HEFT 4 2018 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG - LFU BRANDENBURG
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Heft 4 2018 Einzelverkaufspreis: 5,- € Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg Beiträge zu Ökologie und Naturschutz
2 Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 27 (4) 2018 Libelle des Jahres 2018 – Die Zwerglibelle (Nehalennia speciosa) Zur "Libelle des Jahres 2018" wurde vom Obwohl in den letzten 20 Jahren Vernäs- als vom Aussterben bedroht. Außer in BUND und die Gesellschaft der deutsch- sungs- und Renaturierungsmaßnahmen in Brandenburg kommt die Zwerglibelle nur sprachigen Odonatologen (GdO) die zahlreichen Mooren des Landes durchge- noch in Bayern, Baden-Württemberg, Zwerglibelle (Nehalennia speciosa) ge- führt wurden, erfolgte bislang nur in einem Mecklenburg-Vorpommern, Niedersach- kürt. Sie ist mit nur 26 mm Körperlänge Falle eine (Wieder)besiedlung und Etablie- sen und Sachsen vor. die kleinste unter den heimischen Libellen rung eines stabilen Vorkommens der und eine der wenigen Libellenarten, die Zwerglibelle. Die nicht sehr mobile Art ver- F. Zimmermann ausschließlich in nährstoffarmen Mooren mag es in aller Regel nicht, die Distanzen vorkommen. Dabei werden vor allem in zwischen einem vorhandenen Vorkommen Fotos: Brandenburg sowohl mesotroph-saure und potenziell geeigneten Habitaten zu M. Post/GdO Übergangsmoore (Schwingrasenmoore) überwinden. Dies ist zugleich ein Handycap als auch subneutrale Verlandungs- und für nicht wenige, an spezielle Lebensräume Durchströmungsmoore mit Braunmoos- angepasste Tierarten aus verschiedenen Ar- Wasserschlauch-Schlenkenvegetation be- tengruppen, die sozusagen in ihren Relikt- siedelt. vorkommen „festhängen“ und nahezu kein Die sehr kleinen Tiere können zwar leicht Ausbreitungspotenzial besitzen. übersehen werden, sind allerdings auf- Nach der letzten Kaltzeit war die Zwerglibel- grund der Gefährdung vieler ihrer Lebens- le vermutlich in Brandenburg und anderen räume sehr selten. Die Zwerglibelle ist in Regionen Norddeutschlands weiter verbrei- Brandenburg die seltenste der hier ur- tet. Mit der Entwässerung und Zerstörung sprünglich vorkommenden Libellenarten. zahlreicher Moore – kaum ein Moor in Bran- Insgesamt wurden etwa 20 Vorkommen denburg blieb davon verschont – verlor sie bekannt, aktuell existieren nur noch 7. nach und nach ihre Lebensräume. Diese liegen ausschließlich im Nordosten Dennoch gilt die Art in Brandenburg bislang Brandenburgs im Naturpark Uckermär- „nur“ als stark gefährdet. Für die Erhaltung kische Seen und dem Biosphärenreservat der Art besitzt das Land eine internationale Schorfheide-Chorin. Verantwortung. Deutschlandweit gilt die Art
Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 27 (4) 2018 3 Impressum Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg Herausgeber: Landesamt für Umwelt (LfU) Beiträge zu Ökologie und Naturschutz Schriftleitung: LfU, Referat N3 Natura 2000/Arten- und Biotopschutz Dr. Matthias Hille 27. Jahrgang Heft 4 2018 Dr. Frank Zimmermann Beirat: Dr. Martin Flade Dr. Lothar Kalbe Inhaltsverzeichnis Dr. Bärbel Litzbarski Dr. Thomas Schoknecht LfU, Schriftleitung NundLBbg Anschrift: Seeburger Chaussee 2 Martin Jakob & Ole Müller 14476 Potsdam, OT Groß Glienicke Untersuchung der Großmuschelbestände (Bivalvia: Unionidae) Tel. 033 201/442 220 in ausgewählten Gewässern Ostbrandenburgs unter besonderer Beachtung E-Mail: Frank.Zimmermann@ lfu.brandenburg.de von Unio crassus (Philipsson 1788) 4 ISSN: 0942-9328 Frank Zimmermann Es werden nur Originalbeiträge veröffentlicht. Autoren „Neubürger“ unter den Pflanzen in Brandenburg – Geschichte, Bedeutung, werden gebeten, die Manuskriptrichtlinien, die bei der aktuelle Entwicklungen 12 Schriftleitung zu erhalten sind, zu berücksichtigen. Zwei Jahre nach Erscheinen der gedruckten Beiträge werden sie ins Internet gestellt. http://www.lfu.brandenburg.de/cms/detail.php/ Kurzbeiträge bb1.c.310763.de Alle Artikel und Abbildungen der Zeitschrift unterlie- gen dem Urheberrecht. Frank Zimmermann Die Nutzung der Geobasisdaten erfolgt mit Genehmi- Libelle des Jahres 2018 – Die Zwerglibelle (Nehalennia speciosa) 2 gung der Landesvermessung und Geobasisinformati- Vogel des Jahres 2019 – Der Star (Sturnus vulgaris) 35 on Brandenburg: © GeoBasis-DE/LGB, LVE 02/09 Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbe- dingt die Meinung der Redaktion wieder. Stiftung Naturschutzfonds Brandenburg Projekt Umweltsensibilisierung – die Umsetzung von Maßnahmen beginnt! 28 Redaktionsschluss: 05.06.2019 Layout/Druck/Versand: Pressemitteilung der Floristisch-Soziologischen Arbeitsgemeinschaft: LGB Heinrich-Mann-Allee 103 Glatthaferwiese wird zur Pflanzengesellschaft des Jahres 2019 ausgerufen 31 14473 Potsdam Tel. 0331/88 44 - 1 23 Fax 0331/88 44 - 1 26 Persönliches Bezugsbedingungen: Wir denken an Manfred Kroop (10.03.1952 – 31.12.2018) 32 Bezugspreis im Abonnement: 4 Hefte – 12,- € pro Jahrgang, Einzelheft 5,- €. Die Einzelpreise der Hefte mit Roten Listen sowie der thematischen Hefte werden gesondert festgelegt. Neue Literatur 33 Bestellungen: frank.zimmermann@lfu.brandenburg.de Titelbild: Die Kornrade kam als Archaephyt mit Ge- treidekulturen nach Deutschland (Gartz, 12.06.2007) Rücktitel: Blick vom Krugberg bei Seelow ins Oder- bruch (20.06.2008) Fotos: F. Zimmermann
4 Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 27 (4) 2018 „Die Alte Oder ist noch nicht wieder von Unio crassus besiedelt. Rezente Vorkommen wurden im Stöbber bestätigt“ Martin Jakob & Ole Müller Untersuchung der Großmuschelbestände (Bivalvia: Unionidae) in ausgewählten Gewässern Ostbrandenburgs unter besonderer Beachtung von Unio crassus (Philipsson 1788) Schlagwörter: Unionidae, Unio crassus, Faunistik, Oderbruch Keywords: Unionidae, Unio crassus, Fauna, Oder Valley Zusammenfassung 1 Einleitung gibt es wenige aktuelle Untersuchungen, welche das Vorkommen von U. crassus und Die Ergebnisse dieser Arbeit geben einen In Berlin und Brandenburg sind 13 von 30 anderer einheimischer Großmuschelarten quantitativen Aufschluss über das Vorkom- vorkommenden Muschelarten in ihrem Be- analysieren. Jene Untersuchungen, die an men und die Gefährdungslage der unter- stand gefährdet, wobei die aktuelle Rote Li- diesem Gewässer durchgeführt wurden suchten einheimischen Großmuschelarten in ste Berlins die Situation Brandenburgs auf (Brinkmann et al. 1997, Hartenauer 2012), Gewässern im östlichen Brandenburg. dem Stand von 1992 abbildet (Hackenberg & erbrachten keine Nachweise der Art. Schwerpunkt der stichprobenartigen Erfas- Müller 2017, Herdam & Illig 1992). Zu den In einer Revisionsuntersuchung im Rahmen sungen war das Gewässersystem des Stöbber, in der Region vorkommenden Muschelarten einer Seminararbeit am Carl-Friedrich-Gauß- der Alten Oder und exemplarisch der Strom zählen unter anderem die sechs indigenen