Infobrief - Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik - BVOU

Die Seite wird erstellt Günter Peters
 
WEITER LESEN
Infobrief - Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik - BVOU
Ausgabe 1/2019
                                                                                  www.BVOU.net

  infobrief

   Hygiene und Infektionsprävention
   in Praxis und Klinik

20                                 35                              43
Wird der Beruf zum Drahtseilakt?   Januartagung in Berlin:         Standpunkt des
Zur Lage im niedergelassenen       Wie gestalten wir Versorgung?   BVOU-Gesamtvorstandes
Bereich                                                            zur TI-Einführung
Infobrief - Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik - BVOU
Infobrief - Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik - BVOU
Editorial

                                                                                                           Editorial

Liebe Kolleginnen
und Kollegen,

      Viele von uns erleben in dieser Zeit das Gefühl
      der Einschränkung der Freiberuflichkeit unseres
      Berufes durch politische Vorgaben, GBA-­
      Beschlüsse, fragwürdige ökonomische Anreiz-
      systeme und unausgereifte Digitalisierungs-
      konzepte. Neue Entwicklungen grundsätzlich zu
      verdammen bringt uns nicht weiter. Wir
      müssen uns den Themen stellen, uns in den
      politischen Entscheidungsprozess einbringen
      und nach Möglichkeit gute und sinnvolle

                                                                 © R. Sablotny
      Lösungen ableiten.
           Die parteiübergreifende politische Ideologie
      hat das Ziel, unser Handeln über bürokratische
      Normierung restlos zentral steuerbar zu
      machen. Die Leistung der Pflegeberufe und der
      Ärzte wird reduziert auf das Anbieten standar-
      disierter Behandlungsschablonen, Abarbeiten         Arbeit auf Honorarthemen hat uns in der Ver-
      von Algorithmen unter gleichzeitiger Limitierung    ­gangenheit nichts gebracht und macht uns in
      durch DRGs/Budgets und dem Zuarbeiten beim           der öffentlichen Wahrnehmung unglaubwürdig.
      Aufbau großer Datenbanken, welche die                     Dass neue Versorgungskonzepte mit einer
      bürokratische Normierung weiter perfektionie-        adäquaten Honorierung umsetzbar sind,
      ren sollen .                                         haben wir gezeigt. Leuchtturmprojekte mit mehr
           Die Ökonomie, als Primat der Politik für        Zeit für den Patienten gibt es in der AOK
      Effizienz, steht im Gegensatz zu medizinischem       Baden-­Württemberg, der AOK Sachsen-Anhalt
      Denken. Der ökonomische Ruf nach Effizienz-          sowie bundesweit mit der DAK und der Barmer.
      steigerung ist aber im Grunde nichts anderes         Diese Konzepte mit Leben zu füllen, sie auszu-
      als eine Verbannung von Zeit. Zeit, die wir Ärzte    bauen und wissenschaftlich zu begleiten
      für die Patienten brauchen.                          sowie unseren Kollegen zu vermitteln, dass sich
           Eine Vielzahl von Mandatsträgern des BVOU       die Teilnahme nicht nur wegen des Honorars
      hat sich in den letzten Monaten intensiv sowohl      lohnt, wird eine der zentralen Aufgaben des BVOU
      mit dem TSVG, der Telematik-Infrastruktur            in diesem Jahr sein.
      und dem zunehmenden Trend der konzern-
      abhängigen MZV-Gründungen auseinander-
      gesetzt.
           Viele Gespräche im Verband, zwischen
      Verbänden aber auch mit politischen Entschei­
      dungsträgern haben stattgefunden und finden         Ihr Johannes Flechtenmacher,
      statt. Auch wenn von manch einem die Forde-         Präsident des BVOU
      rung laut wurde, jetzt gelbe Westen anzuziehen,
      hat der BVOU auf Protestaufrufe bisher ver-
      zichtet und seine Aufgabe in der Sacharbeit
      gesehen.
           Unseren Sachverstand müssen wir auch
      zunehmend in die Entwicklung neuer Versor­
      gungsformen auf Bundes- und Landesebene
      einbringen. Wenn wir das nicht tun, machen
      es andere. Eine Reduktion der berufspolitischen

                                                                                 BVOU-Infobrief | 1/2019     03
Infobrief - Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik - BVOU
Inhalt

                                                                               23	Aus den Landesverbänden
                                                                               23	Aus den Landesverbänden – neue Rubrik
                                                                               24	Baden-Württemberg: Zufriedenheit und
                                                                                   rege Diskussionen
                                                                               25	
                                                                                  Mecklenburg-Vorpommern: Umfangreiches
                                                                                  ­Programm mit Updatesquer durch den O&U-Alltag
                                                                               26	Österreicher informieren sich zum
                                                                                   Orthopädievertrag
                                                                               27	Sachsen-Anhalt unterzeichnet
                                                                               27	Selektivvertrag
                                                                               28	
                                                                                  Hessen wirft Blick in die Zukunft
                                                                               30	
                                                                                  Bayern: Ein Blick über den Tellerrand
                                                                               31	
                                                                                  Jahrestreffen 2018 in Brandenburg
                                                                               31	
                                                                                  „So viele Berichte, so viele Fragen“
                                                                               32	
                                                                                  „Rückblickend war es ein aufregendes Jahr!“
                                                                               34	
                                                                                  Umfrage zur Zukunft des Landestreffens Nordrhein
© Sentavio/Shutterstock

                          03	Editorial
                                                                               © Braun

                          06	Schwerpunkt: Hygiene und Infektionsprävention
                                   in Praxis und Klinik
                                                                               35	News und Service
                          06	
                             QS-Verfahren zur Vermeidung ­postoperativer
                             Wundinfektionen: Einrichtungsbefragung 2018       35	
                                                                                  Januartagung in Berlin: Wie gestalten wir
                             ­abgeschlossen                                       Versorgung?
                          10	
                             Kommentar: Wenn man das ganze durchdenkt,         37	
                                                                                  Orthinform wächst weiter in der öffentlichen
                             wird einem schwindelig!                              Wahrnehmung: Jetzt Profil aktualisieren!
                          11	
                             Praxiskleidung und Hygiene – Was dürfen           41	
                                                                                  10 Jahre Orthofit: Was macht eigentlich
                             Arzt und MFA?                                        ein Orthopäde?
                                                                               43	
                                                                                  Standpunkt des BVOU-­Gesamtvorstandes zur
                                                                                  Einführung der Telematik-Infrastruktur
                          16	Berufspolitik                                    44	
                                                                                  VSOU-2019: „Gesundheit durch Bewegung“

                          16	
                             Strukturbereinigung! Sachverständigenrat
                             Jahresgutachten 2018/19                           46	News aus O und U
                          18	
                             Gesetzesvorgaben fernab der Realität?
                          18	
                             5. Mai: Welt-Handhygiene-Tag                      46	
                                                                                  Videosprechstunde:
                          18	
                             Einrichtungsbefragung für Belegärzte ausgesetzt   46	
                                                                                  „Am Anfang einer großen Entwicklung!“
                          18	
                             Händehygiene leidet unter Fortbildungen           48	
                                                                                  Mitglieder-Fachexkursion 2019:
                             von der Stange                                       Moskau und Sankt Petersburg
                          19	
                             TSVG: BVOU-Vorstand konfrontiert Jens Spahn       49	
                                                                                  Patienten suchen Ärztemit passgenauer
                          20	
                             Wird der Beruf zum ­Drahtseilakt?                    Spezialisierung
                             Zur Lage im nieder­gelassenen Bereich             49	
                                                                                  Die wichtigsten O&U-­Diagnosekodes zur Hand

                          04       BVOU-Infobrief | 1/2019
Infobrief - Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik - BVOU
Inhalt

                                                       Impressum
                                                       Herausgeber
                                                       Berufsverband für Orthopädie
                                                       und Unfallchirurgie e.V.
                                                       Straße des 17. Juni 106–108
                                                       10623 Berlin

                                                       Redaktion
                                                       Janosch Kuno
                                                       T 030.797 444 55
                                                       presse@bvou.net
                                                       V.i.S.d.P.:
                                                       Dr. med. Johannes Flechtenmacher

