VMVERBA ND SMAG VERBANDSMAGAZIN

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vm              Ve r b a nd s M a g a z i n
                                       Themen, Trends und Fakten der Wohnungs- und
                                       Immobilienwirtschaft – VdW Rheinland Westfalen
                                                                                        #5
                                                                                        2021

                                  24    MODERNISIERUNGSOFFENSIVE +
                                        NEUE IMPULSE IN DER WOHNRAUMFÖRDERUNG

                     22   ELEKTROMOBILITÄT IN DER WOHNUNGSWIRTSCHAFT
                          KOSTENFREIES ANGEBOT FÜR VERBANDSMITGLIEDER

4   SCHWERPUNKT – ARCHITEKTUR UND BAUKULTUR
    Schön soll es sein!
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EDITORIAL 1

                                               Architektur und Baukultur
                                               zu bezahlbaren Mieten

                                               D
                                                          er Wohnungsbau in Nordrhein-          schaften immer wieder, wie der gute Umgang
                                                          Westfalen und dem nördlichen          mit der baukulturellen Substanz der vergan-
                                                          Rheinland-Pfalz ist historisch von    genen Jahre an die Bedürfnisse der heutigen
                                               verschiedenen gesellschaftlichen und somit       Zeit angepasst werden kann.
                                               auch baukulturellen Entwicklungen beein-
                                               flusst. Sie prägen das Image und die Identität   Die bauliche Schönheit mit den aktuellen
                                               der Region und können architektonische           Ansprüchen an das Wohnen zu verbinden
                                               Landmarken setzen. Die Zechensiedlungen          und gleichzeitig preiswerten Wohnraum
                                               verbindet jeder mit dem Ruhrgebiet, den          zur Verfügung zu stellen, stellt die gemein-
                                               roten Klinker mit dem Münsterland und die        wohlorientierte Wohnungswirtschaft im-
                                               Großwohnsiedlungen prägten wohl alle vom         mer wieder vor neue Aufgaben und bedarf
                                               Krieg zerstörten Großstädte an Rhein und         einer entsprechenden Wertschätzung. Mit
                                               Ruhr, die im Sinne der Funktionstrennung         Auszeichnungen etwa durch die vorbild-
                                               errichtet wurden.                                lichen Bauten NRW oder den Deutschen
                                                                                                Bauherrenpreis werden eben diese qualitativ
                                               Es wird deutlich: Die Wohnkultur muss Ant-       hochwertigen Lösungen stärker in der Öf-
Quelle: Roland Baege/VdW Rheinland Westfalen   worten auf die Fragen der Zeit liefern. Das      fentlichkeit herausgestellt. Modellprojekte
                                               bedeutet für uns als Wohnungswirtschaft          nach vorne zu treiben fordert auch die Unter-
                                               baulich ansprechende, nachfragegerechte          stützung der Politik durch die Förderungen
„Baukultur muss                                und eben auch bezahlbare Wohnformen zu           von innovativen Lösungen im Neubau und
Antworten auf die                              schaffen. Der Klimawandel und die demo-          im Bestand. Denn ohne eine zielgerichtete
                                               grafischen Herausforderungen sind auch           Förderung durch den Bund und das Land ist
Fragen der Zeit geben“                         baukulturell die Wegweiser in die Zukunft        die Entwicklung baukultureller Qualitäten
                                               des Bauens von nutzungsgemischten Quar-          unter dem Aspekt der Bezahlbarkeit nicht
                                               tieren und fordern architektonisch und städ-     immer möglich.
                                               tebaulich qualitätvolle Antworten. In dem
                                               Zuge ist nicht nur der Neubau, sondern
                                               insbesondere auch die Entwicklung des            Alexander Rychter
                                               Bestands gefragt. Denn 99 Prozent unserer
                                               Wohnungen sind gebaut und doch zeigen            Verbandsdirektor des
                                               die Mitgliedsunternehmen und -genossen-          VdW Rheinland Westfalen

                                                                                                      05/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
VMVERBA ND SMAG VERBANDSMAGAZIN
2       INHALT

4                                                       15                                          28
Schön soll es sein!                                     Boden- und Baulandpolitik                   Imagekampagnen und Mieterkom-
                                                        gemeinwohlorientiert gestalten              munikation

  Quelle: ggw/Fotograf Gerd Kaemper                      Quelle: Erbbauverein Köln e.G.             Quelle: VdW/Roland Baege

        SCHWERPUNKT                                           Live & digital: Ansprechende          21   „Die Wohnungswirtschaft ist durch
                                                              Debatten um genossenschaftliches           politische und gesetzliche Vorgaben
    4   Schön soll es sein!                                   Wohnen
                                                              35. Symposium – Perspektiven für
                                                                                                         im Bereich Mobilität zunehmend
                                                                                                         gefordert“
        Architektur und Baukultur
                                                              Wohnungsgenossenschaften                   Bundesweites Netzwerk Wohnen und
  8     Wohnen als Teil der Baukultur NRW
                                                                                                         Mobilität
        Die Perspektive aus der Praxis                  15    Boden- und Baulandpolitik gemein-

  9     „Ich plane mit Leidenschaft lebens-
                                                              wohlorientiert gestalten              22   „Die nachträgliche Ausrüstung
                                                              Praxisaustausch zwischen Verbänden         von Bestandswohngebäuden spielt
        werte Gebäude und Quartiere“
                                                                                                         für die Elektromobilität eine ganz
        Die Perspektive aus der Praxis                  16    Digitalisierung und Menschen-
                                                                                                         wesentliche Rolle“
                                                              orientierung in der zukünftigen
10      „Gesellschaftlich etwas bewirken
                                                              Personalarbeit
                                                                                                         Interview mit Dr.-Ing. Matthias Dürr,
                                                                                                         Leiter „Kompetenzzentrum Elektro-
        und einen Denkanstoß geben“
                                                              9. Forum Personal
        Out of the Box: Fassadenkunst von                                                                Mobilität NRW“
        innerfields
                                                                                                    24   Modernisierungsoffensive +
11      Ein „Big Beautiful Building“ blickt                   AKTUELLES NRW                              für zukunftsfähigen und bezahl-
                                                                                                         baren Wohnraum
        Richtung Zukunft
        Citywohnpark Duisburg                                                                            Neue Förderimpulse für die Woh-
                                                        17    Jetzt anmelden und erfahren, was
                                                                                                         nungswirtschaft Nordrhein-Westfalen
                                                              die Wohnungswirtschaft bewegt!
12      Lünens neue alte Mitte
                                                              20. VdW-Forum Wohnungswirtschaft
        Zukunftsweisender Umbau einer
        Kaufhausimmobilie
                                                        18    „Wir wollen in NRW als Koalition
                                                                                                         AKTUELLES RLP
                                                              eine Entlastung bei der Grunder-
13      Der „Sedansberg“: Ein Quartier
                                                              werbsteuer erreichen“
        wird Musterknabe
                                                              Der VdW Rheinland Westfalen im        25   Wohnungspolitik: Klimaneutralität
        Gastbeitrag von Oliver Zier,                                                                     mit Blick auf Baukosten
                                                              Gespräch mit Christof Rasche, MdL,
        Geschäftsführer der Gemeinnützi-                                                                 Neuer Koalitionsvertrag
                                                              Vorsitzender der FDP-Landtagsfrak-
        gen Wohnungsbaugesellschaft mbH
                                                              tion NRW                                   20. Bauforum Rheinland-Pfalz:
        Wuppertal
                                                                                                         Neues Arbeiten – neues Wohnen?
                                                        20    Lebendige Innenstädte für NRW
                                                                                                         Veranstaltung
                                                              VdW Rheinland Westfalen unterstützt

        AKTUELLES
                                                              Innenstadtoffensive NRW               26   Von Altenkirchen bis Zweibrücken
                                                                                                         Die rheinland-pfälzische Wohnraum-
                                                              Metropolregion Köln im
                                                                                                         förderung im Jahr 2020
                                                              Marktüberblick
14      Erfolgreiche Digitalisierung – wie
        machen es unsere europäischen                         Studie für Eigentumswohnungen im      27   Bundespolitische Gespräche zu
        Nachbarn?                                             Neubau 2020 / 2021                         Mieterstrom und Mietendeckel
        European Summer School 2021                                                                      Insta-Live-Talks mit Bundestagsabge-
                                                                                                         ordneten

                                                                                                         Der Trend zum Mehrfamilienhaus
                                                                                                         hält an
                                                                                                         Baugenehmigungen

05/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
VMVERBA ND SMAG VERBANDSMAGAZIN
INHALT 3

30                                          32                                        43
Steuerliche Aspekte der CO2-                Neue E-Lastenräder erobern                Wie wird aus Holz zusätzlicher
Bepreisung und von Mieterstrom              Bochum                                    Wohnraum im Bestand?
im Fokus

 Quelle: Tamara – stock.adobe.com            Quelle: GWV                               Quelle: Wald und Holz NRW