Gymnasium Frankfurt (Oder) wurden ver- oder. Insgesamt wurden an 13 Untersu- Arten der Familie der Unionidae – Anodonta schiedene potenziell geeignete Gewässer im chungspunkten sechs Großmuschelarten mit anatina, Anodonta cygnea, Pseudanodonta Oderbruch auf Großmuscheln mit dem einer Individuenzahl von insgesamt 1721 le- complanata, Unio crassus, U. tumidus und Schwerpunkt auf U. crassus untersucht. benden Muscheln geborgen. Dabei kam die U. pictorum. Daneben sind auch unter den Art U. tumidus mit 1182 Individuen mit Ab- Großmuscheln gebietsfremde Arten gemel- Der vorliegende Kurzbeitrag stellt den aktu- stand am häufigsten vor. Weiterhin wurden det, wie Sinanodonta woodiana in der Oder ellen Status von Arten der Unionidae im 188 Individuen von U. pictorum, 251 von A. (Brauner mdl. Mitteilung, Domagała et al. Stöbber, der Alten Oder und eines exempla- anatina, 71 von U. crassus, 24 von A. cygnea, 2007). rischen Abschnittes der Oder dar. sowie 5 Individuen von P. complanata gefun- Die wohl am stärksten gefährdete Art ist den. Im Stöbber konnten rezente Vorkommen Unio crassus. Sie wird in der aktuelle Roten von Unio crassus bestätigt werden. Darüber Liste Berlins als ausgestorben geführt 2 Methode hinaus belegt der Fund einer Schale von U. (Hackenberg & Müller 2017). In der aktuellen crassus in der Alten Oder die potenzielle Eig- Roten Liste Deutschlands und der bisherigen Die geplanten Untersuchungen der Groß- nung dieses Gewässers für die gefährdete Art. Roten Liste Brandenburgs gilt die Art als vom muschelpopulationen wurden am Aussterben bedroht (Jungbluth & Knorre 12.07.2017 und am 13.07.2017 durchge- 2009, Herdam & Illig 1992). Die IUCN Red führt. Dazu wurden 13 Untersuchungs- Summary List führt die Art als „endangered“ (Lopes-Li- punkte an sechs verschiedenen Gewässern ma et al. 2014), Als Art der Anhänge II und im östlichen Brandenburg festgelegt, in de- The results of this work provide a quantita- IV genießt die Art auch einen europäischen nen potenzielle Habitate von Großmu- tive insight into the occurrence and the vul- Schutzstatus (vulnerable) (Petersen et al. scheln zu erwarten waren oder die in der nerability of the investigated mussel species 2003). Vergangenheit bereits malakologisch unter- of Unionidae in the river systems of eastern U. crassus galt noch vor einigen Jahrzehnten sucht wurden (Abb. 1). An den Untersu- Brandenburg. The focus of the random sur- als eine der häufigsten Großmuschelarten. chungspunkten (UP) wurden Transekte mit veys was the water system of the River Inzwischen ist sie auf 90 % der Fläche ihres Fluchtstangen markiert, innerhalb derer die Stöbber, the River Alte Oder and exemplarily ursprünglichen Verbreitungsgebietes ausge- Sammlungen stattfanden. Für die ben- the River Oder. In total, six species with a storben (Petrick 2006), so auch in vielen Ge- thische Beprobung wurde ein robuster Bo- total number of 1721 living individuals were wässern Brandenburgs. denkescher mit einem Metallgitternetz retrieved at 13 examination sites. U. tumi- Die drastischen Rückgänge haben vielfältige (Maschenweite 9 mm) verwendet. Mit dem dus with 1182 individuals was by far the Ursachen, die heute nur ansatzweise ver- Kescher wurden sowohl das Sediment be- most common one. Furthermore, 188 indivi- standen werden: Neben dem Gewässeraus- keschert, als auch am Ufer befindliche Wur- duals of U. pictorum, 251 of A. anatina, 71 bau, den Folgen der Eutrophierung und der zelbänke nach lebenden Muscheln oder of U. crassus, 24 of A. cygnea, and 5 indivi- Einschleppung konkurrierender Arten spielt Schalen durchkämmt. Die Transekte wur- duals of P. complanata were found. In the auch die Beeinträchtigung korrespondieren- den 30 bis 60 Minuten wasserseitig beke- River Stöbber recent occurrences of Unio der Arten, wie etwa einiger Wirtsfische, eine schert. Die geborgenen Muscheln wurden crassus could be confirmed. In addition, the Rolle (Brinkmann et al. 1997). gesammelt, anschließend bestimmt und discovery of a shell of U. crassus in the River nach Arten sortiert. Im Anschluss wurden Alte Oder proves the potential suitability of Für die Alte Oder, die sich westlich der alle lebenden Tiere wieder am Entnahmeort this water body for this vulnerable species. Oder im Osten Brandenburgs erstreckt, ausgesetzt.
Martin Jakob & Ole Müller: Untersuchung der Großmuschelbestände (Bivalvia: Unionidae) in ausgewählten Gewässern 5 Abb. 1 Lage der Untersuchungspunkte UP 1 – 13 (Quelle: Biotoptypenkartierung des Landes Brandenburg, Autoren: B. Wuntke/ZALF, O. Müller) Folgende Untersuchungspunkte (UP) wur- den am 12.07.2017 beprobt: UP 1: Stöbber unterhalb der Ortslage Bu ckow ca. 300 – 550 Meter unterhalb der Ein- mündung des Seeabflusses des Kleinen Tor- nowsee im Naturschutzgebiet Stobbertal. UP 2: Alte Oder (Quappendorfer Kanal) oberhalb Ortslage Neufriedland, sowie ca. 250 Meter oberhalb der Stöbbereinmün- dung in die Alte Oder (Friedländer Strom). UP 3: Alte Oder (Friedländer Strom) an einem Sedimentfang, auf Höhe Ortslage Neufriedland, sowie auf Höhe der Stöbber einmündung in dieses Gewässer. UP 4: Stöbber auf Höhe Ortslage Neufried- land, an dieser Stelle mündet das Gewässer in den Friedländer Strom ein. UP 5: Alte Oder auf Höhe Ortslage Platkow bei Paschenbrück. UP 6: Alte Oder innerhalb Ortslage Gusow. UP 7: Alte Oder auf Höhe Ortslage Neu- langsow, sowie etwa 500 Meter oberhalb der Ortslage Altlangsow. Abb. 2 Transekt 01 d am Stöbber Buckow (Foto: M. Jakob)
6 Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 27 (4) 2018 Gewässer UP TR Fläche/Wassertiefe Kurzbeschreibung Ortslage 01 Stöbber a 2,0 m²/0,3 – 0,4 m - linkes Gewässerufer; Spülrinne am Böschungsfuß, Böschung durchwurzelt, angedeutete flu- unterhalb tende Wurzelbärte; lagestabile und feste Sohle bestehend aus Sand; monotone Strömung (Ge- Buckow schwindigkeit 0,2 – 0,3 m/s) b 2,25 m²/0,2 – 0,25 m - rechte Gewässerseite, Längsbank im Gleithangbereich; instabile Sohle bestehend aus aufgela- gertem Sand; monotone Strömung (Geschwindigkeit 0,1 – 0,2 m/s) c 4,0 m²/0,5 – 0,6 m - rechtes Gewässerufer; Wurzelkolk, weniger stark durchspült, durchwurzelte Böschung, flu- tende Wurzelbärte; instabile Sohle bestehend aus aufgelagerten, instabilen, schlammigen Sub- straten; Strömung mit etwas Diversität (Geschwindigkeit 0,2 – 0,3 m/s) d 4,0 m²/0,7 – 0,8 m - linkes Gewässerufer; tiefer, stark durchströmter Wurzelkolk mit lagestabilen mineralischen Substraten, Böschung durchwurzelt; großflächig flutende Wurzelbärte; lagestabile und feste Sohle bestehend aus Sand und Kies; Strömung mit hoher Diversität (Geschwindigkeit 0,3 – 0,4 m/s) 02 Alte Oder a 2,0 m²/1,0 m - rechte Gewässerseite, am Fuß einer Uferpappel; durchwurzelte Ufer, einzelne Ufer-Unterspü- Neufriedland lungen; lagestabile, sandige, schlickige Sohle; Vegetation bestehend aus Pfeilkraut, Igelkolben; monotone Strömung (Geschwindigkeit 0,1 m/s) b 