Intervalle Arbeitskreis Musik in der Jugend 2018

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Intervalle Arbeitskreis Musik in der Jugend 2018
Intervalle
   Arbeitskreis Musik in der Jugend 2018
Intervalle Arbeitskreis Musik in der Jugend 2018
Inhaltsverzeichnis

       Editorial                                                        1

       AMJ-Mitgliederversammlung und Vorstandswahl 2018                 2

       Zweck-los ist Kunst nie
       Interview mit Dr. Karl Ermert                                    3

       12. Internationale Jugendkammerchor-Begegnung Usedom             8

       Internationalität und Begegnung im Zeichen der Musik            20

       AMJ-Mitgliedschöre im Porträt:
       Christophorus-Kantorei Altensteig                               25

       Berichte aus der Kursarbeit
         Das 16. Leipziger Symposium zur Kinder- und Jugendstimme      28
         50 Jahre Chor- und Orchesterwoche Hinterschmiding             32
         Wie kommt die Musik in den Film?
         Filmmusik-Komposition für Jugendliche                         34
         Jazz- und Pop-Trainingscamp in Sondershausen
         Interview mit Juan Garcia                                     36
         Zehn Tage Lernen auf höchstem Niveau
         Chorleitung und Chorische Stimmbildung mit Volker Hempfling   40
         20 Jahre Französisch-Deutsche Orchesterfreizeit in Dinard     44
         Chor- und Orchesterfreizeit mit Bachs Erben                   46
         Musik- und Theaterfreizeiten sowie Opernworkshops
         für Kinder und Jugendliche                                    48

       Interview mit der AMJ-Ehrenvorsitzenden Lore Auerbach           50

       Von Hannover nach Essen
       Der Knabenchor Hannover singt Brittens „War Requiem“            54

       60 Jahre Ulmer Spatzen Chor                                     57

       Der Kinderchor Cantemus zu Gast in der Ukraine                  58

       Der Knabenchor der Singakademie Frankfurt/O. in Russland        60

       Internationale Chorbegegnungen –
       Der Weg zum Internationalen Austausch                           63

       10. Deutscher Chorwettbewerb in Freiburg                        66

       Der Spaß am Singen steht an erster Stelle
       Singpaten-Projekt in Hessen                                     69

       AMJ-Mitgliedschöre im Porträt:
       Kinder- und Jugendchor Magdeburg                                72

       Informationen und Neuigkeiten                                   75
Intervalle Arbeitskreis Musik in der Jugend 2018
Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,                            tung Professiona-
                                                       lismus ausgedehnt.
Musik, Begeisterung, junge Leute! Das ist              So gehören unsere
es, womit wir es im Arbeitskreis Musik in der          Mitgliedsensemb-
Jugend zu tun haben. Die musikalische Arbeit           les zu einem nicht
mit Jugendlichen steht im Mittelpunkt. Wir             unerheblichen Teil
wissen, welcher Tradition wir verpflichtet sind.       zu den semiprofes-
Es ist die Tradition aus der Jugendmusikbewe-          sionellen Chören,
gung, die aber natürlich den Wandel der Zeit           die auf den ein-
mitgemacht und im Lauf der Jahre moderne               schlägigen      Wett-
wie zeitgemäße Strömungen in sich aufge-               bewerben wie zum
nommen hat. Im Vokalbereich ging es vom Lie-           Beispiel dem Deut-
dersingen hin zu anspruchsvoller Chor­musik            schen Chorwettbe-
mit einem weitgefächerten internationalen              werb hervorragende Leistungen zeigen. Davon
Repertoire, im Instrumentalbereich von der             wird in dieser Ausgabe berichtet und darauf
Spielmusik zu sinfonischen Klängen der klassi-         sind wir als Verband sehr stolz. Das beeinflusst
schen, romantischen und modernen Literatur.            auch unsere Haltung: für die Jugend nur das
Qualitätsbewusstsein ist allgegenwärtig. Und           Beste, das haben wir früher so gehalten und
das gestalten wir mit denjenigen, die es wei-          das ist auch im gedanklichen Zentrum unseres
tertragen können, sollen und werden, mit den           gegenwärtigen Schaffens und Wirkens. Sehr
Jugendlichen, die eine faszinierende Begeiste-         schön deutlich formulieren das unsere beiden
rung für die Musik mitbringen und auch uns             Ehrenvorsitzenden in den Interviews, die in
immer wieder damit anstecken.                          den Intervallen zu lesen sind.

Das gemeinsame Musizieren ist uns wichtig.             Lore Auerbach weiß, dass man mit Musik man-
Das Gemeinsame macht sich an der Ensem-                ches erreichen kann, was in der großen Politik
blearbeit fest. Nahezu alle Kursangebote des           auch mal etwas länger dauert. Der AMJ hat
AMJ beziehen sich auf Ensembles entweder in            von Anfang an „übernational“ gedacht, sich
der direkten praktischen Arbeit (in der Haupt-         international engagiert und war da vielleicht
sache mit Jugendlichen) oder in der Multiplika-        tatsächlich ein bisschen schneller als die Poli-
torenfort- und weiterbildung. Davon lesen Sie          tik. Karl Ermert sagt, dass Kunst nie zwecklos
in den Kurs- und Reiseberichten dieses Heftes.         sei und immer auch eine politische Dimension
Mit den Reiseländern Ukraine und Russland              mitschwinge. Der AMJ sei den Menschen ver-
stehen wir hier ebenso im Zeichen der Inter-           pflichtet. Diese Verpflichtung nehmen wir über
nationalität wie mit dem großen Event dieses           die Musik wahr, die wir an die jungen Leute
Jahres, der Jugendkammerchor-Begegnung                 weitergeben und ernten dafür Begeisterung.
auf Usedom, bei der Chöre aus drei Nationen            Das ermuntert uns, auch weiterhin im musika-
beteiligt waren. Die Kursberichte sind vom             lischen wie im politischen Raum für die Jugend
großangelegten Symposium über die hoch-                aktiv zu sein.
attraktive Chor- und Orchesterfreizeit bis zum
Meisterkurs für Chorleiterinnen und Chorleiter
breit gefächert. Und auch in diesen Berichten
schwingt die Begeisterung für die Sache, für
die Musik immer mit.                                   Prof. Dr. Franz Riemer
                                                       Bundesvorsitzender
Musizieren ist ein Begriff, der für den Laienbe-
reich steht. Dieser Laienbereich hat aber in den
letzten Jahrzehnten seinen Grenzwert in Rich-

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Intervalle Arbeitskreis Musik in der Jugend 2018
AMJ-Mitgliederversammlung und Vorstandswahl 2018

    Neuwahl des AMJ-Vorstands                             v. l. n. r.: Lore Auerbach (Ehrenvorsitzende), Joachim Geibel
                                                          (Beisitzer), Gabriele Nogalski (Beisitzerin); Prof. Dr. Franz Riemer
                                                          (Vorsitzender), Bine Becker-Beck (stellv. Vorsitzende), Markus
    AMJ-Mitgliederversammlung                             Brünger (stellv. Vorsitzender), Dr. Karl Ermert (Ehrenvorsitzender).
    und Vorstandswahl am 23. Juni 2018                    Abwesend: Regina Görner, Nicole Lena de Terry, Prof. Werner
    in Braunschweig                                       Rizzi, Berit Walther (alle Beisitzer).

