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www.dimagazin-aktuell.de DENTALE IMPLANTOLOGIE 01 Februar 2020 & PARODONTOLOGIE 24. Jahrgang ISSN 1610-9988 Februar 2020 | Ausgabe 01 | Jahrgang 24 | DENTALE IMPLANTOLOGIE IMPLANTOLOGIE PARODONTOLOGIE RECHT Fehlerhafte Implantation Führungs- und Werbung auf Social Media – in der ästhetischen Zone – Kommunikationsfähigkeiten was ist erlaubt und worauf ist was nun? in der Parodontologie zu achten?
p l a n t a t Das Ker amik-Im Idea l b e i S i n u s l i f t ein e m k re s t a Der von vasive Sinusli l a u s g eführte “ ft „IDS i n i m a lin S i n u s lift) ist m ter n t e r n e r, d i r e k p l ie a n t o lo g n ) (i r I m d t e i l d e I ® M o t i v a C t i o Bestan M o r t b i l d ung (MI A cademy . F n t a l u re D e d e r Fu t b e r d ie se s ic h ü r e n S ie en: In fo r m ie r e F o r t b il d u n g y.c o m und we it e e n t a l academ t u re d w w w .f u 6 mm Auch in e n d 8 m m Läng u ich. erhältl Mikroraue 95,8 % Osseo Bakterien dicht Oberfläche integrationsrate durch PostVerklebung Komplett Etabliert seit Made in metallfrei 2004 Germany InfoHotline: +49 (0)6734 91 40 80 info@championsimplants.com www.champions-implants.com
EDITORIAL Neuanfang – aus der Routine heraus! Verehrte Leserschaft! Als Silvester wird in einigen europäischen Sprachen der 31. De- Für unsere Patienten unbedingte Routine muss die sichere Schmerz- zember, der letzte Tag des Jahres im gregorianischen Kalender, ausschaltung bei egal welchem chirurgischen Eingriff sein. Welche bezeichnet. Es ist der Gedenktag des heiligen Papstes Silvester I. Indikationen und Grenzen für die intraligamentäre Anästhesie zu- Auf Silvester folgt bekanntlich der Neujahrstag. Und viele unserer treffen, erarbeiten Dr. Heinz-Dieter Unger und Lothar Taubenheim. Freunde und Bekannte vermitteln jedes Jahr aufs Neue die bes- ten Wünsche verbunden mit der natürlich gut gemeinten Auf- Prof. Dr. Dr. Philipp Plugmann stellt völlig zurecht fest, dass wir forderung, dies und jenes zu verbessern, wie z.B. mehr Sport zu im Praxisalltag Patienten mit unterschiedlicher Compliance begeg- treiben, sich gesund zu ernähren etc. nen. Denn gerade wenn es um Patienten mit Parodonthopathien Ein neues Jahr mit den ganzen Möglichkeiten für einen Neuan- geht, gehört nicht nur eine fachliche Kernkompetenz, sondern vor fang hat etwas Verlockendes, manche sagen Magisches. Aber allem eine geschulte Führungs- und Kommunikationsfertigkeit zur entscheidend ist doch, sich nicht von vornherein durch das Fest- Routine dazu. Sein Artikel schildert, wie Sie hier noch weitere Ele- halten an negativen Erfahrungen, Erlebnissen, Erinnerungen mente in Ihre Routine einbauen könnten. („schon wieder zu wenig Sport gemacht“) unter Druck zu set- zen. Das Bereuen verpasster Chancen aus dem vergangenen Jahr Bezüglich der Knochenersatzmaterialien haben wir Ihnen eine ruiniert nur unsere Ziele. Es darf kein Zyklus entstehen, der es fast Marktübersicht zusammengestellt. Denn eine Routine hat man als unmöglich macht, neue Ziele zu erreichen. Behandler nur für das, was man immer verwendet. Aber vielleicht Wir von der Redaktion der DI, Ihrer Fachzeitschrift für Dentale Im- hilft ein fundierter Blick über den Tellerrand, um einen Neuanfang plantologie und Parodontologie, halten es vielmehr für wichtig, zu wagen?! in den eigenen Rhythmus zu kommen und unsere Routinen zu finden. Das Wort Routine hat oft einen schlechten Beigeschmack. Auch die weiteren Beiträge dieser Ausgabe von RÄin Nadine Es beschwört Bilder von streng geregelten Alltagspflichten und Ettling zu Werbung auf Social Media, von Axel Thüne für eine Abläufen. Aber Routine hilft Menschen und damit nicht nur uns entspanntere Position als Führungskraft und unser Reporting aus als zahnärztlichen Behandlern, sondern auch unseren Patienten. der Industrie und den Verbänden verfolgen nur ein einziges Ziel: Wir von der DI versuchen immer wieder Ihnen Sicherheit in der Ihnen, unseren verehrten Leserinnen und Lesern, eine Routine ge- Routine an die Hand zu geben, gekoppelt mit dem Ausblick aufs koppelt mit Elementen eines magischen Neuanfangs zu ermögli- „Neue“. Damit Sie selbstbestimmt entscheiden können, was Sie chen, damit Sie immer wieder und immer öfters in Ihren „magi- in Ihre Behandlungsroutine aufnehmen, womit Sie quasi neu an- schen“ Rhythmus finden. fangen. Und genau in diesem Sinne haben wir die aktuelle Aus- gabe der DI zusammengestellt. Bleiben Sie uns gewogen – auch beim Neuanfang! Was passiert, wenn man ohne Routine in der ästhetischen Zone Ihre Chefredaktion implantiert und vor allem wie man das im Sinne eines Neuan- fangs korrigieren kann, demonstriert eindrucksvoll die Arbeits- gruppe um Dr. Alexander Müller-Busch. Völlig zurecht stellen sie fest, dass die Natur sich rächt, wenn die Regeln der zahnärztli- chen Kunst nicht eingehalten werden. Aber wie genau lauten die PD Dr. Dr. Dr. Oliver Seitz M.Sc. Gesetze der Natur? Auf jeden Fall zeigt dieser Fachartikel einen Lösungsansatz, der einer völlig entstellten Patientin trotz hoher Lachlinie und hoher Frustration wieder zu einem schönen Lachen verholfen hat. Dr. Jan-Friedrich Dehner DENTALE IMPLANTOLOGIE | Jg. 24 | Ausgabe 01 | Februar 2020 | 3 3
