Investiert ganz groß Kleines Land - Das Magazin

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Investiert ganz groß Kleines Land - Das Magazin
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                             Was uns bewegt. Wen wir bewegen.               Ausgabe 01 | 2020

                          Kleines Land
                          investiert ganz groß
                          Luxemburg baut ÖPNV aus und führt Nulltarif ein
                          Seite 6

                          E-Bus-Konferenz: Experten         Mobility inside: Tester nehmen     Verkehrswende: Osnabrück setzt
                          erörtern Ausbau von Kapazitäten   App in der Praxis unter die Lupe   Schritt für Schritt eine Vision um

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Investiert ganz groß Kleines Land - Das Magazin
INHALT                                                                                                                                                                                                                                                      EDITORIAL

                                                                                                                                                                2020: Wendejahr
                   26 Osnabrück: Neues Liniennetz
                       geht im Februar an den Start.
                                                                                                                                                                 für den Verkehr
                                                                                                                                                              Vor uns liegt das Jahrzehnt, in dem die Ver-    Ein Kraftakt wird auch die Umstellung der
                                                                                                                                                              kehrswende gelingen muss und der Verkehrs-      Busflotten und der Infrastruktur auf Batte-
                                                                                                        12 E-Bus-Konferenz: Branche trifft                   sektor seine Klimaschutzziele erreicht.         riefahrzeuge. Aber die Technik entwickelt
                                                                                                            sich zwei Tage lang in Berlin.                    Dass dies keine Utopie ist, belegt die Studie   sich dynamisch, und das stimmt uns zu-
                                                                                                                                                              „Deutschland mobil 2030“. Demnach sind          versichtlich. Der immer noch zu hohe Preis
                                                                                                                                                              30 Prozent mehr ÖPNV und ein Viertel mehr       für die Fahrzeuge lässt uns aber trotz allem
                                                                                                                                                              Schienengüterverkehr machbar. Die notwen-       nachdenklich werden. Hohe Erwartungen
                                                                                                                                                              digen Gesetze und Finanzierungen hat der        knüpfen wir an die Digitalisierung. Sie wird
                                                                                                                                                              Bund auf den Weg gebracht. Beispielsweise       die Schieneninfrastruktur leistungsfähiger
                                                                                                                                                              werden die GVFG-Mittel schrittweise auf         und effizienter machen. Zudem werden
                                                                                                                                                              zwei Milliarden Euro im Jahr 2025 aufgestockt   vernetzte digitale Angebote unseren Fahr-
                                                                                                                                                              und auch für den Ausbau und die Grund-          gästen den Zugang zu Bussen und Bahnen
                                                                                                                                                              erneuerung der städtischen Schienen aus-        weiter erleichtern.
6 Luxemburg: Kleines Land investiert                                                                                                                         geweitet.
  im großen Stil in den ÖPNV.                                                                                                                                                                                 Schon sehr bald wird sich entscheiden, ob
                                                       16 „Mobility inside“: Die Vielfalt der                                                                Schon in diesem Jahr müssen die entspre-        wir auf dem anstrengenden Weg zu weniger
                                                            Verkehrsangebote in einer App                                                                     chenden Investitionsprogramme in die            CO2-Emissionen im Verkehrsbereich mit
                                                                                                                                                              Infrastruktur von Bussen und Bahnen anlau-      mehr ÖPNV und mehr Schienengüterverkehr
                                                                                                                                                              fen. Nun kommt es darauf an, schnellstmöglich   ein gutes Stück vorankommen – und ob das
                                                                                                                                                              zu planen und zu bauen. Am Geld wird es im      Jahr 2020 später im Rückblick als wichtiger
                                                                                                                                                              Grunde nicht mehr scheitern. Allerdings sehen   Wendepunkt gelten wird.
                                                                                                                                                              wir mit Sorge auf die immer noch nicht einge-
                                                                                                                                                              leitete Beschleunigung der Planungsverfahren
                                                                                                                                                              und praxis­orientierte Anpassung der Standar-
                                                                                                                                                              disierten Bewertung sowie auf den Mangel an
                                                                                                                                                              Fachkräften bei Unternehmen und Genehmi-
                                                                                                                                                              gungsbehörden. Dies könnte mehr und mehr        Beste Grüße
                                                                           24 Großraum Nürnberg: Auf dem                                                     zum Flaschenhals der Verkehrswende werden.      Ihr Ingo Wortmann
                                                                                Weg zur Mobilität der Zukunft

                                               3   E
                                                    ditorial                                         Seite 9:                               16   Aktuell                            22   Aus dem Verband                       30   Zu guter Letzt
                                                   2020: Wendejahr für den Verkehr                     Interview mit Marc Hoffmann,                „Mobility inside“: App im                  E-Learning: Netzwerk sammelt                Schwebebahn bringt Wuppertal
                                                                                                       Direktor Personenverkehr der CFL            Praxis-Check                               Erfahrungen.                                in die Reise-Top-20 von CNN.
                                               4   V
                                                    DV im Bild                                                                                    Seite 19:
                                                   Megahub Lehrte: Umschlaganlage                12   Hintergrund                                 Interview mit Prof. Knut Ringat      24   Aus dem Verband
                                                   hat den Testbetrieb aufgenommen.                    EU macht Druck für E-Busse                  über die gemeinsame App                    Großraum Nürnberg: Weichen
                                                                                                                                                                                              stellen für die Wende
                                               6   T
                                                    itelstory                                   14   Aus dem Verband                        20   Aus dem Verband
                                                   Luxemburg: Dem Angebotsausbau                       VDV-Steuerexpertin Petra Maring:             Ausschuss Wettbewerbsbahnen will    26   Unterwegs im Netz                                  VDV Das Magazin
                                                                                                                                                                                                                                                 auch online unter:
                                                   folgt ein kostenloser Nahverkehr.                   „Vom Jobticket profitieren alle.“            nach Außen sichtbarer werden.             Mobilitätswende wird Wirklichkeit.
                                                                                                                                                                                                                                                 www.vdv-dasmagazin.de

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Investiert ganz groß Kleines Land - Das Magazin
VDV IM BILD

                          Anlage für den schnellen Güterumschlag hat den Testbetrieb aufgenommen
                          In Lehrte östlich von Hannover geht bald eine neuartige Schnellumschlag-Anlage in Betrieb. Sie
                          soll mehr Güter von der Straße auf die Schiene holen und damit zu Zuwächsen im Kombinierten
                          Verkehr führen - dem Gütertransport auf verschiedenen Verkehrsträgern. Die Drehscheibe für
                          den Güterverkehr, der sogenannte Megahub Lehrte, ist so gut wie fertig. Im Dezember nahm das
                          Terminal den Test- und Probebetrieb auf. Drei schnelle Portalkräne (Foto) können zukünftig
                          Container zwischen Bahn und Lkw sowie von Güterzug zu Güterzug umschlagen. In der neu-
                          artigen Anlage werden keine Waggons zu neuen Zügen zusammengestellt, sondern lediglich
                          die Ladeeinheiten verteilt. Das beschleunigt den Güterverkehr auf der Schiene und senkt die
                          Lärmbelastung. Für April ist der Start des Probebetriebs mit öffentlichen Verkehren geplant, die
                          Gesamtinbetriebnahme ist ebenfalls für 2020 vorgesehen. Vom Megahub Lehrte soll der
                          Güterverkehr im gesamten nordwestdeutschen Raum profitieren. In die Planung und den Bau
                          des Terminals flossen gut 170 Millionen Euro. Bis zu 75 Arbeitsplätze werden dort entstehen.

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Investiert ganz groß Kleines Land - Das Magazin
TITELSTORY

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                               Nahverkehr zum Nulltarif wird in
                               Luxemburg ab 1. März dieses Jahres
                               Realität. Angesichts einer in Europa
                               unübertroffenen Auto-Dichte
                               sucht das Großherzogtum die
                               Verkehrswende. Kostenlos Bus- und
                               Bahnfahren ist dabei ein vom Land
     PROZENT                   leicht finanzierbarer Teil-Aspekt in
     So gering ist in          einem milliardenschweren Programm
     Luxemburg der
     Anteil der Fahrgeld-      für nachhaltige Mobilität.
     Einnahmen an den
     Kosten des ÖPNV.

                               D     as Verkehrschaos empfängt den Be-
                                     sucher gleich vor dem Luxemburger
                               Hauptbahnhof. Ganze Wälle von grün-grauen
                               Absperrgittern, dahinter Baufahrzeuge, Bü-
                               rocontainer, offene Baugruben, jede Menge
                               Arbeiter in knallorangefarbenen Westen.
                               Die Haltestellen des Busbahnhofs vor dem
                               ehrwürdig-klassizistischen Empfangsge-
                               bäude mit dem markanten Uhrenturm sind
                               nur noch im Slalom zu erreichen: Elektrische
                               Kleinbusse, Gelenkbusse, Doppelgelenkbusse,
                               straßenbahnähnliche Busbahnen kommen
                               an und fahren ab ohne Ende. Dazwischen im
                               Dauerstau Autos, Autos, Autos. Das ist der vor-
                               läufige Endpunkt der kilometerlangen Baustelle
                               für Luxemburgs künftige Stadtbahn, die den
                               Hauptbahnhof Ende 2020 erreichen soll. Sie
                               zieht sich quer durch die Stadt, vom Place de
                               L’Etoile, auf luxemburgisch „Stäreplaz“, entlang
                               des Altstadthügels, der vor etwas mehr als
                               hundert Jahren noch eine Festung war, hinüber
                               in den Stadtteil Gare (Bahnhof).