      VDW-ARBEITSKREISE                     34   Autark mit Wasserstoff                     RECHT
                                                 Euskirchener Baugesellschaft mbH
28    Imagekampagnen und                         (EUGEBAU)
                                                                                      41    Bundesverfassungsgericht erklärt
      Mieterkommunikation                                                                   Berliner Mietendeckel für nichtig
      Arbeitskreis Marketing & PR           35   „Jeder Bestandshalter wird über
                                                                                            Mietrecht
                                                 kurz oder lang zum Klimaschützer“
29    Mietverhältnisse im Spannungsfeld          Interview mit Oliver Knuth,
                                                 Geschäftsführer der Euskirchener
                                                                                      42    DSGVO-Bußgeld gegen Deutsche
      zwischen Digitalisierung und Recht-                                                   Wohnen SE
      sprechung                                  Baugesellschaft mbH (EUGEBAU)              Landgericht Berlin stellt Verfahren ein
      Arbeitskreis Recht
                                            36   Technische Unterstützung für ganz-
30    Steuerliche Aspekte der CO2-               heitliches Bestandspflegekonzept
                                                 Praxisbericht: EWG Hagen eG und            TECHNIK UND MULTIMEDIA
      Bepreisung und von Mieterstrom im
      Fokus                                      Quadratis GmbH gehen auf Nummer
      Arbeitskreis Steuern und Bilanzie-         sicher                               43    Wie wird aus Holz zusätzlicher
      rung                                                                                  Wohnraum im Bestand?
                                                                                            Online-Seminar „Aufstockungen in
                                                                                            Holzbauweise“
                                                 TERMINE
      ARBEITSGEMEINSCHAFTEN                                                           44    Starkes Signal – Bundesrat
                                                                                            nimmt Entschließungsantrag der
                                                                                            nordrhein-westfälischen Landesre-
31    Für ein starkes Miteinander vor Ort
                                                 STEUERN                                    gierung an
      Treffpunkt Regionale Arbeitsgemein-
      schaften                                                                              Novelle des Telekommunikationsge-
                                            38   Gewinnabführungsverträge –                 setzes
                                                 Anpassung in Altfällen
                                                 Körperschaftsteuer                   45    Fehlerquellen bei der Einführung
      AUS DEN UNTERNEHMEN                                                                   von Software-Lösungen
                                                 Nutzungsdauer von Computerhard-            Digitale Transformation
                                                 und -software
32    Neue E-Lastenräder erobern
                                                 Einkommensteuer
      Bochum
      GWV und BOGESTRA starten durch
                                            39   Änderungen im Gemeinnützigkeits-
                                                 recht
33    Seit 100 Jahren für bezahlbaren
                                                 Abgabenordnung
                                                                                       46 FÜR SIE GELESEN
      Wohnraum und gesellschaftliche
      Verantwortung
                                                                                       47 SEMINARE
      Jubiläum der Bauverein Erftstadt eG
                                            40   Referentenentwurf zur
                                                 Modernisierung des Körperschaft-
      Barrierefrei und energetisch hoch-         steuergesetzes
                                                 Körperschaftsteuer                   Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbar-
      wertig: „Wohnen am Westbach“
                                                                                      keit wird die männliche Personenbezeichnung
      Neubauquartier der Wohnungsge-             Entwurf eines Grundsteuerreform-     gewählt. Die Angaben beziehen sich jedoch auf
      nossenschaft Herne-Süd eG                  Umsetzungsgesetzes                   beide Geschlechter.
                                                 Grundsteuer

                                                                                            05/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
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4      SCHWERPUNKT

Schön soll es sein!
ARCHITEKTUR UND BAUKULTUR >> Den Anspruch an Architektur setzen viele vor allem mit ästhetischer
Schönheit gleich. Die großen Namen der Architektur spielen mit Farben, Formen und Materialien.
Sie sind ein Sinnbild ihrer Zeit und das vermeintlich Herausragende ist oft doch in Sonderbau-
ten zu finden. Ein Museum sticht ins Auge, die Stadtvilla und das hippe Altbauquartier auch, der
bezahlbare Wohnungsbau bleibt da oft außen vor. Doch zu Recht? Bereits vor über 100 Jahren
wurden Wohngebäude errichtet, die architektonischen und baukulturellen Charakter mit der
Bezahlbarkeit des Wohnens vereinten. Wie ging es im Wandel der Zeit weiter? Und welches Bild
wird heute gezeichnet?

  Quelle: ggw/Fotograf Gerd Kaemper

„Schievenfeldsiedlung“ in Gelsenkirchen: Die ab dem Jahr 1915 erbaute ehemalige Bergarbeitersiedlung umfasst 321 Wohnungen und ist immer
noch eine architektonische Besonderheit im Bestand der Gelsenkirchener Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft mbH

Im Gespräch mit dem SZ-Magazin sagte                    schließt die gesamte gebaute Umwelt,       stiftet Identität und steigert die Aufent-
die Architektin Odile Decq jüngst Fol-                  also auch die Stadt- und Regionalpla-      haltsqualität.
gendes: „Niemand weiß, was Architektur                  nung, den Denkmalschutz und die Inge-
eigentlich ist. Wenn Sie jemanden fragen,               nieurbauleistungen sowohl am Gebäude       Die Bestände der Mitgliedsunternehmen
was ein Architekt tut, sagt er: Ein Archi-              als auch im öffentlichen Raum mit ein.     und -genossenschaften des VdW Rhein-
tekt ist eine Person, die Gebäude entwirft.             Sie unterliegt also zeitgenössischen und   land Westfalen nehmen diese Epochen mit
Aber das stimmt so nicht. Ein Gebäude zu                lokalen Gegebenheiten, Denkrichtun-        auf. Ihre Vielseitigkeit lässt sich auch durch
entwerfen ist das Ergebnis! Davor findet                gen, Haltungen und Werten. So spiegeln     die lokalen Gegebenheiten und Aufgaben
ein Prozess statt, es gibt eine bestimmte               sich in unterschiedlichen Epochen auch     erkennen. So zeigen sich bauliche Un-
Art zu denken, es setzt ein Verständnis                 unterschiedliche Wertehaltungen in der     terschiede zwischen dem baukulturellen
für die Gesellschaft voraus, und dann                   gebauten Umwelt wider, welche auch die     Verständnis und auch dem Verständnis
macht man einen Vorschlag, wie man                      jeweiligen Ansprüche und Nachfrage an      von Wohnen, zwischen Stadt und Land,
anders oder sogar besser leben könnte.                  das Wohnen beinhaltet. Neben der Pla-      dem historisch bedingten Schieferbau im
Das Gebäude steht erst am Schluss.“                     nung und Errichtung der Gebäude gehört     Bergischen Land und den riesigen Beton-
                                                        aber auch ihre Pflege und zeitgemäße       bauten im Ruhrgebiet und den rheinischen
Wer über Baukultur sprich, spricht über                 Umnutzung zu den entscheiden Para-         Ballungsräumen. Viele der Wohnungsun-
mehr als Ästhetik. Wie der Kulturbegriff                metern der Baukultur. Diese Aufgabe        ternehmen und -genossenschaften haben
selbst stehen diese im stetigen Einfluss                übernehmen nicht selten traditionsrei-     eine lange Tradition, welche zum Teil über
sich verändernder Parameter. Baukultur                  che und jüngere Wohnungsunternehmen        hundert Jahre zurückreicht und somit eine
geht über die Architektur hinaus und                    und -genossenschaften, denn Baukultur      Reise durch die Bestände von ihrer Ent-

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SCHWERPUNKT ARCHITEKTUR UND BAUKULTUR 5

stehung und Planung über die Pflege bis          Das hohe Maß der Zerstörung bedurfte           chitekten wie Le Corbusier stellten die
zur Modernisierung und Anpassung an die          eines umfassenden Neubaus von bezahl-          Funktionstrennung in den Vordergrund.
Bedürfnisse der heutigen Zeit ermöglicht.        barem Wohnraum. War das bereits in den         Um die hohe Nachfrage nach Wohnraum
                                                 1920er-Jahren gegründete Bauhaus in der        für die Mittelschicht zu decken, entstan-
Die Gartenstadt als Modelltyp                    NS-Zeit verrufen, gab es jetzt Hoffnung für    den vielerorts Großwohnsiedlungen, wie
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts machte            Neues. Die durch Walter Gropius geprägte       sie auch bis heute noch in städtischen
sich ein genossenschaftlicher Grundge-           Bewegung wandte sich vom Historismus           Randlagen und in Zentren zu finden sind.
danke zunächst in London, schnell aber           ab und sah den praktischen Gedanken,           Schrecken die wuchtigen Betonbauten
auch in einer leichten Abwandlung vor            etwa des modularen Bauens, auch für die        viele auf den ersten Blick ab, so bestechen
allem im Ruhrgebiet breit. Ebenezer How-         Wohnbebauung.                                  diese Gebäude durch ihre funktionalen
ards Gartenstadt entsprang dem Wunsch,                                                          Grundrisse. Vielerorts erfreuten sie sich bei
bezahlbares Wohnen und Leben in der              Das funktionale Bauen prägte auch die          einer breiten Bevölkerungsschicht großer
Nähe zu den Zentren zu ermöglichen und           Betonbauten der 50er- bis 70er-Jahre. Ar-      Beliebtheit und sind erst mit der Stadt- >>

zielgerichtet zu steuern. Die Gartenstadt-
bewegung verbindet die Vorteile urbanen
und ländlich geprägten Wohnens und er-
möglichte den Siedlungsbau mit Gärten zur
eigenen Nutzung. In Deutschland waren es
gemeinwohlorientierte Wohnungsgesell-
schaften, die etwa für die Angestellten in der
Montanindustrie Wohnraum schafften. In
den suburbanen Räumen sprossen die Gar-
tenstädte, welche stets im räumlichen Zu-
sammenhang mit Industriewerken standen.
Die bis heute charakteristischen Torbauten
dieser Siedlungen dienten zur Kontrolle der
Zugänge. Nach innen boten sie durch die
hohe Einwohnerdichte Schutz, aber auch
soziale Kontrolle.

