahre wurde Bibelfilme und Heiligenfilme
nicht lesen konnten – katechetisch nütz-            gedreht. In den 70er Jahren gab es die Gat-
lich. Auch Bilder standen für Luther somit          tung des religiösen Monumentalfilms im
im Dienst der Verkündigung.                         Fernsehen, z.B. den Film ‚Jesus von Naza-
Durch seine Anweisungen zur Bebilderung             reth‘ aus dem Jahr 1976. Im Kino wurden
der Bibel legte Luther zudem die Grundla-           Pop-Versionen religiöser Themen gezeigt,
ge für eine eigenständige Ikonographie.             Filme wie ‚Jesus Christ Superstar‘ aus dem
Dem entspricht, dass Luther das Bilderver-          Jahr 1972. In den 90er Jahren stellte sich
bot nicht in seine Zusammenstellung der             die Situation anders dar. Da gab es neben
Zehn Gebote aufgenommen hat. Zwingli                klassischen Bibelfilmen wie der TV-Serie
und Calvin lehnten dagegen Bilder völlig            ‚Die Bibel‘ aus den Jahren 1993ff. religiö-
ab, sodass Kirchen calvinistischer Prägung          se Filme für ein breites Publikum – um nur
bis heute ohne figürlichen Schmuck aus-             ein bekanntes Beispiel zu nennen: den
kommen und kein Kruzifix, sondern ledig-            Film ‚Dead Man Walking‘ aus dem Jahr
lich ein leeres Kreuz haben. In der zweiten         1995. In dieser Zeit gab es auch viele reli-
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giöse Bilder und Themen im populären                 zulehnen – diese Ablehnung dann jedoch
Genrekino. Soweit mein kleiner geschicht-            auch theologisch fundiert in die Diskussion
licher Überblick.                                    einzubringen.
Jetzt werfe ich einen kurzen Blick auf das           Um dies anhand eines Films exemplarisch
Segment des religiösen Kinos. Dort begeg-            zu illustrieren, den ich bisher noch nicht
nen in erster Linie historisierende Bibel-           genannt habe: des Films ‚Das Leben des
und Heiligenfilme. Aber es gibt auch indi-           Brian‘ aus dem Jahr 1979. In diesem Film
rekte Zugänge: In Geschichten, die meis-             antwortete der Leprakranke auf die Frage,
tens in der Gegenwart spielen, werden bib-           wer ihn geheilt hat:
lische Figuren und Themen reflektiert, oft
Transfigurationen des Jesus-Gestalt. In              „Jesus war’s Sir. Ich komm da meines
vielen populären Kinofilmen geht es um               Weges gehüpft, grüble über dies und das,
Erlöserfiguren mit mehr oder weniger                 ja und auf einmal kommt er angesaust und
deutlichen Bezügen zur Person Jesu. Die              heilt mich. Eben noch ein Leprakranker
Regisseure thematisieren in ihren Filmen             mit einem Gewerbe, im nächsten Moment
theologische Fragen der Gegenwart wie                war ich arbeitslos. Er hat mich nicht mal
Gotteskrise, Sinnsuche, Schuld, Erlösung,            gefragt, ob er das darf. Er sagte nur: ‚Du
Tod/Sterben/Jenseits, ethische Orientie-             bist geheilt, Kumpel‘. Verdammter Wohl-
rung etc. – oft in realistischen Filmen, in          täter.“
denen es um Konflikte geht.
