Jetzt gibt's Beton. Übers Bauen mit Stoffen aus der Erde - SPEZIAL

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Jetzt gibt's Beton. Übers Bauen mit Stoffen aus der Erde - SPEZIAL
SPEZIAL

August 2007

                Jetzt gibt’s Beton.
              Übers Bauen mit Stoffen
                   aus der Erde
Jetzt gibt's Beton. Übers Bauen mit Stoffen aus der Erde - SPEZIAL
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Jetzt gibt's Beton. Übers Bauen mit Stoffen aus der Erde - SPEZIAL
Brennen fürs Bauen
                  Die Ziegelhäuser in Krems/Egelsee
                  Seiten 4 bis 5

                  Pflanzen auf heißem Dach
                  Alte Baustoffe fürs Raumklima
                  Seite 6

                  Schätze mit Bodenhaftung
                  Planer Leopold Weber im Gespräch
                  Seite 7

                  Massive Töne
inhalt

                  Sechs Personen über Ziegel & Co
                  Seiten 8 bis 9

                  Der Ton macht den Ziegel
                  Reportage Wienerberger
                  Seiten 10 bis 11
                                                                                                   Am „Strand“ von Hennersdorf, südlich von Wien ,
                  Stärker, dichter, haltbarer                                                      geht’s los: Hier, in den Werkshallen des größ-
                  Beton-Zukunft aus dem Labor                                                      ten Ziegelherstellers, treten unansehnli-
                                                                                       editorial
                  Seite 12                                                                         che Klumpen ihre Reise über meterlange
                                                                                                   Förderbänder, durch die Gluthitze der
                  Streifzug in Beton                                                               Brennöfen an, um als rot gebackene Zie-
                  Ein Foto-Essay                                                                   gel zu tragenden Elementen der Archi-
                  Seite 13                                                                         tektur zu werden. Auch wenn es mo-
                                                                                                   mentan nicht unbedingt cool sein mag
                  Jeder Hüpfer zählt                                                               mit dem Traditionsmaterial zu bauen –
                  Über das „Platteln“                                                              interessante Beispiele lassen sich den-
                  Seite 14                                                                         noch finden.
                                                                                                      Ansonsten beherrscht ein anderer Bau-
                                                                                                   stoff – der im Wesentlichen aus Zement,
                                                                                                   Sand und Wasser besteht – die Szene:
                                                                                                   Beton. Dessen Zukunft kommt aus dem
                                                                                                   Labor. Der universell einsetzbare Kunst-
                                                                                                   stein wird zu einem Hightech-Produkt.
                                                                                                   Immer mehr zieht die Technik auch in
                                                                                                   unsere Häuser ein. Dennoch: Im Bemü-
                                                                                                   hen um das ideale Raumklima besinnt
                                                                                                   man sich wieder auf alte Bausubstanzen
                                                                                                   wie Lehm.
                                                                                                      Glaubt man Rohstoffexperten, werden
                                                                                                   uns Kalk, Gneis und Dolomit auch in Zu-
                                                                                                   kunft nicht ausgehen: Auf jeden Fall wird
                                                                                                   sich immer ein Steinchen finden, um es
                                                                                                   locker aus dem Handgelenk über das
                                                                                                   Wasser hüpfen zu lassen.        die red Q

Diese Ausgabe entstand mit finanzieller Unterstützung des Forum Rohstoffe und Bau Massiv

Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Standard (Bettina Stimeder)
Cover: Peter Marlow/Magnum Photos. The Earth Centre.
Fotos auf dieser Seite: Archiv Linsberger, Bruno Klomfar,
Aleksandra Pawloff, Martin Fuchs, Lisi Gradnitzer
MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Jutta Berger, Markus Böhm (Koordination),
Wojciech Czaja, Michael Hausenblas, Astrid Kuffner, Jens Lang, Oliver Zelt
Sekretariat: Christa Fuchs, Tel. (01) 53170-285
Fax-Durchwahl: -205, E-Mail: rondo@derStandard.at
Grafisches Konzept: fuhrer
Layout, Produktion: Armin Karner, Claudia Machado-Handsur, Petra Strasser
Bildbearbeitung: Otto Beigelbeck, Karl Lux, Michaela Pass
Anzeigen: Christine Nöbauer

                                                                                                                     rondospezial/08/2007       3
Jetzt gibt's Beton. Übers Bauen mit Stoffen aus der Erde - SPEZIAL
Brennen fürs Bauen