Die Moderne des Bauhauses weicht den
Betonbauten
Nach dem Zweiten Weltkrieg drängte die            Quelle: Wohnungsgenossenschaft Herne-Süd eG
Nachfrage nach einem schnellen Wieder-
aufbau. Mit der Baukultur des National-          Ein Kind seiner Zeit: Die urbane Großwohnsiedlung der Wohnungsgenossenschaft Herne-Süd
sozialismus sollte abgeschlossen werden.         eG am Europaplatz in Herne entstand ab 1975 und wird derzeit umfassend modernisiert

                                                                                                      05/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
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6      SCHWERPUNKT

flucht in den Folgejahren auch medial oft
in Verruf geraten.

Dass es Früchte trägt, dem entgegenzusteu-
ern, zeigt das aktive Handeln vieler Woh-
nungsunternehmen und -genossenschaften.
Durch die regelmäßige Modernisierung
können diese Bauten bis heute auch mit
Erfolg bestehen. An einzelnen Fassaden trägt
auch die Kunst dazu bei. Immer mehr Woh-
nungsunternehmen und -genossenschaften
sehen die Qualität ihrer Bestände als offene
Galerien. Die Kunst am Bau steigert die
Aufenthaltsqualität, richtet den Blick auf das
Gebäude, prägt das Umfeld und lädt zum
Verweilen ein.

Bis in die 70er-Jahre hinein wurde das Leit-
                                                         Quelle: Christoph Buckstegen
bild der störungsfreien Funktionstrennung
von Wohnen, Arbeiten und Freizeit prakti-               Der „Wohnpark Wasserhof“ der WohnBau eG in Goch ist ein ansprechender Vertreter der
ziert. Erst danach wurde das Gebot der Mi-              gegenwärtigen Baukultur: als barrierefreies sowie zentrumsnahes Wohnquartier erfüllt es viel-
schung attraktiver, welches etwa eine Minde-            fältige Ansprüche und passt sich in seiner Geschossigkeit der direkten Umgebung an
rung des Verkehrsaufkommens prophezeite.
                                                        Multifunktionale Quartiere wirken als das       Die Perspektive der Wohnungswirtschaft
What’s next? – Vielfältiges Bauen im                    Paradigma der aktuellen Zeit. Lebendige         Das baukulturelle Erbe prägen also nicht
Quartier                                                Lebensräume sind polyfunktional. Sie ver-       nur Architekten und Städtebauer, es wird
In der aktuellen Debatte um Baukultur geht              binden Leben, Wohnen, Arbeiten, Einkaufen       von der gesamten Gesellschaft getragen.
es vor allem um die Umnutzung im Bestand.               und Erholung. Gemeinschaftliche Wohn-           Auch die Wohnungswirtschaft hat in ver-
What’s next? Diese Frage konkretisiert sich,            formen und ökologische Baustoffe kommen         schiedenen Epochen unter Fragestellun-
wenn wir durch unsere Innenstädte schlen-                        hinzu. Ist die Zukunft des baukul-     gen der Zeit zu dieser gesellschaftlichen
dern oder Industriebrachen am Stadtrand                             turell bedeutenden Wohnens          Aufgabe beigetragen, wie die Praxisbei-
sehen. Die Baukultur ist wieder im Wandel.                             also auf Nachhaltigkeit und      spiele auf den nachfolgenden Seiten des
Die neuen Standor-                                                      Gemeinschaftssinn aus-          Schwerpunktes eindrucksvoll zeigen. In
te bieten mehr als                                                        gerichtet?                    Nordrhein-Westfalen übernimmt der Ver-
nur Wohnen.                                                                                             ein Baukultur Nordrhein-Westfalen die
                                                                                                        Vernetzung baukultureller Akteure und

  Quelle: innerfields

Mit dem Mural „Media Magdalena“ zog das Künstlerduo innerfields in der Lutherstadt Wittenberg eine lokal prägende Linie zwischen Gegen-
wart und religiöser Geschichte

05/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
VMVERBA ND SMAG VERBANDSMAGAZIN
SCHWERPUNKT ARCHITEKTUR UND BAUKULTUR 7

widmet sich dabei gemeinsam mit dem                                                                                               Quelle: Marie-Luise Oberlaender
VdW Rheinland Westfalen noch in diesem
Jahr dem Thema Wohnen im ländlichen
Raum. Darüber hinaus ist der VdW in der
Jury der Auszeichnung der vorbildlichen
Bauten in Nordrhein-Westfalen, welche
immer wieder auch Mitgliedsunternehmen
und -genossenschaften prämiert. Und bei
der Konferenz zur Schönheit und Lebens-
fähigkeit der Stadt, welche auch dieses Jahr
im Juni stattfinden wird, steht der Verband
im Austausch mit Architekten zur Stärkung
des Wertes der gemeinwohlorientierten                 Vielseitig: Das direkt am Fluss gelegene „Ruhrquartier“ der Mülheimer Wohnungsbau eG
Wohnungsbestände.                                     ist multifunktional konzeptioniert und bietet neben urbanem Wohnraum auch Raum für
                                                      Gewerbeeinheiten
Sowohl in Bezug auf die architektonische
Ästhetik, als auch auf baukultureller Ebene           vor Ort an einem Strang ziehen. Ganz neue             nach neuen Grundrissen, privatem Grün
der Konzeption und Werterhaltung heißt                Herausforderungen an die gebaute Umwelt               und der Wunsch nach mehr oder auch
dies: Erfolgreich wird die Umsetzung da,              setzt dann natürlich auch noch die Coro-              weniger Gemeinschaft fordern ganzheitli-
wo die Wohnungs- und Immobilienwirt-                  na-Pandemie. Wohnen und Arbeiten sind                 che Ansätze nach einer gesamtstädtischen
schaft, die Kommune und die Menschen                  so eng zusammen wie noch nie. Die Frage               Transformation.                      KK

       DAS NEUE EUROPÄISCHE BAUHAUS

  100 Jahre nach der Bauhausbewegung, soll
  nun das „Neue Europäische Bauhaus“ kom-
  men. Es gehe um konkrete Veränderungen,
  existierende Verfahren, Beispiele und Kon-
  zepte, welche etwa die Nutzung von natur-
  basierten Baumaterialien oder Modulare, an-
  passungsfähige und mobile Lösungen für das
  Wohnen betreffen, aber auch um die Frage
  des zukünftigen Zusammenlebens im Einklang
  mit Natur und Umwelt.

