Intervalle Arbeitskreis Musik in der Jugend 2018
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Inhaltsverzeichnis Editorial 1 AMJ-Mitgliederversammlung und Vorstandswahl 2018 2 Zweck-los ist Kunst nie Interview mit Dr. Karl Ermert 3 12. Internationale Jugendkammerchor-Begegnung Usedom 8 Internationalität und Begegnung im Zeichen der Musik 20 AMJ-Mitgliedschöre im Porträt: Christophorus-Kantorei Altensteig 25 Berichte aus der Kursarbeit Das 16. Leipziger Symposium zur Kinder- und Jugendstimme 28 50 Jahre Chor- und Orchesterwoche Hinterschmiding 32 Wie kommt die Musik in den Film? Filmmusik-Komposition für Jugendliche 34 Jazz- und Pop-Trainingscamp in Sondershausen Interview mit Juan Garcia 36 Zehn Tage Lernen auf höchstem Niveau Chorleitung und Chorische Stimmbildung mit Volker Hempfling 40 20 Jahre Französisch-Deutsche Orchesterfreizeit in Dinard 44 Chor- und Orchesterfreizeit mit Bachs Erben 46 Musik- und Theaterfreizeiten sowie Opernworkshops für Kinder und Jugendliche 48 Interview mit der AMJ-Ehrenvorsitzenden Lore Auerbach 50 Von Hannover nach Essen Der Knabenchor Hannover singt Brittens „War Requiem“ 54 60 Jahre Ulmer Spatzen Chor 57 Der Kinderchor Cantemus zu Gast in der Ukraine 58 Der Knabenchor der Singakademie Frankfurt/O. in Russland 60 Internationale Chorbegegnungen – Der Weg zum Internationalen Austausch 63 10. Deutscher Chorwettbewerb in Freiburg 66 Der Spaß am Singen steht an erster Stelle Singpaten-Projekt in Hessen 69 AMJ-Mitgliedschöre im Porträt: Kinder- und Jugendchor Magdeburg 72 Informationen und Neuigkeiten 75
Editorial Liebe Leserinnen und Leser, tung Professiona- lismus ausgedehnt. Musik, Begeisterung, junge Leute! Das ist So gehören unsere es, womit wir es im Arbeitskreis Musik in der Mitgliedsensemb- Jugend zu tun haben. Die musikalische Arbeit les zu einem nicht mit Jugendlichen steht im Mittelpunkt. Wir unerheblichen Teil wissen, welcher Tradition wir verpflichtet sind. zu den semiprofes- Es ist die Tradition aus der Jugendmusikbewe- sionellen Chören, gung, die aber natürlich den Wandel der Zeit die auf den ein- mitgemacht und im Lauf der Jahre moderne schlägigen Wett- wie zeitgemäße Strömungen in sich aufge- bewerben wie zum nommen hat. Im Vokalbereich ging es vom Lie- Beispiel dem Deut- dersingen hin zu anspruchsvoller Chormusik schen Chorwettbe- mit einem weitgefächerten internationalen werb hervorragende Leistungen zeigen. Davon Repertoire, im Instrumentalbereich von der wird in dieser Ausgabe berichtet und darauf Spielmusik zu sinfonischen Klängen der klassi- sind wir als Verband sehr stolz. Das beeinflusst schen, romantischen und modernen Literatur. auch unsere Haltung: für die Jugend nur das Qualitätsbewusstsein ist allgegenwärtig. Und Beste, das haben wir früher so gehalten und das gestalten wir mit denjenigen, die es wei- das ist auch im gedanklichen Zentrum unseres tertragen können, sollen und werden, mit den gegenwärtigen Schaffens und Wirkens. Sehr Jugendlichen, die eine faszinierende Begeiste- schön deutlich formulieren das unsere beiden rung für die Musik mitbringen und auch uns Ehrenvorsitzenden in den Interviews, die in immer wieder damit anstecken. den Intervallen zu lesen sind. Das gemeinsame Musizieren ist uns wichtig. Lore Auerbach weiß, dass man mit Musik man- Das Gemeinsame macht sich an der Ensem- ches erreichen kann, was in der großen Politik blearbeit fest. Nahezu alle Kursangebote des auch mal etwas länger dauert. Der AMJ hat AMJ beziehen sich auf Ensembles entweder in von Anfang an „übernational“ gedacht, sich der direkten praktischen Arbeit (in der Haupt- international engagiert und war da vielleicht sache mit Jugendlichen) oder in der Multiplika- tatsächlich ein bisschen schneller als die Poli- torenfort- und weiterbildung. Davon lesen Sie tik. Karl Ermert sagt, dass Kunst nie zwecklos in den Kurs- und Reiseberichten dieses Heftes. sei und immer auch eine politische Dimension Mit den Reiseländern Ukraine und Russland mitschwinge. Der AMJ sei den Menschen ver- stehen wir hier ebenso im Zeichen der Inter- pflichtet. Diese Verpflichtung nehmen wir über nationalität wie mit dem großen Event dieses die Musik wahr, die wir an die jungen Leute Jahres, der Jugendkammerchor-Begegnung weitergeben und ernten dafür Begeisterung. auf Usedom, bei der Chöre aus drei Nationen Das ermuntert uns, auch weiterhin im musika- beteiligt waren. Die Kursberichte sind vom lischen wie im politischen Raum für die Jugend großangelegten Symposium über die hoch- aktiv zu sein. attraktive Chor- und Orchesterfreizeit bis zum Meisterkurs für Chorleiterinnen und Chorleiter breit gefächert. Und auch in diesen Berichten schwingt die Begeisterung für die Sache, für die Musik immer mit. Prof. Dr. Franz Riemer Bundesvorsitzender Musizieren ist ein Begriff, der für den Laienbe- reich steht. Dieser Laienbereich hat aber in den letzten Jahrzehnten seinen Grenzwert in Rich- 1
AMJ-Mitgliederversammlung und Vorstandswahl 2018 Neuwahl des AMJ-Vorstands v. l. n. r.: Lore Auerbach (Ehrenvorsitzende), Joachim Geibel (Beisitzer), Gabriele Nogalski (Beisitzerin); Prof. Dr. Franz Riemer (Vorsitzender), Bine Becker-Beck (stellv. Vorsitzende), Markus AMJ-Mitgliederversammlung Brünger (stellv. Vorsitzender), Dr. Karl Ermert (Ehrenvorsitzender). und Vorstandswahl am 23. Juni 2018 Abwesend: Regina Görner, Nicole Lena de Terry, Prof. Werner in Braunschweig Rizzi, Berit Walther (alle Beisitzer). Am 23. Juni 2018 trafen sich die Mitglieder des die als neue Beisitzer kooptiert wurden. Ergänzt AMJ in Braunschweig, um sich über das aktuel- wird das Gremium durch die Ehrenvorsitzen- le Geschehen informieren zu lassen und einen de Dr. Lore Auerbach aus Hildesheim. Dr. Karl neuen Vorstand zu wählen. Neben viel Kon- Ermert wurde auf Vorschlag des Vorstandes tinuität ergab sich dabei auch eine wichtige ebenfalls zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Für Veränderung in der Vereinsführung: Prof. Dr. seinen jahrelangen Einsatz dankt der AMJ dem Franz Riemer aus Wolfenbüttel wurde als neuer ausscheidenden Vorsitzenden sehr herzlich. Vorsitzender gewählt und tritt somit die Nach- Prof. Dr. Franz Riemer: „Es wird nach wie vor folge von Dr. Karl Ermert an, der nicht erneut unsere Aufgabe im Vorstand sein, den AMJ kandidierte. zukunftsfähig zu machen und auf seinem Riemer bildet zusammen mit seinen Vertrete- hohen Niveau zu halten. Dazu gehören Digi- rInnen Bine Becker-Beck (Mönchengladbach) talisierung ebenso wie aktuelle Formen der und Markus Brünger (Garbsen) den geschäfts- musikalischen Kommunikation, innovative führenden Vorstand. Sie gehören dem AMJ-Vor- Verwaltungsstrukturen und effektive Organi- stand seit den letzten beiden Wahlperioden an. sation. Die Hauptsache wird aber sein, sowohl Als BeisitzerInnen wurden wiedergewählt: in der musikalischen Breitenarbeit wie auch Joachim Geibel (Köln), Dr. Regina Görner (Saar- in der Spitzen- und Multiplikatorenbildung louis), Gabriele Nogalski (Bremen) sowie Berit aktiv tätig zu sein und so die Musikalisierung Walther (Jena). Neu hinzu kamen Nicole Lena de der Gesellschaft insbesondere im Kinder- und Terry (Köln) und Prof. Werner Rizzi (Solingen), Jugendbereich maßgeblich voranzutreiben.“ 2
