Den Schwarm zum Fliegen bringen - Hochschule Luzern Das Magazin
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Hochschule Luzern FEBRUAR 2013 Das Magazin BETONBRÜCKEN Gefahr durch Ermüdung genauer beurteilen INTERVIEW Moritz Leuenberger, ehemaliger Bundesrat SPIELSUCHT-PRÄVENTION Sozialkonzepte der Casinos bewähren sich OPEN INNOVATION Den Schwarm zum Fliegen bringen
EDITORIAL INHALT Wir sind halt Das Potenzial der Masse wecken heutzutag alle älter als Sigrid Cariola, Chefredaktorin Open Innovation: Vielfalt der Akteure bringt Schub Seite 12 CREATIVE LIVING LAB Liebe Leserin, lieber Leser 08 Workshop: ein Strauss an Innovationsmethoden 11 Guerrilla Urbanism: das Potenzial von brachliegendem «Die Masse macht keine Fortschritte», bringt der öffentlichem Raum im Experiment erkunden wie wir sind. 12 Schwarmintelligenz: Open Innovation schont Ressourcen Dramatiker Christian Friedrich Hebbel sein Verständnis und beflügelt die Kreativität der Masse als träge, richtungslose Herde auf den Punkt. Mit dem Siegeszug sozialer Medien wird dieses Bild nun in sein Gegenteil verkehrt: Von der «Weisheit der Vielen», sogar von «Schwarmintelligenz» ist die Rede. Vielzitiertes Beispiel dafür ist das Online-Lexikon Wikipedia, an dem Tausende von Autoren mitwirken. ETH-Forscher zeigten, dass die Schätzung Fotos: A lice Kolb ( Illustration), Jolanda Flubacher Der ungs, Marco Zanoni / Pixsil, Beat Brechbühl einer grossen Gruppe von Personen – etwa zur Bevölke- rungsdichte der Schweiz – in ihrem Durchschnitt näher Moritz Leuenberger Seite 28 Sagenhaft Seite 38 KASIMIR UND KAROLINE an der Wahrheit liegt als die beste Einzelschätzung. VOLKSSTÜCK VON ÖDÖN VON HORVATH 04 SPEKTRUM Dieser Effekt stellt sich aber nur ein, wenn die Gruppe 06 NAMEN Vom 1. Februar bis 7. April 2013 sehr heterogen zusammengesetzt ist und keiner weiss, 18 BETONBRÜCKEN Materialermüdung besser verstehen was der andere denkt. Sobald diese Information zur Ver- 21 WARMWASSER Durchlauferhitzer für Grossverbraucher fügung stand, kippte die Schwarmintelligenz um in den 24 ARBEITSPLATZ Das Büro von morgen ist vielseitig 27 BEHINDERTE In Rechtsverfahren oft benachteiligt Besuche die Vorstellung und profitiere jetzt von unseren Opportunismus einer Schar Lemminge. 28 INTERVIEW Moritz Leuenberger, ehemaliger Bundesrat Super-Angeboten für Studierende: In unserer Titelgeschichte (S. 12) erläutern Wis- 33 PLÄDOYER Chancen der Globalisierung nutzen senschaftler der Hochschule Luzern, unter welchen 34 FORSCHUNG Träger und Mittelvergabe in der Schweiz CHARTER-ABONNEMENT Voraussetzungen ein Kollektiv nicht nur klug, sondern 36 SPIELSUCHT Früherkennung ist wichtig Für CHF 12.– ins Theater! auch kreativ sein kann und wann dieses Ansinnen nur 38 SAGENHAFT Studierende animieren alte Sagen Das Charter-Abonnement mit 5 frei wählbaren Vorstellungen 40 UMFRAGE Warum auf Englisch studieren? eines bleibt: theoretische Schwärmerei. für CHF 60.–. Egal ob Singen, Sprechen, Tanzen. 42 SWISSNESS Ausländische Studierende erkunden die Schweizer Kultur LAST-MINUTE-TICKET 45 ALUMNI Organisationen schliessen sich zusammen LUZERNER Jeden Tag 15 Minuten vor Vorstellungsbeginn die besten Titelbild 46 NACHRICHTEN/WETTBEWERB Plätze für CHF 15.– ! Alice Kolb (24) absolvierte 2011 den Bachelor of Arts in visueller 48 AGENDA THEATER… Kommunikation an der Hochschule Luzern – Design & Kunst. Heute studiert sie dort im Master in Art Teaching. www. alicekolb.ch 49 MEDIENECHO SAME DAY – HALF PRICE 50 ABSOLVENT Gregor Frei Weniger spontan: Tickets am Vorstellungstag zum halben Preis. www.luzernertheater.ch Hochschule Luzern 1 | 2013 3
SPEKTRUM Profifussball als Ein Bionik-Zentrum Wirtschaftsfaktor Grosse Nähe von Studienfach und für die Schweiz Der Profifussball-Club FC Luzern löste beruflicher Tätigkeit* Fallschirm, Schwimmflosse oder Klett- in der Saison 2011 / 2012 eine Brutto- verschluss: Viele Erfindungen sind von wertschöpfung von 27 Millionen Fran- der Tier- und Pflanzenwelt inspiriert. ken aus, fast drei Viertel davon entfallen Um die Vorbilder aus der Natur besser 38% auf den Kanton Luzern. Der grösste Teil zu erforschen und beispielsweise für Abschluss in verwandten entsteht durch die wirtschaftlichen 49% Studienfächern verlangt mechanische, chemische oder logisti- Aktivitäten des Vereins, aber auch Abschluss in meinem sche Innovationen zu nutzen, haben sich Studienfach verlangt Zusatzumsätze in Gastronomie und verschiedene Institutionen zusammen- Hotellerie spielen eine Rolle. Die Wirt- geschlossen und das schweizweit erste schaftsleistung des FC Luzern entspricht Bionik-Zentrum in Luzern gegründet. in etwa der eines mittelständischen Ziel ist es, Firmen bei der Entwicklung Unternehmens, so das Fazit einer Studie von Produkten und Verfahren zu fördern. 13% der Hochschule Luzern. In einem zwei- Kein Studienabschluss in Das Bionik-Zentrum Luzern wird getra- ten Teil untersuchen die Experten den spezifischem Fach verlangt gen von der Hochschule Luzern – Tech- Aufwand und die Kosten für Sicherheits- nik & Architektur, der MCCS Micro Mit vollem Einsatz arbeitet das einzige Schweizer Team am Wohnhaus der Zukunft. massnahmen im Zusammenhang mit Center Central Switzerland AG, dem Fussballspielen. * Studie des Bundesamts für Statistik zur beruflichen Situation von Hochschulabsolventen (2011) Technopark Luzern, der Industrie- und Handelskammer, der Wirtschaftsförde- Erstes Schweizer Team für Solar Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen der Hochschule Luzern sind häufig in einem ihrem Studium entsprechenden Beruf tätig. Rund rung Luzern sowie vom Innovations- Decathlon am Start Wenn Mütter töten 87 Prozent haben eine Stelle, bei der ein Abschluss in ihrem Studienfach Transfer Zentralschweiz (ITZ). Finanzi- elle Unterstützung erhält es vom Kanton Die Hochschule Luzern – Technik & Ar- in Europa durchgeführt. Die interdiszip- Fälle von Kindstötung erregen Aufsehen oder einem verwandten Studienfach vorausgesetzt wurde. Nur etwa Luzern und vom Bund. chitektur hat sich für eine Teilnahme am linären Teams haben den Auftrag, ein und verstören. Erstmals untersucht eine 13 Prozent benötigten zwar einen Hochschulabschluss, aber nicht unbe- www.bionikluzern.ch «Solar Decathlon Europe 2014 » qualifi- architektonisch und technisch innova- Studie das Thema Neonatizid in der dingt in einem spezifischen Fach. www.bfs.admin.ch ziert. Sie stellt unter 20 Hochschul-Equi- tives Solarhaus mit hohem Wohnkomfort Schweiz, den Kindsmord in den ersten 24 pen aus der ganzen Welt das einzige zu entwickeln, das den kommenden sozi- Stunden nach der Geburt. Paula Krüger Schweizer Team, das am Haus der Zukunft alen, ökologischen und ökonomischen von der Hochschule Luzern wertete