Hamburgs Weg in die Zukunft: bezahlbarer Wohnraum, grünes Umfeld

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Hamburgs Weg in die Zukunft: bezahlbarer Wohnraum, grünes Umfeld
Zeitschrift des Mietervereins zu Hamburg von 1890 r. V. · Landesverband im Deutschen Mieterbund · C 11622 F   Ausgabe 2/2021

Hamburgs Weg
in die Zukunft:
bezahlbarer Wohnraum,
    Balsam
grünes Umfeld, für
emissionsarme
    die Seele
Mobilität
    Haustiere werden
    immer beliebter

Stadtteil-Rundgang: Jenfeld
Mobilität: Fußgänger fordern mehr Platz
Lehrstück für Spekulation: Holsten-Areal in Altona
Hamburgs Weg in die Zukunft: bezahlbarer Wohnraum, grünes Umfeld
Hamburgs Weg in die Zukunft: bezahlbarer Wohnraum, grünes Umfeld
Inhalt

                                                                                                     Mieterverein aktuell
                                                                                               3         Editorial
                                                                                               4         Mitarbeiter stellen sich vor:

Editorial                                                                                                unser Reinigungsteam; Leserbrief
                                                                                               5         hamburger bauhefte (6): Elbinsel
                                                                                                         Kaltehofe; Wussten Sie ...
Liebe Mitglieder,
liebe Leserinnen
                                                                                                     Leben in Hamburg
und Leser,                                                                                     6         Titelstory: Hamburgs Weg in die
                                                                                                         Zukunft: bezahlbarer Wohnraum und
  bei der alles überlagernden Coro-             Die Untersuchung zeigt aber auch,                        mehr Grünflächen
na-Pandemie scheint es endlich Licht        dass die Neuvertragsmieten nach wie                9         Interview zum Titelthema mit
am Ende des Tunnels zu geben. Schön         vor um mehr als 50 Prozent über der                          Dr. Jörg Schilling, Kunsthistoriker
wäre es, wenn dies auch für den Woh-        Durchschnittsmiete des Hamburger Mie-              10        „Stadtteil-Rundgang“ (17): Jenfeld
nungsmarkt in Hamburg gelten könnte.        tenspiegels von 8,66 Euro liegen. Schon            12        Die Wandlung der „Fuhle“ in Barmbek
                                            dieses Faktum zeigt, dass die bisherigen           13        Serie: Aus Hamburgs Vergangenheit (5):
    Hilfreich war es immerhin, dass sich Regelungen zur Begrenzung der Mieten                            Gründung des Hamburger
der Hamburger Senat nicht dazu verlei- die beabsichtigte Wirkung mangels Sank-                           Tierschutzvereins
ten ließ, „juristisches                                         tionen nicht erzielen.         14        Veddel im Umbruch
Neuland“ zu betreten Leichter Mietenrückgang Auch die Auswertung                               15        Nach den Radlern machen
und den Berliner Mie-                  durch die                der Online-Checks                        die Fußgänger mobil
tendeckel auch für die          Corona-Pandemie                 des Mietervereins
                                                                                                     Mietrecht
Hansestadt zu erlassen.                                         zu Hamburg belegen
Spätestens seitdem das Berliner Mieten- das. In 90 Prozent der untersuchten Fälle              16   Hamburger Urteile
deckel-Gesetz vom Bundesverfassungs- war der Verdacht eines Verstoßes gegen                    19   Beitrittserklärung
gericht für nichtig erklärt wurde, hat sich die Mietpreisbremse anzunehmen. Es                 21   Wie würden Sie entscheiden:
die Zurückhaltung des Mietervereins ist eine Illusion zu glauben, dass ohne                         Kleinreparaturen
zu Hamburg in dieser Frage als richtig eine längst überfällige stärkere Regu-                  22 	BGH-Urteile, Folge 72
erwiesen. Hamburger Mieterhaushalte lierung des Mietpreisrechts durch den
müssen sich deshalb auch keine Sorgen Bund der Anstieg der Mieten gestoppt
                                                                                                     Politik & Wohnen
machen, wie sie die einbehaltenen Mie- werden kann.                                            24        Housing Action Day;
ten nachzahlen oder ob der am Ende                                                                       Ini Kleiner Schäferkamp
dieses Jahres erscheinende qualifizierte        Für den Hamburger Wohnungsmarkt                25        Lehrstück für Spekulation:
Mietenspiegel von allen beteiligten Inte- gibt es deshalb keinen Grund für Entwar-                       Holsten-Areal in Altona
ressenvertretern mitgetragen wird.          nung. Sobald die Pandemie überwunden               26        Neuregelung der Grundsteuer
                                            ist, wird der starke Bevölkerungszuzug             27        Serie „Behördliche Dienststellen“ (4):
    Leider sorgt die Entwicklung auf dem erneut einsetzen und der Wohnungs-                              Datenschutz und Videoüberwachung
Wohnungsmarkt in Hamburg nicht für markt noch enger. Der Senat sollte sich
das ersehnte Licht am Ende des Tun- insbesondere von den laut artikulierten
                                                                                                     Vermischtes
nels. Daran ändert auch die alljährliche Stimmen der mit Wohnraum meist gut                    28        Porträt: Anna Joss,
Untersuchung des Gymnasiums Ohmoor versorgten Umweltschützer davon nicht                                 Chefin des Denkmalschutzamts
nichts, die Neuver-                                             abhalten lassen, am            29        Buchtipp: Blühendes Hamburg;
tragsmieten von aktu-                                           Wohnungsneubau                           Kündigungskalender; Checkliste:
ell 13,40 Euro ermit-
                                     Bund muss                  festzuhalten. Nach-                      Wohnungsbesichtigung; Zahl
telt hat. Es steht außer
                                   Mietenanstieg                justiert werden muss           30        Buchtipp: Reformwohnungsbau
Frage, dass der geringe
                                        stoppen                 allerdings bei dem                       der 1920er-Jahre; Bilderrätsel
Rückgang der Neuvertragsmieten um Anteil der geförderten Wohnungen.                            31        Miete-Witz; Rätsel; Impressum
0,05 Euro gegenüber dem Vorjahr auch Hamburg als Stadtstaat benötigt bei dem
mit der hohen Zahl der neu gebauten knappen Bauland für breite Bevölke-
Wohnungen korrespondiert. Die vorü- rungsschichten vor allem bezahlbaren
bergehende Atempause für Hamburgs Wohnraum und nicht teure Eigentums-
Mieterinnen und Mieter dürfte aber vor wohnungen, die für die meisten Mieterin-
allem auf die Corona-Pandemie und nen und Mieter unerschwinglich bleiben.
das schwindende Zahlungsvermögen
                                                                                                             Titelbild
der Wohnungsinteressenten zurück- Ihr Siegmund Chychla                                     Hamburgs Weg in die Zukunft:
zuführen sein.                              Vorsitzender MIETERVEREIN ZU HAMBURG                   bezahlbarer Wohnraum,
                                                                                                          grünes Umfeld,
                                                                                                emissionsarme Mobilität
                                                                                         Foto: IStock, Montage: Scheerer

                                                                                                                           MieterJournal 2/2021 · 3
Hamburgs Weg in die Zukunft: bezahlbarer Wohnraum, grünes Umfeld
Mieterverein aktuell

    Leserbrief
     Richtigstellung

     Sehr geehrtes MieterJournal-Team,

     leider haben sich in den ansonsten sehr netten und

                                                                                                                                                                                  Foto: stahlpress
     engagierten Bericht in Ihrer März-Ausgabe 2021
     „Tee, Treppen und Touristen“ über unseren Spa-
     ziergang durch Blankenese zwei gravierende Miss-
     verständnisse eingeschlichen, auf die ich immer
     wieder angesprochen werde. Ich bitte deshalb um
     Richtigstellung Ihrer Angaben über die Fährverbin-
     dung auf die andere Elbseite und darüber, dass ich
     nicht in der Hans-Lange-Straße aufgewachsen bin.

