Historische Kinowerbung 51 Jahre Fernsehturm Ohnsorg-Theater im Film
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# 26 / Dezember 2019 / www.filmmuseum-hamburg.de Historische Kinowerbung 51 Jahre Fernsehturm Ohnsorg-Theater im Film
2 FERNSEHG ESCHICHTE Inhalt 04 E DI TO R I A L 06 H A M BUR G ER K I NO S Die Abaton-Story: Wie alles begann 14 H A M BUR G ER K I NO S Lücke im Kopf: A baton-Programm 15 B UCHR EZENS I O N Das Kino am Jungfernstieg 16 K I N O G E S C H I C H T E Mit dem Lasso auf Zuschauer-Fang 24 F ER NS EHG ES CHI CHTE Vom Wahrzeichen zum TV-Relikt 51 Jahre Fernsehturm in Hamburg 34 F I L M J O UR NA L I S T HO R S T M A NN Kurt Franz Siemsen Curriculum Vitae 36 F I L M J O UR NA L I S T HO R S T M A NN „Er nennt sich Schriftsteller“ Kurt Siemsen alias Horst Mann 39 A LTE HA M BUR G ER L I CHTS P I EL HÄ US ER Traumland-/Treffpunkt-Lichtspiele in der Ahrensburger Straße in Wandsbek 42 S CHM A L F I L M Flimmern made in Hamburg Mit 100 Schmalfilm-Projektoren auf Reisen 46 F ER NS EHG ES CHI CHTE Von der Bühne über das Puschenkino in die Lichtspielhäuser: Das Ohnsorg-Theater im Film 56 F I L M M US EUM BENDES TO R F Es war einmal in Bendestorf 58 M ATI NEEN Historische Filmmatineen im Abaton-Kino Veranstaltungen 2019/2020 Das Kaufhaus Brinkmann wirbt 1952 für den Baby-Film Der Verein „Film- und Fernsehmuseum „Ein Geschenk des Himmels“ Hamburg e.V.“ wird unterstützt von der
4 EDI E D I TORIAL TORIAL E DIT ORIA L 5 Joachim Paschen, Volker Reißmann, Michael Töteberg Liebe Mitglieder, liebe Freunde, liebe Leserin, lieber Leser, die 26. Ausgabe des Hamburger Flimmern, der Digitalisierungsmaßnahmen auch im kommenden jährlich erscheinenden Zeitschrift des Vereins Jahr unvermindert fortgesetzt werden müssen). Hamburg Film- und Fernsehmuseum, bietet wie- Im Frühjahr 2019 haben wir im Abaton-Kino der vielfältige Beiträge zur Film- und Fernsehge- vier Matineen mit historischen Hamburg-Filmen schichte in Norddeutschland. gezeigt. Auf besonderes Interesse stieß der Rück- An dieser Stelle möchte der Vorstand einige blick auf Hamburg vor 70 Jahren (Januar 2019); gut besondere Ergebnisse unserer Arbeit aus dem besucht waren auch die Programme in Koopera- letzten Jahr hervorheben. Wieder konnten diverse tion mit dem Deutschen Kaffeeverband (Februar) Schenkungen von Privatpersonen dankend entge- und dem Verband der Schullandheime (März); die gengenommen werden. So überließ uns Hartmut seit 1993 laufende Reihe Hamburg im Film wurde Mischke einen wertvollen Teil seiner umfang- im Herbst 2019 mit der Matinee Hamburg aus der reichen Sammlung, darunter mehrere Filme im Luft gesehen und Hamburg und seine Eisenbahn 16 mm- und im 35 mm-Format, zwei funktions- fortgeführt. tüchtige Studio-Scheinwerfer, zwei Tonabnehmer Die enge Kooperation mit dem Filmmuseum für Vorführgeräte, ein Gerät zu Messung der Länge Bendestorf wurde fortgesetzt; eine engere Koope- von 35 mm-Filmen, einen Umroller für verschie- ration mit dem Landesfilmarchiv Bremen unter dene Filmformate, mehrere Schnittgeräte für das Leitung von Dr. Daniel Tilgner wird angestrebt. 16 mm- und 8 mm-Format sowie diverse Druck- Sicher wird auch nach der Pensionierung des schriften, darunter vor allem Anweisungen und langjährigen Leiters des schleswig-holsteinisches Hinweise für Filmvorführer. Landesfilmarchivs, Dr. Dirk Jachomowski, die Zu- Von Dieter Beig konnten wir zahlreiche Film- sammenarbeit mit dem Landesarchiv in Schles- hefte sowie Zeitungsausschnitte übernehmen, wig weiter fortgesetzt werden können. die unseren Archivbestand wertvoll ergänzen. Zum Filmfest Hamburg 2019 gab es Ende Sep- Schließlich überließ uns der Elektrotechniker tember ein Wochenende lang im Hanse-Viertel Foto: AD MISSON GmbH / Anna-Maria Schmidt Friedemann Kübler zwei in den 1930er Jahren von wieder eine Ausstellung mit Exponaten aus unse- ihm selbst konstruierte und immer noch funkti- rem Fundus. Die Anfrage wegen einer Ausstellung onstüchtige Geräte, einen Film- und einen Dia in den Räumen der Staats- und Universitätsbib- projektor. liothek Hamburg ist grundsätzlich positiv beant- Die Erfassung unserer umfangreichen Samm- wortet worden, kann aber aus Termingründen lung von Spiel-, Dokumentar- und Werbefilmen allerdings wohl leider erst im Jahre 2022 realisiert aller Formate wurde ebenfalls fortgesetzt. Gegen werden. Ferner wurde mit der neuen Filmreferen- wärtig ist folgender Bestand an Titeln zu ver- tin der Behörde für Kultur und Medien, Frau Nina zeichnen: 300 Filme liegen im 35mm-Format, 110 Dreier, im August dieses Jahres ein erstes infor- im 16 mm-Format (davon 50 Stummfilme) sowie matorisches Kennlern-Gespräch geführt. rund 300 Umatic-, Beta- und VHS-Videokassetten Zudem sind ein neuer Flyer sowie die Aktua- und rund 1200 DVDs. Ein besonderer Dank für die lisierung unserer Webseite in Vorbereitung. Auf Erfassung der Filme geht wieder an unser Ver- der Mitgliederversammlung am 3. Juni 2019 sind einsmitglied Gerhard Jagow. Die Bemühungen, zudem einige kleinere Satzungsänderungen be- Bilder des Kinoplakatmalers Kurt Wendt während des verkaufsoffenen Sonntags im wichtige Filme aus unserem Bestand zu digitali- schlossen worden, die jedoch eher formelle Dinge Hanse-Viertel am 28./29. September sieren und so für die Nachwelt nutzbar zu machen in Zusammenhang mit dem Datenschutz regeln. und zu erhalten, bildeten einen weiteren Schwer- Abschließend ist der erfreuliche Umstand zu ver- punkt unserer Arbeit: Auch wenn wir teilweise melden, dass unsere Mitgliederzahl inzwischen dies in Kooperation mit Dritten durchgeführt auf 66 Vereinsmitglieder angestiegen ist. haben, wurden dafür wurden nicht unbeträchtli- che Mittel aufgewendet (sicherlich werden diese Joachim Paschen i. A. des Vorstands