INHALT | FEBRUAR 2020 IMPLANTOLOGIE INDUSTRIE-REPORT 6 Fehlerhafte Implantation in der 43 Rundas übernimmt Exklusiv- ästhetischen Zone – was nun? vertrieb von Keystone-Produkten Alexander Müller-Busch et al. 44 Die Dentalpoint AG hat einen 18 Sichere Schmerzausschaltung vor neuen CEO implantologischen Maßnahmen Heinz-Dieter Unger, 45 Wechsel in der Geschäftsführung 3 Lothar Taubenheim von Straumann und Bego Implant Systems MARKTÜBERSICHT 46 Neue Garantieleistung von CAMLOG: patient28PRO 22 Leistungsvergleich Knochenersatzmaterialien 48 Extrahiertes Zahnmaterial als Teil 1 autologer Knochenersatz Armin Nedjat PARODONTOLOGIE FORTBILDUNG 32 32 Patientenführung in der Parodontologie Philipp Plugmann 51 Workshop ceramic.implant auf dem 33. DGI-Kongress 52 Jahrestagung der NEUEN GRUPPE: PRAXISFÜHRUNG Die rote Ästhetik 38 Werbung auf Social Media – 54 World Dental Forum 2019 was ist erlaubt und worauf ist zu achten? 55 Fortbildungsangebote 2020 Nadine Ettling 40 40 Wie es Führungskräften gelingt, eine entspanntere Position einzunehmen 59 VERBANDS-NEWS DZOI: 30 Jahre Deutsches Axel Thüne Zentrum für orale Implantologie 60 DG PARO: Der DG PARO/DIU- HERSTELLER- Master für Parodontologie und INFORMATIONEN Implantattherapie 42 Neuprodukte 61 BDIZ: 15. Experten Symposium in Köln 62 DGOI: Erste ImpAct Masterleague war ausgebucht 64 DGI: Erfolgreicher Kongress in Hamburg RUBRIKEN 3 Editorial 66 Vorschau / Impressum Titelbild: lifestyle dentistry® ZTM Jan Schünemann, Bielefeld www.lifestyle-dentistry.com 4 DENTALE IMPLANTOLOGIE | Jg. 24 | Ausgabe 01 | Februar 2020 | 4
LEADING REGENERATION 5. Geistlich Konferenz in Baden-Baden Reparatur-Chirurgie Vermeidung von Periimplantitis – Hart- und Weichgewebemanagement davor und danach. SAVE THE D ATE 07. 03. 2 020 Prof. Dr. Dr. Al-Nawas Prof. Dr. Kebschull Dr. Rathe MSc Quelle: Kurhaus Baden-Baden Prof. Dr. Stimmelmayr Bitte senden Sie mir folgende Informationen zu: Flyer Geistlich-Konferenz inkl. Anmeldeformular Prof. Dr. Dr. Terheyden Produktkatalog Geistlich Biomaterials per Fax an 07223 9624 - 10 Dr. Dr.Tröltzsch DI&P 01-2020 Geistlich Biomaterials Vertriebsgesellschaft mbH Praxisstempel Schneidweg 5 | 76534 Baden-Baden Tel. 07223 9624– 0 | Fax 07223 9624 – 10 info@geistlich.de | www.geistlich.de
IMPLANTOLOGIE Fehlerhafte Implantation in der ästhetischen Zone – was nun? Die Natur rächt sich, wenn die Regeln der zahnärztlichen Kunst nicht eingehalten werden. Dies erfuhren die Autoren Dr. Alexander Müller-Busch, Dr. Frederic Kauffmann und Prof. Dr. Stefan Fickl, als sich eine Patientin mit freiliegenden Implantatoberflächen vorstellte. In der ästhetischen Zone waren die implantologischen Gesetze nicht beachtet wor- den. Nun begann das Ringen um eine Verbesserung. Auch für den Zahntechniker eine ehrgeizige Aufgabe, ging es doch um eine Implantatversorgung mit Pontic, lebhafte natürliche Nachbarzähne und eine hohe Lachlinie. S owohl Patienten als auch Behandler und Zahntechniker Fallbericht belehrt uns eines Besseren und zeigt sowohl die schätzen seit Jahren den Wert der Implantologie und Schwierigkeiten und Probleme als auch die Folgen einer feh- die Möglichkeit, einzelne fehlende Zähne elegant zu lerhaften Implantation in der ästhetischen Zone. Darüber ersetzen oder komplexe prothetische Fälle zu lösen. Mit hinaus machen die Autoren deutlich, dass für den Erfolg ei- Überlebensraten von deutlich mehr als 95% scheint es, als ner jeden Behandlung eine akribische Planung der protheti- ob es kein Risiko bei der Versorgung mit Implantaten geben schen Versorgung im zahnärztlich-zahntechnischen Team würde [1]. Aber ist es wirklich so einfach? Der nachfolgende entscheidend ist. Hierzu gehören das Evaluieren von Mög- lichkeiten, Abwägen von Alternativen, Ermessen der Um- setzbarkeit und genauso auch das Zuhören und Einbeziehen des Patientenwunsches. Die Beurteilung komplexer oraler Situationen und die nach- folgende Findung und Schaffung einer adäquaten Prothetik sollten immer in enger Zusammenarbeit mit dem Zahntech- niker erfolgen. Hierdurch können alle Vor- und Nachteile ei- nes jeden Lösungsansatzes zur Sprache kommen, und somit ist die für alle Beteiligten bestmögliche Versorgung zu errei- chen. Sowohl Zahnarzt als auch Zahntechniker sollten von ihrem gegenseitigen Know-how profitieren, um dadurch die optimale Lösung für die vorliegende Situation zu finden. Der nachstehend beschriebene Fall zeigt zunächst, wie alio loco durch eine fehlerhafte Planung und erzwungene Im- plantation eine Situation mit katastrophalen Auswirkungen für die Patientin entstanden ist. Mit solch einer Gegebenheit ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen, ist äußerst schwierig und komplex. Dennoch konnte auch für den hier besprochenen Fall durch eine sorgfältige Planung und die enge Zusammenarbeit von Zahnarzt und Zahntechniker ein prothetisch stabiles und optisch ansprechendes Resultat er- zielt werden. Wir freuen uns, dass auch dieser Patientin ge- holfen und ihr ein schönes Lächeln zurückgegeben werden konnte. Befundung nach inadäquater Behandlung Eine 26-jährige Patientin wurde von ihrem Hauszahnarzt mit der Bitte um Verbesserung der Gesamtsituation regio 21/22 überwiesen (Abb. 1a und b). Ein zuvor durchgeführter Ver- such, die Rezession mit einem subepithelialen Bindegewebs- Abb. 1a u. b: Die Situation im Gefolge einer fehlerhaften Verwendung von transplantat zu behandeln, war frustran. Die junge Patientin Implantaten. gab an, durch die Folgen eines Unfalls 10 Jahre zuvor erst 6 DENTALE IMPLANTOLOGIE | Jg. 24 | Ausgabe 01 | Februar 2020 | 6 – 16