  Nachhaltigkeit, Ästhetik und Inklusion stehen
  im Fokus. Wobei Inklusion aus der Perspektive                                                                                       Quelle: Europäische Union
  der EU-Kommission die Partizipation der han-
  delnden Akteure meint. Das neue Europäische         Peter Köddermann, Baukultur NRW
  Bauhaus ist eine interdisziplinäre Initiative der
  Europäischen Kommission mit dem Ziel, eine          „Der politische Wille, eine europäische Bauhausbewegung in Gang zu setzen, kann aus baukultureller
  nachhaltige, inklusive, intellektuell und emoti-    Sicht nur unterstützt werden. Dabei beginnt jeder Bauhausansatz mit einer Überprüfung der eigenen
  onal ansprechende Zukunft zu entwickeln und         Haltung zu gebauter Umwelt. Das betrifft die Grundbegriffe des Bauens genauso wie Wertvorstel-
  zu gestalten. Dazu gibt es viele gute Beispiele,    lungen zur Nutzung von Gebautem. Bereits das historische Bauhaus fragte nach dem „modernen
  die im Rahmen einer europäischen Ausschrei-         Menschen“ und setzte in dieser Auseinandersetzung neue Grundbegriffe für Raum und Gestaltung.
  bung gesammelt und prämiert werden.                 Nicht mehr und nicht weniger sollte heute Sinn und Auftrag der Bewegung sein.“

  Die Wohnungswirtschaft in Deutschland ver-
  fügt bereits über umfangreiche Erfahrungen          Richard Henning, HGMB Architekten
  und kann sich selbstbewusst an der Ausschrei-
  bung beteiligen. Anträge können noch bis zum        „Die Initiative ,Europäisches Bauhaus‘ stellt die Frage, wie unser Zusammenleben in Zukunft aussehen
  31. Mai 2021 eingereicht werden.                    soll. Dabei spielt die Gestaltung der gebauten Umwelt natürlich eine entscheidende Rolle. Sie prägt
                                                      unser Bewusstsein, formt unsere Realität und beeinflusst unsere Empfindungen. Klimagerechtes und
  Weitere Informationen dazu finden                   nachhaltiges Bauen ist für uns als Architekten bereits seit langer Zeit ein selbstverständlicher Teil
  Sie auch unter:                                     unserer Arbeit. Für mich muss bei jeder Planung das soziale Miteinander und das Wohlbefinden des
  https://share.vdw-rw.de/EU_Bauhaus                  Menschen im Vordergrund stehen. Dafür müssen wir Planer funktionierende Räume entwerfen.“

                                                                                                                   05/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
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8      SCHWERPUNKT

    DIE PERSPEKTIVE AUS DER PRAXIS

    Wohnen als Teil der Baukultur NRW
    Peter Köddermann ist verantwort-
    lich für das Programm von Baukultur
    Nordrhein-Westfalen e. V., einem Zu-
    sammenschluss des ehemaligen M:AI –
    Museum für Architektur und Ingenieur-
    kunst NRW mit StadtBauKultur NRW.
    Baukultur NRW schärft durch zahlreiche
    Ausstellungsprojekte, Veranstaltungs-
    formate und Publikationen den Blick
    auf die gebaute Umwelt und stellt aktuell
    unter dem Titel „Regionale Wohnkul-
    tur in NRW“ die Frage „Wie wollen wir
    wohen?“.

    Was bedeutet für Sie der Begriff der
                                                                                                                  Quelle: Baukultur Nordrhein-Westfalen
    Baukultur in Bezug auf das bezahlbare
    Wohnen?
    Baukultur beinhaltet immer eine gesell-             setzung räumlicher Qualitäten. Es müssen       Neuausrichtung des Wohnens benötigt
    schaftliche Perspektive auf gebaute Um-             Außenraumqualitäten entwickelt, gemein-        aus baukultureller Sicht eine viel stär-
    welt und das Bauen. Somit ist das be-               schaftsfördernde Räume oder ergänzende         kere Beachtung in Ausbildung, Planung
    zahlbare Wohnen ein zentrales Element               Angebote für Orte des Zusammenlebens           und Umsetzung von Wohnbauaufgaben.
    baukultureller Betrachtung. Wenn die                als wichtige Bauaufgaben begriffen werden.     Der Umbau von Dienstleistungs- und Ge-
    Gestaltung bezahlbaren Wohnraums auf                Dies fordert differente Wohnungszuschnitte,    werbebauten zu Wohnraum als Element
    aktuelle soziale Anforderungen eingeht,             um aktuellen und flexiblen Herausforderun-     lebendiger Städte sollte zukünftig noch
    auf gemeinwohlorientierte Funktionen,               gen Raum zu geben. Wer neue Mischungs-         klarer in den Fokus gestellt werden.
    auf Bedingungen der Umwelt und auf                  verhältnisse als Qualifizierungskriterium in
    bauliche Qualitätsmaßstäbe, erlangt sie             Quartiersentwicklungen ansieht, muss auch      Mit welchen aktuellen
    eine baukulturelle Bedeutung. Dass die              differente Raumsetzungen und ein weit-         Projekten befasst sich Baukultur
    Berücksichtigung dieser Aufträge planbar            aus breiteres Spektrum unterschiedlicher       Nordrhein-Westfalen?
    und realisierbar ist, zeigen viele histori-         Wohntypologien zulassen. Der Begriff Quar-     Neben unserer Beschäftigung mit Stadt-
    sche, aber auch gute aktuelle Beispiele.            tiersentwicklung wird zwar häufig disku-       gestaltung sowie Kunst und Bau liegt für
    Dennoch werden Bauprojekte mit sehr un-             tiert, aber leider noch zu selten konsequent   uns ein Fokus auf dem Projekt „Regio-
    terschiedlichen baukulturellen Qualitäten           umgesetzt. Nach heutigem Stand veraltete       nale Wohnkultur in NRW“. Wir möch-
    umgesetzt. Wohnraum aus baukulturel-                städtebauliche Leitbilder der Funktions-       ten unseren Beitrag leisten, das Wohnen
    lem Anspruch als Lebensraum konzipie-               separierung sind noch zu oft Grundlage         und den Wohnraum in seinen vielfältigen
    ren zu wollen muss nicht im Gegensatz zu            zur Bedarfsentwicklung im Wohnungsbau.         Entwicklungen und Bedeutungen zu the-
    einer langfristigen ökonomischer Betrach-           Die Zukunft fordert einen Mix aus Wohnen       matisieren. Dazu reisen wir mit unseren
    tung stehen. Dies gilt auch dann, wenn              und Arbeiten, aus Individual- und Gemein-      Ausstellungen, Veranstaltungen und Pro-
    es um das bezahlbare Wohnen geht. Wir               schaftsfunktionen auf Basis tradierter Pla-    grammangeboten in den kommenden
    wünschen uns natürlich eine Steigerung              nungsprozesse und mit einer städtebauliche     Jahren durch NRW. Uns interessieren
    baukultureller Wertschätzung durch die              Ausrichtung. Gute vorhandene Beispiele         sowohl die Entwicklungen des regionalen
    an Planung und Bau beteiligten Akteure              sollten dort viel öfter als Vorbild dienen.    Wohnungsbaus, aktuelle Fragestellungen
    und sind der Meinung, dies ist eine aktu-                                                          vor Ort und nicht zuletzt die Erwartungen
    elle Erwartung der Bewohnerschaft.                  Der Umgang mit und die Neuausrichtung          an das Wohnen in den Landesteilen. In
                                                        von Baubeständen birgt viele Chancen einer     diesem Jahr werden wir in Ostwestfalen-
    Welche Relevanz, Aufgaben und                       dringend nötigen Umbaukultur auch im           Lippe gemeinsam mit vielen Akteuren
    Zielsetzungen hat Baukultur in der                  Wohnungsbau. Erste und zum Teil wirklich       die enge Verbindung von Lebens- und
    Entwicklung von Wohnungsbeständen                   kreative Modellprojekte zeigen, welche Qua-    Wohnqualität untersuchen und uns mit
    und im Wohnungsneubau?                              litäten möglich sind. Gerade der Umgang mit    unterschiedlichen Wohntypologien aus-

                                                                                                       –
    Die Fragen und Aufgaben der baukulturel-            Wohnbestand wird zukünftig eine weitaus        einandersetzen.             Peter Köddermann
    len Auseinandersetzung im Wohnungsbau               höhere Relevanz in der Betrachtung von
    sind vielfältig. Denn es muss gesagt wer-           Wohnraumentwicklung bekommen. Um-                  Weitere Infos finden Sie unter
    den: Wir brauchen einen verstärkte Um-              baukultur als Ziel für eine umweltgerechte         https://baukultur.nrw

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SCHWERPUNKT ARCHITEKTUR UND BAUKULTUR 9