6 HAMBURG E R KINOS HA MBURGE R KINOS 7 Abaton-Gründer Werner Grassmann Die Abaton-Story: E röff nung am 29. Oktober 1970. „Für der prominierten Gäste wurden den wollte sich der Regisseur nicht entgehen Film-Außenseiter“ war die Notiz Zeitungslesern vorenthalten. lassen. In der Kulturbehörde hatte der Wie alles begann im Hamburger Abendblatt über- schrieben. „Mit abendfüllenden Wein-, Natürlich waren die Avantgardisten der Film-Coop nahezu komplett erschie- filmbegeisterte Senatsdirektor Martin Peters es ermöglicht, dass man die Stars Schnaps- und Bierausschank wurde das nen, auch die etablierte Hamburger Kul- des internationalen Underground-Kinos neue Abaton-Kino bei der Universität, turszene, der Schriftsteller Peter Rühm- nach Hamburg einladen konnte: Aus Von Michael Töteberg Von-Melle-Park 17, eröff net. Das Film- korf wie der Literaturwissenschaftler Hollywood kam Kenneth Anger, Jonas programm kam dabei ein wenig zu Prof. Hans Wolfheim, war vertreten. Der Mekas aus New York, Stephen Dwoskin kurz – Anfangsschwierigkeiten, die brasilianische Regisseur Carlos Diegues, aus London. Eine Hamburger Institution wird 50: Aus einer ehemaligen Garage direkt am Campus der Universität durch Beat, Stimmung und Erschei- der zufällig in der Stadt war, tauchte Andy Warhol hatte man auch ein- nen zahlreicher prominenter Vertreter auf, und am späteren Abend Constantin geladen. Er hatte zugesagt und sich mit wurde 1970 das Abaton. In keinem anderen Hamburger Kino gibt es eine solche Programmvielfalt, der Gegenkultur aufgehoben wurden.“ Costa-Gavras, der zur Premiere seines Brigid Polk, seiner engsten Mitarbei- ergänzt um Begleitveranstaltungen und Matineen. Die Filmwelt ist im Abaton zu Gast: Franz Zappa war da, Noch kürzer kam das Filmprogramm Films Das Geständnis nach Hamburg ge- terin in der Factory, auch auf den Weg Rainer Werner Fassbinder, Pedro Almodóvar, auch Vanessa Redgrave, Tom Tykwer und natürlich im Abendblatt selbst: Da wurde kein ein- kommen war. Die Eröffnung eines poli- gemacht, war aber unterwegs in einem immer wieder Fatih Akin. An die Anfänge erinnert der folgende Artikel. ziger Titel genannt, selbst die Namen tisch orientierten Underground-Kinos Pariser Hotelbett gestrandet. „So kam
8 HAMBURG E R KINOS HA MBURGE R KINOS 9 Brigid Polk allein, um mit uns die Ein- den Hauptteil des Films nehmen doku- weihung des Abaton-Kinos zu feiern“, mentarisch gefilmte Szenen vom Leben erinnert sich Werner Grassmann. „Sie in der Kommune, speziell einer sich in stiefelte in unser Büro, sah sich um und die Länge ziehenden Haschparty ein. fand es trist. Irgendwie war es ihr zu Es wird im breitesten Bajuwarisch ge- leer: ‚How sad!‘ Sie hatte wohl ein mit nuschelt bis zur Unverständlichkeit, so Pop vollgestopftes Etablissement erwar- dass stellenweise nur noch Untertitel tet, mit Bildern, Fotos, Skulpturen, Ge- helfen. Bei einem konspirativen Treffen mälden, etwas Op-Art und wohl auch mit Vertretern der Roten Zelle Germa- ein bisschen Film. All das gab es nicht.“ nistik, die sich als Strategen der Revo- Das Büro war fast leer: ein Schrank, lution gerieren, hantieren die Rocker Brigid Polk im Abaton ein alter Schreibtisch und zwei wacke- dekorativ mit Waffen. Am Schluss des lige Stühle, ansonsten kahle Wände. Films eine minutenlange Motorradfahrt Wirklich ein bisschen trostlos, das fand der Rocker, unterlegt mit der Musik von Grassmann jetzt auch. Aber „Brigid Polk Amon Düül II, dazu als politisches Fanal inszenierte für uns ein kleines Happe- Sätze von dem Gründer der Black Pan- ning und katapultierte uns für ein paar ther Party Eldridge Cleaver: „Wir wer- Minuten nach New York, in ihre Warhol- den Menschen sein. Wir werden es sein. Factory. Und das kam so: Auf dem Tisch Oder wir werden die Welt dem Erdbo- stand ein Stempelkissen. Die Polk ging den gleichmachen bei dem Versuch, es an den Tisch, zog ihren Pulli hoch, sie zu werden.“ hatte einen sehr, sehr schönen großen Um 20.00 Uhr sollte der Film begin- Busen, alle staunten, niemand sagte ein nen. Syberberg, der den Film selbst ver- Wort. Sie nahm das Stempelkissen und lieh, war aus München angereist. Die Werner Grassmann in dem Film King Kongs Faust von Heiner Stadler (1985). Rechts in einer seiner fing an, ihren Busen damit einzufär- Vorführung verzögerte sich, doch das ersten Rollen Leonard Lansink, heute bekannt durch die TV-Reihe Wilsberg ben. Dann ging sie an die weiße Wand ist bei solchen Events nicht ungewöhn- und drückte ihren Busen dagegen. Ein lich. Nur Gastgeber Grassmann wusste, Werbung auf der Straße künstlerisch wertvolles Stem- warum es nicht losging. Probleme mit seinem fleckigen Arbeitskittel, stürzte nicht laufen, und befürwortete den An- am Eröffnungstag pelbild entstand an unserer der Technik, genauer: Es gab es keinen heran, rief‚ Es geht!‘ und rannte wieder trag auf eine Finanzhilfe. „Wir wussten Bürowand.“ Es schmückte Ton. Ziemlich peinlich bei Eröffnung davon. ‚Fabelhafte Performance‘, meinte nicht, dass damals der Kultursenator viele Jahre die Wand, bis es eines neuen Kinos. Der Vorführer Herr Syberberg, der neben mir stand und herzlich wenig zu sagen hatte – der Fi- im August 1977 anlässlich ei- Wischnowski versuchte, in einem Ge- den Auftritt von Herrn Wischnowski für nanzsenator sagte einfach: Nein. Wir ner Renovierung von einem wirr von Kabeln, Steckern und flackern- eine gelungene Inszenierung hielt.“ Die hatten aber unvorsichtigerweise schon Malermeister einfach überge- den Röhren den Schaden zu beheben. Vorführung sei dann astrein gewesen, angefangen zu bauen und mussten den pinselt wurde. Seitdem ist die Dann musste Grassmann ihn im Vor- stellte Grassmann zu seiner Erleichte- Ritt über den Bodensee wagen.“ Sie hat- Wand wieder sachlich und sau- führraum allein lassen, denn das Ein- rung fest. ten knapp DM 40.000 Eigenmittel zur ber, „eben wie in einem an- treffen des Kultursenators Reinhard Der zweite Film des Abends war Verfügung, der Umbau hätte jedoch rund ständigen Hamburger Büro, und Philipp wurde gemeldet. „Wir, der Herr ein Musikfi lm, gedreht von einem Ver- DM 260.000 gekostet. nicht wie in einem Künstler- Senator und ich, tranken ein Glas Bier treter des Direct Cinema: Monterey Pop Ihren Kino-Traum verwirklichten sie Office in New York“. für die Fotografen und plötzlich, ohne von D. A. Pennebaker, unterstützt von weitgehend auf Pump: Die Finanzie- jede Vorankündigung, hub der Herr Se- den nicht minder berühmten Kol legen rungslücke schloss die Bank und erhöh- nator zu reden an, pries die kulturelle Richard Leacock und Albert Maysles an te, als die Finanzhilfe vom Senat ausfiel, ERÖFFNUNG Aktivität der Hansestadt und den ham- der Kamera. Sie dokumentierten das den Kredit (dessen Rückzahlung jahre- Zur Eröffnung wurden zwei Filme ge- burgischen Film im Besonderen, be- legendäre Festival 1967, mitten im „Sum- lang das Abaton belastete). zeigt: Santo Domingo, eine höchst eigen- wunderte den Elan der Kinomacher, das mer of Love“, mit Jimi Hendrix, Janis Da blieb nichts anderes übrig, als das willige Kleist-Adaption von Hans Jürgen neue Werk, in dem er jetzt stand (und Joplin, Eric Burdon, The Who, nicht zu- neue Kino Second Hand auszustatten. Syberberg, und Monterey Pop, ein Kon- das immer noch ohne Ton war) – was letzt Ravi Shankar an der Sitar. Da Die beiden Projektoren, Baujahr 1953, zertfilm des US-Dokumentaristen D. A. Senatoren bei solchen Gelegenheiten konnte nun nichts mehr schief gehen. stammten aus dem Studio an der Binnen- Pennebaker. Die Mischung war pro- eben sagen. Dann war die Rede zu Ende, alster, das gerade seinen Kinobetrieb gram matisch: Neuer deutscher Film der Herr Senator schüttelte mir die einstellen musste (mit den Kinomaschi- E I N K I N O -T R A U M A U F P U M P und internationaler Underground. Hand, wieder und wieder für die Foto- nen übernahm Grassmann gleich den Santo Domingo war keine werkge- grafen, und sagte ‚Na, denn woll’n wir Die ersten Das Abaton war kein Neubau mit allen Vorführer Wischnowski, der zum Glück treue Literaturverfilmung klassischer mal!‘ und ging voran ins Kino, das immer Programmzettel technischen Schikanen. Der Umbau hat- mit den anfälligen Apparaten umzuge- Machart, das hätte dem Zeitgeist nicht noch tonlos war. Ich hinterher, eine te Geld gekostet, das eigentlich nicht hen wusste). Die Kinostühle – keine entsprochen. Syberberg hatte die in peinliche Katastrophe befürchtend. Aber vorhanden war. Grassmann und sein Sessel, sondern Holzklappstühle – stan- exotischer Kulisse angesiedelte Novelle kaum durchschritten wir die Tür zum Kompagnon Wilfried Fedder waren bei den einst in den Harvestehuder Licht- nicht nur aktualisiert, sondern gleich Kinosaal, da gab es hinter der Lein- der Kulturbehörde vorstellig geworden. spielen sowie in der Kurbel am Nobistor, kurzerhand ins Münchner Rocker- und wand einen tiefen Bums aus den alten Die Deputation ließ sich überzeugen: beides Kinos, die kurz zuvor hatten auf- Hippie-Milieu verpflanzt. Die Ge- Lautsprechern, gefolgt von einem kra- Hamburg brauchte ein Kino für jene geben müssen. schichte wird eher nebenbei erzählt, tzigen Geräusch. Herr Wischnowski, in Filme, die im normalen Kommerzkino
10 HAMBURG E R KINOS HA MBURGE R KINOS 11 Noch ist der Raum leer: Party zum ersten Spatenstich Das Abatinn: Keine Tapeten, Filmplakate an den Wänden „Wir hatten zwar kein Geld, aber als letzten Filmvorführung den Raum in Das Geständnis, nach Z der neue Polit- K I N O P R O G R A M M 19 7 0 Ausgleich viele Ideen für ein anderes zwei Hörsäle verwandelte, die von der Thriller von Costa-Gavras, diesmal ging Kino.“ Grassmann wollte Filme zeigen, HWP, der Hoch schule für Wirtschaft es um das Opfer eines stalinistischen Den Hamburger Filmfreunden wurde die zum Reden und Mitdenken anregen. und Politik genutzt wurden. Schauprozesses. Der Hauptdarsteller und ansonsten geboten: Ein Halleluja für Das Kino als Ort der Kommunikation, Die Altbranche begrüßte den Neuzu- Regisseur Yves Montand stellten ihren Django! in der Oase auf der Reeperbahn, deshalb war dem Kino gleich eine Knei- gang in Hamburgs Kinolandschaft be- Film in Hamburg persönlich vor. Der Ufa- Fünf blutige Stricke, ebenfalls ein Italo- pe angegliedert, wo man anschließend tont reserviert. Es dauerte fast einen Mo- Palast zeigte das schwülstige Drama Son- Western, im Cinema Steindamm und diskutieren kann. Abatinn hieß das Lo - nat, bis das offizielle Organ des „Haupt- nenblumen mit Sophia Loren, die Kurbel Knopf’s in St. Pauli. Butch Cassidy und kal in den ersten Jahren, es war etwas verbands Deutscher Filmtheater“ vom am Jungfernstieg die Gangster-Story Sundance Kid hatte die sechste Woche vergammelt, eben Kneipe und nicht Abaton überhaupt Notiz nahm. Grass- Cannabis sowie Engel der Gewalt mit Jane im Filmtheater Dammtor erreicht, wäh- Restaurant, schon damals gab es Pizza. mann hatte bei der Eröff nung verkün- Birkin und Serge Gainsbourg. Die Barke rend Mash nun schon 22 Wochen im Auch das Mobiliar des Abatinn kam digt, er werde Filme, die „im normalen in der Spitalerstraße kündigte die skurri- Studio an der Binnenalster lief. Im Savoy aus zweiter Hand: Grassmann hatte es Kino nicht laufen können“, zeigen. Nun le Komödie Magic Christian an. Eine böse auf dem Steindamm der Schulmädchen- im Bierlokal „Tegernsee“ abgestaubt, habe Hamburg ein Kino „nur für pro- Satire, geschrieben unter anderem von Report. Was Eltern nicht für möglich hal- einer jener drei Gaststätten am Haupt- gressive Leute“, erfuhr man im Filmecho, Monty Python, in der Peter Sellers einen ten, wobei sie auch von Oswald Kolle bahnhof, die Heinz Riech für vier Milli- ein „Workshop Kino“ für „Hausfrauen, exzentrischen Briten spielt, außerdem in der Passage über Dein Kind, das unbe- onen zu seinem ersten Kino-Center um- Arbeiter, Angestellte und natürlich Stu- Dracula-Darsteller Christopher Lee, Sex- kannte Wesen aufgeklärt wurden, wäh- gewandelt hatte. Im Foyer des Abaton denten“. Was die kommerziellen Kino- bombe Raquel Welch und der große rend sich das Neue Imperial am Millern- gab es außerdem einen Shop mit Schall- betreiber davon hielten, kann man sich Richard Attenborough mitwirkten. Und tor der Vollendung der Liebestechnik in platten, Zeitschriften, Filmplakaten etc. denken. Ringo Starr, weshalb der deutsche Ver- Erstauff ührung widmete. Die größte An- Aber es wurde mehr geklaut als gekauft, leih sich den Untertitel Ein Beatle im zeige aber – der Film lief in 22 (!) Nach- und nachdem dreimal eingebrochen Paradies ausgedacht hatte. „Die Leute spielkinos, vom Atlantik am Steindamm F I L M K U N S T- K I N O S Februar 1978: Die ersten wor den war, wollte auch keine Ver- sagen, das sei das Grausamste, Blutrüns- bis zum Ufer in Wedel – galt dem Film Hefte der Programmzeitung sicherung mehr einspringen: Der Laden Wie sehr das Abaton aus dem Rahmen tigste und Schönste, was der deutsche Wenn die tollen Tanten kommen. „Char- wurde schnell wieder geschlossen (und fiel, zeigt