IMPLANTOLOGIE Abb. 3: Situation nach Entfernung der Kronen. Abb. 4: Beim Explantieren. 1. Entfernung der beiden Implantate Deutschland GmbH, Pforzheim). Das und Verdickung der Weichgewebe Bindegewebstransplantat wurde im mit einem subepithelialen Bindege- ersten Quadranten palatinal mit einer webstransplantat, Single-Incision-Technik entnommen 2. Augmentation vor Implantation, [2]. Der primäre Wundverschluss am Abb. 2: Ausgangsröntgenbild. 3. Implantation eines Implantats regio Gaumen erfolgte mit einer fortlaufen- 21, den Interlocking-Naht aus Polytetraflu- 4. nach Ausformung des Emergenz- orethylen (ePTFE) (Gore-Tex ® Sutures, profils Erarbeitung der definitiven W. L. Gore & Associates, Inc., Arizona, Zahn 22 und einige Jahre später Zahn Versorgung. USA) in der Stärke 5-0. Das Bindege- 21 verloren zu haben. Regio 22 wurde webstransplantat (Abb. 6) wurde mit zwei Jahre und regio 21 neun Jahre Diesem Vorgehen stimmte die Patien- einer Cytoplast-Naht sowohl im buk- nach dem Trauma implantologisch ver- tin zu. Für eine detailliertere Planung kalen als auch palatinalen Bereich in sorgt. Klinisch imponierte eine Rezessi- wurden Abformungen des Ober- und einem zuvor präparierten „Envelope“ on an beiden Implantaten und hier- Unterkiefers angefertigt. fixiert und anschließend mit einer 6-0 durch bedingt eine deutlich Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, Naht (Seralene ®, SERAG-WIESSNER kompromittierte Ästhetik. Der weitere dass die Patientin seit dem Trauma re- GmbH & Co. KG, Naila) mit dem um- Befund stellte sich unauffällig dar. Alle gelmäßig unangenehme chirurgische gebenden Weichgewebe krestal ver- Zähne außer 21 und 22 (traumabe- Eingriffe erfahren hatte. Der Gedanke näht (Abb. 7). dingt) und den 8ern (8er ost; operative an neuerliche Eingriffe ließ sie lange Entfernung der Weisheitszähne) waren überlegen, ob sie nicht lieber mit der vorhanden und zeigten sich karies- und jetzigen Situation leben sollte, anstatt füllungsfrei. Die Taschensondierungs- sich der Neuversorgung und den aber- tiefen waren im Normalbereich und maligen Eingriffen zu stellen. Dieser stellten sich ohne BoP (Blutung auf Punkt des Vorbehalts wurde im weite- Sondieren) dar. Die Mundhygiene war ren Behandlungsverlauf noch ein wei- tadellos. Es zeigte sich eine rosa Gingi- teres Mal, zum Zeitpunkt der Implanta- va mit Stippelung. Im Bereich der Im- tion, erreicht. Aber auch hier entschied plantate war eine livide verfärbte Mu- sich die Patientin zur Weiterbehand- kosa sichtbar. Der röntgenologische lung. Befund zeigte sich bis auf die durch Implantate versorgte Region (Abb. 2) Erster Eingriff – Explantation ohne pathologischen Befund. Mitte 2015 wurden der Patientin in Lokalanästhesie die beiden Implanta- Planung te regio 21 und 22 entfernt und ein Nach umfangreichen Erwägungen, Vor- subepitheliales Bindegewebstransplan- gesprächen im zahnärztlich-zahntechni- tat im OP-Gebiet eingebracht. Dazu schen Team und Vorplanungen wurde wurde nach Lokalanästhesie regio 21, Abb. 5: Röntgenkontrolle nach der Explantation. die Patientin umfassend aufgeklärt und 22 bukkal und palatinal sowie 16–12 ausführlich beraten. Sie erfuhr, dass bei palatinal zunächst die Zahnersatzver- der empfohlenen Neuversorgung die sorgung abgenommen (Abb. 3). Nach vorhandenen Implantate nicht erhalten Entfernung der Abutments wurden die werden könnten. Ein neu zu inserieren- passenden Entfernungsschrauben in des Implantat konnte zudem die Explan- die Implantate eingedreht und vorsich- tationskavitäten nicht nutzen; ein neues tig mit einem Drehmomentschlüssel Implantatlager musste geschaffen wer- festgezogen, bis sich jedes einzelne Im- den. Mit der Patientin wurde folgender plantat löste und entnommen werden möglicher Behandlungsablauf bespro- konnte (Abb. 4 und 5) (BTI Explanta- chen: tationsset, BTI Biotechnology Institute Abb. 6: Einbringen des Bindegewebstransplantats. DENTALE IMPLANTOLOGIE | Jg. 24 | Ausgabe 01 | Februar 2020 | 6 – 16 7
IMPLANTOLOGIE Im Anschluss wurde ein festsitzendes Provisorium im Stil einer Maryland-Brücke an den Palatinalflächen der Nach- barzähne mit Komposit fixiert. Der Weichgewebsdefekt wurde durch rosa Kunststoff im bukkalen Bereich kaschiert (Abb. 8 und 9). Die Abheilung gestaltete sich unauffällig. Die Nähte wurden am 7. postoperativen Tag entfernt (Abb. 10). Zweiter Eingriff – Augmentation Fünf Monate nach der Explantation erfolgte die knöcherne Augmentation des defizitären Bereichs. Nach der Lokalanäs- thesie und Entfernung des Provisoriums wurde der sowohl vertikale als auch horizontale Defekt durch zwei vertikale Entlastungen im bukkalen Bereich dargestellt. Mit Titanpins Abb. 7: Primärer Wundverschluss mit monofilem Nahtmaterial. wurde eine nichtresorbierbare und titanverstärkte d-PTFE- Membran (Osteogenics Biomedical, Inc., USA) im apikalen Defektbereich fixiert. Als Knochenersatzmaterial wurde Bio- Oss (Geistlich Bio-Oss®, Geistlich Pharma AG, CH-Wolhusen) gewählt. Nach Einbringen des Knochenersatzmaterials in den Defektbereich (Abb. 11) wurde die Membran zur besse- ren Stabilisierung auch im palatinalen Bereich mit Titanpins fixiert (Abb. 12). Der primäre Wundverschluss wurde mit Polyvinylidenfluorid in der Stärke 6-0 (Seralene ®, SE- RAG-WIESSNER GmbH & Co. KG) realisiert (Abb. 13). Das zuvor entfernte Provisorium konnte nach Anpassung im krestalen und bukkalen Bereich wiederverwendet werden. Die Nahtentfernung erfolgte nach sieben Tagen. Der Hei- lungsverlauf gestaltete sich unauffällig. Dritter Eingriff – Implantation Als nach der Augmentation fünf Monate vergangen waren, Abb. 8: Provisorium von bukkal. erfolgte die Aufklärung für die