    Luxemburg:                 Die Stadtbahnlinie T 1 soll so etwas wie die
                               Lebensader des Projektes „MoDu 2.0” wer-

    Gratis-ÖPNV nach
                               den. Hinter der Abkürzung verbirgt sich
                               „mobilité durable”, französisch für nachhal-
                               tige Mobilität. Eine Linie, die bis 2021 auf
                               zunächst 16 Kilometern die Stadt Luxemburg
                               vom Nordosten bis in den Südwesten queren
                               soll. Seit 2017 ist ein erster Abschnitt vom

    millionenschwerem Ausbau
                               Stäreplaz zum Kirchberg-Plateau auf der
                               Avenue John F. Kennedy bereits in Betrieb,
                               vom Stadttheater entlang einer spektaku-
                               lären Reihe avantgardistischer Architektur
                               von der Universität und der Philharmonie

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Investiert ganz groß Kleines Land - Das Magazin
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                                                                                                                                                                                                                           DREI FRAGEN AN
                                                                                                                                                                                                                           Marc Hoffmann,
                                                                                                                                                                                                                           Direktor Personen­
                                                                                                                                                                                                                           verkehr der
                                                                                                                                                                                                                           luxemburgischen
                                                                                                                                                                                                                           Staatsbahn CFL

                                                                                                                                                                                                    Herr Hoffmann, der Nulltarif im Nahverkehr soll
                                                                                                                                                                                                    zum Umsteigen in den Öffentlichen Verkehr ani-
                                                                                                                                                                                                    mieren. Wird die Politik parallel dazu das Autofah-
                                                                                                                                                                                                    ren etwa durch eine verteuerte Parkraumbewirt-
                                                                                                                                                                                                    schaftung erschweren, wie das zum Beispiel in Wien
    Mit hoher Qualität überzeugen                                                                                                    4                                                              für das 365-Euro-Ticket geschehen ist?
    – das ist die Strategie für Bus                                                                                                        7.000 Passagieren pro Stunde und Richtung ist            » Marc Hoffmann: Das ist nicht explizit geplant.
    und Bahn in Luxemburg. Blick                                                                                                           die knapp 100 Millionen Euro teure, großzü-              Ziel ist nicht die einfache Verdrängung des Autos,
    in den Fahrgastraum einer der
                                                                                                                                           gig dimensionierte Anlage in edel anmutender             sondern ein so attraktives ÖPNV-Angebot, dass die
    siebenteiligen 45-Meter-
    Niederflur-Straßenbahnen des
                                                                                                                                           Glas- und Edelstahl-Architektur dafür gerüstet.          Leute freiwillig umsteigen. Das wird ein langfristi-
    spanischen Herstellers CAF (1).                                                                                                        „Es macht keinen Sinn, irgendwo kostenlosen              ger Mentalitätswechsel. Dabei wird das Autofahren
    „Bergstation“ der Standseil-                                                                                                           ÖPNV anzubieten, wo das Angebot schlecht ist.            in der City jetzt schon während der Bauzeit und
    bahn als oberer Bahnhof                                                                                                                Die Leute steigen nur dann um, wenn das Ange-            auch zukünftig ohnehin mühsamer, weil der Gleis-
    Pfaffenthal-Kirchberg                                                                                                                  bot eine gute Qualität hat”, predigt Luxemburgs          körper der Tram viel Straßenraum beansprucht. Es
    unmittelbar an der Straßen-                                                                                                            Verkehrsminister François Bausch immer wie-              wäre schon viel erreicht, wenn wir den Zuwachs an
    bahnhaltestelle (2).
                                                                                                                                           der in Vorträgen und Interviews.                         motorisiertem Individualverkehr stoppen. Luxem-
    Elektronische Fahrplanaus-
    kunft in Echtzeit (3).
                                                                                                                                           Die Tram und die Umsteigeknoten sind Bau-                burg ist heute, auch ohne eigene Autoindustrie, ein
    Die Standseilbahn der CFL                                                                                                              steine in einem multimodalen Gesamtkonzept,              Autoland.
    überbrückt 40 Höhenmeter                                                                                                               mit dem Luxemburg Autofahrer generell aus
    zwischen Tram und Schienen-                                                                                                            dem motorisierten Individualverkehr holen                Für den besseren ÖPNV nimmt Ihr Land viel Geld in
    nahverkehr und schafft                                                                                                                 will. Die beschaulich-charmante Hauptstadt               die Hand, weit mehr als jedes andere Land in Euro-
    schnelle Verbindungen für                                                                                                              des Großherzogtums mit seinen 600.000 Ein-               pa. Was sind die Gründe dafür?
    Pendler zum Finanzplatz
    Luxemburg (4).
                                                                                                                                           wohnern ist – nicht zuletzt dank des Sitzes              » Heute wird so viel gebaut, weil 20 Jahre so gut
                                                                                                                                           zahlreicher Großkonzerne und EU-Instituti-               wie nichts getan wurde und der zunehmende Auto-
                                                                                                                                           onen – ein Brennpunkt von extremen Pend-                 verkehr die Mobilität immer mehr einschränkt. Die
                                                                                                                                           lerströmen. Von 450.000 Arbeitnehmern im                 Entscheidungsfreude der Politik hat erfreulicher-
                                     über Bankenpaläste bis zum Europa-Parlament.       Plätzen. „Erst waren viele skeptisch gegenüber     Lande sind rund 200.000 „Grenzgänger” aus                weise zugenommen, wobei die laufenden Projekte
                                     Der Erfolg der Stadtbahn, die von der in öf-       dem Tramprojekt, heute will jedes Stadtviertel     den Nachbarländern Deutschland, Belgien und              gar nicht alle neu sind, sondern nun endlich nach
                                     fentlicher Hand befindlichen Aktiengesell-         die Straßenbahn haben”, beobachtet auch Marc       Frankreich, die jeden Werktagmorgen in die               Jahrzehnten der Diskussionen realisiert werden.
                                     schaft Luxtram betrieben wird, stellte sich auf    Hoffmann, Personenverkehrsvorstand der lux-        eher übersichtliche Kapitale und ihr Umland
                                     dem ersten Abschnitt schnell ein. Die Zahl der     emburgischen Staatsbahn CFL.                       strömen. Bausch wird nicht müde darauf hinzu-            In Deutschland können immer wieder Milliarden-
                                     Fahrgäste war schon kurz nach dem Start vier-      Umsteigen schnell und bequem – das ist das Ziel.   weisen, dass auf diese Weise jeden Tag 250.000           summen für Infrastrukturprojekte nicht abgerufen
                                     mal so hoch wie eigentlich erwartet. Statt im      Dafür scheut der Bahn-Konzern auch außerge-        leere Autositze durch Luxemburg bewegt wer-              werden, weil das Planungsrecht kompliziert ist oder
                                     ursprünglich geplanten Sechs-Minuten-Takt          wöhnliche Lösungen nicht. Ein Ausnahmepro-         den. Stau-Chaos und Treibhausgas-Ausstoß –               Bürgerproteste alles verzögern. Haben Sie auch
                                     verkehren die Bahnen zu den Verkehrsspitzen        jekt: Im Stadtteil Kirchberg kreuzen Tram und      das sind die Folgen, die MoDu 2.0 beseitigen soll.       damit zu kämpfen?
                                     alle vier Minuten. Doch die Zugkapazität mit       Vollbahn nahezu rechtwinklig, die eine über        Mit einer Fülle von Maßnahmen, die zwar auch             » Eher weniger. Die Bürgerbeteiligung spielt
                                     430 Passagieren stößt an ihre Grenzen. Anvi-       eine hohe Brücke auf dem Hügel, die andere         den Individualverkehr besser lenken, vor allem           natürlich auch bei uns eine Rolle, doch dieser
                                     siert sind bereits ein Drei-Minuten-Takt und       im Pfaffenthal. Der Höhenunterschied liegt bei     aber den Umweltverbund von Öffentlichem                  Prozess endet dann, wenn ein Vorhaben im
                                                          Straßenbahnen mit 600         40 Metern. Eine hypermodern gestaltete –           Verkehr und dem Fahrrad fördern sollen. Dazu             Parlament beschlossen und damit zum Projekt
                                                          Plätzen. Neun Umsteige-       kostenlose – Standseilbahn mit Kabinen groß        zählen der Ausbau elektrischer Ladestationen             des öffentlichen Nutzens deklariert wird. Das ist
           Es macht keinen Sinn, irgendwo                 punkte sind entlang der T 1   wie Flughafenbusse erspart lästiges Treppen-       für Pkw, die Einrichtung von Fahrrad-Miet-               politischer Wille: Deshalb gibt es bei uns auch keine
           kostenlosen ÖPNV anzubieten,                   geplant, mit auf die Tram     steigen und verkürzt die Wege zwischen den         stationen, eine optimierte Mitfahrerzentrale,            komplexen, zeitaufwendigen betriebswirtschaft-
           wo das Angebot schlecht ist.                   abgestimmten Bus-Linien,      Höhen und Bahnsteigen zu einem Ein-Mi-             die Neugestaltung des Bus-Liniennetzes und               lichen Nutzwert-Berechnungen im Projektvorfeld
                                                          zum Nah- und Regional-        nuten-Trip. Zweigleisig, mit vier Fahrzeugen.      die Umstellung auf Elektrobusse. Basis wird              wie in Deutschland. Bei uns zählt der volkswirt-
           François Bausch,                               verkehr auf der Schiene       „Wir brauchen zwei parallele Bahnen, damit         eine App sein, die für jede Strecke das kom-             schaftliche Gewinn.
           Verkehrsminister von Luxemburg                 sowie zur wachsenden          es im Berufsverkehr keine Wartezeiten gibt”,       plette Angebot der Verkehrsmittel sinnvoll zu-
                                                          Zahl an Park-and-ride-        erläutert Hoffmann. Mit einer Kapazität von        sammentragen kann, natürlich in Echtzeit,

8                        01 | 2020                                                                                                                                                                                                   01 | 2020              9
Investiert ganz groß Kleines Land - Das Magazin
TITELSTORY                                                                                                                                                                                                                                                        AKTUELL