DIE PERSPEKTIVE AUS DER PRAXIS

„Ich plane mit Leidenschaft lebenswerte Gebäude und Quartiere“
Richard Henning, Geschäftsführer des            Stadtbaustein. In vielen Situationen ist des-
Büros HGMB Architekten in Düsseldorf,           halb Zurückhaltung und Respekt vor dem Ort
hat den bezahlbaren Wohnungsbau schon           oberstes Gebot. An anderer Stelle kann es aber
immer zum Schwerpunkt seiner Arbeit             wiederum sinnvoll sein, gestalterisch „Flagge
gemacht. Er ist seit zwanzig Jahren selbst-     zu zeigen“ und ein Zeichen zu setzen. Als
ständiger Architekt. Die Hälfte davon als       Beispiel haben wir hier zwei von uns geplante
Geschäftsführer der HGMB Architekten            Wohnquartiere in den Düsseldorfer Stadttei-
aus Düsseldorf, ein Büro mit einer mittler-     len Gerresheim und Benrath: Die Gebäude
weile über fünfzigjährigen Geschichte als       in Gerresheim orientieren sich in Form und
Wohnungsbauarchitekten.                         Materialität stark an der Nachbarschaft, die       Quelle: HGMB Architekten
                                                von Gründerzeitbauten in Blockrandstruk-
„Schön soll es sein – Architektur und           turen geprägt ist. Das Quartier in Benrath        Bausubstanz ist ja hierzulande glücklicher-
Baukultur“ ist der Titel des Verbands-          dagegen fällt auf: Die Klimaschutzsiedlung        weise recht beständig und langlebig. Eine
Magazins. Was macht für Sie der Begriff         präsentiert sich selbstbewusst und eigenstän-     energieeffiziente Architektur ist aber auf je-
der Schönheit und der Baukultur im              dig am Stadteingang von Benrath und fun-          den Fall ein wichtiger Baustein. Energie zu
Zusammenhang mit dem bezahlbaren                giert als städtebauliches Merkzeichen. Beide      vergeuden ist keine gute Option. Dem demo-
Wohnraum aus?                                   Quartiere bieten aber die gleichen Qualitäten     grafischen Wandel durch barrierefreies Bauen
Schönheit ist für mich eine Empfindung, ein     für ihre Bewohner: ein sorgfältig gestaltetes     zu begegnen halte ich ebenfalls für sinnvoll.
Bauchgefühl. An dem Ort, an dem ich wohne,      Gesicht zum öffentlichen Straßenraum und          Eine Wohnung sollte auch bis ins hohe Alter
möchte ich mich wohlfühlen und ich selbst       geschützte private und halböffentliche Grün-      für den Bewohner nutzbar sein, und das
sein dürfen. Dafür muss ein Wohnquartier        flächen im Inneren.                               funktioniert nur durch eine weitestgehend
die Voraussetzungen bieten. Die planeri-                                                          schwellenlose Bauweise. In der Bestandsent-
schen Rezepte, die hier zum Erfolg führen,      Wo sehen Sie Ihre Aufgabe als Archi-              wicklung ist das natürlich nicht immer bis zur
sind eigentlich seit langer Zeit bekannt. Auf   tekt im Umgang mit gesellschaftlichen             letzten Konsequenz möglich, aber auch hier
städtebaulicher Ebene sind das eine eindeu-     Ansprüchen, wie dem Klimawandel und               kann man oft mit wenigen Maßnahmen Ver-
tige und funktionierende Differenzierung        dem demografischen Wandel, sowohl im              besserungen herbeiführen. Quartiere sollten
zwischen privaten, halböffentlichen und öf-     Umgang mit der Bestandsentwicklung als            immer einen ausgewogenen und vielfältigen
fentlichen Räumen, eine ausgewogene Dich-       auch im Neubau?                                   Wohnungsmix anbieten, damit bewahrt sich
te der Bebauung und möglichst viel Grün.        Meine Aufgabe als Architekt ist die Planung       der Bestandhalter die Möglichkeit, auf even-
Die Architektur sollte in enger Verbindung      von Gebäuden und Quartieren, die den aktu-        tuelle Veränderungen der Wohnbedürfnisse
mit dem Außenraum stehen und immer den          ellen gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht       zu reagieren. Was die Wohnungsgrundrisse
Menschen als Maßstab haben. Mit einem           werden. Wir sind die „Macher“, übersetzen         angeht: Das mag zwar etwas langweilig klin-
guten Entwurf lässt sich dies alles auch im     Ideen und Wünsche in gebaute Realität. Als        gen, aber aus unserer Erfahrung funktioniert
bezahlbaren Wohnungsbau realisieren. Mit        Fachleute müssen wir natürlich vorausschau-       der klassische Wohnungsgrundriss – also
einer gut durchdachten Grundrissgestaltung      end denken und mögliche, zukünftige Ent-          Wohnraum, Küche, Bad, Schlaf- und Kin-
und einer wirtschaftlichen Konstruktion         wicklungen im Blick behalten, damit unsere        derzimmer, angeordnet an einem zentralen
kann man eine Menge Geld sparen. Aus            Planungen auch Flexibilität für die Konzepte      Flur- immer noch am besten. Ich glaube, das
meiner Erfahrung bleibt da meist noch genug     in 20 Jahren erlaubt. Da ist es nicht dienlich,   wird sich auch so schnell nicht ändern.
Budget für eine schlichte, aber ansprechende    jeden kurzlebigen Trend mitzunehmen, denn                                               Richard Henning
Architektur übrig.

Welche baukulturellen Aspekte kommen
in Wohngebäuden zur Geltung? Welche
Formen, Materialien, Besonderheiten
zeichnen den aktuellen bezahlbaren
Wohnungsbau aus?
Der aktuelle Wohnungsbau ist nach wie vor
stark von der klassischen Moderne geprägt.
Bei den Materialien bestimmen Putz- und
Ziegelflächen das Bild. Erfreulicherweise
finden sich aber auch immer mehr Beispiele,
die eine stärkere Einordung in die Umgebung
nicht scheuen. Ich finde, dass der Planer                                                                                   Quelle: HGMB Architekten
immer dem Ort verpflichtet ist, dem er ein
neues Gebäude hinzufügt. Jedes Haus ist ein     Klimaschutzsiedlung „Am Wald“ der SWD, Düsseldorf

                                                                                                        05/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
10       SCHWERPUNKT

„Gesellschaftlich etwas bewirken und einen Denkanstoß geben“
OUT OF THE BOX: FASSADENKUNST VON INNERFIELDS >> Hinter „innerfields“ verbergen sich die Künstler
Jakob Tory Bardou und Holger Weißflog. In ihrer Heimatstadt Berlin sind sie mit Graffiti und zahl-
reichen anderen Einflüssen aufgewachsen und arbeiten seit 1998 zusammen. Von Auftragsarbeiten
über freie Kunst an Fassaden oder auf Leinwand bis hin zu Kunstfestivals und anderen Kunstpro-
jekten sind innerfields rund um den Globus aktiv. In ihrem Gastbeitrag erklären die Künstler ihre
Arbeiten, in denen sie ihre Umgebung oft in figurativen, realistisch dargestellten Motiven mit grafi-
schen Elementen und Symbolen adaptieren. Das Künstlerduo fasst die Kunst an Fassaden als gesell-
schaftliches Wirken auf, will zum Nachdenken anregen, schrankenfreie Diskursräume öffnen – und
leistet mit speziellen Farbstoffen sogar einen Beitrag zum Klimaschutz.
                                                                                                                                            Quelle: innerfields

„FischersNetz“/Hamburg: Hoch im Norden malten innerfields den Käpt‘n ins Quartier

„Wir hatten immer das Ziel, große Hausfassa-                  schen und den Effekt eines „intellektuellen“     wir seit Neuestem auch photokatalytische
den zu bemalen. Anders als bei Leinwänden                     Stolpersteins zu erzielen.                       Wandfarbe an, die luftreinigende Eigen-
sind wir über die Bilder auf Hausfassaden in                                                                   schaften hat und Kohlenstoffdioxid bindet.
direktem Austausch mit dem Wohnumfeld.                        Ein gut gesetztes Mural kann zu einer positi-
Galerien oder Museen erscheinen häufig                        ven Aufwertung des Wohnumfeldes führen.          Unser Antrieb und unsere Leidenschaft be-
als elitäre Räume, die Malereien im öffentli-                 Zum einen setzt es mit seinen Farben und         stehen darin, in der Gesellschaft zu wirken,
chen Raum sind hingegen für alle Menschen                     Formen den großen grau-beige-weißen Fas-         Diskussionen anzuregen und Menschen
gleich zugänglich – ohne eine gesellschaftli-                 saden unserer Städte eine interessante Le-       einen Denkanstoß oder einen ungewohn-
che Schwelle überwinden zu müssen. Diese                      bendigkeit entgegen. Zum anderen sind sie        ten Blickwinkel anzubieten. Wenn uns das
Bilder können entdeckt, bewusst gesucht                       Kultur, die bereichert und Diskurse anregt.      mit einem Mural bei nur einem Menschen
werden oder auch im Laufe der Zeit neu ver-                   Viele unserer Wände und Projekte werden          gelingt, hat sich für uns der Aufwand eines
standen werden. Für uns ist es am schönsten,                  in Stadtführungen mit dem Schwerpunkt            solchen Projektes gelohnt.“        innerfields
wenn wir es schaffen, Passanten mit einem                     Urban Art eingebunden. Durch solche Ini-
Bild auf ihren alltäglichen Wegen zu überra-                  tiativen können ganze Stadtteile zum Aus-
                                                              flugsziel werden. Neben der Belebung, die
                                        Quelle: innerfields   hierdurch von außen kommt, führt es auch
                                                              häufig für die Ansässigen eines bemalten Ge-
                                                              bäudes oder Stadtgebietes zu einer höheren
                                                              Identifikation. Es tut gut, in einem kulturell
                                                              relevanten Umfeld beheimatet zu sein.