geplante Implantation. Vor diesem Schritt hatte die Patientin, die bis zu diesem Zeit- punkt eine ausgezeichnete Compliance zeigte, die größten Bedenken. Sehr positiv ist, dass die Patientin das Vertrauen hatte, diese Bedenken zu äußern, und zu dem Aufklärungs- termin erschien. Der Patientin konnte das weitere Vorgehen in aller Ruhe erklärt werden. Daraufhin willigte sie ein, sich wie geplant ein Implantat einbringen zu lassen. Die Implantation gestaltete sich unauffällig. Es zeigte sich nach dem Anästhesieren und Abnehmen des festsitzenden Provisoriums ein gesundes Weichgewebe. Nach Darstellung der Membran (Abb. 14) konnte diese problemlos entfernt werden. Zum Vorschein kam ein breiter augmentierter Kie- ferkamm (Abb. 15), in den regio 21 ein Implantat (4,1 mm × Abb. 9: Blick von extraoral auf das Provisorium. 12 mm BLT, Straumann AG, CH-Basel) eingebracht werden Abb. 10: Nahtentfernung sieben Tage post OP. Abb. 11: Nach Einbringen des Knochenersatzmaterials. 8 DENTALE IMPLANTOLOGIE | Jg. 24 | Ausgabe 01 | Februar 2020 | 6 – 16
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IMPLANTOLOGIE Abb. 12: Mit Titanpins fixierte Membran. Abb. 13: Wundverschluss. konnte (Abb. 16a und b, Abb. 17). Vierter Eingriff – Freilegung mit Auch in diesem Schritt wurde zusätz- Einschrauben des Provisoriums lich das Weichgewebe mithilfe eines Nach weiteren acht Wochen erschien subepithelialen Bindegewebstrans- die Patientin zum Freilegungstermin. plantates vom Gaumen (regio 13–16, Hierfür wurde nach Anästhesie und Abb. 14: Röntgenbild vor der Implantation. Die Single-Incision-Technik) verdickt (Abb. Abnahme des Provisoriums das Implan- Titanpins zeichnen sich deutlich ab. 18). Der spannungsfreie und primäre tat durch eine Rolllappenplastik freige- Wundverschluss (Abb. 19) erfolgte mit legt (Abb. 20). det werden konnte (Abb. 21–25). Seralene ® in der Stärke 6-0. Das zuvor Nach Einschrauben eines provisori- Hierfür wurde der rosa Kunststoff voll- entfernte Provisorium wurde erneut schen Sekundärteils (RC Provisoriums- ständig entfernt und zusätzlich mit umgearbeitet und erneut eingesetzt. sekundärteil, Institut Straumann AG) fließfähigem Komposit modifiziert. An Der Heilungsverlauf gestaltete sich un- wurde das zuvor palatinal verklebte der Basis von 22 wurde Komposit an- auffällig. Sieben Tage später wurden Provisorium so umgearbeitet, dass es gefügt, um mit der Ausformung eines die Nähte entfernt. als verschraubtes Provisorium verwen- Pontics zu beginnen. Abb. 15: Die knöcherne Situation vor der Abb. 19: Vernähen des Situs. Implantation. Abb. 16a: Implantation regio 21. Abb. 17: Röntgenkontrolle nach der Implantatinser- tion. Abb. 20: Das Implantat wurde mit Rolllappenplastik freigelegt. Abb. 16b: Das Implantat in korrekter Position. Abb. 18: Erneute Weichgewebsverdickung durch Abb. 21: Provisorischer Pfosten. Bindegewebstransplantat. 10 DENTALE IMPLANTOLOGIE | Jg. 24 | Ausgabe 01 | Februar 2020 | 6 – 16
IMPLANTOLOGIE Abb. 22: Die provisorische Versorgung von okklusal. Abb. 23: Provisorische Versorgung von bukkal. Schon jetzt ist die bedeutende ästhetische Verbesserung der Weichgewebssituation gegenüber der Ausgangs- lage zu sehen. Letzte „Vorarbeiten“ für die pädische Behandlung angeschlossen (Abb. 29). Der Abformpfosten wurde Ästhetik werden (Abb. 28). eingeschraubt und für den Oberkiefer Dieses Prozedere wurde mehrfach eine offene Implantatabformung mit wiederholt, bis das Emergenzprofil 21 Die Prothetik entsteht Vinylsiloxanether ® (Identium® Medium, und das Pontic 22 zufriedenstellend Nun vergingen sechs Monate und es Kettenbach, Eschenburg) gewählt. Am ausgeformt waren (Abb. 26). Durch erfolgte die definitive Abformung. Mit Gegenkiefer (Unterkiefer) kam Alginat eine Narbenkorrektur konnte die Äs- diesem Schritt wird zum einen das Ende zum Einsatz. thetik der Weichgewebe weiter ver- der zahnärztlich-chirurgischen Behand- Vor der Abformung war die Farbnahme bessert werden (Abb. 27). lung erreicht, zum anderen beginnt die erfolgt (Abb. 30a–c). Dabei war große Die Patientin war mit dem „Zwischen- schwierige Arbeit des Zahntechnikers, Sorgfalt angesagt, da sich die zu kreie- ergebnis“ so sehr zufrieden und zwei passende Frontzahnkronen neben rende Implantatversorgung ästhetisch schöpfte neue Hoffnung, dass sie sich naturgesunden Zähnen zu gestalten, exakt passend in die exponierte Ober- dazu entschied, die leichte Fehlstel- die zudem einen hohen Individualitäts- kieferfront einzufügen hatte. lung der Oberkieferfront kieferortho- grad aufweisen. Außerdem hat die Pa- Das Meistermodell wurde hergestellt pädisch korrigieren zu lassen. Hier- tientin eine hohe Lachlinie. und ein vollkeramisches Gerüst für die durch verzögerte sich auf der einen Nach Entfernung der provisorischen Region 21–22 gefertigt, bestehend aus Seite die weitere Behandlung, auf der Kronen wurde das Emergenzprofil einer reduzierten Implantatkrone mit anderen Seite jedoch kam die Ent- mithilfe eines Laboranalogs und von einflügeligem Pontic (Abb. 31). Die scheidung zur richtigen Zeit. So konn- Komposit auf einen Abformpfosten Verblendungen sollten als Spiegelzwil- te ohne Mehraufwand für Behandler übertragen und dieser als individu- linge der jeweiligen Nachbarzähne ge- und Zahntechniker eine kieferortho- alisierter Abformpfosten verwendet schaffen werden (Abb. 32a–f). Abb. 25: Kontrolle nach der Modifikation des Abb. 26: Das erreichte Emergenzprofil. Emergenzprofils. Abb. 24: Das Röntgenbild zeigt den guten Sitz von Abb. 27: Deepithelisierung während der Narben- Abb. 28: Kontrolle während der kieferorthopädi- Implantat und Provisorium. korrektur. schen Maßnahme. DENTALE IMPLANTOLOGIE | Jg. 24 | Ausgabe 01 | Februar 2020 | 6 – 16 11