 Eine Stadt im Umbruch: Auf mehreren Kilometern windet sich die                                                                               F.A.Z.-Mobilitätsgipfel geht in die zweite Runde
 Baustelle für die Verlängerung der Tram zum Hauptbahnhof mit dem
 markanten Uhrenturm (rechtes Bild). Die Hauptstadt des Großherzog-                                                                                                                                            Welche Lösungen eignen sich für eine umweltgerechte und effiziente
 tums ist malerisch gelegen (Foto unten) und zieht Pendlerströme an.
                                                                                                                                                                                                               Mobilität bei weniger Verkehr in den Städten? Politik, Kommunen,
 Mit einer Fülle von Maßnahmen werden der Umweltverbund aus-
                                                                                                                                                                                                               Verkehrsunternehmen und neue Mobilitätsanbieter arbeiten an
 gebaut, Buslinien umgestaltet und auf E-Busse umgestellt (Foto u. r.).
                                                                                                                                                                                                               Konzepten, um den urbanen Verkehr effizienter und nachhaltiger zu
                                                                                                                                                                                                               gestalten. Um aktuelle Herausforderungen und mögliche Ansätze dreht
                                                                                                                                                                                                               sich die F.A.Z.-Konferenz „Mobilität in Deutschland“ am
                                                                                                                                                                                                               18. Februar 2020 in Berlin. Wie muss die Mobilität in Städten und
                                                                                                                                                                                                               Ballungsräumen gestaltet werden, damit die Klimaschutzziele er-
                                                                                                                                                                                                               reicht werden und die Lebensqualität verbessert wird? Und welchen
                                                                                                                                                                                                               Beitrag kann der Öffentliche Verkehr leisten? Wie müssen die Städte
                                                                                                                                                                                                               umgebaut werden, damit auch der Individualverkehr effizienter
                                                                                                                                                                                                               und umweltfreundlicher werden kann? Antworten geben Vertreter
                                                                                                                                                                                                               und Vertreterinnen aus Politik, den kommunalen Spitzenverbänden,
                                                                                                                                                                                                               der Bauindustrie sowie der Mobilitätsbranche. Die politische Seite
                                                                                                                                                                                                               wird vertreten durch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer,
                                                                                                                                                                                                               dem Verkehrsausschuss-Vorsitzenden Cem Özdemir und Christian
                                                                                                                                                                                                               Pegel, Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung in
                                                                                                                                                                                                               Mecklenburg-­Vorpommern. Gastgeber sind die Frankfurter Allge-
                                                                                                                                                                                                               meine Zeitung, der ADAC, der Hauptverband der Deutschen Bauindu-
                                                                                                                                                                                                               strie und der VDV im Rahmen der Initiative „Deutschland mobil 2030“.

                                                                                                                                                                                                                  www.faz.net/asv/deutschland-mobil-2030

                                                                                                                                           ANZEIGE

                        mit dem ökologischen Fußabdruck und den Kosten,         und für Fußgänger auf einer Hängebrücke unter den       EINSTEIGEN ZUM
                        die es dann aber nur noch außerhalb des ÖPNV gibt.
                        Massiv investiert Luxemburg in den Schienenver-
                        kehr. Der aktuelle Mehrjahresplan sieht bis 2027
                                                                                Fahrbahnen und Schienen, mit atemberaubenden
                                                                                Ausblicken durch die Sandsteinbögen hinab in die
                                                                                Tiefe des Tales.
                                                                                                                                        LOSSURFEN!
                        knapp vier Milliarden Euro an Investitionen für die     In dem Gesamtvorhaben der nachhaltigen Mobilität
                        Bahn vor, für Infrastruktur und neue Züge. CFL-         ist der kostenlose Nahverkehr für Minister Bausch       Begeistern Sie Ihre Fahrgäste mit WLAN zum Arbeiten, Chatten
                        Eisenbahner Hoffmann rechnet gerne vor, dass            nicht mehr als „ein Sahnehäubchen auf dem Ku-           und Posten – mit den mobilen HotSpots der Telekom. Gleichzeitig
                        derzeit für jeden Einwohner Luxemburgs pro Jahr         chen einer umfassenden Verkehrsstrategie”. Ein          profitiert Ihre Flotte von neuen Möglichkeiten, wie z. B. Positions-
                        600 Euro in den Bahn-Ausbau gesteckt werden,            hoher Kostendeckungsgrad durch Ticketverkauf ist        bestimmung in Echtzeit. Digitalisierung. Einfach. Machen.
                        nicht ganz das Doppelte des Eisenbahn-Musterlandes      bei den Verkehrsunternehmen in Luxemburg nicht
                        Schweiz und fast zehn mal so viel wie in Deutschland.   das Thema: Die Fahrgeldeinnahmen machen laut
                        Zu den anspruchsvollen Aufgaben zählt genauso der
                        Ausbau eines 600 Kilometer langen Radwegenetzes.
                                                                                Bausch mit 41 Millionen Euro lediglich neun Prozent
                                                                                der Ausgaben von gut 490 Millionen Euro für den                 S                     M                        L
                        Auch hier leistet sich Luxemburg zuweilen unge-         ohnehin schon preiswerten öffentlichen Nahver-
                        wöhnlich pragmatische Lösungen. Zum Beispiel am         kehr mit großzügigen Sozialtarifen aus. Die künftigen         SMALL                   MEDIUM                   LARGE
                        Pont Adolphe: Die gut 150 Meter lange Sandstein-        Mehrausgaben ab März seien ein eher bescheidener        M2M-SIM-Karten für      M2M-SIM-Karten für      M2M-SIM-Karten für
                        brücke über das Tal des Flüsschens Petruss verbindet    Betrag angesichts der hohen Gesamtinvestitionen für      Internet-Zugang       Internet-Zugang plus    Internet-Zugang plus
                                                                                                                                                                   HotSpot Suite           HotSpot Suite
                        Altstadt und Bahnhofsviertel. Bei der letzten Sanie-    den Verkehr, sagt Marc Hoffmann von der CFL.
                                                                                                                                                                (inkl. Management)      (inkl. Management),
                        rung wurden bereits die Straßenbahn-Gleise für den      Vom „Gratistransport”, wie der Nulltarif in Luxem-
                                                                                                                                                                                         Router, Einrichtung
                        Streckenabschnitt zum Hauptbahnhof verlegt. Das         burg heißt, werden auch alle ausländischen Pendler
                                                                                                                                                                                             und Betrieb
                        historische Bauwerk, das zu den Sehenswürdigkeiten      profitieren. Ihre Abo- oder Jahreskarten gibt es für
                        der Stadt zählt, wurde für die Mobilität der Zukunft    den CFL-Abschnitt künftig umsonst. Ganz normal          Mehr Informationen gibt Ihnen gerne:
                        um einen außergewöhnlichen Radweg ergänzt – ein         weiter zahlen muss dagegen die Kundschaft der           Boris Zachariae – Telekom Account Manager                                                                                    R
                        dreispuriger Tunnel für Räder in beiden Richtungen      ersten Klasse.                                          Tel. 0170 911 80 51                                                                                                   WLAN FÜ D
                                                                                                                                        E-Mail: boris.zachariae@telekom.de                                                                                    BUSSE UN
                                                                                                                                                                                                                                                               BAHNEN

10                    01 | 2020
Investiert ganz groß Kleines Land - Das Magazin
Kölner Verkehrs-Betriebe AG (KVB) | Christoph Seelbach Fotografie
HINTERGRUND

                                                                                         In Deutschland kommen immer mehr                       und für einen Umbau der Betriebshöfe und Werk-          CO2 pro Kilometer ausstoßen. Das können bislang nur
                                                                                         E-Busse auf die Straßen. Welche Anfor-                 stätten. „Um die Flotten bei den Verkehrsunterneh-      Busse mit Batterie-Elektrik oder Brennstoffzellen-
                                                                                                                                                men vor Ort auf emissionsfreie Busse umzurüsten,        antrieb – und Oberleitungsbusse, die in Deutschland
                                                                                         derungen damit verbunden sind, ist unter
                                                                                                                                                brauchen wir für einen bestimmten Zeitraum eine         nur in Solingen, Eberswalde und Esslingen fahren.
                                                                                         anderem Thema der VDV-Elektrobus-                      entschlossene und sich ergänzende Förderkulisse“,       Für das Jahr 2026 zieht die Richtlinie die Schraube
                                                                                         Konferenz am 4. und 5. Februar in ­Berlin.             verdeutlicht Martin Schmitz. Unterdessen liefern die    noch einmal an. Dann steigt
                                                                                         Auf der angeschlossenen Fachmesse                      Hersteller erste serienreife E-Busse aus beziehungs-    die Quote auf 65 Prozent:
                                                                                                                                                weise wollen damit in naher Zukunft beginnen. „Wir      Zwei von drei neu bestellten            Um die Flotten auf emissions-
                                                                                         ElekBu werden Fahrzeug-Premieren
                                                                                                                                                sehen positivere Signale als noch vor einem Jahr und    Fahrzeugen müssen sauber                freie Busse umzurüsten,
                                                                                         namhafter Hersteller erwartet. Unter-                  schauen gespannt auf die E-Bus-Messe im Februar“,       und die Hälfte davon emis-              brauchen wir für einen
                                                                                         dessen macht die Klimaschutzpolitik                    sagt Martin Schmitz. Zehn Prozent mehr Aussteller       sionsfrei sein.                         bestimmten Zeitraum eine
                                                                                         der EU dem ÖPNV Druck. Ab 2021 sollen                  als im vergangenen Jahr werden erwartet.                In der ÖPNV-Landschaft                  entschlossene und sich
                                                                                                                                                                                                        hofft man, dass das deut-               ergänzende Förderkulisse.
                                                                                         verstärkt elektrisch betriebene Busse
                                                                                                                                                EU-Richtlinie schreibt Quoten vor                       sche Gesetz Spielraum für
                                                                                         beschafft werden. Aus Sicht der Branche                Dass der Bedarf steigen wird und die Produktions-       eine „nationale Quote” lässt.           Martin Schmitz,
                                                                                         sind bei der Umsetzung der EU-Richtlinie               kapazität aufgestockt werden muss, liegt nicht nur      Soll heißen: Da es bereits              VDV-Geschäftsführer Technik
                                                                                         etliche Fragen offen.                                  am politischen Druck aus Brüssel. Die EU schreibt       große Unternehmen gibt, die
                                                                                                                                                in ihrer Clean Vehicles Directive (CVD) verbind-        vollständig auf Elektromobilität umsteigen, müsste
                                                                                                                                                liche Beschaffungsquoten für saubere Busse bei          nicht jeder andere Betrieb anteilig so rasch saubere