                                                       Autoren dieser Ausgabe
© coldwaterman/Fotolia

                                                       Dr. Jörg Ansorg, Dr. Christian Bischof, Dr. Karsten Braun,
                                                       Dr. Ulrike-Evemarie Fischer, Dr. Johannes Flechtenmacher,
                                                       Dr. med. Dipl.-Ing. Hans-Peter Frenzel, Dr. Christian
                                                       Gaulrapp, Dr. Christian Gottwald, Dr. Stephan Grüner,
                                                       PD Dr. Jörg Hausdorf, Dr. Jörg Heberer,
                                                       Prof. Dr. Karl-Dieter Heller, Dr. Andreas Hild, Dr. Petra
                                                       Höfert, Prof. Dr. Dr. Reinhard Hoffmann, Janosch Kuno,
50	Honorar und Abrechnung                             Arno Lampmann, PD Dr. Sven Märdian, PD Dr. Christian
                                                       Merle, Dr. David Merschin, Prof. Dr. Sabine Ochman,
50	
   Kommentar: ESWT und Knochendichtemessung            Ehsan Omari, Prof. Dr. Mario Perl, Dr. Gerd Rauch,
   seit 1. Januar                                      Prof. Dr. Tobias Renkawitz, Dr. Klaus-Wolfgang Richter,
51	
   Neuer EBM kommt 2020: Zeitplan beschlossen          Sabine Rieser, Dr. Martin Ringeisen, Dr. Ulf Schneider,
                                                       Johannes Schulze, Dr. Uwe Schwokowski,
                                                       Dr. Christian M. Smit, Dr. Roland Tenbrock, Dr. Wolfgang
52	Recht und Versicherung                             Thoma, Dr. Tobias Vogel, Prof. Dr. Huber-Wagner

52	
   Jameda geht wegen angeblich                         Redaktionsschluss
   gefälschter Bewertungen gegen Ärzte vor             01.03.2019
54	
   Wenn unwissentlich Bilder
   der eigenen Praxis online stehen...                 Konzept und Gestaltung
                                                       Rhowerk GmbH – www.rhowerk.de

56	Weiter- und Fortbildung                            Druck
                                                       Das Druckteam Berlin
56	
   Rheumatologisch fortgebildeter ​Orthopäde (RhefO)
   – Aktualisierte​ Fortbildungsmodalitäten 2019       Titelbild (Seite 1)
57	
   Stipendien für die Facharzt­vorbereitungskurse      © Macrovector/Shutterstock
   (FAB) 2019                                          © Jiw Ingka/Shutterstock
57	
   Jetzt bewerben: FORTE Summer School 2019
58	
   „Die reden die ganze Zeit über mich“                Der Infobrief erscheint viermal jährlich.
60	
   Erster CLOU-Kurs vermittelt berufliche              Als Beilagen sind enthalten:
   Perspektivenin O und U                              Ankündigung MRT-Kurse (Orthopädie Centrum Erlangen)
61 Rezensionen                                         Dr. Rinner & Partner GmbH Oehm und Rehbein GmbH

                                                       Kursanmeldung
64 Kursangebote der ADO                                Akademie Deutscher Orthopäden (ADO)
                                                       T 030.797 444 59
                                                       F 030.797 444 57
68 Mitgliedervorteile                                  info@institut-ado.de

                                                                                BVOU-Infobrief | 1/2019     05
Infobrief - Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik - BVOU
Schwerpunkt: Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik                                bvou.net „Händehygiene“

 QS-Verfahren zur Vermeidung
­postoperativer Wundinfektionen:
 Einrichtungsbefragung 2018
­abgeschlossen

                                                                                                            © Volker Witt/Fotolia

                                                                Mehr als 24 Millionen ambulante und stationäre Opera­
Hygiene- und Infektionsschutz sind essenziell, um               tionen jährlich werden in Deutschland erbracht. Nach
postoperative Wundinfektionen zu vermeiden. Das                 Angaben des Robert Koch-Instituts beträgt die Prävalenz
Spektrum der erforderlichen Maßnahmen und Ver-                  nosokomialer Infektionen (NI) ca. 5%. Dabei stellen
pflichtungen hierfür ist vielfältig. Am 28.2.2019               postoperative Wundinfektionen mit etwa 20% die häu-
ging die zweite bundesweite Befragung ambulanter                figste nosokomiale Infektion dar. Bezogen auf
Operateure zu Hygiene und Infek­t ions­s chutz im               die Gesamteingriffszahl ereignen sich somit pro Jahr
Rahmen eines sektorenübergreifenden Qualitäts-                  ca. 240.000 postoperative Wundinfektionen.
sicherungsverfahrens (sQS) zu Ende. Die Ergeb-                       Das Risiko postoperativer Wundinfektionen kann
nisse werden in der Jahresmitte erwartet.                       durch eine Vielzahl von Maßnahmen reduziert werden.
                                                                Diese reichen von der Einhaltung von Hygienestandards
                                                                über die Ausarbeitung eines Hygieneplans bis zur
                                                                kontinuierlichen Schulung aller Mitarbeiter.

06     BVOU-Infobrief | 1/2019
Infobrief - Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik - BVOU
Schwerpunkt: Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik

Qualitätssicherungs­                                           Aus diesem Grund wurde die Dokumentation für Beleg-
                                                               ärzte vorerst ausgesetzt (siehe Seite 16). Außerdem
verfahren zur Vermeidung                                       werden die Aufwände für die Dokumentation rückwirkend
                                                               ab 2018 vergütet.
postoperativer Wund-                                               Die zweite bundesweite Befragung ambulanter
                                                               Operateure und operativ tätiger Krankenhäuser zu
infektionen (QS-WI)                                            Hygiene und Infektionsschutz zur Erfassung des Jahres
                                                               2018 ist am 28. Februar 2019 zu Ende gegangen.
Um diese Präventionsmaßnahmen sowie die Prävalenz
nosokomialer Infektionen systematisch zu erfassen,
wurde 2017 durch den Gemeinsamen Bundesausschuss               Ergebnisse der
(G-BA) ein sektorenübergreifendes Qualitätssicherungs-
verfahren (sQS) in Praxen und Kliniken eingeführt, in          Einrichtungsbefragung
denen operative Leistungen erbracht werden. Einbezogen
sind dabei die Fachgruppen Chirurgie, Unfallchirurgie und      im Sommer 2019
Orthopädie, Gynäkologie und Urologie.
    Ziel des QS-Verfahrens ist es, die Qualität der Maßnah­    Die Ergebnisse der Einrichtungsbefragung des QS WI für
men ambulanter und stationärer Leistungserbringer zur          das Erfassungsjahr 2017 wurden dem Gemeinsamen
Vermeidung nosokomialer postoperativer Wundinfektionen         Bundesausschuss (G-BA) am 30.10.2018 im Bundesquali-
zu messen, vergleichend darzustellen und zu bewerten.          tätsbericht 2018 durch das Institut für Qualität und
                                                               Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) bereitgestellt.
                                                                   Die Auswertung des Erfassungsjahres 2017 berück-
Zwei-Säulen-Prinzip                                            sichtigt ausschließlich die Indikatoren zum Hygiene- und
                                                               Infektionsmanagement ambulanter und stationärer
Dieses sektorenübergreifende Verfahren zur Vermeidung          Leistungen. Mit den Daten des Erhebungsjahres 2018
postoperativer Wundinfektionen fußt auf zwei Säulen.           werden dann erstmals auch die erfassten Wundinfektionen
    Zum einen werden postoperative Wundinfektionen,            ausgewertet. Die betroffenen Operateure bzw. Kranken-
die zur stationären Aufnahme geführt haben, im Kranken-        häuser erhalten ihre Ergebnisse zu den Wundinfektions-
haus erfasst. Durch eine Verknüpfung dieser Daten mit          raten im Sommer 2019.
den Routinedaten der Krankenkassen ist es möglich, diese
Wundinfektionen zurückzuverfolgen und festzustellen,
wo der ambulante oder stationäre Primäreingriff erfolgt ist.   Empfohlene Maßnahmen
    Zum anderen wird jährlich eine Befragung unter
operierenden Ärztinnen und Ärzten in Praxen, Medizini-         zur Prävention von
schen Versorgungszentren (MVZ) und Krankenhäusern mit
Fragen zum Hygiene- und Infektionsmanagement ihrer             postoperativen Wund-
Einrichtung durchgeführt. Dazu gehören beispielsweise
ein praxisindividueller Hygieneplan, die korrekte Auf-         infektionen
bereitung von Sterilgut sowie regelmäßige Fortbildungen
der ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in             Perioperative Antibiotika-Prophylaxe
den Bereichen Hygiene und rationale Antibiotikatherapie.       Die KBV hat auf ihrer Themenseite Vorlagen zur peri-
    Um die betroffenen Ärzte bestmöglich zu informieren        operativen Antibiotika-Prophylaxe sowie zur Antibiotika-­
und auf die knapp 100 Fragen zum Hygiene- und Infektions-      Initialtherapie bereitgestellt, die Empfehlungen zur
management der Einrichtungsbefragung 2018 vorzu-               Antibiotikagabe von der Indikationsstellung bis zur
bereiten, stellen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen)    Dosierung enthalten. Ziel ist es, die Patienten vor post-
und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auf ihren      operativen Wundinfektionen zu schützen und Antibiotika
Internetseiten Informations- und Schulungsangebote zur         nicht unnötig einzusetzen.
Verfügung. So haben die KBV und KVen gemeinsam mit
dem Kompetenzzentrum Hygiene (CoC) eine Ausfüllhilfe für        rstellung und Fortschreiben
                                                               E
die Einrichtungsbefragung mit Erläuterungen, Muster-           des Hygieneplans für die Arztpraxis
dokumenten und Linktipps bereitgestellt.                       Ebenfalls vom Kompetenzzentrum Hygiene der KBV stammt
    In den Gremien des Gemeinsamen Bundesaus-                  eine detaillierte Vorlage zur Erstellung eines Hygieneplans
schusses hat sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung        für die Arztpraxis. Die Regelungen beschreiben allgemeine,
dafür eingesetzt, dass die Belange niedergelassener            aber auch spezielle Hygienemaßnahmen wie die korrekte
Operateure in der Befragung besser abgebildet werden.          Haarentfernung. Sie berücksichtigen außerdem die