             Mit Ziegeln zu bauen ist nicht   Der Ziegelstein zählt zwar zu den ältesten Bau-
                                              materialien überhaupt, doch in den vergange-
                                                                                                gibt sich unbekümmert: „Mit Ziegeln zu
                                                                                                bauen bedeutet, sich mit einem Stück
             jedermanns Sache. Wer oben       nen Jahren hat sein Image einige Schram-          Tradition auseinanderzusetzen, doch das
                                              men abbekommen. Mit Ziegel zu bauen               heißt nicht zwangsweise, altmodisch zu
             drauf dann noch ein Steildach    gilt hierzulande als völlig uncool. Zwar          sein.“
                                              muss man sich um die Existenz von Wie-               Von außen gleichen die abweisenden
             aus Tonziegeln setzt, dem        nerberger & Co keine ernsthaften Sorgen           Ziegelmauern einem surrealen Gemälde
                                              machen, doch aufs architektonische Sie-           von Giorgio de Chirico: weit und breit
             ist das Kopfschütteln der        gerpodest schafft es der gebrannte Lehm-          kein Mensch, knallharte Linien, quasi die
                                              quader nicht. Denn anders als in Nord-            kalte Schulter zur Straße hin. Nichtsdes-
             Architektenkollegen sicher.      deutschland, Skandinavien oder bei-               toweniger haben die Hofhäuser eine ge-
             Mit den Hofhäusern in            spielsweise Italien haben es die österrei-
                                              chischen Architekten verabsäumt, den
                                                                                                wisse Ästhetik. „Häuser aus Ziegel und
                                                                                                vor allem Häuser mit Steildach können
             Krems/Egelsee liefert            banalen und altbackenen Ziegel in die             manchmal etwas Schreckliches sein“, er-
                                              Sphären des zeitgenössischen Bauens hi-           klärt Linsberger, „doch es liegt einzig und
             Ernst Linsberger allerdings      naufzukatapultieren. Stattdessen wird             allein an der gestalterischen Disziplin, ob
                                              betoniert, was nur geht, man schweißt             es einem gelingt, aus den schwierigen
             gute Gründe zum Nicken,          Stahl an Stahl und fügt Glas an Glas.             Umständen etwas Schönes zu machen.“

             meint Wojciech Czaja                Von den modischen Auf und Abs,
                                              durch die die heimische Baubranche
                                                                                                Besonders stolz ist er auf die großen und
                                                                                                langen Ziegelmauern, die ohne Schnick-
                                              geht, hält Architekt Ernst Linsberger             schnack an der Straße stehen.
                                              nicht viel. Seine Atriumhäuser in Krems/             Und über das Dach sagt er: „Wir haben
                                              Egelsee sind selbstbewusst geziegelt.             hier die technisch niedrigste und finan-
                                              Mehr noch: Der Wiener Architekt scheu-            ziell geschickteste Dachneigung geschaf-
                                              te nicht einmal davor zurück, ein Steil-          fen. Ihre Schönheit entsteht aus der Tat-
                                              dach vorzusehen und dieses mit Tonzie-            sache, dass wir gänzlich auf diese klei-
                                              gelsteinen zu decken – im neuarchitekto-          nen, hässlichen Dachflächen-Fenster
                                                                    nischen Fachjargon          verzichtet haben.“ Dass sich Linsberger
                                                                    gleicht das einem           überhaupt getraut hat, ein Steildach mit
                                                                    doppelten Fauxpas.          30 Grad vorzusehen, liegt an den großen
                                                                    Doch     Linsberger         Parzellen. 400 Quadratmeter misst ein

4   rondospezial/08/2007
Jetzt gibt's Beton. Übers Bauen mit Stoffen aus der Erde - SPEZIAL
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                                                                                                         Intelligent
                                                                                                         Bauen mit dem
                                                                                                         Isotropie-Effekt

                                                  Klare Sache: Wie mit dem Lineal
                                                  gezogene Sichtziegelmauern trennen
                                                  das Außen vom Innen. Der Blick
                                                  darüber offenbart die bürgerliche Idylle
                                                  der Atriumhäuser in Krems/Egelsee.
                                                  Fotos: Archiv Linsberger