                                                                                         D     ie Kapazitäten von Bussen und Bahnen müssen
                                                                                               ausgebaut werden. Nicht zuletzt geht es um
                                                                                         die Einhaltung internationaler Verpflichtungen,
                                                                                                                                                öffentlichen Aufträgen vor. Ab August 2021 dürfen
                                                                                                                                                Verkehrsbetriebe und Kommunen nur noch in be-
                                                                                                                                                schränktem Umfang Dieselbusse bestellen, auch nicht
                                                                                                                                                                                                        und emissionsfreie Busse kaufen, um die CVD-Quote
                                                                                                                                                                                                        bundesweit zu erreichen, fasst VDV-Vizepräsi-
                                                                                                                                                                                                        dent Werner Overkamp die Branchenforderungen
                                                                                         CO2-Emissionen zu reduzieren. Busangebote lassen       die umweltfreundlichen Fahrzeuge mit Antrieben der      zusammen: „Die Großen treten bei ausreichender
                                                                                         sich vergleichsweise schnell erweitern. Dabei bieten   Euro-6-Norm. 45 Prozent der Beschaffungen sollen        Förderung in Vorleistung und werden die Forde-
                                                                                         E-Busse die Chance, den ÖPNV sichtbarer als um-        zwingend „saubere Fahrzeuge” mit emissionsarmen         rungen erfüllen, so dass die Kleinen die technologi-
                                                                                         weltfreundlich und emissionsfrei zu positionieren.     Antrieben sein – keinesfalls mit Motoren, die fossile   sche Weiterentwicklung und den Fortschritt bei der
                                                                                         Ende November 2019 waren bundesweit 315 Fahr-          Brennstoffe benötigen. „Sauber” sind nach EU-Ein-       Standardisierung abwarten können.“ Während die
                                                                                         zeuge im Einsatz, 750 weitere bereits bestellt. Die    schätzung Elektro-, Wasserstoff- und Erdgasbusse,       Beschaffungsquoten präzise formuliert sind, sind
                                                                                         Batterietechnik entwickelt sich dynamisch: In Städ-    aber auch Fahrzeuge, die mit Biokraftstoffen, syn-      die Ideen zur Finanzierung des Mehraufwandes für
                                                                                         ten können E-Busse mit Reichweiten von 150 bis         thetischen Kraftstoffen oder Flüssiggas fahren, so-     den elektrischen Busbetrieb auf EU- und nationaler
                                                                                         250 Kilometern bereits auf rund einem Drittel der      fern diese nicht mit fossilen Energieträgern gemischt   Ebene eher vage beschrieben. „Da ist“, so VDV-Vize­
                                                                                         Umläufe eingesetzt werden. Die nächste Genera-         werden. Für die Verkehrsunternehmen problema-           präsident Overkamp, „noch viel Diskussionsbedarf“.
                                                                                         tion von Batterien dürfte aufgrund ihrer höheren       tisch sind die Kosten für die Umstellung und für den
                                                                                         Energiedichte Reichweiten von 300 Kilometern           Betrieb, die die Umsetzung der Richtlinie mit sich
                                                                                         ermöglichen – was den Aktionsradius auf mehr als       bringt. Laut CVD soll die Hälfte der ohnehin schon                 Weitere Informationen:
                                                                                                                                                                                                                   www.ebuskonferenz.de
                                                                                         zwei Drittel der innerstädtischen Umläufe erweitert.   sauberen Busse noch sauberer – nämlich vollkommen
                                                                                                                                                emissionsfrei – sein, das heißt weniger als ein Gramm
                                                                                         Umfangreiche Förderung ist vonnöten
                                                                                         „Die gute Finanzlage der Bundesländer und die
                                                                                         weitere Aufstockung der Regionalisierungsmittel        ANZEIGE
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                                                                                         erläutert Martin Schmitz, Technikgeschäftsfüh-
                                                                                         rer beim VDV. In den Förderungen der Länder zu

EU
                                                                                         berücksichtigen wären die Beschaffung von neuen
                                                                                         Fahrzeugen, die Erweiterung von Angeboten sowie
                                                                                         Konzepte von Schnellbussen und Bus Rapid Transit

macht Druck
                                                                                         (BRT, siehe auch „VDV Das Magazin“ 6/2019). Da
                                                                                         ein E-Bus im Extremfall mehr als doppelt so teuer
                                                                                         sein kann wie ein vergleichbarer Diesel, werden
                                                                                         vor allem die vielen zusätzlichen Bestellungen in

für E-Busse
                                                                                         naher Zukunft nur möglich sein, wenn umfang-
                                                                                         reiche Förderprogramme des Bundes und ver-
                                                                                         stärkt auch der Länder zur Verfügung stehen. Sie
                                                                                         können die deutlich höheren Anschaffungs- und
                                                                                         Betriebskosten der E-Busse wenigstens teilweise
                                                                                         kompensieren: Zusätzlich entstehen Kosten zum
                                                                                         Aufbau der Ladeinfrastruktur, zum Netzanschluss

12       01 | 2020                                                                                                                                                                                                                                   01 | 2020             13
Investiert ganz groß Kleines Land - Das Magazin
AUS DEM VERBAND
                                                                                                                                                                       Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
                                                                                                                                                                       haben nun deutlich geringere Kosten für ihr
                                                                                                                                                                       Jobticket und gewinnen an Flexibilität.

                                                                                                                                                                       zu finden ist. Wichtig ist, dass das Jobticket zusätzlich zum
                                                                                                                                                                       Arbeitslohn angeboten werden muss. Hier eröffnen sich Ge-
                                                                                                                                                                       staltungsspielräume bei Gehaltsverhandlungen, Betriebsverein-
                                                                                                                                                                       barungen oder Mitarbeiter-Bindungsprogrammen.

                                                                                                                                                                       Was hat sich darüber hinaus geändert?
                                                                                                                                                                       » Seit dem 1. Januar 2020 gibt es die zusätzliche Möglichkeit der
                                                                                                                                                                       Gehaltsumwandlung zum Erwerb des Jobtickets, ohne Kürzung
                                                                                                                                                                       der Entfernungskostenpauschale. Dadurch kann die Finanzie-
                                                                                                                                                                       rung des Jobtickets aus dem Bruttogehalt erfolgen. Sie ist sozial-
                                                                                                                                                                       versicherungsfrei und damit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
                                                                                                                                                                       viel günstiger. Wird die Gehaltsumwandlung gewählt, bestehen
                                                                                                                                                                       für den Arbeitgeber zwei Möglichkeiten: Erstens die Pauschal-
                                                                                                                                                                       versteuerung mit 25 Prozent. Hier kann der Arbeitnehmer die
                                                                                                                                                                       Entfernungspauschale in seiner Steuererklärung zusätzlich
                                                                                                                                                                       geltend machen. Zweitens die Pauschalversteuerung mit 15 Pro-
                                                                                                                                                                       zent, die bisher bereits möglich war: Hier wird die Entfernungs-
                                                                                                                                                                       pauschale entsprechend gemindert. Die neue Alternative bietet
                                                                                                                                                                       sich als einfache Gesamtlösung für alle oder größere Gruppen von
                                                                                                                                                                       Arbeitnehmern an, da hier auch Fernpendlern keine finanziel-
                                                                                                                                                                       len Nachteile durch ein zusätzliches Jobticket entstehen. Diese
                                                                                                                                                                       steuerlichen Rahmenbedingungen eröffnen unseren Mitgliedern
                                                                                                                                                                       attraktive, neue Vertriebsmöglichkeiten für das Jobticket.

                                                                                                                                                                       Wer profitiert? Können Sie uns Zahlen nennen?
                                                                                                                                                                       » Alle profitieren. Der Arbeitnehmer hat deutlich geringere
                                                                                                                                                                       Kosten für sein Jobticket und gewinnt Flexibilität, denn er
                                                                                                                                                                       kann dieses ausschließlich oder hin und wieder zusätzlich zum
                                                                                                                                                                       Pkw sowie für private Fahrten nutzen. Dadurch können auch
                                                                                                                                                                       Kundengruppen gewonnen werden, die Bus und Bahn bisher
                                                                                                                                                                       weniger zugewandt sind. Der Arbeitgeber profitiert, da er attrak-
                                                                                                                                                                       tive Zusatzleistungen zum Gehalt anbieten kann – mit hohem
                                                                                                    Frau Maring, Jobtickets gibt es seit Jahrzehnten, was hat sich     Mehrwert und steuerfreier Gewährung. Ist diese Variante zu

     „Vom Jobticket
                                                                                                    verändert?                                                         teuer, ist die Gehaltsumwandlung eine kostengünstige Alter-
                                                                                                    » Petra Maring: Wir mussten 2003 die komplette Abschaf-            native. Die Verkehrsunternehmen profitieren ebenfalls, weil sie
                                                                                                    fung der steuerlichen Förderung des Jobtickets hinneh-             einen neuen Kundenkreis erschließen können. Und nicht zuletzt
                                                                                                    men. Als Folge gab es außer guten Vertriebskonditionen             gewinnt die Umwelt, wenn Pendlerinnen und Pendler vom Auto

       profitieren alle“
                                                                                                    keine zusätzlichen Kaufanreize für das Jobticket. Steuerver-       auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen.
                                                                                                    günstigungen waren lediglich im Rahmen der allgemeinen             In Zahlen heißt das, dass die Ersparnis bei einem alleinstehenden,
                                                                                                    44-Euro-Freigrenze möglich. Das war viel zu wenig.                 kinderlosen Arbeitnehmer mit einem Durchschnittsgehalt von
                                                                                                                                                                       3.600 Euro und Jobticket-Kosten von monatlich 50 Euro bei fast
                                                                                                    Das hat sich seit dem 1. Januar 2019 grundlegend verändert …       50 Prozent liegt – einfach durch den Wegfall von Lohnsteuer und
                                                                                                    » Ja, seitdem kann der Arbeitgeber steuerfreie Zuschüsse zum       Sozialversicherung.
                                                                                                    Erwerb des Jobtickets gewähren oder es direkt als Sachbezug zur
                                                                                                    Verfügung stellen. Hinzu kommt, dass auch ÖPNV-Privatfahr-         Wie läuft die Umsetzung aktuell – hat der Markt schon reagiert?
                                                                                                    ten bezuschusst werden dürfen und der steuerfreie Erwerb von       » Die Umsetzung läuft gut, viele Mitgliedsunternehmen arbeiten
        Im Steuerrecht war und ist derzeit viel in Bewegung. Auf VDV-Initiative wurden              Bahncards leichter möglich ist. Zu den Einzelheiten hat das Bun-   derzeit an neuen Vertriebskonzepten – und die Nachfrage steigt.
        zahlreiche Verbesserungen für die Verkehrsbranche sowie für viele Pendlerinnen und                                                  desfinanzministerium
        Pendler erreicht – zum Beispiel beim Jobticket. Petra Maring (kl. Foto), Bereichsleiterin                                           ein Anwendungsschrei-
                                                                                                         Viele Mitgliedsunterneh-           ben herausgegeben, das
        Steuern beim VDV, beantwortete dazu Fragen von „VDV Das Magazin“. In loser Folge                 men arbeiten an neuen                                                       Weitere Informationen finden Sie
                                                                                                                                            im Mitgliederbereich
        werden wir an dieser Stelle weitere Themen rund ums Geld und die Finanzen aufgreifen.            Vertriebskonzepten –               von www.vdv.de unter
                                                                                                                                                                                     im Mitgliederbereich unter:
                                                                                                         und die Nachfrage steigt.          „Steuern-Fahr­ausweise“
                                                                                                                                                                                     www.vdv.de >> Steuern-Fahrausweise