IMPLANTOLOGIE Abb. 29: Individualisierter Abformpfosten in situ. Abb. 31: Das Keramikgerüst auf dem Modell. Abb. 32d u. e: Kontrolle während der Keramik- brände. Abb. 32f: Das Brennergebnis nach verschiedenen Charakterisierungen entsprechend dem natürlichen Abb. 30a–c: Die Farbnahme erfolgt durch den Abb. 32a–c: Schichten der Verblendung. Vorbild und mit approximalem Antrag von rosa Techniker. Keramik. Deshalb fand sich die Patientin regel- Bei der gewählten Methode des Nach mehreren Anproben wurde der mäßig zu Kontrollen der Zahnform, Schichtens zeigen sich die Vor- und Zahnersatz fertiggestellt (Abb. 34a– Zahnfarbe und Charakterisierung im Nachteile der Verblendung gegenüber d). zahntechnischen Labor ein. Eine erste dem Arbeiten mit monolithischem Vor- Das abschließende Ergebnis zeigt eine Anprobe in der Zahnarztpraxis deckte gehen. Es fällt ein wesentlich erhöhter deutliche Verbesserung gegenüber noch letzte zu optimierende Stellen Zeitbedarf an, aber die Mühe schlägt der Ausgangssituation (Abb. 35 u. auf; es fiel auch die Entscheidung, die sich in einer deutlich besseren Ästhetik 36a–c). Dieses Ergebnis wäre ohne rosa Keramik, welche zunächst appro- und individuellem Design nieder. Gera- den Einsatz und das Zusammenspiel ximal zur optischen Unterstützung des de dieser Patientenfall zeichnet sich mit der Zahntechnik nicht möglich ge- Zahnfleischsaums aufgetragen worden durch ein sehr lebhaftes Erscheinungs- wesen. war (Abb. 33), zu entfernen. bild der Zähne aus. Abb. 33: Begutachtung der Einprobe. Abb. 34a: Der Zahnersatz mit approximal rosa Abb. 34b: Aufnahme mit Polarisationsfilter. Keramik im Lippenbild. 12 DENTALE IMPLANTOLOGIE | Jg. 24 | Ausgabe 01 | Februar 2020 | 6 – 16
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IMPLANTOLOGIE Abb. 34c: Die rosa Keramik ist entfernt. Abb. 34d: Aufnahme mit Polarisationsfilter. Alternativen zum gewählten Sichtbarkeit der Versorgung/Gingiva, Vorgehen bestimmt durch die Lachlinie, und die Alternative Lösungsansätze bei vorlie- erneute Belastbarkeit der Patientin ge- gender Ausgangssituation sind nicht genüber den Eingriffen. Es muss ganz einfach zu benennen. Durch den Hart- klar erwähnt werden, dass diese ver- und Weichgewebsverlust, hervorgeru- schiedenen Möglichkeiten bereits vor fen durch die falsche Insertionsrichtung der Erstversorgung alio loco hätten der Implantate und die fehlenden ein- stattfinden müssen. Man muss auch zu zuhaltenden Mindestabstände ist die bedenken geben, dass die Behebung Situation stark kompromittiert. Darü- der kompromittierten Situation durch ber hinaus ist eine Explantation, um die die voranschreitende Ausbreitung des Missstände in der ästhetischen Zone zu Defekts immer schwieriger wird. beheben, unumgänglich. Danach muss Darüber hinaus sollte immer die indi- allerdings mit einem erneuten Verlust viduelle Patientensituation, wie bei- von Hart- und Weichgewebe gerech- spielsweise das Alter, berücksichtigt net werden. Sollten in solch einem Fall werden. Da es sich in diesem konkre- nach der Entfernung der Implantate ten Fall um eine sehr junge Patientin keine weiteren chirurgischen Eingriffe handelt, wäre eine Maryland-Brücke gewünscht sein, kann der Defekt nur zur Versorgung für den fehlenden Zahn Abb. 35: Der definitive Zahnersatz mit Implantat in durch eine Brücke versorgt werden, sei 22 angesagt gewesen. Auch wenn es der Röntgenkontrolle. es durch eine Klebebrücke (einflügeli- keine Langzeitstudien gibt, wäre dies ge Adhäsivbrücke) oder eine konventi- ein minimalinvasiver Lösungsansatz ge- onelle Brücke. Dabei muss mit an die wesen [4]; man hätte die vorliegende Gingiva angepasster, rosa eingefärbter Situation lange erhalten können. Bei Keramik gearbeitet werden [5, 6]. Al- einem späteren Verlust von Zahn 21 ternativ kann das Hart- und Weichge- hätte man sodann die Gesamtsituation webslager, wie in diesem Fallbericht neu begutachtet. beschrieben, aufgebaut und im An- Es sollte immer versucht werden, die schluss eine Brückenversorgung umge- natürlichen eigenen Zähne so lange setzt werden. wie möglich zu erhalten [3]. Hier muss Entscheidend für die prothetischen/ man sich ganz klar die Frage stellen, Abb. 36a: Regio 21/22 unmittelbar nach dem chirurgischen Lösungsansätze sind die ob nicht anfangs durch eine engere Einsetzen. Abb. 36b: Mundbild unmittelbar nach dem Einsetzen. Abb. 36c: Die finale Situation. 14 DENTALE IMPLANTOLOGIE | Jg. 24 | Ausgabe 01 | Februar 2020 | 6 – 16