ein Blick auf das Kinopro- Film je hervorgebracht hat“, warb das leys Tante“ musste wieder einmal her- machte zwei Jahre später Platz für das gramm der Eröffnungswoche. Es gab Holi für Jonathan, einen längst in der halten für einen dümmlichen Travestie- Kleine Kino). Eine behördliche Auflage deutlich mehr Kinos als heute – viele Versenkung verschwundenen Vampir- spaß, dessen einzige Originalität daran erwies sich dagegen als Einnahme- von den in den Anzeigen auftauchen- Film von Hans W. Geissendörfer. Wen bestand, dass es diesmal gleich zwei quelle: Das Kino musste tagsüber an die den Filmtheatern, Häusern mit großer das noch nicht überzeugte, den lockte Tanten gab, gespielt von Rudi Carrell Universität vermietet werden, gefordert Tradition, mussten bald darauf schlie- das Kino mit einem besonderen Ange- und Ilja Richter. Dazu gesellten sich ne- wurden zwei Hörsäle. Dafür wurde eine ßen, das Kinosterben hatte bereits ein- bot: „Trinken und Rauchen während ben Hubert von Meyerinck und Gunther tonnenschwere Schiebetür in der Mitte gesetzt –, aber interessante Neuheiten des Films in unserer Komfortloge mit 64 Philipp, den beliebten Chargendarstel- des Kinosaals installiert, die nach der waren rar gesät. In der Esplanade lief Cockpit-Sesseln.“ lern von Papas Kino, Graham Bonney,
12 HAMBURG E R KINOS HA MBURGE R KINOS 13 Foto: Horst Janke So sah es früher aus: Der Eingang zum Abaton Kleine Pause. Man kann nicht die ganze Zeit auf dem Podest stehen Christian Anders, Chris Roberts – es US-amerikanische Streifen wurde OmU, hatte dies Helmut Herbst, selbst einer märchen mit einigen gesellschafts- handelte sich um einen Schlagerfilm, im Original mit deutschen Untertiteln, der Protagonisten des sog. „Anderen kritischen Nebenbemerkungen“, wie es und bei diesem Genre ist bekanntlich gezeigt und begründete damit eine an- Kinos“. In Hamburg lebten und arbeite- in einer zeitgenössischen Kritik hieß. die Handlung gänzlich unwichtig. dere Abaton-Tradition. ten die Regisseure der Film-Coop: Hell- Eine Kreuzung von „klassischem Kino- Das Abaton hatte keine Anzeige ge- In der dritten Woche dann „zum er- muth Costard, Bernd Upnmoor, Klaus Outlaw und aktuellem Drogen-Under- schaltet, es führte aber dank seines Na- sten mal in einem Hamburger Kino der Wyborny, Franz Winzentsen, Werner ground“, befand der Spiegel, ein Film mens – die Spekulation war aufgegan- neue Fassbinderfilm:“ Götter der Pest Nekes und Dore O. Grassmann gehörte mit „Sekunden-Spots, gestörter Chrono- gen – die alphabetisch sortierte Liste der hatte bereits Anfang April seine Urauf- dazu, er hatte viele ihrer Filme produ- logie, unbefangenen Nackt-Einstellun- Kinos an. Gezeigt wurde in der ersten führung erlebt, doch in Hamburg muss- ziert, und nun gab es ein Kino, wo sie gen und makabrem Dialog“. Woche täglich ab 14.30 Uhr durchgehend ten die Cineasten sieben Monate und auch außerhalb von Festivals liefen. Der Das neue Kino werde sich auf „Un- bis 24 Uhr Monterey Pop, dazu 70 Minu- auf die Eröff nung des Abaton warten, Normalkonsument konnte nur den Kopf derground- und Fernsehstreifen“ spezi- ten Kurzfi lme, Einheitspreis 3 DM. „Auf bis sie die Novität mit Hanna Schygulla, schütteln über die Alternativproduktio- alisieren, meldete das Hamburger Abend- die Verwirklichung des Abaton-Kinopro- Harry Baer und Margarete von Trotta nen: Die Kurzfilme widersprachen allen blatt. Underground wurde alles genannt, gramms werden wir noch zurückrufen“, endlich auch zu sehen bekamen. konventionellen Sehgewohnheiten, es was aus dem Rahmen fiel und nicht Esta- hatte das Abendblatt seinen Artikel über Stets gehörten 60 bis 70 Minuten wurden nicht einmal ansatzweise Ge- blishment war. Der Neue deutsche Film, die Eröff nung abgeschlossen. Ein paar Kurzfi lme zum Programm, doch waren schichten erzählt. Aber frech, witzig, heute legendäre Klassiker von Fassbinder Tage später las man in der Zeitung: dies nicht die üblichen Kultur- oder Zei- ein fallsreich und provokativ, kurz: un- oder Wenders, wurde finanziert vom „Krach im Abaton. Vier Tage nach der chentrickfi lme. „In Hamburg entstehen terhaltsam waren sie allemal. Fernsehen, denn das Kommerzkino, Pro- Eröff nung drohte dem neuartigen Ham- seit einiger Zeit beachtenswerte Kurz- duzenten wie Verleiher, wollten nichts burger Experimentierkino bereits eine filme“, konnte man im Editorial der Zeit- mit den Filmemachern zu tun haben. WEIHNACHTEN MIT MICK JAGGER einstweilige Verfügung.“ Grassmann schrift Filmartikel lesen. „Für viele ist Das Abendblatt fügte noch hinzu: „Eine hatte die Kopie von Monterey Pop über das eine Neuigkeit: Die Regisseure woh- Das Weihnachtsprogramm im Abaton eigene Programm-Redaktion wählt aus eine Münchner Verleihfi rma erhalten, nen in Hamburg und nicht in München. unterschied sich ebenfalls deutlich von dem internationalen Angebot beson- die aber keine Rechte an dem Film hat- te. „In einer telefonischen Blitzkonfe- renz einigten sich Pennebaker und das Ohne Stützpunkte in der Leopold- oder Ainmillerstraße beschäftigen sie sich mit Filmemachen und leben in Ham- dem, was rundum von der Konkurrenz angeboten wurde: Performance mit Mick Jagger und Anita Pallenberg, Sound- Kinos war geboren. . derer Filme.“ Die Idee des Programm- Abaton auf einen Kompromiß“, vermel- burg. Das Klima dieser Stadt sorgt dafür, track u.a. von Mick Jagger, Ry Cooder, dete die Zeitung: Der Film durfte bis dass schon aus dem morgendlichen Auf- Randy Newman. Freitag und Sonntag zum Programmwechsel weiter laufen. stehen ein widernatürlicher Willensakt deutsche Fassung, an den anderen Ta- „Abenteuer Abaton“ heißt eine Broschüre, In der zweiten Woche zeigte das Abaton wird. Vielleicht ist das ein Grund dafür, gen Originalfassung mit deutschen Un- in der Werner Grassmann Geschichten Kurzfi lme von Jonas Mekas und Bruce dass alle diese Eigenbrötler ihre Filme tertiteln. Die anderen Kinos mochten aus der Geschichte des Kinos erzählt. Connor sowie als Hauptfilm Ice, eine ne- gegen den kommerziellen Strich bürsten Weihnachtsmärchen für die ganze Fa- Diese Broschüre kann für ,0 € im Kino gative Utopie von Robert Kramer; der und nicht auf ihm gehen.“ Geschrieben milie zeigen, im Abaton lief ein „Pop- erworben werden kann.