Interview mit Dr. Karl Ermert „Zweck-los ist Kunst nie“ Generalsekretär Jörg Meder im Gespräch mit dem neuen AMJ-Ehrenvorsitzenden Dr. Karl Ermert Von 2012 bis 2018 war Dr. Karl Ermert Bundes- vorsitzender des AMJ. Er prägte in diesen sechs Jahren den AMJ und die Bundesgeschäftsstelle in besonderem Maße. Durch seine Erfahrungswer- te als ehemaliger Direktor der Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel war Karl Ermert bestens vertraut mit den administrativen Abläufen im operativen Kursgeschäft sowie in den Organisationsstrukturen einer Geschäfts- stelle. Er war zudem stets sehr interessiert an kulturpolitischen Entwicklungen und aktiv an Prozessen beteiligt. Durch seine Vernetzung mit anderen Verbänden und Institutionen, gewann der AMJ vielerorts wieder an Präsenz. Die Mitar- beiterInnen der Bundesgeschäftsstelle sind Karl Ermert für seine Hilfe und Unterstützung sehr dankbar und freuen sich, dass er als Ehrenvorsit- chen Phase freiwillig gemeinnützig Verantwor- zender des AMJ diesem nun weiterhin beratend tung übernehmen sollten, muss man den Wor- zur Verfügung steht. Im Gespräch mit General ten ja auch Taten folgen lassen. sekretär Jörg Meder gibt Karl Ermert einen klei- nen Rückblick über seine Erfahrungen und Erleb- Und, hat es sich gelohnt? nisse als Vorsitzender des AMJ. Ja, jedenfalls für mich unbedingt. Ich habe viel gelernt und hatte niemals Langeweile. Herr Ermert, Sie waren Vorsitzender des AMJ von 2012 bis 2018. Kleiner Blick Was war das Schöne? zurück: Warum haben Sie das Amt damals Ich habe viele Musikerinnen und Musiker ken- eigentlich übernommen? nengelernt und viel über ihre Arbeit und ihre Erstens: Ich wurde gefragt – von dem damali- Bedingungen erfahren. Ich habe unglaublich gen Generalsekretär des AMJ, Wolfram Kössler, viel über Musik gelernt, speziell über Chormu- und von unserer Ehrenvorsitzenden, Dr. Lore sik und Chorpädagogik. Das hat mir diese Welt Auerbach. Ihr kann man nur schwer widerste- neu erschlossen. Dann: Der AMJ besitzt hohes hen. Zweitens: Ich liebe Chormusik, hatte inzwi- Ansehen in der „Szene“. Er hat ja auch ein ganz schen auch selbst wieder in unserer Gemein- eigenes Profil unter den Musikverbänden, klein dekantorei angefangen zu singen, und war zwar, aber mit seinem Begegnungs- und (Fort-) neugierig darauf, diesen großen Bereich des Bildungsprogramm mit großer Wirkungsreich- Kulturlebens intensiver kennen zu lernen. Drit- weite. Und das Allerschönste: Wenn ich – z. B. in tens: Ich kannte den AMJ schon. Er hat ja seinen den Konzerten unserer Festivals – die Begeis- Sitz in Wolfenbüttel. Ich fand seine Arbeit wich- terung und das Glück wahrnehmen konnte, tig und wertvoll. Schließlich: Wenn man jahre- die das gemeinsame Singen unter den jungen lang und mit Überzeugung die Ansicht vertre- Leuten bewirkt, immer und immer wieder. Da ten hat, dass angesichts des demografischen sieht man, wofür man arbeitet. Und dass das Wandels gerade die Älteren in ihrer nachberufli- Sinn macht. 3
Interview mit Dr. Karl Ermert Karl Ermert (li.) mit den Atelierleitern Michael Gohl und und verbandspolitische Fragen, die Geschäfts- Jan Schumacher bei der Internationalen Jugendkammerchor- Begegnung des AMJ stelle für die operative Ebene. Was aber ja nicht bedeutet, dass der Vorstand befiehlt und der Generalsekretär und die MitarbeiterInnen fol- Wie haben Sie die Vorstandsarbeit erlebt? gen. Das ist immer ein Geben und Nehmen Außerordentlich positiv. Mit Glück, aber auch auf beiden Seiten. Die Grundlinie muss heißen: durch eigenes Zutun hat der AMJ einen Vor- Man nimmt sich gegenseitig mit Respekt wahr, stand, der mit seiner musikalischen und politi- selbst wenn der Vorstand die Entscheidungs- schen Kompetenz und in seiner Zusammenset- letztinstanz ist. Und so war das auch. zung mit Frauen und Männern und zwischen den Generationen hervorragend zusammen- Gab es trotzdem schon mal Probleme? gesetzt ist. Die Vorstandstagungen mit diesen Ja, die gab es natürlich. Der Vorstand hat immer KollegInnen waren mir immer ein Vergnügen, mehr Ideen, als durch die ja sehr überschauba- selbst bei schwierigen Themen. re Zahl von MitarbeiterInnen der Geschäfts- stelle umgesetzt werden können. Und manch- Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mal reiben sich Theorie und Praxis ziemlich zwischen Vorstand und Geschäftsstelle? kräftig. Aber das ist normal – und nicht weiter Ein ehrenamtlicher Vorstand allein kann ja schlimm, wenn eben die Zusammenarbeit von nicht viel bewirken, wenn es keinen General- gegenseitigem Respekt getragen ist. sekretär und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Schwierig waren in den ersten Jahren die vie- in der Geschäftsstelle gäbe, die die operative, len Personalwechsel in der Geschäftsstelle. Die praktische Arbeit tun und die das auch können, haben viel Energie gekostet, kollektives Erfah- was sie sollen und wollen. Die haben wir im rungswissen verloren gehen lassen und auch AMJ. Das ist ja eine bewährte Arbeitsteilung: programmliche Innovationen behindert. Jetzt Der – von den Mitgliedern gewählte und legiti- können wir Kontinuität verzeichnen und hoffen mierte – Vorstand ist zuständig für strategische auf eine entsprechend positive Entwicklung. 4
Interview mit Dr. Karl Ermert spannend, fruchtbar in den Ergebnissen, mit großer Aufmerksamkeit in der Musikszene und der Kulturpolitik wahrgenommen – und richtig viel Arbeit über zwei Jahre hinweg. Aber das hat sich gelohnt. Wo sehen Sie die Herausforderungen für die Zukunft? Ist der AMJ eigentlich mehr der Musik oder der Politik verpflichtet? Der AMJ ist den Menschen verpflichtet, die ihn tragen und die seine Kurse und Veranstaltun- gen besuchen. Ein Verband ist kein Wert an sich – nicht einmal der gute alte AMJ. Sinn macht der AMJ, weil er Menschen im Medium Musik ermöglicht, ihr Leben reicher und glücklicher zu gestalten. Dafür sind das Bildungs- und Begegnungsprogramm und die internationa- Mitgliederversammlung des AMJ 2016 in Hamburg (oben) Im Kreise der VorstandskollegInnen nach der Wahl im Jahr 2012 (unten) Die Buchveröffentlichung der Studie ist als Print-on-Demand über Libri im Buchhandel erhältlich. Überdies ist sie als PDF gra- tis zugänglich auf der Website des AMJ: www.amj-musik.de/cum Ein Problem, das uns ernsthaft drückt, ist der Fakt, dass die öffentliche Grundförderung sei- tens des Bundesjugendministeriums über den Kinder- und Jugendplan des Bundes inzwi- schen schon seit zehn Jahren nicht mehr wächst. Die Schere zwischen gestiegenen Kos- ten und Förderung ist inzwischen so weit auf- gegangen, dass wir sie auch durch sparsamste Haushaltsführung nicht mehr schließen kön- nen. Die für das nächste Jahr beschlossene Beitragserhöhung war eine leider unausweich- liche Konsequenz. Und selbst die allein wird nicht ausreichen. Das macht mir Sorgen. Was war Ihre größte inhaltliche Heraus forderung in diesen Jahren? Ohne Zweifel das Forschungs- und Diskurspro- jekt zum Thema Kinder- und Jugendchöre in der Migrationsgesellschaft. Das hatte ich mir ausgedacht, das habe ich selbst geleitet und mit Hilfe zweier projektfinanzierter Mitarbeite- rInnen von 2014 bis 2016 durchgeführt. Enorm 5