Grundstück – für ein Atriumhaus ist                                Linsberger – und diese
das stattlich. „Natürlich nimmt das                                wohnen praktisch, prag-
Steildach auch Licht weg, bei einem klei-         matisch und gut. Das Haus schmiegt sich
neren Grundstück und somit bei kleine-            L-förmig an die Grundstücksgrenzen. In
ren Innenhöfen wäre ein solches Dach              dem einen Schenkel sind Küche, Wohn-
undenkbar gewesen.“                               und Esszimmer untergebracht, der ande-
  Wie sieht so ein Atriumhaus denn nun            re dient ausschließlich dem Privaten und           Entdecken Sie das Geheimnis der Isotropie
aus? Rundherum sind die Grundstücke               fasst das Schlafzimmer der Kinder und              YTONG ist ein Baustoff den man kennt – oder
von einer 1,80 Meter hohen Sichtziegel-           das der Eltern. Im unbelichteten Gelenk
                                                                                                     besser: zu kennen glaubt. Oder warum sonst ist
mauer umgeben. Hier sieht keiner mehr             befinden sich WC, Abstellraum und Bad.
                                                                                                     dieser neu entdeckte Baustoff speziell für Niedrig-
rein. Gelegentlich ist die Mauer von ei-             Damit sich das Raumprogramm vom
                                                                                                     energie- und Passivhäuser jetzt so interessant?
nem Carport unterbrochen. Die Pop-                Wohnen in einer Wohnhausanlage un-
                                                                                                     Was steckt hinter dem Geheimnis der Isotropie?
scherln der Autos ragen dann auf die Stra-        terscheidet, gibt es schließlich den Gar-
ße und markieren gleichzeitig den Ein-            ten vorm Fenster – und eine riesige Ab-
                                                                                                     Überragender Wärmeschutz oder behagliches
gang ins Grundstück.                              stellfläche für Sport- und Freizeitgerät-          Wohnklima? Mit YTONG heißt die Antwort: sowohl
  Anstatt gleich im Haus zu landen, betritt man   schaften und allerlei Krimskrams. Lins-            als auch! Denn nur YTONG zeigt mit seiner durch-
zuerst einmal den Innenhof. Kein Nachbar          berger, der den zusätzlichen Stauraum              gehenden Porenstruktur in allen Richtungen die
blickt rein, keiner spechtelt über den Gar-       schlichtweg als Schuppen bezeichnet,               gleich günstigen Eigenschaften. Alle Informationen
tenzaun. Die Umfriedungsmauern blei-              meint dazu: „Das Gelände hat an dieser             zum wohl intelligentesten aller Baustoffe finden
ben unverputzt und schaffen einen inti-           Stelle einen Knick, das war die beste Mög-         Sie unter
men Rahmen. Einzig die Häuser selbst              lichkeit, diesen Raum zu nutzen.“ Einen            www.ytong.at/isotropie.
sind mit einem außen liegenden Voll-              weiteren Vorteil habe dieser überdachte
wärmeschutz versehen und geben sich               Bereich außerdem noch, freut sich der
klassisch weiß. Was von außen noch her-           Architekt: „Es ist der einzige Innenraum,
metisch und unbelebt schien, ist nun ein          in dem man den Ziegel sieht.“           Q
Kleinod voll von Kräutergärtchen, Gar-                                                                                                                        ®
tenzwergen und kleinen Gartenlaternen             Die Hofanlage in Krems/Egelsee ist nach den        Info-Hotline 0800/10 11 13
– Privatsphäre auf Österreichisch eben.           Richtlinien des geförderten Wohnbaus in
„Irgendwann einmal ist die Arbeit des Ar-         Niederösterreich errichtet. Die Baukosten liegen
                                                  somit unter 1150 Euro pro Quadratmeter.
chitekten abgeschlossen. Das Gebäude              Das Projekt ist für den Austrian Brick and
gehört fortan den Bewohnern“, sagt Ernst          Roof Award 2008 nominiert.

                                                                                                                                               rondospezial/08/2007   5
Jetzt gibt's Beton. Übers Bauen mit Stoffen aus der Erde - SPEZIAL
Die Pflanze
auf dem heißen
Blechdach
Sträucher auf
dem Dach oder
alte Baumaterialien
wie Lehm sollen
in Zukunft für das
richtige Raumklima
sorgen. Aber auch
die Technik spielt