Film ist Kunst. Filmemacher haben die oft            Das Jesus-Bild, das hier gezeichnet wird,
zur Sprache gebrachte künstlerische Frei-            entspricht keineswegs dem Jesus-Bild, das
heit und das ist gut so, denn ohne diese             ich den Schriften des Neuen Testaments
Freiheit könnten sie ihre Kunst nicht aus-           entnehme. Denn dort drängt sich Jesus
üben. Das betone ich deshalb, weil die ein-          nicht ungefragt auf und heilt Kranke nicht
gangs genannte Ablehnung von Kino- und               gegen ihren Willen. Dies werde ich exemp-
anderen Filme seitens evangelikaler und              larisch anhand einer der bekanntesten Hei-
fundamentalistischer Christinnen und                 lungsgeschichten des Neuen Testaments
Christen auch mit der Ausübung eben die-             zeigen: der Heilung am Teich Betesda. Sie
ser künstlerischen Freiheit begründet wird.          steht im Johannesevangelium im fünften
Der eben genannte Film ‚Jesus Christ Su-             Kapitel. In der Lutherübersetzung hat sie
perstar‘ erfuhr eine derartige Kritik in ho-         folgenden Wortlaut:
hem Maße. Als ich ihn mir damals in ei-
nem Münchener Kino angesehen habe,                   Danach war ein Fest der Juden, und Jesus
wurde mir wie auch allen anderen Kinobe-             zog hinauf nach Jerusalem. Es ist aber in
sucherinnen und -besuchern von Demonst-              Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der
rantinnen und Demonstranten ein Flugblatt            heißt auf Hebräisch Betesda. Dort sind fünf
in die Hand gedrückt, auf dem zu lesen               Hallen; in denen lagen viele Kranke, Blin-
war, dass Jesus Christus niemals ein Su-             de, Lahme, Ausgezehrte.
perstar sei und dieser Film somit abzuleh-           Es war aber dort ein Mensch, der war seit
nen sei. Ich habe mir dieses Flugblatt wäh-          achtunddreißig Jahren krank. Als Jesus ihn
rend der Werbung vor dem Film durchge-               liegen sah und vernahm, dass er schon so
lesen, was mein Interesse an diesem Film             lange krank war, spricht er zu ihm: Willst
allerdings nur verstärkt hat. Nicht, dass ich        du gesund werden? Der Kranke antwortete
jede seiner expliziten und vor allen impli-          ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der
ziten theologischen Aussagen für richtig             mich in den Teich bringt, wenn das Wasser
halte, aber eben damit bieten diese theolo-          sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so
gischen Aussagen den Anlass, sie zu disku-           steigt ein anderer vor mir hinein. Jesus
tieren. Und es ist gut, über theologische            spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett
Aussagen zu diskutieren, sie in Frage zu             und geh hin! Und sogleich wurde der
stellen und dabei gegebenenfalls auch ab-
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Mensch gesund und nahm sein Bett und                radezu rel. Funktion übernommen. Mythi-
ging hin.                                           sche Kreisläufe von Schuld, Opfer, Stell-
                      Johannes 5, 1-9               vertretung und Erlösung werden immer
                                                    neu vollzogen und miterlebt.“ (Inge Kirsner,
Wie hat Jesus den Kranken geheilt? Zu-              Art. Film und Religion. IV. Praktisch-theologisch,
nächst einmal dadurch, dass er diesen               in: RGG4, Bd. 3, Sp. 127). Die Möglichkeit,
ernstgenommen und nicht entmündigt hat,             dass das Kino zu einem Ort religiöser Er-
indem er ihn fragte: „Willst du gesund              fahrung werden kann, wurde von einem
werden?“ (Vers 6b). Die Entscheidung zur            jungen Leser der Neuen Züricher Zeitung
Heilung hat also der Kranke getroffen und           zur Sprache gebracht. Der schrieb vor eini-
nicht Jesus. Es war also gerade nicht so            gen Jahren an Jörg Herrmann, den Direktor