14 HAMBURG E R KINOS BUCHRE Z E NSION 15 wo einst die Ufa ihre Hamburger Filiale Lücke im Kopf: Buchrezension Micaela Jary hatte und nun die britischen Besatzer Abaton-Programm residieren. Sie begegnet dort in der Vor- DAS KINO AM halle zufällig einem Bekannten. „Er war JUNGFERNSTIEG ebenso bescheiden und warm angezo- D Von Werner Grassmann er Umschlag signalisiert überdeut- gen wie die meisten Deutschen, aber Roman lich, dass der Verlag auf die weib- sein attraktives Gesicht zwischen dem liche Leserschaft spekuliert. Da Goldmann Verlag hochgestellten Mantelkragen und der K aum zu glauben: Früher reichte spielt dann keine Rolle, dass die ge- Paperback, Klappenbroschur ledernen Fliegermütze wirkte frisch und noch ein einfacher Zettel für das schminkte Dame mit dem kecken Hüt- 368 Seiten weniger sorgenvoll, seine Augen strahl- Programm des Abaton-Kinos aus. chen auf dem Umschlag so gar nicht ten sie an.“ Lili hat im Moment keine Preis: € 13,00 Die Zeiten sind zum Glück lange vorbei. nach dem Hungerwinter 1946/47 aus- Zeit, aber sie „schenkte ihm ein Lächeln, Mit der Oktober-Ausgabe 2019 erschien sieht. Frauenromane gehören nicht zu von dem sie hoff te, dass es hinreißend die 588. Ausgabe des Abaton-Monats- meinen bevorzugten Genres, der Name war“ und folgt dann dem britischen programms – und sie ist nicht zu ver- der Autorin verleitete mich zum Kauf: Soldaten ins Büro. „‘Lili!‘, rief Roolfs ihr gleichen mit dem ersten Programm- Micaela Jary, die Tochter des Filmkom- nach. ‚Wo fi nde ich dich? Ich wohne in zettel, den ich meinen Filmemacher- ponisten Michael Jary, hat vor vielen Bendestorf. Keine Ahnung, warum, aber Freunden im November 1970 zusteckte. Jahren ein interessantes Buch über den man hat mich dort zum Bürgermeister Da war das Abaton schon vier Wochen deutschen Nachkriegsfi lm geschrieben: gemacht.‘ Sein Lachen hallte durch die in Betrieb, aber nur wenige wussten das „Traumfabriken made in Germany“. Eingangshalle“, und wir schmunzeln, und deswegen war es ziemlich leer. Das Aber dann schreibt sich die Autorin denn wir wissen, dass „Roolfs“ eigent- Interesse an unserem tollen Programm frei und man befindet sich mittendrin in lich Rolf Meyer heißt. hatte ich maßlos überschätzt. Ich hatte einem Unterhaltungsroman, der durch- Bei anderen Personen und Ereignis- geglaubt, mit der Verteilung eines Film- aus einen Sog entfaltet. Gewiss, die sen, die Kulisse der fi ktiven Handlung Ablaufplans auf einem Blatt würde Figurenzeichnung ist schwarzweiß: Lili bleiben, hat Micaela Jary es bei den re- sich eine große Schar von Menschen Paal – unter ihrem Mädchennamen alen Namen belassen. „Vielleicht gibt es vor der kleinen Kasse drängeln. Aber Wartenburg in der Filmbranche als Cut- schon bald ein Kopierwerk in Hamburg“, nix war. Die paar Leute, die gekommen terin bekannt – ist unsere Heldin, ihre deutet der Filmoffizier vage an. „Die An- waren, klopften mir wohlwollend auf Halbschwester Hilde dagegen abgrund- träge auf Gründung eines Filmbetriebs die Schulter und hoff ten auf eine Frei- böse und herzlos. Deren raffgieriger sind nicht mehr zu zählen“, darunter ist karte, die ich naturgemäß immer zöger- Ehemann will für seine eigenen Hotel- auch ein Unternehmen namens Atlantik licher herausgab. Unser Kinotechniker, pläne die Technik aus dem väterlichen Film. Mit ihrem John Fontaine fährt Lili Herr Wischnowski, ein alter UFA-Film- Kino akquirieren, auch er Unsympath die fi ktive Handlung verwoben. Helmut nach Ohlstedt: „Die Adresse ist Melhop- vorführer, der bei uns seine Rente auf- durch und durch. Doch dies ist nur ein Käutner und die Dreharbeiten zu In weg“, dort soll ein Gasthof sich als Stu- besserte, tröstete mich mit der Bemer- Nebenschauplatz: Der Hauptplot rankt jenen Tagen standen Modell für die Fi- dio eignen. Lili wird sicher bald wieder kung, dass mit dem tollen Programm sich um die abenteuerliche Suche nach gur Leon Caspari (wobei die Suche nach Arbeit als Cutterin fi nden, der Offi zier das Kino schon irgendwann laufen dem Negativ eines verschollenen Film, dem versteckten Streifen aus den letz- empfiehlt ihr, sich unbedingt bei der werde. Bei den Überlegungen, wie das einem der letzten des „Dritten Reiches“, ten Tagen des „Dritten Reichs“ mehr an Real-Film von Walter Koppel und Gyula sich abzeichnende Disaster abzuwen- von dem man hoff t, ihn zu rekonstruie- Wolfgang Liebeneiner und Das Leben Trebitsch zu bewerben: „Hervorragen- den sei, kam ich bald zu der Erkennt- Job übernahm eine richtige Druckerei, Vom Programmzettel zur ren und als „Überläufer“ ins Kino brin- geht weiter erinnert). Die Cutterin Alice des Gespann, sie produzieren gerade nis, dass die mangelnde Information jeden Monat hatte der Zettel eine an- Abaton-Zeitung: Seit Oktober gen zu können. Ludwig stand Patin für Lili Paal. Alice auf einem alten Kahn eine Komödie.“ 2019 erscheint das Programm- des Publikums über die Existenz des dere Farbe. Sehr schön, diese fast pro- Die ersten Kapitel wirken etwas höl- Ludwig war ab 1937 Schnittmeisterin Weiter im Roman. Dunkle Geheim- heft im neuen Format. In dem neuen Kulturtempels und den darin ge- fessionelle Programmzeitung. Aber der hier abgedruckten Beitrag, zern. Kein Frauenroman ohne Liebe. Lili bei der Berliner Filmgesellschaft Terra. nisse, ein mysteriöser Todesfall bei Dreh- zeigten Filmen Schuld sei. Es gab zwar Platz für die Filmbeschreibungen war entnommen dem Abaton-Heft, Paal verliebt sich in den smarten briti- Eine der letzten Produktionen, die sie arbeiten, eine ehemalige Nazi-Diva genügend Filmplakate und Zeitungsan- immer noch viel zu klein. Ende 1977 erinnert Werner Grassmann schen Filmoffizier John Fontaine, er hat dort bearbeiten sollte, war Die Fleder- (Modell Zarah Leander), Noch mehr an die Anfänge zeigen der Kinopaläste („bester, schöns- kam schließlich ein Frankfurter Ge- sich auch in ihre blauen Augen verguckt, maus mit Johannes Heesters in der Liebschaften und Verwicklungen. Noch ter, tollster Film“), aber über den Inhalt schäftsmann und Filmliebhaber zu uns doch es gibt Verwicklungen, Missver- Hauptrolle. In mühsamer Suche fand sie mehr Drama, Melodrama. Zum Schluss der Story oder die Absichten der Filme- mit einer cleveren Idee, wie ich fand. ständnisse … Es kommt, wie es kommen die in den Kriegswirren verschwunde- wird die Erzählung seltsam kurzatmig, macher erfuhr das Publikum so gut wie Er wollte uns eine Programmzeitung muss, jedenfalls im Roman. nen Negative und setzte sie zu dem das Ende ist unbefriedigend. Kein Wun- nichts. Es galt, diese Lücke zu füllen. mit 16 Seiten produzieren und sie um- Spielfi lm zusammen, der 1946 in die Ki- der: Dies ist ein Cliff hanger, ein zweiter Ende Oktober 1970 tippte ich auf einer sonst liefern. Oder fast. Denn er wollte nos kam. Später ging sie nach Hamburg und dritter Band wird folgen. Da wird DIESES KINO GAB ES NICHT alten Schreibmaschine die erste Film- information auf eine Wachsmatritze. Der Vervielfältiger stand in der Uni- 6 Seiten als Anzeigenplatz verkaufen. Das sollte sein Gewinn sein. Wir müss- ten nur die Texte liefern. Mir kam das Micaela Jary kennt die Hamburger Film- szene der Nachkriegszeit. Das titelge- und arbeitete für die Real-Film. Jungfernstieg zu lesen sein. . dann hoffentlich mehr vom Kino am LILI, ROOL FS UND CASPA RI Poststelle gleich um die Ecke und wurde komisch vor. Aber schließlich erkannte bende Kino am Jungfernstieg gab es Michael Töteberg nachts nie benutzt, wie mir ein Frei- ich doch die Gelegenheit noch rechtzei- nicht (sondern erst viele Jahre später, Die Mischung aus frei Erfundenem karten-Student zuflüsterte. Deswegen tig, bevor der Mann wieder verschwand. nach Abzug der Besatzungssoldaten), und realen Personen bereitet durchaus konnte die erste „Programmzeitung“ Ich biss an und das war der Beginn ei- die Autorin weist darauf selbst im Nach- Lesevergnügen. Blenden wir uns ein in nur nachts gedruckt werden. Das ging einige Zeit gut, dann flogen wir auf. Den . nes Projekts, wie es bis heute kein zwei- tes in der Kinolandschaft gibt. wort hin. Aber viele authentische De- tails, Personen wie Ereignisse, sind in eine Szene: Lili sucht ihren Film Officer in der Rothenbaumchaussee auf, dort