    Am 23. Juni 2018 trafen sich die Mitglieder des       die als neue Beisitzer kooptiert wurden. Ergänzt
    AMJ in Braunschweig, um sich über das aktuel-         wird das Gremium durch die Ehrenvorsitzen-
    le Geschehen informieren zu lassen und einen          de Dr. Lore Auerbach aus Hildesheim. Dr. Karl
    neuen Vorstand zu wählen. Neben viel Kon-             Ermert wurde auf Vorschlag des Vorstandes
    tinuität ergab sich dabei auch eine wichtige          ebenfalls zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Für
    Veränderung in der Vereinsführung: Prof. Dr.          seinen jahrelangen Einsatz dankt der AMJ dem
    Franz Riemer aus Wolfenbüttel wurde als neuer         ausscheidenden Vorsitzenden sehr herzlich.
    Vorsitzender gewählt und tritt somit die Nach-        Prof. Dr. Franz Riemer: „Es wird nach wie vor
    folge von Dr. Karl Ermert an, der nicht erneut        unsere Aufgabe im Vorstand sein, den AMJ
    kandidierte.                                          zukunftsfähig zu machen und auf seinem
    Riemer bildet zusammen mit seinen Vertrete-           hohen Niveau zu halten. Dazu gehören Digi-
    rInnen Bine Becker-Beck (Mönchengladbach)             talisierung ebenso wie aktuelle Formen der
    und Markus Brünger (Garbsen) den geschäfts-           musikalischen Kommunikation, innovative
    führenden Vorstand. Sie gehören dem AMJ-Vor-          Verwaltungsstrukturen und effektive Organi-
    stand seit den letzten beiden Wahlperioden an.        sation. Die Hauptsache wird aber sein, sowohl
    Als BeisitzerInnen wurden wiedergewählt:              in der musikalischen Breitenarbeit wie auch
    Joachim Geibel (Köln), Dr. Regina Görner (Saar-       in der Spitzen- und Multiplikatorenbildung
    louis), Gabriele Nogalski (Bremen) sowie Berit        aktiv tätig zu sein und so die Musikalisierung
    Walther (Jena). Neu hinzu kamen Nicole Lena de        der Gesellschaft insbesondere im Kinder- und
    Terry (Köln) und Prof. Werner Rizzi (Solingen),       Jugendbereich maßgeblich voranzutreiben.“

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Intervalle Arbeitskreis Musik in der Jugend 2018
Interview mit Dr. Karl Ermert

„Zweck-los ist Kunst nie“
Generalsekretär Jörg Meder im Gespräch
mit dem neuen AMJ-Ehrenvorsitzenden
Dr. Karl Ermert

Von 2012 bis 2018 war Dr. Karl Ermert Bundes-
vorsitzender des AMJ. Er prägte in diesen sechs
Jahren den AMJ und die Bundesgeschäftsstelle in
besonderem Maße. Durch seine Erfahrungswer-
te als ehemaliger Direktor der Bundesakademie
für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel war Karl
Ermert bestens vertraut mit den administrativen
Abläufen im operativen Kursgeschäft sowie in
den Organisationsstrukturen einer Geschäfts-
stelle. Er war zudem stets sehr interessiert an
kulturpolitischen Entwicklungen und aktiv an
Prozessen beteiligt. Durch seine Vernetzung mit
anderen Verbänden und Institutionen, gewann
der AMJ vielerorts wieder an Präsenz. Die Mitar-
beiterInnen der Bundesgeschäftsstelle sind Karl
Ermert für seine Hilfe und Unterstützung sehr
dankbar und freuen sich, dass er als Ehrenvorsit-       chen Phase freiwillig gemeinnützig Verantwor-
zender des AMJ diesem nun weiterhin beratend            tung übernehmen sollten, muss man den Wor-
zur Verfügung steht. Im Gespräch mit General­           ten ja auch Taten folgen lassen.
sekretär Jörg Meder gibt Karl Ermert einen klei-
nen Rückblick über seine Erfahrungen und Erleb-         Und, hat es sich gelohnt?
nisse als Vorsitzender des AMJ.                         Ja, jedenfalls für mich unbedingt. Ich habe viel
                                                        gelernt und hatte niemals Langeweile.
Herr Ermert, Sie waren Vorsitzender des
AMJ von 2012 bis 2018. Kleiner Blick                    Was war das Schöne?
zurück: Warum haben Sie das Amt damals                  Ich habe viele Musikerinnen und Musiker ken-
eigentlich übernommen?                                  nengelernt und viel über ihre Arbeit und ihre
Erstens: Ich wurde gefragt – von dem damali-            Bedingungen erfahren. Ich habe unglaublich
gen Generalsekretär des AMJ, Wolfram Kössler,           viel über Musik gelernt, speziell über Chormu-
und von unserer Ehrenvorsitzenden, Dr. Lore             sik und Chorpädagogik. Das hat mir diese Welt
Auerbach. Ihr kann man nur schwer widerste-             neu erschlossen. Dann: Der AMJ besitzt hohes
hen. Zweitens: Ich liebe Chormusik, hatte inzwi-        Ansehen in der „Szene“. Er hat ja auch ein ganz
schen auch selbst wieder in unserer Gemein-             eigenes Profil unter den Musikverbänden, klein
dekantorei angefangen zu singen, und war                zwar, aber mit seinem Begegnungs- und (Fort-)
neugierig darauf, diesen großen Bereich des             Bildungsprogramm mit großer Wirkungsreich-
Kulturlebens intensiver kennen zu lernen. Drit-         weite. Und das Allerschönste: Wenn ich – z. B. in
tens: Ich kannte den AMJ schon. Er hat ja seinen        den Konzerten unserer Festivals – die Begeis-
Sitz in Wolfenbüttel. Ich fand seine Arbeit wich-       terung und das Glück wahrnehmen konnte,
tig und wertvoll. Schließlich: Wenn man jahre-          die das gemeinsame Singen unter den jungen
lang und mit Überzeugung die Ansicht vertre-            Leuten bewirkt, immer und immer wieder. Da
ten hat, dass angesichts des demografischen             sieht man, wofür man arbeitet. Und dass das
Wandels gerade die Älteren in ihrer nachberufli-        Sinn macht.

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Intervalle Arbeitskreis Musik in der Jugend 2018
Interview mit Dr. Karl Ermert

     Karl Ermert (li.) mit den Atelierleitern Michael Gohl und       und verbandspolitische Fragen, die Geschäfts-
     Jan Schumacher bei der Internationalen Jugendkammerchor-
     Begegnung des AMJ
                                                                     stelle für die operative Ebene. Was aber ja nicht
                                                                     bedeutet, dass der Vorstand befiehlt und der
                                                                     Generalsekretär und die MitarbeiterInnen fol-
     Wie haben Sie die Vorstandsarbeit erlebt?                       gen. Das ist immer ein Geben und Nehmen
     Außerordentlich positiv. Mit Glück, aber auch                   auf beiden Seiten. Die Grundlinie muss heißen:
     durch eigenes Zutun hat der AMJ einen Vor-                      Man nimmt sich gegenseitig mit Respekt wahr,
     stand, der mit seiner musikalischen und politi-                 selbst wenn der Vorstand die Entscheidungs-
     schen Kompetenz und in seiner Zusammenset-                      letztinstanz ist. Und so war das auch.
     zung mit Frauen und Männern und zwischen
     den Generationen hervorragend zusammen-                         Gab es trotzdem schon mal Probleme?
     gesetzt ist. Die Vorstandstagungen mit diesen                   Ja, die gab es natürlich. Der Vorstand hat immer
     KollegInnen waren mir immer ein Vergnügen,                      mehr Ideen, als durch die ja sehr überschauba-
     selbst bei schwierigen Themen.                                  re Zahl von MitarbeiterInnen der Geschäfts-
                                                                     stelle umgesetzt werden können. Und manch-
     Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit                          mal reiben sich Theorie und Praxis ziemlich
     zwischen Vorstand und Geschäftsstelle?                          kräftig. Aber das ist normal – und nicht weiter
     Ein ehrenamtlicher Vorstand allein kann ja                      schlimm, wenn eben die Zusammenarbeit von
     nicht viel bewirken, wenn es keinen General-                    gegenseitigem Respekt getragen ist.
     sekretär und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter                   Schwierig waren in den ersten Jahren die vie-
     in der Geschäftsstelle gäbe, die die operative,                 len Personalwechsel in der Geschäftsstelle. Die
     praktische Arbeit tun und die das auch können,                  haben viel Energie gekostet, kollektives Erfah-
     was sie sollen und wollen. Die haben wir im                     rungswissen verloren gehen lassen und auch
     AMJ. Das ist ja eine bewährte Arbeitsteilung:                   programmliche Innovationen behindert. Jetzt
     Der – von den Mitgliedern gewählte und legiti-                  können wir Kontinuität verzeichnen und hoffen
     mierte – Vorstand ist zuständig für strategische                auf eine entsprechend positive Entwicklung.

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Intervalle Arbeitskreis Musik in der Jugend 2018
Interview mit Dr. Karl Ermert

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                                                                         großer Aufmerksamkeit in der Musikszene und
                                                                         der Kulturpolitik wahrgenommen – und richtig
                                                                         viel Arbeit über zwei Jahre hinweg. Aber das
                                                                         hat sich gelohnt.