Interview mit Dr. Karl Ermert Die interne Logik der musikalischen Qualität liegt Musikern nahe, die Wahrnehmung der gesellschaftspolitischen Dimension dessen, was sie gerade in der Musikvermittlung tun, nicht so sehr. Schnell wittern sie eine „Verzweckung“ ihrer Kunst. Ich sehe es so: Zweck-los ist Kunst nie. Kunst, auch Musik, hat viele Funktionen. Nicht nur Unterhaltung und Erbauung, auch Kommu- nikation, Aufklärung, Stärkung des sozia- len Zusammenhaltes. Für Produzenten und Vermittler auch die Ökonomie des Lebensun Danksagung an den Leiter des jährlichen Leipziger Symposiums terhalts. Auch musikalische Kunstfreiheit zur Kinder- und Jugendstimme, Prof. Dr. Michael Fuchs besteht nicht in der Abwesenheit von Zwe- cken, sondern in der Wahlfreiheit zwischen len Chorfestivals da. Das hat immer auch eine ihnen – und für die ethische Dignität des Zwe- politische Dimension, weil gemeinsames Musi- ckes. zieren und was alles dazu gehört, über Teilha- Ethisch lohnenswerte gesellschaftliche Heraus- be und Integration ein gesellschaftlicher Fak- forderungen gibt es in der kapitalistischen, glo- tor ist. Man kann nicht zugleich miteinander balisierten, digitalisierten Gesellschaft genug, singen und aufeinander einprügeln. von der individuellen Persönlichkeitsbildung und der Stärkung von Kommunikations- und Im November 2016 wurde auf Initiative des AMJ der Freundes- Kooperationsfähigkeiten bis zur Verbreiterung und Förderkreis EUROTREFF in Wolfenbüttel gegründet der sozialen und kulturellen Teilhabemöglich- 6
Interview mit Dr. Karl Ermert Mit der stellvertretenden AMJ-Vorsitzenden Bine Becker-Beck gemeinsames Leben und Lernen statt über vor einem AMJ-Konzert die Generationsgrenzen hinweg und wird Zusammenhalt gestiftet. Es gibt aber selbst- keiten. In wie vielen Chören, z. B., diese quasi verständlich auch neue Themen, die uns der Erziehungsaufgaben über den musikalischen musikalisch-technische Fortschritt beschert, Kern der praktischen Chorarbeit hinaus tat- z. B. App-Musik, die ganz neue niedrigschwel- sächlich systematisch bedacht und aufgenom- lige Zugangswege zum Musizieren für Kinder men werden, würde ich gerne einmal wissen. und Jugendliche eröffnet. Das müssen wir Ich vermute, eher selten. Aber sie sind da. auch aufnehmen. Und zwar eben genauso aus musikalischen wie aus sozialen Gründen. Bil- Was heißt das jetzt für den AMJ? dung und Begegnung von Menschen im Medi- In der Musik, besser, dem Musizieren, setzen um Musik dienen dem Individuum ebenso wie wir beim AMJ durchaus „breitenkulturell“ an, der Gemeinschaft. suchen aber immer auch nach Qualität. Besse- Nie darf man denn auch vergessen: Wir bewe- re Musik und bessere Qualität des Musizierens gen wir uns auf einem stark besetzten Markt. In machen das Leben reicher. Dahin zu kommen unsere Kurse kommen Menschen ausschließ- in der Laienmusik ist eine stetige Herausforde- lich freiwillig. Am Ende zählen nicht vor allem rung und ein hoher Qualitätsanspruch an die die Bedarfe, die von uns bzw. den Fachleuten Vermittlung. für richtig und wichtig gehalten werden, son- Dabei muss das Rad nicht neu erfunden wer- dern die Bedürfnisse, also was die Menschen den. Familienmusikwochen, z. B., sehen heute wirklich interessiert und wofür sie bereit sind, natürlich anders aus als vor zwanzig Jahren. Zeit und Geld einzusetzen. Ihr Grundsinn ist aber heute (und morgen) so aktuell und wichtig wie je. Hier findet Vielen Dank für das Gespräch! 7
Usedom 2018 o m e d U s or- e rch m, mm do d ka g Use 2018 en un st e Jug egn Augu ud a n l a Be 26 g . e La tio is on te rna 1 7. b n Sim 2. I n Vo 1 Alle zwei Jahre treffen sich auf der Insel Usedom Jugendchöre aus aller Welt zur Internationalen Jugendkammerchor-Begegnung. Zehn Tage lang erarbeiten die jungen SängerInnen in Ateliers neue Chorliteratur, geben Konzerte auf der Insel und lernen sich untereinander besser kennen. Bei der inzwischen zwölften Begegnung vom 17. bis 26. August dieses Jahres waren vier Chöre aus drei Nationen mit insgesamt 150 TeilnehmerIn- nen zu Gast: der Mädchenchor April aus Russ- Als erste trafen die SängerInnen aus Wolgast land, Ss. Cyril & Methodios aus Griechenland, der in der Jugendherberge „Strandgut“ in Trassen- Mädchenchor des Goethe-Gymnasiums Demmin heide ein, um hoch motiviert schon mit den und (als „Gastgeberchor“ traditionell seit Beginn ersten Proben zu starten und schon früh die an) der Jugendchor des Runge-Gymnasiums Räumlichkeiten mit Musik zu füllen. Nach und Wolgast. nach füllte sich die Herberge, die seit Anbe- 8
Usedom 2018 ginn des Festivals alle TeilnehmerInnen durch ein freundliches und gemütliches Ambiente, durch die tolle und nahe Lage am Ostseestrand und durch die herzensgute Fürsorge der Her- bergsleitung (Vielen Dank, Silvia und Thomas!) geborgen aufnimmt. Nach dem Ankommen, dem Beziehen der Zimmer, der ersten Stärkung und einem ersten Beschnuppern fanden sich alle im Hof zum „Begrüßungsabend“ zusam- men: Ein erstes musikalisches Kennenlernen, jeder Chor stellte sich mit zwei Stücken aus seinem eigenen Repertoire vor. Am nächsten Morgen ging es schon früh mit den ersten Pro- ben in den Kirchen in Zinnowitz, Karlshagen lichen Proben. Nach dem musikalischen Vor- und Krummin weiter. In drei Ateliers studier- geschmack am Freitagabend konnten der ten die AtelierleiterInnen Mårten Jansson griechische Chor aus Thessaloniki und der (Schweden), Nicholas Kok (England) und Anne Wolgaster Jugendchor die Zuhörer beim ers- Kohler (Deutschland) mit den Jugendlichen ten Begegnungskonzert in der Zinnowitzer neue Chormusik ein. Kirche am Samstagabend überzeugen. Die Begegnungskonzerte bieten einen guten Usedom, danke! Einstieg in die Festivalwoche voller Proben, Bei traumhaft schönem Wetter war das kon- Begegnung und Konzerte: Jeweils zwei Chöre zentrierte Proben aber nicht immer leicht, geben hier ein Konzert für die anderen Chöre eine Abkühlung in den Kirchenräumen tat sowie für zahlreiche BesucherInnen der Insel. jedoch nicht nur den TeilnehmerInnen gut, So war auch das zweite Begegnungskonzert auch ein paar InselbewohnerInnen und -besu- in der Kirche in Krummin am Montagabend cherInnen fanden den Weg zu den morgend- gut besucht, und der Mädchenchor des 9