16 K INOG E SCHICHTE KINOGE SCHICHT E 17 Mit dem Lasso S ahnehäubchen waren in den 50er-Jahren, der hohen Zeit des Nachkriegskinos, aller- auf Zuschauer-Fang dings die glamourösen Star-Auftritte. Große Menschenmassen blockierten die Geh- wege und Straßen vor den Lichtspielhäusern, Von Karl-Heinz Becker so 1956 bei dem Besuch von Romy Schneider und Regisseur Alfred Weidenmann zum Start von Kitty und die große Welt. In den 60ern ging die Zahl der glanzvollen Premieren in Ham- burg zurück. Aber es gab auch Ausnahmen, Seit der Frühzeit des Kinos künden Zei- darunter der Deutschlandstart von Das war der tungsinserate den Start neuer Filme an. Wilde Westen (1963 im Cinerama Grindel) oder Im Laufe der Zeit wurden die Anzeigen- die Welturaufführung des Karl-May-Films Der vorgaben der Verleiher um ausführliche Schut (1964 in der Barke). Werberatschläge, Plakate jeder Größe, Oft versuchten die Verleiher, das filmische Aushang- und Pressefotos, Werbe-Dias, Ereignis mit überdimensionalen Dekorationen zu begleiten. Beliebt waren in erster Linie ge- Handzettel und natürlich Trailer ergänzt. malte Großtransparente, die in satten Farben Mit diesen umfangreichen Werbe- und weithin sichtbar über Kinoeingängen erstrahl- Pressematerialien wurden viele große ten. Das war aber nur bei einigen großen City- Uraufführungen für ein breites Publikum und Bezirks-Theatern möglich, deren Frontflä- vorbereitet und gestartet. chen dafür eingerichtet waren. Das Savoy, der Ufa-Palast und die Urania Filmbühne gehörten dazu. Hin und wieder wurden Riesen-Transpa- rente auch an nackten Wänden von Mietshäu- sern angebracht, die an Verkehrsknotenpunk- ten lagen. ROLLENDE KINO-REKLAME Auch das Cinerama Grindel Filmtheater ließ sich in seinen besten Jahren nicht lumpen. Für die Deutschland-Premiere von Das war der Wilde Westen warb es 1963 mit einer aus Holz gestalteten Western-Landschaft auf der Über- dachung des Eingangsbereichs. Ergänzt wurden diese Werbemaßnahmen hin und wieder durch rollende Reklame im Hamburger Verkehrsgetümmel. Bemalte Stra- ßenbahnen trugen den Hinweis auf ein Kino ereignis ebenso durch die Straßen Hamburgs wie beklebte Kleintransporter oder bemalte Lkw. Viele Erstaufführungen mussten jedoch ohne Promi-Auftritte auskommen. Dafür wur- den zwischen den 1950er- und 80er-Jahren häufig mehr oder weniger originelle Reklame- aktionen entwickelt, die auf zusätzliche Effekte in der Presse und Öffentlichkeit abzielten, um die klassische Kino-Werbung zu unterstützen. Die meisten Einfälle waren darauf ange- legt, simples Aufsehen zu erregen. Gerne wur- den Werbekampagnen für neue Filme auch in Kooperation mit ortsansässigen Geschäften durchgeführt, so fuhren beispielsweise Mitte Anfang Dezember 1963 in der Mönckebergstraße: Februar 1952 mehrere Nachmittage lang einige Foto: Horst Janke Aktion mit laufenden Werbe-Tonnen anlässlich des deutschen Starts des Cinerama-Films Damen und Herren ihren Nachwuchs mit neu- Eine total total verrückte Welt von Stanley Kramer en Kinderwagen des Kaufhauses Brinkmann durch die Innenstadt spazieren, die mit großen Werbeplakaten für den Film dekoriert waren.
18 K INOG E SCHICHTE KINOGE SCHICHT E 19 Filme mit der Schwimm- Ein Konzept, Aufmerksamkeit mit einladender königin Esther Williams Information zu verbinden, gab es allerdings hatten in den 1950er- selten. Jahren Hochkonjunktur. Erst zwei Jahre vor Im November 1952 erlebte ein Farbfilm mit Die Venus verliebt sich, der legendären Schwimm-Nixe Ester Williams kam das bereits 1944 und dem Schauspieler Van Johnson in den gedrehte Aqua-Musical Hauptrollen seine Premiere im MGM Waterloo: Die badende Venus in die deutschen Kinos Die Venus verliebt sich. Die Hoffnung des MGM Verleihs, einen der beiden Stars oder wenigs- tens den aus Hamburg stammenden und in die USA emigrierten Schauspieler Siegfried Arno „an Land ziehen zu können“, erfüllte sich nicht. In der Not ließ man sich einen Gag einfallen, der allerdings nichts mit dem Wasser zu tun hatte. Mit intensiver Werbung für den Filmbe- such wurde im Ball Paradox auf der Reeper- bahn der „Kartoffeltanz“ ausgeschrieben, ein Wettbewerb für Paare, die während des Tanzes eine Kartoffel zwischen ihren Köpfen balan- cieren mussten. Welches Duo dies am längsten beherrschte, wurde zum Sieger erklärt. MODENSCH AU UND SONDER-POS TA M T Bellend künden Collies 1957 im Passender war da schon ein Jahr später der MGM Waterloo eine Einfall des vor allem auf französische Filme Lassie-Premiere an spezialisierten Pallas-Filmverleihs. Um den ebenfalls im MGM Waterloo anlaufenden Film Der Damenfriseur mit Frankreichs Star Fern- andel (der leider keine Zeit hatte, persönlich anzureisen) galant zu umwerben, wurde eine Verbundaktion mit der Hamburger Friseur- Innung und einem Pelz-Modehaus gestartet. Acht Mannequins lockten interessierte Damen und vor allem zahlungskräftige Herren zu ei- ner Haar- und Pelzmodenschau an. Und man- chen Friseursalon zierte zudem die Werbung für Fernandels charmante Lockenoffensive. Wenn man selbst bei einem deutschen Spielfilm keinen Regisseur und keine Darstel- Von Kopf bis Fuß ler zum Filmstart präsentieren konnte, aber auf Mode eingestellt, trotzdem unbedingt auf den neuen Streifen umrahmen diese aufmerksam machen wollte, war es eine gute Damen 1953 das Großporträt des Film- Idee, in Kooperation mit der Deutschen Bun- friseurs Fernandel despost ein komplettes „Sonder-Postamt“ in einem Kinofoyer einzurichten, bei dem man am Tag des Filmstarts die bei Philatelisten be- gehrten Sonderbriefmarken erwerben konnte, Foto: Conti-Press-Bildagentur / Staatsarchiv Hamburg die dann sogleich mit einem passenden Son- derpoststempel versehen wurden. Zu den großen vierbeinigen Stars des Ki- nos zählt der schottische Collie Lassie. Durch Film und Fernsehen vor allem in den USA ein Star, eroberte das Tier auch Deutschland. Ende 1957 präsentierte das MGM Waterloo den Umgarnende Werbung: Zum Start der musi- Film Lassies Heimat mit Edmund Gwenn und kalischen US-Westernkomödie Cat Ballou 1965 Janet Leigh. Werbewirksam umrahmt wur- im City-Kino am Steindamm fangen Cowboys de der Start mit einigen Frauchen und Herr- symbolisch Zuschauer mit dem Lasso ein chen, die ihre Collies mitbrachten. Die Idee von Klaas Akkermann fand ein positives Echo