     Herzliche Grüße                                                                      In der Zentrale und den
                                                                                                                  elf Außenstellen des Mi
                                                                                             zu Hamburg arbeiten run                       etervereins
                                                                                                                      d 70 Kolleginnen und Ko
     Monika Lühmann                                                                            Im MieterJournal erzäh                           llegen.
                                                                                                                       len sie von sich und ihr
                                                                                                                                               em Job.
     Antwort des Mietervereins:                                         (vs) Sie sorgen dafür, das
                                                                                                    s in den Büro-, Tagungs-
                                                                        blitzt und blinkt – die fest                            und Sanitärräumen des Mie
                                                                                                      angestellten Reinigungskrä                               tervereins alles
     Sehr geehrte Frau Lühmann,                                         und Barbara Potrykus (Fo                                      fte Kasia Suchacka, Chr
                                                                                                     to von links). Alle drei stam                               istina Lebuda
                                                                        münde), Gizycko (Lötzen                                       men aus Polen – Swi
                                                                                                                                                        ´ noujsci  ´ e (Swine-
                                                                                                    ) und Sopot (Zoppot) – und
     ich danke Ihnen für Ihre Bereitschaft, mit Ihren                  Jahren in Deutschland. Kas                                    leben seit 17, 45 bezieh
                                                                                                     ia Suchacka ist seit drei Jahr                             ung  sweise 30
     einmaligen Orts- und Geschichtskenntnissen                        fest angestellt, ihre beide                                  en bei Hamburgs größtem
                                                                                                     Kolleginnen sogar schon                                      Mieterverein
     den Lesern und Leserinnen des MieterJournals                      Wenn in der Zentrale Bei                                   seit mehr als einem Viertel
                                                                                                  m Strohhause 20 um 8.3                                         jahrhundert.
                                                                                                                               0  Uhr  die Türen für den Publiku
     das schöne Blankenese näher zu bringen. Die                      geöffnet werden, dann
                                                                                                 sind die drei Damen woc                                            msverkehr
                                                                                                                               hentags bereits seit dre
     missverständlichen Angaben im Beitrag (Seiten                    in ihrem Einsatz, der um
                                                                                                   12 Uhr endet. An der Elb                               iein hal  b Stunden
                                                                                                                               metropole schätzt das stet
     10 und 11) sind durch redaktionelle Kürzungen                   Trio die „Toleranz und Kul
                                                                                                    tur der Menschen“, die                                   s gut gelaunte
                                                                                                                                „Ordnung“ und das Elb
     entstanden, wofür ich um Entschuldigung bitten                  Sandstrand. Der sei zwa
                                                                                                 r nicht ganz so schön wie                                 ufer mit seinem
                                                                     sei Hamburgs schönster                                     in den polnischen Ostseestäd
     muss. Ich erlaube mir, Sie wie folgt zu zitieren:                                            Stadtteil – Blankenese –                                          ten, dafür
                                                                    Als Hobbys nennen sie Stri                                 aber nicht zu toppen, sind
     „Die Fähre auf die andere Elbseite nach Cranz                                                  cken (Christina Lebuda),                                  sie  sich einig.
                                                                    Suchacka) und Schwim                                        mit dem VW Beetle herum
     oder Finkenwerder gibt es natürlich immer noch.                                            men (Barbara Potrykus)                                        kurven (Kasia
                                                                    Leidenschaft für Kriminal                               . Die drei Kolleginnen teil
     Eingestellt wurde die von uns Elbanrainern heiß                                             literatur von Agatha Chr                                en nicht nur ihre
                                                                    diesen Fragebogen auch                                   istie bis zum Schwedenk
     erkämpfte Privat-Linie der Flensburger Reederei                                             unbedingt gemeinsam aus                                 rim i – sie wollten
     FRS, die drei Jahre versucht hat, eine Verbin-                                                                              füllen!
                                                                   Was lieben Sie an Ihrem
     dung von Blankenese zu den Landungsbrücken                                                        Job beim Mieterverein?
                                                                    Uns gefällt vor allem die
     zu etablieren. Leider umsonst. Sie wurde aus                                               familiäre Atmosphäre, die
                                                                                                                          bei unserem Arbeitgebe
     Kostengründen nach drei Jahren eingestellt.“                  Wie sieht Ihre ideale Frü                                                    r herrscht!
                                                                                                      hstückspause aus?
     Und weiter: „Ich bin nicht in Blankenese auf-                 Die verbringen wir gerne
                                                                                                in netter Gesellschaft, am
                                                                                                                              liebsten mit unseren Kol
     gewachsen, sondern meine Kinder haben ihre                    In Ihren Kühlschränken                                                             leginnen.
                                                                                                     findet sich immer …
     Kindheit in der Hans-Lange Straße verbracht.“                 Kokosmilch, Joghurt, Käs
                                                                                           e.
                                                                  Welcher Ort gefällt Ihn
      Mit freundlichen Grüßen                                                                      en am meisten?
                                                                  In Hamburg die Landun
                                                                                             gsbrücken und der Stadtte
                                                                                                                            il Blankenese.
      Siegmund Chychla, Vorsitzender                              Was lässt Ihre Herzen hö
                                                                                                     her schlagen?
                                                                  Schnelles Auto- und Mo
                                                                                        torradfahren, schöne Gär
      Haben Sie Fragen oder möchten Sie Anregungen                                                               ten und die           gute Luft in Hamburg.
      oder Kritik äußern? Dann schreiben Sie uns!                 Was ist das Wichtigste
                                                                                                  für Sie?
      Per E-Mail an info@mieterverein-hamburg.de,                Familie, Gesundheit und
                                                                                         Seelenfrieden.
      Betreff: Leserbrief, per Post an
      Mieterverein zu Hamburg,
      Beim Strohhause 20, 20097 Hamburg.

                                                               Sprechstunde des Vorstands
                                                               Wann? Die Sprechstunde                                        Wo?        eim Strohhause 20,
                                                                                                                                        B
                                                                       findet an jedem ersten                                           5. Stock, 20097 Hamburg
                                                                       Montag im Monat statt.                                           Aus organisatorischen Gründen
      Foto: Scheerer

                                                                                                                              Wie?
                                                                       Nächste Termine:                                                  wird um vorherige Anmeldung
                                                                       5. Juli, 2. August, 6. September                                  gebeten: Tel. (040) 8 79 79-132

                       Marielle Eifler und Siegmund Chychla,
                       Vorsitzende des Mietervereins

4 ·  MieterJournal 2/2021
Hamburgs Weg in die Zukunft: bezahlbarer Wohnraum, grünes Umfeld
Mieterverein aktuell

    Meldungen                                                                                        Wussten Sie ...

    MIETERHAUSHALTE MIT                         zu fünfzehn Wohnungen davon ausge-                   … dass die Krameramtsstuben
    TRANSFERLEISTUNGSBEZUG                      nommen sein sollen. Kommunen, die                    die ältesten noch erhaltenen
    SPAREN 115.000 EURO                         bezahlbaren Wohnraum schaffen oder                   Wohnbauten der Hamburger
                                                erhalten wollen, sollen zukünftig bei                Alt- und Neustadt sind?
    (chy) Auch im Jahr 2020 hat der Mie-        der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht
    terverein zu Hamburg dafür gesorgt,         mehr den zum Teil spekulativ hohen                   (rs) Am Fuß des Michels liegt
    dass Hamburger Mieterhaushalte, die         Kaufpreis, sondern allenfalls den Ver-               der Krayenkamp. 1675 beschloss das
    Transferleistungen beziehen, unberech-      kehrswert zahlen müssen. Durch den                   Krameramt, dort für notleidende Amts-
    tigte Vermieterforderungen abwehren         sogenannten sektoralen Bebauungs-                    schwestern und -witwen Unterkünfte zu
    konnten und dadurch der Stadt rund          plan soll es den Kommunen schließ-                   bauen. Das Krameramt war der seit etwa
    115.000 Euro eingespart haben. Im           lich ermöglicht werden, den Anteil an                1375 existierende Zusammenschluss von
    Durchschnitt konnten die 1.053 betrof-      geförderten Wohnungen verbindlich                    Kleinhändlern, die feste Stände oder Läden
    fenen Mieterinnen und Mieter 110 Euro       festzulegen. Auch wenn vieles von den                besaßen. Die Berufsorganisation der Kra-
    pro Fall einbehalten.                       ursprünglich eingebrachten Gesetzes­                 mer oder auch Krämer war recht wohlha-
                                                änderungen auf der Strecke geblieben                 bend. Gehandelt wurde mit Gewürzen,
    Die durch den Mieterverein zu Hamburg       ist, sollte der Hamburger Senat nicht                Seidenstoffen und Eisenwaren. Starb der
    2003 angestoßene Kooperation mit der        zögern, im Verordnungswege die neuen                 Ehemann, mussten die Witwen den Laden
    Behörde für Arbeit, Soziales, Familie       städtebaulichen Instrumente auf den                  verkaufen oder verlassen, weil Frauen nach
    und Integration (BASFI) ermöglicht den      Weg zu bringen.                                      dem damaligen Recht nicht geschäftsfähig
    Beziehern von Transferleistungen, neben                                                          waren. Um sie vor Armut zu bewahren,
    der juristischen auch die tatsächliche      MIETERVEREIN ZU HAMBURG WEITER                       sollten Wohnungen für zehn Witwen

                                                                                                                                                    Foto: Wikipedia
    Hilfe des Vereins in Mietangelegenhei-      AUF WACHSTUMSKURS                                    entstehen. Die Dachgeschosse wurden
    ten in Anspruch zu nehmen.                                                                       zusätzlich ausgebaut, sodass dort je zwei
                                                (chy) Die Sorgen um die eigene Wohnung               Frauen einziehen konnten. Die Witwen
    BAULANDMOBILISIERUNGSGESETZ                 und der sich daraus ergebende Bera-                  lebten mietfrei und erhielten eine kleine
    VERABSCHIEDET                               tungsbedarf der Mieterinnen und Mieter               Rente. 1866 löste sich das Krameramt
                                                in Hamburg hält weiter ungebrochen an.               auf, die Wohnungen wurden auf die
    (chy) Kurz vor dem Ende der Wahl-           Dies spiegelt sich auch darin wider, dass            Allgemeine Armenanstalt über-
    periode haben sich die Koalitionäre         trotz der durch die Corona-Pandemie                  tragen und bis 1969 genutzt. Von
    aus CDU/CSU und SPD in Berlin doch          erschwerten Inanspruchnahme der Hilfe-               1971 bis 1974 wurde die Anlage
    noch auf eine Reform des Baugesetz-         und Beratungsangebote des Vereins                    renoviert, eine Wohnung
    buchs geeinigt. Vorgesehen ist nun,         durch die Ratsuchenden die Zahl der im               blieb als Außenstelle
    dass Bundesländer mit angespannten          Mieterverein zu Hamburg organisierten                des Museums für
    Wohnungsmärkten und somit auch der          Mieterhaushalte im vergangenen Jahr                  Hamburgische
    Stadtstaat Hamburg die Umwandlung           um mehr als zwei Prozent gestiegen ist.              Geschichte mit
    in Wohnungseigentum bis auf einige          2020 ist der Verein damit auf fast 73.000            einer Bieder-

                                                                                                                                                           Foto: Pixabay
    Ausnahmen verbieten können. Es bleibt       Mitgliederhaushalte gewachsen, sodass                meier-Einrich-
    den Ländern überlassen, festzulegen,        in ihm mehr als 110.000 Mieterinnen und              tung (um 1850)
    ob Mietshäuser schon bei drei oder bis      Mieter organisiert waren.                            erhalten.