Straf- arbeitet. Der vom US-Energiedepartement Herausforderungen gewachsen ist. Die prozessakten von 1980 bis 2010 aus zwölf initiierte und international angesehene Häuser werden im Sommer 2014 in Kantonen aus und befragte rund 375 Per- Gegen das Lädeli-Sterben Wettbewerb wird seit 2003 alle zwei Jahre Versailles aufgebaut und in zehn Diszip- sonen, darunter Fachleute wie Sozialar- in den USA und seit 2010 alternierend auch linen verglichen und bewertet. beitende. «Viele Neonatizide sind eine Luzern – Soziale Arbeit Strategien, wie Folge der ‹negierten Schwangerschaft›, sich ihr Angebot und die Bedürfnisse der 80’000 die Frauen verschweigen oder verdrän- Bevölkerung besser in Einklang bringen gen, dass sie ein Kind bekommen», sagt lassen. Fragebogen-Aktionen sowie zahl- sie. Das Umfeld zementiert diesen Zu- reiche Gespräche zeigten: Die Anwohner stand, indem es unglaubwürdige Erklä- möchten die Dorfläden zwar erhalten, rungen beispielsweise zur Gewichtszu- lassen sich aber von den günstigeren Prei- Fotos: iStockphoto / Marcelo Sanchez, zVg nahme akzeptiert. Die Forscherin setzt sen und der grossen Auswahl in die Gross- deshalb auf Aufklärung. «Wenn Freunde verteiler der Umgebung locken. Mit der Franken beträgt das durchschnittliche Jahres-Bruttoeinkommen einer Bachelor- und Angehörige den Konflikt erkennen, Einführung einer Linie preiswerter Pro- Absolventin bzw. eines Bachelor-Absolventen der Hochschule Luzern. können sie unter Umständen rechtzeitig dukte, mit einheimischen Spezialitäten Für eine Studie des Bundesamts für Statistik wurden Berufseinsteiger mit dem Die Hochschule Luzern entwickelt Strate- einschreiten und die Tötung verhindern.» sowie saisonalen Aktionen konnten die gien, um Dorfläden zu erhalten. Abschlussjahrgang 2010 befragt, vom Wirtschaftsingenieur über die Sozial- Wie viele Neugeborenentötungen in der Dorfläden nun Gegensteuer geben. In Dis- arbeiterin bis zum Nachwuchsdesigner. Schweiz passieren, lässt sich nicht sagen, Die beiden Dorfläden in den Entlebucher kussion sind jetzt auch pendlerfreundli- die Dunkelziffer ist sehr hoch. Durch- Gemeinden Romoos und Doppleschwand che Öffnungszeiten am Abend sowie die Studie des Bundesamts für Statistik zur beruflichen Situation von Hochschulabsolventen (2011) schnittlich wird ein Fall pro Jahr bekannt. kämpften ums Überleben. Im Auftrag der engere Zusammenarbeit mit den übrigen www.bfs.admin.ch Windsurf-Finne, die nach dem Vorbild der www.hslu.ch/neonatizid Gemeinden entwickelte die Hochschule Gewerbebetrieben in den beiden Dörfern. Flossen von Buckelwalen entwickelt wurde. 4 Hochschule Luzern 1 | 2013 Hochschule Luzern 1 | 2013 5
NAMEN Nicht nur ein «Läutschi», auch ein «Laferi» sei dies mit Kurzseminaren zum richti- dahin kann ich die Zeit als Rüüdige Stephan Käppeli sei er seit jeher; so verwundert es nicht, gen Auftreten im Job, CV-Checks, der Lozärner so richtig auskosten.» Findet den gemein- dass er mit seiner Reisereportage die Säle Kontaktmesse, bei der Absolventen und füllt. Da bleibt vorerst keine Zeit für wei- Unternehmen zusammenkommen, oder samen Nenner tere Reisepläne, zumal Burch nun an der Vorträgen von Alumni. Die Studieren- Christof Sigerist Hochschule Luzern «Business Engineering den nutzen die Angebote rege: 2012 nah- Entwickelte ein Sustainable Energy Systems» studiert. men sie rund 300 Beratungen in Denn er interessiert sich nicht nur für Anspruch. Von der Arbeit erholt sich Trainingsset für Reisen, Politik oder interkulturelle Kom- Richter am liebsten beim Lesen von ös- Hirnschlagpatienten munikation, sondern auch für erneuerbare terreichischen Krimis oder dann, wenn Energien: «Wenn man in einer Millionen- sie mit ihrem Mann über das gemein- stadt wie Chengdu nur Elektroroller sieht same Pensionsprojekt sinniert: Auswan- dern nach Indien. Geschichte ist eines der Hobbys von Stephan Käppeli (48). Sein Verständnis für Gian Walker Traditionen hilft dem Wirtschaftsdozen- Gekürt zum Rüüdige ten bei seiner Arbeit mit Gemeinden. «Wenn zusammengehen soll, was bisher Lozärner 2012 nicht zusammenging, gilt es, mit Identi- Er ist der jüngste «Rüüdige Lozärner», täten und Spezifika sensibel umzugehen seit Radio Pilatus den Titel 1994 lanciert und doch einen gemeinsamen Nenner zu oder drei Tage durch einen riesigen Wind- hat: der 26 -jährige Blasmusik-Student finden», sagt er. Die meisten Gemeinden park in der Inneren Mongolei fährt – dann Gian Walker. Heimlich hatten ihn oder Bezirke wurden im 19. Jahrhundert muss man sich fragen, wo die Schweiz Freunde für diesen Wettbewerb ange- gebildet, einige haben eine noch längere eigentlich steht.» meldet, bei dem die Hörer eine beson- Geschichte. Ihre Grenzen entsprechen Infos zur Vortragstour: www.vivamos.ch ders engagierte Persönlichkeit wählen. Wir sind da, kaum mehr den Lebensgewohnheiten Nach dem ersten Schock folgte eine Als Dozent für Materialdesign vermittelt der Bevölkerung. Gemeinsam zu lösende Christof Sigerist seinen Studierenden, wie wo Sie es am wenigsten erwarten! Alexandra Richter Aufgaben und Probleme sind grenzüber- Werkstoffe die Form und Funktion eines In der Tiefe dieses Berges bohrt sich Sandvik durch die Alpen. schreitend. Da stellt sich die Frage einer Hilft Absolventen auf Gegenstandes beeinflussen können. Die- «Fusion». Stephan Käppeli eruiert dabei ses Zusammenspiel perfekt hinzubekom- Der Untertage-Bohrwagen DT1130 der Sandvik-Gruppe wird beim Bau des Monte Ceneri-Tunnels eingesetzt. nicht nur Chancen und Risiken, sondern die Karriereleiter men, galt es auch bei seinem letzten Pro- Der Bohrwagen kommt mit einer Höchstgeschwindigkeit moderiert auch den Dialog zwischen «Ich bin immer wieder fasziniert von der jekt als Mitinhaber des Designbüros von 10 Metern pro Tag voran. Bei Fertigstellung wird es insge- Politikern und Bevölkerung. Sei dies bei grossen Themenpalette unserer Hoch- stockwerk3: Im Auftrag einer Ergothera- samt vier Tunnel für Hochgeschwindigkeitszüge geben, die den den Fusionsabsichten in der Region Solo- schule», erzählt Alexandra Richter, Lei- peutin entwickelten er und sein Partner Personen – und Güterverkehr schneller, sicherer, umweltfreund- thurn oder bei der Bezirksreform im terin des Careers Service der Hochschule ein Trainingsset für Hirnschlagpatienten, licher und wirtschaftlicher machen. Die Ergebnisse von Sandviks Know-how zeigen sich z.B. Kanton Schwyz. «Damit eine Reform Luzern. Besonders bewundert sie die Mu- emsige Stimmenjagd, galt es doch, u.a. womit diese ausserhalb des Spitals Bewe- gelingt, muss die Bevölkerung mitein- sikerinnen und Künstler. «Ich bin leider den langjährigen Luzerner Stadtpräsi- gungsabläufe üben können. «Die Thera- Fotos: Hochschule Luzer n, Cy r ill Burch, Radio