                                                                         Wo sehen Sie die Herausforderungen für
                                                                         die Zukunft? Ist der AMJ eigentlich mehr
                                                                         der Musik oder der Politik verpflichtet?
                                                                         Der AMJ ist den Menschen verpflichtet, die ihn
                                                                         tragen und die seine Kurse und Veranstaltun-
                                                                         gen besuchen. Ein Verband ist kein Wert an sich
                                                                         – nicht einmal der gute alte AMJ. Sinn macht
                                                                         der AMJ, weil er Menschen im Medium Musik
                                                                         ermöglicht, ihr Leben reicher und glücklicher
                                                                         zu gestalten. Dafür sind das Bildungs- und
                                                                         Begegnungsprogramm und die internationa-

                                                                         Mitgliederversammlung des AMJ 2016 in Hamburg (oben)
                                                                         Im Kreise der VorstandskollegInnen nach der Wahl
                                                                         im Jahr 2012 (unten)

Die Buchveröffentlichung der Studie ist als Print-on-Demand
über Libri im Buchhandel erhältlich. Überdies ist sie als PDF gra-
tis zugänglich auf der Website des AMJ: www.amj-musik.de/cum

Ein Problem, das uns ernsthaft drückt, ist der
Fakt, dass die öffentliche Grundförderung sei-
tens des Bundesjugendministeriums über den
Kinder- und Jugendplan des Bundes inzwi-
schen schon seit zehn Jahren nicht mehr
wächst. Die Schere zwischen gestiegenen Kos-
ten und Förderung ist inzwischen so weit auf-
gegangen, dass wir sie auch durch sparsamste
Haushaltsführung nicht mehr schließen kön-
nen. Die für das nächste Jahr beschlossene
Beitragserhöhung war eine leider unausweich-
liche Konsequenz. Und selbst die allein wird
nicht ausreichen. Das macht mir Sorgen.

Was war Ihre größte inhaltliche Heraus­
forderung in diesen Jahren?
Ohne Zweifel das Forschungs- und Diskurspro-
jekt zum Thema Kinder- und Jugendchöre in
der Migrationsgesellschaft. Das hatte ich mir
ausgedacht, das habe ich selbst geleitet und
mit Hilfe zweier projektfinanzierter Mitarbeite-
rInnen von 2014 bis 2016 durchgeführt. Enorm

                                                                     5
Intervalle Arbeitskreis Musik in der Jugend 2018
Interview mit Dr. Karl Ermert

                                                                        Die interne Logik der musikalischen Qualität
                                                                        liegt Musikern nahe, die Wahrnehmung der
                                                                        gesellschaftspolitischen Dimension dessen, was
                                                                        sie gerade in der Musikvermittlung tun, nicht
                                                                        so sehr. Schnell wittern sie eine „Ver­zweckung“
                                                                        ihrer Kunst.
                                                                        Ich sehe es so: Zweck-los ist Kunst nie. Kunst,
                                                                        auch Musik, hat viele Funktionen. Nicht nur
                                                                        Unterhaltung und Erbauung, auch Kommu-
                                                                        nikation, Aufklärung, Stärkung des sozia-
                                                                        len Zusammenhaltes. Für Produzenten und
                                                                        Vermittler auch die Ökonomie des Lebensun­
     Danksagung an den Leiter des jährlichen Leipziger Symposiums       terhalts. Auch musikalische Kunstfreiheit
     zur Kinder- und Jugendstimme, Prof. Dr. Michael Fuchs              besteht nicht in der Abwesenheit von Zwe-
                                                                        cken, sondern in der Wahlfreiheit zwischen
     len Chorfestivals da. Das hat immer auch eine                      ihnen – und für die ethische Dignität des Zwe-
     politische Dimension, weil gemeinsames Musi-                       ckes.
     zieren und was alles dazu gehört, über Teilha-                     Ethisch lohnenswerte gesellschaftliche Heraus-
     be und Integration ein gesellschaftlicher Fak-                     forderungen gibt es in der kapitalistischen, glo-
     tor ist. Man kann nicht zugleich miteinander                       balisierten, digitalisierten Gesellschaft genug,
     singen und aufeinander einprügeln.                                 von der individuellen Persönlichkeitsbildung
                                                                        und der Stärkung von Kommunikations- und
     Im November 2016 wurde auf Initiative des AMJ der Freundes-        Kooperationsfähigkeiten bis zur Verbreiterung
     und Förderkreis EUROTREFF in Wolfenbüttel gegründet                der sozialen und kulturellen Teilhabemöglich-

                                                                    6
Intervalle Arbeitskreis Musik in der Jugend 2018
Interview mit Dr. Karl Ermert

Mit der stellvertretenden AMJ-Vorsitzenden Bine Becker-Beck       gemeinsames Leben und Lernen statt über
vor einem AMJ-Konzert                                             die Generationsgrenzen hinweg und wird
                                                                  Zusammenhalt gestiftet. Es gibt aber selbst-
keiten. In wie vielen Chören, z. B., diese quasi                  verständlich auch neue Themen, die uns der
Erziehungsaufgaben über den musikalischen                         musikalisch-technische Fortschritt beschert,
Kern der praktischen Chorarbeit hinaus tat-                       z. B. App-Musik, die ganz neue niedrigschwel-
sächlich systematisch bedacht und aufgenom-                       lige Zugangswege zum Musizieren für Kinder
men werden, würde ich gerne einmal wissen.                        und Jugendliche eröffnet. Das müssen wir
Ich vermute, eher selten. Aber sie sind da.                       auch aufnehmen. Und zwar eben genauso aus
                                                                  musikalischen wie aus sozialen Gründen. Bil-
Was heißt das jetzt für den AMJ?                                  dung und Begegnung von Menschen im Medi-
In der Musik, besser, dem Musizieren, setzen                      um Musik dienen dem Individuum ebenso wie
wir beim AMJ durchaus „breitenkulturell“ an,                      der Gemeinschaft.
suchen aber immer auch nach Qualität. Besse-                      Nie darf man denn auch vergessen: Wir bewe-
re Musik und bessere Qualität des Musizierens                     gen wir uns auf einem stark besetzten Markt. In
machen das Leben reicher. Dahin zu kommen                         unsere Kurse kommen Menschen ausschließ-
in der Laienmusik ist eine stetige Herausforde-                   lich freiwillig. Am Ende zählen nicht vor allem
rung und ein hoher Qualitätsanspruch an die                       die Bedarfe, die von uns bzw. den Fachleuten
Vermittlung.                                                      für richtig und wichtig gehalten werden, son-
Dabei muss das Rad nicht neu erfunden wer-                        dern die Bedürfnisse, also was die Menschen
den. Familienmusikwochen, z. B., sehen heute                      wirklich interessiert und wofür sie bereit sind,
natürlich anders aus als vor zwanzig Jahren.                      Zeit und Geld einzusetzen.
Ihr Grundsinn ist aber heute (und morgen)
so aktuell und wichtig wie je. Hier findet                        Vielen Dank für das Gespräch!

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Intervalle Arbeitskreis Musik in der Jugend 2018
Usedom 2018

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      1

    Alle zwei Jahre treffen sich auf der Insel Usedom
    Jugendchöre aus aller Welt zur Internationalen
    Jugendkammerchor-Begegnung. Zehn Tage lang
    erarbeiten die jungen SängerInnen in Ateliers
    neue Chorliteratur, geben Konzerte auf der Insel
    und lernen sich untereinander besser kennen. Bei
    der inzwischen zwölften Begegnung vom 17. bis
    26. August dieses Jahres waren vier Chöre aus
    drei Nationen mit insgesamt 150 TeilnehmerIn-
    nen zu Gast: der Mädchenchor April aus Russ-                         Als erste trafen die SängerInnen aus Wolgast
    land, Ss. Cyril & Methodios aus Griechenland, der                    in der Jugendherberge „Strandgut“ in Trassen-
    Mädchenchor des Goethe-Gymnasiums Demmin                             heide ein, um hoch motiviert schon mit den
    und (als „Gastgeberchor“ traditionell seit Beginn                    ersten Proben zu starten und schon früh die
    an) der Jugendchor des Runge-Gymnasiums                              Räumlichkeiten mit Musik zu füllen. Nach und
    Wolgast.                                                             nach füllte sich die Herberge, die seit Anbe-