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IMPLANTOLOGIE Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Zahntechniker die Literaturverzeichnis unter Ausgangssituation anders bewertet worden wäre und durch www.dimagazin-aktuell.de/literaturlisten das technische Können des Zahntechnikers Schlimmeres ver- hindert worden wäre. Bilder, soweit nicht anders deklariert: Dr. Müller-Busch, Dr. Kauffmann, Prof. Dr. Fickl Nachbetrachtung Dieser Fallbericht soll aufzeigen, dass durch die fehlerhafte Verwendung von Implantaten nicht nur unzureichende pro- w thetische Lösungen entstehen können, sondern auch nach- i w w haltig umliegendes Hart- und Weichgewebe zerstört werden kann. Hieraus resultieren erhebliche Schäden, sowohl dental Dr. Alexander Müller-Busch als auch patientenseitig, was eine Neuversorgung erheblich Dres. Müller-Busch, Wildenhof, Drechsler, erschwert. Der Lösungsansatz dieses Patientenfalls zeigte, wie Berufsausübungsgemeinschaft entstandene Defekte regeneriert werden können und ein Nürnberger Straße 34 · 85055 Ingolstadt sinnvoller Einsatz von Implantaten zu einem prothetisch stabi- a.mueller-busch@web.de len und für den Patienten sehr zufriedenstellenden Ergebnis www.dr-mueller-busch.de führen kann. Durch eine sorgfältige Planung und das Prüfen mehrerer Lösungsansätze vor der Erstversorgung hätten der Dr. Frederic Kauffmann Patientin viel Leid und schmerzhafte Eingriffe erspart werden Zahnklinik Würzburg können. Abteilung für Parodontologie Auch sollte manchmal konventioneller Prothetik der Vorrang Pleicherwall 2 · 97070 Würzburg gewährt werden, um mit Problemen behafteten Situationen kauffmann_f@ukw.de adäquat zu begegnen. Dies unterstreicht abermals die Wich- tigkeit und Vorteile einer engen Zusammenarbeit von Zahn- Prof. Dr. Stefan Fickl arzt und Zahntechniker. Es sollten öfter intensive Gespräche Privatpraxis für Zahnheilkunde geführt werden, um gemeinsam die beste Lösung für den Prof. Dr. Stefan Fickl & Dr. Ralf Krug Patienten zu finden. Das Patientenwohl sollte stets im Mittel- Königswarterstraße 20 · 90762 Fürth punkt stehen und so jene Misserfolge verhindert werden. info@fickl-krug.de Dr. Alexander Müller-Busch Dr. Frederic Kauffmann 2009-2013 Studium der Zahnmedizin an 2004-2010 Studium der Zahnmedizin an der Julius-Maximilians-Universi- der Julius-Maximilians-Univer- tät Würzburg sität Würzburg 2014-2015 Promotionsstudium an der 2010 Approbation Julius-Maximilians-Universität 2017 Promotion Würzburg 2011-2013 Assistenzarzt in der PraxisCurvadent – 2016 Promotion an der Universität Würzburg Dr. Otto und Kollegen in Hafenlohr 2016-2018 Studium an der Dresden International University 2013-2018 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik (DIU) in Kooperation mit der Deutschen Gesell- und den Polikliniken für Zahn-, Mund- und schaft für Parodontologie e.V. (DG PARO) Kiefergesundheit der Universität Würzburg in Master of Science in Parodontologie und Im- der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodon- plantattherapie tologie, Abteilung für Parodontologie Masterarbeit in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. (Leiter: Prof. Dr. U. Schlagenhauf) Fickl: „Efficacy for the surgical and non-surgical seit 02/2018 Oberarzt an der Abteilung für Parodontologie treatment of periimplant diseases in a cohort of (Leiter: Prof. Dr. U. Schlagenhauf) in der Poli- periodontal patients without supportive perio- klinik für Zahnerhaltung und Parodontologie dontal therapy: a case study” (Direktor: Prof. Dr. G. Krastl) 2016 Postgraduiertenprogramm EFP in der Abteilung 2018 – 2019 ITI Scholarship im Department of Periodontics für Parodontologie University of Gothenburg/ and Oral Medicine, University of Michigan, Salgrenska Academy School of Dentistry, Ann Arbor (Chair: Dr. W. seit 2016 Autorentätigkeit national/ international Giannobile) seit 2016 Sozius in der BAG Dres. Müller-Busch, Wilden- 2019 – 2020 Clinical Lecturer – University of Michigan hof, Drechsler School of Dentistry, Department of Periodon- 2018 Hospitation Prof. Donos und Dr. Nikos Mardas tics & Oral Medicine, Ann Arbor, USA an der Queen Mary University of London/ “The 08/2009-03/2010 Erasmussemester an der Umeå Universitet, Royal London school of Medicine and Dentistry” Umeå, Schweden 2019 Hospitation Department of Periodontics and 03/2015 Prince Philip Dental Hospital; Abteilung für Oral Medicine,University of Michigan, School of Parodontologie (Prof. Dr. Corbet, Hong Kong, Dentistry, Ann Arbor (Chair: Dr. W. Giannobile) China) 16 DENTALE IMPLANTOLOGIE | Jg. 24 | Ausgabe 01 | Februar 2020 | 6 – 16
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IMPLANTOLOGIE Sichere Schmerzausschaltung vor implantologischen Maßnahmen Die Leitungs- und die Infiltrationsanästhesie substituieren Der medizin-technische Fortschritt der letzten 30 Jahre hat in der zahnärztlichen Lokalanästhesie Möglichkeiten er- öffnet, die für den Behandler markanten Nutzen und für den Patienten deutlich weniger Belastung beinhalten. Eine sichere Desensibilisierung des Bereichs, in den ein Implantat gesetzt werden soll, ist die Voraussetzung der Koopera- tionsbereitschaft des Patienten. N eben den weltweit gelehrten und angewandten Me- sären Ausbreitung [6, 17, 19]. Er tritt unverzüglich ein und ist thoden der Infiltrations- und der Leitungsanästhesie ausreichend tief für alle genannten Indikationen. des N. alveolaris inferior hat die intraligamentäre Anäs- Die Anästhesiedauer steht auch in Abhängigkeit vom injizier- thesie (IL-A) – seit über 100 Jahren bekannt – für einige zahn- ten Anästhetikum-Volumen und wird mit durchschnittlich 30 ärztliche Indikationen zunehmend Anwender gefunden: Minuten angegeben, bei einem injizierten Anästhetikum-Vo- Basisindikation der Einzelzahnanästhesie „IL-A“ ist die Extrak- lumen von ~0,2 ml pro Injektionspunkt. tion einzelner Zähne, bei der diese Lokalanästhesie-Methode im direkten klinischen Vergleich mit der konventionellen Lei- Grenzen der ILA tungs- und der Infiltrationsanästhesie Vorteile sowohl für den Die Grenzen der intraligamentären Anästhesie liegen im chir- Behandler aber auch für den Patienten bietet [11]. Die Belas- urgischen Bereich. Wegen der eng begrenzten Ausbreitung tung für den Patienten ist signifikant niedriger durch punktge- des