                                                                                                BVOU-Infobrief | 1/2019   07
Infobrief - Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik - BVOU
Schwerpunkt: Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik                                 bvou.net „Händehygiene“

normativen Vorgaben sowohl zum Patienten- als auch zum          ausgelegt und auf beliebig vielen stationären und mobilen
Mitarbeiterschutz. Wer bereits einen Hygieneplan hat,           Endgeräten einsetzbar. Jeder Teilnehmer kann seinen
kann die Materialien abgleichen und den eigenen Plan            Kurs auch nach erfolgreichem Abschluss als Referenz für
aktualisieren.                                                  die Kitteltasche weiternutzen.
                                                                     Die Grundkurse werden seit Anfang 2019 ergänzt da
Hygienefortbildungen für das Praxispersonal                     Microlearning-Einheiten, die speziell auf saisonale
Zur Vermeidung von Infektionsrisiken ist eine fundierte         Herausforderungen wie Influenza und Noroviren eingehen.
Unterweisung zu Beginn des Arbeitsverhältnisses                 Diese kompakten E-Learning-Einheiten machen die
sowie eine jährliche interne Fortbildung des gesamten           gesamte Belegschaft innerhalb von zehn Minuten fit für
Praxispersonals nach den meisten Länderhygiene-                 aktuelle Bedrohungen.
verordnungen gesetzlich gefordert. Dabei soll auch auf               Das Angebot reicht bis zu den curricularen Fortbil-
saisonale Herausforderungen wie Influenza und Noro-             dungen zu Hygienebeauftragter Ärzten (HBA), Pflege-
viren sowie auf regionale Ausbrüche mit Problemkeimen           kräften (HBP) und Medizinischen Fachassistenten
eingegangen werden. Im Bedarfs- bzw. Ausbruchsfall              (HB MFA). Diese werden als Blended-Learning angeboten
werden Nachschulungen empfohlen.                                und zeichnen sich durch eine optimierte E-Learning-
     Bitte beachten Sie diese Vorgaben und schulen              Phase sowie eine verkürzte Präsenzphase zum Abschluss
Sie Ihre Mitarbeiter in regelmäßigen Abständen zu den           des Kurses aus. Alle Kursangebote zu Hygienebeauf-
Themenfeldern Hygiene und Infektionsvermeidung.                 tragten schließen mit anerkannten Zertifikaten ab.
                                                                     Teamschulungen sollten ebenso wie die Teilnahme
                                                                an den digitalen Lerneinheiten dokumentiert und
Hygiene-Schulungs-                                              im QM-Handbuch abgelegt werden. Spezielle Dokumen-
                                                                tationsbögen werden im Rahmen von Teamlizenzen
angebote der ADO für alle                                       mitgeliefert.

Mitarbeiter
                                                                Unser Themenschwer-
Ein gutes Hygienemanagement hilft Ärztinnen und Ärzten
in Ihren Bemühungen, die Übertragung von Krankheits-            punkt
erregern zu vermeiden. Der BVOU bietet zu diesem Thema
Fortbildungsangebote für seine Mitglieder zu ver-               Aufgrund der Brisanz des Themas und der gerade
günstigten Konditionen an (siehe Anzeige rechts).               abgeschlossenen zweiten Befragung im Rahmen der
     Das Fortbildungsangebot umfasst Hygieneschulungen          sektorübergreifenden QS-WI, widmen wir uns in
für die gesamte Belegschaft. Angefangen von den jährlich        dieser Ausgabe des Infobriefs dem Thema Hygiene
durchzuführenden Hygieneschulungen für Ärzte, MFA,              und Infektionsprävention.
Pflege und Hilfskräfte. Diese sind als E-Learning-Kurse                               Dr. Jörg Ansorg, BVOU-Geschäftsführer

           Weitergehende Informationen

           Hygiene-Themenseite der KBV:
           www.kbv.de/html/hygiene.php

           Selbsttest für die Praxis: Mein PraxisCheck der KBV:
           www.kbv.de/html/mein_praxischeck.php

           Hygieneleitfaden für die Praxis 2019:
           www.hygiene-medizinprodukte.de/download/hygieneleitfaden-arztpraxis/

           Fortbildungsangebote der ADO zum Thema Hygiene:
           www.bvou.net/hygienekurse

           Ausfüllhilfe zur Einrichtungsbefragung:
           www.kbv.de/html/themen_26421.php

08     BVOU-Infobrief | 1/2019
Infobrief - Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik - BVOU
BVOU-Infobrief | 1/2019   09
Infobrief - Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik - BVOU
Schwerpunkt: Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik

Kommentar: Wenn man das Ganze
durchdenkt, wird einem schwindelig!
Ab dem 1. Januar 2018 sollen operierende Ärzte sowohl in        am Telefon die über 80 Fragen in den Onlinefragebogen
Praxen als auch in Kliniken jährlich das Hygiene- und           eingegeben haben, brauchen Sie den Fragebogen
Infektionsmanagement ihrer Einrichtung dokumentieren.           nur noch elektronisch zu versenden und Schwupps, schon
Allein in Bayern wurden hierzu am 10.01.2019 827 Praxen         erhalten Sie mit der nächsten KV Abrechnung maximal
postalisch angeschrieben, von denen 525 Praxen nur              280 Euro extrabudgetär. Bitte berücksichtigen Sie, dass es
den ambulanten Fragebogen, 218 Praxen sowohl den                für Sie persönlich lediglich ein “etwas längeres Telefonat“
ambulanten als auch den stationären (belegärztlichen)           mit dem Leiter Ihres ambulanten OP-Zentrums bedeutet.
Fragebogen und 84 Praxen nur den stationären Frage-             Für den OP-Leiter allerdings genau so viele „etwas längere
bogen ausfüllen sollen. Zu Ihrer Information: der ambulante     Telefonate“, wie er Chirurgen, Orthopäden und Unfall-
Fragebogen enthält 90 (!) und der stationäre Fragebogen         chirurgen, Gynäkologen, Gefäßchirurgen und Urologen als
89 (!) Fragen. Interessanterweise hat der GBA am                Operateure in seiner Einrichtung hat. Elektronisch über-
17.01.2018, also eine Woche nach Beginn der Befragung,          mittelt würden letztendlich also tausende von Fragebögen
beschlossen, dass für Belegärzte ab sofort die QS Doku-         die die Daten von wenigen hundert ambulanten OP-­
mentation in der bezeichneten Angelegenheit für den             Zentren aus ganz Deutschland darstellen. Anders aus-
Erfassungszeitraum 2018 bis 2020 ausgesetzt wird, die           gedrückt, um die Hygiene- und Infektionspräven­
Beantwortung des stationären Fragebogens ist also               tionsmaßnahmen in den deutschen ambulanten OP-­
derzeit nicht nötig. Um die Verwunderung noch etwas zu          Zentren zu erfassen, werden diese nicht direkt evaluiert,
erhöhen: In den angesprochenen Fragebögen können                sondern man beauftragt damit einfach alle nieder-
lediglich die ersten 6–8 Fragen vom operierenden Vertrags-      gelassenen, operativ tätigen Vertragsärzte. Ich weiß nicht
arzt selbst beantwortet werden. Alle folgenden Fragen           genau ob dies genial oder aber bürokratischer Irrsinn ist.
betreffen das Hygienemanagement und die Infektionsprä-               Die Wichtigkeit der Erfassung und mehr noch die
ventionsmaßnahmen der Institution, in welcher operiert          Bekämpfung nosokomialer Infektionen oder post-
wird. So zum Beispiel die Fragen zu den Mitarbeitern            operativer Wundinfektionen ist unbestritten. Es ist daher
der Sterilgutaufbereitung, oder wie das Sterilgut gereinigt     zu begrüßen, dass GBA und IQTIK (Institut für Qualitäts-
wird oder z.B., ob man Sterilgut der Klasse „kritisch C“        sicherung und Transparenz im Gesundheitswesen) sich
verwendet, etc. pp. Diese können also nur vom Betreiber         dieser Problematik annehmen und uns Ärzte bei unseren
der Operationseinrichtung beantwortet werden.                   täglichen Bemühungen hierin unterstützen. Die Art
     Es werden im gesamten Bundesgebiet tausende                und Weise ist jedoch schildbürgerlich, frisst Zeit, belastet
operativ tätige Vertragsärzte der Fachrichtungen ­Chirurgie,    niedergelassene Vertragsärzte und ambulante Opera­
Orthopädie und Unfallchirurgie, Gynäkologie, Gefäß-             tionseinrichtungen, strapaziert das Verhältnis von
chirurgie und Urologie zur Bearbeitung von Fragebögen           Vertrags­arzt und KV und
mit über 80 Einzelfragen angefordert, die jedoch                verursacht unnötige Kosten.
­aufgefordert, die jedoch von nahezu keinem einzigen            Glücklicherweise wird die
 angeschriebenen Vertragsarzt selbst beantwortet                Nichtteilnahme aktuell nicht
 werden können! Und dann ändert der GBA mitten in der           sanktioniert.
 laufenden Befragung die Befragungskriterien.                        Hätte ich damals als
     Nehmen wir einmal an, dass wir operierenden Ver-           wissen­schaftlicher ­Assistent
 tragsärzte die Maßnahme unterstützen und an der                meinem Chef einen solchen
 Umfrage teilnehmen würden. Was genau würde dies                Projektantrag vorgelegt,
 bedeuten?                                                      hätte er mich vermutlich
     Die wohlwollende Teilnahme würde bedeuten, dass            entlassen und durch einen
 jeder angeschriebene Vertragsarzt die von ihm nicht            Hydranten ersetzt. Man
 beantwortbaren Fragen an sein ambulantes OP-Zentrum            kann nur hoffen, dass
                                                                                                © Vogel