                                                                     8
Usedom 2018

ginn des Festivals alle TeilnehmerInnen durch
ein freundliches und gemütliches Ambiente,
durch die tolle und nahe Lage am Ostseestrand
und durch die herzensgute Fürsorge der Her-
bergsleitung (Vielen Dank, Silvia und Thomas!)
geborgen aufnimmt. Nach dem Ankommen,
dem Beziehen der Zimmer, der ersten Stärkung
und einem ersten Beschnuppern fanden sich
alle im Hof zum „Begrüßungsabend“ zusam-
men: Ein erstes musikalisches Kennenlernen,
jeder Chor stellte sich mit zwei Stücken aus
seinem eigenen Repertoire vor. Am nächsten
Morgen ging es schon früh mit den ersten Pro-
ben in den Kirchen in Zinnowitz, Karls­hagen         lichen Proben. Nach dem musikalischen Vor-
und Krummin weiter. In drei Ateliers studier-        geschmack am Freitagabend konnten der
ten die AtelierleiterInnen Mårten Jansson            griechische Chor aus Thessaloniki und der
(Schweden), Nicholas Kok (England) und Anne          Wolgaster Jugendchor die Zuhörer beim ers-
Kohler (Deutschland) mit den Jugendlichen            ten Begegnungskonzert in der Zinnowitzer
neue Chormusik ein.                                  Kirche am Samstagabend überzeugen. Die
                                                     Begegnungskonzerte bieten einen guten
Usedom, danke!                                       Einstieg in die Festivalwoche voller Proben,
Bei traumhaft schönem Wetter war das kon-            Begegnung und Konzerte: Jeweils zwei Chöre
zentrierte Proben aber nicht immer leicht,           geben hier ein Konzert für die anderen Chöre
eine Abkühlung in den Kirchenräumen tat              sowie für zahlreiche BesucherInnen der Insel.
jedoch nicht nur den TeilnehmerInnen gut,            So war auch das zweite Begegnungskonzert
auch ein paar InselbewohnerInnen und -besu-          in der Kirche in Krummin am Montagabend
cherInnen fanden den Weg zu den morgend-             gut besucht, und der Mädchenchor des

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Usedom 2018

                                                             Ss. Cyril & Methodios
                                                             (Griechenland)

                                                             vier teilnehmenden Chören kam nur ein Chor
                                                             mit eigener Fahrmöglichkeit, wodurch die Tage
                                                             auf der Insel gefüllt waren von Fahrt-Abspra-
                                                             chen, Shuttle-Diensten und Fahrradeinsätzen –
    Musikgymnasiums Demmin und der russische                 zum Glück hielt das Wetter. Vielen Dank an all
    Chor April boten einen guten Einblick in ihr             die Einsatzbereiten!
    mitgebrachtes Repertoire.                                Nicht nur für abendliche Gesangseinlagen wur-
    Über die Woche und über verschiedene Orte                de das „Strandgut“ zum Musizieren genutzt, am
    der Insel verteilt, fanden dann die Inselkonzerte        Mittwoch- und Freitagabend wurde der Hof
    statt. Hier sangen immer zwei Chöre parallel             der Jugendherberge in einen Probenort ver-
    in den Kirchen in Ahlbeck, Heringsdorf,                  wandelt, in welchem die gemeinsamen Stücke
    Zinnowitz und bei schönstem Wetter in der                mit allen TeilnehmerInnen einstudiert wurden.
    Strandmuschel in Trassenheide.                           Spontan gründete sich eine „Festival-Band“ mit
    Die logistische Herausforderung in diesem Jahr           den AtelierleiterInnen am Schlagzeug (Mårten
    war der Transport der Chöre auf der Insel. Bei           Jansson), am Klavier (Nicholas Kok) und am

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Usedom 2018

Atelier Mädchenchor
Mårten Jansson (Schweden)
People Get Ready
Curtis Mayfield
Fredmans Epistel N:o 72
Carl Michael Bellmann
Bist du bei mir
Gottfried Heinrich Stölzel
Sirds Zin – The Heart Knows
Valts Pūce
Hallelujah I Just Love Him So
Ray Charles

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Usedom 2018

    Mädchenchor des Goethe-Gymnasiums
    Demmin (Deutschland)

    Dirigentenpult (Anne Kohler), sowie einer Bass-
    gruppe mit AMJ-Generalsekretär Jörg Meder
    und Josi vom Wolgaster Jugendchor.
    Neben den musikalischen Proben und den
    Konzerten wurde das gute Wetter genutzt,               wetter pur taten der Regen und die daraus
    um die Insel zu erkunden, Beachvolleyball zu           resultierende Abkühlung doch mal gut. Beson-
    spielen, Tischtennis-Turniere zu veranstalten          ders der britische Atelierleiter Nicholas Kok
    und auch miteinander zu tanzen. Angeleitet             war darüber höchst erfreut und sehr dankbar
    vom Wolgaster Jugendchor wurde in der Frei-            („I mean… yes!“). Trotz nicht ganz so guten
    zeit fleißig ein traditioneller „Rundtanz“ ein-        Wetters gab das Atelier von Mårten Jansson
    studiert (ein kleiner Einblick kann auf unse-          zum Abschluss der Atelierarbeit im Café Nasch-
    rem Instagram-Account gewonnen werden:                 katze, nah an der Krumminer Kirche gelegen,
    https://www.instagram.com/amj_ev/).                    schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das
    Am Freitag zogen dann doch ein paar Wolken             Abschlusskonzert und wurde dafür mit lecke-
    auf, und nach all den Sonnentagen mit Strand-          rem und mit Noten verziertem Kuchen belohnt.

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Usedom 2018

Atelier für gemischten Jugendchor
Nicholas Kok (England)
Glory to Thee / All Praise to You
Thomas Tallis
Douce Dame Jolie
Guillaume de Machaut
Jamaican Farewell
Traditional
Wake Me, Shake Me
Traditional
Why and Wherefore
Nicholas Kok
All of Me
Seymour Simons / Gerald Marks
Usedom 2018

                                                         Mädchenchor April
                                                         (Russland)

                                                         Lunchpakete, genug zu trinken, hat jeder seine
                                                         Noten? Nachdem alles und alle Beteiligten vor
                                                         Ort waren und auch die Generalprobe geschafft
                                                         war, konnte das Konzert beginnen. Eröffnet
    Usedom Farewell!                                     wurde es – von allen Chören gemeinsam sin-
    Und dann war es auch schon wieder Sams-              gend und an der Orgel begleitet von Nicholas
    tag, und die Festivalwoche war wieder viel zu        Kok – durch einen Einzug zu dem bekannten
    schnell vergangen. Der Tag startete mit einer        englischen Choral „All my hope on God is foun-
    frühen Abfahrt zum Ort des Abschlusskonzerts,        ded“, bei dem auch das Publikum zum kräftigen
    in dem nun die musikalischen Ergebnisse aus          Mitsingen eingeladen war. Andächtig bauten
    den Ateliers präsentiert werden sollten. Das         sich die Chöre in den Seitenschiffen und auf
    erste Mal fand das Konzert in der St.-Marien-        der Bühne auf. Nach diesem Auftakt präsentier-
    Kirche in Anklam statt, da in diesem Jahr die        te jeder Chor ein Stück aus seinem Repertoire.
    St.-Petri-Kirche in Wolgast durch Bauarbeiten        Das Atelier von Mårten Jansson startete danach
    nicht zugänglich war. Bloß nichts vergessen:         mit der Präsentation der Atelierarbeit und bot

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Usedom 2018

Atelier Mädchenchor
Anne Kohler (Deutschland)
A Little Jazz Mass:
Kyrie / Gloria / Sanctus
Bob Chilcott
Sehnsucht
Johannes Brahms
Bring Me Little Water, Sylvie
Huddie Ledbetter
The Joiku
Jukka Linkola
Usedom 2018

    Chor des Runge-Gymnasiums Wolgast
    (Deutschland)

    eine abwechslungsreiche Reise durch unter-
    schiedliche Epochen und Stile: Von klassischem
    Soul, „People Get Ready“ von Curtis Mayfield,
    und Musik aus der Barockzeit, Gottfried Hein-
    rich Stölzels „Bist du bei mir“, bis hin zu Jazz-    Guillaume de Machaut mit „Douce Dame Jolie“
    und R&B-Musik, „Hallelujah I Just Love Him So“       zu Gospel- und Jazzmusik mit „Wake Me, Shake
    (Ray Charles), und dem lettischen Stück „Sirds       Me“ (Scott Stroman) und „All of Me“ (Seymour
    Zin – The Heart Knows“.                              Simons / Gerald Marks).
    Das Atelier von Nicholas Kok begann geistlich        Die Sängerinnen aus dem Atelier unter der Lei-
    mit dem Kanon „Glory to Thee / All Praise to         tung von Anne Kohler beschäftigten sich mit
    You“ von Thomas Tallis und führte die Zuhö-          Auszügen aus der bekannten „Little Jazz Mass“
    rer mit pausenlosen Übergängen zwischen              von Bob Chilcott, mit dem Stück „Sehnsucht“
    den einzelnen Stücken weiter von lautstarken,        von Johannes Brahms und mit dem onomato-
    mittelalterlichen Klängen aus dem 14. Jahr­-         poetischen Stück „The Joiku“ vom finnischen
    hundert vom französischen Komponisten                Komponisten Jukka Linkola. Ein dem Festi-