Pilatus, zVg auch in Windkraftanlagen, Ohren, Getränkedosen, in einem Schiff aus dem 17. Jahrhundert, Wüsten und vielen anderen bezogen werden.» musisch völlig unbegabt.» Die 44-jährige denten Urs W. Studer zu überrunden. peutin hatte bereits einige Prototypen Orten, die Ihnen wahrscheinlich nie einfallen würden. Verwaltungswissenschaftlerin unter- Am Ende konnte Gian Walker 7’408 Per- angefertigt. Wir optimierten diese und Auf der ganzen Welt verbessern wir die Produktivität und sonen überzeugen und den 14 Kilo brachten sie in eine ansprechende Form», Wirtschaftlichkeit der Kunden. Cyrill Burch schweren Wanderpokal entgegenneh- erklärt der 40-Jährige. Als Material wurde Gleichzeitig reduzieren wir die Umweltauswirkungen. Berichtet vom anderen men. Walker: «Der Preis bedeutet mir als Holz gewählt. «Dadurch wirkt das Set we- Erfahren Sie mehr über die Arbeit von Sandvik, indem Sie Luzerner sehr viel.» Verdient hat er ihn niger steril, sondern fast wie ein Spiel- den QR-Code scannen oder www.sandvik.com besuchen. Ende der Welt sich mit vielseitigen musikalischen En- zeug oder Wohnaccessoire. Auch ist es Aktuelle Vakanzen unter: www.sandvik.com/career Im Sommer 2010 verliess Cyrill Burch Lu- gagements: So leitet er die Lucerne Mar- betreffend Gewicht, Kosten und Formfä- zern und erreichte – per Autostopp, ohne chingband der Feldmusik Luzern und die higkeit am besten.» Am WoodAward des Flugzeug – nach 22 Monaten Papua-Neu- Ebikoner Brassband Abinchova. Zudem Verbands Schweizerischer Schreiner- guinea. Zurück in der Schweiz, wollte je- ist er Tambourmajor der Näbelhüüler meister und Möbelfabrikanten wurde das Santrade Ltd. der wissen, wie es war, es folgten Vorträge stützt mit ihrem Team Absolventinnen Äbike. «Die nächsten grossen Konzerte Set kürzlich sogar ausgezeichnet. und Einladungen, u.a. zu «Aeschbacher». und Absolventen beim Berufseinstieg, stehen erst wieder im Sommer an. Bis www.stockwerk3.ch 6 Hochschule Luzern 1 | 2013 Hochschule Luzern 1 | 2013 7
CREATIVE LIVING LAB / INNOVATIONSMETHODIK Die Gedanken hämmern Ideen zum Fall von Eveline Amrhyn in die Tasten. Die Leiterin Zen- trale Dienste des Heilpädagogischen Loopings fahren Zentrums Hohenrain bringt das Projekt neuer Internatspavillons ein, in denen lernbehinderte sowie geistig behinderte lassen Kinder wohnen. «Der jetzige Bau ist nicht mehr zeitgemäss. Bevor wir uns für einen Neu- oder Umbau entscheiden, möchten wir die Bedürfnisse analysie- Im Grünen sitzen, diskutieren und die berühmt- ren und uns überlegen, was wir umset- zen können», erklärt sie. Unter Anlei- berüchtigte Schere im Kopf in die Ferien schicken? Was tung des Coachs spielt die Gruppe an nach süssem Nichtstun klingt, liess die Köpfe der diesem Beispiel eine Innovationsme- thode durch, mit der Ideen auch gleich Teilnehmenden des CreaLab-Workshops rauchen. Denn evaluiert werden können. Die Mitglie- gefragt war nichts weniger als: Innovation. der laden ihre Geistesblitze auf eine Plattform, wo sie wie an der Börse gehandelt werden. Jeder Spieler kann die Einfälle der Mitspieler kommentieren Maxillaria tenuifolia, Laelia per- Wirtschaft der Hochschule Luzern lei- und in diese investieren. Jene Idee, wel- rinii, Vanilla planiflora: In allen Farben tet die Veranstaltung im geräumigen che die meisten Punkte erhält, erscheint leuchten die Blumen zwischen Flip- Treibhaus des «Luzerner Gartens», wo zuoberst im Ranking. Schiebetüren, die charts, Computern und Stellwänden. vier Tage lang unter dem Motto «Make eine flexible Raumeinteilung ermögli- Was sonst Besucherinnen und Besucher innovation happen!» Ideen für die ver- chen? Eine Dimension grösser denken der Orchideenschau bestaunen, dient schiedensten Fragestellungen ausgetüf- und eine Überbauung für Familien samt nun als inspirierende Umgebung für die telt werden. Vier Vertreterinnen und Altersheim einplanen? Mit einem Ruck- CreaLab Summer School zum Thema Vertreter von Unternehmen und Insti- Innovationsmethoden. «Es ist ein tutionen haben Herausforderungen aus Glücksfall, dass wir hier tagen können. ihrem Arbeitsalltag in die Summer In dieser Umgebung müssen die Ideen School mitgebracht. Gemeinsam mit Innovation vom Sofa aus ja sprudeln», ist Jacqueline Holzer über- Kreativen, Dozierenden und Studieren- Vom Brainstorming zu Reflective zeugt. DDie Dozentin am Departement den der Hochschule Luzern wollen sie Empathy oder Reframing Matrix? Die ihre Gedanken auf Achterbahnfahrten Website «Thinkthru – Innovation schicken. Ihre Fälle sollen auch die sc across Boundaries» soll einen Werk- selbstentwickelten Methoden der einge- se zeugkasten an Innovationsmethoden sack voller Anregungen wechselt Am- an Ideen und Innovationsmethoden nicht einfach unter einen Baum setzen ladenen Innovationsexperten, die den la umfassen und eine Plattform bieten, rhyns Team schliesslich zur nächsten für die weitere Arbeit zurückkam. Wir und mit einem interdisziplinären Team Workshop als Coachs begleiten, auf den W die es kreativen Köpfen ermöglicht, Innovationsmethode, bei der sich die arbeiten nun äusserst fruchtbar mit die- in aller Ruhe an kreativen Lösungen ar- PPrüfstand stellen. sich rund um den Globus zu vernetzen. Mitglieder in ihre Kindheit zurückver- sen Inputs, und es ist faszinierend, zu beiten.» Der nächste Workshop wird be- Michael Derrer arbeitet mit Hoch- setzen, um darüber nachzudenken, sehen, wie je nach verwendeter Methode reits vorbereitet. Er findet im Frühling Fotos: Michael Muther, Mar tina Nay, istockphoto M schnell die Dimension Mal druck daran, dass Thinkthru im Früh- was junge Menschen brauchen, um sich immer wieder neue Facetten eines The- statt, ist dann allerdings ausschliesslich wechseln ling betriebsbereit ist. Der Dozent an wohl zu fühlen. mas sichtbar werden.» Studierenden vorbehalten. Gruppenweise ziehen sich die Teilneh- der Hochschule Luzern – Wirtschaft Auch Jacqueline Holzer ist zufrieden. Die Orchideenschau im Luzerner menden in liebevoll dekorierte Arbeits- und Projektleiter der Website ist Transfer in den Alltag geglückt «Wir haben von den Teilnehmenden er- Garten ist vorbei, die Töpfe mit den fili- nischen zurück. Bald sind daraus ange- sich sicher: «Der interdisziplinäre Aus- «In der Summer School konnte ich ganz freuliche Rückmeldungen erhalten. Ein granen Blüten sind weggeräumt. Hat Eve- regte Diskussionen zu hören. Aus jener tausch von Menschen mit ganz un- neue Sichtweisen einnehmen, mir das Team trifft sich immer noch zum Gedan- line Amrhyn das unkonventionelle Den- Ecke, die von mannshohen Benjamin- terschiedlichen Biographien hat noch Querdenken erlauben, für das im kenaustausch.» Die Teilnehmenden hät- ken in den Alltag hinüberretten können? bäumen abgeschirmt wird, ist hingegen viel Potenzial. Dieses soll die Website Arbeitsalltag kaum Zeit bleibt», blickt ten die ungewöhnliche Arbeitsweise und Sie lacht: «Ich habe mir einen kleinen nur das Klicken von Tastaturen zu ver- erschliessen.» Amrhyn ein paar Wochen später zurück. -umgebung geschätzt, sagt Holzer und Mahnfinger besorgt: Auf meinem nehmen: Die Gruppenmitglieder sitzen http://thinkthru.n-scouts.com/methods/ «Das Projektteam in Hohenrain hat sich fügt schmunzelnd hinzu: «Im normalen Schreibtisch blüht nun eine wunderbare konzentriert hinter ihren Laptops und offen gezeigt, als ich mit einem Strauss Büroalltag kann man sich ja meistens Orchidee.» Eva Schümperli-Keller 8 Hochschule Luzern 1 | 2013 Hochschule Luzern 1 | 2013 9