Usedom 2018 Ss. Cyril & Methodios (Griechenland) vier teilnehmenden Chören kam nur ein Chor mit eigener Fahrmöglichkeit, wodurch die Tage auf der Insel gefüllt waren von Fahrt-Abspra- chen, Shuttle-Diensten und Fahrradeinsätzen – Musikgymnasiums Demmin und der russische zum Glück hielt das Wetter. Vielen Dank an all Chor April boten einen guten Einblick in ihr die Einsatzbereiten! mitgebrachtes Repertoire. Nicht nur für abendliche Gesangseinlagen wur- Über die Woche und über verschiedene Orte de das „Strandgut“ zum Musizieren genutzt, am der Insel verteilt, fanden dann die Inselkonzerte Mittwoch- und Freitagabend wurde der Hof statt. Hier sangen immer zwei Chöre parallel der Jugendherberge in einen Probenort ver- in den Kirchen in Ahlbeck, Heringsdorf, wandelt, in welchem die gemeinsamen Stücke Zinnowitz und bei schönstem Wetter in der mit allen TeilnehmerInnen einstudiert wurden. Strandmuschel in Trassenheide. Spontan gründete sich eine „Festival-Band“ mit Die logistische Herausforderung in diesem Jahr den AtelierleiterInnen am Schlagzeug (Mårten war der Transport der Chöre auf der Insel. Bei Jansson), am Klavier (Nicholas Kok) und am 10
Usedom 2018 Atelier Mädchenchor Mårten Jansson (Schweden) People Get Ready Curtis Mayfield Fredmans Epistel N:o 72 Carl Michael Bellmann Bist du bei mir Gottfried Heinrich Stölzel Sirds Zin – The Heart Knows Valts Pūce Hallelujah I Just Love Him So Ray Charles 11
Usedom 2018 Mädchenchor des Goethe-Gymnasiums Demmin (Deutschland) Dirigentenpult (Anne Kohler), sowie einer Bass- gruppe mit AMJ-Generalsekretär Jörg Meder und Josi vom Wolgaster Jugendchor. Neben den musikalischen Proben und den Konzerten wurde das gute Wetter genutzt, wetter pur taten der Regen und die daraus um die Insel zu erkunden, Beachvolleyball zu resultierende Abkühlung doch mal gut. Beson- spielen, Tischtennis-Turniere zu veranstalten ders der britische Atelierleiter Nicholas Kok und auch miteinander zu tanzen. Angeleitet war darüber höchst erfreut und sehr dankbar vom Wolgaster Jugendchor wurde in der Frei- („I mean… yes!“). Trotz nicht ganz so guten zeit fleißig ein traditioneller „Rundtanz“ ein- Wetters gab das Atelier von Mårten Jansson studiert (ein kleiner Einblick kann auf unse- zum Abschluss der Atelierarbeit im Café Nasch- rem Instagram-Account gewonnen werden: katze, nah an der Krumminer Kirche gelegen, https://www.instagram.com/amj_ev/). schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das Am Freitag zogen dann doch ein paar Wolken Abschlusskonzert und wurde dafür mit lecke- auf, und nach all den Sonnentagen mit Strand- rem und mit Noten verziertem Kuchen belohnt. 12
Usedom 2018 Atelier für gemischten Jugendchor Nicholas Kok (England) Glory to Thee / All Praise to You Thomas Tallis Douce Dame Jolie Guillaume de Machaut Jamaican Farewell Traditional Wake Me, Shake Me Traditional Why and Wherefore Nicholas Kok All of Me Seymour Simons / Gerald Marks
Usedom 2018 Mädchenchor April (Russland) Lunchpakete, genug zu trinken, hat jeder seine Noten? Nachdem alles und alle Beteiligten vor Ort waren und auch die Generalprobe geschafft war, konnte das Konzert beginnen. Eröffnet Usedom Farewell! wurde es – von allen Chören gemeinsam sin- Und dann war es auch schon wieder Sams- gend und an der Orgel begleitet von Nicholas tag, und die Festivalwoche war wieder viel zu Kok – durch einen Einzug zu dem bekannten schnell vergangen. Der Tag startete mit einer englischen Choral „All my hope on God is foun- frühen Abfahrt zum Ort des Abschlusskonzerts, ded“, bei dem auch das Publikum zum kräftigen in dem nun die musikalischen Ergebnisse aus Mitsingen eingeladen war. Andächtig bauten den Ateliers präsentiert werden sollten. Das sich die Chöre in den Seitenschiffen und auf erste Mal fand das Konzert in der St.-Marien- der Bühne auf. Nach diesem Auftakt präsentier- Kirche in Anklam statt, da in diesem Jahr die te jeder Chor ein Stück aus seinem Repertoire. St.-Petri-Kirche in Wolgast durch Bauarbeiten Das Atelier von Mårten Jansson startete danach nicht zugänglich war. Bloß nichts vergessen: mit der Präsentation der Atelierarbeit und bot 14
Usedom 2018 Atelier Mädchenchor Anne Kohler (Deutschland) A Little Jazz Mass: Kyrie / Gloria / Sanctus Bob Chilcott Sehnsucht Johannes Brahms Bring Me Little Water, Sylvie Huddie Ledbetter The Joiku Jukka Linkola
Usedom 2018 Chor des Runge-Gymnasiums Wolgast (Deutschland) eine abwechslungsreiche Reise durch unter- schiedliche Epochen und Stile: Von klassischem Soul, „People Get Ready“ von Curtis Mayfield, und Musik aus der Barockzeit, Gottfried Hein- rich Stölzels „Bist du bei mir“, bis hin zu Jazz- Guillaume de Machaut mit „Douce Dame Jolie“ und R&B-Musik, „Hallelujah I Just Love Him So“ zu Gospel- und Jazzmusik mit „Wake Me, Shake (Ray Charles), und dem lettischen Stück „Sirds Me“ (Scott Stroman) und „All of Me“ (Seymour Zin – The Heart Knows“. Simons / Gerald Marks). Das Atelier von Nicholas Kok begann geistlich Die Sängerinnen aus dem Atelier unter der Lei- mit dem Kanon „Glory to Thee / All Praise to tung von Anne Kohler beschäftigten sich mit You“ von Thomas Tallis und führte die Zuhö- Auszügen aus der bekannten „Little Jazz Mass“ rer mit pausenlosen Übergängen zwischen von Bob Chilcott, mit dem Stück „Sehnsucht“ den einzelnen Stücken weiter von lautstarken, von Johannes Brahms und mit dem onomato- mittelalterlichen Klängen aus dem 14. Jahr- poetischen Stück „The Joiku“ vom finnischen hundert vom französischen Komponisten Komponisten Jukka Linkola. Ein dem Festi- 16
Eurotreff Usedom 2018 2017 val nicht unbekanntes Stück wurde ebenfalls Podeste zum Wackeln brachte. Gleich zwei erarbeitet: „Bring Me Little Water, Sylvie“, ein Uraufführungen bekam das Publikum zum amerikanischer Folksong mit Bodypercussion- Abschluss des Konzertes zu hören: Zum einen Elementen, welcher bei der Internationalen eine wunderschöne Vertonung des Gedichts Jugendkammerchor-Begegnung 2014 schon „Juninatten“ des schwedischen Autors Harry alle TeilnehmerInnen animierte mit einzustim- Martinson, eigens für die Jugendkammerchor- men und auch in diesem Jahr wieder eine rege Begegnung von Mårten Jansson geschrieben, Beteiligung aller SängerInnen fand. zum anderen Nicholas Koks Komposition „Use- Höhepunkt und Abschluss zugleich waren die dom Farewell“. In einer schlaflosen Nacht hatte sogenannten „Common Pieces“, bei denen er diesen anspruchsvollen Kanon samt Begleit- alle 150 TeilnehmerInnen gemeinsam auf der stimmen komponiert, mit dem sich alle Teil- Bühne standen und sangen. Unter der Leitung nehmerInnen des Festivals musikalisch von der von Anne Kohler wurde das südafrikanische Insel und der gemeinsamen Zeit verabschie- Traditional „Nginesi Ponono“ gesungen, zu deten, und dessen Textfragmente sich in den dem eine einstudierte Choreografie die Chor- Überschriften dieses Artikels wiederfinden. 17