                                                    16
Eurotreff
                                                                                               Usedom 2018
                                                                                                      2017

val nicht unbekanntes Stück wurde ebenfalls             Podeste zum Wackeln brachte. Gleich zwei
erarbeitet: „Bring Me Little Water, Sylvie“, ein        Uraufführungen bekam das Publikum zum
amerikanischer Folksong mit Bodypercussion-             Abschluss des Konzertes zu hören: Zum einen
Elementen, welcher bei der Internationalen              eine wunderschöne Vertonung des Gedichts
Jugendkammerchor-Begegnung 2014 schon                   „Juninatten“ des schwedischen Autors Harry
alle TeilnehmerInnen animierte mit einzustim-           Martinson, eigens für die Jugendkammerchor-
men und auch in diesem Jahr wieder eine rege            Begegnung von Mårten Jansson geschrieben,
Beteiligung aller SängerInnen fand.                     zum anderen Nicholas Koks Komposition „Use-
Höhepunkt und Abschluss zugleich waren die              dom Farewell“. In einer schlaflosen Nacht hatte
sogenannten „Common Pieces“, bei denen                  er diesen anspruchsvollen Kanon samt Begleit-
alle 150 TeilnehmerInnen gemeinsam auf der              stimmen komponiert, mit dem sich alle Teil-
Bühne standen und sangen. Unter der Leitung             nehmerInnen des Festivals musikalisch von der
von Anne Kohler wurde das südafrikanische               Insel und der gemeinsamen Zeit verabschie-
Traditional „Nginesi Ponono“ gesungen, zu               deten, und dessen Textfragmente sich in den
dem eine einstudierte Choreografie die Chor-            Überschriften dieses Artikels wiederfinden.

                                                   17
Usedom 2018

    Usedom, wir werden dich vermissen!                     der griechischen SängerInnen, die so früh zum
    Nach dem gelungen Konzert fuhren alle –                Flughafen Berlin aufbrechen mussten, noch
    geschafft, aber sehr glücklich – wieder zurück         hinterher zu winken. Der Sonntag war gefüllt
    in die Jugendherberge in Trassenheide. Bei             mit Aufbruchsstimmung, vielen Tränen und
    reichlich Grillgut, leckeren Salaten, Musik und        einem regen Austausch der Handynummern.
    Tanz wurde bis spät in die Nacht gefeiert. Die         Wieder hat sich gezeigt: Die gemeinsamen
    TeilnehmerInnen des Ateliers von Anne Kohler           zehn Tage auf der Insel Usedom lassen alle Teil-
    hatten neben den ganzen Proben und Kon-                nehmerInnen über Ländergrenzen hinweg zu
    zerten der vergangenen Woche auch noch                 einer großen Familie zusammenwachsen!
    gemeinsam ein Medley aus ihren Atelierstü-
    cken einstudiert, auch dem wunderbaren Team            Usedom, bis zum nächsten Mal!
    des „Strandguts“ wurde musikalisch gedankt.            Wir freuen uns auf die nächste und damit
    Und auch wenn die doch relativ laute Musik             13. Internationale Jugendkammerchor-Begeg-
    irgendwann eingestellt werden musste, bedeu-           nung auf Usedom vom 10. Juli bis zum 19. Juli
    tete dies nicht das Ende dieses Abends…                2020!

    Usedom, auf Wiedersehen!                               Zahlreiche weitere Fotos der Jugendkammer-
    …schließlich musste doch jede/r neu gefun-             chor-Begegnung sowie Videos finden Sie unter:
    dene FreundIn bei der Abfahrt gebührend ver-           www.usedom.amj-musik.de
    abschiedet werden. So blieb der härteste Kern          facebook.com/amj.musik
    auch bis 05.00 Uhr nachts wach, um dem Bus             www.instagram.com/amj_ev

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Usedom 2018

19
Internationalität und Begegnung im Zeichen der Musik

                                                            Internationalität
    Internationalität und                                   In der Geschichte und Vorgeschichte des AMJ
    Begegnung im Zeichen                                    wurde – obwohl es sich um einen nationalen
    der Musik                                               Verband handelt – schon immer Internationa-
                                                            lität hergestellt. Bereits in den Vorfahrvereini-
    Von Franz Riemer                                        gungen wie etwa den Musikantengilden um
                                                            Fritz Jöde oder Georg Götsch waren Fahrten in
    Die Jugendkammerchor-Begegnung auf Use-                 das europäische Ausland an der Tagesordnung.
    dom ist ein wundervolles Zeichen für das Tref-          Jöde pflegte in den dreißiger Jahren enge Kon-
    fen junger Menschen auf internationaler Ebe-            takte mit Skandinavien und reiste oft dort-
    ne. Alle zwei Jahre treffen sich einige hundert         hin, um seine Ideen, die gerne aufgenommen
    Jugendliche aus unterschiedlichen Ländern,              wurden, zu verbreiten. In den fünfziger Jahren
    um sich kennen zu lernen, miteinander zu sin-           wurde der Reiseradius sogar bis Südamerika
    gen, miteinander zu sprechen, miteinander               erweitert. Damals war es der Einmannbetrieb
    Spaß zu haben. Verbindend ist die Musik: jeder          um Fritz Jöde („um“ deshalb, weil er die Aus-
    Chor bringt sein eigenes Repertoire mit, um es          landsfahrten eben nicht ganz alleine bestritten
    zu präsentieren, und gemeinsam wird interes-            hat, sondern oft einen Kreis der Gleichgesinn-
    sante Chormusik mit geeigneten DozentInnen              ten um sich hatte; im Mittelpunkt stand aber
    erarbeitet und aufgeführt. Hier bietet es sich          immer er selbst). Jöde brachte sein Repertoire
    an, einige Gedanken über die beiden Wesens-             mit und verbreitete dies mithilfe seiner „Erfin-
    merkmale dieses Treffens (neben der Musik)              dung“, dem offenen Singen.
    zu formulieren: die Internationalität und die           Der AMJ hat dieses Verfahren mit der Interna-
    Begegnung.                                              tionalität gedreht. Nunmehr kommen aus dem

                                                       20
Internationalität und Begegnung im Zeichen der Musik

Ausland die TeilnehmerInnen nach Deutsch-
land. Aus der „Missionskultur“ ist eine „Einla-
dungskultur“ geworden, in der die Begegnung
von jungen Menschen aus verschiedenen Nati-
onen „im Geiste der Musik“ (dies wieder auch
im Sinne von Fritz Jöde) zusammenkommt.
So geschieht es bei der Jugendkammerchor-
Begegnung auf Usedom seit Anbeginn von
1996 an. Mittlerweile waren 90 Chöre aus Belgi-
en, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland,
Finnland, Griechenland, Großbritannien, Israel,
Italien, Lettland, Litauen, Norwegen, Polen,
Rumänien, Russland, Schweden, Schweiz, Slo-
wakei, Spanien, Tschechien, Ungarn und Weiß-
russland mit ihren Betreuerinnen und Betreu-
ern, Chorleiterinnen und Chorleitern beteiligt.
Die Chorgattungen sind gemischter Jugend-
chor (inklusive Studenten- bzw. Universitäts­
chor, Schulchor, Kammer-, Jazz-, Konzertchor)                   Offenes Singen in der Jungfernheide (Berlin)
und Mädchenchor – einmal auch Knabenchor.                       1930 mit Fritz Jöde im Mittelpunkt

Die jungen Menschen aus Europa und darüber
hinaus finden sich in Ateliers für gemischten                   einer Jugendbegegnung nahe liegt, ein einzi-
Chor und für Mädchenchor wieder, was bei                        ges Mal konnte ein Knabenchoratelier angebo-
                                                                ten werden (siehe oben).
Fritz Jöde unterrichtet bei einer seiner Auslandsreisen         Wozu und warum „Ateliers“? Den Begriff Atelier
(Siljan-Schule in Tällberg am Siljansee / Schweden) 1934        kennen wir als einen Arbeitsraum, eine Arbeits-