                                                                                                        Petra Maring, Bereichsleiterin
                                                                                                        Steuern beim VDV zu Jobtickets

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Investiert ganz groß Kleines Land - Das Magazin
AKTUELL

                                                                                             „Mobility inside“:
                                                                                                             App im Praxis-Check
                                                                                               Informieren, buchen, bezahlen – und das über nur eine App für ganz Deutschland.
                                                                                               „Mobility inside“ heißt diese digitale Plattform, die es künftig einfacher macht, mit
                                                                                               dem ÖPNV, im Fernverkehr oder mit Sharing-Fahrzeugen unterwegs zu sein. Seit
                                                                                               dem Herbst läuft in verschiedenen Regionen ein Feldversuch mit 1.900 Nutzern.
                                                                                               „VDV Das Magazin“ schaute einem von ihnen über die Schulter.

                                                                                               W       enn Gergely Pogonyi vor die Tür tritt, breitet
                                                                                                       sich die Vielfalt des Öffentlichen Verkehrs
                                                                                               förmlich vor ihm aus. Tram- und Buslinien sind fast
                                                                                                                                                        Mobilitätsplattform der Verkehrsbranche an. Au-
                                                                                                                                                        genblicklich erscheinen auf seinem Display ver-
                                                                                                                                                        schiedene Optionen und Verkehrsmittel, die ihm
                                                                                               unmittelbar erreichbar, nur wenige Gehminuten            für seine Reisekette zur Verfügung stehen. Unter
                                                                                               entfernt fahren U- und S-Bahnen sowie die Züge           jeder Verbindung steht ein Button mit dem Preis
                                                                                               des Nah- und Fernverkehrs ab. Gergely Pogonyi            für die passende Fahrkarte. „Ich brauche jetzt nur
                                                                                               ist Mitarbeiter der Rhein-Main-Verkehrsverbund           noch eine App“, sagt Gergely Pogonyi, der vor-
                                                                                               Servicegesellschaft (rms), die ihren Sitz direkt ge-     her etwa bei Fahrten mit der Bahn oder über
                                                                                               genüber dem Frankfurter Hauptbahnhof hat. In dem         die Grenze von Verkehrsverbünden hinweg
                                                                                               sechsstöckigen Gebäude arbeiten Verkehrs- und            mit zwei Apps hantieren musste. „Die App ist
                                                                                               Stadtplaner, Ingenieure, IT-Spezialisten und Experten    sehr übersichtlich, alles funktioniert schnell
                                                                                               weiterer Fachrichtungen an der Zukunft der Mobilität.    und unproblematisch“, schildert er seine
                                                                                               Und das nicht nur für den Rhein-Main-Verkehrs-           bisherigen Erfah-
                                                                                               verbund (RMV) als Mutterunternehmen, sondern             rungen. Besonders
                                                                                                                                                                                       Je mehr Testfälle wir
                                                                                               auch für Auftraggeber aus ganz Deutschland.              praktisch findet er,
                                                                                                                                                                                       generieren, desto besser
                                                                                                                                                        dass die angebote-
                                                                                                                                                                                       können wir die App
                                                         GESELLSCHAFT                          Gergely Pogonyi wirkt ebenfalls an dieser Zukunft        nen Verbindungen
                                                                                                                                                                                       weiterentwickeln.
                                                         GEHT AN DEN START                     mit – beruflich und privat. Der 43-Jährige ist einer     in einer Karten-
                                                                                               von bundesweit 1.900 Kunden, die derzeit für zehn        ansicht dargestellt
                                                                                                                                                                                       Matthias Rabe, rms-Teamleiter
                                                 „Mobility inside“ soll die Plattform für      Verkehrsverbünde und -unternehmen „Mobility              werden. „Das ist               Marktforschung, Qualitätsmanage-
                                                 den gesamten Öffentlichen Verkehr in          inside“ eingehend testen. Die App bündelt die Viel-      eine große Hilfe –             ment und Mobilitätsforschung
                                                 Deutschland werden. Das Hintergrund-          falt des Öffentlichen Verkehrs und bringt sie auf das    vor allem, wenn ich
                                                 system liefert alle Daten für den Ticket-     Smartphone. Der rms-Mitarbeiter ist ein „Friendly        in einer fremden Stadt unterwegs bin oder inner-
                                                 kauf an bestehende regionale Apps. Um die     User“. Mit kritischem Blick, aber gleichzeitig sehr      halb Frankfurts mal zu Fuß gehen möchte.“
                                                 Branchenlösung nach dem Test marktreif        aufgeschlossen wirkt er an der Weiterentwicklung
Eine App bündelt die Vielfalt des Öffentlichen   zu machen, haben die zehn Gründungs-          der App mit. Wenn er auf seinem Weg zur Arbeit           Community-Portal leistet wertvolle Hilfe
Verkehrs: Als einer von 1.900 Nutzern testet     initiatoren (kl. Foto) im Dezember 2019       oder in seiner Freizeit öffentliche Verkehrsmittel       Um die App zu nutzen, mussten sich die Testkunden
Gergely Pogonyi „Mobility inside“.               eine rechtlich eigenständige Gesellschaft     nutzt, tippt er auf seinem Smartphone die digitale       lediglich einmal registrieren. Nicht nur die Suche
                                                 gegründet.

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                                                                                                                                                                             Prof. Knut Ringat (Foto) macht sich als RMV-Geschäftsführer und
                                                                                                                                                                             VDV-Vizepräsident für die gemeinsame App der Verkehrsbranche stark.

                                                                                                                                                                             Herr Prof. Ringat, welche Chancen bietet     Branche nicht ohne Weiteres finanziert werden können. Die Förderung
                                                                                                                                                                             „Mobility inside“ der Verkehrsbranche,       von „Mobility inside“ durch das Bundesministerium für Verkehr und
                                  Auf seinem Weg zur Arbeit oder in                                                                                                          auch den kleineren Unternehmen?              digitale Infrastruktur mit über zehn Millionen Euro ist daher essenziell
                                  der Freizeit nutzt Gergely Pogonyi                                                                                                         » Prof. Knut Ringat: Als Brancheniniti-      für die weitere Entwicklung und beschleunigt die Realisierung der Vision.
                                  die App von „Mobility inside“.                                                                                                             ative hat „Mobility inside“ im Blick, dass   Das ist wichtig, damit wir den Service so schnell wie möglich unseren
                                                                                                                                                                             die Mobilitätsbranche sehr heterogen         Fahrgästen anbieten können.
                                                                                                                                           ist. Bei „Mobility inside“ begegnen sich nicht nur alle beteiligten Partner
     nach Fahrplaninformationen und die Buchung eines Tickets                                                                              auf Augenhöhe, sondern wir haben auch kleinere Unternehmen im Blick,           Wie geht es nach der Gründung der Mobility inside GmbH und nach Ende
     sind als Funktionen in „Mobility inside“ integriert, sondern                                                                          die über keine eigenen IT-Abteilungen verfügen. Wir unterstützen diese         des Testlaufs weiter?
     ebenfalls die Abrechnung. „Auch das testen wir unter realen                                                                           Unternehmen, ihre vorhandenen Daten im VDV-Standard aufzuberei-                » Auch wenn eine umfassende Auswertung der „Mobility inside“-
     Bedingungen. Bezahlt wird mit echtem Geld“, verdeutlicht                                                                              ten, und ermöglichen ihnen so den Zugang zur gemeinsamen Plattform             Pilot-App erst nach Ende des laufenden Live-Tests erfolgen wird, können
     Matthias Rabe. Er ist Teamleiter Marktforschung, Quali-                                                                               „Mobility inside“.                                                             wir festhalten, dass die App stabil läuft, das Handling schon sehr weit-
     tätsmanagement und Mobilitätsforschung bei rms. Matthias                                                                                                                                                             gehend selbsterklärend und positiv bewertet wird und wir somit auf Kurs
     Rabe behält im Auge, welche Verbesserungsvorschläge die           meinungsstarke Community. „Wir wollen möglichst detail-             Welche Rolle spielt die Förderung durch den Bund beim Aufbau von               sind. Hier und da wird es sicher noch Anpassungen und Verbesserungen
     etwa 1.900 Testerinnen und Tester machen. Bei der ein-            liert erfassen, ob die Nutzer verständlichere oder andere           „Mobility inside“?                                                             geben. Parallel werden wir weiter neue Partner in das Projekt aufneh-
     heitlichen Erfassung und Auswertung leistet ein Commu-            Lösungen als unsere Entwickler finden“, erläutert                   » Sowohl die Datenbereitstellung und -vernetzung als auch die Program-         men. Mein Ziel ist, dass Fahrgäste ab 2021 schrittweise „Mobility inside“
     nity-Portal wertvolle Hilfe. Dort können Nutzer Fehler, die       Matthias Rabe. Abgefragt wird unter anderem, wie wich-              mierung der Plattform und der App bedeuten Aufwände, die in unserer            nutzen können.
     ihnen auffallen, sowie Bewertungen einzelner Funktionen           tig ihnen bestimmte Funktionen sind oder welche anderen
     oder grafischer Darstellungen eingeben. 250 Kommentare,           Mobilitäts-Apps genutzt werden. Auch Gergely Pogonyi
     Vorschläge und Wünsche wurden allein schon von Tes-               hat Verbesserungsvorschläge: Er wünscht sich beispiels-
     tern aus dem RMV-Gebiet gepostet – eine engagierte und            weise mehr Flexibilität beim Ticketkauf. Denn unmittelbar                                                                                                                    Blick ins Community-Portal: Hier
                                                                                   nach der Buchung per Tipp auf den Bezahlbutton                                                                                                                   werden die Verbesserungsvorschläge
                                                                                   „tickt die Uhr“ für die auf 240 Minuten befristete                                                                                                               der 1.900 Testerinnen und Tester
                                                                                                                                                                                                                                                    einheitlich erfasst und ausgewertet.
                                                                                   Gültigkeitsdauer eines Einzelfahrscheins.
                                                                                   Außerdem gilt das Ticket dann erst ab dem Zeit-
                                                                                   punkt der gewählten Verbindung. „Das ist in der
                                                                                   Stadt ein Hindernis, wenn man beispielsweise
                                                                                   spontan doch schon eine frühere Bahn nehmen
                                                                                   will.“ Das sind nur zwei von zahlreichen Bei-
                                                                                   spielen, bei denen sich die Entwickler mit der
                                                                                   Komplexität unterschiedlicher Tarifsysteme und
                                                                                   der Heterogenität der Verkehrsbranche ausein-
                                                                                   andersetzen müssen. Um solche Aufgaben zu
                                                                                   lösen, bleibt jetzt mehr Zeit. Der ursprünglich
                                                                                   auf das Jahresende 2019 befristete Testlauf
                                                                                   wurde bis Ende März 2020 verlängert. Matthias        ANZEIGE
                                                                                   Rabe und seinem Team kommt das sehr gelegen.
                                                                                   „Viele Ideen können im Piloten in der Kürze der
                                                                                   Zeit noch nicht umgesetzt werden. Aber je mehr
                                                                                   Testfälle wir generieren, desto besser können wir
                                                                                   die App weiterentwickeln.“