 weiterleitet und die Antworten dort einholt. Dies stellt       dieses an sich wichtige
 sich jedoch schwierig dar, da der Fragebogen webbasiert        Verfahren in seiner jetzigen
                                                                                                 Dr. Tobias Vogel
 und nicht ausdruckbar ist. Achtung Ironie: Nachdem             Form über­dacht und              Landesvorsitzender
 Sie also, zusammen mit dem Leiter Ihrer OP Einrichtung         optimiert wird.                  BVOU-Bayern

10     BVOU-Infobrief | 1/2019
Schwerpunkt: Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik – Interview

        Praxiskleidung und Hygiene
        – Was dürfen Arzt und MFA?
        Dr. Braun

        Im Interview zu Hygienefragen bei Praxiskleidung in der orthopädisch-unfallchirur­gischen Praxis von links nach rechts:
        Dr. Karsten Braun für den BVOU, Krankenhaushygieniker Prof. Dr. Peter Heeg und Hygienefachkraft Susann Quest-Rottland.

                                                                                          Notwendige Schutz- und Berufsklei-
                                                                                          dung ist gemäß § 15 des Manteltarif-
Bei der Auswahl von Berufskleidung für                                                    vertrags für medizinische Fachange-
die orthopädisch-unfallchirurgische Praxis                                                stellte von der Praxis unentgeltlich zur
                                                                                          Verfügung zu stellen, vorgesehen sind
müssen viele Aspekte beachtet werden:                                                     „mindestens zwei Berufskittel pro
                                                                                          Jahr“. Ebenso hat der Arbeitgeber die
Natürlich ist ein gepflegtes Äußeres Pflicht.                                             Kosten der Reinigung zu tragen.
Oft will die Praxis auch nach einheitlichem                                                    In unserem Fachgebiet gilt es aber
                                                                                          hinsichtlich der Berufskleidung auch
Dresscode im Corporate Design in Erschei­                                                 ganz besonders, die Grundsätze der
nung treten. Ein optisch ansprechend                                                      Hygiene zu beachten. Dass bei der
                                                                                          opera­tiv ausgerichteten orthopädisch-­
gekleidetes Team ist schließlich eine                                                     unfallchirurgischen Praxis im eigentli-
                                                                                          chen OP-Bereich entsprechend aufbe-
Visiten­karte der Praxis, der erste Eindruck                                              reitete Bereichskleidung oder Einmal-
zählt. Und jeder soll sich bei winterlichen                                               wäsche verwendet wird und sich die
                                                                                          hygienischen Standards dahingehend
Temperaturen und im Hochsommer in                                                         nicht vom OP eines Krankenhauses
seiner Kleidung wohlfühlen. Aspekte des                                                   unterscheiden dürfen, ist heutzutage
                                                                                          Standard. Wie sieht es aber mit der
Arbeitsschutzes sind ebenfalls zu beachten.                                               Berufskleidung von Arzt und MFA in der

                                                                                                        BVOU-Infobrief | 1/2019   11
Schwerpunkt: Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik – Interview

regulären Sprechstunde aus? Der Blick       erregern, muss diese Kleidung in einem    und Haube. Bei chirotherapeutischer
in manche Arztpraxis lässt bei optisch      desinfizierenden Waschverfahren auf-      Behandlung soll vor und nach Behand-
schönen, aber nur bis 30° waschbaren        bereitet werden. Geprüfte chemisch-­      lung eine hygienische Händedesinfek-
Polohemden und weißen Jeans in              thermische Waschverfahren müssen          tion stattfinden, zusätzliche Schutz-
Zeiten von MRSA und einer immer             eine Keimreduktion um 7 log-­S tufen      kleidung ist in der Regel nicht erforder-
­s ensibler werdenden Wahrnehmung           erreichen, das entspricht einer Vermin-   lich. Grundsätzlich würde ich nicht zu
 des Themas Hygiene in der Öffentlich-      derung um das Zehnmillionenfache          unterschiedlicher Berufskleidung in der
 keit Fragen aufkommen.                     bzw. um 99,99999%. Wichtig ist auch       eher operativ oder eher konservativ
      Wir haben zu diesem Thema daher       dass eine Rekontamination nach dem        ausgerichteten Praxis raten.
 ein Interview mit zwei Personen geführt,   Waschprozess, z. B. durch Verpackung,
 die es wissen müssen:                      Transport oder Lagerung, vermieden        Ist es für die Wahl der Bekleidung
                                            wird. Verbindliche Grenzwerte für die     unter Hygienegesichtspunkten
Welche Anforderungen muss Berufs-           mikrobielle Belastung frischer Wäsche     von Bedeutung, ob die MFA nur an
kleidung für Arzt und MFA in der            gibt es nicht. Gebrauchsfertige frische   bestimmten Stellen der Praxis
Sprechstunde unter hygienischen             Berufskleidung darf aber nicht mit        eingesetzt wird? Darf sich die Mit-
Gesichtspunkten erfüllen?                   pathogenen Erregern kontaminiert sein     arbeiterin an Anmeldung, im
                                            und soll nach der Empfehlung des ehe-     Röntgen, im Sprechzimmer und
S. Quest-Rottland: Arbeitskleidung in       maligen Bundesgesund-heitsamtes von       im Eingriffsraum anders kleiden?
der Sprechstunde dient dem Schutz des       1995 nicht mehr als 2 Kolonien von
Personals und sollte so gewählt werden,     Mikro­organismen pro 10 cm2 aufweisen.    Prof. P. Heeg: Bei ausschließlicher
dass das Risiko einer Keimübertragung                                                 Tätigkeit an der Anmeldung hat die
via Wäsche auf Praxispersonal, Patien-      Macht es einen Unterschied, ob            Arbeitskleidung keine Schutzfunktion,
ten oder ins eigene häusliche Umfeld        wir von einer überwiegend operativ        man könnte dort also hinsichtlich der
möglichst gering ausfällt. Über der         ausgerichteten Praxis mit vielen          Hygieneanforderungen großzügiger
Arbeitskleidung, die nur in der Praxis      Wund­versorgungen und postoperati-        sein; anders ist das, sobald ein direkter
getragen wird, darf keine private Klei-     ven Verbandswechseln oder einer           Patientenkontakt im Sinne von Unter-
dung getragen werden. Öfter gesehene        konservativen ortho­pädischen Praxis      suchung oder Behandlung stattfindet.
Jacken über der eigentlichen Arbeits-                                                 Aus meiner Erfahrung würde ich unter-
                                            sprechen, in der diese Tätigkeiten
kleidung, die nur bei 40° waschbar sind,                                              schiedliche Bekleidung für die genann-
                                            wesentlich ­seltener vorkommen? Als
dürfen nur im Pausenbereich, nicht aber                                               ten Arbeitsplätze nicht empfehlen, da
                                            invasive Maßnahmen kommen hier
bei der Arbeit am Patienten getragen                                                  eine Trennung der Arbeitsplätze in der
werden. Privatkleidung muss von der         nur verschiedene Injektionstechniken      Praxis meist nicht konsequent genug
Arbeitskleidung vollständig bedeckt         vor, enger Körperkontakt zwischen         gewährleistet ist. Bei der Durchführung
sein. Die Arbeitskleidung muss so           Arzt und Patient besteht aber z. B.       von Eingriffen ist ohnehin zusätzliche
häufig gewechselt werden, dass immer        bei chirotherapeutischen Behand-          Schutzausrüstung erforderlich.
saubere Kleidung getragen wird. Zusätz-     lungen.
lich zur Dienstkleidung gibt es dann                                                  In welchen Situationen empfehlen
noch die Bereichskleidung, die aus-         Prof. P. Heeg: Bei einer Wundversor-      Sie in der orthopädisch-unfall­
schließlich in Bereichen mit besonde-       gung oder einem postoperativen            chirurgischen Praxis spezielle
rem Infektionsrisiko bzw. in Funktions-     Verband­wechsel handelt es sich um        Schutzkleidung über der normalen
bereichen wie dem OP getragen wird.         Prozeduren, die unter aseptischen         Berufskleidung?
                                            Bedingungen durchgeführt werden.
Wie keimfrei oder keimarm                   Wie diese im Einzelnen aussehen hängt     S. Quest-Rottland: Schutzkleidung soll
muss Berufsbekleidung in der                von der Art der Maßnahme ab. Die Ent-     die personengebundene oder die
Sprechstunde bei O&U sein?                  fernung eines äußeren Verbands kann       bereichsgebundene Arbeitskleidung vor
                                            mit keimarmen Einmalhandschuhen           Kontamination schützen. In der ortho-
Prof. P. Heeg: Keimfreiheit (Sterilität)    ­erfolgen, das Aufbringen eines neuen     pädisch-unfallchirurgischen Praxis
ist für Operationskleidung und Abdeck-       Verbands oder bestimmte Injektions-      wäre dies z. B. bei Verbandswechseln
materialien notwendig, nicht jedoch für      techniken (intraartikulär) erfordern     an MRSA-Patienten oder bei Tätigkei-
Berufskleidung, die in der Sprech-           mindestens sterile Handschuhe und        ten vorstellbar, bei denen mit einer
stunde getragen wird. Da die Berufs-         kurz­ä rmelige Bekleidung. Umfang­       Kontamination durch Flüssigkeiten zu
kleidung (Arbeitskleidung) in vielen         reichere Maßnahmen reichen von der       rechnen ist wie bei großflächigen
Fällen eine Schutzfunktion erfüllt, z. B.    zusätzlichen Verwendung einer keim-      Wundverbänden oder Desinfektions-
Schutz vor Kontamination der darunter        armen Einmalschürze bis hin zum          arbeiten. Schutzkittel sind mit Rücken-
getragenen Kleidung von Krankheits-          ­sterilen Kittel mit Mund-Nasen-Schutz   schluss versehen und sind ­geschlossen