3,0 m²/1,0 m - rechte Gewässerseite, am Fuß einer Uferpappel; stark durchwurzelt, einzelne Ufer-Unterspü- lungen; lagestabile, sandige, schlickige Sohle; Vegetation bestehend aus Pfeilkraut, Igelkolben, Schilf, Röhricht; monotone Strömung (Geschwindigkeit 0,1 m/s) 03 Alte Oder a 3,0 m²/0,6 – 1,1 m - rechte Gewässerseite; sandige, schlickige Sohle mit organischer schlammiger Auflage, ufernah Neufriedland Schotter; Vegetation bestehend aus Igelkolben und Schilf; monotone Strömung (Geschwindig- keit 0,1 m/s) 04 Stöbber a 2,0 m²/1,2 m - linke Gewässerseite; instabile, schlammige, schlickige Sohle, ca. 0,2 m aufgelagert; Vegetation Neufriedland bestehend aus Igelkolben, Schilf, Rohrglanzgras, monotone Strömung (Geschwindigkeit 0,2 m/s) 05 Alte Oder a 6,0 m²/0,8 – 1,5 m - linkes Ufer, innerhalb einer Ausbuchtung; < 5 % Schatten; instabile, sandige, kiesige Sohle mit Platkow aufgelagertem organischem Material und Bauschutt; Vegetation bestehend aus Pfeilkraut, Was- serstern, Röhricht; stagnierende Strömung (Geschwindigkeit < 0,1 m/s) 06 Alte Oder a 12 m²/0,4 – 0,8 m - linkes Ufer, an Mündungsbereich eines anderen Gewässerarms; vereinzelte Ufergehölze, we- Gusow nig Beschattung; lagestabile, sandige, schlickige Sohle mit Bauschutt; Vegetation bestehend aus Pfeilkraut (flächendeckend); mäßige Strömung (Geschwindigkeit 0,1 m/s) b 6 m²/0,2 – 0,4 m - linkes Ufer, einige Meter oberhalb von Transekt a; vereinzelte Ufergehölze, wenig Beschat- tung; lagestabile, sandige, kiesige Sohle, zur Gewässermitte hin schlickiger und instabiler; ge- ringe Vegetation bestehend aus Pfeilkraut; mäßige Strömung (Geschwindigkeit 0,1 m/s) 07 Alte Oder a 6 m²/0,4 – 0,7 m -Gewässermitte, in Mündungsbereichs eines Grabens; recht lagestabile, tonige, lehmige, san- Altlangsow dige Sohle mit organischen Ablagerungen; Vegetation bestehend aus Pfeilkraut, Laichkraut, Schwaden; mäßige Strömung (Geschwindigkeit 0,1 m/s) b 10 m²/0,4 – 0,7 m - Gewässermitte, oberhalb des Mündungsbereichs eines Grabens; recht lagestabile, sandige, schlickige, tonige Sohle; Vegetation bestehend aus Pfeilkraut, Laichkraut, Schwaden; mäßige Strömung (Geschwindigkeit 0,1 m/s) 08 Oder a 4 m²/0,4 – 1,2 m - strömungsberuhigter Bereich innerhalb der Altwasserbucht; instabile, sandige, schlickige, Reitwein schlammige Sohle; Vegetation bestehend aus Pfeilkraut, Schwanenblume, Wasserpest, Horn- kraut, Rohrglanzglas b 2 m²/0,5 – 1,5 m - strömungsberuhigter Bereich, Mündungsbereich der Altwasserbucht in die Oder; instabile, sandige, kiesige, schlickige Sohle; Vegetation bestehend aus Pfeilkraut, Schwanenblume, Was- serpest, Hornkraut, Rohrglanzglas 09 Oder a 8 m²/0,4 – 0,6 m - unmittelbar hinter dem Buhnenfeld in der Bucht; instabile Sohle bestehend aus Sand mit et- Reitwein was Kies; Zirkulationsströmung; Vegetation bestehend aus Röhricht 10 Alte Oder a 4 m²/0,4 – 1,3 m - linkes Flussufer; starke Beschattung; tonige, schlickige Sohle mit organischen Ablagerungen; Rathstock vegetationsfrei; mäßige Strömung (Geschwindigkeit 0,1 m/s) b 4 m²/0,4-1,3 m - identisch mit Transekt a 11 Oder a 4 m²/1,0 m - linkes Flussufer; lagestabile, sandige, tonige Sohle mit leichter Fadenalgenauflage und viel Küstrin-Kietz Bauschutt; stagnierende Strömung b 4 m²/0,3 – 0,6 m - Flussmitte; Sohle bestehend aus vollständig instabilem Sand mit leichter Fadenalgenauflage; stagnierende Strömung c 4 m²/0,5 – 0,8 m - linkes Ufer, oberhalb von Transekt a, in einer angedeuteten Spülrinne; lagestabile, sandige Sohle mit etwas Kies, sowie dünner Feinstoffablage und Fadenalgenauflage; stagnierende Strö- mung 12 Alte Oder a 15 m²/0,4 – 0,6 m - Transekt füllt gesamte Breite des Gewässers aus; Gleithang, Spülrinne am Wurzelkolk; lage- Manschnow stabile, sandige, schlickige, randlich durchwurzelte Sohle mit sehr vielen Molluskenschalen; Ve- getation bestehend aus einem Uferwald mit Erlen, Eschen und Robinien; monotone Strömung (Geschwindigkeit 0,2 m/s) 13 Alte Oder a 6 m²/0,4 – 0,9 m - linkes Flussufer; lagestabile, sandige, tonige Sohle mit Bauschutt, Ästen, vielen Molluskenscha- Golzow len; Vegetation bestehend aus Teichrose, Pfeilkraut, Igelkolben, Rohrglanzgras; monotone Strö- mung (Geschwindigkeit 0,1 – 0,15 m) b 10 m²/0,3 – 1,1 m - rechtes Flussufer bis -mitte; lagestabile, sandige, schlickige Sohle, zur Flussmitte hin schlam- miger mit vielen Molluskenschalen; Vegetation bestehend aus Teichrose, Pfeilkraut, Igelkolben, Rohrglanzgras; monotone Strömung (Geschwindigkeit 0,1 – 0,15 m) Tab. 1 Kurzcharakteristik untersuchter Transekte (Tr) der UP 1-13
Martin Jakob & Ole Müller: Untersuchung der Großmuschelbestände (Bivalvia: Unionidae) in ausgewählten Gewässern 7 Folgende Untersuchungspunkte wurden am dung in die Alte Oder hingegen, konnte nur chungspunkt 13 wies nur 4 der 6 einheimi- 13.07.2017 beprobt: eine geringe Muscheldichte und das Vor- schen Großmuschelarten auf, jedoch war UP 8: Oder an einer Altwasserbucht auf Hö- kommen von drei Arten, sowie das Fehlen hier mit insgesamt 730 Großmuscheln ver- he Ortslage Reitwein. von U. crassus ermittelt werden. teilt auf zwei Transekte die höchste Gesamt- UP 9: Oder an einer Flutrinne hinter einem anzahl an Muscheln aller Untersuchungs- Buhnenfeld auf Höhe Ortslage Reitwein. Die Untersuchungen an der Alten Oder lie- punkte zu finden (46 Individuen je qm). UP 10: Alte Oder oberhalb Ortslage Rath- ferten folgende Resultate: Untersuchungs- stock. punkt 2 wies ein ähnlich ausgeprägtes Ar- Für die Oder ließen sich folgende Ergebnisse UP 11: Oder an einem Vorflutkanal auf Hö- tenspektrum wie UP 1 auf. Unio crassus feststellen: Am Untersuchungspunkt 8 wur- he Ortslage Küstrin-Kietz. konnte hier nicht nachgewiesen werden. den 107 Großmuscheln geborgen, die vier UP 12: Alte Oder unmittelbar oberhalb der Dafür war P. complanata präsent. In den unterschiedlichen Arten angehören. Unter- Ortslage Manschnow. zwei Transekten wurden insgesamt 69 Mu- suchungspunkt 9 wies von allen Untersu- UP 13: Alte Oder auf Höhe Ortslage Gol- scheln geborgen, dabei machte U. tumidus chungspunkten die geringste Artenvielfalt zow. mit 40 Individuen den größten Anteil aus. mit nur 2 dokumentierten Arten auf. Nur vier der sechs einheimischen Großmu- An Untersuchungspunkt 11 ließen sich unter schelarten waren an Untersuchungspunkt 3 den 49 geborgenen Exemplaren, verteilt auf Ergebnisse nachweisbar, die Arten U. crassus und P. drei Transekte, insgesamt drei verschiedene complanata wurden bei den Untersu- Großmuschelarten nachweisen. Im Ergebnis der Untersuchungen aller Pro- chungen nicht nachgewiesen. An den Un- bestellen wurden auf insgesamt 118,25 tersuchungspunkten 5 und 7 wurden nur Quadratmetern sechs Großmuschelarten mit geringe Muscheldichten mit vier bezie- einer Individuenzahl von insgesamt 1721 hungsweise drei Arten ermittelt (Tab. 2). An Muscheln dokumentiert. Untersuchungspunkt 6 ließen sich in zwei Dabei kam die Art U. tumidus mit 1182 