                        hamburger bauhefte (6):
                        Wasserkunst als historisches Erbe
                         (vs) 1893 entstand auf der Elbinsel Kaltehofe   schen – wie die gesamte Anlage – unter Denkmalschutz steht. Denn
                         das erste moderne Filtrationswerk der Han-      weil auch Hamburg mittlerweile seit Jahrzehnten zur Versorgung lieber
                          sestadt, das die Hamburger mit sauberem        Grundwasser schöpft, als die Elbe anzupumpen, wurde der Filtrations-
                          Trinkwasser versorgte. Der eingesetzte Sand    betrieb auf Kaltehofe 1990 eingestellt. Statt die 58 Hektar große Insel
                          lagerte mindestens 97                                                         zu bebauen, wurde 2011 der Betrieb
Prozent der Schadstoffe aus dem Elbwasser                                                               als Industriedenkmal aufgenommen.
ab – nach der Cholera-Epidemie im Jahr zuvor                                                            Die Wasserkunst sollte als historisches
ein überfälliger Schritt für die Metropole. In                                                          Erbe in Hamburg erhalten bleiben –
der Nachbarschaft stand bereits seit 1848 ein                                                           zumal das Versorgungsunternehmen
Wasserturm als Basis für ein Leitungsnetz,                                                              Hamburg Wasser im benachbarten
das Wasserträger wie das Hamburger Original                                                             Rothenburgsort residiert, wie auch der
Johann Wilhelm Bentz alias Hans Hummel                                                                  erhaltene, aber leider nicht begehbare
arbeitslos gemacht hatte. Während in 22 Becken                                                          64 Meter hohe Wasserturm von 1848.
das kostbare Nass gereinigt wurde, baute das
Hamburger Hygieneinstitut nach den Plänen des                                                           Eva Decker, Jörg Schilling:
Speicherstadt-Ingenieurs Franz Andreas Meyer                                                            Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe,
                                                                                                        hamburger bauheft 15, Schaff-Verlag,
nebenan eine Villa als Außenstelle, die inzwi-                                                          Hamburg, 44 Seiten, 9 Euro

                                                                                                                               MieterJournal 2/2021 · 5
Hamburgs Weg in die Zukunft: bezahlbarer Wohnraum, grünes Umfeld
Leben in Hamburg

    „Hamburger Maß“
    statt Hochhaus
     Hamburgs Weg in die Zukunft:
     bezahlbarer Wohnraum,
     grünes Umfeld,
     emissionsarme Mobilität

     Von Volker Stahl                                  all ihrer Urbanität, den vielen Angeboten              • Grün- und Erholungsräume ausbauen!
                                                       und den kurzen Wegen. Dies trifft auch auf          Gerade die Pandemie hat die Bedeutung
     Hamburg steht vor einem Transforma-               Hamburg zu. Die Pandemie-Krise zeigte nun           innerstädtischer Grünflächen verdeutlicht.
     tionsprozess. Binnen eines knappen                allerdings auch Probleme und Entwicklungen          Von der Vergrößerung von Parks, Grün-
     Jahrzehnts wird die Stadt – allerdings            auf, die schon vorher vorhanden waren, nun          und Erholungsräumen würden Spaziergän-
     mit etwas abgeschwächter Dynamik als              jedoch verschärft und verstärkt werden.“            ger, spielende Kinder, Sporttreibende und
     zuletzt – auf 1,9 Millionen Einwohner             Durch die Pandemie erodiere die aus der             Hunde­besitzer enorm profitieren. Grünanla-
     wachsen, zudem beschleunigt die Corona-           Zeit der Industrialisierung stammende, auf-         gen sollten aber nicht weiter mit ökologisch
     Pandemie Entwicklungsprozesse wie den             grund der Digitalisierung immer weniger             wertlosen Hecken und Büschen bepflanzt
     Umbau der City. Auch das Wohnen wird              notwendige Verbindung von Arbeitsplatz              werden, die keinen Nutzen für die Tierwelt
     sich verändern – wenn der Trend zum               und Ballungsraum rascher. Die Stadt müsse           und die Stadtbewohner haben. Zudem wür-
     Homeoffice von Dauer ist. Als erste In-           auf den Transformationsprozess reagieren            den zu begrünende Dächer und Balkone
     stitution hat die Hamburgische Architek-          und Lösungen anbieten, meinen die Verfasser         einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
     tenkammer auf die aktuelle Entwicklung            des Thesenpapiers.
     mit einem Thesenpapier reagiert. Doch                                                                     • Verkehr in die Stadt integrieren! In der
     genauso wichtig wie Innovationen ist das
                                                            Die wichtigsten Punkte                         Pandemie haben viele Menschen den ÖPNV
     weitere Vorantreiben des Wohnungsbaus.
                                                            des Positionspapiers:                          gemieden und sind wieder aufs Auto umge-
                                                          • Die Innenstadt neu denken! Die Krise           stiegen, was auch der mangelhaften Qualität
        In diesem Punkt sind sich wohl alle einig:     des Einzelhandels birgt besondere Chancen           des Fuß- und Fahrradwegenetzes geschuldet
     Die Corona-Pandemie wird nicht ohne Fol-          auf Veränderung. Ehemalige Ladenflächen             war. Deshalb empfiehlt die Architekten­
     gen für unser Zusammenleben, die Arbeit,          könnten für das Wohnen umgenutzt wer-               kammer die Einrichtung von Pop-up-Rad-
     das Wohnen und die Stadtentwicklung blei-         den, das Wohnen in der Innenstadt sollte            wegen, den konsequenten Ausbau des Fuß-
     ben. Erste Trends sind bereits sichtbar: Kleine   überhaupt forciert werden, auch die Ansie-          und Radwegenetzes, den Ausbau des ÖPNV
     Läden verschwinden zunehmend, der Bedarf          delung inhabergeführter Geschäfte statt gro-        mit verbesserter Anbindung ans Umland,
     an Büroräumen wird geringer, die eigene           ßer Ketten. Zudem sollten neue Konzepte             Express-Stadtbahnlinien entlang der Magis-
     Wohnung oder das Haus mit Garten gewin-           umgesetzt werden: Pop-up-Stores, gläserne           tralen und ein Tempolimit von 30 Stunden-
     nen zunehmend an Bedeutung und Attrak-            Manufakturen, digitale Produktion, inner-           kilometern in der City.
     tivität – als Ausweicharbeitsplatz (Home-         städtisches Handwerk sowie die offensive
     office) oder Erholungs- und Rückzugsort, in       Nutzung des Vorkaufsrechts beim Verkauf                • Wohnen vielfältiger machen! Der Pan-
     dem man es sich gemütlich macht, während          von Gewerbeimmobilien durch die Stadt, um           demie-bedingte Zwang zur Heimarbeit hat
     die Welt draußen verrückt spielt. Doch wie        Transformationsprozesse steuern zu können.          gezeigt, dass die Grundrisse vieler Wohnun-
     sollen Großstädte wie Hamburg auf den                                                                 gen nicht zeitgemäß und unpraktikabel sind.
     sich abzeichnenden Transformationsprozess           • Raum schaffen! Mehr Platz für Anwoh-            Arbeitsecken und Balkone fehlen, die Kin-
     reagieren, welche Entwicklungen sollten            ner und Passanten in engen Stadtquartieren         derzimmer sind zu klein. Es hat sich zudem
     gefördert werden?                                        durch breitere Fußwege zu Lasten             gezeigt, dass monofunktionale Wohnquartiere
                                                                     bisher Autos gewidmeten               wie reine Schlafstädte daran kranken, dass
         D i e Hambu rg i s che                                             Verkehrsflächen und            Einkaufsmöglichkeiten „um die Ecke“ ebenso
     Architektenkammer                                                           Parkräumen. Die           fehlen wie zur Erholung oder für Sport und
     hat die Pandemie-                                                            neu geschaffe-           Freizeit geeignete Orte. Zudem fehlt es oftmals
     bedingte                                                                      nen Flächen             an geeigneter Infrastruktur für die Arbeit von
     Schockstarre                                                                   würden zum             zu Hause. Deshalb empfiehlt die Architekten-
     üb er wun-                                                                       Flanieren,           kammer für die Zukunft den Bau flexibler
     den und sich                                                                   Spielen oder           Wohngebäude, in deren Erdgeschossen nicht
     mit einem                                                                         Nachb ar-           gewohnt wird, sondern sich Arbeitsräume
     Positionspa-                                                                     schaftstref-         und Werkstätten befinden. Die weiteren Vor-
     pier zu Wort                                                                      fen einla-          schläge lauten: abtrennbare Raumbereiche
     gemeldet: „Seit                                                                     den und           für das Arbeiten vorsehen, nutzungsneutrale,
     zwei Dekaden                                                                        eigneten          nicht zu kleine Räume planen, in Neubauten
     wachsen die                                                                         sich auch         für Belichtung und Belüftung von Wohnungen
     großen Städte                                                                        für die          immer zu mindestens zwei Seiten sorgen,
     kontinuierlich,                                                                   Außengas­           Dach-, Hof- und Vorgärten sowie Balkone
     weil immer weni-                                                            tronomie.                 planen, die Nutzungsmischungen in Wohn-
     ger Menschen                                                                                          quartieren vorantreiben.
     hinaus- und immer                                                               Verschiedene Ideen
                                                                                 für die Zukunft unserer
     mehr hineinziehen. Es war und                                        Stadt müssen miteinander ver-       Soweit das Ideen-Brainstorming der Archi-
     ist attraktiv, in der Stadt zu wohnen, mit                            zahnt und umgesetzt werden.     tektenkammer. Doch von noch größerer
                                                                                 Bildmontage: Scheerer

6 · MieterJournal 2/2021
Hamburgs Weg in die Zukunft: bezahlbarer Wohnraum, grünes Umfeld
Leben in Hamburg