12     BVOU-Infobrief | 1/2019
Schwerpunkt: Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik – Interview

zu tragen, ggf. ist eine wasserdichte      In vielen Arztpraxen steht im Per­         Präven­t ionsgedankens vernünftig,
Schürze zu tragen. Ein Arztkittel          sonalraum eine übliche Haushalts-          einen möglichen Übertragungsweg für
müsste ggf. ausgezogen und durch           waschmaschine für die Praxis­              Infektionen auszuschalten, vor allem
Schutzkittel oder Schürze ersetzt          bekleidung. Was halten Sie davon?          wenn dies mit vertretbaren Mitteln
werden, wenn mit einer Kontamination                                                  zuverlässig möglich ist.
durch potenziell infektiöses Material zu   Prof. P. Heeg: Die Aufbereitung von
rechnen ist.                               Praxiswäsche in der Praxis ist nicht       Bleibt Praxen dann letztlich als
                                           grundsätzlich verboten. Jedoch muss        einzige sinnvolle Möglichkeit das
Gibt es bei der Schuhwahl in               ein entsprechender Raum mit Wasch-         Outsourcen der Praxiswäsche
der Praxis unter Hygienegesichts-          maschine und Trockner zur Verfügung        an einen entsprechend zertifizierten
punkten etwas zu beachten?                 stehen und diese müssen regelmäßig         Textildienstleister?
                                           gewar tet und mit Bioindikatoren
S. Quest-Rottland: Aufgrund berufs-        (Waschprozess) überprüft werden.           Prof. P. Heeg: Wie schon gesagt: die
genossenschaftlicher Vorschriften zur      Handelt es sich bei den Textilien um       Alternative zu einer externen Dienst-
Minderung von Rutsch- und Sturz­           Medizinprodukte (Schutzkleidung wie        leistung ist die Verwendung einer
gefahren müsse Schuhe vorne                z. B. OP-Mäntel oder OP-Abdecktücher)      geeigneten, d. h. temperaturkontrol-
geschlossen sein und hinten einen          muss das Waschverfahren validiert          lierten Waschmaschine und eines
Fersen­riemen haben oder ebenfalls         sein. Gewerbliche Wäschereien sind         geprüften, mit Bioindikatoren über-
geschlossen sein. Sichtbare Kontami-       vorzuziehen; Wäschereien, die Wäsche       wachten Waschprozesses. „Kritische“
nationen der Dienstschuhe müssen           aus dem Gesundheitswesen anneh-            Textilien wie z. B. Schutzkleidung oder
umgehend mit Flächendesinfektions-         men, sind am RAL-Hygienezeugnis            OP-­M äntel sollten dann als Einweg-
mittel durch Wischdesinfektion ent-        Krankenhauswäsche zu erkennen.             produkte eingesetzt werden. Persön-
fernt werden können. Beim Schuhkauf                                                   lich würde ich empfehlen, auf eine
sollte also auf Materialien geachtet       Ich kenne auch Praxen, in denen            geeignete externe ­Wäscherei zurück-
werden, die dies zulassen. OP-Schuhe       Arzt und MFA ihre getragene Berufs-        zugreifen.
dürfen natürlich nicht außerhalb des       kleidung mit nach Hause nehmen
OP-Bereiches getragen werden. Diese        und dort mit üblichem Haushalts-           Nehmen wir an, eine Praxis hat eine
erfordern täglich eine desinfizierende     waschmittel waschen. Wie ist das           solche spezielle Waschmaschine,
maschinelle Aufbereitung im RDG.           zu sehen?                                  die eine sichere Desinfektion ermög-
                                                                                      licht. Wie verhindert man, dass
Wie und wo sollte getragene Berufs-        Prof. P. Heeg: Lässt man einmal die        die saubere Wäsche beim Entneh-
kleidung in den Praxen vor                 „Gesetzeslage“ unberücksichtigt und        men wieder kontaminiert wird?
dem Waschen gesammelt werden?              betrachtet die Frage unter einem rein
                                           infektiologischen Aspekt, so muss man      S. Quest-Rottland: Dies ist ein sehr
S. Quest-Rottland: Vorzugsweise dort,      feststellen, dass das Infektionsrisiko     wichtiger Aspekt. Vor Entnahme der
wo die Kleidung gewechselt wird, also      durch kontaminierte Berufsbekleidung       sauberen Wäsche muss eine Desinfek-
in Umkleideräumen bzw. den dafür           bisher nicht quantifiziert wurde. Ande-    tion sämtlicher Gummilippen und der
extra vorgesehenen Schleusen vor der       rerseits ist bekannt, dass vor allen       Einfüllöffnung erfolgen. Zusätzlich eine
OP-Abteilung. Ideal sind keimdichte        trocknungsresistente Krankheitser­         hygienische Händedesinfektion.
Wäschesäcke, die in einen Wäsche-          reger, wie z. B. Staphylokokken oder
sammler eingespannt werden.                bestimmte Virusarten, vor allem wenn       Was kosten solche Waschmaschinen
                                           sie durch eingetrocknetes organisches      für Praxen? Müssen beim Einsatz
Wie muss die getragene Berufs­             Material wie Blut oder Speichel vor        einer solchen Maschine Waschvor-
kleidung aufbereitet werden?               Umwelteinflüssen geschützt sind, auf       gänge, Wartung und Desinfektions-
                                           Textilien tagelang infektionstüchtig       leistung irgendwie dokumentiert
Prof. P. Heeg: Die getragene Kleidung      bleiben können. Haushaltswaschma-          werden? Welche Möglichkeiten gibt
wird in den keimdichten Wäschesäcken       schinen erreichen häufig die einge-        es generell, die Qualität einer
gesammelt, die geschlossen zur             stellte Temperatur nicht oder nicht        Wäscheaufbereitung zu prüfen?
Wäscherei gebracht werden. Geprüfte        lange genug, übliche Waschmittel
desinfizierende Waschverfahren sind        haben keinen oder keinen ausreichen-       Prof. Heeg: Die Kosten dürften mit
in der Liste geprüfter Desinfektions-      den Desinfektionseffekt. Das Problem       Sicherheit über denen einer Haushalts-
verfahren des Verbundes für ange-          liegt also sowohl beim Erregereintrag      maschine liegen, konkrete Informatio-
wandte Hygiene e. V. aufgeführ t           als auch beim häuslichen Waschpro-         nen liefern die Maschinenhersteller. Die
(https://vah-online.de/de/                 zess. Wenn man alle diese Faktoren         Qualität des Waschprozesses wird durch
fuer-anwender).                            berücksichtigt, ist es im Sinne der        die z. B. halbjährliche Unter­suchung mit