                                                              Bei der Umsetzung unserer Motive greifen
                                                              wir inzwischen auf eine große Vielfalt von
                                                              Materialien mit verschiedenen Eigenschaf-
                                                              ten zurück. So arbeiten wir bei dunklen
                                                              Farbtönen inzwischen mit thermoaktiven
                                                              Farbsystemen, die bei Sonneneinstrahlung          Quelle: Jérome Gerull
„Newclear Power“/Schwerin: innerfields                        kühlend auf den Fassadenuntergrund wirken
bilden regelmäßig gesellschaftlich relevante                  und einer Erhitzung des Gebäudes entge-          Jakob Tory Bardou und Holger Weißflog
Themen in ihrer Fassadenkunst ab                              genwirken. Ganz neu auf dem Markt, bieten        sind „innerfields“ (v. l.)

05/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
SCHWERPUNKT ARCHITEKTUR UND BAUKULTUR 11

CITYWOHNPARK DUISBURG

Ein „Big Beautiful Building“ blickt Richtung Zukunft

D
        er „Citywohnpark“ in Duisburg-         Im Rahmen des Wettbewerbs sollten die Au-        Und die GEBAG bekommt Recht: Im Som-
        Hochfeld: Hier leben in über 420       ßen- und Dachflächen sowie die Fassadenge-       mer 2018 wurde der Citywohnpark von der
        Wohnungen rund 1.200 Men-              staltung und -sanierung in den Blick genom-      Landesinitiative StadtBauKultur NRW als
schen. Eine typische Siedlung aus den          men werden. Es geht auch um die Sanierung        „Big Beautiful Building“ ausgezeichnet. Das
70er-Jahren. Eigentümerin der Groß-            von Schadstoffen sowie die Verwendung von        Prädikat wurde im Europäischen Kulturer-
wohnsiedlung ist die Duisburger Woh-           zeitgemäßen und ggf. auch ökologischen           bejahr an Bauwerke im Ruhrgebiet verge-
nungsbaugesellschaft GEBAG.                    Baumaterialien. Durch die Schaffung von          ben, die in den 1950er- bis 1970er-Jahren,
                                               öffentlichen Wegen soll der Stadtteil näher an   der „Wirtschaftswunderzeit“, entstanden
Die von Architekt Friedrich Krapoth ent-       die Innenstadt und den Rhein angeschlossen       und die als beispielhaftes Bauwerk für diese
worfenen vier- bis achtgeschossigen Ge-        werden: Der Citywohnpark soll künftig als        Epoche gelten.
bäude mit insgesamt 425 Wohnungen und          Entree nach Hochfeld fungieren. Durch eine
rund 30.000 Quadratmetern Wohnfläche           verbesserte Freiraumgestaltung und die Auf-      Und auch die Politik fördert den Geist des
stellten Anfang der 1970er-Jahre, als die      wertung der Eingangsbereiche der Häuser          Erhalts von Großwohnsiedlungen: Die
Siedlung erbaut wurde, eine erhebliche         sollen Kommunikationsräume geschaffen            technische sowie energetische Sanierung
Erweiterung des Wohnraumangebots der           werden, um das Miteinander der Bewohner          des Citywohnparks wird mit Wohnraum-
GEBAG in der Innenstadt dar – und das          zu stärken. Außerdem sollen die Hauszu-          fördermitteln aus der Modernisierungs-
mit einer damals hochmodernen Architek-        gänge weitestgehend barrierefrei gestaltet       offensive „Besser Wohnen – Zu Hause im
tur. Die damalige Maximalmiete von 3,20        werden. Das Verfahren für sich entscheiden       Quartier“ in Höhe von bis zu 37 Millionen
Deutsche Mark pro Quadratmeter sowie           konnte das Team von Druschke und Grosser         Euro gefördert. Projekte wie der Citywohn-
die zentrale Lage sorgten für eine hohe        Architektur zusammen mit wbp Landschafts-        park zeigten „beispielhaft, wie breit ange-
Nachfrage. Die Presse bejubelte die Groß-      architekten, Bochum.                             legte Investitionen in den Wohnungsbe-
wohnanlage seinerzeit als „Prunkstück“ im                                                       stand eine nachhaltige Aufwärtsspirale in
Bestand der GEBAG.                             „Natürlich hätten wir uns auch für einen Ab-     Quartieren und Stadtteilen in Gang set-
                                               riss entscheiden können“, so Bernd Wortmey-      zen können“, so NRW-Bauministerin Ina
„Der Citywohnpark ist ein klassisches Bei-     er. „Doch mittlerweile wird der Citywohnpark     Scharrenbach im Rahmen der Fördermit-
spiel für die Wiederaufbauarchitektur der      durch seine zentrale Lage und eine funktio-      telbereitstellung.
1970er-Jahre“, berichtet Bernd Wortmey-        nierende Grundrissgestaltung wieder stark
er, Geschäftsführer der GEBAG. „Damals         nachgefragt. Als kommunales Wohnungs-            Die Sanierungsmaßnahmen im Citywohn-
wurde noch deutlich verdichteter gebaut,       unternehmen sehen wir die Bestandspflege         park erfolgen in vier Bauabschnitten, die
als wir es heute tun. In den Bestand wurde     im Rahmen einer zukunftsorientierten Quar-       Arbeiten im ersten Bauabschnitt haben im
in den vergangenen Jahrzehnten jedoch          tiersentwicklung als eine unserer Hauptauf-      März 2021 begonnen. Die GEBAG rechnet
wenig investiert, daher steht nun eine ganz-   gaben an. Zudem ist der Erhalt der Siedlung      aktuell mit einer Gesamtfertigstellung im
heitliche Modernisierung einer unserer         für uns auch ein Statement für den Erhalt        Sommer 2025.
größten Siedlungen auf dem Plan.“ Ende         eines Stücks städtischer Architekturgeschich-          Duisburger Wohnungsbaugesellschaft GEBAG
2018 wurde ein Wettbewerb initiiert mit        te, das wir nicht einfach aufgeben möchten.“
dem Ziel, die energetische Sanierung und
eine gestalterisch-funktionale Aufwertung
der Wohnanlage anzustoßen.

                                                                                                      05/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
12       SCHWERPUNKT

ZUKUNFTSWEISENDER UMBAU EINER KAUFHAUSIMMOBILIE

Lünens neue alte Mitte
Die städtebauliche Ausgangslage war ein                 haben wir uns der Herausforderung gestellt,   Die verbliebene ausgezeichnete Bausubs-
Desaster: Im Herzen der der Stadt Lünen –               das alte Hertie-Gebäude zu einem zukunfts-    tanz erwies sich als optimale Ausgangslage:
gern in der Eigenwerbung als Brücke                     sicheren Wohn- und Geschäftshaus mit          Das Objekt hat heute die Anmutung eines
zwischen Münsterland und Ruhrgebiet                     stadtbildprägender Wirkung zu machen“,        Neubaus und bietet Raum für ein Café, ein
bezeichnet – lag über Jahre hinweg eine                 erläutert Bauverein-Vorstand Andreas Za-      Restaurant, eine Bank, eine Augenklinik,
wuchtige, dem Verfall preisgegebene Kauf-               remba, der gemeinsam mit seinem ehema-        weitere gewerbliche Nutzer sowie 24 Woh-
hausruine.                                              ligen Vorstandskollegen Friedhelm Deuter      nungen und 50 Tiefgaragenstellplätze. Die
                                                        das Potenzial des Objektes erkannte.          perfekte Lage und die komfortable Ausstat-
Galt das Hertie-Haus mit 15.000 Quadratme-                                                            tung sicherten dem Bauverein eine vollstän-
ter Verkaufsfläche bei der Eröffnung 1969 als           Das Konzept des Umbaus bestand darin,         dige Vermietung von Anfang an.
großer Hoffnungsträger für die sich moderni-            nicht das gesamte Gebäude komplett ab-
sierende Stadt, so bot sich bei der Schließung          zureißen und neu aufzubauen. Stattdessen      Auch wenn nichts mehr an die ehemalige
vierzig Jahre später eine traurige Perspek-             wurde der Bestand bestmöglich genutzt: In     Kaufhausnutzung erinnert, ist eine Tradition
tive: Das Konzept des Universalkaufhauses               einer spektakulären Aktion wurde ein großer   geblieben: ‚Hertie‘ heißt das Gebäude bei
hatte sich überlebt, die wuchtige, nur noch             Abrissbagger auf das Gebäudedach gesetzt,     den Lünern noch immer.
notdürftig instand gehaltene Immobilie war              der sich von oben nach unten durch den
zu einer massiven Belastung der Innenstadt              soliden Stahlbeton fraß.                      „Mit einer Investition von rund 14 Millionen
geworden.                                                                                             Euro durch unsere Genossenschaft“, so das
                                                        Aus dem Stahlbetongerippe schnitten Exper-    Fazit von Bauverein-Vorstand Andreas Za-
Aus dieser Ausgangslage heraus ergriff der              ten mit großen Betonsägen die Tragstruktur    remba, „haben wir ein energetisch optimiertes,
Bauverein zu Lünen die Initiative: „Aus Ver-            eines kleineren Gebäudes heraus. Zwei Ge-     marktgerecht zugeschnittenes und optisch
antwortung gegenüber den Menschen in                    schosse wurden abgetragen, in der Mitte       sehr ansprechendes Gebäude realisiert, das die
unserer Stadt und unserer Genossenschaft                zudem eine Schneise herausgetrennt.           Innenstadt auf Jahrzehnte bereichern wird.“
                                                                                                                                  Bauverein zu Lünen