                                                           21
Internationalität und Begegnung im Zeichen der Musik

    stätte, z.B. für einen Künstler. Die Bezeichnung        das Spannende, das Neue – insbesondere für
    steht aber nicht nur für den Raum, sondern              Jugendliche, die noch keine geballte Lebens-
    auch für den Inhalt, der darin „lebt“. Auf Use-         erfahrung vorweisen können. Die Usedomer
    dom ist der Raum meist eine Kirche und der              Ateliers sind also diverse, geradezu universel-
    Inhalt ist Klang, Chorklang, „junger“ Chorklang.        le Gebilde, die sowohl der Raum als auch die
    In dem Raum schwebt auch das Erlebnis mit,              Atmosphäre als auch die Arbeitsstätte für die
                                                            gemeinsamen Chorstudien in internationaler
                                                            Gemeinschaft sind.
                                                            Auch das DozentInnenteam ist international
                                                            aufgestellt. Hier tut sich nahezu eine gesamt-
                                                            europäische Karte auf, die gelegentlich auch
                                                            die Grenzen Europas verlässt. Es kamen Ateli-
                                                            erleiterInnen aus Belgien, Deutschland, Groß-
                                                            britannien, Estland, Finnland, Frankreich, Israel,
                                                            Italien, Norwegen, Schweden, der Schweiz, Slo-
                                                            wenien, Spanien und den USA. Die Arbeitsspra-
                                                            che ist in erster Linie englisch, in zweiter Linie
                                                            Gestik.

                                                            Begegnung – frei von Wettbewerb,
                                                            aber mit Anspruch
                                                            Begegnung ist ein oft gebrauchtes Wort. Wie
                                                            bei jedem Begriff ist der individuelle Interpre-
                                                            tationsspielraum divers und mehr oder weni-
                                                            ger weit gestreut. Es gibt den Ort der Begeg-
                                                            nung, das Haus der Begegnung, sportliche

                                                       22
Internationalität und Begegnung im Zeichen der Musik

Begegnungen, die dann mitunter auch Wett-                 Das Medium unserer Begegnung ist die Musik.
kampfcharakter haben. Das meinen wir nicht.               Es ist ja längst bekannt und immer wieder
Wettkämpfe werden in der Regel gegenein-                  propagiert: Musik ist eine Sprache, die jeder
ander ausgetragen, unsere Begegnungen im                  versteht. Musik nur als Medium (für ande-
AMJ geschehen miteinander. In unseren Fami-               res) zu nutzen, ist uns aber nicht genug. Wir
lienkursen ist es die generationsübergreifende            verbinden damit einen Anspruch und dieser
Begegnung, auf unseren Orchesterfreizeiten
ist es die bilaterale Begegnung und auf Use-
dom ist es eine multilaterale Begegnung unter
Nationen und – vor allem – unter Menschen.
Die Begegnung ist nicht nur eine musikalische,
sie ist auch eine politische, eine gesellschafts-
politische. Mit diesem Treffen leistet der AMJ
einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Völ-
kerverständigung und somit letztlich zur Frie-
denssicherung in Europa und auf der ganzen
Welt. Der Gedanke der Begegnung wird dabei
über die Musik hinaus noch überhöht: Was wir
hier leisten, ist eine Investition in die Zukunft.
Das frühzeitige Kennenlernen von Kulturen aus
dem gesamten europäischen (zum Teil auch
kleinasiatischen und östlichen Mittelmeer-)
Raum entfaltet gegenseitiges Erfahren, gegen-
seitiges Verstehen und gegenseitiges Akzep-
tieren von Kulturen, insbesondere natürlich
von Musikkulturen.

                                                     23
Internationalität und Begegnung im Zeichen der Musik

    Anspruch heißt: gute Musik. Dies zeigt sich               Gesungen wird sowohl weltliche als auch
    sehr deutlich in den Ateliers. Hier herrscht kein         geistliche Chormusik, Poparrangements wie
    jugendbewegtes Singkreisverständnis, son-                 auch Folklore aus den Ländern der beteilig-
    dern der Wunsch und Wille nach anspruchs-                 ten Chöre, Traditionals aus aller Herren Län-
    vollen Ergebnissen.                                       der, entweder a cappella oder mit Klavier bzw.
    Auf Usedom geht das so: AtelierleiterInnen                sogar kammermusikalischer Begleitung. Zeit-
    werden international und nach hochwertigen                genössische Musik steht neben Romantikern
    Qualitätsmaßstäben ausgesucht und eingela-                und Renaissancemusik. In den Abschlusskon-
    den. Sie bringen ein professionelles Repertoire           zerten hört das interessierte Publikum Stü-
    aus ihrem Umfeld mit. Das setzten sie mit den             cke aus dem Repertoire der Chöre, Einstu-
    AtelierteilnehmerInnen, also den Jungen und               dierungen aus den verschiedenen Ateliers,
    Mädchen, um. Pädagogische Professionalität                gemeinsame Stücke mit der gesamten Teil-
    ist dabei ebenso gefordert wie künstlerische              nehmerschar, gelegentlich sogar Urauffüh-
    Reife. Junge Menschen aus unterschiedlichen               rungen, wenn AtelierleiterInnen für ihr Atelier
    Nationen mit unterschiedlichen Voraussetzun-              oder für alle Teilnehmenden eine passende
    gen und unterschiedlichen Sprachen müssen                 „Usedomkomposition“ geschrieben haben.
    über eine dritte Sprache (in der Regel Englisch)
    zu einem homogenen und interpretationsfähi-               Zum Schluss ein paar persönliche Bemerkun-
    gen Ensemble zusammengeführt werden. Das                  gen: Ich hatte Gelegenheit, in diesem Jahr
    ist keine leichte Aufgabe und verlangt einen              für ein paar Tage die Jugendkammerchor-
    ganzen Katalog an musikalischen, pädagogi-                Begegnung auf Usedom zu besuchen. Was ich
    schen, inter- bzw. transkulturellen Fähigkeiten.          erlebte, war eine Atmosphäre von empathi-
    Das Repertoire ist so vielfältig wie die Nationen,        scher Freude und Gemeinschaft. Dazu kamen
    Chöre, Chorleiter und Chorleiterinnen, Atelier-           engagierte DozentInnen mit Feingefühl, kluge
    leiter und Atelierleiterinnen unterschiedlich             und auffassungsschnelle Kinder und Jugend-
    sind. Die Musik, die gemacht wird, ist natürlich          liche und ein Organisationsteam, dass immer
    nicht mehr die „Jugendmusik“ des letzten Jahr-            und ständig alles im Griff hatte. Die Musik war
    hunderts, sondern ein bunter Reigen an Gen-               vielfältig und von hoher Qualität. Und über-
    res aus allem, was die Gegenwart und Vergan-              all war spürbar: Internationalität und Begeg-
    genheit zu bieten hat.                                    nung.

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AMJ-Mitgliedschöre im Porträt

Christophorus-Kantorei
Altensteig
Von Michael Nonnenmann

Der Name „Christophorus-Kantorei“ täuscht,
der Chor ist keine Kantorei nach evangelischer
Tradition in kirchlicher Trägerschaft. Die Chor-
mitglieder sind Schülerinnen und Schüler des
Christophorus-Gymnasiums Altensteig mit Mu­­-
sikprofil, Jugendliche aus einem ländlich ge­-
prägten Umfeld. Die Christophorus-Kantorei
wird aber dahingehend ihrem Namen gerecht,
dass sie ihren Ausgangspunkt bei der geist­
lichen Chormusik sieht, von dem aus die ganze
Welt der Chormusik erschlossen wird.
Seit 56 Jahren gibt es in Altensteig eine inten-
siv betriebene Chorarbeit. Dem Chorgründer
Dr. Jürg Wieber und dem Christlichen Jugend-
dorfwerk Deutschlands (CJD) ist es zu verdan-           dieser Basis aus legte er im Laufe der Jahre den
ken, dass sich eine solche Tradition in Alten-          Schwerpunkt auf zeitgenössische Chormusik
steig entwickelte, die weit in die Region und           und erweiterte das weltliche Repertoire. Dazu
das Land hinausstrahlte. Seit nunmehr 25 Jah-           kamen Projekte mit szenischer Umsetzung von
ren wird der Chor von Michael Nonnenmann                Chormusik und eine zunehmende Präsenz bei
geleitet. Auch für ihn ist geistliche Chormusik,        Chorwettbewerben. Im Jahr 2003 wurde die
das reiche Erbe von Schütz, Bach, Mendelssohn           damalige Jugenddorf Christophorusschule
Bartholdy u.a., das Rückgrat der Chorarbeit. Von        verstaatlicht und das Internat geschlossen –