wie in dem eben zur Sprache gebrachten              der Evangelischen Akademie der Nordkir-
Zitat aus dem Film ‚Das Leben des Brian‘.           che in Hamburg: „Wer war dieser unbe-
Der johanneische Jesus handelt signifikant          kannte Sam Mendes, dass er es vermochte,
anders als der dieses Films. Er tut all das,        mich mit so starken religiösen Empfindun-
was die Menschen in den zurückliegenden             gen zu überwältigen? Ich fühlte mich er-
achtunddreißig Jahren offensichtlich nicht          leuchtet, als ich nach ‚American Beauty’
getan haben: Er nimmt ihn wahr, er spricht          den Kinosaal verließ. Ich stand später mit
ihn an, er fragt ihn, was er möchte, und er         meiner ‚American Beauty’-Erkenntnis üb-
heilt ihn. Es war also eine heilsame, eine          rigens ziemlich alleine da. Die kinobegeis-
heilende Begegnung von Jesus mit dem                terten Mitschüler waren überzeugt, nichts
Kranken. Dies bewusst in den Blick zu               weiter als eine ganz gut gelungene Satire
nehmen, über diese neutestamentliche                gesehen zu haben.“ Diese Zeilen stehen in
Aussage nicht gleichsam hinwegzulesen –             einem Leserbrief, der Jörg Herrmann als
dazu kann sich die Gegenüberstellung mit            Reaktion auf die Publikation einer religi-
der zitierten Aussage aus dem Film ‚Das             onshermeneutischen Interpretation des
Leben des Brian‘ als durchaus hilfreich             Films „American Beauty“ (USA 1999) von
erweisen.                                           Sam Mendes erreichte. Diese Leserzu-
Der Film ist aus der Kunst der Gegenwart            schrift reagierte auf einen Artikel in der
nicht wegzudenken. Es ist wohl nicht über-          NZZ: Jörg Herrmann, Ekstasen des Se-
trieben, ihn das das Medium des zwanzigs-           hens. Das Kino als Ort religiöser Erfah-
ten Jahrhunderts zu bezeichnen. Er spiegelt         rung, in: NZZ, 3.1.2004, S. 59.
die Gegenwart. Er interpretiert und kom-            Es geht also beim Thema Film und Religi-
mentiert die Welt. Das hat er mit der Theo-         on nicht nur um die Identifikation und
logie gemeinsam, denn die tut das auch,             Analyse religiöser Motive im Film, es geht
jedoch auf eine andere Art und Weise. Bei           auch darum, wahrzunehmen, dass der Film
allen Gemeinsamkeiten sind Kino und Kir-            selbst religiöse Funktionen übernehmen
che unterschiedliche Erzählgemeinschaf-             kann. Religiöse Kommunikation findet
ten. Und eben diese Differenz ermöglicht            nicht nur innerhalb von Kirchenmauern
es, dass sie einander bereichern und sich           und in religiösen Gemeinschaften statt. Sie
gegenseitig als autonome Partner*innen in           geschieht auch im Kino.
Dialog und Differenzerfahrung sehen und
stehen lassen können.
Meine kurze Einführung in das Thema                          Monatsspruch im Monat
Film und Religion wäre jedoch unvollstän-                          Mai 2020
dig, wenn ich nicht noch eine weitere Di-              Dient einander als gute Verwalter der
mension dieses Themas benennen würde:                 vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der
die Möglichkeit, dass das Kino selbst zu                    Gabe, die er empfangen hat!
einem Ort religiöser Erfahrung werden
kann. Der Film hat – um es mit den Wor-                                              1. Petrus 4, 10
ten von Inge Kirsner zu sagen – „eine ge-
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                                   Der Islam im Film
                              von Imam Dr. Ali-Özgür Özdil

Als sich im Januar 2020 Juden, Christen            Der Grund für diese Vorgehensweise ist
und Muslime inzwischen zum zehnten Mal             Rücksicht vor den religiösen Gefühlen von
im Christian Jensen Kolleg in „Zu Gast in          Muslimen.