 Quelle: Bauverein zu Lünen

Der Bauverein zu Lünen schaffte aus einem ehemaligen Kaufhaus neuen, urbanen Wohnraum

05/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
SCHWERPUNKT ARCHITEKTUR UND BAUKULTUR 13

GASTBEITRAG VON OLIVER ZIER, GESCHÄFTSFÜHRER DER GEMEINNÜTZIGEN WOHNUNGSBAUGESELLSCHAFT MBH
WUPPERTAL

Der „Sedansberg“: Ein Quartier wird Musterknabe

E
       s ist ein schweißtreibender Anstieg    Plan für ein Krankenhaus blockierte die Stadt
       von der Barmer City den Hang hi-       weitere Bebauung, doch als das Hospital an
       nauf, an der schmucken Depen-          anderer Stelle entstand, wurde der Berg ab
dance der Kölner Musikhochschule vorbei       1919 frei für einen ganzen Stadtteil mit eige-
und unter dem Viadukt der Nordbahntras-       ner Infrastruktur. Rückstände einer Müllver-
se hindurch bis zum Scheitel der Sedan-       brennungsanlage lieferten das Baumaterial:
straße. Die hohen Mietshäuser links ver-      simpler Schlackenbeton, schlicht gefügt, aber
decken die Sicht auf ihre Gärten, die sanft   mit neobarockem Dekor versehen.
und sonnenbeschienen zum Tal abfallen.
Rechts liegen an Straßen, die nach Vögeln     Kolonie in Wartestellung
benannt sind, in zweiter Reihe gemütliche,    Seit ihrer Komplettierung Anfang der
kompakte Wohnhäuser.                          1930-Jahre hat sich die Siedlung kaum ver-
                                              ändert, wohl aber Patina angesetzt und
Des Kaisers neue Gelder                       Denkmalschutz erhalten. Die historische
Sedan bewahrt die Erinnerung an die           Anforderung, auf überschaubarer Fläche
Schlacht von 1870. Ein Teil der Reparati-     angenehmen Wohnraum für viele Menschen
onsleistungen Frankreichs an Deutsch-         zu bieten, ist dem neuen Wunsch gewichen,                                      Quelle: Uwe Schinkel
land floss in die expandierende Textilstadt   citynah Ruhe mit gehobenem Wohnkomfort
                                                                                               Oliver Zier, Geschäftsführer der GWG
Barmen, die sich unweit ihres Zentrums        und energetischen Qualitäten zu verknüp-
und doch im Grünen neuen Wohnraum             fen. Die charmanten Häuser an sorgsam er-
leistete. „Sedansberg“ – das schmeichelte     dachten, verkehrsarmen Straßenzügen und          bruch dokumentiert. Komfortsteigerung
mehr als der alte Name Mottenberg, auf        in Reichweite des Nordparks erfüllten da-        wie auch energetische und optische Auf-
dem einst nur Gärten und versprengte          mals nur einen Teil der Wünsche von heute.       wertung schlagen sich in vielen Details
Gehöfte lagen. Kurz nach 1870 startete die                                                     nieder: Dämmung der Dachböden und
Barmer Baugesellschaft mit einem ersten       Der beherzte Aufbruch                            Kellerdecken, überarbeitete Fenster, Tü-
Siedlungsprogramm für Arbeiter. Mit dem       Mit „Sanierung im Bestand“ wäre das, was         ren und Treppenhäuser mit Rücksicht auf
                                              die GWG seit 2002 am Sedansberg leistet,         Denkmalschutz, barrierearme Gestaltung,
                                              nur unzureichend beschrieben. In Wahrheit        Ergänzung von Diebstahlsicherungen und
                                              wird ein konsequentes Umdenken reali-            Videogegensprechanlagen, neue Elektro-
                                              siert, das den Qualitäten einer gewachsenen      leitungen, Wandverkleidung, Bodenbelä-
                                              Siedlung den gebührenden Mehrwert ver-           ge, barrierefreie Bäder, Erneuerung und
                                              schafft. Da Barmen allgemein und seinen          Installation eines modernen Heizsystems.
                                              alten Arbeitersiedlungen im Besonderen das       Durch Grundrissveränderungen wurden
                                              tradierte Image der Armut anhaftete, durfte      großzügigere Wohnungen geschaffen,
                                              bei allem Aufwand das Mietgefüge nicht           während zu den Mietergärten hin aufge-
                                              aus dem Ruder laufen. Dieser Quadratur           ständerte Balkone den Blick ins Grüne
                                              des Kreises hat sich die GWG gestellt und        öffnen. Oliver Zier, GWG-Geschäftsführer,
                                              als Anerkennung schon 2005 für die erste         sieht dort den besonderen Mehrwert: „Wir
                                              Etappe ihres Modernisierungsprojekts den         haben die Gartenanlage umgestaltet und
                                              NRW-Architekturpreis vorbildlicher Bauten        für die Mieter parzelliert. Im Zentrum der
                                              erhalten. Ein weiterer Meilenstein war 2010      Außenanlagen ist eine Blumenwiese samt
                                              die Fertigstellung des mehrstöckigen „Köh-       Bienenhotel entstanden. Darüber hinaus
                                              lerturms“ an der Amselstraße, Landmarke          haben wir zwei Brunnen errichtet.“ Mit
                                              und Bezugspunkt im Quartier. In einem            ihrem Modellhaus hat die GWG zugleich
                                              nächsten Bauabschnitt wurde bis 2019 der         eine Initialzündung geschaffen, die andere
                                              Häuserzug Sedanstraße 75 – 89 modernisiert.      Eigentümer am Sedansberg motivierte
 Quelle: Tom V Kortmann                                                                        ebenfalls in die Modernisierung ihrer Häu-
                                              Freier Blick in die Zukunft                      ser zu investieren. Aktueller Plan auf dem
Modellprojekt Hausnummer 85: Das              Modellprojekt war dabei Hausnummer 85,           Weg zum zukunftsfähigen Quartier ist die
Schöne und Geschichtsträchtige bewahren       das mit neuem Fassadenanstrich und neuer         Realisierung einer E-Bike-Station.
und zukunftsgerecht gestalten                 Dachdeckung schon nach außen den Auf-                                                   gwg Wuppertal

                                                                                                     05/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
14       AKTUELLES

   EUROPEAN SUMMER SCHOOL 2021

   Erfolgreiche Digitalisierung – wie machen es unsere europäischen Nachbarn?
   Die digitale Transformation der Woh-                 er Professionals                                                      Die Summer School wird seit
   nungswirtschaft ist in vollem Gange und              2021. Vom 5. bis                                                      2017 von der EBZ Business
   hat durch die COVID-19-Pandemie an                   zum 16. Juli be-                                                      School (FH) und der Euro-
   Dynamik gewonnen. Arbeit und Kom-                    leuchten nam-                                                         pean Federation for Living in
   munikation mit Kollegen, Geschäfts-                  hafte Referenten                                                     Zusammenarbeit mit Housing
   partnern und Mietern findet zunehmend                aus ganz Europa                                                      Europe, the European Fede-
   über digitale Kanäle statt. In den Quar-             zukunftswei-                                                         ration of Public, Cooperative
   tieren helfen Apps und soziale Medien                sende Entwick-                                                       and Social Housing and The
   dabei, gegenseitige Hilfen und Unterstüt-            lungen aus den                                                       Housing Initiative for Eas-
   zung unter Nachbarn zu organisieren.                 Bereichen digi-                                                     tern Europe (IWO) für junge
   Prop-Tech-Innovationen versprechen                   tale Inklusion,                                                     Nachwuchstalente und an-
   betriebliche Prozesse schlanker, effizi-             Förderung von                                                       gehende Führungskräfte der
   enter und kostengünstiger zu gestalten.              sozialem Zu-                                                        Wohnungswirtschaft aus ganz
   Und auch virtuelle und hybride Modelle               sammenhalt                                                         Europa veranstaltet. Der Euro-
   der Lehre und der beruflichen Weiter-                im Quartier,                                                       päische Tisch, European Tab-
   bildung haben Einzug in viele Betriebe               Smart-Home-                                                        le of Housing Corporations, ist
   gehalten. Doch welche innovativen Tech-              Technologien,                                                      auch in diesem Jahr wieder Part-
                                                                                   Quelle: EBZ Business Sch
   nologien sind vielversprechend? Erge-                innovative Ge-                                      ool            ner der Veranstaltung.
   ben sich neben Chancen auch Risiken für              schäftsmodelle für Wohnungsunternehmen
   Wohnungsunternehmen? Welche Best-                    und Digitalisierung der Arbeitswelt. Der Aus-             Die Summer School wird von Dr. Jan Übla-
   Practice-Beispiele unserer europäischen              tausch über die Grenzen des eigenen Landes                cke, Professor für Quartiersentwicklung,
   Nachbarn sind für die Adaption im eige-              und das Lernen voneinander stehen hierbei                 insb. Wohnen im Quartier an der EBZ
   nen Unternehmen vielversprechend?                    im Vordergrund. Die Veranstaltung findet                  Business School, und Laura Lünenschloß,
                                                        über eine interaktive Online-Plattform statt              Leitung Studienberatung, organisiert.
   Antworten auf diese Fragen gibt die Sum-             und ist daher zeitlich gut mit beruflichen                Weitere Informationen unter www.ebz-
   mer School for Young and Early Care-                 Tätigkeiten vereinbar.                                    business-school.de            Danisch/EBZ