20 K INOG E SCHICHTE KINOGE SCHICHT E 21 Kinoreklame im rollenden in der Bildberichterstattung und bescher te Westernkino Nummer Eins, dem City am Stein- Einsatz: Links bewegen Kino und Verleih viele Zuschauer. Verschwie- damm, die Werbung für die Westernkomödie sich die Werbetonnen für gen wurde allerdings, dass der Film von 1948 Cat Ballou – Hängen sollst Du in Wyoming mit das Cinerama-Spektakel Eine total, total verrückte stammte und somit neun Jahre bis auf die Jane Fonda und Lee Marvin ab. Plakatträger, Welt durch die Hambur- deutschen Leinwände gebraucht hatte. sogenannte Sandwich-Männer, Cowboys und ger Innenstadt. Rechts Buchstäblich beliebt als Plakat-„Wände“ ein Lassowerfer sorgten für reges Aufsehen marschieren die Russen waren in den 1950er- und 60er-Jahren die unter den Passanten. Für diesen Columbia-Film am Dammtorbahnhof auf, Statisten (darunter Außenflächen großer Mietshäuser. In ihrer wurde mancher Zuschauer buchstäblich mit auch Klaas Akkermann) Nacktheit ragten sie aus Trümmerlücken her- dem Lasso eingefangen. in Original-Uniformen vor und verlangten förmlich nach Gestaltung. Genutzt wurden diese Mauern für eigens ge- PR FüR EINE BIBELV ERFILMUNG malte Riesen-Transparente zu großen Kinoer- eignissen. Darunter war u.a. das Filmmusical Einladend und informativ hingegen lief im West Side Story, das im September 1962 seine Spätsommer 1965 eine großangelegte Werbe- Premiere in der Kurbel am Jungfernstieg er- und PR-Kampagne der United Artists ab. Im lebte und vor allem unter jüngeren Zuschauern September stellte sie George Stevens Christus- zu einem Bombenerfolg wurde. Auch für das Verfi lmung Die größte Geschichte aller Zeiten Foto: Horst Janke 70mm-Abenteuer Khartoum im Grindel Film- im Grindel Filmtheater auf attraktive Weise vor. theater griffen die Marketingstrategen 1966 auf Um dem mit Hollywoodstars prall gefüllten diese Art der Großflächenwerbung zurück. Film (Charlton Heston, Max von Sydow, Carroll Überformatige Filmplakate wurden auf Last- Baker, John Wayne) ein einfallsreiches Ambi- kraftwagen montiert, die dann mehre Tage von ente zu geben, ging der Verleih nicht übers, morgens bis abends durch die Innenstadt fuh- sondern aufs Wasser. Genauer: auf einen Als- ren, um Aufmerksamkeit für einen neuen Strei- terdampfer. Am Jungfernstieg-Anleger wurde fen zu erregen – dies war ebenfalls eine be- ein ganzes Schiff für eine attraktive Ausstel- liebte PR-Maßnahme, die allerdings schon vor lung mit Fotos, Plakaten und Kurzfi lm zu den Im Herbst 1966 wurde es dann auf dem ven und Namen der Hauptdarsteller verklei- Doppelsinnige Platzierung dem 2. Weltkrieg des Öfteren erfolgreich prak- Dreharbeiten gemietet. Im Hamburger Abend- Jungfernstieg gefährlich. Der „Kalte Krieg“ be- det, warb in Hamburgs Innenstadt für Philippe eines riesigen Werbe- aufstellers im Frühjahr tiziert worden war. blatt vom 7. September 1965 hieß es unter an- fand sich auf dem Höhepunkt, ebenso die Angst de Brocas Herzkönig mit Alan Bates. Ein nicht 1952 für den Tennessee- Passend zum Titel der Filmkomödie Eine derem: „‘Klageweiber stricken Pullover’ – … im Westen vor den Russen. Das machte sich einfaches Unterfangen, denn im Vergleich zu Williams-Welterfolgs total, total verrückte Welt, ließ sich der Verleih George Stevens’ Verfi lmung des Lebens Jesu United Artists zunutze. Für die neue Stanley- US- und britischen Produktionen hatten fran- Endstation Sehnsucht eine nicht weniger irre Aktion einfallen: Mit wird zur Zeit als Appetithappen vor der Auf- Kramer-Produktion Die Russen kommen, die zösische Filme es beim Publikum schwer. zwischen Ruinen und Grundstücksangeboten wandelnden Litfaßsäulen wurde im Dezember führung am Freitag den Hamburgern schmack- Russen kommen, in der ein sowjetisches U-Boot Für den etwas wirren italienischen Agenten- 1963 unter den Passanten in der Hamburger In- haft gemacht: Auf einem Ausstellungsschiff irrtümlich an der US-Küste auftaucht, ließ Pres- thriller Matchless gelang es der United Artists nenstadt für die Auff ührung des neben dem Alsterpavillon dürfen wir in einem sepromoter Klaas Akkermann eine Gruppe Sta- 1967, mit Oberschurke Donald Pleasence einen 70 mm-Spektakels im Grindel Kurzfi lm über die Dreharbeiten zur Größten tisten in sowjetischen Militäruniformen den der Hauptdarsteller (neben Patrick O’Neal und Filmtheater geworben. Ob Geschichte einen Blick hinter die Kulissen tun. Jungfernstieg entlang spazieren. Mit Filmplaka- Ira von Fürstenberg) nach Hamburg zu holen. diese Aktion der überlangen Wir sehen, wie in einer Drehpause Gerechte ten klärten sie schließlich über die Aktion auf. Im Outfit eines Gentleman-Killers fuhr Plea- und überdrehten Gaunerko- und Ungerechte miteinander Rugby spielen, Auch in den folgenden Jahren steckte die sence in einer englischen Limousine vor dem mödie von Stanley Kramer die Apostel zusammen mit den Pharisäern United Artists voller PR-Ideen. Auf vier Rädern Premierenkino Streit’s vor und posierte dort geholfen hat, ist nicht über- friedlich Corned Beef essen oder schwarz ge- versuchte der Verleih im Sommer 1967 die für Fotografen und Reporter. liefert. Stilecht dagegen lief wandete Klageweiber unter brennender US- Kinobesucher in die luxuriöse Barke zu locken. Nach dem Erfolg von Disneys Mary Poppins, im August 1965 vor Hamburgs Sonne Pullover stricken.“ Ein Transporter, an drei Seiten mit Filmmoti- wollten die Briten 1969 unbedingt auf den Zug
22 K INOG E SCHICHTE KINOGE SCHICHT E 23 eine gefangene deutsche U-Boot-Besatzung vard-Blatt zur Eröffnung des drei Säle umfas- aus einem Lager in Schottland auszubrechen. senden Theaters ein. Stilecht wurde nicht nur Angeführt wird sie von ihrem Nazi-Komman- gejazzt, der Betreiber charterte auch einen Ori- danten Schlüter (Helmut Griem), der in Ge- ginal Doppeldecker aus London und besetzte heimdienstmann McConnor (Brian Keith) ei- ihn mit Komparsen, die sich als Bobbys verklei- nen gewieften Gegner hat. Für die Publicity det hatten. zur Hamburg-Premiere im Januar 1970 wurde 1968/69 hatte ein kleiner Wolfsburger Hauptdarsteller Griem gewonnen, der sich mit mit vier Rädern international für Kinofurore Marine-Veteranen auf der Kommandobrücke gesorgt, Ein toller Käfer mit Dean Jones am des Hadag-Passagierschiffes Wappen von Ham- Steuer. Ein Jahrzehnt später nun kurvte der burg präsentierte. Käfer Herbie wieder mit Dean Jones am Len- ker durch die Welt. Titel diesmal: Herbie groß in Fahrt (Herbie Goes to Monte Carlo). Um das K URIOSE W ERBEK A MPAGNEN Spektakel der Disney-Produktion mit einem Stehaufmännchen kennt jeder. Was aber sind Hauch von weiter Welt zu bewerben, verlegte Da klingelt es bei vielen „Stehaufmädchen“? Sie lieferten den Titel für der hauseigene Buena Vista Verleih die Herbie- Passanten: Markenzeichen den ersten Spielfilm von Skistar und Doku- Promotion in den Hafenbereich und drapierte wie Goofy und Pluto ver- mentarfilmer Willi Bogner, der im Mai 1970 in bekannte Disney-Figuren wie Pluto und Goofy raten, dass es sich bei Herbie, groß in Fahrt um einen Hamburg anlief. Im Mittelpunkt steht ein um die Szene. Disney-Film handeln muss Citroën 2 CV (eine „Ente“), in dem sich Sekretä- Jahre später gingen diese punktuellen Re- rin Eva (Iris Berben) und Freund Eric (Jochen klameaktionen stark zurück. Die Medienver- Richter) Verfolgungsjagden mit dem Mercedes treter wurden von den Verleihern nun direkt von Evas Chef liefern. Gemeinsam mit der agi- bedient. Dazu gehörten Pressevorführungen len Hamburger