                                                                                                Weitere Informationen dazu:
                                                                                                www.mobilityinside.de

                                                                                    „Mobility inside“ stellt die angebotenen
                                                                                    Verbindungen in einer Kartenansicht dar
                                                                                    und bietet eine eigene Schaltfläche für das
                                                                                    Ticketing.

18               01 | 2020                                                                                                                                                                                                                                           01 | 2020                    19
AUS DEM VERBAND

     „Ausbildungskosten
                                                                                                                                     regelt, wie die Ausbildungskosten bei einem Wechsel von          berechtigte Forderung nach ebenerdigem Einstieg dazu-
                                                                                                                                     Mitarbeitern vergütet werden. Das ist schon ein guter erster     kommen, zeigt sich, wie weit unsere Branche noch von einer
                                                                                                                                     Schritt. Baden-Württemberg wird folgen, und ich kämpfe           Standardisierung entfernt ist. Wir brauchen mehr Standar-
                                                                                                                                     dafür, dass uns dies bundesweit gelingt.                         disierung bei Fahrzeugen und Bahnsteighöhen.

      gegenseitig erstatten“                                                                                                         Welche Maßnahmen haben die Unternehmer ergriffen, um
                                                                                                                                     attraktiver zu werden?
                                                                                                                                     » Zunächst muss sich jeder selbst als attraktiver Arbeitgeber
                                                                                                                                     in Szene setzen. Gleiches muss die Branche insgesamt zeigen,
                                                                                                                                     dass sich Eisenbahnen und ÖPNV-Unternehmen keines-
                                                                                                                                                                                                      Wie ist das Verhältnis zu den anderen Verbänden, die sich
                                                                                                                                                                                                      den Wettbewerb im Bahnverkehr auf die Fahnen geschrie-
                                                                                                                                                                                                      ben haben?
                                                                                                                                                                                                      » Wer die gleichen Ziele verfolgt, ist sich in der Sache wohl-
                                                                                                                                                                                                      gesonnen. So arbeiten wir in vielen Themen gemeinsam. Als
     Untereinander stehen sie in Konkurrenz, unter dem Dach des VDV setzen sie sich jedoch für gemeinsame                            wegs hinter der Industrie verstecken müssen, wenn es um          Fach- und Branchenverband wären allerdings weitere Ver-
     Ziele ein. Die Wettbewerbsbahnen wollen nach außen sichtbarer werden. Jost Knebel (Foto), Vorsitzender                          interessante, vielfältige und entwicklungsfähige Berufsbil-      gleiche unfair, da der VDV seinen Mitgliedern ein sehr viel
     des Ausschusses der Wettbewerbsbahnen, beantwortete die Fragen von „VDV Das Magazin“.                                           der geht. Ein wichtiger Schritt ist mit der VDV-Arbeitgeber-     weiteres Spektrum bieten kann, als kleinere Verbände das
                                                                                                                                     initiative in-dir-steckt-zukunft.de getan. Hier dürfen wir       können.
                                                                                                                                     nicht nachlassen.
                                                                                                                                                                                                      Wie bewerten Sie die Arbeit der Aufgabenträger und der
     Herr Knebel, ist der Ausschuss der Wettbewerbsbahnen ein        vergeben wurde. Ab dann sind wir idealerweise Kooperati-        Was wünschen Sie sich von der Politik?                           Verkehrsverbünde für den Wettbewerb?
     neuer Ausschuss im VDV?                                         onspartner, die gemeinsam ihren Beitrag zum Gelingen der        » Verlässliche Rahmenbedingungen und Gespür für Mach-            » Das ist grundsätzlich eine Erfolgsgeschichte. Wenn wir
     » Jost Knebel: Wir haben uns im vormaligen „Ausschuss für       Verkehrswende leisten. Dafür kämpft der gesamte VDV.            bares. Ein aktuelles Beispiel: Es ist gut und richtig, die       sehen, wo wir einmal herkamen, mit einem dominanten Un-
     Wettbewerbsfragen des Eisenbahnpersonenverkehrs“ neu                                                                            DB Netz finanziell in die Lage zu versetzen, endlich ihre not-   ternehmen, und wo wir jetzt stehen, mit vielen Wettbewer-
     orientiert und positioniert. Bei dieser Gelegenheit haben wir   Was sind aktuelle Themen, wofür streiten Sie? Was wird          wendigen Baumaßnahmen umzusetzen. Allerdings sind die            bern auf dem Markt, das kann sich sehen lassen. Allerdings
                        den Namen angepasst und uns ein neues        2020 wichtig?                                                   guten Ansätze eines „kundenfreundlichen Bauens“ bislang          begrüßen wir bei Weitem nicht alles uneingeschränkt, so
                        Logo gegeben. Wir wollen damit auch          » Der Personalmangel im Fahrdienst ist aktuell ein großes       weder in einer adäquaten Mittelausstattung durch den Bund        zum Beispiel die unterschiedlichen Trennlinien zwischen
                        sichtbarer werden.                           Thema. Wir suchen Lokführer, Zugbegleiter und Personal          konsequent umgesetzt, wie auch einige Aufgabenträger noch        unternehmerischer und staatlicher Verantwortung. Auch
                                                                     für unsere Werkstätten. Wir sind uns einig: Es bringt nichts,   immer Pönalen aussprechen, obwohl Verspätungen durch             die bedingungslose Überwälzung von Risiken in Form von
                         Was hat sich im Markt verändert?            beim Mitbewerber Ausschau zu halten, wir brauchen insge-        Baumaßnahmen verursacht werden. Dass DB Netz nicht               Pönalen sehen wir sehr kritisch.
                         » Für uns ist wesentlich: Das geschäftli-   samt viel mehr Männer und Frauen an und auf den Zügen.          weiter aus haushalterischem Zwang zu Lasten der fahren-
                         che Umfeld hat sich teilweise zum Nach-     Unsere Branche braucht neue Mitarbeiter. Und wir brauchen       den Gesellschaften bauen muss, war ein mühsamer Prozess.         Es geht nur um Personenverkehr – was ist mit dem Güter-
                         teil der Unternehmen verändert. Wir         Verlässlichkeit in der Ausbildung. Wie beispielsweise im        Allerdings werden wir die Folgen in Form von steigenden Eng-     verkehr?
                         müssen unser Kerngeschäft unter immer       Handwerk erfüllen wir mit der Ausbildung der nächsten Ge-       pässen noch die nächsten zehn Jahre spüren. Ob die LuFV III      » Das Marktumfeld im Güterverkehr ist ein anderes, da
                         schlechteren Rahmenbedingungen be-          neration Eisenbahner eine gesellschaftliche Aufgabe. Auch       in der Praxis reicht, wird sich noch beweisen müssen.            die Kolleginnen und Kollegen dort unmittelbar im Wett-
                         treiben. Das Schienennetz ist zum Teil      daher täte es der Branche gut, wenn wir uns bundesweit auf                                                                       bewerb stehen, also ohne öffentliche Hand in Form eines Auf-
                         komplett überlastet, und viele Signal-      die gegenseitige Erstattung von Ausbildungskosten verstän-      Von der Automobilindustrie und in der Luftfahrt kennen wir       gabenträgers. Darum kümmern sich im VDV die Gremien des
                         anlagen fallen zu oft aus. Das frustriert   digten. Hierfür gibt es erfreulicherweise erste Ansätze.        Plattformlösungen, die Einheitlichkeit an der Fahrzeugbasis      Güterverkehrs. Was uns eint,
                         unsere Fahrgäste, die überfüllte und un-                                                                    bieten, aber Spielraum an anderen Stellen. Ein Vorbild?          ist die Abhängigkeit von der
     pünktliche Züge eher als kleineres Übel statt als überzeu-      Welche?                                                         » Auf jeden Fall. In jedem Bundesland fahren andere Züge,        Infrastruktur, daher arbeiten                  86,2 MILLIARDEN
     gende, im Wortsinne geldwerte Leistung wahrnehmen. Es           » Wir haben in Nordrhein-Westfalen und in Niedersach-           jeder Aufgabenträger gibt ganz spezielle Vorgaben. Das ver-      wir in Fragen der Infrastruk-                  FÜR DIE SCHIENE
     frustriert uns selbst, da wir unseren eigenen Anforderungen     sen schon mit allen Nahverkehrsunternehmen und einigen          hindert Synergien, macht Skaleneffekte unmöglich. Wenn           tur auch branchenübergrei-
     nicht gerecht werden können. Und das gerade in einer Zeit,      Unternehmen des Güterverkehrs eine Vereinbarung, die            dann noch die unterschiedlichen Bahnsteighöhen und die           fend zusammen.                        Mit der dritten Leistungs- und
     in der der Öffentliche Verkehr – endlich – als Problemlöser                                                                                                                                                                           Finanzierungsvereinbarung
     wahrgenommen wird. Zudem werden wir Eisenbahnunter-                                                                                                                                                                                   (LuFV III) zwischen dem Bund und
     nehmen dann noch mit Pönalen in Millionenhöhe seitens der                                                                                                                                                                             der Deutschen Bahn AG sollen von
     Aufgabenträger belegt, obwohl über 90 Prozent aller Verspä-                                                                                                                                                                           2020 bis 2029 insgesamt 86,2 Mil-
     tungen nicht von uns verursacht werden.                                                                                                                                                                                               liarden Euro für die Instandhaltung
     Ein zusätzlicher Engpass, den vor einigen Jahren noch nie-                                                                                                                                                                            der Eisenbahninfrastruktur zur
     mand auf dem Zettel hatte, ist der Personalmangel. Um Lö-                             Die Wettbewerbs-                                                                                                                                Verfügung stehen. Davon entfallen
     sungen zu finden und konsequent umzusetzen, müssen alle
     Beteiligten die Bereitschaft mitbringen, miteinander zu
                                                                                           bahnen                                                                                                                                          62 Milliarden auf den Bund – eine
                                                                                                                                                                                                                                           Steigerung gegenüber der 2019 aus-
     reden und vor allem selbst Personal auszubilden.                                                                                                                                                                                      gelaufenen LuFV II um 59 Prozent.
                                                                                                                                                                                                                                           Die DB soll Eigenmittel von
     Es klingt eigenartig: Bahnen, die im Wettbewerb stehen, in                                                                                                                                                                            24,2 Milliarden Euro beisteuern,
     einem Ausschuss.                                                                                                                                                                                                                      41 Prozent mehr als bislang.
     » Man muss das Gemeinsame sehen. Uns eint, dass wir einen
     fairen Wettbewerb anstreben, dass die Ausschreibungs-
     bedingungen weniger bürokratisch und unternehmerische
     Innovationen möglich sind, dass die „Produktionskette“
     nicht immer weiter ausdifferenziert wird. Also ein gemein-
     sames Verständnis dafür, wie attraktiver, leistungsfähiger
     Nahverkehr aussehen muss. Im Wettbewerb stehen die
     SPNV-Unternehmen ohnehin nur so lange, bis der Auftrag