Abrahams Zelt“ trafen, war das Thema der           Filme wie „Monsieur Ibrahim und die
Tagung: „Religionen im Film“.                      Blumen des Korans“ (mit Omar Sharif in
Der islamische Teil begann am Freitag,             der Hauptrolle) und „Die große Reise“
dem heiligen Tag der Muslime. Dabei                (beide aus dem Jahr 2004) sind französi-
wurden Szenen aus amerikanischen, briti-           sche Produktionen, in denen es um Reise-
schen, französischen und deutschen Film-           geschichten geht. In „Monsieur Ibrahim
produktionen vorgestellt und miteinander           und die Blumen des Korans“ reist ein jüdi-
verglichen. Der Islam als Religion wird in         scher Junge mit Monsieur Ibrahim, den er
vielen Filmen thematisiert bzw. Aspekte,           für einen Araber hält, in dessen Heimat
die religiösen Charakter besitzen. Aller-          Istanbul und lernt durch diesen den Islam
dings gibt es kaum einen Film, der durch-          kennen. In „Die große Reise“ begleitet ein
gehend Religion thematisiert.                                   junger Mann unfreiwillig
Eine absolute Ausnahme bie-                                     seinen Vater auf dessen Fahrt
tet der Film „The Message“                                      mit dem Auto nach Mekka.
(Originaltitel: „Mohammad –                                     Die biographisch gedrehten
The Messenger of God“) von                                      Filme wie „Malcolm X“
Regisseur Moustapha Akkad.                                      (1993) mit Denzel Washing-
Dieser wurde 1976 in engli-                                     ton in der Hauptrolle oder
scher und arabischer Sprache                                    „Ali“ (2001) mit Will Smith
produziert. Inhaltlich handelt                                  in der Hauptrolle, die eben-
es sich um die Frühzeit des                                     falls auf der Tagung vorge-
Islam, genauer: um die Of-                                      stellt wurden, thematisieren
fenbarungszeit des Korans                                       das Leben von zwei schwar-
(609-632 n. Chr.) und somit                                     zen, amerikanisch-muslimi-
um einen historischen Film.                                     schen Persönlichkeiten. Vie-
Als Drehorte dienten Marokko und Libyen.           len TeilnehmerInnen der Tagung war z.B.
Das Besondere an dieser Produktion ist,            die Rolle des Islam im Leben des Boxers
dass im Film weder der Prophet noch seine          Muhammad Ali nicht bekannt, vor allem
Frauen oder seine engsten Gefährten ge-            dessen Begründung für seine Verweige-
zeigt werden. Wenn jemand mit dem Pro-             rung, in den Vietnam-Krieg zu ziehen,
pheten spricht, ertönt eine bestimmte Me-          weswegen ihm sein Weltmeistertitel und
lodie und der Sprechende blickt in die Ka-         die Boxlizenz entzogen wurden.
mera. Die Szenen, die die Anwesenheit des          Viele andere deutsche Filmproduktionen
Propheten darstellen sollen, zeigen somit          sowie auch amerikanische, britische oder
die Perspektive des Propheten. Die überlie-        französische Produktionen bieten hingegen
ferten Aussagen des Propheten werden von           sehr viele Klischees, indem sie diese vor
jenen gesprochen, die die Zeitzeugen des           allem in Komödien verpacken (siehe Filme
Propheten darstellen sollen, wie z.B. Ham-         wie „Four Lions“ [2011], „Monsieur Clau-
za, den Onkel des Propheten (gespielt von          de und seine Töchter“ [2014 (Teil 1), 2019
Anthony Quinn). Der Film kommt also                (Teil 2)] oder „Ein Lied in Gottes Ohr“
ohne das Bild und die Stimme des Prophe-           [2017]).