Indi- Transekten unter den 87 geborgenen Exem- viduen mit Abstand am häufigsten vor plaren insgesamt fünf verschiedene Groß- (Abb. 3). Weiterhin wurden 188 Individuen muschelarten nachweisen. Bemerkenswert von U. pictorum, 251 von A. anatina, 71 von war der Fund einer Schale von U. crassus im U. crassus, 24 von A. cygnea, sowie 5 Indivi- Untersuchungspunkt 7. Dem Erhaltungszu- duen von P. complanata gefunden. stand der Schale nach hat das Tier in den letzten Jahrzehnten in diesem Gewässer ge- Für den Stöbber kamen die folgenden Ergeb- lebt. nisse zustande. An Untersuchungspunkt 1 Am Untersuchungspunkt 10 ließen sich nur ließen sich alle einheimischen Großmuschel- drei Großmuschelarten nachweisen, bei ei- arten, mit Ausnahme von P. complanta, ner Gesamtanzahl von 57 geborgenen Mu- nachweisen. Dabei trat U. crassus mit 71 Ex- scheln in 2 Transekten. emplaren am häufigsten auf (Tab. 2). Tran- An Untersuchungspunkt 12 trat wieder eine sekt d wies mit 22,25 Großmuscheln pro höhere Artenvielfalt mit fünf nachgewie- Quadratmeter die größte Muscheldichte auf. senen Arten auf. Die dominante Art war U. An Untersuchungspunkt 4 an der Einmün- tumidus mit 234 Exemplaren. Der Untersu- Summe Summe U. tumidus U. tumidus U. pictorum U. pictorum U. crassus U. crassus P. complanata P. complanata A. cygnea A. cygnea A. anatina A. anatina 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 Anzahl der Individuen Anzahl der Individuen Abb. 3 Häufigkeiten der Arten im gesamten Untersuchungsgebiet (UP 1 – 13)
8 Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 27 (4) 2018 Pseudanodonta complanata Anodonta anatina Anodonta cygnea Unio pictorum Unio tumidus Unio crassus UP/T Dat. Stöbber unterhalb Buckow 1a 12.07.2018 - 5 7 - - 1 Stöbber unterhalb Buckow 1b 12.07.2018 2 - - - - - Stöbber unterhalb Buckow 1c 12.07.2018 1 1 - - - - Stöbber unterhalb Buckow 1d 12.07.2018 5 19 64 - 1 - Alte Oder (Quappendorfer Kanal) oberh. Stöbbermündung 2a 12.07.2018 32 7 - 1 2 6 Alte Oder (Quappendorfer Kanal) oberh. Stöbbermündung 2b 12.07.2018 8 10 - 1 - 2 Alte Oder (Friedländer Strom) 3a 12.07.2018 12 24 - - 2 18 Stöbber (Mündung in die Alte Oder) 4a 12.07.2018 6 8 - - 2 1 Alte Oder bei Paschenbrück 5a 12.07.2018 - 17 - - 5 12 Alte Oder bei Gusow 6a 12.07.2018 16 12 - - - 1 Alte Oder bei Gusow 6b 12.07.2018 34 18 - 1 - 5 Alte Oder bei Altlangsow 7a 12.07.2018 37 4 - - - 17 Alte Oder bei Altlangsow 7b 12.07.2018 52 8 - - - 29 Oder bei Reitwein Altwasserbucht 8a 13.07.2018 12 2 - - - 44 Oder bei Reitwein Altwasserbucht 8b 13.07.2018 10 1 - 1 - 37 Oder bei Reitwein Flutrinne 9a 13.07.2018 5 - - - - 4 Alte Oder bei Rathstock 10a 13.07.2018 5 - - - - 8 Alte Oder bei Rathstock 10b 13.07.2018 26 2 - - - 16 Oder Vorflutkanal Küstrin Kietz 11a 13.07.2018 2 - - - - 1 Oder Vorflutkanal Küstrin Kietz 11b 13.07.2018 11 1 - - - 1 Oder Vorflutkanal Küstrin Kietz 11c 13.07.2018 19 8 - - - 6 Alte Oder bei Manschnow 12a 13.07.2018 234 9 - 1 1 8 Alte Oder bei Golzow 13a 13.07.2018 95 6 - - 3 12 Alte Oder bei Golzow 13b 13.07.2018 558 26 - - 8 22 1182 188 71 5 24 251 Tab. 2 Nachweise von Großmuscheln an den untersuchten Gewässerabschnitten. Abb. 4 Die an Untersuchungspunkt 7 gefundene U. crassus-Schale
Martin Jakob & Ole Müller: Untersuchung der Großmuschelbestände (Bivalvia: Unionidae) in ausgewählten Gewässern 9 Abb. 5 Fundort der Schale von U. crassus an der Alten Oder (UP 7) 4 Diskussion wässer der Landkreise Prignitz, Ostprignitz- hohen Sauerstoffgehalt angewiesen (Brink- Ruppin, Uckermark, Barnim, Märkisch- mann et al. 1997). Besondere Gefährdungs- Die Ergebnisse dieser Arbeit geben einen Oderland, Dahme-Spreewald, Spree-Neiße ursachen sind demnach die mit einer allge- quantitativen Aufschluss über das Vorkom- und Teltow-Fläming (Hartenauer 2012). Be- meinen Eutrophierung einhergehenden Ver- men und die Gefährdungslage der unter- stände mit gutem Erhaltungszustand (sensu änderungen der Flusssohle: das Fehlen of- suchten einheimischen Großmuschelarten in PAN GMBH & ILÖK (Bearb.) 2010) sind von fener mineralischer Substrate, Ablagerung Gewässern im östlichen Brandenburg. lediglich 6 Gewässern bekannt: Karthane, von Feindetritus gepaart mit Sauerstoffman- Vergleicht man die Befunde mit der kürzlich Stepenitz, Sude (Prignitz), Alte Finow, Hell- gel in der Sohle. Allochthoner Sedimentein- verfassten Roten Liste und der Gesamtarten- mühlenfließ (Barnim) und Stöbber (Mär- trag, maschinelle Gewässerunterhaltung und liste der Weichtiere von Berlin (Hackenberg & kisch-Oderland), wobei die Datenerhebung der Gewässerausbau tragen ebenso zur Ver- Müller 2017), die auch Einstufungen der Ar- auf die Jahre 2009/ 2010 zurückgeht (Har- änderung der Nutzungseigenschaften ehe- ten für das Land Brandenburg enthält, deckt tenauer 2012). mals geeigneter Gewässer bei. Eingeschlepp- sich das Vorkommen und der Gefährdungs- Dass die Alte Oder durch Unio crassus be- te Muschelarten wie beispielsweise Corbicu- zustand der Arten größtenteils mit unseren siedelt war, zeigt der Fund der Schale ober- la fluminea (Grobgerippte Körbchenmu- Ergebnissen. So werden A. anatina (nicht halb Altlangsow. Das Aussterben von U. schel), die mit den heimischen Arten um Le- gefährdet), U. pictorum und U. tumidus (re- crassus in der Alten Oder liegt nach dem Zu- bensraum konkurrieren und eingeschleppte gional gefährdet) als relativ häufige Arten, stand der gefundenen Schale zu urteilen Fressfeinde wie Ondatra zibethicus (Bisam)) sowie P. complanata (stark gefährdet) als aber offenbar bereits längere Zeit zurück. verschärfen den Druck auf rezente Populati- sehr seltene Art eingestuft. Überraschend Auch Brinkmann et al. (1997) und Hartenauer onen, die vielerorts mit alten Muscheln oh- waren die geringen Abundanzen von A. cyg- (2012) konnten bei Ihren Untersuchungen nehin kaum noch reproduktiv sind (Petrick nea, die in Berlin als mäßig häufig vorkom- keine aktuellen Nachweise erbringen. Hin- 2006). mend und für Brandenburg lediglich als ge- sichtlich der Sedimentstruktur, der Fließge- Weiterhin haben auch Beeinträchtigungen fährdet eingestuft ist (Hackenberg & Müller schwindigkeit und des Nährstoffgehaltes der Fischfauna – typische Wirtsfische sind 2017). kann die Alte Oder augenscheinlich als po- beispielsweise Döbel (Squalius cephalus), El- tenzielles Entwicklungsgewässer eingestuft ritze (Phoxinus phoxinus) und Rotfeder Unio crassus gilt für Berlin als ausgestorben/ werden. (Scardinius erythrophthalmus) (Taeubert et verschollen (Hackenberg & Müller 2017), in al. 2012) – eine direkte Auswirkung auf U. Brandenburg als vom Aussterben bedroht Es gibt viele Aspekte, die eine Rolle für den crassus, da deren Larven obligat Fische para- (Herdam & Illig 1992). Die bekannten re- Gefährdungsstatus dieser Art spielen. Unio sitieren (Brinkmann et al. 1997). So kommt zenten Vorkommen beschränken sich in crassus ist besonders im Jugendstadium auf es, dass die Art derzeit wohl nur noch in 12 Brandenburg wahrscheinlich auf wenige Ge- eine hohe Wasserqualität sowie auf einen Fließgewässern in Brandenburg nachweisbar