20               01 | 2020                                                                                                                                                                                                                      01 | 2020                  21
AUS DEM VERBAND

DREI FRAGEN AN
„VDV Das Magazin“ sprach mit
Stefan Hilger (Foto) von der                             E-Learning: Netzwerk
                                                         sammelt Erfahrungen
VDV-Akademie.
Er koordiniert
und leitet
das Projekt
„eLearningÖV“
und berichtete,                                          Wie kann die Verkehrsbranche digitale Medien stärker in der beruflichen Bildung einsetzen? Dazu
worauf es bei
                                                         sammelt derzeit ein Netzwerk aus fünf Unternehmen Erfahrungen mit E-Learning. Die sollen später
Einführung des
digitalen Ler-                                           vor allem kleinen und mittleren Verkehrsunternehmen zugutekommen. Koordiniert und moderiert
nens ankommt.                                            wird das Förderprojekt von der VDV-Akademie, die damit ihre Kompetenz als Zentrum für digitales
                                                         Lernen weiter ausbaut.

                                                         T
Herr Hilger, wo liegen die Chancen von
E-Learning?                                                      ürstörung: Der Fahrschüler mit der Virtual-Reality-Brille   der Präsenzzeiten mit digitalen Lerneinheiten und Tests
» Stefan Hilger: Wir verstehen E-Learning als                    muss von seinem Sitz aufstehen. Im virtuellen Raum geht     konnten wir den Lerneffekt bei den Teilnehmenden steigern.“
Ergänzung bestehender Bildungsangebote. Es                 er durch seine Straßenbahn – auf der Suche nach der fehler-       Bei den Blended-Learning-Arrangements werden Präsenz-
hat viel Potenzial. Beispielswiese können Teile            haften Tür. Ein Beispiel für E-Learning, wie es die Üstra in      phasen und E-Learning didaktisch sinnvoll kombiniert,
des individuellen Lernens ins Digitale verlagert           Hannover einsetzt. „Wir haben mit einer 360-Grad-Kamera           um die jeweiligen Vorzüge der verschiedenen Lernformen
werden und online bestimmte Wissensgrundlagen              den Innenraum einer Bahn abfotografiert“, erläutert Ausbil-       zu nutzen. Da E-Learning orts- und zeitunabhängig zur
vermittelt werden. Zudem steht den Lehrenden               dungsleiter Rainer Behrens. Eine zweite Anwendung befindet        Verfügung steht, bietet es den Lernenden unter anderem die
eine Vielzahl an praktischen Tools und Methoden            sich im Aufbau - ein interaktiver Film zur Streckenkunde.         Flexibilität, dann zu lernen, wenn sie die Zeit dazu haben.
zur Verfügung, die den Unterricht interessan-              Die Üstra gehört zu einem Netzwerk von vier Verkehrs-             Die digitalen Lerneinheiten können zudem verschiedene
ter und abwechslungsreicher machen. Für das                unternehmen und der VDV-Akademie, die im Rahmen eines             Lernpräferenzen bedienen: visuelle, auditive, haptische und
Unternehmen kann E-Learning ein zusätzlicher               Förderprogramms Erfahrungen sammeln, wie sich die Mög-            abstrakt-verbale Lerntypen.
Imagefaktor sein. Eine zeitgemäße Lernkultur                                                         lichkeiten des digi-
trägt dazu bei, für junge Fachkräfte als Arbeit-                                                     talen Lernens in die    Verschiedene Bereiche arbeiten zusammen
geber attraktiv zu sein.                                         E-LEARNING IN DER                   Verkehrsbranche in-     Die Entscheidung für E-Learning betrifft das ganze Un-
                                                                 VERKEHRSBRANCHE                     tegrieren lassen. Zu    ternehmen. Denn damit ändert sich die Sichtweise auf
Vor welchen Herausforderungen steht ein Unter-                                                       den Projektpartnern     Weiterbildung, Personalentwicklung sowie die Mitarbei-
nehmen, das E-Learning einführen möchte?              Das Projekt „eLearningÖV – Netzwerk            zählen außerdem die     terinnen und Mitarbeiter – und schließlich auch die Un-
» Der Aufwand, E-Learning einzuführen, ist            digitales Lernen in der Verkehrsbranche“       Bogestra, die VAG       ternehmenskultur. Deshalb empfiehlt die Projektgruppe,
nicht zu unterschätzen. Letztlich ist es ein Ver-     ist Teil des Programms „Digitale Medien        Nürnberg und die        frühzeitig zur Einführung von E-Learning die passenden
änderungsprozess, der das ganze Unternehmen           in der beruflichen Bildung“ und läuft bis      Stadtwerke Osna-        Rahmenbedingungen zu schaffen. Wenn das digitale Ler-
betrifft. Immerhin geht es darum, eine neue Kultur    März 2022. Gefördert wird das Vorhaben         brück. Die digitalen    nen eingeführt und langfristig zu einem Erfolg werden soll,
des Lernens einzuführen. Zum einen benötigen          vom Bundesministerium für Bildung und          und organisatori-       müssen sich zuvor verschiedene Bereiche eines Unterneh-
die Akteure dafür die Rückendeckung aus dem           Forschung sowie vom Europäischen Sozi-         schen Erfahrungen       mens dafür abstimmen. IT, Personalabteilung, Betriebsrat
Unternehmen, zum anderen werden die entspre-          alfonds der Europäischen Union.                der Projektgruppe       und Geschäftsführung sollten dabei idealerweise an einem
chenden Ressourcen benötigt – Zeit, Geld und                                                         sollen in Zukunft       Strang ziehen.
verantwortliches, kompetentes Personal.                                                              vor allem kleineren
                                                           und mittleren Unternehmen zugutekommen, wenn sie E-               Ihre Erfahrungen tauschen die Projekt-Teilnehmer und
Soll E-Learning Lehrpersonal ersetzen?                     Learning als Teil ihrer beruflichen Bildung und Personalent-      weitere Vertreter von Verkehrsunternehmen im gleichna-
» Keineswegs. E-Learning kann Freiräume                    wicklung nutzen wollen. Die Methoden und Möglichkeiten,           migen Netzwerk „eLearningÖV“ regelmäßig aus – entweder
schaffen, die Präsenzzeiten von Trainerinnen und           E-Learning einzusetzen, sind vielfältig. Die Bandbreite           bei den digitalen und analogen Treffen oder bald auf einer
Trainern intensiver zu nutzen. Dadurch ändert              reicht vom selbstorganisierten Lernen am Arbeitsplatz bis         Online-Plattform mit einem digitalen Marktplatz für Lern-
sich deren Rolle. Bei den Schulungen vor Ort bleibt        hin zu digital aufbereiteten Pflichtschulungen. Es kann aber      materialien. Dabei geht es um gemachte Erfahrungen, neue
mehr Zeit für Anleitungen. Somit können sich               auch klassische Weiterbildungen und Seminare unter-               Tools oder die Verabredung von gemeinsamen Projekten.
die Trainerinnen und Trainer gründlicher um                stützen, bei der Trainer und Lernende vor Ort präsent sind.       Michael Weber-Wernz: „Das Netzwerk ist offen. Weitere
Einzelne kümmern und thematisch weiter in die              „Bei den Lehrgängen der VDV-Akademie setzen wir auf               Teilnehmende sind willkommen und können sich an die
Tiefe gehen.                                               Blended Learning und nutzen so die Vorteile von E-Lear-           Servicestelle des Projekts bei der VDV-Akademie wenden.“
                                                           ning“, berichtet Michael Weber-Wernz, Geschäftsführer
                                                           der VDV-Akademie: „Durch die Vor- und Nachbereitung
                                                                                                                                         Für Fragen rund um das Thema E-Learning
                                                                                                                                         und in Bezug auf das Netzwerk :
                                                                                                                                         kontakt@elearningnetzwerk.de | www.elearningnetzwerk.de