                                                                                                                                                                                                    Foto: Bruno Klomfar
eine Rolle, berichtet
Jutta Berger

                                                                                                  Form des so genannten „Solar Cooling“               fragen sein“, erklärt Hannes Bauer vom
                                                                                                  ist die Nutzung thermischer Sonnen-                 BMVIT. Mögliche Lösungen: passive
                                                                                                  energie. Voraussetzungen: ausreichende              Kühlung durch intelligente Abschattung
                                                                                                  Dimensionierung der Kollektoren und In-             oder die Berücksichtigung der Wärme-
                                                                                                  tegration von Speichern im System. Noch             quelle Computer.
                                                                                                  wird allerdings an der Verbesserung der                Bei drexel & weiss, energieeffiziente
                                                                                                  Wirtschaftlichkeit gearbeitet.                      Haustechniksysteme GmbH, dem Markt-
                                                                                                     In der Musterwohnung im Wohnpark                 führer bei Passivhaus-Haustechnik in
                                                                                                  Sandgrubenweg Bregenz hat die Wohn-                 Wolfurt/Vorarlberg, denkt man ebenfalls
                                                                                                  zukunft bereits begonnen. Martin Sum-               über Möglichkeiten nachhaltiger Kühl-
                                                                                                  mer, Leiter Wohnbau der Rhombergbau                 systeme nach. Haustechnik-Spezialist
                                                                                                  GmbH, öffnet eine Kastentür im Flur.                Reinhard Weiss hält, wie Karl Ponweiser,
                                                                                                  Putzgeräte und Lüftungsrohre sind zu se-            die Rückbesinnung „auf ursprüngliche
                                                                                                  hen und: ein Kasten im Kasten, „so groß             Erkenntnisse des Bauens“ für wichtiger
                                                                                                  wie ein Kühlschrank“ – das Herz der                 als den Einsatz von Klimaanlagen: „Wir
                                                                                                  Komfortlüftung. Mit dieser Minizentrale             müssen klug bauen, natürliche Beschat-
                                                                                                  wird das Raumklima in der Wohnung ge-               tung in der Städteplanung mitdenken
                                                                                                  steuert. Aus kaum sichtbaren Einblasdü-             und sorgfältig bei der Wahl der Baumate-
                                                                                                  sen an der abgehängten Decke kommt ge-              rialien sein.“
                                                                                                  filterte Frischluft, die über einen Erd-               So feiert etwa Lehm, der für ideales
                                                                                                  wärmetauscher angesaugt wird, in die                Raumklima sorgt, weil er die Luftfeuch-
                                                                                                  Räume.                                              tigkeit reguliert, seit wenigen Jahren eine
                                                                                                    Durch dezente Schlitze unter den Türen wird die   Renaissance. Mehr als 7000 Jahre wurde
                                                                                                  Abluft – und damit auch alle unangenehmen           in ganz Mitteleuropa mit Lehm gebaut –
Bei „jenseits von 30 Grad Celsius“ sitzt Karl Pon-   ter Wärme speichern, im Sommer aber          Gerüche – abgesaugt. Elektronisch ge-               bevor er altmodisch und zum Baustoff der
weiser, Professor für Thermodynamik und              kühl bleiben. Durch den Wärmekapazi-         steuert, bleibt die Temperatur auf den              Armen wurde. Pioniere wie der Nieder-
Energiewandlung an der Technischen                   tätseffekt können die kühlen Wände           programmierten Werten. Diese „Komfort-              österreicher Roland Meingast oder der
Universität Wien, in seinem Büro und                 Energie, die in Innenräumen durch            lüftung“ ist State of the Art in Passivhäu-         Vorarlberger Martin Rauch machen Lehm
stöhnt: „Wenn das so weitergeht, wird                Mensch und Maschinen produziert wird,        sern. Sie ist zwar keine Klimaanlage, ver-          zum Baumaterial der Zukunft. Der eine
das Haus der Zukunft eine Klimaanlage                aufnehmen.                                   bessert aber auch im Hochsommer das                 (Rauch) baut in ganz Europa Wohn- und
brauchen.“ Glücklich macht ihn diese                    Ein Effekt, der durch dichte Dämm-        Raumklima spürbar. Die Eigentumsanla-               Nutzbauten, der andere (Meingast) ent-
Perspektive keineswegs: „Jeder wird eine             materialien, wie sie bei Niedrigenergie-     ge ist eines von 23 Demonstrationsobjek-            wickelt und produziert mit seiner natur
Klimaanlage haben wollen, auch für das               oder Passivhäusern Voraussetzung sind,       ten des Forschungsprogrammes „Haus                  & lehm Lehmbaustoffe GmbH Baustoffe
Einfamilienhaus.“ Das wäre dann „so wie              allein nicht zu schaffen sei, sagt Ponwei-   der Zukunft“, gefördert vom Bundesmi-               aus Lehm und nachwachsenden Roh-
beim Auto: Durch eine Klimaanlage ist                ser, „es wird zu schnell warm“. Eine der     nisterium für Verkehr, Innovation und               stoffen. Er will die Lehmbauweise wieder
der energiesparende Effekt des Drei-Li-              möglichen Zukunftslösungen ist für ihn       Technologie (BMVIT).                                für die Masse interessant machen.
ter-Motors gleich wieder weg.“                       die Fotovoltaikfassade zur Energiepro-         Auf das „Haus der Zukunft“ folgt das                 Im Rahmen von „Haus der Zukunft“
   Wie kann man das Raumklima um-                    duktion für die hauseigene Klimaanlage.      Projekt „Energie der Zukunft“ – Schwer-             forscht Meingast an Materialien und
weltverträglich regulieren? „Da sind die             Wesentlich bei der Gebäudekühlung sei        punkt: Energie in Gebäuden. Zwanzig                 Technologien für das „Lehm-Passiv-
Architekten gefordert, weniger die Haus-             „die optimale Steuerung der Luftfeuch-       Millionen an Fördergeldern stehen dafür             haus“. Für die Klimatisierung sorgt in die-
techniker“, sagt Ponweiser. „Denn die                tigkeit“. Die Durchschnittswerte für das     2007 zur Verfügung. „Wie bewerkstelligt             sem Fall die Begrünung des Flachdaches:
beste Kühlung ist so zu bauen, dass man              Wohlfühlklima im Haus sind 22 Grad Cel-      man den Kühlungsbedarf auf nachhalti-               Die Pflanzen isolieren und schützen die
nicht kühlen muss.“ Er erinnert an das               sius Lufttemperatur, bei fünfzig Prozent     ge Weise ohne großen Energieverbrauch?              darunterliegenden Räume vor Hitze. Das
Raumklima guter Altbauten, die im Win-               relativer Luftfeuchtigkeit. Eine weitere     Das soll eine der zentralen Forschungs-             fördert das Wohnklima.                    Q