ten aus, sodass der Prophet Muhammad               Den Gästen der Tagung wurde im islami-
nicht abgebildet wird.                             schen Teil der Film „Willkommen in Al-
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manya“ (2011) gezeigt. Der Film ist eine           rien, die Personen oder Epochen aus der
deutsche Produktion aus dem Genre „Dra-            islamischen Geschichte thematisieren (Ya-
ma“ von der Regisseurin Yasemin Şamde-             mak Ahmet [2011], Diriliş Ertuğrul [2014]
reli. Der Film zeigt das Leben einer türki-        Yunus Emre [2015], Somuncu Baba
schen Familie, die bereits in der dritten          [2016] oder Payitaht [2017] usw.). „Diriliş
Generation in Deutschland lebt. Wenn man           Ertuğrul“, das die Endzeit des Seld-
den Film unter dem Aspekt religiöser In-           schukischen Reiches und die Entstehungs-
halte schaut, erkennt man vor allem in der         zeit des Osmanischen Reiches thematisiert,
Sprache der ersten Generation religiöses           sowie „Payitaht“, das das Ende des Osma-
Vokabular. Der Film thematisiert nicht             nischen Reiches thematisiert, gehören zu
ausschließlich Religion oder Islam. Wenn           den erfolgreichsten türkischen Serien, auch
aber islamische Inhalte vorkommen, dann            wenn religiöse Serien zahlenmäßig in der
völlig undramatisch und wie aus dem ech-           Masse der Produktionen mit Liebensdra-
ten Leben von Arbeitsmigranten.                    men untergehen.
Muslimische Produktionen hingegen, bei             Im deutschsprachigen Raum gibt es keine
denen wir von „religiösen Filmen“ spre-            nennenswerten Filme zum Islam, die als
chen könnten, seien es türkische, arabische        „religiöse Filme“ bezeichnet werden könn-
oder persische Filme und Serien, themati-          ten. Der Islam und Muslime werden in
sieren oft das Leben religiöser Persönlich-        Filmen eher am Rande, und wenn über-
keiten. Sowohl ältere als auch die neueren         haupt, sehr klischeehaft dargestellt.
Produktionen sind in der Regeln nicht in           Die TeilnehmerInnen der Tagung wurden
europäische Sprachen synchronisiert und            für „Religion(en) im Film“ sensibilisiert,
haben auch oft keine Untertitel, weswegen          auch wenn die angeschnittenen oder ge-
es nicht möglich war, diese oder Teile da-         zeigten Beispiele eher unter dem Aspekt
raus auf der Tagung zu zeigen.                     „Drama“, „Historienfilm“ oder „Komödie“
In der Türkei, in der weltweit, nach den           liefen.
USA, die meisten Serien gedreht werden,
gibt es in letzter Zeit eine Reihe von Se-

                                          * * *

                  Neues aus der Jüdischen Gemeinde Pinneberg
                                 von Oshra Beate Danker

Es ist wieder an der Zeit, zurückzuschauen         es das Jahr 3597 nach der Erschaffung der
auf das vergangene Vierteljahr, um für             Welt. Im Zuge verschiedener kriegerischer
unsere Schwestergemeinde einen kleinen             Auseinandersetzungen um die Herrschaft
Bericht zu schreiben.                              über und in Jerusalem war der dem einen
Mein letzter Bericht endete mit Simchat            einzigen Gott gewidmete Tempel ausge-
Tora .... und damit ist ja auch die Saison         raubt worden und Götzenkulte fanden da-
der vielen Feste, die direkt aufeinander           rin statt. Sogar Schweinefleisch soll dort
folgen, abgeschlossen und ein neuer Zyk-           geopfert worden sein. Die Makkabäer –
lus der Toralesung hat begonnen.                   über die Rolle der Makkabäerinnen wissen
Die erste Kerze für Chanukka, das achttä-          wir nichts – haben dann einen Aufstand
gige Lichterfest, wurde am Abend des 22.           unter der Leitung eines Judas ha-Makkabi
Dezember 2019, zum Beginn des 25. Tag              (der Hammer-Gleiche) genannten Führers
des jüdischen Monats Kislew gezündet.              veranstaltet und konnten den Tempel zu-
Chanukka erinnert uns an das Ölwunder              rückerobern. Nun gab es aber nur noch für
aus dem Jahr 164 vor der christlichen Zeit-        einen Tag Öl für die Menora, den sieben-
rechnung .... nach jüdischem Kalender war          armigen Tempelleuchter, der niemals erlö-
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schen sollte. Neues Öl für die Tempelnut-          vor mehr als 2000 Jahren im Zusammen-
zung vorzubereiten hat aber acht Tage ge-          hang mit dem Tempel in Jerusalem zu er-
dauert. Durch ein Wunder habe das wenige           innern.