Usedom 2018 Usedom, wir werden dich vermissen! der griechischen SängerInnen, die so früh zum Nach dem gelungen Konzert fuhren alle – Flughafen Berlin aufbrechen mussten, noch geschafft, aber sehr glücklich – wieder zurück hinterher zu winken. Der Sonntag war gefüllt in die Jugendherberge in Trassenheide. Bei mit Aufbruchsstimmung, vielen Tränen und reichlich Grillgut, leckeren Salaten, Musik und einem regen Austausch der Handynummern. Tanz wurde bis spät in die Nacht gefeiert. Die Wieder hat sich gezeigt: Die gemeinsamen TeilnehmerInnen des Ateliers von Anne Kohler zehn Tage auf der Insel Usedom lassen alle Teil- hatten neben den ganzen Proben und Kon- nehmerInnen über Ländergrenzen hinweg zu zerten der vergangenen Woche auch noch einer großen Familie zusammenwachsen! gemeinsam ein Medley aus ihren Atelierstü- cken einstudiert, auch dem wunderbaren Team Usedom, bis zum nächsten Mal! des „Strandguts“ wurde musikalisch gedankt. Wir freuen uns auf die nächste und damit Und auch wenn die doch relativ laute Musik 13. Internationale Jugendkammerchor-Begeg- irgendwann eingestellt werden musste, bedeu- nung auf Usedom vom 10. Juli bis zum 19. Juli tete dies nicht das Ende dieses Abends… 2020! Usedom, auf Wiedersehen! Zahlreiche weitere Fotos der Jugendkammer- …schließlich musste doch jede/r neu gefun- chor-Begegnung sowie Videos finden Sie unter: dene FreundIn bei der Abfahrt gebührend ver- www.usedom.amj-musik.de abschiedet werden. So blieb der härteste Kern facebook.com/amj.musik auch bis 05.00 Uhr nachts wach, um dem Bus www.instagram.com/amj_ev 18
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Internationalität und Begegnung im Zeichen der Musik Internationalität Internationalität und In der Geschichte und Vorgeschichte des AMJ Begegnung im Zeichen wurde – obwohl es sich um einen nationalen der Musik Verband handelt – schon immer Internationa- lität hergestellt. Bereits in den Vorfahrvereini- Von Franz Riemer gungen wie etwa den Musikantengilden um Fritz Jöde oder Georg Götsch waren Fahrten in Die Jugendkammerchor-Begegnung auf Use- das europäische Ausland an der Tagesordnung. dom ist ein wundervolles Zeichen für das Tref- Jöde pflegte in den dreißiger Jahren enge Kon- fen junger Menschen auf internationaler Ebe- takte mit Skandinavien und reiste oft dort- ne. Alle zwei Jahre treffen sich einige hundert hin, um seine Ideen, die gerne aufgenommen Jugendliche aus unterschiedlichen Ländern, wurden, zu verbreiten. In den fünfziger Jahren um sich kennen zu lernen, miteinander zu sin- wurde der Reiseradius sogar bis Südamerika gen, miteinander zu sprechen, miteinander erweitert. Damals war es der Einmannbetrieb Spaß zu haben. Verbindend ist die Musik: jeder um Fritz Jöde („um“ deshalb, weil er die Aus- Chor bringt sein eigenes Repertoire mit, um es landsfahrten eben nicht ganz alleine bestritten zu präsentieren, und gemeinsam wird interes- hat, sondern oft einen Kreis der Gleichgesinn- sante Chormusik mit geeigneten DozentInnen ten um sich hatte; im Mittelpunkt stand aber erarbeitet und aufgeführt. Hier bietet es sich immer er selbst). Jöde brachte sein Repertoire an, einige Gedanken über die beiden Wesens- mit und verbreitete dies mithilfe seiner „Erfin- merkmale dieses Treffens (neben der Musik) dung“, dem offenen Singen. zu formulieren: die Internationalität und die Der AMJ hat dieses Verfahren mit der Interna- Begegnung. tionalität gedreht. Nunmehr kommen aus dem 20
Internationalität und Begegnung im Zeichen der Musik Ausland die TeilnehmerInnen nach Deutsch- land. Aus der „Missionskultur“ ist eine „Einla- dungskultur“ geworden, in der die Begegnung von jungen Menschen aus verschiedenen Nati- onen „im Geiste der Musik“ (dies wieder auch im Sinne von Fritz Jöde) zusammenkommt. So geschieht es bei der Jugendkammerchor- Begegnung auf Usedom seit Anbeginn von 1996 an. Mittlerweile waren 90 Chöre aus Belgi- en, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Griechenland, Großbritannien, Israel, Italien, Lettland, Litauen, Norwegen, Polen, Rumänien, Russland, Schweden, Schweiz, Slo- wakei, Spanien, Tschechien, Ungarn und Weiß- russland mit ihren Betreuerinnen und Betreu- ern, Chorleiterinnen und Chorleitern beteiligt. Die Chorgattungen sind gemischter Jugend- chor (inklusive Studenten- bzw. Universitäts chor, Schulchor, Kammer-, Jazz-, Konzertchor) Offenes Singen in der Jungfernheide (Berlin) und Mädchenchor – einmal auch Knabenchor. 1930 mit Fritz Jöde im Mittelpunkt Die jungen Menschen aus Europa und darüber hinaus finden sich in Ateliers für gemischten einer Jugendbegegnung nahe liegt, ein einzi- Chor und für Mädchenchor wieder, was bei ges Mal konnte ein Knabenchoratelier angebo- ten werden (siehe oben). Fritz Jöde unterrichtet bei einer seiner Auslandsreisen Wozu und warum „Ateliers“? Den Begriff Atelier (Siljan-Schule in Tällberg am Siljansee / Schweden) 1934 kennen wir als einen Arbeitsraum, eine Arbeits- 21
Internationalität und Begegnung im Zeichen der Musik stätte, z.B. für einen Künstler. Die Bezeichnung das Spannende, das Neue – insbesondere für steht aber nicht nur für den Raum, sondern Jugendliche, die noch keine geballte Lebens- auch für den Inhalt, der darin „lebt“. Auf Use- erfahrung vorweisen können. Die Usedomer dom ist der Raum meist eine Kirche und der Ateliers sind also diverse, geradezu universel- Inhalt ist Klang, Chorklang, „junger“ Chorklang. le Gebilde, die sowohl der Raum als auch die In dem Raum schwebt auch das Erlebnis mit, Atmosphäre als auch die Arbeitsstätte für die gemeinsamen Chorstudien in internationaler Gemeinschaft sind. Auch das DozentInnenteam ist international aufgestellt. Hier tut sich nahezu eine gesamt- europäische Karte auf, die gelegentlich auch die Grenzen Europas verlässt. Es kamen Ateli- erleiterInnen aus Belgien, Deutschland, Groß- britannien, Estland, Finnland, Frankreich, Israel, Italien, Norwegen, Schweden, der Schweiz, Slo- wenien, Spanien und den USA. Die Arbeitsspra- che ist in erster Linie englisch, in zweiter Linie Gestik. Begegnung – frei von Wettbewerb, aber mit Anspruch Begegnung ist ein oft gebrauchtes Wort. Wie bei jedem Begriff ist der individuelle Interpre- tationsspielraum divers und mehr oder weni- ger weit gestreut. Es gibt den Ort der Begeg- nung, das Haus der Begegnung, sportliche 22