CREATIVE LIVING LAB / STADTENTWICKLUNG Formation aus dem so den Bewohnern und Bewohnerinnen mehr Teilhabe an Entscheidungen er- möglichen, die ihren Lebensraum betref- Untergrund fen. Zum anderen wird erforscht, wie konkretes Anschauungsmaterial im öf- fentlichen Raum die Forschung und die strategische Planung ergänzen und Geringer Mitteleinsatz, präzise Aktionen, starke Wirkungen: schärfen kann. «Wir werden Aktionen initiieren, die sinnlich wahrnehmbare Das macht die Guerrilla-Taktik der Partisanen aus. Wie Objekte schaffen und vor Ort als Medium sie auch die Stadtplanung bereichern könnte, das wird an der des Dialogs dienen. Also Architektur, die man erleben und über die man diskutie- Hochschule Luzern erforscht. ren kann und anhand derer Bedürfnisse konkretisiert und mögliche Lösungen spielerisch erprobt werden können.» Angehende Genies Wenn eines Tages auf dem Weg «Das Konzept der Guerrilla auf andere starten ihre Karriere zur Arbeit Blumen das Trottoir säumen, Bereiche als die Kriegsführung zu über- wo sonst seit Jahren bloss ein nacktes tragen, wurde schon vielfach und erfolg- nicht im Berner Patentamt, Streifchen Erde lag, dann waren ver- mutlich «Guerrilla Gardeners» am Werk. reich erprobt», erzählt der Architekt und Projektleiter Lars Schuchert vom Kom- sondern bei Sensirion. Auch in Luzern sind sie schon aktiv geworden. Kreativen Aktionen hinge- petenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) der Hochschule gen, die unter dem Begriff «Guerrilla Luzern. «Unser Forschungsprojekt, Urbanism» laufen, begegnet man eher ‹Guerrilla Urbanism – An Alternative in Millionenstädten, wo Bürger und Bür- Approach to Urban Research Practice› gerinnen etwas selbst in die Hand will nun untersuchen, wie man die nehmen, um auf Missstände in ihrem Methode der kompakten, präzisen und Lebensraum aufmerksam zu machen. aussagekräftigen Taktik in die praxis- Gemeinsam bauen – gemeinsam nutzen. Foto: raumlaborberlin, zVg Mit einfachen Materialien möbeln sie nahe Forschung einbinden kann, die sich Und werden Teil der Sensirion-Story: Sie stellen Niederlassungen in Übersee und im Fernen Osten. zum Beispiel leere Plätze auf, bauen mit Stadtplanung und Quartiersentwick- Die erste Guerrilla-Aktion wird im die höchsten Ansprüche an sich selbst, weil Sie mehr Dank unserer einzigartigen CMOSens® Technologie Stühle, Tische oder Liegen, um sich un- lung auseinandersetzt.» Normalerweise Verlaufe der ersten Wochen des neuen aus Ihrem Leben machen wollen. Sie machen Ihre vereinen wir das Sensorelement mit der digitalen Aus- genutzten oder brachliegenden Raum bleiben solche Projekte nämlich lange Jahres durchgeführt. Welche Aktionen anzueignen und ihn für eine bestimmte Zeit sehr abstrakt. Was geplant wird, ist das Forschungsteam im Sinn hat, darf im Berufung zum Beruf, weil Sie nicht studiert haben, werteelektronik auf einem winzigen Siliziumchip. Damit Zeit zu bespielen. bis zur Realisierung häufig nur über Kon- Voraus freilich nicht verraten werden: um nach dem Studium damit aufzuhören. Sie freuen verschieben wir die Grenzen des Messbaren ins schier zepte, Diagramme und Planzeichnun- Die Guerrilla-Taktik wäre ohne Überra- sich auf Herausforderungen, bei denen Sie Ihr ganzes Unermessliche. gen zugänglich. Die Bevölkerung wird schungseffekt ja keine Guerrilla-Taktik. Wissen und Ihre ganze Persönlichkeit einbringen kön- als dritter Akteur neben der öffentlichen Susanne Gmür nen. Dann heissen wir Sie herzlich willkommen bei Schreiben Sie Ihre eigenen Kapitel der Sensirion- Hand und den Forschenden kaum räum- Sensirion. Erfolgsgeschichte und übernehmen Sie Verantwor- lich aktiv am Prozess beteiligt. Interdisziplinäres Team tung in internationalen Projekten. Schicken Sie uns Bald auch in Luzern «Guerrilla Urbanism» ist ein Projekt Sensirion ist das weltweit führende und mehrfach Ihre Bewerbungsunterlagen und stimmen Sie sich auf Lars Schuchert hofft, dass prototypische des Interdisziplinären Schwerpunkts preisgekrönte Hightech-Unternehmen auf dem Gebiet www.sensirion.com/jobs auf eine vielversprechende Raumexperimente im Luzerner Stadt- «Creative Living Lab» und wird GHU )HXFKWHVHQVRUHQ XQG 'XUFKÀXVVVHQVRUHQ ± PLW Zukunft ein. raum, die das Forschungsteam der Hoch- vom Kompetenzzentrum Typologie schule Luzern gemeinsam mit der Bevöl- & Planung in Architektur (CCTP) kerung durchführen will, zeigen werden, der Hochschule Luzern geleitet. welches Potenzial in ihnen steckt. Zum Daran beteiligt sind ausserdem For- einen sollen diese Experimente den Di- schende aus Fachgebieten der Sozi- alog zwischen den verschiedenen Ak- alen Arbeit und aus Design & Kunst. teuren in der Stadtplanung anregen und Hochschule Luzern 1 | 2013 11
CREATIVE LIVING LAB / OPEN INNOVATION Den Schwarm zum Fliegen bringen Hoher Innovationsdruck, knappe Budgets und kürzere Produkt- lebenszyklen – Open Innovation kann Unternehmen aus diesem Dilemma helfen und darüber hinaus ein enormes kreatives Potenzial freisetzen. Ein Lehrprojekt der Hochschule Luzern führte Erstsemestler auf praktische Weise an das Konzept heran. Ressourcenschonend leben, ohne allerdings schwierig, das gesamte für machen. Heute machen Internet und Web auf Komfort zu verzichten; unabhängig Neuentwicklungen nötige Wissen unter 2.0 die Zusammenarbeit über Distanzen von Medien und Formaten immer und ihrem Dach zu vereinen. Was von quel- und die Interaktion mit der Masse jedoch überall auf Inhalte zugreifen; mobil sein, loffener Software wie Linux und nicht- einfacher und vor allem schneller. ohne ein Auto zu besitzen –Kundenbe- kommerziellen Projekten wie Wikipe- Migros bindet ihre Kunden über ihre dürfnisse wandeln sich im Lauf der Zeit. dia bekannt ist, nutzen deshalb vermehrt Online-Plattform Migipedia unmittel- Um langfristig erfolgreich zu bleiben, auch Unternehmen: Open Innovation bar in die Produktentwicklung ein. müssen Unternehmen darauf rechtzei- und Co-Creation. tig mit passenden Angeboten reagieren. Dabei öffnen Unternehmen ihre