Öl aber acht Tage gebrannt, bis das neue           Die Pinneberger Gemeinde hat Chanukka
Öl für die Menora fertiggestellt war. Daran        am Freitagabend, dem 27. Dezember, ge-
wird nun jedes Jahr erinnert, indem an ei-         meinsam gefeiert, mit dem Entzünden des
nem speziellen Kerzenleuchter, der Cha-            sechsten Lichtes. Und wie immer haben
nukkia, an jedem Abend des acht Tage               wir uns sehr gefreut, dass Pastor Hans-
währenden Festes die Kerzen oder Öl-               Christoph Goßmann das Fest der Hoffnung
leuchten mit einer speziellen                                  mit uns gefeiert hat!
Anzünderkerze, Dienerkerze                                     Zum 27. Januar hat Dr. Sabine
oder Schamasch genannt, nach                                   Bielfeldt vom Vorstand der
einer bestimmten Ordnung                                       Pinneberger Gemeinde anläss-
entzündet werden. Es gibt be-                                  lich des 75. Jahrestages der
stimmte Spiele und Lieder                                      Befreiung des Konzentrations-
und, wie könnte es anders sein,                                lagers Auschwitz durch die
auch spezielles Essen ... vor-                                 Rote Armee einen Vortrag
zugsweise Ölgebackenes. Suf-                                   gehalten zum Thema „Ent-
ganiyot sind die israelische                                   wicklung des Jüdischen Le-
Version von Krapfen oder                                       bens in Deutschland nach
auch Berlinern, Latkes sind                                    1945“ mit anschließender Dis-
Kartoffelpuffern ähnlich.                                      kussion, in Kooperation mit
In Hamburg hat am 22. Dezember 2019                der Jerusalem-Akademie. Die Veranstal-
eine Veranstaltung vor der Ruine des alten         tung war gut besucht und sehr spannend
Tempels in der Poolstraße, ganz in der             und erkenntnisreich. Wir freuen uns sehr
Nähe der Laeiszhalle, stattgefunden, um            auf weitere Kooperationen!
darauf hinzuweisen, dass hier ein Bauwerk          Ich bin schon am Ende meines kleinen
von großer kultur- und religionsgeschicht-         Berichtes angekommen, das nächste Fest
licher Bedeutung verrottet und dringend            wird TuBiShwat sein, das Neujahr der
gerettet werden muss ... nämlich der erste         Bäume ... ein Bericht folgt in der nächsten
Tempel des Reformjudentums, erbaut                 Ausgabe.
1844. Wie ich finde, ein schöner Anlass,
um dort mit dem Entzünden der ersten
Chanukkakerze und dem Sprechen des da-                              * * *
zugehörigen Segens an das große Wunder

                                 Neues von der Musik
                                   von Germaine Paetau

Unsere kleine Gemeinde schafft immer               lass des zehnjährigen Bestehens der Jerusa-
wieder sehr Erstaunliches: So war es mög-          lem-Akademie. Es handelte sich dabei um
lich, dass an jedem, wirklich an jedem             eine musikalische Lesung aus Herrn Ko-
Vorabend eines Adventssonntages ein                sels gleichnamigem Roman einschließlich
Konzert in unserer Kirche aufgeführt wur-          der Uraufführung der zugehörigen Kompo-
de.                                                sition. Die Veranstaltung fand statt in Ko-
Den Reigen führte die äußerst beachtens-           operation mit der Gesellschaft für Christ-
werte Inszenierung Mathias Christian               lich-Jüdische Zusammenarbeit in Ham-
Kosels „Das Lied der Amsel“ an, aus An-            burg.
15

Die Ausführenden wa-                                                    die meisten der jü-
ren Emanuel Mesh-                                                       disch-deutschen Bezie-
winski an der Violine,                                                  hungen jener Zeit.