injizierten Anästhetikums und der relativ kurzen Dauer naue Anästhesie, geringeren Anästhetikum-Bedarf und kür- der Anästhesie kann die IL-A die Anforderungen für extensive zere Anästhesiedauer [1, 2]. – lang dauernde und großflächige – chirurgische Eingriffe Sukzessive wurden auch andere Indikationen mit Blick auf die nicht erfüllen. Für implantologische Maßnahmen kann die in- Möglichkeit der Anwendung der intraligamentären Anästhe- traligamentäre Anästhesie – bei Methoden-Beherrschung – sie in klinischen Studien betrachtet: uneingeschränkt angewandt werden. Zahnerhaltende Maßnahmen – konservierende und restaura- tive – und auch endodontische Behandlungen sind durch pri- Durch zusätzliche Injektionspunkte und die Erhöhung der märe intraligamentäre Anästhesien uneingeschränkt schmerz- Anzahl der intraligamentalen Injektionen ist es möglich, den frei durchzuführen [3,7-9,20]. Ausbreitungsraum der Analgesie zu vergrößern, sodass alle Das ins Ligamentum circulare injizierte Anästhetikum breitet geplanten implantologischen Maßnahmen uneingeschränkt sich in den desmodontalen Strukturen entlang der Zahnwur- erfolgreich durchgeführt werden können. zel und zu einem größeren Teil intraossär aus (Abb. 1). Der Für ausgedehnte und länger dauernde dento-alveoläre chir- Anästhesieeffekt des injizierten Anästhetikums beruht – ähn- urgische Eingriffe sollte die IL-A nicht gewählt werden lich der Infiltrationsanästhesie – hauptsächlich auf der intraos- [4,5,7]. 18 DENTALE IMPLANTOLOGIE | Jg. 24 | Ausgabe 01 | Februar 2020 | 18 – 21
IMPLANTOLOGIE Die Ergebnisse aktueller klinischer Studien [15,16,18] zur intra- ligamentären Anästhesie zeigen, dass auch chirurgische Ein- griffe unter IL-A gemacht werden können, z. B. Reihenextrak- tionen im Unterkiefer-Seitenzahnbereich, Extraktionen retinierter Weisheitszähne oder angezeigte Osteotomien [15,16]. Die heute verfügbaren elektronisch gesteuerten Injektionssys- teme, z B. das STA-System (SingleTooth Anesthesia), eröffnen die Möglichkeit, mit gut kontrolliertem Druck – den anatomi- schen Gegebenheiten des Patienten individuell angepasst – intraligamentale Injektionen vorzunehmen (Abb. 2). Das An- ästhetikum wird dabei minimalinvasiv injiziert, breitet sich im zahnumgebenden Gewebe intraossär aus und desensibilisiert die im zahnumgebenden Knochen befindlichen Nervenendi- gungen. Hypothese Die Schmerzausschaltung vor implantologischen Maßnahmen ist eine Voraussetzung für die Kooperationsbereitschaft (Compliance) des Patienten. Im Unterkiefer-Seitenzahnbereich wird dazu eine Nervblock-Anästhesie gesetzt und im Oberkie- fer- und Unterkiefer-Frontzahnbereich eine Infiltrationsanäs- thesie. Die Belastung der Patienten durch diese Lokalanästhe- sien ist beträchtlich durch das injizierte Anästhetikumvolumen und die Einschränkung von Artikulation und Mastikation über Stunden nach Abschluss der therapeutischen Maßnahmen. Durch die Leitungs- und die Infiltrationsanästhesie wird auch der Alveolarknochen – und die dort verlaufenden Ner- venstränge – vollständig desensibilisiert. Beim Setzen des Im- plantats kann es in seltenen Fällen zu einer Läsion kommen, ohne eine Reaktionsmöglichkeit des Patienten. Bei der Installation des STA-Systems wurde die Hypothese aufgestellt, dass es mittels intraligamentaler Injektionen auch im Bereich der geplanten Implantationen möglich ist, eine Abb. 1: Ausbreitung des intraligamental injizierten Anästhetikums. ausreichende Analgesie zu erreichen und die Belastung des Patienten signifikant zu reduzieren. Material und Methoden Systematisch werden alle anästhetischen Maßnahmen, die im direkten Zusammenhang mit geplanten implantologischen Maßnahmen erfolgen, erfasst und in toto betrachtet. Für die intraligamentalen Injektionen wird das STA-Injektions- system mit dem systemadaptierten Kanülen-Handstück Wand festgelegt (Abb. 3). Die Kanülen haben einen Außendurch- messer von 0,3 mm, eine Länge von 12 mm und einen kurzen Anschliff nach Norm DIN EN ISO 7885:2010. Die klinische An- wendung dieses Injektionssystems wurde von Hochman et al. (2006, 2007) detailliert untersucht, beschrieben und publi- ziert [12-14]. Als Anästhetikum wurde das auch für die konventionellen Lo- kalanästhesie-Methoden Infiltrations- und Leitungsanästhesie applizierte Lokalanästhetikum 4%ige Articainhydrochlo- rid-Lösung mit Epinephrin (Adrenalin) 1:200.000 angewandt [10]. Damit das applizierte Anästhetikum punktgenau ins Gewebe diffundieren kann, wird die Kanüle des Wand-Handstückes in Höhe des Kieferkamms eingeführt, bis ein Kontakt mit dem Knochengewebe spürbar wird, etwa 1 bis 2, maximal 3 mm. Dabei ist darauf zu achten, dass die Schnittfläche der Nadel Abb. 2: Der bei der Anästhetikum-Injektion zu überwindende Gewebswiderstand Richtung Knochen zeigt. Der Computer (des STA-Systems) be- kann mittels des STA-Systems präzise gemessen und der Injektionsdruck individu- ginnt dann zu „zählen“. ell angepasst werden. DENTALE IMPLANTOLOGIE | Jg. 24 | Ausgabe 01 | Februar 2020 | 18 – 21 19