Kreativität durch Vielfalt Innovationsfähigkeit ist deshalb zu ei- Innovationsprozesse. Sie machen ihre Vorreiter in Sachen Open Innovation nem entscheidenden Wettbewerbsfak- Technologien anderen gegen Lizenzen sind grosse internationale Konzerne wie Illustrationen: A lice Kolb, Absolventin der Hochschule Luzer n tor geworden. Die fortschreitende Spe- zugänglich, binden selbst externe Kom- Procter & Gamble. Über die weltweite zialisierung macht es Unternehmen petenzen ein und entwickeln neue An- Initiative «Connect + Develop» gelingt gebote gemeinsam mit Partnern. Dies es diesem, mehr als die Hälfte seiner können andere Unternehmen, Hoch- Produktinnovationen mit externen Part- schulen und Berater sein, aber auch Kun- nern zu realisieren. Der Mischkonzern den, Lieferanten oder gar die breite Be- entwickelte etwa die Hautpflege serie völkerung. Die Zusammenarbeit kann «Olay Regenerist» aufgrund einer neu- sich auf Produkte, aber auch auf andere artigen Anti-Falten-Technologie, die eine Bereiche wie Herstellung oder Vertrieb kleine französische Kosmetikfirma ent- beziehen. Ganz neu ist die Idee nicht: wickelt hatte. Schon die Konservendose resultierte aus Aber auch für KMU, die teilweise mit einem öffentlichen Ideenwettbewerb der sehr begrenzten Ressourcen wirtschaf- französischen Regierung, um Lebens- ten, birgt Open Innovation grosses mittel für Napoleons Truppen haltbar zu Potenzial. «Unternehmen reduzieren da- Hochschule Luzern 1 | 2013 13
CREATIVE LIVING LAB / OPEN INNOVATION Luzern, ein Lehrprojekt namens «Dis- dem ein zweiter Bügel befestigt und der sie bewusst die Arbeit am Prototyp wähl- «Der Urheberrechtsschutz ist wichtig lig verschiedene Kulturen aufeinander- treffen. Am Kompetenzzentrum Ma- tributed Design Collaboration», das die Erstsemestler des Bachelor-Stu- Raum in der Vertikalen noch besser ge- nutzt werden kann. ten: «Die Studierenden sollten Gelegen- heit haben, zu basteln und für einmal für den Fortschritt» nagement & Law der Hochschule Luzern dienganges «International Management Das Lehrprojekt führte die Erstse- ‹mit den Händen zu denken›. Das kann arbeiten wir deshalb derzeit an Instru- & Economics» auf praktische Weise an mestler an verschiedenste Themen he- der Kreativität sehr förderlich sein», sagt menten, beispielsweise Checklisten, die Open Innovation und Co-Creation her- ran, die sie im Verlauf ihres Studiums Meissner. Dass das Projekt zu Beginn des Urheberschaft und Entschädigungen lassen sich bei Open Innovation problemlos Open-Innovation-Gemeinschaften früh- anführte. Die Studie- vertiefen werden, dar- ersten Semesters stattfand, war auch vertraglich regeln, sagt Prof. Ursula Sury, Leiterin Kompetenzzentrum Management zeitig für solche Fragen sensibilisieren renden entwickelten «Unsere Partner haben unter Produktentwick- kein Zufall: «Die Studierenden gingen & Law an der Hochschule Luzern. Solange man es frühzeitig tut. und sie im Prozess unterstützen sollen. in Gruppen eine Pro- lung, Materialbeschaf- ohne jede theoretische ‹Vorbelastung› den Prototyp in Wie kann sich ein Unternehmen, das duktidee und setzten fung, Finanzierung, an die Arbeit, die ihre Kreativität hätte Open Innovation gezielt für kommerzi- diese in einen Prototyp entscheidenden Details Marketing und Ver- einschränken können», erklärt Meissner Welche Bedeutung hat der Schutz von die Dritten Verwendungsrechte an elle Zwecke nutzt, die Urheberrechte um. Den passenden weiterentwickelt.» trieb sowie Projektma- weiter. geistigem Eigentum für Wirtschaft und einem Werk explizit einräumen ... an gemeinschaftlichen Entwicklungen Rahmen dafür bot die Roberto Niederer, Student nagement. Darüber hi- Mehrere Coachs begleiteten die Gesellschaft? Das ist richtig. Sie sind Produkte einer sichern? offene Werkstatt Fab- naus schulten sie ihre Teams. Sie beantworteten technische Die grösste Bedeutung überhaupt. In weltweiten Bewegung jenseits kommer- Ein Urheberrecht wird durch natürliche Lab (siehe Box «Produktionsmittel für Sozialkompetenzen. «Wir kannten uns Fragen und halfen über allfällige Blocka- Wissensgesellschaften bilden Informa- zieller Interessen, die Open Innovation Personen begründet, z.B. den Mitarbei- jedermann») am Departement Technik anfangs kaum, und jeder hatte seine ei- den hinweg. «Aus der eigentlichen Pro- tionen die eigentlichen Unternehmens- als idealistische Form der gemeinschaft- ter einer Firma. Dieses Recht muss sich & Architektur der Hochschule Luzern. genen Ideen. Da war die Kommunika- duktentwicklung haben wir uns aber be- werte, deshalb will man sie schützen. lichen schöpferischen Tätigkeit sieht. In- das Unternehmen vertraglich – durch Anschliessend galt es, den Prototyp tion untereinander sehr wichtig», erzählt wusst herausgehalten. Die Studierenden Gleichzeitig sind sie eine wichtige Grund- formationen, Wissen und Ideen sollen den Arbeitsvertrag, einen Kooperations- gezielt zu optimieren und einen Busi- Roberto Niederer. In erster Linie woll- sollten sich ihre eigenen Gedanken ma- lage für Innovation und Wertschöpfung, zum persönlichen Gebrauch und zur vertrag oder Allgemeine Geschäftsbe- nessplan für die Vermarktung des Pro- ten die Projektleiter jedoch die kreative chen», sagt Urs Gaudenz, der zwei der weshalb der Gesetzgeber den Zugang zu Schaffung von Neuem für jedermann dingungen – abtreten lassen. Sonst ist dukts zu entwickeln. Ader der Studierenden anregen, wofür Teams selbst betreute. Informationen nicht unnötig erschwe- verfügbar sein. Über diese Lizenzen kann jede beteiligte Person Miturheber und ren will. Nicht zuletzt drückt der Schutz ein Urheber sein Werk anderen zur Ver- kann daraus Rechte am Gesamtwerk Mit den Händen denken von geistigem Eigentum die Wertschät- fügung stellen und trotzdem genau de- geltend machen, notfalls vor Gericht. In jeder der drei Phasen liessen die Stu- zung einer schöpferischen Leistung aus finieren, was damit gemacht werden darf. Da könnte sich leicht einer um sein dierenden ihre Ergebnisse von Studie- und sichert dem Urheber ein finanziel- Und was passiert, wenn in diesem Stück vom Kuchen geprellt fühlen. Wie rendenteams unterschiedlicher Diszip- les Auskommen. Gäbe es ihn nicht, Umfeld doch etwas entsteht, das richtig kann ein Unternehmen seine Partner linen in Holland, Dänemark, Kolumbien, würde ein wichtiger Anreiz unseres Geld abwerfen kann? in angemessener Weise entschädigen? Frankreich und Südafrika prüfen und Wirtschaftssystems fehlen. Investitio- Dann stellt sich die Frage, wie die Erfin- Hier gibt es die unterschiedlichsten Spiel- weiterentwickeln. Diese konnten über nen in Forschung und Entwicklung blie- dung aus diesem experimentellen, hoch- arten: von einmaligen Zahlungen bis hin Kontakte innerhalb