6    rondospezial/08/2007
Jetzt gibt's Beton. Übers Bauen mit Stoffen aus der Erde - SPEZIAL
Leopold Weber von
                                                                                                   der Montanbehörde
                                                                                                   im Wirtschafts-
                                                                                                   ministerium sprach
                                                                                                   mit Astrid Kuffner
                                                                                                   über den österrei-
                                                                                                   chischen Rohstoff-

Schätze mit                                                                                        plan. Ein Fazit:
                                                                                                   Die Baurohstoffe
                                                                                                   werden uns

Bodenhaftung                                                                                       auch in Zukunft
                                                                                                   nicht ausgehen

       der Standard: Welche Baurohstoffe werden      der Standard: Sie sind für den österrei-      Landessache. Bis Mitte 2008 wollen wir
       im Bergbau gewonnen?                          chischen Rohstoffplan zuständig. Was wird     alle Bezirke im Hinblick auf den jeweili-
       Leopold Weber: Lockergestein – Sand und       da festgelegt?                                gen Bedarf gemeinsam mit den Landes-
       Kies –, Ton sowie feste Brecherprodukte       Weber: Wir haben 2003 angefangen, die         behörden evaluieren und konfliktarme
       aus Kalk, Gneis und Dolomit. 100 Mio.         Lagerstätten aller für die nächsten 50 bis    Flächen identifizieren. In Rohstoffsiche-
       Tonnen Baurohstoffe werden pro Jahr in        100 Jahre benötigten mineralischen Bau-       rungskarten sind alle verfügbaren Vor-
       Österreich gebraucht, davon 60 Prozent        rohstoffe zu dokumentieren und zu be-         kommen verzeichnet und absolute
       Lockergestein.                                werten. Bisherige Flächenwidmungen er-        Schutzgebiete bereits abgezogen. Die
                                                     folgten oft mangels Planungsgrundlage         wichtigen Versorgungsgebiete für die Zu-
       der Standard: Kann dieser Bedarf aus hei-     ohne Berücksichtigung der Bodenschät-         kunft geben wir den Raumordnungsbe-
       mischen Quellen gedeckt werden?               ze oder nach dem Florianiprinzip. Zu          hörden bekannt. Da steckt sozusagen ein
       Weber: In Österreich kommen grundsätz-        glauben, dass jeder Rohstoff billig impor-    rotes Fähnchen drin. Naturschutz ist na-
       lich alle Baustoffe vor. Sie werden nicht     tiert werden kann, ist aber ein Trug-         türlich wichtig, aber auch bei Natura
       knapp, weil das geologische Angebot we-       schluss. Auch der Transport verursacht        2000 gibt es Flächen, wo der Zaunkönig
       niger wird, sondern weil die Vorkommen        Umweltbelastungen, also kann die Ver-         thront, und solche, wo mit Verträglich-
       nicht mehr zugänglich sind. Täglich ge-       sorgung auf geringe Distanzen oft effi-       keitsprüfung und Ersatzmaßnahmen
       hen 20 Hektar Lagerstätten verloren, weil     zienter sein.                                 eine Rohstoffgewinnung erfolgen kann.
       sie verbaut werden. Außerdem gibt es                                                        Auch die vierte Dimension muss mitein-
       auch konkurrierende Nutzungen wie             der Standard: Jeder kennt geologische Kar-    bezogen werden: unterschiedliche Nut-