Internationalität und Begegnung im Zeichen der Musik Begegnungen, die dann mitunter auch Wett- Das Medium unserer Begegnung ist die Musik. kampfcharakter haben. Das meinen wir nicht. Es ist ja längst bekannt und immer wieder Wettkämpfe werden in der Regel gegenein- propagiert: Musik ist eine Sprache, die jeder ander ausgetragen, unsere Begegnungen im versteht. Musik nur als Medium (für ande- AMJ geschehen miteinander. In unseren Fami- res) zu nutzen, ist uns aber nicht genug. Wir lienkursen ist es die generationsübergreifende verbinden damit einen Anspruch und dieser Begegnung, auf unseren Orchesterfreizeiten ist es die bilaterale Begegnung und auf Use- dom ist es eine multilaterale Begegnung unter Nationen und – vor allem – unter Menschen. Die Begegnung ist nicht nur eine musikalische, sie ist auch eine politische, eine gesellschafts- politische. Mit diesem Treffen leistet der AMJ einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Völ- kerverständigung und somit letztlich zur Frie- denssicherung in Europa und auf der ganzen Welt. Der Gedanke der Begegnung wird dabei über die Musik hinaus noch überhöht: Was wir hier leisten, ist eine Investition in die Zukunft. Das frühzeitige Kennenlernen von Kulturen aus dem gesamten europäischen (zum Teil auch kleinasiatischen und östlichen Mittelmeer-) Raum entfaltet gegenseitiges Erfahren, gegen- seitiges Verstehen und gegenseitiges Akzep- tieren von Kulturen, insbesondere natürlich von Musikkulturen. 23
Internationalität und Begegnung im Zeichen der Musik Anspruch heißt: gute Musik. Dies zeigt sich Gesungen wird sowohl weltliche als auch sehr deutlich in den Ateliers. Hier herrscht kein geistliche Chormusik, Poparrangements wie jugendbewegtes Singkreisverständnis, son- auch Folklore aus den Ländern der beteilig- dern der Wunsch und Wille nach anspruchs- ten Chöre, Traditionals aus aller Herren Län- vollen Ergebnissen. der, entweder a cappella oder mit Klavier bzw. Auf Usedom geht das so: AtelierleiterInnen sogar kammermusikalischer Begleitung. Zeit- werden international und nach hochwertigen genössische Musik steht neben Romantikern Qualitätsmaßstäben ausgesucht und eingela- und Renaissancemusik. In den Abschlusskon- den. Sie bringen ein professionelles Repertoire zerten hört das interessierte Publikum Stü- aus ihrem Umfeld mit. Das setzten sie mit den cke aus dem Repertoire der Chöre, Einstu- AtelierteilnehmerInnen, also den Jungen und dierungen aus den verschiedenen Ateliers, Mädchen, um. Pädagogische Professionalität gemeinsame Stücke mit der gesamten Teil- ist dabei ebenso gefordert wie künstlerische nehmerschar, gelegentlich sogar Urauffüh- Reife. Junge Menschen aus unterschiedlichen rungen, wenn AtelierleiterInnen für ihr Atelier Nationen mit unterschiedlichen Voraussetzun- oder für alle Teilnehmenden eine passende gen und unterschiedlichen Sprachen müssen „Usedomkomposition“ geschrieben haben. über eine dritte Sprache (in der Regel Englisch) zu einem homogenen und interpretationsfähi- Zum Schluss ein paar persönliche Bemerkun- gen Ensemble zusammengeführt werden. Das gen: Ich hatte Gelegenheit, in diesem Jahr ist keine leichte Aufgabe und verlangt einen für ein paar Tage die Jugendkammerchor- ganzen Katalog an musikalischen, pädagogi- Begegnung auf Usedom zu besuchen. Was ich schen, inter- bzw. transkulturellen Fähigkeiten. erlebte, war eine Atmosphäre von empathi- Das Repertoire ist so vielfältig wie die Nationen, scher Freude und Gemeinschaft. Dazu kamen Chöre, Chorleiter und Chorleiterinnen, Atelier- engagierte DozentInnen mit Feingefühl, kluge leiter und Atelierleiterinnen unterschiedlich und auffassungsschnelle Kinder und Jugend- sind. Die Musik, die gemacht wird, ist natürlich liche und ein Organisationsteam, dass immer nicht mehr die „Jugendmusik“ des letzten Jahr- und ständig alles im Griff hatte. Die Musik war hunderts, sondern ein bunter Reigen an Gen- vielfältig und von hoher Qualität. Und über- res aus allem, was die Gegenwart und Vergan- all war spürbar: Internationalität und Begeg- genheit zu bieten hat. nung. 24
AMJ-Mitgliedschöre im Porträt Christophorus-Kantorei Altensteig Von Michael Nonnenmann Der Name „Christophorus-Kantorei“ täuscht, der Chor ist keine Kantorei nach evangelischer Tradition in kirchlicher Trägerschaft. Die Chor- mitglieder sind Schülerinnen und Schüler des Christophorus-Gymnasiums Altensteig mit Mu- sikprofil, Jugendliche aus einem ländlich ge- prägten Umfeld. Die Christophorus-Kantorei wird aber dahingehend ihrem Namen gerecht, dass sie ihren Ausgangspunkt bei der geist lichen Chormusik sieht, von dem aus die ganze Welt der Chormusik erschlossen wird. Seit 56 Jahren gibt es in Altensteig eine inten- siv betriebene Chorarbeit. Dem Chorgründer Dr. Jürg Wieber und dem Christlichen Jugend- dorfwerk Deutschlands (CJD) ist es zu verdan- dieser Basis aus legte er im Laufe der Jahre den ken, dass sich eine solche Tradition in Alten- Schwerpunkt auf zeitgenössische Chormusik steig entwickelte, die weit in die Region und und erweiterte das weltliche Repertoire. Dazu das Land hinausstrahlte. Seit nunmehr 25 Jah- kamen Projekte mit szenischer Umsetzung von ren wird der Chor von Michael Nonnenmann Chormusik und eine zunehmende Präsenz bei geleitet. Auch für ihn ist geistliche Chormusik, Chorwettbewerben. Im Jahr 2003 wurde die das reiche Erbe von Schütz, Bach, Mendelssohn damalige Jugenddorf Christophorusschule Bartholdy u.a., das Rückgrat der Chorarbeit. Von verstaatlicht und das Internat geschlossen – 25
AMJ-Mitgliedschöre im Porträt die Chorarbeit musste umstrukturiert werden. Die Christophorus-Kantorei probt an drei Abenden in der Woche und hat rund 30 Kon- zerte und Auftritte pro Jahr. Die jährliche zweiwöchige Pfingstreise ist der Höhepunkt eines Chorjahres, fast alle europäischen Län- der sowie Südafrika, Argentinien, Neuseeland und die USA wurden bisher bereist. Mit Vor- liebe werden die Choristen in Privatquartieren untergebracht und lernen so verschiedener Kulturen und Lebensstile kennen – von afrika- nischen Rundhütten bis hin zu amerikanischen Luxusvillen. Viele Kontakte sind so entstanden, und regelmäßig werden Chöre nach Altensteig eingeladen, um Konzerte zu geben und den entstandenen Kontakt zu vertiefen. Eine große Motivation ist für die Jugendli- Regelmäßig setzt sich der Chor zum Ziel, die chen auch die Teilnahme an Wettbewerben. Hauptwerke seines Repertoires auf CD einzu- Durch intensive Probenarbeit und den hier spielen. Immer wieder rückt die Christopho- besonders gefragten Teamgeist hat man schon rus-Kantorei in den Fokus der Medien, in den gewonnen, bevor der Wettbewerb überhaupt letzten Jahren war der Chor vor allem im SWR- beginnt. Neue Kontakte entstehen, die oft zum Fernsehen und -Rundfunk präsent. Anknüpfungspunkt für einen weiteren Chor Innovative oratorische Projekte kamen dazu: austausch werden. Und die Erfolge häuften Zuletzt hat der Chor mit Friederike Rademann sich im Laufe der Jahre: Allein in den letzten von der Bachakademie Stuttgart als Choreogra- zwei Jahren kamen die Altensteiger immer mit phin „Elias“ und „Johannespassion“ szenisch auf einem 1. Preis oder einer Goldmedaille von drei internationalen Wettbewerben zurück: Lin- denholzhausen, Tampere/Finnland und Zadar/ Kroatien.