                                                   25
AMJ-Mitgliedschöre im Porträt

    die Chorarbeit musste umstrukturiert werden.
    Die Christophorus-Kantorei probt an drei
    Abenden in der Woche und hat rund 30 Kon-
    zerte und Auftritte pro Jahr. Die jährliche
    zweiwöchige Pfingstreise ist der Höhepunkt
    eines Chorjahres, fast alle europäischen Län-
    der sowie Südafrika, Argentinien, Neuseeland
    und die USA wurden bisher bereist. Mit Vor-
    liebe werden die Choristen in Privatquartieren
    untergebracht und lernen so verschiedener
    Kulturen und Lebensstile kennen – von afrika-
    nischen Rundhütten bis hin zu amerikanischen
    Luxusvillen. Viele Kontakte sind so entstanden,
    und regelmäßig werden Chöre nach Altensteig
    eingeladen, um Konzerte zu geben und den
    entstandenen Kontakt zu vertiefen.
    Eine große Motivation ist für die Jugendli-       Regelmäßig setzt sich der Chor zum Ziel, die
    chen auch die Teilnahme an Wettbewerben.          Hauptwerke seines Repertoires auf CD einzu-
    Durch intensive Probenarbeit und den hier         spielen. Immer wieder rückt die Christopho-
    besonders gefragten Teamgeist hat man schon       rus-Kantorei in den Fokus der Medien, in den
    gewonnen, bevor der Wettbewerb überhaupt          letzten Jahren war der Chor vor allem im SWR-
    beginnt. Neue Kontakte entstehen, die oft zum     Fernsehen und -Rundfunk präsent.
    Anknüpfungspunkt für einen weiteren Chor­         Innovative oratorische Projekte kamen dazu:
    austausch werden. Und die Erfolge häuften         Zuletzt hat der Chor mit Friederike Rademann
    sich im Laufe der Jahre: Allein in den letzten    von der Bachakademie Stuttgart als Choreogra-
    zwei Jahren kamen die Altensteiger immer mit      phin „Elias“ und „Johannespassion“ szenisch auf
    einem 1. Preis oder einer Goldmedaille von drei
    internationalen Wettbewerben zurück: Lin-
    denholzhausen, Tampere/Finnland und Zadar/
    Kroatien.
AMJ-Mitgliedschöre im Porträt

die Bühne gebracht – Projekte mit großer Öffent-
lichkeitswirksamkeit und prägenden Erfahrun-
gen. „West Side Story“ und „Anatevka“ wurden
aufgeführt, vor der einmaligen Kulisse des Alten-
steiger Schlosses mit „Carmen“ sogar eine Oper.
Die „Chorlaufbahn“ beginnt mit der Christo-
phorus-Chorschule, ein Angebot für Kinder der
4. Klassen. Am Christophorus-Gymnasium kön-
nen sie dann die Chorklasse 5 und 6 besuchen.
Hier werden innerhalb des regulären Musikun-
terrichts stimmliche Grundlagen gelegt und
chorische „basics“ trainiert. So vorbereitet und
motiviert, werden die Kinder ab Klasse 6 in den
Christophorus-Kinderchor eingeladen, der mit              Gymnasium ablegen. Zahlreiche Chöre in der
Wolfgang Weible als Chorleiter (2005-2017) in             Region werden von aktiven und ehemaligen
den vergangenen Jahren eine rasante Entwick-              Chormitgliedern der Christophorus-Kantorei
lung genommen hat. In die Christophorus-Kan-              geleitet.
torei werden die Mädchen dann mit Beginn der              Trotz der allgemeinen Verdichtung durch das
9. Klasse, die Jungen mit Beginn der Mutation             achtjährige Gymnasium und dem Einfluss der
aufgenommen.                                              Medien ist in Altensteig die Motivation für das
Jedes Chormitglied wird 20 Minuten pro Woche              Singen ungebrochen. Der stehende Beifall des
individuell betreut. Es ist ein großes Glück, dass        Publikums nach einem wichtigen Konzert, die
die Christophorus-Kantorei zwei Stimmbildner              Ergebnisbekanntgabe bei einem Chorwett-
hat, welche die Altensteiger Chorarbeit von               bewerb oder die gemeinsame körperliche
klein auf kennen: Jeannette Bühler und Samuel             Erschöpfung nach CD-Aufnahmen führen zu
Schick (seit 2018).                                       Gemeinschaftserlebnissen und lösen Glücks-
Aber nicht nur die Konzerte und Auftritte strah-          momente aus, die lange nachwirken.
len aus in die Region. In Zusammenarbeit mit
dem Bezirkskantor Peter Ammer bietet Micha-
el Nonnenmann eine Chorleiterausbildung an.                 Weitere Informationen unter
Jedes Jahr können Chormitglieder die kirchen-               www.christophorus-kantorei.de
musikalische D-Prüfung am Christophorus-

                                                     27
Aus der Kursarbeit

                                                               merInnen kommen regelmäßig und zum Teil seit
                                                               vielen Jahren nach Leipzig. Ich selber war 2004
                                                               das erste Mal als Teilnehmer auf dem Sympo­sium
                                                               dabei und freue mich, seit 2014 als Mitglied des
                                                               Planungsteams aktiv an der Gestaltung mitwir-
                                                               ken zu dürfen. Einen maßgeblichen Anteil am
    Stimmtechniken –                                           Gelingen des Symposiums und der konstruktiven
                                                               und fast familiären Atmosphäre hat dessen Leiter
    Gesangsstile –                                             Prof. Dr. Michael Fuchs, der die ganze Veranstal-
    Stimmgesundheit                                            tung mit seiner Kompetenz und seiner herzlichen
                                                               Art prägt.
    Das 16. Leipziger Symposium
    zur Kinder- und Jugendstimme,
                                                               Interdisziplinäres Konzept
    23. bis 25. Februar 2018
                                                               Ein zentrales Merkmal des Symposiums ist
    Von Nils Ole Peters                                        sein interdisziplinäres Konzept: Die Veran-
                                                               staltung richtet sich ganz bewusst nicht
    Das Leipziger Symposium zur Kinder- und Ju­-               nur an Mitglieder einer bestimmten Fach-
    gendstimme fand in diesem Jahr mittlerweile                richtung, sondern an alle, die mit singen-
    zum sechzehnten Mal statt. Mit über 400 Teil-              den Kindern und Jugendlichen arbeiten. Zu
    nehmerInnen ist das Symposium eine der größ-               den TeilnehmerInnen gehören also Ärzte
    ten Fortbildungsmaßnahmen für das Singen mit               und Ärztinnen, LogopädInnen, Stimmthera­
    jungen Stimmen im deutschsprachigen Raum.                  peutInnen, Stimm­bildnerInnen, Ge­sangs­leh­-
    Veranstaltet wird es von der Sektion Phoniatrie            rerInnen, ChorleiterInnen und viele mehr.
    und Audiologie der Klinik und Poliklinik für Hals-,        Ebenso vielfältig wie der Teilnehmerkreis ist
    Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitäts­                 das Programm: neben zahlreichen Vorträgen
    klinikum Leipzig. Mit dem AMJ, der Hochschu-               aus den Bereichen Medizin und Musik bilden
    le für Musik und Theater „Felix Mendelssohn                vier Workshops den Rahmen des Symposiums.
    Bartholdy“ Leipzig und dem Bundesverband                   Die Workshops werden jeweils mehrfach wie-
    Deutscher Gesangspädagogen kann das Sym-                   derholt, damit alle TeilnehmerInnen jede Ver-
    posium auf erfahrene und kompetente Koope-                 anstaltung des Symposiums besuchen kön-
    rationspartner zurückgreifen. Viele der Teilneh-           nen. Die Kombination aus den theoretischen