Wichtigkeit ist aktuell nicht, wie gebaut       höchstens 1.600 Euro netto verfügt und               mit Geschosswohnungsbau, die bisher
wird, sondern dass überhaupt weiter gebaut      fast jeder zweite Bewohner der Stadt einen           städte­baulich unterentwickelt waren und
wird. Das passiert zwar, aber noch reicht das   Anspruch auf eine Sozialwohnung hat,                 nur eine ein- oder zweigeschossige Bebau-
Bemühen des Senats nicht, die Nachfrage an      ist das mehr als ein Horrorszenario. Laut            ung ausweisen. Also nicht etwas verbieten,
(bezahlbarem) Wohnraum zu decken. Ende          Mieter­verein fehlen in Hamburg derzeit              wie zum Beispiel Einfamilienhäuser, son-
2019 gab es 966.164 Wohnungen in Ham-           mindestens 30.000 bezahlbare Wohnungen,              dern den Geschosswohnungsbau erlauben.“
burg. Seit 2011 wurden 106.234 Wohnein-         vornehmlich für Obdachlose, anerkannte
heiten genehmigt.                               Asylbewerber, kinderreiche Familien mit
                                                                                                               BUND kritisiert
                                                schmalem Einkommen und Geringver-
                                                                                                             „Bauwut“ des Senats
  Nachfrage an bezahlbarem                      diener.                                                 Doch manchem wird zu viel gebaut. So
  Wohnraum ist nicht gedeckt                                                                         kritisierte die neue Landesvorsitzende des
   Doch das reicht immer noch nicht – auch
                                                        Ziel: intelligent und                        BUND in Hamburg, Christiane Blömeke, das
wenn immer mehr Familien ins Umland
                                                         nachhaltig bauen                            Wohnungsbauprogramm des Senats scharf:
abwandern, weil sie sich dort eine Woh-            Ziel muss es sein, dass in Hamburg intel-         „Natur- und Artenschutz dürfen nicht länger
nung leisten können, die ihren Ansprüchen       ligent ­und nachhaltig gebaut wird, ohne             der Bauwut untergeordnet werden.“ 10.000
genügt. Hamburgs Erster Bürgermeister           dass die Lebensqualität unter der Verdich-           neue Wohnungen im Jahr seien in einem
Peter Tschentscher hofft sogar, dass sich die   tung leidet. Ideen dazu gibt es viele. „Mit          Stadtstaat mit begrenzter Fläche „verant-
Lage auf dem hiesigen Wohnungsmarkt bald
aufgrund des Pandemie-bedingten Trends
zum Homeoffice entspannen wird, frei nach
dem Motto: Wer in seinem Eigenheim in
Kaltenkirchen arbeitet, nimmt Druck vom
Hamburger Wohnungsmarkt.

   Siegmund Chychla, Vorsitzender des
Mietervereins zu Hamburg, ist diesbezüg-
lich skeptisch: „Eine nachhaltige Entspan-
nung des Wohnungsmarkts bringt nicht das
mobile Arbeiten, sondern der Neubau von
bezahlbaren Wohnungen und die wirksame
Begrenzung der Bestandsmieten.“ Passiere
dies nicht, würden zahlreiche Durchschnitts-
verdiener aus Hamburg vertrieben, weil sie
                                                Hamburgs wohl bekanntestes Dachbegrünungsprojekt: grüner Bunker an der Feldstraße.
sich die Mieten nicht mehr leisten könnten –
vom Kauf einer Wohnung oder eines Hauses        Blick auf den Wohnungsbau ist unsere Linie           wortungslos“. Blömeke fordert deshalb einen
ganz zu schweigen. Am Ende dieser Entwick-      klar: Es geht vorrangig um die Nachver-              „Kurswechsel“ im Wohnungsbau.
lung würde eine Segregation der besonderen      dichtung im Innenstadtbereich und nicht
Art stehen, prognostiziert Chychla: „Dann       auf der grünen Wiese“, lautet die Marsch-               Chychla kontert: Es sei ein Schlag ins
würden sich nur noch Gutverdiener und           route des grünen Senators Anjes Tjarks:              Gesicht der Mieter, wenn der BUND das
Menschen, deren Unterkunftskosten vom           „Deswegen haben wir dafür gesorgt, dass              bundesweit hoch angesehene Wohnungs-
Jobcenter oder dem Grundsicherungsamt           Hamburg mit dem Sprung über die Elbe                 bauprogramm des Senates als „Bauwut“
übernommen werden, Hamburg leisten              auf den Grasbrook in der inneren Stadt               diskreditiere und den Neubau von dringend
können.“ Menschen in schlecht bezahlten         wächst und dabei sogar Flächen in einem              benötigten 10.000 Wohnungen im Jahr als
Jobs, „kleine“ Angestellte, der Postbote und    großen Umfang entsiegelt werden.“ Dieser             verantwortungslos bezeichne: „Der Fron-
die Krankenschwester, müssten „draußen“         Ansatz ist genauso begrüßenswert wie die             talangriff auf den Wohnungsneubau wird
bleiben.                                        von Oberbau­direktor Franz-Josef Höing               vor allem von all denjenigen befürwortet,
                                                vorangetriebene Blockrandbebauung der                die bereits auskömmlich mit Wohnraum,
     Neue Stadtmauer durch                      Magistralen – wie sie zum Beispiel aktuell           nicht selten in Baugemeinschaftsprojekten,
        zu hohe Mieten                          in Stellingen am Sportplatzring gegenüber            versorgt sind.“ Vielen dürften zudem die
   Schreitet diese Entwicklung voran, wür-      dem alten Stadion zu beobachten ist.                 Konsequenzen nicht klar sein, die mit einem
den hohe Mieten und exorbitant hohe Preise                                                           radikalen Zurückfahren des Wohnungsbaus
für Eigentumswohnungen und Häuser die              Die Neuentwicklung der Stadt sollte               verbunden wären, echauffiert sich der Chef
Funktion der Stadtmauer im Mittelalter          jedoch nicht nur entlang der Magistralen             des Mietervereins, denn Wohnraumver-
übernehmen. In Anbetracht der Tatsache,         erfolgen, sondern müsse breiter gesehen              knappung und die damit einhergehende
dass ein Drittel der Hamburger Haushalte        werden, meint Siegmund Chychla: „Dazu                Preisexplosion der Mieten und Boden-
über ein monatliches Einkommen von              gehört das neue Überplanen von Flächen               preise wären noch das kleinere Übel: „Viel

                                                                                                                                     MieterJournal 2/2021 · 7
Hamburgs Weg in die Zukunft: bezahlbarer Wohnraum, grünes Umfeld
Leben in Hamburg

     problematischer wären die sich daraus in        Klimawoche platze die Hutschnur, wie er          30 Kilowatt installiert, sondern zur Freude
     letzter Konsequenz ergebenden Eingriffe         kürzlich in einer TV-Diskussion sagte, wenn      der heimischen Vogel- und Insektenwelt
     in den Wohnungsmarkt wie Zuzugsbegren-          er durch die Stadt fahre und die geringe         auch ein Gründach angelegt.
     zungen, Wohnortzuweisungen und Wohn-            Anzahl Solaranlagen auf den Dächern sehe:
     raumzwangsbewirtschaftung.“ Man müsse           „In Baden-Württemberg sind die auf 80 Pro-
                                                                                                        Mehr Flexibilität beim Bauen
     kein Prophet sein, um zu sagen, dass eine       zent der Dächer.“ Schweikert tritt dafür ein,       Doch nicht nur auf ökologische, sondern
     ungelöste Frage der Wohnraumversorgung          dass nachhaltige Energie überall in der Stadt    auch auf soziale Entwicklungen sollte beim
     zur Spaltung und Radikalisierung der Zivil-     produziert wird – vor allem auf den Dächern:     Wohnungsbau mehr geachtet werden, meint
     gesellschaft führen werde.                      „Solarenergie ist so günstig, warum tun wir es   der Architekturkritiker Claas Gefroi: „Woh-
                                                     nicht?“ Trotzdem finden sich auf den wenigs-     nungen sind seit Jahrzehnten funktional
        Zwischen den Stühlen sitzt in Hamburg        ten Hamburger Dächern Solarkollektoren.          determiniert. Gerade während Corona, als
     die Oppositionspartei Die Linke, die einer-     Schweikert hat ein Projekt ins Leben gerufen,    viele Menschen im Lockdown zu Hause arbei-
                                                     das Energiegewinnung und Dachbegrünung           ten mussten, sind diese Defizite schonungslos
      Insgesamt
      wurden in Ham-
                                                     miteinander verbindet. Es gehe dabei um          aufgedeckt worden. Wir brauchen eine grö-
      burg zu wenig                                  „riesige Flächen“, deren Konversion neben        ßere Flexibilität, die eine Kombination von
      neue citynahe                                  der Verbesserung der Luftqualität und des        Wohnen und Arbeiten ermöglicht.“ Auch
      Wohneinheiten
      geschaffen.                                    Stadtklimas weitere positive Folgen hätte:       Larisa Tsvetkova von der TU Braunschweig
                                                     So könnte die durch den Klimawandel zu           verlangt eine „zeitgemäße, anpassungsfä-
                                                     erwartende Zunahme von Starkregen-Er-            hige Architektur“, konkret: „Die bauliche
                                                     eignissen abgemildert werden. Vollgelau-         Möglichkeit der Trennung von größeren
                                                     fene Keller und damit verbundene Schäden         Wohneinheiten in kleinere Wohnungen.“
                                                     ließen sich so verhindern: „Dächer können
                                                     das abpuffern. Das kostet wenig und bringt
                                                                                                               „Hamburger Maß“
                                                     viel.“ Hilfreich wäre auch ein ökologischer
                                                                                                                statt Hochhaus
                                                     Frontalangriff gegen die um sich greifende          Oder noch höher hinaus? Stadtentwick-
                                                     Verschotterung der Gärten und Versiege-          lungssenatorin Dorothee Stapelfeldt orien-
                                                     lung von Verkehrsinseln, Grünstreifen am         tiert sich lieber am „Hamburger Maß“, das
                                                     Straßenrand et cetera.                           sich an der gründerzeitlichen Bebauung in
                                                                                                      den citynahen Stadtteilen orientiert. Sprich:
                                                     Auch Industriebauten begrünen                    mehr als sieben Geschosse sollten es nicht
                                                        Bei der „Ökologisierung“ der Stadt sind       sein. Hamburg ist traditionell keine Stadt
                                                     der Fantasie keine Grenzen gesetzt. „Dächer      der Hochbauten. Mehr als 50 Meter hohe
     seits den Wohnungsbau in großem Rahmen          haben viele Funktionen“, sagt die Präsidentin    Gebäude sind meist Bürohäuser wie das
     begrüßt, sich aber langsam Sorgen um den        der Hamburgischen Architektenkammer,             Columbus Haus oder Hotels. Reines Wohnen
     Flächenverbrauch macht. „Es werden zu           Karin Loosen, und empfiehlt das Vorantrei-       wird nur in rund 30 Hochhäusern angebo-
     viele teure und zu große Wohnungen auf          ben von Projekten wie Gemüsegärten und           ten – wie im 29 Etagen zählenden Munds-
     zu viel Fläche in Hamburg gebaut“, kritisiert   Erholungsflächen auf der bisher sträflich        burg Turm und im Marco-Polo-Tower (­ 16
     Linken-Stadtentwicklungspolitikerin Heike       vernachlässigten „fünften Fassade“. So sollte    Etagen) in der Hafencity. Auffällig ist, dass
     Sudmann. Kleingärten wie am Diekmoor            Dachbegrünung nicht nur beim Wohnungs-           Bürokolosse wie das erst 1981 fertig gestellte
     oder riesige Grünflächen wie in Oberbill-       bau gefördert, sondern auch bei Industrie-       Hermes-Hochhaus, das Iduna-Hochhaus
     werder seien kein Bauland, sondern Grün-        bauten angedacht werden. Es gibt derzeit         (1966-1995), die ehemalige zwölf Etagen
     und Erholungsflächen. Die Stadt solle lieber    nur wenige Ausnahmen wie das vorbildliche        zählende Oberpostdirektion in der City Nord
                                                                                                                                                       Fotos/Illustrationen: Scheerer/Planungsbüro Bunker (1)