                                                                                                   BVOU-Infobrief | 1/2019   13
© Dr. Braun   Schwerpunkt: Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik – Interview

Krankenhaushygieniker Prof. Dr. Peter Heeg und Hygienefachkraft Susann Quest-Rottland

              Bioindikatoren (­Biomonitoren) doku-       Wie wird saubere ungetragene              Für den Pausensnack sollte überlegt
              mentiert. Sofern keine Medizinprodukte     Berufsbekleidung, Kleidung die noch       werden und gilt generell, ob nicht die
              aufbereitet werden ist eine fortlaufende   einmal angezogen werden soll              Möglichkeit besteht, dieses Verlassen
              chargenbezogene Dokumentation nicht        und Privatkleidung in der Praxis          der Praxis organisatorisch zu lösen.
              erforderlich.                              jeweils korrekt gelagert?                 Dies könnte z. B. so sein, dass eine
                                                                                                   Mitar­beiterin sich in ihre Privatkleidung
              S. Quest-Rottland: Die Prüfung der         S. Quest-Rottland: Nach Möglichkeit       umzieht und für das Team und die
              Qualität mit Bioindikatoren funktioniert   hat eine konsequent getrennte Lage-       ­Kolleginnen einkauft oder am Morgen
              so, dass man eine hohe, genau defi-        rung von Privat- und Berufskleidung zu     vor Praxisbeginn und entsprechender
              nierte Keimlast in die Maschine ein-       erfolgen. Das kann im personengebun-       Umkleidung der Einkauf erfolgt.
              bringt und die Keimzahl dann nach dem      denen Spind mit Schwarz-/ Weiß­
              Waschprozess wieder bestimmt. Sie          trennung erfolgen oder als gepoolte       Gibt es wissenschaftliche Studien
              muss nach dem Waschprozess um eine         Berufskleidung, welche separat von        zur Relevanz des Themas Berufs­
              log4-Stufe reduziert sein.                 der Privat­kleidung aufbewahrt wird.      bekleidung und Wäscheaufbereitung
                                                                                                   bei der Infektionsprävention?
              Muss die Berufskleidung von Praxis­        Darf man seine Berufskleidung auch
              personal und Arzt aus der Sprech-          schon morgens zuhause anziehen            Prof. P. Heeg: Es gibt aus dem Kranken-
              stunde täglich gewechselt werden,          und damit zur Praxis fahren?              hausbereich Berichte über Ausbrüche
              wenn sie äußerlich erkennbar               Ist es ok, mit der Berufskleidung         nosokomialer Infektionen, die mit unzu-
              nicht verschmutzt ist?                     in der Mittagspause kurz die Praxis       reichend aufbereiteter Wäsche assozi-
                                                         zu verlassen?                             iert waren. Für den Bereich der ärztli-
              S. Quest-Rottland: Ein täglicher Wech-                                               chen Praxis gibt es das meines Wissens
              sel ist empfehlenswert, ein Muss ist       S. Quest-Rottland: Berufskleidung soll    nicht. Das International Scientific
              der Wechsel bei Durchfeuchtung und         immer erst in der Praxis angezogen wer­   Forum on Home Hygiene (IFH) beschäf-
              Kontamination sowie sichtbarer Ver-        den. Alles andere führt das Tragen von    tigt sich seit Langem mit e      ­ pi­
                                                                                                                                        d e­
                                                                                                                                           -
              schmutzung.                                Berufskleidung generell ad absurdum.      mio­logischen Fragen der Wäsche­

              14     BVOU-Infobrief | 1/2019
Schwerpunkt: Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik – Interview

hygiene und stellt entsprechende             dings steht hier der Arbeitsschutz und      oder Therapien, die die körpereigene
Fachliteratur im Netz zur Verfügung.         nicht der Schutz der Patienten im Vor-      Abwehr schwächen. Ich habe Zweifel,
                                             dergrund, wobei sich beide Schutzziele      ob das anamnestisch immer komplett
Wie schätzen Sie selbst die Relevanz         aber häufig ergänzen. Bei Begehungen        geklärt wird.
ein? Haben Sie eigene interessante           durch Behörden spielt, zumindest nach
Erfahrungen zu diesem Thema?                 meiner Erfahrung, das Thema Berufs-         Wir danken Ihnen beiden für das
                                             bekleidung eine wichtige Rolle.             interessante Gespräch.
Prof. P. Heeg: Wie viele meiner Kollegen
vertrete ich die Auffassung, dass            S. Quest-Rottland: Meine Erfahrungen                 Das Interview wurde geführt von
­Hygiene proaktiv und nicht reaktiv tätig    sind da sehr unterschiedlich: zum einen                            Dr. Karsten Braun,
                                                                                                        BVOU-Bezirksvorsitzender
 sein muss. Das Handlungskonzept soll        werden die Regeln exakt befolgt und                               Heilbronn-Franken.
 auf einer Gefährdungsanalyse und            das Procedere von den Mitarbeitern
 -bewertung basieren, ohne abzuwarten,       gelebt, weil die Einsicht und die Patien-              Prof. Peter Heeg (Ammerbuch)
 „bis etwas passiert“. Ich selbst habe       tensicherheit oberstes Gebot sind. Zum                ist Krankenhaushygieniker und
                                                                                              ­ehemaliger Leiter der Krankenhaus-
 während meiner Tätigkeit in Kliniken        anderen gibt es laissez-faire Vorge-                 hygiene am Universitätsklinikum
 oder Pflegeeinrichtungen einige Male        hensweisen, die in Teilen schon sehr          Tübingen und ist Mitglied in zahlreichen
 erlebt, dass unzureichend, z. B. in Haus-   fragwürdig sind. Nach meiner Erfah-                    nationalen und internationalen
                                                                                                                      Fachgremien.
 haltswaschmaschinen mit Verwendung          rung steht und fällt das gesamte
 nicht-desinfizierender Waschmittel,         Hygiene­management mit einer geleb-
 aufbereitete Wäsche als ein poten­          ten Praxiskultur.                                   Susann Quest-Rottland (Dieburg)
 zieller Übertragungsfaktor infrage kam,                                                           hat nach Studium der Hygiene
                                                                                             mit Abschluss Hygieneinspektor ihre
 so geschehen im Rahmen von Ausbrü-          Wenn ich mit orthopädisch-unfall-                    Examina zur Krankenschwester
 chen durch Clostridium difficile oder       chirurgischen Kolleginnen                        abgelegt, im OP gearbeitet und eine
 Vancomycin-­resistente Enterokokken.        und Kollegen über Berufskleidung                     Weiterbildung zur Fachkranken-
                                                                                            schwester für Hygiene und Infektions­
                                             spreche, höre ich öfter das                              prävention abgeschlossen.
Wie sind Ihre Erfahrungen zum                ­Argument, in deren Sprechstunde
Thema Berufskleidung bei Bege­                gäbe es kein Patientengut,
hungen von Arztpraxen durch                   welches so konsequente Hygiene-
­Behörden? In welchen Vorschriften            maßnahmen bei der Bekleidung
 ist das Thema geregelt?                      des Praxisteams erfordere. Lassen
                                              Sie dieses Argument gelten?
Prof. P. Heeg: Der Umgang mit Berufs-
bekleidung ist im Wesentlichen durch         Prof. P. Heeg: Woher wollen Ihre Kolle-
die Vorschriften der gesetzlichen            ginnen und Kollegen das wissen? Die
Unfallversicherung geregelt. Diese           Patienten werden der demografischen
werden von der Berufsgenossenschaft          Entwicklung folgend immer älter und
für Gesundheitsdienst und Wohlfahrts-        damit zwangsläufig kränker. Man
pflege (BGW) herausgegeben. Aller-           denke an Patienten mit Erkrankungen

Literaturempfehlungen
„„ K
    ompetenzzentrum (CoC) Hygiene und Medizinprodukte der Kassenärztlichen Vereinigungen
   und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (Hrsg.): Hygiene in der Arztpraxis. Ein Leitfaden.
   Reutlingen, 2014.
   Download unter:
   www.hygiene-medizinprodukte.de/fileadmin/user_upload/CoC-Version_Hygieneleitfaden_online.pdf

„„ A
    G.-C. Zinn, E. Tabori, P. Weidenfeller: Ambulantes Operieren – Praktische Hygiene.
   Verlag für medizinische Praxis. Pürgen, 2012.