35. SYMPOSIUM – PERSPEKTIVEN FÜR WOHNUNGSGENOSSENSCHAFTEN

Live & digital: Ansprechende Debatten um genossenschaftliches Wohnen

A
        m 1. Juni 2021 findet das 35. Sympo-            sind sie damit für die Gesellschaft unver-
        sium – Perspektiven für Wohnungs-               zichtbare Akteure am Wohnungsmarkt.
        genossenschaften statt und wird
live und digital aus dem Studio 47 übertra-             Einfach mal machen!
gen. Unter dem Titel „Genossenschaften –                In zwei Podiumsdiskussionen steht die Tat-
Unverzichtbar für Gesellschaft und be-                  kräftigkeit von Genossenschaften im Mittel-
zahlbares Wohnen“ veranstalten der VdW                  punkt. Dazu zeigen Vorstände aus Berlin,
Rheinland Westfalen und das Institut für Ge-            Hamburg, München und Dortmund ihre
nossenschaften der Westfälischen Wilhelms-              Projekte und Ansätze.
Universität Münster mit Unterstützung des
Vereins Wohnen in Genossenschaften den                  Darauf folgt die politische Diskussionsrunde
Austausch zwischen Wohnungsgenossen-                    mit Stimmen aus der Bundes- und Landes-
                                                                                                                                                              Quelle: VdW

schaften und Politik.                                   politik zur Frage nach genossenschaftlich
                                                        relevanten Perspektiven auf die Bundestags-
Wohnungsgenossenschaften sind verlässli-                wahl am 26. September 2021.
che Anbieter von qualitätsvollem Wohnraum –
und das zu angemessenen Preisen. Durch                  Weiter Informationen und die Anmeldung                    Der VdW Rheinland Westfalen freut sich auf
Bestandsmodernisierungen und Wohnungs-                  für das Symposium finden Sie über folgen-                 einen spannenden Austausch, der die Rolle
neubau tragen sie zu einem lebenswerten                 den Link auf der Webseite des Verbandes:                  der Genossenschaften zur Bereitstellung von
Umfeld für alle Generationen sowie zu Ener-             https://share.vdw-rw.de/35_symposium_                     bezahlbarem Wohnraum in den Mittelpunkt
gie- und CO2-Einsparungen bei. In Summe                 Wohnungsgenossenschaften                                  stellt.                                 KK

05/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
AKTUELLES 15

PRAXISAUSTAUSCH ZWISCHEN VERBÄNDEN

Boden- und Baulandpolitik gemeinwohlorientiert gestalten
Der Deutsche Verband für Wohnungswe-
sen, Städtebau und Raumordnung e. V.
(DV) und der Bundesverband DIE STADT-
ENTWICKLER haben am 13. April 2021
einen Praxisaustausch „Gemeinwohlori-
entierte Boden- und Baulandpolitik für
resiliente und lebendige Neubauquartiere“
veranstaltet, in dem Prof. Dr. Elke Pahl-
Weber, Vorsitzende der AG Städtebau des
Deutschen Verbandes, und Lutz Basse,
Vorsitzender der AG Wohnungswesen,
eine Vielzahl von Beiträgen aus der Grund-
lagenforschung und der städtebaulichen
Praxis präsentierten.

Die strategische kommunale Boden- und
Baulandpolitik hat vielerorts eine lange Zeit
                                                 Quelle: Erbbauverein Köln e.G.
keine übergeordnete Rolle gespielt. Die Dy-
namik bei der Entwicklung der Baulandprei-
                                                In Köln-Vogelsang plant der Erbbauverein ein vormals städtisches Grundstück in enger
se, der Mangel an bezahlbarem Wohnraum
                                                Kooperation mit der Stadt Köln
und die zunehmende Flächenkonkurrenz
verschiedener Nutzungen oder Investoren         präsentierte hier ein Beispiel des Erbbauver-    schaftlichen sowie Gemeinwesenakteuren
hat aber dazu geführt, das mittlerweile auch    eins Köln eG, bei dem die Genossenschaft         gestaltet wird. Zukunftsfähige neue und
abseits der angespannten Wohnungsmärk-          im Stadtteil Vogelsang ein Grundstück der        gewachsene Quartiere leben von einer aus-
te wieder vermehrt bodenpolitische Kon-         Stadt Köln übernommen hat, wodurch die           gewogenen Mischung verschiedener Wohn-
zepte mit einem breiten Instrumentenmix         Genossenschaft ihren vorhandenen Bestand         formen, Bauherren und Eigentumsformen,
auf kommunaler Ebene ausprobiert wer-           ergänzen kann. Die Stadt Köln hatte dazu im      frei finanzierten, preisgedämpften und geför-
den. Auch der VdW Rheinland Westfalen           Vorfeld Kriterien erstellt, die beispielsweise   derten Wohnungen sowie Eigenheimen und
hatte sich dazu bereits im VerbandsMaga-        in einer Förderquote von 30 Prozent und der      brauchen ebenso qualitativ hochwertige öf-
zin 03/2021 mit einem bodenpolitischen          Versorgung von Geflüchteten mit Wohn-            fentliche Räume und Frei- und Grünflächen
Schwerpunkt in die Debatte eingebracht.         raum bestand. Zudem sollte das Grundstück        sowie Räume für wirtschaftliche Aktivitäten
                                                möglichst an eine Genossenschaft vergeben        und das Gemeinwesen.“
Bezahlbarer Boden für bezahlbares               werden. Der Erbbauverein hat diese Krite-
Wohnen                                          rien erfüllt, das Planungsverfahren wurde        Das Grundlagenpapier möchten der DV
Die Suche nach den passenden Instrumen-         durch das Wohnungsamt der Stadt Köln eng         und DIE STADTENTWICKLER im Rahmen
ten und dem richtigen Maß des Eingriffs in      begleitet und soll noch im Jahr 2021 abge-       einer öffentlichen Fachveranstaltung am 17.
lokale Bodenmärkte hat in den vergangenen       schlossen werden.                                Juni 2021 vorstellen. Nähere Informationen
Monaten zu teilweise kontroversen Debat-                                                         finden Sie unter https://www.deutscher-
ten, auch auf der lokalen Ebene, geführt.       Ziel des Praxisaustausches war die Erstellung    verband.org                            ON
                                                eines kompakten Grundlagenpapiers, zu
Im Praxisaustausch selber wurde zunächst        dem auch bereits erste Thesen vorgestellt
ein Überblick über den aktuellen Stand der      wurden.                                                 WORKSHOP-HINWEIS
Debatte und der kommunalen Anwendung
durch Ricarda Pätzold vom Deutschen In-         Die Leitschnur war dabei, so DV und STADT-         Für alle, die mehr wissen wollen, lohnt sich
stitut für Urbanistik (Difu) und Mathias        ENTWICKLER, „dass resiliente und leben-            der Online-Workshop „Die neue Boden-
Metzmacher vom Bundesinstitut für Bau-,         dige Neubauquartiere nur erreicht werden           frage? – Auf teurem Grund entsteht kein
Stadt- und Raumforschung (BBSR) gegeben.        können, wenn dies durch ein breites Bündnis        bezahlbares Wohnen!“ im Rahmen des
Anschließend erfolgte die Präsentation von      und Zusammenwirken von Kommunen,                   diesjährigen VdW-Forums Wohnungswirt-
kommunalen Praxisbeispielen u. a. mit Ver-      deren Wohnungsunternehmen und von                  schaft am 22. Juni 2021 - mit interessanten
tretern der Städte Bielefeld und Hamburg.       Stadtentwicklungs- und Grundstücksgesell-          Beiträgen aus verschiedenen Perspektiven.
                                                schaften, Genossenschaften und anderen
Im zweiten Teil des Workshops wurde die         gemeinwohlorientieren Unternehmen, von             Mehr Infos und Anmeldung unter www.
wohnungswirtschaftliche Perspektive in          privaten Immobilienunternehmen (Bauträ-            vdw-forum-wohnungswirtschaft.de
den Blick genommen. Mathias Metzmacher          gern und Projektentwicklern) und zivilgesell-

                                                                                                       05/2021 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
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