     bereits versiegelte Flächen für den Bau der     Gründach auf dem Elbe Einkaufszentrum,           (1976-2017) und das Hochhaus Am Hegen
     10.000 jährlich angepeilten Wohnungen           das auf dessen Website beworben wird: „Die       in Rahlstedt (1963-2004) wieder abgerissen
     nutzen. Die Linke empfiehlt alternativ die      Dachbegrünung dämmt im Winter und dient          wurden. Nachhaltig ist das nicht gerade.
     Konversion großer Areale wie das der Ham-       im Sommer als Hitzeschutz und trägt so als
     burg-Messe oder der Führungsakademie in         natürliche Klimaanlage zu Energieeinspa-            Umso erstaunlicher, dass die Stadt jetzt
     Blankenese. Tatsächlich könnte der Edelstadt-   rungen bei. Gleichzeitig leisten die Pflanzen    einem höchst umstrittenen Investor wie René
     teil mehr Sozialwohnungen als die bisher 48     einen Beitrag zu mehr Klimaschutz, indem         Benko freie Hand gibt für sein Prestigepro-
     gut verkraften.                                 sie CO2 und Feinstaub aus der Luft filtern       jekt Elbtower, das auf 64 Stockwerken (!)
                                                     und kleineren Centerbewohnern eine Hei-          zahlreiche Büros enthalten soll, die nach
        Grüne Dächer, gutes Klima                    mat geben.“ Auch bei Sportvereinen ist die       dem Ende der Corona-Pandemie womöglich
       Wie Hamburg trotz Neubaus gar grüner          Zeit des Erwachens angebrochen. So hat           niemand mehr brauchen wird. Fakt ist: Einen
     und klimafreundlicher wird, weiß Frank          der Eimsbütteler TV auf seinem Neubau            Königsweg in die Zukunft Hamburgs gibt
     Schweikert. Dem Vorstand der Deutschen          am Lokstedter Steindamm nicht nur eine           es nicht, aber das „Hamburger Maß“ bietet
     Meeresstiftung und Initiator der Hamburger      Solaranlage mit einer Spitzenleistung von        zumindest Orientierung.

8 · MieterJournal 2/2021
Hamburgs Weg in die Zukunft: bezahlbarer Wohnraum, grünes Umfeld
Leben in Hamburg

 Interview: Dr. Jörg Schilling, Kunsthistoriker
 „Parkhäuser zu Wohngebäuden“
Im Gespräch mit MJ-Redakteur Volker Stahl äußert sich der
Kunsthistoriker und Architekturexperte Dr. Jörg Schilling zur
Stadtentwicklung. Darin warnt er vor zu starkem Einfluss privater
Investoren und „ungezügeltem Stadtwachstum“, das die

                                                                                                                                                           Foto: stahlpress
Lebensqualität der Hamburger einschränken würde.

Klimawandel, Wohnungsmangel, Gentrifizierung – wie ist                           Alternativen wären not-
Ihr Eindruck: Haben Hamburgs Stadtplaner und Architekten                      wendig, um dem unge-
adäquate Lösungen parat?                                                      zügelten Stadtwachstum
                                                                              anders zu begegnen. Klein-
   Es gibt auch in Hamburg ausreichend Architekten und Stadtplaner,           gärten sind eine historische
die Konzepte für Nachhaltigkeit und Lösungsvorschläge für einen               Errungenschaft, um Stadtbewohnern aus verdichteten, ungesunden
sozialeren Wohnungsbau sowie gegen die Verdrängung im Zuge eines              Quartieren Regenerationsmöglichkeiten zu verschaffen. Gerade mit
unregulierten Immobilienmarktes entwickeln. Daneben beschäftigen              Corona hat sich das Bedürfnis nach solchen Flächen dramatisch erhöht.
sich Institutionen wie die Patriotische Gesellschaft von 1765 oder der
Denkmalverein damit, wie die Stadt ökologischer und lebenswerter              Was halten Sie von der Idee, die Messehallen auf den Grasbrook
werden kann. Es ist die Politik, die dazu endlich die Weichen stellen muss.   zu verlagern und das frei gewordene innerstädtische Areal mit
                                                                              Wohnungen zu bebauen?
Ist Altonas Neue Mitte ein gutes oder ein schlechtes Beispiel für
innerstädtische Entwicklung?                                                     Vor der einen Antwort stehen viele Fragen: Bleiben Grund und
                                                                              Boden der freigewordenen Fläche in öffentlicher Hand? Welche Art
   Wenn ein Areal, das wie in diesem Fall ursprünglich im Besitz der          von Wohnungsbau soll entstehen und für wen? Was bedeutet das für
öffentlichen Hand war, vor den Planungen privatisiert wird, kann das          umliegende, gewachsene Wohnviertel? Welche Konsequenzen hätte
nicht zu einem guten Beispiel innerstädtischer Entwicklung führen.            das für Planten un Blomen als innerstädtischer Grünfläche?
Dann nimmt der Verwertungsdruck zu, der Umgang mit der Identität
und Geschichte dieses Ortes, aber auch die Qualität der Wohnbauten            Viele reagieren auf die aktuelle „Würfelarchitektur“ mit Skepsis.
bleiben auf der Strecke.                                                      Die entsteht nicht nur in der Hafencity, sondern an vielen Orten
                                                                              in der Stadt. Ist die Kritik berechtigt?
Ein weiteres Prestigeprojekt ist der 245 Meter hohe Elbtower:
Einige schelten das als „Gigantismus“, der keine Stadtentwicklung                Wenn „Würfelarchitektur“ die Bauten charakterisiert, die als Folge
ersetze. Wie sehen Sie das?                                                   maximaler Verwertungsinteressen auf Kosten der architektonischen
                                                                              Qualität entstehen, ist die Kritik berechtigt. Das ist sie nicht, wenn sie
    Die Städtekonkurrenz treibt unglaubliche Blüten. Viele Fragen             sich pauschal gegen alles Neue oder Moderne wendet.
bleiben dabei ungeklärt. Sind die Betonmenge beziehungsweise graue
Energie, die hier verbaut werden, ökonomisch oder ökologisch sinn-            Wie bewerten Sie die Überdeckelung der Autobahn?
voll? Werden die Büroflächen oder das Luxushotel gebraucht? Wel-
chen Nutzen ziehen Stadt und Zivilgesellschaft aus dem Elbtower?                 Eventuell ein Vorbild nicht nur für Planungen zur ehemaligen
Ist es richtig, das Grundstück einem wegen seiner Geschäftspolitik            Ost-West-Straße. Solche Maßnahmen können die Lebensqualität in
umstrittenen Investor an die Hand zu geben? Braucht Hamburg so                der Stadt wesentlich erhöhen, wobei die günstigere Alternative wäre,
ein Großprojekt? Nein!                                                        wie in Berlin gerade per Volksbegehren angestrengt, den Autoverkehr
                                                                              in der Stadt generell einzuschränken.
Sollte in Hamburg aber nicht doch höher gebaut werden, um
mehr Wohnungen zu schaffen? Oder verstieße das gegen eine                     Innovativ ist auch die Aufstockung von Gewerbegebäuden. Was
Tradition?                                                                    halten Sie von Wohnungen auf Aldi-Läden?