       etwa Wasser,- Natur- oder Landschafts-        ten aus dem Schulatlas. Wo liegt der Unter-   zung in unterschiedlichen Zeiträumen.
       schutz. Um für die Zukunft Baurohstoffe       schied zu Ihrem Planungsinstrument?
       zu sichern, müssen Prioritäten abgewo-        Weber: Karten mit erdgeschichtlich ange-      der Standard: Wie entwickelt sich der in-
       gen oder Nutzungen besser vereinbart          ordneten Gesteinsschichten sind hiefür        ternationale Rohstoffmarkt?
       werden.                                       nur bedingt nützlich. Seit den 1980ern        Weber: Alles hängt von China ab, das wie
                                                     wurde das Bundesgebiet systematisch           ein Staubsauger Rohstoffe an sich zieht.
       der Standard: Wie beurteilen Sie das Image    nach Bodenschätzen durchforstet. Wir          Wir leben in einer Rohstoffkrise, weil die
       der Branche?                                  haben in drei Jahren auf Basis dieser Er-     Lager langsam leer werden. Wenn Auto-
       Weber: Ihr Ruf ist nicht der beste. Den       gebnisse eine flächendeckende Eignungs-       modelle jährlich fünf Prozent teurer wer-
       meisten Menschen ist nicht geläufig, dass     karte erstellt, also Qualität und Quantität   den, liegt das jedenfalls nicht aus-
       faktisch alles aus mineralischen Rohstof-     einzelner Rohstoffe verortet und ob sie zu    schließlich an den Lohnkosten. Die Su-
       fen besteht. Der Anteil des Bergbaus am       verwerten sind. Ein großes Kies-Vorkom-       che nach Vorkommen wird wieder ver-
       BIP beträgt nur 0,4 Prozent, die Wert-        men im Marchfeld kann regional weniger        stärkt. Ein persönlicher Traum von mir
                                                                                                                                                Foto: Forum minera lische Rohstoffe, Lisi Gradnitzer

       schöpfung durch die Sachgüterprodukti-        bedeutend sein als ein kleines in einem       ist das „Urban Mining“, also das sorten-
       on bringt aber einen Faktor 67. In der Ver-   engen Tal, weil es dort weniger Vorkom-       reine Abbauen und Wiederverwenden
       gangenheit wurden Fehler gemacht, aber        men gibt, aber gleich viel Be-                             der Rohstoffe aus einer
       der Schutz von Umwelt, Natur und              darf.                                                      Stadt. In Wien allein sind 20
       Mensch hat sich immens verbessert. Das                                                                   Millionen Tonnen Eisen ge-
       größte Konfliktpotenzial haben Sand und       der Standard: Welche Schritte                              bunden und 800.000 Ton-
       Kies, weil im Lockergestein auch Grund-       werden in Zukunft zu setzen                                nen Kupfer. Wenn wir das
       wasser gespeichert wird und Siedlungs-        sein?                                                      sukzessive nutzen, brau-
       raum besonders betroffen ist. Moderne         Weber: Bergbau ist in der Ge-                              chen wir theoretisch über-
       Steinbrüche werden heute nur noch im          setzgebung    Bundessache.                                 haupt nur die Differenz auf
       Trichterbau geführt, die sieht und hört       Der Schutz der Lagerstätten                                den Bedarf aus Lagerstätten
       man nicht.                                    durch die Raumordnung aber                                 ziehen.                     Q
Jetzt gibt's Beton. Übers Bauen mit Stoffen aus der Erde - SPEZIAL
Massive
    Töne
    Sechs Personen entlang
    der Wertschöpfungs-
    kette – vom Rohstoff-                                                                            Margarethe Cufer

    produzenten bis hin
    zum Bauherrn – über
    ihren persönlichen
    Zugang zu Material,
    Baustoff und Co
    Aufgezeichnet von: Wojciech Czaja
    Fotos: Aleksandra Pawloff (4),
    Larry R.Williams, privat