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Aus der Kursarbeit

Vorträgen und den praktischen Workshops hat             det. Um diesen vielen Ansprüchen zu begeg-
sich in der Vergangenheit bewährt und schafft           nen, besteht das Planungsteam aus zurzeit 16
eine gute Abwechslung an diesem intensiven              ExpertInnen aus verschiedenen Bereichen von
und gut gefüllten Wochenende. Neben den                 Medizin und Musik, die ihre Erfahrungen und
offiziellen Programmpunkten wird den Teil-              Ideen ins Konzept mit einbringen.
nehmerInnen viel Raum für Gespräche mit Kol-
legInnen und ReferentInnen sowie zur Reflexi-           Stimmtechniken – Gesangsstile –
on des Gehörten eingeräumt. Die lockere und             Stimmgesundheit
ungezwungene Atmosphäre des Symposiums                  Das diesjährige Symposium stand unter dem
trägt hierzu einen wichtigen Teil bei. Die the-         Thema „Stimmtechniken – Gesangsstile –
matische Vielfalt bietet eine ganz besondere            Stimm­gesundheit“. Dieses Thema hat in Zeiten
Chance: sie ermöglicht einen kollegialen Aus-           ständiger Erreichbarkeit von Musik und somit
tausch über den eigenen Tellerrand hinaus und           auch Gesang besondere Relevanz. Durch
damit einen ganzheitlichen Überblick über den           Internetplattformen wie YouTube oder durch
Bereich der Kinder- und Jugendstimme.                   Stream­ ingdienste haben Kinder ständigen
                                                        Zugriff auf vielfältige stimmliche Einflüsse, die
Vor dem Symposium ist                                   ihre Art des Hörens und Singens prägen. Wäh-
vor dem Symposium                                       rend früher vor allem die sogenannte klassi-
Die Planungen für die Symposien beginnen                sche Gesangstechnik im Vordergrund stand,
teilweise sehr früh, unter Umständen Jahre im           existieren mittlerweile verschiedenste didak-
Voraus. Mehrmals im Jahr trifft sich das Pla-           tische und technische Konzepte für die unter-
nungsteam, um die Konzepte sowie nähere                 schiedlichsten Gesangsarten. Für alle, die mit
Details zu besprechen. Besondere Bedeutung              Kindern singen, ist es heute daher umso wich-
kommt dem Finden des Themas der Sympo-                  tiger, diese Vielfalt einzuschätzen und entspre-
sien zu, das einige Vorgaben erfüllen muss:             chend der Literatur anzuwenden.
Zum einen soll das Symposium sowohl für                 Eröffnet wurde das Symposium vom Oberton-
MusikerInnen als auch MedizinerInnen glei-              sänger und Naturwissenschaftler Wolfgang
chermaßen interessant sein, zum anderen soll            Saus, der dem Publikum mit seinem Musikvor-
das Thema genügend Substanz bieten, um ein              trag eine wichtige Botschaft vor Augen und
ganzes Wochenende mit Vorträgen und Work-               Ohren führte: Stimmgesundheit ist keineswegs
shops zu füllen. Ebenso gilt es, ein interessan-
tes Gleichgewicht zwischen Theorie und Pra-
xis, sowie zwischen klassischer und populärer
Stimmtechnik zu finden. Im Mittelpunkt aller
Überlegungen steht natürlich der Bezug zur
Kinder- und Jugendstimme, die sich in Bezug
auf Physiologie und Didaktik zum Teil erheb-
lich von der Erwachsenenstimme unterschei-

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Aus der Kursarbeit

                                                          populären Gesangs stellte Prof. Sascha Wien-
                                                          hausen in seinem Workshop über „reduzierte
                                                          Klänge“ vor: mithilfe dieser Technik kann der
                                                          Kraftaufwand im populären Gesang aktiv ver-
                                                          ringert und die Gefahr einer stimmlichen Über-
                                                          lastung vermieden werden.
    an eine bestimmte Art des Singens gebunden,           Zwei weitere Workshops wurden im Plenum
    sondern kann als Ergebnis einer ökonomi-              durchgeführt. Malte Heygster zeigte dem Pub-
    schen und an die Erfordernisse abgestimmten           likum mithilfe einiger Freiwilliger, wie effizient
    Technik unabhängig vom Gesangsstil erreicht           und einfach das Konzept der relativen Solmi-
    werden. Im von Herrn Saus angebotenen                 sation funktioniert. Diese Methode eignet sich
    Workshop konnten die TeilnehmerInnen am               gerade auch für die Arbeit mit Kindern, da sie auf
    eigenen Leib erfahren, wie das Wahrnehmen             geradezu spielerische Art und Weise ein Gefühl
    von Obertönen den Klang, die Intonation und           für Harmonik und musikalische Zusammenhän-
    die Homogenität im Ensemble fassbar und               ge vermittelt. Ebenfalls mit Unterstützung durch
    kontrollierbar machen. Wichtige Impulse zur           einige Freiwillige gab Prof. Juan M. Garcia eine
    Schulung von Wahrnehmung und Interaktion              Einführung in die Welt des Beatboxens.
    gab auch die Chorleiterin Claudia Burghard in         Erstmals auf einem Leipziger Symposium gab
    ihrem Workshop zur freien vokalen Improvi-            es auch einen Beitrag von Studierenden der
    sation. Durch aufmerksame Kommunikation               Hochschule „Felix Mendelssohn Bartholdy“.
    innerhalb eines Ensembles und das Reagieren           Unter der Leitung von Prof. Ilse-Christine Otto
    auf Impulse anderer SängerInnen entstan-              berichteten Leevke Hambach und Hanna
    den im Workshop faszinierende musikalische
    Gebilde. Auf was für einem beeindruckenden
    Niveau eine kollektive Improvisation stattfin-
    den kann, zeigte Burghards eigenes Ensemble,
    das „Stimmorchester“, in seinem Konzert am
    Samstagabend, das das Publikum zu Begeiste-
    rungsstürmen hinriss. Mit einer ganz anderen
    Art von Musik und Probentechnik beschäftig-
    ten sich die TeilnehmerInnen im Workshop des
    Chorleiters Henning Voss, der seine Methode
    vorstellte, mit Kindern und Jugendlichen Wer-
    ke von Johann Sebastian Bach und ähnlich
    komplexe Literatur zu erarbeiten. Interessante
    wissenschaftliche Erkenntnisse zur Technik des

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Aus der Kursarbeit

Hagel, Studentinnen des Leipziger Master-             Ein ganz besonderes Highlight des Sympo­
Studienganges Gesangspädagogik, über die              siums war für mich der Auftritt der Band
Chancen und die Risiken von Singen lernen im          „Blondie and the brains“, deren Mitglieder
Internet. Neben einigen positiven und nega-           größtenteils MedizinerInnen des Universitäts-
tiven Beispielen aus dem Internet stellten sie        klinikums Leipzig sind. Nach dem Auftritt des
auch den sehr interessanten Selbstversuch             Stimmorchesters spielte die Band am Sams-
mit einem eigenen kurzen Gesangs-Tutorial             tagabend Tanzmusik bis in die Nacht hinein.
vor, der zeigte, dass es durchaus nicht leicht        Die musikalischen MedizinerInnen bringen
ist, einen qualifizierten und vor allem umfas-        auf die Bühne, was beim Symposium seit Jah-
senden Beitrag für das Internet zu erstellen.         ren gelebt wird: ein ungezwungener und ent-
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass              spannter Dialog über die Grenzen der Spezial-
sich grundlegende Lerninhalte durchaus mit-           gebiete hinweg.
hilfe von Tutorials vermitteln lassen, ein qualifi-   In diesem Sinne freue ich mich bereits jetzt auf
zierter Gesangsunterricht in seiner Vielfalt und      viele weitere Symposien, auf neue Planungs-
Individualität auf diese Weise aber nicht ersetzt     runden innerhalb des Teams und auf den regen
werden kann. Das Thema Neue Medien wurde              fachlichen Austausch mit KollegInnen und
durch die Bloggerin und Gesangspädagogin              FreundInnen.
Anna Stijohann und dem Musiker Paul Jacobi
im Rundtischgespräch mit Prof. Fuchs aufge-             Das 17. Leipziger Symposium zur Kinder- und
griffen. Beide nutzen das Internet seit langem          Jugendstimme findet vom 22. – 24.02.2019 statt.
erfolgreich als Plattform zur Verbreitung ihrer         Thema: Stimmen hören – Potentiale entwickeln –
Beiträge und wiesen auf die vielen Chancen              Störungen behandeln
hin, die solche Medien bieten.

  Am Ende des 16. Leipziger Symposiums zur
  Kinder- und Jugendstimme stand eine Auf-
  führung des Kindermusicals „Martin Luther“
  von Gerd-Peter Münden (Musik) und Bri-
  gitte Antes (Text), mit dem Chor der Grund-
  schule forum thomanum und dem Jugend­
  sinfonieorchester Leipzig. Die Aufführung
  des Luther-Musicals wurde durch die Koope-
  ration mit dem forum thomanum und der
  Hochschule für Musik und Theater möglich.
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