Morgenpost wurde auf dem Hei- und Interviewtermine mit Schauspielern und erfolgreicher Märchenmusicals aufspringen: tember 1969 einen ausgeklügelten Werbe-Feld- ligengeistfeld eine „Stehaufmädchen“-Rallye Regisseuren. Es wurden Tonträger mit Aus- Tschitti Tschitti Bäng Bäng, ein bonbonfarbe- zug. Schon zwei Wochen vor der Aufführung ausgeschrieben, an der sich 25 junge Damen schnitten des Filmtones an Rundfunk-Redakti- nes Musikfeuerwerk um ein fliegendes und des mit einem gewaltigen Staraufgebot ge- beteiligten. Die Teilnehmerinnen mussten mit onen verschickt. Das Fernsehen wurde kosten schwimmendes Wunderauto, sollte ein großer drehten britischen Prestigeobjektes, bereiteten der „Ente“ einen verzwickten Slalom-Parcour los mit Making-of-DVDs versorgt, während Publikumsmagnet werden. Die Voraussetzun- die PR-Agenten den Boden für die Premiere in bewältigen. Das Siegertrio wurde von Regis- große Verleiher gleichzeitig kurze Trailer fürs gen schienen gegeben. Die literarische Vorla- der Barke vor. Mittel zum Zweck war der bri- seur Bogner und den beiden Hauptdarstellern Fernsehen und heute für PC und Handys schal- ge stammte von keinem Geringeren als James tische Oberst a. D. und spätere Schauspieler ausgezeichnet. teten. Globale Ausmaße nahm bei Großpro- Bond-Autor Ian Fleming. Das Drehbuch ent- Peter Townsend. Dank einer Affäre mit der Und noch einmal die MOPO: Für die US- duktionen schließlich die Verbundwerbung mit wickelte Kultautor Roald Dahl, und finanziert englischen Prinzessin Margaret war der frü- Krimikomödie Wenn es Nacht wird in Man- Konzernen oder Fast-Food-Ketten an. Disney- wurde das Werk von Bond-Produzent Albert here Kampfflieger einem breiten Publikum be- hattan trug sie im Januar 1971 einen weiteren und Star-Wars-Produktionen nutzten diese R. Broccoli. Der schlug voll zu und holte vom kannt. Zwei Tage lang hielt Townsend sich in PR-Wettbewerb aus: das „Dollarangeln“. Im Möglichkeit ebenso wie Michael „Bully“ Herbig erfolgreichen Mary-Poppins-Team die Kompo- der Hansestadt auf, gab ausführliche Inter- Morgenpost Center und am Hauptbahnhof wa- für (T)Raumschiff Surprise. nisten-Brüder Robert und Richard Sherman views, glänzte durch sein Fachwissen und be- ren große, nicht einsichtige Behältnisse mit Der Reklamerummel geht also weiter, nur und den strahlenden Hauptdarsteller Dick van suchte bei Uetersen den Luftwaffen-Stützpunkt Filmwerbung aufgebaut. Daraus konnten Pas- auf anderen Ebenen. Er spielt sich nicht mehr Dyke. Von deutscher Seite kam Gert Fröbe hin- nebst Luftfahrt-Museum. Zu weiteren PR-Akti- santen echte Dollarnoten angeln. Ob damit tat- in überschaubaren Regionen ab, sondern über- zu. Doch in Deutschland floppte das Musik- onen gehörten eine Modellflugzeug-Anlage, sächlich das Interesse an dem New-York-Krimi zieht Konsumenten und Liebhaber der Traum- märchen. Den größten Eindruck hinterließ nur auf der die legendäre Schlacht nachgestellt Untere Fotoreihen gesteigert wurde, darf allerdings bezweifelt fabrik weltweit auf vielen Kanälen. Unter die- die ausgefeilte Werbekampagne. Eine große wurde, eine riesige, halbseitige Zeitungsanzei- auf beiden Seiten: werden. ser geballten Marketing-Macht leiden so man- Oldtimer Rallye durch die Hamburger City, die ge zum Filmstart und der Auftritt eines Bun- Fahrbare Werbe- Auch das gab es: Im September 1974, als che Filmfreunde. Kein Wunder daher, wenn bis zum Savoy-Premierenkino am Steindamm deswehr-Musikkorps am Premierenabend. Untersätze erreichten viele Kinos schon gestorben waren, wurde am einige von ihnen sehnsuchtsvoll an alte Werbe- die Umworbenen führte, sorgte für blendendes Aufsehen. Weitaus geringer, aber nicht unintelligent Steindamm ein neues Lichtspielhaus eröffnet, „Zeiten“ zurückdenken, als Kinobesucher auf . nicht nur im Alltags- Für das Militärspektakel Die Luftschlacht fiel der PR-Aufwand für den Ausbruch der 28 betrieb sondern auch das Piccadilly. Diesmal sprang die BILD-Zeitung originelle Weise noch mit dem Lasso eingefan- um England startete die United-Artists im Sep- aus. In dem britischen Weltkriegsfilm versucht auf Spaziergängen auf die PR-Idee auf. 300 Leser lud das Boule- gen wurden.
FE RNSE HGE SCHICHT E 25 Vom Wahrzeichen zum TV-Relikt 51 Jahre Fernsehturm in Hamburg Von Joachim Paschen Am 11. Mai 1968 wurde Hamburgs höchstes Restaurant von zahlreichen Ehrengästen eingeweiht: Es drehte sich in der luftigen Höhe von 127 Metern um den Schaft eines 275 Meter hohen Turms, den die Bundespost für den Ausbau ihres Fernmelde- netzes und die Übertragung von Fernsehsendungen in dreijähriger Bauzeit an der Rentzelstraße errichtet hatte. Fünf Monate später, im Oktober wurde auch der Sendebetrieb aufgenommen. G etauft wurde der Turm auf den gleich neben Planten un Blomen an der die Verbesserung der Fernmeldetechnik Namen des 1857 in Hamburg ge- Rentzelstraße. Er sollte doppelt so hoch an, des „öffentlich beweglichen Land- borenen Physikers Heinrich Hertz, werden wie Hamburgs höchste Kirch- funkdienstes“, wie er das Telefonieren dem Entdeckter der Funkwellen. Die turmspitze von St. Nicolai, die Fernseh vom Auto und vom Zug aus nannte. Das Hamburger Presse feierte den Turm als türme in Stuttgart und Dortmund weit Modell zeigte auch die weitere Planung neues Wahrzeichen und verlieh ihm in überragen und nur zwei Dutzend Meter in der Umgebung des Turms: eine breite Anspielung auf das bisherige Wahrzei- niedriger als der Eiffelturm sein. Mit- Brücke zur Verbindung mit Planten un chen den Namen Telemichel. Die Ein- geplant wurde von Anfang an ein Aus- Blomen, eine kreuzungsfreie Hochstra- führung von Kabel- und Satellitenfern- sichtsrestaurant in halber Höhe; der ße neben den Bahngleisen mit Abfahrt sehen lassen den Turm 51 Jahre danach Inhaber eines Patents für drehbare zur Rentzelstraße, eine Kongress- und wie ein Relikt aus alten Zeiten wirken. Turmcafés empfahl die Rotation des eine Sporthalle im Sanierungsgebiet Mit der Entwicklung eines zwei- Gästebereichs um den Turmschaft. Karoviertel. ten Fernsehprogramms und regionaler Offen blieb, ob sich das Restaurant Fernsehangebote zu Beginn der 1960er drehen würde. Die Frage sollte Ende D ie P lanungen Jahre wuchsen die Ansprüche an die 1963 ein Gutachten klären, mit dessen Fotos: Staatsarchiv Hamburg technische Verbreitung durch die Sen- Anfang 1963 lagen mehrere Entwürfe Ausarbeitung der ausgewählte Architekt deanlagen der Bundespost. Als Ersatz vor: Bundespostminister Richard Stück- Fritz Trautwein, bekannt durch den Bau Nach der Fertigstellung der Blick von oben auf den Fernsehturm für den 90 Meter hohen Sendemast des len gab in Hamburg grünes Licht und der Grindelhochhäuser, beauftragt wor- an der Rentzelstraße mit Antennen und Betriebskanzel. Gut Flakbunkers auf dem Heiligengeistfeld erläuterte das Modell der aus Kosten- den war. Er setzte sich der größeren At- zu sehen sind die umlaufende Eingangshalle sowie die Fuß gängerbrücke nach Planten un Blomen. Im Kreis auf der folgen- wurde an zentraler Stelle des Stadtge- gründen schlichten Konstruktion einer traktion wegen für ein Drehrestaurant den Seite das Modell mit der Andeutung einer Hochstraße biets ein neuer Fernsehturm geplant – Betonnadel: Ihm kam es vor allem auf ein, gab aber auch zu bedenken, dass
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