                                                                               Gerhard Staudinger    Silke und Werner Krammer

    Markus Stumvoll                                       Gerhard Staudinger                                        Leopold Fetter
    Vorstandsvorsitzender der Cemex Austria AG,           Marketingleiter Wienerberger, Produktion                  Öbau Baustoff / Baumarkt Fetter, Baustoffhändler
    Steinbruch, Kies- und Sandabbau
                                                          Der Ziegel ist der kleinste Fertigteil, den es gibt.      Massiver Baustoff ist ein sehr individuelles Pro-
    Sand, Kies und Stein – das sind Materialien, aus      Durch seine kompakte Größe kann er in der Archi-          dukt. Wenn man mit Ziegeln baut, hat man immer
    denen das Festland unserer Erde besteht. Für mich     tektur allerhand mitmachen. Ein weiterer Nutzen           wieder die Chance, das Haus nach einigen Jahren
    ist Stein der Urbaustoff schlechthin. Es ist der      liegt in der Nachhaltigkeit des Baustoffs. Bei Häu-       aufzustocken oder umzubauen. Die einzige Bedin-
    Baustoff mit der längsten Tradition. Beim Betrach-    sern aus der Jahrhundertwende etwa muss man               gung ist, dass man mit der Tragfähigkeit niemals
    ten antiker Gebäude sind wir beeindruckt, wie         vieles erneuern und austauschen – das Einzige,            auf das absolute Minimum runtergeht. Aber in der
    großartig sie auch heute noch erhalten sind. 2000     das bleiben kann, ist das Ziegelmauerwerk. Ein            Regel baut man im Ziegelbau ohnehin etwas stabi-
    Jahre und mehr zu überstehen – welcher andere         Ziegel übersteht Jahrhunderte. Ich habe beobach-          ler als nötig. Die Leute brauchen diese Flexibilität,
    Baustoff kann schon von sich behaupten, so nach-      tet, dass dem Ziegelstein ein Nachteil anhaftet:          sie lassen sich nicht auf ein fix fertiges Produkt
    haltig zu sein? Für mich strahlen diese Rohstoffe     Ziegel bedeutet Tradition – und das klingt altmo-         festnageln. Was außerdem für den Ziegelstein
    auch einen Hauch von Ewigkeit aus. Wenn wir uns       disch und etwas angestaubt. Dass der Ziegel ein           spricht, ist seine Wärmespeicherung. Im Sommer
    vorstellen, wie Sand und Kies den Weg vom Gebir-      bauphysikalisch unglaublich intelligenter Baustoff        ist es in jeder alten Kirche angenehm kühl. Und im
    ge bis ins Meer zurückgelegt haben und dann vor       ist, dass er viel Behaglichkeit ausstrahlt, wissen        Winter heizt sich ein Ziegelstein leicht auf und
    Ewigkeiten im Wiener Becken als Ablagerung zur        die Leute zwar, aber diese Eigenschaften sind             gibt seine Wärme nur allmählich wieder ab. Was
    Ruhe kamen, so liegt das weit außerhalb unseres       schwer mit harten Fakten zu vermarkten.                   hat meine Großmutter gemacht? Sie hat einen Zie-
    zeitlichen Vorstellungsvermögens. Manchmal den-          Ältere Menschen erinnern sich bestimmt noch            gel auf den Ofen gelegt und hat mit dem aufgeheiz-
    ken wir daran – etwa wenn wir vor einem großen        an den so genannten Speicherstein. Die Oma hat            ten Stein ihre Füße gewärmt. Später hat man das
    Stein stehen. Kraftvoll und widerstandsfähig steht    den im Backrohr erwärmten Ziegelstein mit ins             Gleiche mit dem Thermofor gemacht, aber der hat
    er da, niemand kann ihm so leicht etwas anhaben.      Bett genommen, um im Winter noch ein paar Stun-           – bei Weitem nicht so lange warm gehalten. Nach
    Mit Stein zu bauen bedeutet für viele Generationen    den Wärme zu genießen. Ist das nicht schön?               kurzer Zeit ist die Flasche wieder kalt. In einem
    zu bauen. Das Material ist dauerhaft, langlebig und   Der Ziegel von heute hat noch immer die gleichen          Leichtbau aus Stahl oder Glas ist das nicht anders.
    wertbeständig. Bei architektonischen Änderungen       Grundrohstoffe, hat sich aber weiterentwickelt.           Aus der Beobachtung in unserem Betrieb kann ich
    und Erneuerungen können die mineralischen Bau-        Manche Ziegel haben bereits eine integrierte              sagen, dass im Hausbau Ziegel bis heute der
    stoffe recycelt und als Baustoff wiederverwendet      Wärmedämmung. Damit ist der Stein sogar für               beliebteste Baustoff ist.
    werden. Das ist ein großer Vorteil.                   den Passivhaus-Standard geeignet.