10 Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 27 (4) 2018 ist (Petrick 2006), welche oft relativ natur- donta woodiana (Lea, 1834) (Bivalvia: Unionidae). Polish Journal of Natural Sciences, Vol 22(4): 679- belassen sind. Zu diesen Gewässern zählt der 690 untersuchte Stöbber. Hackenberg, E. & Müller, R. 2017: Rote Liste und Ge- samtartenliste der Weichtiere (Mollusca: Gastropoda Eine im Rahmen dieser Arbeit durchge- und Bivalvia) von Berlin. In: Der Landesbeauftragte führten Recherche hinsichtlich des Vorkom- für Naturschutz und Landschaftpflege / Senatsver- mens von U. crassus im polnischen Teil des waltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Oder-Einzuges ergab, dass die Art dort le- (Hrsg.): Rote Listen der gefährdeten Pflanzen, Pilze und Tiere von Berlin, 40 S. doi: 10.14279/deposi- diglich als gefährdet eingestuft wird und tonce-5845 nicht die polnische Oder bzw. deren unmit- telbare Zuflüsse besiedelt. Zu diesem Ergeb- Hartenauer, K. 2012: Situation und Bewertung des Er- haltungszustandes der Bachmuschel (Unio crassus nis kamen rezente Untersuchungen (Pie Philipsson, 1788) in ausgewählten Gewässern Bran- chocki & Szlauer-Łukaszewska 2013). In an- denburgs. - Naturschutz und Landschaftspflege in deren Teilen Polens kommt die Art jedoch Brandenburg 21 (3) 2012: 111-119 noch relativ häufig vor. Ein Hauptverbrei- Herdam , V. & Illig, J. 1992: Rote Liste der Weichtiere tungsgebiet in Polen ist das Einzugsgebiet (Mollusca, Gastropoda & Bivalvia). In: Ministerium der Wisła (Weichsel). So konnte Lewin für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung im Land Brandenburg (Hrsg.): Rote Liste – Gefährdete (2014) in dem Fluss Wkra, der bei War- Tiere im Land Brandenburg, Potsdam, Unze-Verlag: schau in die Wisła mündet, ein relativ 39–48 großes Vorkommen nachweisen, Hus et al. Hus, M.; Śmiałek, M.; Zając, K & Zając, T. 2006: Oc- (2006) in einigen Flüssen im Vorland der currence of Unio Crassus (Bivalvia, Unionidae) De- polnischen Karpaten (Wilga, Głogoczówka, pending on Water Chemistry in the Foreland of the Cedron und Skawinka-Harbutówka), sowie Polish Carpathians - Polish Journal of Environmental Bonk (2016) im Fluss Stradomka, ein Ne- Studies Vol. 15, No. 1: 2006: 169-172 benfluss der Raba, welche in die Wisła im Jungbluth, J. H. & Knorre, D. (unter Mitarbeit von Süden Polens mündet. Weiterhin gibt es ei- Bössneck, U., Groh, K., Hackenberg, E., Kobialka, H., ne größere Konzentration von Vorkommen Körnig, G., Menzel-Harloff, H., Niederhöfer, H.-J., Petrick, S., Schniebs, K., Wiese, V., Wimmer, W. & Zett- im Nordosten Polens, was Marzec (2010) ler, M. L.) 2009: Rote Liste der Binnenmollusken für das Gebiet Pojezierze Mazurskie (Masu- [Schnecken (Gastropoda) und Muscheln (Bivalvia)] rische Seenplatte) und Lewandowski & Jaku- in Deutschland. 6. revidierte und erweiterte Fassung 2008. Mitteilungen der Deutschen Malakozoolo- bik (2014) für das Gebiet Puszcza Romincka gischen Gesellschaft 81: 1–28 (Rominter Heide) herausfanden. Die Dichte und Entfernung intakter Populationen in Lewandowski, K. & Jakubik, B. 2014: Bivalves of the fa- mily Unionidae in the Krutynia river-lake system Polen könnte bei entsprechender Vernet- (Masurian Lakeland). Chrońmy Przyr. Ojcz. 70: zung der Gewässersysteme bedeutsam für 423–430 die potentielle Rekolonialisierung geeig- Lewin, I. 2014: Mollusc communities of lowland rivers neter Gewässer im brandenburgischen and oxbow lakes in agricultural areas with anthro- Oder-Einzugsgebiet sein. Im Moment ist ei- pogenically elevated nutrient concentration - Folia ne Wiederbesiedlung durch mit Glochidien Malacol. 22(2): 87–159 infizierte Wirtsfische aus dem Stöbber wahr- Lopes-Lima , M., U. Kebapçı & Van Damme, scheinlicher, sofern die Durchgängigkeit der D. 2014: Unio crassus. The IUCN Red List of Threat- Friedländer Teiche für diese Fischarten ge- ened Species 2014: e.T22736A42465628. http:// geben ist. dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2014-1.RLTS. T22736A42465628.en. Downloaded on 01 April 2019. Danksagung Marzec, M. 2010: Bivalves of the family Unionidae in the Krutynia river-lake system (Masurian Lakeland). Chrońmy Przyr. Ojcz. 70: 423–430 Wir danken Torsten Berger und René Lin- kohr (Gewässerökologisches Büro, Potsdam) PAN GmbH & ILÖK (Bearb.) 2010: Bewertung des Er- haltungszustandes der Arten nach Anhang II und IV für die Planung und fachliche Begleitung der der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in Deutschland – Freilanduntersuchungen. Kilian Linke (Carl- Überarbeitete Bewertungsbögen der Bund-Länder- Friedrich-Gauß-Gymnasium, Frankfurt Arbeitskreise als Grundlage für ein bundesweites FFH-Monitoring, 206 S. (Oder)) unterstütze die Arbeit im Feld. Bea- trix Wuntke (ZALF Müncheberg) half bei der Petersen, B.; G. Ellwanger; G. Biewald; U. Hauke; G. Erstellung der Karte. Siegfried Petrick (LfU Ludwig; P. Pretscher; E. Schröder & Ssymank, A. (Be- Brandenburg) und Catrin Müller-Paulukat arb.) 2003: Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Ökologie und Verbreitung von Arten (Libbenichen) danken wir für kritische Hin- der FFH-Richtlinie in Deutschland. Bd.1: Pflanzen weise zum Manuskript. und Wirbellose. Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 69/1. Bundesamt für Naturschutz, Bonn (Hrsg.): 649-664 Literatur Petrick, S. 2006: Weichtier des Jahres 2006 – Die Bachmuschel oder Kleine Flussmuschel (Unio cras- Bonk, M. 2016: Notes on the thick shelled river mussel sus Philipsson, 1788) - Naturschutz und Landschafts- Unio crassus Phillipson, 1788 (Bivalvia: Uniodae) in pflege in Brandenburg 15 (3) 2006: 74 Anschrift der Autoren: Stradomka (Southern Poland), a tributary of the Ra- ba River - Folia Malacol. 24(4): 289–293 Piechocki, A. & Szlauer-Łukaszewska, A. 2013: Mol- Martin Jakob luscs of the middle and lower odra: The role if the Brinkmann, R.; Otto, C.-J. & Wiese, V. 1997: Zur Mol- river in the expansion of alien species in Poland - Fo- Dr. Ole Müller luskenfauna der Alten Oder (Land Brandenburg). - lia Malacol. 21(2): 73–86 Städtisches Gymnasium Carl Friedrich Gauß Schr. Malakozool. 10: 49-58 Mathematisch-naturwissenschaftlich- Taeubert, J., A. Martinez, B. Gum & Geist, J. 2012: The relationship between endangered thick-shelled river technische Spezialschule Domagała, J .; Łabęcka, A. M.; B. Migdalska, B. & Pi- lecka-Rapacz, M. 2007: Colonisation of the chanels mussel (Unio crassus) and its host fishes – Biological Friedrich-Ebert-Str. 52 of Miedzyodrze (Noth-Western Poland) by Sinano- Conversation Vol. 155 (2012): 94-103 15234 Frankfurt (Oder)