Samantha Hoefer und                                                     Ganz besonders aber
Michael Lott, die vor-                                                  wird diese Erzählung
lasen, der Chor „Voca-                                                  durch die Rahmen-
lion“, M.C. Kosel, der                                                  handlung, in der Peter-
Klavier spielte und die                                                 Paul Langmaack …..
Leitung innehatte, und                                                  Doch halt! Sie sollten
die Jungen Streicher                                                    diesen Roman selbst
Hamburg,       angeleitet                                               lesen, denn er berichtet
und dirigiert von Bar-                                                  nicht nur eine wirklich
bara Kuhnlein. Die be-                                                  interessante Geschich-
gleitende Dramaturgie wurde durch Dr.               te, sondern der Text bietet auch durch die
Sonja Valentin ausgeführt.                          gewählte Tagebuchform einen besonderen
Diese Aufführung gelang atemberaubend:              sprachlichen Genuss, den man sich nicht
Die Jungen Streicher Hamburg mit ihrem              entgehen lassen sollte.
so satten, vollen Klang führten zu Beginn           Sie können sich vorstellen, dass diese be-
den Khosidl, eine Art Klezmer-Tanz, vor,            wegende Aufführung, die um 19.00 be-
in der Bearbeitung von M.C. Kosel, und              gann, sich bis in den späten Abend hinein
zum Abschluss gemeinsam mit Emanuel                 fortsetzte durch viele intensive Gespräche
Meshwinski das Herz anrührend „Das Lied             zwischen Darstellern und Publikum nach
Der Amsel“, eine Uraufführung ebenfalls             dem Ende der Vorstellung.
von M.C. Kosel komponiert. Dieser am
Klavier und der Violonist intonierten zu-           „Vocal total meets rhythm & voice con-
sammen „Vidui“ von Ernest Bloch, ein                nection – gemeinsames Weihnachtskonzert
Reuegebet aus der Chassidischen Suite               am 7. Dezember um 19.00 Uhr in der Jeru-
„Baal Shem“. Vocalion sang verschiedene
Sätze, so „Mit Lieb bin Ich Umfangen“
von Johann Steuerlein, „Das Licht Der
Welt“ von M.C. Kosel, „Öwer De Stillen
Straten“ von Ernst Licht nach einem Ge-
dicht von Theodor Storm und „Dos Kelbl“
(Donaj, Donaj, Donaj, Doj“), ein Jiddi-
sches Traditional. Und Herr Kosel imitierte
nicht nur den Klavierunterricht der Prota-
gonistin eindrücklich, sondern er brachte           salem-Kirche“, so lautete die entsprechen-
auch fetzige amerikanische Musik aus der            de Ankündigung in unserem Gemeinde-
Tanzstunde zu Gehör, z.B. einen Black               brief. Was sich dahinter verbarg, war ein
Bottom. Ebenso faszinierend wirkten die             reichhaltiges Potpourri aus besinnlichen
beiden Vorleser*innen, Frau Hoefer und              und heiteren Weihnachtsliedern zahlreicher
Herr Lott, die dem Publikum mit lebendi-            Länder wie z.B. „Gaudete“ (nach einem
ger Sprache und eindrücklicher Gestik und           Satz aus dem 15. Jhdt.), „Entre le boeuf et
Mimik alle Situationen nahebrachten.                l‘âne gris“, „Oh komm, du Morgenstern“,
Der zugrunde liegende Roman schildert die           oder ein Mitsinglied für das Publikum
zunächst zaghafte Liebe eines jungen                „What a penny in the old man‘s hat“. Vo-
Mädchens zu einem jüdischen Jungen, der             cal total trug zwölf solcher Lieder vor,
hinreißend Geige spielt, zur Zeit der natio-        viele von ihnen a cappella, einige mit Or-
nalsozialistischen Herrschaft in Deutsch-           gel- oder Flötenbegleitung. Dann füllte
land. Man ahnt, dass diese junge Liebe              sich der Altarraum durch den zweiten Chor
ebenso kein gutes Ende nehmen wird wie
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