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AUS DEM VERBAND

                                                                                                                                                                                                                               Das entscheidende Thema
                                                                                                                            stellbar sei, flächendeckend für jeden Autobesitzer      entscheidende Thema wird          wird sein, die Planungen
                                                                                                                            am Abend Ladestellen zur Verfügung zu stellen. Die       aber sein, die Planungen          schnell voranzutreiben.
                                                                                                                            Zahl der Autos im Zeitalter der E-Mobilität müsse um     schnell voranzutreiben.”
                                                                                                                            40 bis 60 Prozent heruntergehen. Ein Auto zu besitzen,   Das sei eine „Mammutauf-          Joachim Herrmann,
                                                                                                                            müsse unattraktiv werden, ein Auto zu benutzen sei       gabe”. Herrmann erinnerte         Bayerischer Staatsminister des
                                                                                                                                                                                                                       Inneren, für Sport und Integration
                                                                                                                            etwas anderes. Aber eben nicht immer.                    an die erste Eisenbahn.
                                                                                                                                                                                     Damals im 19. Jahrhundert
                                                                                                                            Maly setzt nicht nur bei der StUB auf die Schiene:       seien von der Planung bis zur Inbetriebnahme nur
                                                                                                                            Regionalbahn-Takte verdichten, S-Bahn-Systeme            zweieinhalb Jahre vergangen: „Wenn wir das auch
                                                                                                                            weiterentwickeln, Straßenbahn mit elektronischem         annähernd hinbekommen, schaffen wir die Mobili-
                                                                                                                            Vorrang bis in die Innenstädte fahren. Was sich nach     tätswende.”
                                                                                                                            heute üblicher standardisierter Projekt-Bewertung
                                                                                                                            häufig nicht rechne, müsse mit neuen Indikatoren         In vielen Beiträgen wurde im Rathaussaal deutlich,
                                                                                                                            auf den Prüfstand: öffentliche nachhaltige Mobilität     dass neben fehlenden Planungskapazitäten und lang-
                                                                                                                            als volkswirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wert,   wierigen Rechtsverfahren auch das fehlende öffent-
                                                                                                                            zudem als Chance für Stadtentwicklung und Städte-        liche Bewusstsein über den tief greifenden Wandel
                                                                                                                            bau. Und: „Auch den Fahrgast vom Einödshof für die       einer klimafreundlichen Verkehrswende die Zukunfts-
                                                                                                                            S-Bahn gewinnen”, weil er mit Smart Mobility und         gestaltungen bremse. So betonte beispielsweise Josef
                                                                                                                            dem „Anruftaxi 4.0” bis zum Bahnhof kommt.               Hasler, Chef der VAG Nürnberg: „Jeder ist für Klima-

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                                                                                                                                                                                     schutz und den zügigen Ausbau der Netze, aber wehe
                                                                                                                            250 Besucher im historischen Rathaussaal                 es betrifft mich.” Auf dem Weg zur Schaffung lebens-
                                                                                                                            Unter dem Motto „Für eine zukunftsfähige Mobilität in    gerechter – und nicht autogerechter – Städte mit einem
                                                                                                                            der Metropolregion Nürnberg” ging es im altehrwür-       hohen Marktanteil von Mobilität mit Bussen und

         für die Wende
                                                                                                                            digen historischen Rathaussaal aus dem 14. Jahrhun-      Bahnen werde es ein „langer, langer Weg”.
                                                                                                                            dert mitten in der Nürnberger Altstadt einen Tag lang
                                                                                                                            um Wege und Weichenstellungen zur Verkehrswende.         Ulrich Schaller von der IHK Nürnberg forderte, beim
                                                                                                                            Eingeladen hatten die Initiative „Deutschland mobil      Schienenausbau auch die ländlichen Räume einzube-
                                                                                                                            2030”, der VDV und das kommunale Verkehrsunter-          ziehen und dazu „die Wirtschaft mitnehmen”. Günter
         Das Thema Verkehrswende kommt vor Ort an. Nachdem bislang die Finanzierung klima-
                                                                                                                            nehmen VAG Nürnberg. Rund 250 Besucher fanden            Steinbauer, Chef des Verkehrsunternehmens Wiener
         neutraler Mobilität die beherrschende Frage war, geht es in den Regionen und Kommunen mehr                         den Weg zu Vorträgen und Diskussionsrunden mit           Linien, machte deutlich, dass eine Verkehrswende
         und mehr um konkrete Projekte. Zum Beispiel im Großraum Nürnberg, einer Metropolregion                             hochkarätigen Experten. Joachim Herrmann, Baye-          Jahrzehnte und Milliardeninvestitionen benötigte,
         mit 3,6 Millionen Einwohnern.                                                                                      rischer Staatsminister des Inneren, für Sport und In-    bis sie in nennenswertem Umfang die Menschen zum
                                                                                                                            tegration, bekräftigte das Engagement des Freistaates    Umsteigen vom Auto auf Bus, Bahn, Fahrrad und an-

         I  n 15 Jahren ist 200. Geburtstag: Am 9. Dezember
            1835 startete die „Ludwigsbahn” mit der Lokomotive
         namens Adler als erste deutsche Eisenbahn zwischen
                                                                   der Pendler darstellen”, beschreibt der Zweckverband
                                                                   Stadt-Umland-Bahn seinen Beitrag für nachhaltige,
                                                                   klimafreundliche Mobilität. Bis zu 8.000 Tonnen CO2
                                                                                                                            für den Klimaschutz speziell im Verkehrsbereich. Bay-
                                                                                                                            ern wolle bis 2050 klimaneutral sein und habe bereits
                                                                                                                            hundert Maßnahmen mit erheblichen Investitionen
                                                                                                                                                                                     dere Mobilitätsformen bewege. Eine Zahl aus seinem
                                                                                                                                                                                     Vortrag stimmte nachdenklich: In Wien haben 96 Pro-
                                                                                                                                                                                     zent der Bevölkerung bis zur nächsten Haltestelle nur
         Nürnberg und Fürth. Auf ihrer Strecke fährt heute         und 31 Millionen Pkw-Kilometer könnten nach Be-          identifiziert. Für den ÖPNV und den Schienenperso-       einen Fußweg von 300 Metern.
         längst die U-Bahn. Nun steht bei den Franken wieder       rechnungen eingespart werden, wenn die neue Bahn         nennahverkehr stünden Fördermittel von 1,5 Milliar-
         eine bahntechnische Innovation im Fahrplan: die Stadt-    die Bewohner der Region zum Umsteigen auf die neuen      den Euro zur Verfügung. Zugleich würden zusätzliche
                                                                                                                                                                                                 Die nächste Metropolenkonferenz
         Umland-Bahn, kurz StUB genannt. Dahinter verbirgt         Schienen bringt.                                         Mittel über das ausgeweitete Gemeindeverkehrs-                       findet am 3.3.2020 in Karlsruhe statt.
         sich eines der derzeit größten Straßenbahn-Neu-                                                                    finanzierungsgesetz (GVFG) bereitgestellt. „Damit ist                www.deutschland-mobil-2030.de
         bauvorhaben in der Bundesrepublik mit einer rund          E-Autos bringen keine Mobilitätswende                    ausreichend Fördergeld da”, betonte der Minister. „Das
         25 Kilometer langen Linie zwischen Nürnberg, Erlangen     Das Projekt ist ein klassisches Leuchtturm-Projekt,
         und Herzogenaurach. Ein – nach heutigem Stand –           aber längst nicht das einzige. Denn Nürnberg und seine
         300-Millionen-Projekt, das die drei Städte gemeinsam      Nachbarn müssen umdenken, weiß Oberbürgermeister
         mit Bundesmitteln und Geldern aus dem Freistaat Bayern    Dr. Ulrich Maly, der Mitte des vergangenen Jahrzehnts                                                                               Hochkarätige Expertenrunde (v. l. n. r.):
         schultern wollen. Der Plan: Im Zehn-Minuten-Takt          als Präsident des Deutschen Städtetags bundesweit                                                                                   Josef Hasler (VAG Nürnberg), Oberbür-
         die Verkehrswende in Fahrt bringen, nach Baubeginn        bekannt wurde. „Die Verkehrswende schafft sehr viel                                                                                 germeister Dr. Ulrich Maly, Innenminister
                                                                                                                                                                                                       Joachim Herrmann, Sabrina Soussan
         in zwei, drei Jahren möglichst schon 2030, also noch      Emotionalität und Irrationalität” – und Handlungsbe-
                                                                                                                                                                                                       (Siemens Mobility), Dr. Jan Schilling
         deutlich vor der 200-Jahr-Feier für die Ludwigsbahn.      darf: Rund 150.000 Pendler sind morgens in die Stadt                                                                                (VDV), Klaus-Dieter Josel (Deutsche Bahn),
                                                                   und abends auf dem Rückweg unterwegs. Das allein                                                                                    Diana Windmeißer (Datev),
         „Ziel ist es, mit der StUB eine leistungsfähige, um-      macht rund 270.000 Pkw-Fahrten pro Tag aus, schätzt                                                                                 Tim Dahlmann-Resing (VAG Nürnberg)
         weltverträgliche, barrierearme und attraktive Alter-      der OB und hat eine klare Vorstellung. Wenn sich das                                                                                und Dr. German Hacker (Erster
         native insbesondere mit Blick auf den Pkw-Verkehr         E-Auto tatsächlich flächendeckend durchsetzt, also                                                                                  Bürgermeister von Herzogenaurach)
         zu schaffen. Die Stadt-Umland-Bahn soll zukünftig         jeder Autofahrer seinen Benziner oder Diesel gegen
         wichtige Einwohner-, Universitäts-, Schul- und Un-        einen Stromer tauscht, hat das – so Maly – „nichts mit
         ternehmensstandorte erschließen und eine nachhal-         Mobilitätswende zu tun, Eins-zu-eins kann keine
         tige Mobilitätsmöglichkeit vor allem für die große Zahl   Lösung sein”. Schon deshalb nicht, weil es kaum vor-

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