„„ S
    . Schulz-Stübner: Repetitorium Krankenhaushygiene und hygienebeauftragter Arzt.
   Springer. Berlin, Heidelberg 2013.

                                                                                                      BVOU-Infobrief | 1/2019   15
Schwerpunkt: Hygiene und Infektionsprävention in Praxis und Klinik

Gesetzesvorgaben                                                 Einrichtungsbefragung
fernab der Realität?                                             für Belegärzte ausgesetzt
Multiresistente Erreger sehen Klinikmitarbeiter heute als        Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 17.1.
größere Herausforderung an als nosokomiale Infektionen.          beschlossen, dass für Belegärzte ab sofort die QS-­
Handlungsempfehlungen der KRINKO greifen für sie zu              Dokumentation (Einrichtungsbefragung) im Verfahren
kurz. Das berichtet aerzteblatt.de am 16.02.2019. An einer       „Vermeidung nosokomialer Infektionen – postoperative
nicht-repräsentativen Online-Befragung haben nach                Wundinfektionen“ für den Erfassungszeitraum 2018
Unternehmensangaben 210 Fachkräfte aus Kliniken aller            bis 2020 ausgesetzt wird. Hintergrund der Entscheidung
Größenordnungen teilgenommen. Fast ein Drittel der               ist die seit Jahren von der KBV bemängelte Doppel-
Teilnehmer hält demnach die rechtlichen und institutionel-       dokumentation von Krankenhäusern und Belegärzten.
len Vorgaben für nicht ausreichend, um nosokomiale               Die QS-Dokumentation soll nun mit dem Ziel weiter-
Infektionen in den Griff zu bekommen. Die Frage, ob das          entwickelt werden, dass sich Belegärzte ab dem Erfas-
KHSG effektiv dazu beiträgt, nosokomiale Infektionen             sungsjahr 2021 entweder der einrichtungsbezogenen
zu vermeiden, bejahten nur 22,9 Prozent der Befragten,           QS-Dokumentation des kooperierenden Krankenhauses
38,2 Prozent verneinten sie, der Rest konnte sich nicht          aufwandsarm anschließen oder Fragen gezielt für das
entscheiden. Selbst bei den Vorgaben der KRINKO – für            eigene Hygiene- und Infektionsmanagement beantworten
70 Prozent der Antwortenden die wichtigste Instanz               können.
bei der Bekämpfung nosokomialer Infektionen – stimmten
nur 46,6 Prozent zu, dass sie ausreichen, um den Hygiene-                                                      Quelle: KBV
standard zu verbessern. 35,8 Prozent verneinten
die Aussage, 17,6 Prozent gaben an, es nicht zu wissen.

                                        Quelle: aerzteblatt.de

                                                                 Händehygiene leidet
5. Mai:                                                          unter Fortbildungen von
Welt-Handhygiene-Tag                                             der Stange
„Es liegt in Ihren Händen – Sepsis zu verhindern“. Unter         Je praxisnaher eine Hygienefortbildung ist und umso mehr
diesem Motto ruft die Weltgesundheitsorganisation (WHO)          Feedback das Pflegepersonal zum eigenen Hygienever-
alle Gesundheitseinrichtungen auf, durch Handhygiene             halten bekommt, umso besser ist die Hygiene-Compliance.
und andere Infektionskontrollmaßnahmen, behandlungs-             Das zeigte eine Umfrage der B. Braun-Stiftung. Wenn
assoziierte Infektionen zu verhindern. Bundesgesund-             das Krankenpflegepersonal die Regeln der Händehygiene
heitsminister Jens Spahn unterstreicht: „Der sicherste           befolgt, hat das erheblichen Einfluss auf die Patienten-
und einfachste Schutz gegen Sepsis ist: Saubere Hände!           sicherheit. Wie hoch das Wissen im Bereich Händehygiene
Dafür haben wir in Deutschland klare Hygienevorschriften.        bei Pflegenden ist und welche Rolle Fortbildungen dabei
Diese Vorschriften müssen aber auch vor Ort umgesetzt            spielen, hat die B. Braun-Stiftung gemeinsam mit dem
und gelebt werden – und zwar vom Chefarzt genauso wie            Institut für Krankenhaushygiene des Universitätsklinikum
von jeder einzelnen Pflegekraft am Krankenbett.“ Der aus         Leipzig untersucht. Die Studie zur verhaltenspsycho-
Anlass des am 5. Mai stattfindenden „Welt-Handhygiene-           logisch orientierten Infektionsprävention geht davon aus,
Tags“ erfolgte Aufruf, richtet sich an alle relevanten           dass die Händehygiene leitliniengerechter ausgeführt
Akteure im Gesundheitswesen. Nutzen Sie die deshalb              wird, je bewusster, motivierter und kompetenter sich die
Materialien der WHO und der „Aktion Saubere Hände“, um           Mitarbeiter mit dieser Aufgabe beschäftigen. Wichtig
auf das Thema Händehygiene und Infektionsprävention in           ist außerdem eine möglichst zielgruppenspezifische
Ihren Einrichtungen aufmerksam zu machen und tragen              Fortbildung, die sich auf die individuellen Heraus-
Sie sich in die Liste der Unterstützer auf der WHO-­             forderungen und Rahmenbedingungen der jeweiligen
Webseite ein. Informationen unter: www.sepsis-stiftung.eu.       Stationen konzentriert.

                                       Quelle: Sepsis-Stiftung                                              Quelle: B.Braun

16     BVOU-Infobrief | 1/2019
Berufspolitik

               Strukturbereinigung!
               Sachverständigenrat
               Jahresgutachten 2018/19
                © spotmatikphoto/Fotolia

                                                         Im Bereich der stationären Versorgung wird ein erheb-
Im Dezember 2018 stellten der Sachverständigenrat zur    licher Restrukturierungs- und Konsolidierungsbedarf
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung      gesehen. Beim Abbau von – im internationalen Vergleich
und der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Ent-    – vermeintlichen Überkapazitäten im stationären Sektor
wicklungen im Gesundheitswesen ihre Jahresgutachten      soll die beschlossene Verlängerung des auf Kapazitäts-
2018/19 vor. Diese stimmen in ihren Schlussfolgerungen   abbau fokussierten „Strukturfonds“ helfen. Sicher-
weitgehend überein und wurden u.a. vom Verband der       stellungszuschläge sollen regionale Versorgungslücken
Krankenhausdirektoren Deutschlands e.V. (VdK) um-        vermeiden helfen.
gehend kritisch kommentiert.                                  Unbestreitbar ist die vergleichsweise hohe Kranken-
                                                         haus- und Bettendichte gerade in Ballungsgebieten.
                                                         Wirtschaftlich hoher Konkurrenzdruck und DRG-Preis­
                                                         verfall haben Potential sich ungünstig auf Indikations-
                                                         stellungen und Versorgungsqualität auszuwirken. Eine
                                                         mögliche und sich natürlich entwickelnde „Verteilung“ des
                                                         Personals abgebauter Strukturen auf die verbleibenden
                                                         Einrichtungen würde die allseits bestehende Personalnot
                                                         wohl lösen können. Niemand müsste arbeitslos werden.