Martin Jakob & Ole Müller: Untersuchung der Großmuschelbestände (Bivalvia: Unionidae) in ausgewählten Gewässern 11 Die Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera) konnte in den letzten 10 Jahren an 3 Stellen gefunden werden, alle gehen vermutlich auf Ansalbung zurück (zum Beitrag von F. Zimmermann). Naturpark Uckermärkische Seen, 20.6.2015 Foto: F. Zimmermann
12 Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 27 (4) 2018 Die meisten in unterschiedlichen Zeiträumen zu uns gelangten Pflanzenarten haben sich in die Lebensräume gut „eingenischt“ und bedrängen keine anderen Arten. Frank Zimmermann „Neubürger“ unter den Pflanzen in Brandenburg – Geschichte, Bedeutung, aktuelle Entwicklungen Schlagwörter: Indigene, Archaeophyten, Neophyten, Adventive, invasive Arten Keywords: Native species, Archaeophytic plants, Neophytic plants, Adventives, Invasive species Zusammenfassung Summary Kohldistel (Cirsium oleraceum), Rundblätt- riger Sonnentau (Drosera rotundifolia) und „Zuwanderer“ prägen die Pflanzenwelt “Emigrants” are an important part of the das Echte Federgras (Stipa pennata agg.). Brandenburgs in ganz erheblichen Anteilen. flora of Brandenburg. Nearly 1.400 species Von den etwa 2.000 bei uns nachgewie- Etwa 1.400 der etwa 2.000 bei uns nachge- from all 2.000 etablished species are native senen etablierten Sippen sind nur etwa wiesenen, etablierten Sippen sind hier ur- (indigenious). About 220 species emigrated 1.400 ursprünglich heimisch (indigen) und sprünglich heimisch (indigen). Etwa 220 Ar- between 5.500 b.C. (Archaephytic species). kamen hier bereits vor etwa 6.500 Jahren, ten wanderten mit der zunehmenden Ein- About 350 species occurred at first after also ohne nennenswerten Einfluss des Men- flussnahme des Menschen seit etwa 5.500 1.500 a.C. (neophytic species). Many of schen, vor. v. C. bei uns ein. them were important as nutriants, medical Doch bereits ab der Jungsteinzeit (in Mittel- Ungefähr 350 Sippen sind erst nach 1500 plants or are planted in forests and parks. europa seit etwa 5.500 v. Chr.) wurden mit nach Brandenburg gelangt (Neophyten). Die Many non native species are endangered to- zunehmendem Ackerbau auch im Zusam- Arten wurden vom Menschen aktiv als day because of changing of land using and menhang mit dem Getreide bestimmte Nutzpflanzen (Nahrungspflanzen, Heilpflan- chemical influences of mineral fertilizers and Pflanzenarten zufällig eingebracht, gefördert zen, Forst- und Ziergehölze) hierher ge- herbicides in agriculture. und verbreitet. Zu diesen bereits sehr früh zu bracht, gelangten als Kulturfolger zu uns More than 1.000 species are so called “ad- uns gelangten Arten gehören u.a. die allbe- oder wurden auf unterschiedlichem Wege ventive plants”. The can not grow for longer kannte Kornblume (Centaurea cyanus) und „verschleppt“. time under natural conditions. der Klatschmohn (Papaver rhoeas). Wäh- Nicht wenige der bei uns eingewanderten Only a few plants are invasive plants. About rend diese beiden Arten und manch andere Pflanzen gehören heute zu den gefährdeten 30 species have different influences on na- auch heute noch typische Begleiter in un- Arten, einige sind bereits wieder ausgestor- tive species or ecosystems. Five species are serer Kulturlandschaft sind, verschwanden ben. Vor allem viele Acker-Wildkräuter wer- invasive plants according to an European di- viele andere Arten im Laufe der Zeit mit ver- den durch die fortschreitende Intensivierung rective. änderten landwirtschaftlichen Wirtschafts- und Chemisierung der Ackernutzung immer methoden und Fruchtfolgen wieder oder weiter zurückgedrängt. sind bis heute selten geworden. Weitere etwa 1.000 Sippen unter den Ge- 1 Einleitung – Indigene und Mit den Eroberungen durch die Römer kam fäßpflanzen gelten nicht als etabliert. Diese Archaeophyten es zur Einwanderung neuer Arten auch nach sogenannten Adventivpflanzen gelangen Deutschland. Dazu gehören u.a. Ackerhah- auf unterschiedlichem Wege – häufig aus Wanderungen von Arten finden seit jeher in nenfuß (Ranunculus arvensis) oder Acker- Gärten und Parks – in unsere Landschaft. unserer Natur statt. Nach dem Ende der gauchheil (Anagallis arvensis). In das Gebiet Zumeist gelingt es ihnen aber nicht, fest letzten Kaltzeit vor etwa 12.000-15.000 des heutigen Brandenburg gelangten sie al- Fuß zu fassen und sich unter den hier herr- Jahren wanderten Tier- und Pflanzenarten lerdings erst viel später. schenden klimatischen Bedingungen zu aus den eisfrei gebliebenen Gebieten Euro- Alle Pflanzenarten, die seit etwa 5.500 v. vermehren und spontan weiter auszubrei- pas über verschiedene Wege bei uns ein Chr. bis etwa 1500 (genau: 1492) zu uns ge- ten. und prägten nach und nach in verschie- langt sind, bezeichnet man als Archaeo- Nur wenige „Neubürger“ unter den Pflan- denen Vegetationsformen die postglaziale phyten (vgl. Sukopp 2001). Etwa 220 Sippen zen sind aus naturschutzfachlicher Sicht als Landschaft. Mit zunehmender Erwärmung wanderten im Gebiet des heutigen Landes problematisch anzusehen. Insgesamt wer- des Klimas mit einem Höhepunkt im Atlanti- Brandenburg in diesem Zeitraum ein. Viele den in Brandenburg etwa 30 Pflanzenarten kum (zwischen ca. 8.000 v. Chr. und ca. davon sind über landwirtschaftliche Kul- als invasiv betrachtet. Diese können zumin- 4.000 v. Chr.) konnten sich hier Arten eta- turen, Wanderungen von Tierherden etc. als dest regional wertvolle Biotope oder schüt- blieren, die teilweise später wieder ver „Kulturfolger“ des Menschen hierher ge- zenswerte Arten in ihren Beständen gefähr- schwanden. langt. So verwundert es nicht, wenn sich da- den. Die Einwanderung erfolgte zum Beispiel runter zahlreiche Acker-Wildkräuter oder Von den aus europäischer Sicht auch recht- über die Flusstäler, mit Zugvögeln oder dem Pflanzenarten der Siedlungsbiotope oder lich als invasiv zu wertenden Arten treten in Wind und über kürzere Distanzen vor allem Ruderalflächen befinden wie z.B. das auch Brandenburg nur fünf bisher überwiegend über Wildtiere. Zunächst hat der Mensch heute noch allgegenwärtige Hirtentäschel recht lokal in Erscheinung. diesen natürlichen Prozess nur wenig beein- (Capsella bursa-pastoris), Schwarznessel flusst. Zu diesen Arten der ursprünglichen (Ballota nigra) oder Gemeine Wegwarte Naturlandschaft gehören beispielsweise (Cychorium intybus). Eher unbekannt ist,
Frank Zimmermann: „Neubürger“ unter den Pflanzen in Brandenburg – Geschichte, Bedeutung, aktuelle Entwicklungen 13 Abb. 1 Der Rundblättrige Sonnentau (Drosera rotundifolia) gehört zu den indigenen Arten dass dazu auch Arten wie die Zypressen- Wolfsmilch (Euphorbia cyparissias) oder das Sumpf-Knabenkraut (Anacamptis palustris) gehören. Andere Archaeophyten wie Kleine Brennnessel (Urtica urens) oder Lämmersalat (Arnoseris minima) – ebenfalls noch vor we- nigen Jahrzehnten allgegenwärtig – gehören heute bereits wieder zu den gefährdeten Pflanzen. Abb. 2 Das Sand-Federgras (Stipa borystenica) wanderte mit Klimaverbesserung nach der letzten Kaltzeit mit den Steppenrasen bei uns ein.