des weltweiten Fab- ben aus und damit auch ein gewisser kreativen Umfeld in ein wirtschaftlich zu Payback-Systemen, bei denen die Part- Lab-Netzwerks als Entwicklungspart- Fortschritt. Der Urheberschutz wird rentables Geschäftsmodell überführt ner am Umsatz beteiligt werden, der mit ner gewonnen werden. «Wir wollten eine deshalb derzeit weltweit ausgebaut. werden kann. Das bringt viele Fragen des der Erfindung erzielt wird. Alle diese möglichst breite Vielfalt an Inputs errei- Andererseits wurden mit der «GNU- Vertrags- und Gesellschaftsrechts mit Punkte lassen sich vertraglich regeln. chen und den Studierenden Erfahrun- General Public Licence» und den «Crea- sich, etwa nach der Unternehmensform. Wichtig ist, sie frühzeitig anzugehen. gen in der Zusammenarbeit über geo- tive Commons» Lizenzen geschaffen, Dieser Prozess ist oft schwierig, weil völ- Interview: Simona Stalder grafische und kulturelle Grenzen hinweg ermöglichen», sagt Urs Gaudenz. Denn genau darauf bereiten sich die Studie- renden im Bachelor-Studiengang «Inter- mit ihre Entwicklungskosten, verteilen onsvorhabens steigt mit der Zahl der Be- hang transferiert wurde. Johannes national Management & Economics» vor. das wirtschaftliche Risiko auf mehrere teiligten. Es kann eine Dynamik entste- Gutenberg nutzte etwa sein Wissen über Die Feedbackteams lieferten mitunter Schultern und lernen mitunter ihre Kun- hen, bei der sich die Ideen gegenseitig Weinpressen und entwickelte nach ih- wertvolle Beiträge: «Die Studierenden den besser kennen», sagt Jens Meissner, beflügeln.» Experten nennen dieses Phä- rem Vorbild die erste Druckerpresse. aus Dänemark haben unseren Entwurf Dozent für Innovationsmanagement am nomen Schwarmintelligenz. Besonders «Will man Neues schaffen, muss man eines platzsparenden Kleiderbügels auf Departement Wirtschaft der Hochschule fruchtbar ist der Austausch, wenn un- seine gewohnte Umgebung verlassen einem 3-D-Drucker ausgedruckt, ana- Luzern. «Zudem gewinnen sie Zeit, was terschiedlichste Perspektiven aufeinan- und über den eigenen Tellerrand bli- lysiert und in entscheidenden Details bei kürzer werdenden Produktlebens- dertreffen. So sind viele clevere Erfin- cken», sagt Meissner. weiterentwickelt», sagt Roberto Niede- zyklen wichtig ist.» dungen entstanden, weil zwei getrennt Er lancierte gemeinsam mit Urs Gau- rer, der als einer von rund 30 Studieren- Darüber hinaus gibt es einen Aspekt, voneinander eingesetzte Entwicklungen denz, Dozent für Open Innovation und den beim Projekt dabei war. Sie modifi- der Jens Meissner besonders interessiert: verknüpft oder eine Entwicklung in Produktinnovation am Departement zierten den Kleiderbügel um ein «Das kreative Potenzial eines Innovati- einen anderen Verwendungszusammen- Technik & Architektur der Hochschule Verbindungsstück an der Unterseite, an 14 Hochschule Luzern 1 | 2013 Hochschule Luzern 1 | 2013 15
CREATIVE LIVING LAB / OPEN INNOVATION altruistischen Zwecken dienen oder mit Ressourcen extern beschaffen, die im tion-Projekte sind schwer steuerbar und Marken und Produkten verbunden sind, Hause bestehen. Nicht nur aus Gründen behalten immer etwas Unberechenba- die eine hohe Identifikationskraft haben. der Effizienz, sondern auch, um die ei- res.» Man müsse Kontrolle abgeben kön- Fehlen solche Motivatoren, müssen sie genen Mitarbeitenden nicht vor den Kopf nen, in alternativen Szenarien denken, durch andere Anreize kompensiert wer- zu stossen und zu demotivieren. immer einen Plan B parat haben. Und den. Neben materiellen Vorteilen kön- Hat ein Unternehmen die Bereiche eine Erfolgsgarantie gebe es schon gar nen dies Ansehen, Spass oder das Zuge- identifiziert, in denen es externes Know- nicht. «Schwarmintelligenz stellt sich hörigkeitsgefühl sein, das die Arbeit an how beiziehen möchte, muss es relevante nicht auf Knopfdruck ein. Wenn sich einem gemeinsamen Ziel vermittelt. Ist Quellen identifizieren und erschliessen. aber diese gewisse Dynamik entwickelt, eine kommerzielle Vermarktung der ge- Damit ist es aber noch kann der Schwarm meinschaftlichen Entwicklung geplant, nicht getan. Das Unter- «Schwarmintelligenz ungeahnte Leistungen sollten die Verwertungsrechte und all- nehmen muss in der Produktionsmittel für jedermann stellt sich nicht auf Knopf- hervorbringen», sagt FabLab ist die Kurzform für «fabri- fällige Entschädigungen an freiwillig Be- Lage sein, die externen Meissner. Die Begeiste- cation laboratory», was Fabrikati- teiligte jedoch frühzeitig geklärt werden Beiträge zu adaptieren druck ein. Es braucht rung der Co-Projektlei- onslabor bedeutet. Ein FabLab ist (siehe Interview). Sonst kann es leicht und in konkrete Ergeb- immer einen Plan B.» ter für Open Innova- eine Werkstatt, die jedermann Zu- zu Streitigkeiten und eventuell sogar nisse umzusetzen, was Jens Meissner, Hochschule Luzern tion ist inzwischen gang zu industriellen Produktions- Imageschäden kommen. banal klingt, es aber auch auf den einen mitteln bietet; hier finden sich Ein Unternehmen hat darüber hin- nicht ist. Viele Open-Innovation-Pro- oder anderen Studierenden überge- 3-D-Drucker, Laser-Cutter, CNC- aus weitere Aspekte einzubeziehen: In jekte scheitern, weil interne Verantwort- sprungen. «Besonders beeindruckt hat Maschinen sowie verschiedenste stark regulierten Unternehmen wie Ban- liche externe Inputs nach dem Prinzip mich, wie die Innovationskraft durch Materialien und Handwerkzeuge. ken oder Versicherungen kann es mit- «nicht aus unserer Küche» ablehnen. Da- den Austausch mit anderen steigt», sagt FabLabs wollen dazu ermutigen, unter schwierig sein, die für Open Inno- mit Open Innovation gelingt, braucht es Roberto Niederer. Er hat aus den Erfah- kreativ zu werden. Erfindungen, vation nötige Öffnung nach aussen zu deshalb eine entsprechende Unterneh- rungen im Projekt ein Fazit gezogen, an die in FabLabs entstehen, können Das Ergebnis des Projekts sind sechs ori- es aufgrund sozialer Effekte zum gegen- erreichen, weil dabei immer auch Infor- menskultur. das er sich bei künftigen Arbeiten erin- durch den Urheber geschützt ginelle, durchaus alltagstaugliche Pro- teiligen Phänomen kommen, der soge- mationen über das Unternehmen preis- nern will: «Mehrere Ansichten sind im- und verwertet werden, sollen ande- dukte, darunter auch eine Verschalung nannten Schwarmdummheit. Das Stre- gegeben werden. Ein Unternehmen sollte Kontrolle abgeben mer besser als eine.» Simona Stalder ren aber zum Gebrauch und zu für Rollatoren, die Wände vor Kratzern ben des Individuums nach Konformität sich zudem fragen, in welchen strate- Besonders wichtig ist in Jens Meissners Lernzwecken zugänglich bleiben. durch die Gehhilfe schützen soll, und ein mit der Gruppe führt hier zu einer