   Welche Tradition? Diskussionen um die Höhenentwicklung ver-                   Das ist erstmal ein interessanter Ansatz, wird aber in den meisten
sus Stadtbild – Stichwort Kirchtürme – gingen bisher immer von                Fällen konstruktiv nicht möglich und nur durch Neubauten zu lösen
Bürohausprojekten aus. Bedenken wurden in den 1960er-Jahren                   sein. Allerdings: Welchen Sinn macht die Aufstockung, wenn die
durch Höhentests mittels Ballons vermeintlich ausgeräumt. Aber auch           umgebenden, viel größeren Parkflächen unbebaut bleiben?
Wohnhaustürme sind nicht erstrebenswert. Wenn schon Verdichtung
notwendig ist, dann bitte mit kreativen Lösungen, wie zum Beispiel            Zurzeit wird das Thema Einfamilienhäuser heiß diskutiert. Sind
dem Umbau von Parkhäusern zu Wohngebäuden.                                    Eigenheime in Anbetracht knapper Bauplätze in Städten wie
                                                                              Hamburg ein Auslaufmodell?
Am Diekmoor im Langenhorner Landschaftsschutzgebiet sollen
Kleingärten für sozialen Wohnungsbau platt gemacht werden.                       Die Frage ist doch, ob nicht die „Einfamilie“, auch als Wohnform,
Ist das in einer wachsenden Metropole wie Hamburg ohne                        ein Auslaufmodell darstellt. Die Diskussion um das Einfamilienhaus
Alternative?                                                                  wird leider zu unsachlich geführt.

                                                                                                                                    MieterJournal 2/2021 · 9
Hamburgs Weg in die Zukunft: bezahlbarer Wohnraum, grünes Umfeld
Leben in Hamburg
                                                                           Stadtteil-Rundgang (17)
                                                                           „Wer hier wohnt,
                                                                           will nicht mehr weg“
                                                                           Mit Heike Steinkamp
                                                                           durch Jenfeld

     Von Sabine Deh                                     waren immer mal wieder im Gespräch, eine
                                                        konkrete Umsetzung ist jedoch nicht in Sicht.
     Für Normalverdiener sind Mieten                    Über die „Blaue Brücke“ queren wir die stark
     in citynahen Quartieren kaum noch                  befahrene Rodig­allee. Täglich brausen hier
     erschwinglich. Von dieser Entwicklung              bis zu 40.000 Fahrzeuge entlang. „In der
     profitieren Stadtteile im Osten, die ihr           Bevölkerung gibt es die Idee, die Kreuzung
     negatives Image langsam aufpolieren.               am Öjendorfer Damm zu entschleunigen              Heike Steinkamp (61),
                                                                                                          Geschäftsführerin
     Jenfeld verabschiedet sich vom Mau-                und den Verkehr umzuleiten, um einen Platz        der gemeinnützigen
     erblümchendasein und punktet mit                   für Zusammenkünfte entstehen zu lassen“,          Quadriga GmbH.
     Neubauprojekten, kreativen Konzepten im            erzählt Heike Steinkamp.
     Bereich Stadtteilentwicklung und attrak-                                                             am Berliner Platz fünf neue Gebäude erstellt
     tiven Grünflächen. Heike Steinkamp,
                                                              RISE soll den Stadtteil                     – mit Platz für Shops, Gastronomie sowie
     Geschäftsführerin der gemeinnützigen
                                                                    aufwerten                             Gesundheits- und Freizeitangebote. Über den
     Quadriga gGmbH, stellt „ihren“ Stadtteil              Jenfeld soll im „Hamburger Rahmen-             Geschäften entstehen 250 neue Wohnungen,
     vor und hat Interessantes zu berichten.            programm Integrierte Stadtteilentwicklung“,       etwa ein Drittel davon öffentlich gefördert.
                                                        kurz RISE, aufgewertet werden. Die Pan-           Darüber hinaus soll das Gelände nachhaltig
       Wer an Jenfeld denkt, dem kommen oft-            demie hat das Bürgerbeteiligungsverfahren         gestaltet werden – mit Fahrradstellplätzen,
     mals graue Hochhäuser in den Sinn, die an          etwas ausgebremst, da öffentliche Veran-          einer Stadtrad-Station, begrünten Arealen,

                                                                                       In der Hochhaussiedlung an der Kelloggstraße sorgt das leuchtend gelbe
       Die „Blaue Brücke“ am Einkaufszentrum Jenfeld.                                                  Haus der Quadriga-Kulturinitiative für einen Farbtupfer.

     der A24 in den Himmel ragen, oder triste           staltungen derzeit nicht möglich sind. Statt-     Dächern mit Photovoltaik-Anlagen und
     Ladenzeilen und die Helmut-Schmidt-Uni-            dessen können Interessierte ihre Vorschläge       Ladestationen für E-Autos. Der Baubeginn
     versität am Holstenhofweg. Tatsächlich hat         online, per E-Mail oder Telefon einbringen        ist für Ende 2021 geplant.
     der Stadtteil auch viel Reizvolles zu bieten,      oder direkt in der „Gläsernen Werkstatt“
     wie das Naherholungsgebiet Jenfelder Moor          der STEG im Einkaufszentrum. Einer ersten             „Das Image des Stadtteils ist deutlich
     oder die Grünflächen am Jenfelder Bach.            Auswertung zufolge wünschen sich die Anlie-       schlechter als die Realität“, betont Heike
     „Wer hier wohnt, will meistens nicht mehr          ger einen Supermarkt mit Vollsortiment.           Steinkamp, als wir auf der Charlottenburger
     weg“, weiß Heike Steinkamp. Was fehlt, sind        Fleisch, Wurstwaren und Käse bekommen die         Straße an einem Wahlplakat des SPD-Kandi-
     größere Sozialwohnungen, mit Platz für kin-        Jenfelder direkt im Quartier nur abgepackt        daten Cem Berk vorbeikommen. So machte
     derreiche Familien, von denen es in Jenfeld        bei den Discountern oder im türkischen            lange ein Gerücht die Runde, laut dem ver-
     viele gibt.                                        Supermarkt. Außerdem fehlen Bürgersteige,         dächtigte Gestalten abends in dunklen Autos
                                                        ein Café, Kinderärzte sowie Gruppenräume.         ihre Runden im Stadtteil drehen, um Drogen
        Unternehmungslustig und mit geschulter-                                                           zu verkaufen. Auf Antrag von Berk wurde
     tem Rucksack empfängt uns die Sozio-Öko-
                                                            Am Berliner Platz entsteht                    daraufhin im vergangenen Jahr der Sozialaus-
     nomin mit einem herzlichen Lächeln am
                                                               ein neues Zentrum                          schuss der Wandsbeker Bezirksversammlung
     vereinbarten Treffpunkt vor dem Quadri-                Ein Stück weiter, neben der Wohnsied-         nach Jenfeld verlegt. Bürgernahe Polizeibe-
     ga-Stadtteilbüro. Gleich um die Ecke, an           lung Hohenhorst, verschwindet bald das            amte, Vertreter des Drogendezernats, Fach-
     der Hauptverkehrsstraße Rodigallee, blei-          in die Jahre gekommene kleine Nahver-             leute des Stadtteils und Behördensprecher
                                                                                                                                                                  Fotos: Szameitat

     ben wir vor dem Jenfelder Einkaufszent-            sorgungszentrum. Der Entwurf des Archi-           legten Zahlen und Fakten vor, die bewiesen:
     rum stehen. Der graue Betonklotz aus den           tekturbüros Haas Cook Zemmrich enthält            Bei der Drogenkriminalität liegt Jenfeld laut
     1970er-Jahren wirkt von außen nicht unbe-          vielversprechende Pläne für das rund 12.000       Statistik stadtweit im unteren Mittelfeld der
     dingt einladend. Pläne für eine Sanierung          Quadratmeter große Areal. Demnach werden          Skala.

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Leben in Hamburg

                                                Die Geschichte Jenfelds: Zur 700-Jahr-Feier des Stadt-   markiert. Auf dem Weg zum idyllisch gele-
                                                teils entstand dieses Wandbild an der Jenfelder Allee/   genen See kommen wir am interkulturellen
                                                Ecke Rodigallee (links).
                                                Ein Ort zum Träumen: Der See im Park Jenfelder Moor.     Gemeinschaftsgarten vorbei, eines von vielen
                                                                                                         Quadriga-Projekten. Trotz Corona-bedingt
      Neubau und idyllische                     lien, alleinstehende Senioren, die versuchen,            eingeschränkter Nutzung erfreut sich der
          Siedlungen                            mit ihrer Grundsicherung über die Runden                 Gemeinschaftsgarten zunehmender Beliebt-
                                                zu kommen, und viele Menschen mit Migra-                 heit bei den Bewohnerinnen und Bewoh-
    Unser Rundgang führt uns weiter durch       tionshintergrund. Um diesem Personenkreis                nern Jenfelds. Ein junges Paar mit Kleinkind
die Straße Bekkamp, wo eine Nachverdich-        gerecht zu werden, bietet Jenfeld einiges an             lächelt uns freundlich zu, als es bemerkt,
tung ansteht. Gegenüber eines Hochhauses        Einrichtungen zur sozialen Beratung, Ange-               dass wir die gelben Tulpen in seinem Hoch-
sollten drei Gebäude mit fünf bis sieben        bote der offenen Kinder- und Jugendhilfe,                beet bewundern. Wir verabschieden uns
Geschossen und insgesamt 55 Wohnungen           einen aktiven Sport- und Turnverein sowie
entstehen. Gegen die Verkleinerung der          nicht zuletzt ein buntes Kulturprogramm
Grünflächen wehrten sich die Nachbarn           im Jenfeld-Haus und in der Kulturinitiative.
erfolgreich. Der Investor hat jetzt einen
neuen Entwurf vorgelegt, der die Situation
                                                            Baukräne über der
entschärfen soll. Ein paar Querstraßen weiter
                                                              Jenfelder Au
erreichen wir die Einfamilienhaus-Siedlung          Wir erreichen das Neubaugebiet Jenfelder
„August Woelken“. Hier wurden 1952, zwi-        Au, wo derzeit noch hohe Baukräne das Bild
schen Waldenburger Straße und Glogauer          beherrschen. Auf dem 35 Hektar großen
Straße, die ersten Häuschen gebaut. Gegen       Areal der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Ka-
eine geringe Pacht wurde eine Wohnfläche        serne entstehen rund 850 Wohnungen für
von 47 Quadratmetern geboten, inklusive         Bewohner unterschiedlicher Einkommens-
Plumpsklo im Hinterhof. Die Siedlung mit        schichten. Gebaut wird nach dem bewährten,
den hübschen Vorgärten, wo jetzt im Früh-       aber einfallslosen „Ritter-Sport-Prinzip“:
ling Tulpen, Magnolien und Krokusse blü-        quadratisch, praktisch, gut. Einige Häuser
hen, hat sich seitdem gemausert und lädt zu     sind bereits bewohnt. Im Mittelpunkt des
einem Spaziergang ein.                          Areals soll nach Fertigstellung das Element
                                                Wasser stehen. Geplant sind unter anderem                    Idyllische Einfamilienhaus-Siedlung.