14 Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 27 (4) 2018 Abb. 3 – oben Die Kornblume (Centaurea cyanus) kam mit Getreidekulturen zu uns. Abb. 4 – links Ob die Engelwurz (Angelica archangelica) bei uns ursprünglich indigen ist oder als Archaephyt zu werten ist, kann nicht eindeutig beurteilt werden. Abb. 5 – unten Auch das Indigenat der Seekanne (Nymphoides peltata) in Brandenburg ist nicht eindeutig geklärt. Die Art wird auch aus Gartenteichen in die Natur verbracht.
Frank Zimmermann: „Neubürger“ unter den Pflanzen in Brandenburg – Geschichte, Bedeutung, aktuelle Entwicklungen 15 Abb. 6 – oben Auch der Klatschmohn (Papaver rhoeas) ge- langte in der Jungsteinzeit vor etwa 5.500 Jahren mit Getreidekulturen nach Mitteleu- ropa Abb. 7 – links Der Acker-Wachtelweizen (Melampyrum arvense) war – wie sein Name verrät – als Halbschmarotzer auf Getreide früher vor allem Ackerunkraut. Heute findet man ih nur noch relativ selten in Steppen- und Halbtrockenrasen. Abb. 8 – unten Der Feld-Lerchensporn (Consolida regalis) liebt kalkreiche Mergelböden und ist eine der wenigen Wildkrautarten der Kalkäcker, die auch heute noch - vor allem im Nordos- ten Brandenburgs - vergleichsweise häufig zu finden ist.
16 Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 27 (4) 2018 Abb. 9 – oben Die Kornrade (Agrostemma githago) war wegen ihrer häufig mit einem Pilz befal- lenen Samen ("Mutterkorn") ein gefürchte- tes Unkraut in Getreideäckern und wurde durch Saatgutreinigung nahezu ausgerottet. Abb. 10 – links Das Herzgespann (Leonurus cardiaca) ziert heute nur noch selten ruderale Stauden- fluren in Dorfnähe. Abb. 11 - unten Der Mauer-Rautenfarn (Asplenium ruta- muraria) konnte sich erst mit dem Bau von Gebäuden und Mauern bei uns etablieren und lebt sonst fast ausschließlich an Felsen. Er benötigt möglichst unverfugte Gemäuer.
Frank Zimmermann: „Neubürger“ unter den Pflanzen in Brandenburg – Geschichte, Bedeutung, aktuelle Entwicklungen 17 Wissenschaftlicher Name Deutscher Name T Bbg. Bbg 1993 D Acinos arvensis (Lam.) Dandy Gemeiner Steinquendel T2 Adonis aestivalis L. Sommer-Adonisröschen T2 1 1 3 Agrostemma githago L.* Kornrade T2 1 1 1 Anchusa arvensis (L.) M. Bieb. subsp. arvensis Acker-Krummhals T2 Anthemis cotula L.* Stink-Hundskamille T2 2 Aphanes arvensis L. Gemeiner Ackerfrauenmantel T2 Arnoseris minima (L.) Schweigg. & Körte Lämmersalat T2 2 3 2 Artemisia absinthium L. Wermut T2 Asparagus officinalis L. subsp. officinalis Spargel T2 Asperula arvensis L.* Acker-Meier T2 0 0 Asplenium ruta-muraria L. subsp. ruta-muraria Mauerraute T2 3 3 Ballota nigra L. subsp. nigra Schwarznessel T2 Bryonia alba L. Weiße Zaunrübe T2 Capsella bursa-pastoris (L.) Med.* Hirtentäschel T2 Cichorium intybus L. Cichorie, Gemeine Weg-Warte T2 Conium maculatum L.* Schierling T2 V Consolida regalis Gray* Feld-Rittersporn T2 3 3 3 Euphorbia cyparissias L. Zypressen-Wolfsmilch T2 Filago arvensis L.* Acker-Filzkraut T2 2 3 Fumaria officinalis L. subsp. officinalis Echter Erdrauch T2 Lamium amplexicaule L. stängelumfassende Taubnessel T2 Lamium purpureum L. Purpurrote Taubnessel T2 Lapsana communis L. Gemeiner Rainkohl T2 Malva alcea L. Siegmarswurz T2 V Malva pusilla Sm.* Nordische Malve T2 G ? 3 Malva sylvestris L. subsp. sylvestris* Wilde Malve T2 V Marrubium vulgare L.* Gemeiner Andorn T2 0 1 2 Matricaria recutita L. Echte Kamille T2 Melilotus albus Medik. Weisser Steinklee T2 Papaver rhoeas L.* Klatsch-Mohn T2 Sisymbrium officinale (L.) Scop. Wege-Rauke T2 Sonchus arvensis L. subsp. arvensis Acker-Gänsedistel T2 Trifolium arvense L. Hasen-Klee T2 Urtica urens L.* Kleine Brennnessel T2 V Valerianella dentata (L.) Pollich* Gezähntes Rapünzchen T2 2 3 Valerianella rimosa Bastard Gefurchtes Rapünzchen T2 1 1 3 Verbena officinalis L. Echtes Eisenkraut T2 2 2 Veronica agrestis L. Acker-Ehrenpreis T2 V Veronica arvensis L. Feld-Ehrenpreis T2 Vicia hirsuta (L.) Gray Rauhaar-Wicke, Zitterlinse T2 Vicia tetrasperma (L.) Schreb. Viersamige Wicke T2 Viola arvensis Murray subsp. arvensis Feld-Stiefmütterchen T2 Tab. 1 Archaeophyten in Brandenburg (Auswahl, nach Ristow et al. 2006)
18 Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 27 (4) 2018 2 Neophyten in Brandenburg Unter dem Einfluss der Landnutzung und durch Einschleppung oder Einwanderung Die Entdeckung Amerikas durch Columbus neuer Arten war bei uns nach der letzten Eis- im Jahr 1492 markierte einen Wendepunkt zeit etwa zwischen 1700 und 1850 der Hö- im Prozess der Einwanderung oder Ein- hepunkt der Artenvielfalt bei den Gefäß- schleppung von Pflanzen. Mit dem rasch pflanzen erreicht. Seitdem hat sich die An- wachsenden Handel, dem gezielten Verbrin- zahl der Pflanzenarten hierzulande wieder gen von neuen Kulturpflanzen von Amerika nahezu halbiert. nach Europa (und umgekehrt!) begann ein rasanter Anstieg der Zahl von Pflanzenarten Etwa 350 Sippen sind erst nach 1500 in das in Mitteleuropa. Pflanzen, die zuvor natürli- Gebiet des heutigen Landes Brandenburg ge- che Grenzen ihrer Verbreitung hatten, ge- langt. Viele dieser Arten wurden vom Men- langten seither mit Hilfe des Menschen – ge- schen aktiv als Nutzpflanzen (Nahrungspflan- zielt oder zufällig – nach und nach in ver- zen, Heilpflanzen, Forst- und Ziergehölze) schiedene Vegetationsformen unserer Land- eingebracht. Auch hierzu gehören viele Arten, schaft. Alle Pflanzenarten, die seit ca. 1500 von denen man kaum erwarten würde, dass zu uns gelangt sind, werden als Neophyten sie nicht ursprünglich der heimischen Pflan- bezeichnet. zenwelt angehören. So sind beispielsweise En- Insgesamt ist mehr als ein Viertel aller Pflan- gelwurz (Angelica archangelica), Färber- zenarten bei uns in Brandenburg nicht ur- Hundskamille (Anthemis tinctoria) oder Mau- sprünglich heimisch. Die allermeisten in un- er-Zymbelkraut (Cymbalaria muralis) schon terschiedlichen Zeiträumen zu uns gelangten sehr lange in Brandenburg etabliert. Kaum Pflanzenarten haben sich in natürliche oder bekannt ist hingegen, dass zum Beispiel die Abb. 12 naturnahe Ökosysteme oder in land- und vermeintlich zu den typischen Arten hei- Entwicklung der Anzahl von Pflanzenarten forstwirtschaftliche Kulturen gut „einge- mischer Grünlandgesellschaften gehörenden unter dem Einfluss der Landnutzung im Ho- nischt“ und bedrängen keine anderen Arten. Gräser Glatthafer (Arrhenatherum elatius) lozän (nach Fukarek 1982) Von vielen Arten wissen die meisten gar oder Aufrechte Trespe (Bromus erectus) erst nicht, dass sie nicht zum ursprünglich „na- in den letzten 200 Jahren über Einsaaten zu türlichen“ Artenbestand gehören. uns gelangt sind, während sie in anderen Tei- Nicht wenige der bei uns eingewanderten len Deutschlands zu den schon viel länger eta- Pflanzen gehören heute sogar zu den ge- blierten oder sogar indigenen Arten zählen. fährdeten Arten, einige sind bereits wieder Die Spitze der „Einwanderungswelle“ von ausgestorben. Vor allem viele Acker-Wild Pflanzenarten wurde in Deutschland in der 2. kräuter werden durch die fortschreitende In- Hälfte des 19. Jahrhunderts erreicht. Insge- tensivierung und Chemisierung der Acker samt kamen im 19. Jhd. kamen fast 130 Ar- nutzung immer weiter zurückgedrängt. ten auf verschiedenem Wege zu uns. Abb. 13 Gebietsfremde Arten in Deutschland (aus Kühn & Klotz 2002)
Frank Zimmermann: „Neubürger“ unter den Pflanzen in Brandenburg – Geschichte, Bedeutung, aktuelle Entwicklungen 19 Abb. 14 - oben Abb. – oben Die Färber-Hundskamille (Athemis tinctoria) wurde früher zum Gelbfärben von Leinen und Wolle verwendet. Heute findet man sie eher selten in Ackerbrachen und extensiv genutzten Abb. – links Äckern. Abb. – unten Abb. 15 - unten links Der Schwimmfarn (Salvinia natans) besiedelt sich sommerlich stark erwärmende Gewässer v.a. in Flussauen. Dort wird er mit Hochwässern verdriftet. Die Art wird aber auch oft von Aquarianern in die Natur gebracht. Abb. 16 - unten rechts Die Braunrote Sitter (Epipactis atrorubens) hat in Brandenburg nur wenige Vorkommen an naturnahen Standorten, breitete sich aber vor einiger Zeit in der Bergbaufolgelandschaft im Süden Brandenburgs aus und gilt als Neophyt.