An- gisch wichtigen Bereichen es exklusive Augen eine gewisse Flexibilität im Um- FabLabs erfüllen auch soziale Funkti- Ordnungssystem für Schubladen, das gleichung der Antworten, es entwickelt Kompetenzen benötigt. Es sollte keine gang mit dem Schwarm: «Open-Innova- onen, indem sie bildungsferne sich individuell auf die jeweilige Fläche sich ein kollektiver Tunnelblick. Äussert Schichten an Produktionsverfahren und die gewünschte Anzahl Fächer sich die Masse in einer Art Abstimmung und -wissen heranführen. In Entwick- auslegen lässt. zu ihren Präferenzen, resultiert aus der lungsländern tragen sie zur Ver- Gesamtheit der Antworten naturgemäss Die Masse mags eintönig stellers. Die drei Partner untersuchten, besserung der Lebensqualität bei. Richtig einsetzen etwas, das den Massengeschmack trifft Internet und Social Media verbinden welchen Einfluss die Facebook- Das erste FabLab entstand 2002 Damit Open Innovation gelingt, muss – Vielfalt und Kreativität bleiben dabei weltweit eine riesige Anzahl und Community auf das Verhalten von am Massachusetts Institute of eine Reihe von Rahmenbedingungen meist auf der Strecke (siehe Box «Die Vielfalt an Menschen. Werden sie als potenziellen Kunden hat, die ihre Technology (MIT). Von dort hat sich stimmen. So entwickelt sich Schwarm- Masse mags eintönig»). Werkzeug genutzt, um gemeinsam Fahrzeuge nach eigenem Gusto konfi- eine schnell wachsende, weltweite intelligenz nur bei bestimmten Arten Eine Herausforderung bei freiwilli- Lösungen zu entwickeln, können sehr gurierten. Bewegung entwickelt. Dereinst von Aufgaben, etwa wenn in einem kre- gen Kooperationen ist, die Motivation kreative Ideen resultieren (siehe Ihre designten Modelle wurden in könnten industrielle Produktionsver- ativen Prozess eine Lösung entwickelt der Beteiligten aufrechtzuerhalten. Haupttext). Geht es jedoch um quali- Facebook veröffentlicht, und die Nut- fahren in Privathaushalten Ein- werden soll. Auch bei Schätzungen liegt Das erlebten auch die Luzerner Studie- tative Einschätzungen und persönliche zer konnten ihre Meinung dazu äus- zug halten und damit denselben Weg das Kollektiv bei einer grossen Zahl von renden. «Als die Produktidee und der Präferenzen, können Individualität sern. Der potenzielle Kunde hatte an- gehen wie in den 1970er-Jahren Beteiligten in der Regel richtig, sofern frühe Prototyp entstanden, war das und Kreativität leiden. Dies belegt eine schliessend die Möglichkeit, sein der Personal Computer. Produkte der Median betrachtet wird (jener Wert Feedback noch sehr ausführlich», schil- Studie des Center for Customer Insight persönliches Modell anzupassen. Das könnten damit künftig virtuell in einer aufsteigend geordneten Reihe dert Gaudenz. «Je aufwändiger es mit der Universität St. Gallen, des Instituts Ergebnis: Fast alle Kunden beschnitten erworben und auf dem heimischen von Antworten, bei dem die eine Hälfte der Zeit wurde, sich mit den geleisteten für Kommunikation und Marketing ihr Modell in seiner Individualität. 3-D-Drucker realisiert werden. der Antworten tiefer und die andere hö- Vorarbeiten auseinanderzusetzen, umso der Hochschule Luzern sowie eines Die Modelle wurden damit massen- http://luzern.fablab.ch her liegt) und die Antworten geheim ge- geringer wurde es.» Die grösste Motiva- führenden europäischen Automobilher- tauglicher, aber auch eintöniger. geben werden. Sind sie öffentlich, kann tion setzen gewöhnlich Projekte frei, die 16 Hochschule Luzern 1 | 2013 Hochschule Luzern 1 | 2013 17
MATERIALWISSENSCHAFT Auf Biegen und die einer zyklischen Belastung ausgesetzt sind. Das Porzellan bricht in diesem Fall also nicht, weil ein Elefant drauftritt, son- arbeitung vorschlagen und weiteren Forschungsbedarf aufzeigen. Gelingt es Thoma und Borkowski mit Brechen dern weil täglich Tausende von Mäusen darüberlaufen. Zwar ist die Ermüdung von Materialien seit der ersten Hälfte des ihrem Versuch, die bekannten Trag- modelle zu erweitern, wäre es möglich, die Restnutzungsdauer der Brücken 19. Jahrhunderts Thema von Forschun- bezüglich der Ermüdung präziser zu In einem gross angelegten Versuch wollen Ingenieure gen, man ist sich jedoch bis heute nicht bestimmen und genauere Aussagen über einig darüber, wann ein Bruch tatsäch- Tragverhalten und Tragreserven zu tref- der Hochschule Luzern die Lebensdauer von Betonbrücken lich auf Ermüdung zurückzuführen ist. fen. Verstärkungsprojekte liessen sich wo- genauer bestimmen. Ihre Messungen können helfen, möglich verzögern – oder aber sofort in Das «Riesenbaby» Sanierungskosten zu sparen und das Risiko, dass eine Brücke Angriff nehmen. Differenziertere Mo- Ermüdungsrisse allein weisen nicht zwin- delle bedeuten in Zukunft zwar mehr bricht, noch weiter zu reduzieren. gend darauf hin, dass ein Bruch unmit- Rechenaufwand, sagt Thoma. «Aber lie- telbar bevorsteht. Wie also entwickeln ber etwas länger rechnen, um das tat- sich Ermüdungsrisse, und wie kündigt sächliche Tragverhalten festzustellen – Es gibt viele Gründe, weshalb eine Es sind diese vier Typen von «Grenz- sich ein Bruch an? Wann sind Betonbrü- um damit womöglich Millionen bei der Brücke kaputtgehen kann. Durch Natur- zuständen der Tragsicherheit», welche der cken – insbesondere Autobahnbrücken, Ertüchtigung von Brücken zu sparen und katastrophen wie Erdbeben und Über- Schweizerische Ingenieur- und Architek- von denen es in der Schweiz nicht weni- gleichzeitig noch mehr Sicherheit zu schwemmungen, weil ihre Tragkapazität tenverein (SIA) unterscheidet. Der vierte ger als 3’390 Stück gibt – durch die tägli- Karel Thoma (links) und Gregor Borkowski kontrollieren den Versuchsaufbau im Labor in Horw. gewährleisten.» Susanne Gmür überschritten wird oder aufgrund des Typ, die Ermüdung, ist jener Zustand, der chen Überfahrten von Autos und Last- Baugrunds, etwa wenn der Hang rutscht. am meisten Fragen aufwirft. wagen derart strapaziert, dass sie saniert Oder aber: Die Brücke bricht, weil die Als Ermüdung bezeichnet man im oder gar verstärkt werden müssen? Dozent für Massivbau setzt sich seit lan- Betonbrücken hat, deren Potenzial bald «Ermüdungsfestigkeit» des Tragwerks Bau- und Ingenieurwesen die Abnahme Diese Fragen beschäftigen Dr. Karel gem mit dem Phänomen der Ermüdung erschöpft sein könnte. Die Berechnun- Versuchsanordnung: oder eines seiner Teile überschritten ist. der Leistungsfähigkeit von Materialien, Thoma von der Hochschule Luzern. Der von Betonbrücken auseinander. Im Ja- gen und Normen aus den 1950er- bis Dauerbelastung bis zum Bruch nuar 2011 hat er beim Bundesamt für 1970er-Jahren, als die meisten der Beton- Die Versuchsanordnung am Kompe- Strassen (ASTRA) erfolgreich Drittmittel brücken gebaut wurden, legen eine tenzzentrum für