    Die dringendsten Jenfelder Herausfor-       eine 200 Meter lange Wasserkaskade und
derungen spiegelt das Sozialmonitoring der      ein Teich mit Schilfgras. Der Clou: In den               aus Jenfeld mit einem positiven Eindruck.
Stadt wider: Demnach leben hier viele Kinder    Wohnungen des neuen Quartiers wird das                   Viele Vorurteile über den Stadtteil wurden
und Jugendliche aus sogenannten „einkom-        Schwarzwasser in Vakuumtoiletten separat                 über Bord geworfen. Wir sind uns sicher: Im
                  mensschwachen“ Fami-          erfasst und in Wärme und Strom umgewan-                                    Beliebtheitsranking der
                                                        delt. Grauwasser aus Dusche oder                                          Stadt wird Jenfeld
                                                          Waschmaschine wird gereinigt und                                         sehr bald einen
                                                          in lokale Gewässer abgeleitet. So                                       Sprung nach oben
                                                          dürfte Jenfeld bald über die umwelt-                                       machen.
                                                         freundlichsten stillen Örtchen der
                                                         Stadt verfügen.
                                                                  Umrahmt von
                                                                 viel Stadtgrün
                                                             Das Neubaugebiet Jen-
                                                         felder Au wird umrahmt
                                                         von jeder Menge Stadtgrün                                       Neubaugebiet
                                                         – vom Landschaftsschutz-                                       Jenfelder Au: Auf
                                                                                                                      dem Gelände der
                                                         gebiet Wandsbeker Geest                                     ehemaligen Lettow-Vor-
                                                        über den Öjendorfer Park                                   beck-Kaserne kommt
                                                                                                                  schweres Gerät zum Einsatz
                                                        bis zum Jenfelder Moorpark, der                         für den Bau von rund neue 850
                                                        den Endpunkt unseres Rundgangs                         Wohnungen.

                                                                                                                                      MieterJournal 2/2021 · 11
Leben in Hamburg

     Der Viertelstunden-Boulevard
     Die Fuhlsbüttler Straße wurde zuletzt aufgehübscht. Tauben gibt es trotzdem noch mehr als Hipster
     Von Folke Havekost                               Lebenden entsteht eine neue U-Bahn-Station       wurde und das Gerrit Heesemann alias Lotto
                                                      am Hardorffsweg, in Höhe des Burgerbrutz-        King Karl erfolgreich kultiviert. „Das ist wie
     Die Fahrradbügel am Barmbeker Bahnhof            lers Jim Block. „Damit werden das Busnetz        Fliegen“, sang der Barde einst – folgen wir
     ziehen nicht nur Radler an, sondern auch         und der Barmbeker Bahnhof entlastet und          also dem Flug der Tauben zurück zu ihrem
     ungebetene Gäste. Unlängst diskutierte           der Weg in die Innenstadt verkürzt sich auf      Lieblingsort.
     die Bezirksversammlung Hamburg-Nord              15 Minuten“, erklärt Martin Boneß, der Bür-
     über „Taubenvergrämungsmaßnahmen“                gerbeteiligungsbeauftragte der Hamburger            In der Hufnerstraße hält sich wie ein
     am Anfang der Fuhlsbüttler Straße,               Hochbahn.                                        Relikt inmitten des aufgeputzten Bahn-
     die knapp fünf Kilometer weit bis nach                                                            hofsviertels das Nachtlokal „Kult“ mit
     Ohlsdorf reicht und entgegen ihrer Länge            Bis 2023 bleibt der südliche Teil der Fuhle   Dartscheibe, Tischfußball und Aschenbe-
     von den rund 10.000 Einheimischen                Sanierungsgebiet, um sie zur „Flaniermeile       chern. Der alte Hertie-Klotz nebenan trägt
     kurz und knapp „Fuhle“ genannt wird.             mit Aufenthaltsqualität“ zu gestalten. Die       dagegen ein neues Gewand und heißt jetzt
                                                      2017 eingeweihte, nach dem Schriftsteller        „Fuhle 101“. Unten residieren Aldi, Rewe
        Es gibt eine alte Fuhle-Regel: Wenn min-      benannte Piazza Ralph Giordano lädt mit          und Rossmann, oben bietet das Intercity
     destens drei Geschäfte auf einmal schlie-        ihren Sitzbänken bereits zum Verweilen ein       Hotel Zimmer ab 71 Euro die Nacht an. Ende
     ßen, wird danach gerufen, die Fuhlsbüttler       – und zum Nachdenken, ob „urbane Qualität        2020 wurde das Objekt an einen Fonds von
     Straße endlich schöner zu machen. Ebenso         durch gezielte Nachverdichtung“ erreicht         Hamburg Team Investment Management
     regelmäßig findet der Ruf kaum Widerhall,        werden kann, wie es in den Plänen heißt.         verkauft. „Wir sehen urbane Stadtteillagen
     weil die Fuhle nun mal so ist, wie sie ist: an                                                    als Gewinner der Krise“, kommentierte
     manchen Ecken schmuck, an anderen Ecken
                                                            Südliche „Fuhle“ ist                       Geschäftsführer Nikolas Jorzick den Erwerb.
     schmutzig, an vielen Ecken einfach Stadt.
                                                         Sanierungsgebiet bis 2023
     Vom Franzbrötchen-Eis bis zum Erotik-Ac-             Je weiter der Blick gen Ohlsdorf, desto
                                                                                                            Stadt der kurzen Wege:
     cessoire ist hier alles zu haben. In der Fuhle   stärker fallen Neubauten ins Auge. An der
                                                                                                           bald ein Hauch von Paris?
     lässt sich einkaufen. Wer unbedingt shoppen      Ringbrücke ist 2016 ein moderner Klinker-           Zwar ist die Fuhle schwerlich mit den
     will, kann dies zwei U-Bahn-Stationen weiter     komplex mit betreppten Eingangsbereich,          Grands Boulevards in Paris zu vergleichen,
     im monströsen Einkaufszentrum Hamburger          Innenhof und Tiefgarage errichtet worden,        doch worauf der Investor hofft, wird mit
     Straße tun.                                      der in der Neuen Mitte Altona Teil des           einem Blick in die französische Metropole
                                                      Einerleis wäre, in Barmbek aber noch auf-        deutlich. Bürgermeisterin Anne Hidalgo
         Straße mit der höchsten                      fällt. Unten bietet das Spezzagrano die Pizza    plant dort die Viertelstunden-Stadt, deren
         Hamburger Hausnummer                         Margherita für 9,80 Euro an. Im Quartier         Bewohner alle alltäglichen Ziele innerhalb
        Etiketten sind ihr schwer anzuhaften,         21 auf dem Gelände des ehemaligen Kran-          von 15 Minuten erreichen können – nicht mit
     der Straße mit der höchsten Hausnummer           kenhauses versammeln sich einige Hundert         dem Auto, sondern zu Fuß, auf dem Rad oder
     Hamburgs, der 792, in der am Ohlsdor-            Meter weiter 13.600 Quadratmeter Büros           mit dem öffentlichen Nahverkehr. Einkaufs-
     fer Friedhof ein Bestatter residiert. Für die    und 4.800 Quadratmeter Einzelhandel. Im          läden, Cafés, Ärzte, Schulen, Sportplätze,
                                                                             alten Wasserturmpa-       Parks und im Zweifel auch den eigenen
                                                                             lais hat die rustikale    Arbeitsplatz. „In der Nähe ihres Wohnorts
                                                                             Kneipe „Quartier 21“      zu arbeiten, ist besser für Menschen“, erklärt
                                                                             in der Corona-Zeit ihre   der Sorbonne-Professor Carlos Moreno:
                                                                             Küche umgebaut und        „Wenn sie in der Nähe einkaufen und ihre
                                                                             präsentiert ihren Gäs-    Freizeit verbringen und die nötigen Dienste
                                                                             ten neben Bauernfrüh-     verfügbar sind, können sie ein ruhigeres
                                                                             stück und Barmbeker       Leben führen.“ Auch angesichts der Dis-
                                                                             Bier bald auch wieder     kussion um eine Verödung der Innenstädte
                                                                             die Zweitliga-Spiele      könnte die ehemals schick-schmuddelige
                                                                             vom HSV und St.           Fuhlsbüttler Straße als Vorbild der mehr oder
                                                                             Pauli. Die acht Meter     weniger organisierten Komplexität dienen,
                                                                             hohe Decke lädt zu        die Städte auszeichnet.
                                                                             Aufstiegsträumen ein.
                                                                                                           Der Stadtpark liegt in unmittelbarer Nähe,
                                                                               Hier gibt es auch       Krankenhaus und Ärzte sind erreichbar und
                                                                            Altbauten für stolze       in das eine oder andere Café würde sich viel-
                                                                            Preise. Eine geräu-        leicht auch Anne Hidalgo setzen. Zumal die
                                                                            mige Dachgeschoss-         Gehwege im Zuge der Sanierung verbreitert
                                                                            wohnung mit 154            worden sind und der Außengastronomie nun
                                                                            Quadratmetern wird         mehr Platz bieten. Selbst das Busbeschleu-
                                                                            f ür 1,3 Mi l lionen       nigungsprogramm, das Gottseibeiuns vieler
                                                                            Euro offeriert. Das ist    Geschäftsleute, hat der Fuhle nicht geschadet
                                                                            dann wohl nicht mehr       – und für weniger Aufruhr als etwa an der
                                                                            Barmbek basch, das         Osterstraße gesorgt.
                                                                            derbe, ungekünstelte
                                                                            Auftreten, das den            Und der zuständige Regionalausschuss der
                                                                            Bewohnern des eins-        Bezirksversammlung sprach sich im April
         Neubau aus Backstein an der                                        tigen Arbeitervier-        auch für Schilder am Bahnhof aus, um auf
         „Fuhle“. Foto: Havekost
                                                                            tels lange nachgesagt      das Taubenfütterungsverbot hinzuweisen.