AMJ-Mitgliedschöre im Porträt die Bühne gebracht – Projekte mit großer Öffent- lichkeitswirksamkeit und prägenden Erfahrun- gen. „West Side Story“ und „Anatevka“ wurden aufgeführt, vor der einmaligen Kulisse des Alten- steiger Schlosses mit „Carmen“ sogar eine Oper. Die „Chorlaufbahn“ beginnt mit der Christo- phorus-Chorschule, ein Angebot für Kinder der 4. Klassen. Am Christophorus-Gymnasium kön- nen sie dann die Chorklasse 5 und 6 besuchen. Hier werden innerhalb des regulären Musikun- terrichts stimmliche Grundlagen gelegt und chorische „basics“ trainiert. So vorbereitet und motiviert, werden die Kinder ab Klasse 6 in den Christophorus-Kinderchor eingeladen, der mit Gymnasium ablegen. Zahlreiche Chöre in der Wolfgang Weible als Chorleiter (2005-2017) in Region werden von aktiven und ehemaligen den vergangenen Jahren eine rasante Entwick- Chormitgliedern der Christophorus-Kantorei lung genommen hat. In die Christophorus-Kan- geleitet. torei werden die Mädchen dann mit Beginn der Trotz der allgemeinen Verdichtung durch das 9. Klasse, die Jungen mit Beginn der Mutation achtjährige Gymnasium und dem Einfluss der aufgenommen. Medien ist in Altensteig die Motivation für das Jedes Chormitglied wird 20 Minuten pro Woche Singen ungebrochen. Der stehende Beifall des individuell betreut. Es ist ein großes Glück, dass Publikums nach einem wichtigen Konzert, die die Christophorus-Kantorei zwei Stimmbildner Ergebnisbekanntgabe bei einem Chorwett- hat, welche die Altensteiger Chorarbeit von bewerb oder die gemeinsame körperliche klein auf kennen: Jeannette Bühler und Samuel Erschöpfung nach CD-Aufnahmen führen zu Schick (seit 2018). Gemeinschaftserlebnissen und lösen Glücks- Aber nicht nur die Konzerte und Auftritte strah- momente aus, die lange nachwirken. len aus in die Region. In Zusammenarbeit mit dem Bezirkskantor Peter Ammer bietet Micha- el Nonnenmann eine Chorleiterausbildung an. Weitere Informationen unter Jedes Jahr können Chormitglieder die kirchen- www.christophorus-kantorei.de musikalische D-Prüfung am Christophorus- 27
Aus der Kursarbeit merInnen kommen regelmäßig und zum Teil seit vielen Jahren nach Leipzig. Ich selber war 2004 das erste Mal als Teilnehmer auf dem Symposium dabei und freue mich, seit 2014 als Mitglied des Planungsteams aktiv an der Gestaltung mitwir- ken zu dürfen. Einen maßgeblichen Anteil am Stimmtechniken – Gelingen des Symposiums und der konstruktiven und fast familiären Atmosphäre hat dessen Leiter Gesangsstile – Prof. Dr. Michael Fuchs, der die ganze Veranstal- Stimmgesundheit tung mit seiner Kompetenz und seiner herzlichen Art prägt. Das 16. Leipziger Symposium zur Kinder- und Jugendstimme, Interdisziplinäres Konzept 23. bis 25. Februar 2018 Ein zentrales Merkmal des Symposiums ist Von Nils Ole Peters sein interdisziplinäres Konzept: Die Veran- staltung richtet sich ganz bewusst nicht Das Leipziger Symposium zur Kinder- und Ju- nur an Mitglieder einer bestimmten Fach- gendstimme fand in diesem Jahr mittlerweile richtung, sondern an alle, die mit singen- zum sechzehnten Mal statt. Mit über 400 Teil- den Kindern und Jugendlichen arbeiten. Zu nehmerInnen ist das Symposium eine der größ- den TeilnehmerInnen gehören also Ärzte ten Fortbildungsmaßnahmen für das Singen mit und Ärztinnen, LogopädInnen, Stimmthera jungen Stimmen im deutschsprachigen Raum. peutInnen, StimmbildnerInnen, Gesangsleh- Veranstaltet wird es von der Sektion Phoniatrie rerInnen, ChorleiterInnen und viele mehr. und Audiologie der Klinik und Poliklinik für Hals-, Ebenso vielfältig wie der Teilnehmerkreis ist Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitäts das Programm: neben zahlreichen Vorträgen klinikum Leipzig. Mit dem AMJ, der Hochschu- aus den Bereichen Medizin und Musik bilden le für Musik und Theater „Felix Mendelssohn vier Workshops den Rahmen des Symposiums. Bartholdy“ Leipzig und dem Bundesverband Die Workshops werden jeweils mehrfach wie- Deutscher Gesangspädagogen kann das Sym- derholt, damit alle TeilnehmerInnen jede Ver- posium auf erfahrene und kompetente Koope- anstaltung des Symposiums besuchen kön- rationspartner zurückgreifen. Viele der Teilneh- nen. Die Kombination aus den theoretischen 28
Aus der Kursarbeit Vorträgen und den praktischen Workshops hat det. Um diesen vielen Ansprüchen zu begeg- sich in der Vergangenheit bewährt und schafft nen, besteht das Planungsteam aus zurzeit 16 eine gute Abwechslung an diesem intensiven ExpertInnen aus verschiedenen Bereichen von und gut gefüllten Wochenende. Neben den Medizin und Musik, die ihre Erfahrungen und offiziellen Programmpunkten wird den Teil- Ideen ins Konzept mit einbringen. nehmerInnen viel Raum für Gespräche mit Kol- legInnen und ReferentInnen sowie zur Reflexi- Stimmtechniken – Gesangsstile – on des Gehörten eingeräumt. Die lockere und Stimmgesundheit ungezwungene Atmosphäre des Symposiums Das diesjährige Symposium stand unter dem trägt hierzu einen wichtigen Teil bei. Die the- Thema „Stimmtechniken – Gesangsstile – matische Vielfalt bietet eine ganz besondere Stimmgesundheit“. Dieses Thema hat in Zeiten Chance: sie ermöglicht einen kollegialen Aus- ständiger Erreichbarkeit von Musik und somit tausch über den eigenen Tellerrand hinaus und auch Gesang besondere Relevanz. Durch damit einen ganzheitlichen Überblick über den Internetplattformen wie YouTube oder durch Bereich der Kinder- und Jugendstimme. Stream ingdienste haben Kinder ständigen Zugriff auf vielfältige stimmliche Einflüsse, die Vor dem Symposium ist ihre Art des Hörens und Singens prägen. Wäh- vor dem Symposium rend früher vor allem die sogenannte klassi- Die Planungen für die Symposien beginnen sche Gesangstechnik im Vordergrund stand, teilweise sehr früh, unter Umständen Jahre im existieren mittlerweile verschiedenste didak- Voraus. Mehrmals im Jahr trifft sich das