Konstruktiven Viele Schweizer akquiriert, die es dem Kompetenz- Lebensdauer von gut 100 Jahren zu- Ingenieurbau an der Hochschule Betonbrücken ha- zentrum für Konstruktiven Ingenieur- grunde. Viele Brücken befinden sich Luzern simuliert die Achslasten ben die Hälfte ihrer Lebensdauer hinter bau ermöglichen, einen gross angelegten damit in der zweiten Hälfte ihres Lebens- eines Norm-LKWs mittels dreier hyd- sich und müssen Ermüdungsversuch durchzuführen. zyklus, und ihre Sanierung und Verstär- raulischer Pressen, die Tag und in den nächsten Jahrzehnten saniert Betritt man die Halle auf dem Cam- kung steht zur Diskussion. Nacht mit 270 Kilonewton abwech- werden. pus in Horw, wo der Versuch im De- Allerdings ist es laut Borkowski mit- selnd auf den Stahlbetonkörper zember unter der Leitung von Thomas tels der geltenden normativen Vorgaben einwirken. Zwei bis drei Millionen Ingenieurkollegen Gregor Borkowski kaum möglich, den Zusammenhang von Belastungszyklen werden in jeder begonnen hat, trifft man auf eine riesige Ermüdungsschäden und Tragfähigkeit der vorläufig zwei geplanten Ver- Konstruktion aus Beton und Stahl. nachzuweisen. Die bisherigen Schätzun- suchsreihen getestet und Hunderte Thoma nennt den Aufbau ihr «Riesen- gen zur Lebensdauer seien – nicht zuletzt von Messpunkten auf den Tausends- baby», einzigartig in der Anordnung. Es wegen fehlender Erkenntnisse – sehr kon- telmillimeter genau ausgewertet. handelt sich um einen abstrahierten servativ gehalten, um ein Versagen in Anhand der Messpunkte auf der Fotos: Keystone / Gaetan Bally, Susanne Gmür 40 -Tonner, der hier bis Ende 2013 fast jedem Fall zu verhindern. Zudem wider- Oberfläche können Rückschlüsse ununterbrochen über ein nachgebautes spiegeln sie nicht das tatsächliche Ver- auf den Beanspruchungszustand Stück Betonbrücke von 12 Metern Länge halten der vielen unterschiedlich konst- innerhalb des Prüfkörpers gemacht und 6 Metern Breite «fahren» wird ruierten Tragwerke. Diese Vielfalt sei werden. Neben den Kräften und (vgl. Kasten). übrigens der Grund, weshalb man die Bewegungen der Pressen werden Gesamtkosten für die künftigen Instand- auch Durchbiegungen der Brücke Konstruktionsvielfalt beachten setzungen kaum einschätzen könne, gemessen, um ihre mögliche fort- Es verwundert nicht, dass das ASTRA erklärt Guido Bielmann vom ASTRA. schreitende Schädigung zu erfas- das Forschungsprojekt von Thoma und Auch auf diesem Feld wollen die Luzer- sen. Im Juni wird die erste Versuchs- Borkowski unterstützt: Die Schweiz steht ner Forscher neue Erkenntnisse gewin- reihe abgeschlossen. vor dem Problem, dass sie unzählige nen, Ansätze für eine Normenüber- Hochschule Luzern 1 | 2013 19
WARMWASSERAUFBEREITUNG Energie. Alte Technik neu brauch zudem völlig unnötig. Dann nämlich, wenn über längere Zeit kein warmes Wasser gebraucht wird – bei- Ich erzeuge erfunden spielsweise an Tagen, an denen die Sport- anlagen geschlossen seien. «Das ist alles andere als energieeffizient», sagt Sicre. Aber nicht nur der hohe Energiever- Kochen, duschen, Hände waschen. Dass überall warmes brauch der Vorratsspeicher ist ihm ein Dorn im Auge. Denn das stehende, Wasser aus der Leitung kommt, erscheint uns selbstverständ- warme Wasser birgt auch Gefahren. «Es lich. Doch die Technik, die diesen Komfort gewährleistet, können sich darin Legionellen vermeh- ren», so der Forscher. Das kann schlimme kostet viel Energie und ist nicht frei von Gesundheitsrisiken. Folgen haben für Menschen mit einem Deshalb arbeiten Forscher der Hochschule Luzern gemeinsam schwachen Immunsystem – vor allem mit Partnern an einer Alternative. für Ältere oder Kranke. Weil diese Legi- onellen durch feine Tröpfchen übertra- gen werden, lauert die Gefahr einer In- fektion überall dort, wo der Mensch Aerosol aus Wasser einatmet, das über längere Zeit gestanden hat – beispiels- weise unter der Dusche. Deshalb sollte «Warmwasserspeicher sind Energiefresser. Zudem können sich darin Legionellen vermehren.» Benoit Sicre, Hochschule Luzern das Wasser in Vorratsspeichern generell auf etwa 60 Grad Celsius gebracht wer- den. Das tötet die Bakterien ab. Frischwasserstation statt Warmwasserspeicher Jederzeit warm duschen: Dafür braucht es heute – etwa in Hallenbädern – riesige Boiler. Doch weil dies viel Energie verbraucht, arbeitet Sicre gemeinsam mit Partnern vom Institut für Solartechnik (SPF) der Kurz bevor das Schwimmbad am cher mit bis zu mehreren tausend Litern Hochschule Rapperswil und der Urdor- Abend schliesst, eilen die letzten Bade- Fassungsvermögen installiert. Darin fer Firma Taconova in einem von der Fotos: Gett y images / Soren Hald, Heinz Dahinden gäste in die Duschräume. Fröstelnd seh- wird – wie in einem in Haushalten übli- Kommission für Technologie und Inno- Von Turbinenhalle bis Proberaum: Als Mitarbeitende/r der BKW-Gruppe fliesst Ihre nen sie den Moment herbei, in dem der chen Boiler – das Wasser nicht nur er- vation (KTI) unterstützten Projekt an ei- Energie an vielen Orten. Und mit klimafreundlichem Strom aus Wasser, Wind, Sonne warme Strahl ihre vom Sport geforder- hitzt, sondern auch so lange warm nem System, das deutlich sparsamer ist. und Kernkraft lassen Sie täglich mehr als eine Million Menschen daran teilhaben – ten Muskeln beruhigt. gehalten, bis es an einer der vielen Zapf- Die Idee: Statt das Wasser lange im Vor- unterstützt von 2’800 kompetenten Kolleginnen und Kollegen. stellen im Gebäude gebraucht wird. «Das aus zu erhitzen, wird es wie bei einem Hoher Energieverbrauch und funktioniert gut, allerdings frisst ein sol- althergebrachten Durchlauferhitzer nur Die BKW-Gruppe entwickelt und realisiert die Energieinfrastruktur von heute und mor- Legionellengefahr cher Vorratsspeicher Unmengen an Ener- dann erwärmt, wenn tatsächlich Bedarf gen. Realisieren Sie bisher ungenutztes Energiepotenzial und steigern Sie die Effizienz Damit jederzeit genügend warmes Was- gie», sagt Benoit Sicre, wissenschaftlicher besteht. Während der aber in der Regel unserer Anlagen, zum Beispiel bei unseren Projekten in der Wasserkraft. Für Ingenieurin- ser zur Verfügung steht, sind heute in Mitarbeiter am Zentrum für Integrale mit Erdgas oder Strom funktioniert, grossen Gebäuden wie Hotels oder Sport- Gebäudetechnik (ZIG) an der Hochschule kann die neuartige Frischwasserstation nen und Ingenieure gibt es bei uns viel zu tun! Bewerben Sie sich jetzt – Informationen stätten häufig riesige Warmwasserspei- Luzern in Horw. Oft sei der Energiever- auch an andere, alternative Energiequel- und aktuelle Stellenangebote finden Sie auf der zentralen Stellenbörse unserer Webseite: www.bkw-fmb.ch/karriere Hochschule Luzern 1 | 2013 21
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