12 · MieterJournal 2/2021
Leben in Hamburg

                      Serie: Aus Hamburgs Verga
                                                                  ngenheit (5)
                     Ein Herz für Tiere
                     Amanda Odemann initierte
                                                 1841 die Gründung des
                     „Hamburger Vereins gegen
                                                 Thierquälerei“. Das
                     Schinden der Lasttiere war
                                                ihr ein Gräuel.

                    Von Volker Stahl

                         Abgemagerte und erschö
                                                         pfte Hunde ziehen schwe
                      Lastkarren durch das Hambur                                         re gen Führern behandelt
                                                         ger Holpergassengewirr, Spe
                      diteure schlagen brutal auf                                           - werden.“ Fünf Tage spä
                                                    ihre Pferde ein, gesetzliche                                            ter kritisiert sie sol-
                     deststandards bei der Schlach                                   Min    -     che „Gräuel“ ein zweites Ma
                                                          tung gibt es nicht – traurige                                            l in dem Blatt. Die Resonanz
                     Alltag in der Hansestadt in                                           r überwältigend. Bereits am                                               ist
                                                    den ersten Jahrzehnten des                                                 30. November erfolgt die Einl
                                                                                       19.        zu einer Versammlung am 10.                                   adu  ng
                     Jahrhunderts. Um das alltägl                                                                                  Dezember. An diesem Tag grü
                                                      iche Leid der Tiere schert sich                                                                                n-
                     kaum jemand, Grausamkeite                                                   det Amanda Odemann zusam
                                                     n gegen sie bleiben unbestraft                                                  men mit 112 Gleichgesinnte
                    Nur bei wenigen Menschen reg                                           .     darunter zahlreiche Hambur                                          n,
                                                        t sich Mitgefühl: Im Novemb                                              ger Honoratioren, den „Hamb
                    1841 veröffentlicht die erst 20                                     er ger Verein gegen Thierqu                                                 ur-
                                                      Jahre alte Amanda Odemann                                             älerei“, der seit 1861 seinen heu
                                                                                        in       Namen trägt.                                                    tige n
                    der Zeitung einen Aufruf geg
                                                   en „Thierquälerei“, einen Mo
                    später wird der Tierschutzver                                     nat
                                                     ein gegründet.
                                                                                                    Zu diesem Zeitpunkt gibt es
                                                                                                                                      in England bereits seit zwe
                       Ein Blick zurück in die europä                                           Jahrzehnten ein Tierschutzges                                         i
                                                         ische Denktradition hilft, die                                             etz. Endlich können auch hie
                   weit verbreitete Geringschätz                                                sige Tierschützer einen ersten                                        -
                                                     ung der Kreatur zu verstehen                                                  Erfolg verbuchen: Ein Jahr nac
                   Jahrhundertelang hatten The                                           . der Vereinsgründung ver                                                   h
                                                   ologen in Europa das christl                                            fügt die Hamburger Polizeibeh
                                                                                   iche         dass ein Pferd nicht mehr als                                   örd e,
                   Diktum „macht euch die Erd                                                                                    eine Tonne Gewicht ziehen dar
                                                  e untertan“ gepredigt und Phi                                                                                     f.
                   sophen das Leid der Tiere aus                                     lo- Schuttfahrer, die mit
                                                     ihrem Denken verbannt. „W                                          ihren Gespannen zu schnel
                                                                                      ie       Sta  dt fahren, werden zu drei Tag                        l durch  die
                   die Hausfrau, die die Stube ges                                                                                    en Arrest, ersatzweise zwei
                                                      cheuert hat, Sorge trägt, das
                  die Türe zu ist, damit ja der Hun                                    s Talern Strafe verurteilt.
                                                      d nicht hereinkomme und das                                         Außerdem müssen die Hufeise
                                                                                               Gäule nun ausreichende Bes                                      n der
                  getane Werk durch Spuren sein                                                                                  chläge haben und die eiserne
                                                     er Pfoten entstelle, also haben
                  religiöse und philosophisch                                                  Geb  issstange darf ihnen nicht meh
                                                 e Denker darüber gewacht,                                                              r kalt ins Maul gesetzt wer-
                 ihnen keine Tiere in der Ethik                                  dass den. Und es ist nich
                                                   herumliefen“, notiert der 196                                     t mehr erlaubt, kleine Hunde
                                                                                      5 Karren zu spannen.                                                vor einen
                 verstorbene Philanthrop Alb
                                                  ert Schweitzer in seiner Sch
                 „Die Lehre der Ehrfurcht vor                                      rift
                                                dem Leben“, in der er seine Me
                 schenliebe auf die Tiere aus                                       n-            Auch für das Schlachtvieh kan
                                                weitet.                                                                                n der Verein bald von den
                                                                                              Behörden sanktionierte Erle
                                                                                                                                ichterungen durchsetzen.
                                                                                              1855 muss „jedes geknebelt                                         Ab
                     Auch in Hamburg schert sich                                                                              in St. Pauli ankommende Lam
                                                       lange kaum jemand um die                                                                                   m
                Qualen der Tiere – nur deren                                                  von  seinen Banden befreit werden
                                                  Nutzwert zählt. Erst das „Co                                                         , sobald es die Landungs-
                clusum Collegis Ehrbarer Obe                                       n-        brü  cke berührt“. 1887 wird das
                                                  ralten“ fordert 1825, dass die                                                    erste Tierheim an der Neu-
                „das Grundwesen der Sittlich                                                 städter Straße eingeweiht. 189
                                                  keit untergrabende Thierquä-                                                   1 betreibt der Verein speziel
               lerei durch ein positives Ges                                                 Hebekräne, mit deren Hilfe                                          le
                                                etz gewehrt werden möge“.                                                    die Polizei verunglückte und
               Vereinigung der je drei Gem                                       Die         Am  bulanzwagen herbeigescha                                       im
                                               eindeältesten der Hauptkirch                                                        ffte Pferde wieder auf die
               beklagt das „Übel der Missha                                       en Beine bringt. Nur her
                                                   ndlung“ der Pferde und des                                         renlosen Hunden und Katzen
                                                                                            weiter ein trauriges Schicks                                    droht
               Schlachtviehs, „unmenschlic                                                                                   al: Sie werden nach kurzer
                                                he Experimente“ am lebend                                                                                     Ver-
               Tier sowie die rohe Grausamke                                      en       wei   ldauer in der Fronerei, dem
                                                 it gegen Haustiere „wie in den                                                   alten Gefängnis gegenüber
               Martern und Qualen, welche                                                  der   Petrikirche, getötet – wenn sich
                                                 eine sträfliche Nachsicht der                                                        kein neues Frauchen oder
              Familienhäupter der Kinder                                                   Herrchen ihrer erbarmt.
                                              gegen allerlei Kreaturen ver
              tet“. Nur ein Beispiel: Einige                                   stat-
                                               Hamburger Buttjes machen
              seinerzeit einen grausamen                                       sich            Seit 1897 befindet sich das
                                               Spaß daraus, Spatzen in Fall                                                    Tierheim im Stadtteil Hamm.
              zu zerquetschen.                                                   en Streunende Hunde und
                                                                                                                         Katzen werden seitdem von
                                                                                          dekutschen – deren Nachfo                                         Pfer-
                                                                                                                           lger heißen später „Struppiw
                                                                                         gen    “ – eingesammelt und dor thin                                  a-
                  Doch erst 16 Jahre später wir                                                                                       verbracht. Nach
                                                  d der Hamburger Tierschutz
             institutionalisiert – dank der                                              den     Zerstörungen im Zweiten We
                                               jungen Bürgertochter Amand                                                           ltkrieg
             Odemann aus dem damalig                                              a und notdürftigen Repara
                                               en Hamburger Vorort Eppen-                                              turen an den
             dorf. In einem einspaltigen                                                 sch we r bes chä dig ten Geb
                                               Artikel, der am 11. November                                                äud en
             1841 in den Wöchentlichen                                                  wir    d 1962 auf dem 25.000 Qu
                                              Gemeinnützigen Nachrichte                                                        a­
            erscheint, prangert sie die                                          n dratmeter großen Grunds
                                             Überlastung der Lasttiere bei                                              tück an
            Abtransport von Sand aus                                            m der Süd ers tra ße ein e
                                            der Grube des Stadtgrabens                                               mo der ne
            der Sternschanze an: „Schau                                        an      Tie rhe ima nla ge geb aut .
                                               dererregend ist es zu sehen,                                                Do rt
            wie die zum Theil schon alte                                               war ten heute 1.327 Tiere, dar
                                             n und schwachen Pferde …                                                        un-
                                                                              mit ter 129 Hunde und 89
Foto: HTV

            Peitschenhieben und Hacken                                                                              Katzen, auf
                                             stößen von ihren unbarmher
                                                                               zi- ein neues Zuhause.

                                                                                                                                                       MieterJournal 2/2021 · 13
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