                                                                                         BVOU-Infobrief | 1/2019   17
Berufspolitik

Da die Politik sich zu derartigen, transparenten Struktur-       Eine Erhöhung pauschaler Vergütungselement
maßnahmen aber nicht durchringen kann, folgt Struktur-           für die Krankenhausvergütung ist daher grundsätzlich
gesetz auf Strukturgesetz und (Qualitäts-) Richtlinie            begrüßenswert.
auf Richtlinie. Hoch leistungsfähige Kliniken werden so
Schritt für Schritt „weichgekocht“ und die Mitarbeiter
frustriert. Auch – und vor allem – vor diesem Hintergrund        Ambulantisierung
ist das neue Pflegepersonalstärkungsgesetz und die
Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung zu bewerten.               Die Forderung nach einem Ausbau sektorenübergrei­
     Deutschland kennt zudem keine tws. jahrelange               fender Versorgung trifft einen Nerv. Die starke sektorale
Wartelistenmedizin. Das Paradigma: Alles für Alle – jeder­       Trennung ist nicht mehr zeitgemäß und konterkariert
zeit! ...ist sakrosankt und wird konsequent umgesetzt.           die Wünsche und Bedürfnisse moderner Patienten im
Auch hier entstünde im Rahmen von „Strukturbereinigungen“        digitalen Zeitalter. Versorgung muss neu gedacht,
Erklärungsbedarf: an die Wähler. Zudem sind die in               ­strukturiert und organisiert werden: primär und zentral
anderen Ländern bestehenden p     ­ oststationären, familiären    aus der Perspektive der Patienten – und nicht aus der
„Abnahmestrukturen“ für pflegebedürftige Patienten in             Interessensperspektive von Politik oder Verbänden. Die
Deutschland wenig a   ­ usgebildet. Die Pflegeeinrichtungen       Forderung nach „Ambulantisierung“ erledigt sich dann
kommen bereits heute an ihre Kapazitätsgrenzen                    von alleine.
und werden durch den demographischen Wandel weiter
gestresst werden. Insbesondere in ländlichen Regionen
sind die Kliniken daher relevante Faktoren der gesamten          Bewertung
Versorgungskette.
                                                                 Die Sachverständigenrats Gutachten liefern insgesamt
                                                                 keine neuen oder überraschenden Erkenntnisse.
Investitionsfinanzierung                                         Sie unterstreichen hingegen den politischen Handlungs-
                                                                 bedarf! Regionale stationäre Überkapazitäten kann
Im Rahmen der derzeitigen „dualen Finanzierung“ der              niemand ernsthaft bestreiten. Ein transparenter –
Krankenhäuser sind die Bundesländer für die Kranken-             politisch-­sozial gesteuerter - Abbau dieser Überkapazi-
hausplanung und die Investitionskoten und die Kosten-            täten würde die adressierten Probleme in Summe weit-
träger (Krankenkassen) für die Betriebskosten zuständig.         gehend lösen. Der politische Wille dazu fehlt bisher.
Da die Länder seit Jahren – trotz voller Kassen bei              Durch sich „jagende“ Strukturgesetze, Bürokratieaufbau,
sprudelnden Steuereinnahmen – ihren Verpflichtungen              Preisverfall und Dokumentationstsunamis kann man
nicht nachkommen und in den Kliniken ein Investitions-           auch ein funktionierendes System vor die Wand fahren.
stau in Milliardenhöhe besteht, soll das System umgestellt       Politische Dauerstrangulation führt zur Asphyxie
werden auf eine „monistische“ Vollfinanzierung durch             auch funktionierender Strukturen. Die Leidtragenden sind
die Krankenkassen. Unterstützt durch Steuerzuschüsse             letztlich die Patienten.
an den Gesundheitsfonds… Hier sollen politisch unbe­
queme Fragestellungen und Strukturprobleme einfach
verlagert werden. Der „schwarze Peter“ würde weiter-
gegeben an die ohnehin wenig beliebten Krankenkassen.
Diese würden zudem perspektivisch „(Mit-)Eigentümer“
der Kliniken...da sie ja alles bezahlen müssten….
Wer zahlt, möchte jedenfalls auch die „Musik bestellen“…
(z.B. Einzelversorgungsverträge) und die Gehalts- und
Tarifstrukturen mitbestimmen. Ein flagranter Schritt in
den Ausbau einer staatlichen Einheitsmedizinlandschaft?

Leistungsvergütung
Die kritischen Ausführungen zu einem sich Mandel-
                                                                                                © Intercongress

brot-mengenartig entwickelndem, flächendeckendem
DRG-System sind zu begrüßen. Die Erkenntnis, dass
dieses auch von Experten längst nicht mehr umfänglich
durchdrungene System einen grundsätzlichen Anreiz                                               Prof. Dr. Dr. Reinhard Hoffmann
zur Leistungsausweitung bietet, setzt sich offenbar durch.                                      BVOU-Vizepräsident

18     BVOU-Infobrief | 1/2019
bvou.net „TSVG“                                                                                             Berufspolitik

TSVG: BVOU-Vorstand konfrontiert
Jens Spahn
                                                            600 Millionen Euro
                                                            könnten auch anders
                                                            ­verteilt werden
                                                            Dass es für zusätzliche Leistungen mehr Geld geben soll,
„Geben Sie Ihren Bedenken ruhig Raum“, forderte             sei doch ein Paradigmenwechsel, betonte der Minister.
 KBV-­Vorstand Dr. Andreas Gassen vor dem Dialog            Er ließ durchblicken, dass er im Detail noch für Veränder­
 mit dem Minister. – Dr. Helmut Weinhart tat                ungen offen ist: Wenn sichergestellt wird, dass die
 genau dies.                                                ­Kassen­ärztlichen Vereinigungen (KVen) mit dem Honorar-
                                                             plus von bundesweit rund 600 Millionen Euro dafür sorgen,
                                                             dass es schneller Termine gibt, dann würde man an den
                                                             TSVG-­Vorgaben offenbar noch etwas ändern. So antwor-
                                                            tete er auch Weinhart: Die Diskussion um Pauschalen oder
                                                            Einzelleistungen werde seit langem geführt. Man werde
Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte benötigen kein     sich die geplanten TSVG-Regelungen zum Honorar noch
Geld für neue Patienten wie im Entwurf zum Termin-          einmal anschauen. Ohne Budgets und Bedarfsplanung, hier
service- und Versorgungsgesetz (TSVG) vorgesehen, sondern   zeigte er sich hart, werde es aber grundsätzlich nicht gehen.
ein angemessenes Honorar für diejenigen Patienten,
deren Versorgung heute nicht ausreichend vergütet wird.
Diesen Hinweis hat Dr. Helmut Weinhart, Vorstands-          Gegenvorschläge:
mitglied des Berufsverbands für Orthopädie und Unfall-
chirurgie (BVOU e.V.), Jens Spahn mit auf den Weg           Spielraum für die KVen,
gegeben. „Wenn ein alter, chronisch kranker Patient mit
dem fünften Problem im Quartal kommt, gibt es kein          Freiwilligkeit,
Geld mehr, aber für ein kleines Mädchen, das unkompli­
ziert Einlagen benötigt, schon“, verdeutlichte er eine      neue GKV-Tarife
der Konsequenzen des geplanten TSVG. Das sei falsch.
Denn in Zukunft würden nach dieser Logik vermutlich         Dr. Ralph Ennenbach, stellvertretender Vorstandsvor-
unkomplizierte Patienten schnell einen Termin bekommen      sitzender der KV Schleswig-Holstein, hatte angeregt, das
und chronisch und schwer Kranke nicht.                      Budget für Grundleistungen zu öffnen und die Steuerung
                                                            in die Hände der KVen zu legen. KBV-Vorstand Dr. Stephan
                                                            Hofmeister hatte den Vorschlag erneuert, ein Tarifwahl-
Spahn: An den 25 Stunden                                    modell in der Gesetzlichen Krankenversicherung einzu-
                                                            führen, mit dem sich Patienten freiwillig für eine gesteuerte
wird nichts geändert                                        Versorgung entscheiden. Und Dr. Dirk Heinrich, Vorsitzen­
                                                            der des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands e.V.,
Weinhart hatte seine Bedenken bei der Dialogveranstaltung   schlug vor, die offenen Sprechstunden als freiwilliges
von Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und dem        Angebot einzuführen. Es fänden sich sicher Kollegen dafür.
Bundesgesundheitsminister geäußert, die am 18. Januar            Der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen
auf Wunsch von Spahn in Berlin stattfand. Spahn wich dort   zeigte sich am Ende zuversichtlich, dass man an bestim­
keiner Frage und keiner Kritik aus und gab den Ärztinnen    mten Knackpunkten des TSVG-Entwurfs noch zu
und Ärzten klare Botschaften mit: Am Vorhaben, 25 statt     ­Veränderungen kommen werde. Die zweite Anhörung zum
20 Wochenstunden in Praxen vorzuschreiben, werde nicht       Gesetzentwurf ist für den 13. Februar angesetzt. Eine
mehr gerüttelt, weil dies im Koalitionsvertrag stehe. Und    Verabschiedung ist nach den Worten von Spahn nicht vor
wortbrüchig werde er nicht – „außer, Sie überzeugen Herrn    Mai realistisch.
Lauterbach, es anders zu machen.“                                                          Sabine Rieser, Fachjournalistin

                                                                                               BVOU-Infobrief | 1/2019   19
Sie können auch lesen