IMPLANTOLOGIE In der Regel wird – wie im Zahnkontakt bei der IL-A – der „grüne“, d. h. sichere Applikationsbereich erreicht. Das zu desensibilisierende Areal ist mit einer Injektion von etwa 2 x 0,2 ml (ohne Latenz) so taub, dass die sich anschlie- ßenden implantologischen Maßnahmen ohne terminale Zu- satzinjektionen durchgeführt werden können. Gelingt das nicht, was nur äußerst selten vorkommt, ist termi- nal ein Zusatzdepot (mit dem STA-System) von ~0,2 ml zu setzen. Auch bei einer sehr dicken Schleimhaut ist diese Injektion möglich. Es ist bei der Kanülenführung darauf zu achten, dass die Schnittfläche der Nadel Richtung Knochen zeigt und dort unter Kontakt vorsichtig aufgelegt wird. Eine sensible Kanül- enführung ist sehr angezeigt. Mit einem Einstich ist es möglich, ein Areal für mindesten zwei Implantate zu analgesieren. Eine gleiche Vorgehensweise gilt für das Freilegen der Implan- tate. Ergebnisse Abb. 3: Das Injektionshandstück Wand (Zauberstab) wird kaum als Spritze wahr- Der weitaus größte Teil – fast alle –, der in den vergangenen genommen. 10 Jahren (seit Einführung des STA-Systems) in der Zahnarzt- praxis Unger durchgeführten Implantationen erfolgten unter intraligamentärer Anästhesie mit dem STA-System. Die durchgeführten Injektionen waren sicher und erfolgreich. Bei der Implantatsetzung wurde auf eine Leitungsanästhesie verzichtet. Dadurch war es möglich, durch die Beobachtung der Reaktionen des Patienten im kritischen Bereich des Ner- vus mandibularis, eine Verletzung des Nervs in 100% der Fäl- le zu vermeiden. Mittels des STA-Systems/The Wand kann man visuell die Ausbreitung des applizierten Anästhetikums im Gewebe verfolgen. Man sieht schön, wie vom Einstichge- biet fast auf Kieferkammmitte ein großes Areal anämisch wird (Abb. 5). Unter diesen idealen Möglichkeiten der Schmerzausschaltung war es auch möglich, nach chirurgischer Darstellung mittels Aufklappen einen ballonorientierten Sinuslift durchzuführen, dann die Implantate zu setzen und zu vernähen. Abb. 4: Die Kanülenspitze wird in Höhe des Kieferkamms in die Gingiva einge- führt, bis ein Kontakt mit dem Knochengewebe spürbar wird. Im Einstichgebiet Diskussion – fast auf Kieferkammmitte – wird ein großes Areal anämisch. Die intraligamentäre Anästhesie – lege artis angewandt – ist den konventionellen Methoden der Lokalanästhesie bei fast allen zahnmedizinischen Indikationen – auch bei im- plantologischen Maßnahmen – und Patientengruppen (inkl. Risikopatienten) signifikant überlegen [7]. Die Grenzen die- ser anwenderfreundlichen und patientenschonenden Me- thode der Schmerzausschaltung liegen im chirurgischen Bereich, wo die IL-A für länger dauernde und ausgedehnte dento-alveoläre chirurgische Eingriffe die Anforderungen nicht erfüllen kann. Für alle anderen Anwendungen – auch für implantologische – sollte sie als Basismethode der Lokal- anästhesie in Betracht gezogen werden. Sowohl elektronisch gesteuerte Injektionssysteme, z. B. das STA-System, als auch Dosierradspritzen sind zur Durch- führung einer erfolgreichen intraligamentären Lokalanäs- thesie uneingeschränkt geeignet. Elektronisch gesteuerte Injektionssysteme offerieren dem behandelnden Zahnarzt eine sensible Injektionstechnik, die der Patient kaum wahr- nimmt. Der Anwender der IL-A sollte die Vorzüge und Abb. 5: Die Implantation erfolgt unter minimalinvasiver intraligamentärer Anäs- thesie – das Touchieren eines Nervs wird sicher vom Patienten gespürt, sodass bei Grenzen der genannten Injektionssysteme selbst erproben Bedarf sofort reagiert werden kann. und abwägen [1,2]. 20 DENTALE IMPLANTOLOGIE | Jg. 24 | Ausgabe 01 | Februar 2020 | 18 – 21
IMPLANTOLOGIE Schlussfolgerungen Die bei der Installation des STA-Systems aufgestellte Hypothe- Dr. med. dent. Heinz-Dieter Unger se, dass es mittels intraligamentaler Injektionen auch im Be- reich der geplanten Implantationen möglich ist, eine ausrei- 1978-1981 Ausbildung zum Zahntechniker chende Analgesie zu erreichen und die Belastung des 1981-1987 Studium der Zahnheilkunde Patienten signifikant zu reduzieren, wird bestätigt. 1987 Eintritt in die Praxis Dr. Unger Die Anwendung des STA-Systems vor implantologischen 1989 Weiterbildung zum Implantologen Maßnahmen ist eine ganz tolle Sache. Wir schätzen es sehr, (BDIZ) weil es den Behandler und auch den Patienten total entlastet. Übernahme der Praxis Unger in Osnabrück Man kann sicher sein, dass ohne Probleme auch eine aufwen- 1992 Promotion an der Westfälischen Wilhelms- digste Chirurgie – unter intraligamentärer Anästhesie mit dem Universität Münster 1993 Weiterbildung zum Laserzahnarzt (DGL) STA-System – gemacht werden kann. an der University of San Francisco 04/2018 Aufgabe der aktiven Tätigkeit als Zahnarzt, Literaturverzeichnis unter weiterhin aber beratend für die Praxis Unger tätig www.dimagazin-aktuell.de/literaturlisten Lothar Taubenheim Bilder, soweit nicht anders deklariert: Ausbildung zum Kaufmann (IHK) Dr. med. dent. Heinz-Dieter Unger, Lothar Taubenheim, 1965 Abschluss der Ausbildung in Frankreich 1965 - 1998 Chemisch-pharmazeutische Industrie w in diversen Funktionen und Verant- i w w wortungen 1998 - 2012 Dozent an der WAK - Westdeutsche Akademie für Dr. med. dent. Heinz-Dieter Unger Kommunikation e.V., Köln Kommenderiestr. 122 - Medizinjournalist VMWJ mit den Schwerpunkten Schmerzaus- 49080 Osnabrück schaltung in der Zahnheilkunde und Relevanz des Patientenrech- dr.hd.unger@unger-praxis.de tegesetzes BGB § 630 e (1) - Fachreferent zur Thematik minimalinvasiver Schmerzausschal- Lothar Taubenheim tung in der Zahnheilkunde bei zahnärztlichen Fortbildungsveran- staltungen Medizinjournalist VMWJ - Zahlreiche Veröffentlichungen in Fachzeitschriften. Am Thieleshof 24 40699 Erkrath LT.Lothar.Taubenheim@t-online.de [Nashorn] steht für Sicherheit, Ruhe und Kraft Das Wesen der Natur in unserer Hand. BEGO IMPLANT SYSTEMS Miteinander zum Erfolg www.bego.com
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