20 Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 27 (4) 2018 Abb. 17 – oben Der Österreichische Lein (Linum austriacum) kam etwa um 1860 auf unbekannte Weise nach Deutschland und besiedelt heute Halb- trockenrasen im nordöstlichen Brandenburg. Abb. 18 – links Der Bärlauch (Allium ursinum) kommt in Brandenburg nur an wenigen Stellen in naturnahen Laubwäldern vor und ist aus Gärten verwildert. Abb. 19 – unten Die Eselsdistel (Onopordum acanthium) ist in Brandenburg ein Neophyt in dörflichen Ruderalfluren und wird auch als Zierpflanze genutzt.
Frank Zimmermann: „Neubürger“ unter den Pflanzen in Brandenburg – Geschichte, Bedeutung, aktuelle Entwicklungen 21 Abb. 20 – links Der Rote Fingerhut (Digitalis purpurea) kam mit Fichtensaatgut aus den Bergwäldern nach Brandenburg, wurde aber auch als Heilpflanze genutzt und wird heute gern in Gärten gepflanzt. Abb. 21 – unten rechts Das Ruten-Leinkraut (Linaria spartea) wurde 1850 mit Seradella- Anbauten nach Deutschland eingeschleppt und ist heute in Brandenburg eine sehr seltene Art von Sandäckern und Brachen. Abb. 22 – unten Der Wunder-Lauch (Allium paradoxum) kam noch vor etwa 20 – 30 Jahren recht selten in Brandenburg vor. Seitdem hat er sich stark ausgebreitet und bildet heute teils große Bestände. Man kann ihn übrigens genauso wie den Bärlauch gut als aromatisches Kraut verwenden.
22 Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 27 (4) 2018 Wissenschaftlicher Name Deutscher Name T Bbg. Bbg 1993 D Acer negundo L. Eschen-Ahorn T3 Acorus calamus L. Kalmus T3 Allium carinatum L. subsp. carinatum* Gekielter Lauch T3 R Allium paradoxum (M. Bieb.) G. Don Seltsamer Lauch T3 Angelica archangelica L. subsp. archangelica Echte Engelwurz T3 D Anthemis tinctoria L.* Färber-Hundskamille T3 V Anthoxanthum aristatum Boiss. Grannen-Ruchgras T3 V Arrhenatherum elatius (L.) P. Beauv. ex J. Presl & Glatthafer T3 C. Presl var. elatius Asclepias syriaca L. Seidenpflanze T3 Berteroa incana (L.) DC. Graukresse T3 Betula nana L.* Zwerg-Birke T3 R 2 Bromus erectus Huds. Aufrechte Trespe T3 Bromus inermis Leyss. Wehrlose Trespe T3 Clematis vitalba L. Gewöhnliche Waldrebe T3 Cymbalaria muralis P. Gaertn., B. Mey. & Scherb. Mauer-Zimbelkraut T3 V Descurainia sophia (L.) Prantl Besenrauke T3 Digitalis purpurea L. Roter Fingerhut T3 Diplotaxis muralis (L.) DC. Mauer-Doppelsame T3 Epipactis atrorubens (Hoffm.) Besser subsp. atrorubens* Braunrote Stendelwurz T3 3 R Equisetum telmateia Ehrh. Riesen-Schachtelhalm T3 R R Fallopia japonica (Houtt.) Ronse Decr. var. japonica Japanischer Flügelknöterich T3 Fallopia sachalinensis (F. Schmidt) Ronse Decr. Sachalin-Flügelknöterich T3 Heracleum mantegazzianum Sommier & Levier Riesen-Bärklau, Herkulesstaude T3 Impatiens glandulifera Royle Drüsiges Springkraut T3 Impatiens parviflora DC. Kleinblütiges Springkraut T3 Sisymbrium loeselii L. Lösels Rauke T3 Tab. 2 Neophyten in Brandenburg (Auswahl, nach Ristow et al. 2006) 3 Etablierung und Formen bietes ausgebreitet haben müssen. Außer- Darüber hinaus gibt es Arten, die zwar ei- der Einwanderung und des dem müssen etablierte Arten mindestens nen festen Platz in der aktuellen, vom Men- Vorkommens zweimal in Folge generative Fortpflanzung schen geprägten Vegetation haben, aber gezeigt haben. „Etabliert“ ist demzufolge nicht in natürlichen bzw. naturnahen Le- Alle Pflanzenarten werden hinsichtlich des keinesfalls mit „heimisch“ gleichzusetzen. bensräumen vorkommen. Solche Arten sogenannten Etablierungsgrades beurteilt. Von den etablierten Arten haben viele einen würden mit Aufgabe des menschlichen Ein- Dies erfolgt über zeitliche und populations- festen Platz in der natürlichen oder naturna- flusses auf die Vegetation würden diese Ar- biologische Kriterien (vgl. Ristow et al. hen Vegetation gefunden und sind in ihrem ten wieder verschwinden (vgl. Schroeder 2006). Zu den etablierten Arten können so- künftigen Fortbestehen nicht mehr auf 1969, 1974). Hierzu gehören viele Arten mit sowohl ursprünglich heimische (indi- menschliche Aktivitäten angewiesen. Diese der Äcker, Ruderalgesellschaften, Wiesen gene) Arten als auch Archaeophyten und werden als Agriophyten bezeichnet. Dies und Weiden. Neophyten gehören. Man geht davon aus, sind vor allem Arten, die in der naturnahen Unbeständigen Sippen (Ephemerophyten) dass Arten mindestens 25 Jahre nach dem Vegetation von Auen, Gewässern oder sind hingegen nicht in der Lage, ausdau- ersten spontanen Auftreten im Gebiet vor- Mooren oder oder naturnahen Wäldern vor- ernde Populationen in der aktuellen Vegeta- kommen oder sich in einem kürzeren Zeit- kommen (vgl. Lohmeyer & Sukopp 1992, tion aufzubauen und kommen nur gele- raum über einen erheblichen Teil des Ge- 2001). gentlich wild wachsen vor. Sie werden im-
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