Pla- tische und technische Konzepte für die unter- nungsteam, um die Konzepte sowie nähere schiedlichsten Gesangsarten. Für alle, die mit Details zu besprechen. Besondere Bedeutung Kindern singen, ist es heute daher umso wich- kommt dem Finden des Themas der Sympo- tiger, diese Vielfalt einzuschätzen und entspre- sien zu, das einige Vorgaben erfüllen muss: chend der Literatur anzuwenden. Zum einen soll das Symposium sowohl für Eröffnet wurde das Symposium vom Oberton- MusikerInnen als auch MedizinerInnen glei- sänger und Naturwissenschaftler Wolfgang chermaßen interessant sein, zum anderen soll Saus, der dem Publikum mit seinem Musikvor- das Thema genügend Substanz bieten, um ein trag eine wichtige Botschaft vor Augen und ganzes Wochenende mit Vorträgen und Work- Ohren führte: Stimmgesundheit ist keineswegs shops zu füllen. Ebenso gilt es, ein interessan- tes Gleichgewicht zwischen Theorie und Pra- xis, sowie zwischen klassischer und populärer Stimmtechnik zu finden. Im Mittelpunkt aller Überlegungen steht natürlich der Bezug zur Kinder- und Jugendstimme, die sich in Bezug auf Physiologie und Didaktik zum Teil erheb- lich von der Erwachsenenstimme unterschei- 29
Aus der Kursarbeit populären Gesangs stellte Prof. Sascha Wien- hausen in seinem Workshop über „reduzierte Klänge“ vor: mithilfe dieser Technik kann der Kraftaufwand im populären Gesang aktiv ver- ringert und die Gefahr einer stimmlichen Über- lastung vermieden werden. an eine bestimmte Art des Singens gebunden, Zwei weitere Workshops wurden im Plenum sondern kann als Ergebnis einer ökonomi- durchgeführt. Malte Heygster zeigte dem Pub- schen und an die Erfordernisse abgestimmten likum mithilfe einiger Freiwilliger, wie effizient Technik unabhängig vom Gesangsstil erreicht und einfach das Konzept der relativen Solmi- werden. Im von Herrn Saus angebotenen sation funktioniert. Diese Methode eignet sich Workshop konnten die TeilnehmerInnen am gerade auch für die Arbeit mit Kindern, da sie auf eigenen Leib erfahren, wie das Wahrnehmen geradezu spielerische Art und Weise ein Gefühl von Obertönen den Klang, die Intonation und für Harmonik und musikalische Zusammenhän- die Homogenität im Ensemble fassbar und ge vermittelt. Ebenfalls mit Unterstützung durch kontrollierbar machen. Wichtige Impulse zur einige Freiwillige gab Prof. Juan M. Garcia eine Schulung von Wahrnehmung und Interaktion Einführung in die Welt des Beatboxens. gab auch die Chorleiterin Claudia Burghard in Erstmals auf einem Leipziger Symposium gab ihrem Workshop zur freien vokalen Improvi- es auch einen Beitrag von Studierenden der sation. Durch aufmerksame Kommunikation Hochschule „Felix Mendelssohn Bartholdy“. innerhalb eines Ensembles und das Reagieren Unter der Leitung von Prof. Ilse-Christine Otto auf Impulse anderer SängerInnen entstan- berichteten Leevke Hambach und Hanna den im Workshop faszinierende musikalische Gebilde. Auf was für einem beeindruckenden Niveau eine kollektive Improvisation stattfin- den kann, zeigte Burghards eigenes Ensemble, das „Stimmorchester“, in seinem Konzert am Samstagabend, das das Publikum zu Begeiste- rungsstürmen hinriss. Mit einer ganz anderen Art von Musik und Probentechnik beschäftig- ten sich die TeilnehmerInnen im Workshop des Chorleiters Henning Voss, der seine Methode vorstellte, mit Kindern und Jugendlichen Wer- ke von Johann Sebastian Bach und ähnlich komplexe Literatur zu erarbeiten. Interessante wissenschaftliche Erkenntnisse zur Technik des 30
Aus der Kursarbeit Hagel, Studentinnen des Leipziger Master- Ein ganz besonderes Highlight des Sympo Studienganges Gesangspädagogik, über die siums war für mich der Auftritt der Band Chancen und die Risiken von Singen lernen im „Blondie and the brains“, deren Mitglieder Internet. Neben einigen positiven und nega- größtenteils MedizinerInnen des Universitäts- tiven Beispielen aus dem Internet stellten sie klinikums Leipzig sind. Nach dem Auftritt des auch den sehr interessanten Selbstversuch Stimmorchesters spielte die Band am Sams- mit einem eigenen kurzen Gesangs-Tutorial tagabend Tanzmusik bis in die Nacht hinein. vor, der zeigte, dass es durchaus nicht leicht Die musikalischen MedizinerInnen bringen ist, einen qualifizierten und vor allem umfas- auf die Bühne, was beim Symposium seit Jah- senden Beitrag für das Internet zu erstellen. ren gelebt wird: ein ungezwungener und ent- Zusammenfassend kann gesagt werden, dass spannter Dialog über die Grenzen der Spezial- sich grundlegende Lerninhalte durchaus mit- gebiete hinweg. hilfe von Tutorials vermitteln lassen, ein qualifi- In diesem Sinne freue ich mich bereits jetzt auf zierter Gesangsunterricht in seiner Vielfalt und viele weitere Symposien, auf neue Planungs- Individualität auf diese Weise aber nicht ersetzt runden innerhalb des Teams und auf den regen werden kann. Das Thema Neue Medien wurde fachlichen Austausch mit KollegInnen und durch die Bloggerin und Gesangspädagogin FreundInnen. Anna Stijohann und dem Musiker Paul Jacobi im Rundtischgespräch mit Prof. Fuchs aufge- Das 17. Leipziger Symposium zur Kinder- und griffen. Beide nutzen das Internet seit langem Jugendstimme findet vom 22. – 24.02.2019 statt. erfolgreich als Plattform zur Verbreitung ihrer Thema: Stimmen hören – Potentiale entwickeln – Beiträge und wiesen auf die vielen Chancen Störungen behandeln hin, die solche Medien bieten. Am Ende des 16. Leipziger Symposiums zur Kinder- und Jugendstimme stand eine Auf- führung des Kindermusicals „Martin Luther“ von Gerd-Peter Münden (Musik) und Bri- gitte Antes (Text), mit dem Chor der Grund- schule forum thomanum und dem Jugend sinfonieorchester Leipzig. Die Aufführung des Luther-Musicals wurde durch die Koope- ration mit dem forum thomanum und der Hochschule für Musik und Theater möglich.
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