8     rondo/21/08/2007
Jetzt gibt's Beton. Übers Bauen mit Stoffen aus der Erde - SPEZIAL
Markus Stumvoll          Isabella Leeb

                                                     Leopold Fetter

Isabella Leeb                                             Margarethe Cufer                                         Silke und Werner Krammer
Baumeisterunternehmen Rudolf Denk, Baumeisterin           Architektin                                              Bauherren, wohnhaft in Waidhofen/Ypps

Massives Bauen hat in Österreich Tradition und            Mein Lieblingsmaterial ist unbehandeltes Holz.           Wir wohnen in einem Haus aus dem 17. Jahrhun-
Zukunft. Die historische Bausubstanz unseres              Lebendiger und wandlungsfähiger als Holz kann            dert, das saniert, umgebaut und mit moderner
Landes verdankt ihre Beständigkeit und Erhaltung          ein Baustoff nicht sein: Je nach Wetter und je nach      Architektur aufgestockt wurde. Besonders in
dem vorwiegenden Einsatz von massiven                     Himmelsrichtung verwittert das Material einmal           den alten Gemäuern im Erdgeschoß zeigt sich:
Baustoffen wie Ziegel, Beton oder Naturstein.             langsamer, einmal schneller. Und diese Verwitte-         Ein massiver Baustoff löst Wohlbefinden und
Die Massivbauweise prägt in ihren verschiedenen           rung benötigt Zeit – ein Faktor, der in der Architek-    Behaglichkeit aus. Psychologisch fühlt man sich
Stilrichtungen den Charakter der Städte und Dörfer        tur oft übersehen wird. Da ich hauptsächlich im          in den alten Ziegelwänden mit dicken Fensterlai-
Österreichs. Derart gebaute Häuser bleiben viele          sozialen Wohnbau tätig bin, verwende ich meis-           bungen geschützt. Man kann schnell von äußeren
Generationen lang bestehen und sind eine                  tens einen völlig konträren Baustoff, nämlich            Einflüssen abschalten. Vor allem im Sommer kann
beständige Immobilienwertanlage. Ob Neubau,               Beton. Leider wird Beton im Regelfall „verpackt“,        man sich darin perfekt entspannen, denn die Hitze
Umbau, Zubau – mit massiven Baustoffen lassen             also in Wärmedämmung und Kunstharzputz einge-            dringt nicht ins Haus.
sich alle Vorhaben rasch, unkompliziert und               hüllt. Man sagt, das sei billiger. Doch eine derartige      Zu unseren Lieblingsmaterialien gehört
einwandfrei abwickeln. Ein Vorteil ist außerdem,          Fassade bedarf ständiger Wartung. Daher bevorzu-         allerdings Beton. Im neuen Teil unseres Hauses
dass die grundlegenden Baustoffe massiver Häuser          ge ich Fassaden, die mit edleren Materialien ver-        wollten wir diesen archaischen Baustoff bewusst
in der Natur ausreichend vorhanden sind. Diese            kleidet sind – zum Beispiel mit Fassadentafeln aus       einsetzen. Viele sagen, Beton sei technoid und
natürlichen Baustoffe werden heute energetisch            Eternit. Derartige Materialien ermöglichen einem         kühl, doch das stimmt nicht. Beton hat eine ganz
optimiert aufbereitet und sind später problemlos          Gebäude ein Altern mit Stil. Und das ist wichtig.        bestimmte Färbung, eine lebendige Oberfläche und
zu entsorgen.                                                Unlängst habe ich ein Bürohaus am Gürtel er-          viele unterschiedliche Strukturen. Ja man könnte
                                                          richtet. In diesem Fall ist die Fassade aus Natur-       fast sagen: Beton ist nicht perfekt. Doch gerade
                                                          stein. Ich hoffe, dass ihr eine würdevolle Alterung      das macht den Charme des Werkstoffes aus und
                                                          bevorsteht. Ich plane anlässlich der 20-Jahr-Feier       erweckt das Material zum Leben.
                                                          meines Büros eine ganz besondere Fotoserie:
                                                          Meine mittlerweile „erwachsenen“ Häuser sollen
                                                          dabei nach vielen Jahren durchfotografiert werden
                                                          – eine Dokumentation der Zeit. Auf den Vergleich
                                                          freue ich mich schon.
                                                                                                                                                 rondo/21/08/2007   9
Jetzt gibt's Beton. Übers Bauen mit Stoffen aus der Erde - SPEZIAL
Der Ton macht
                                                                                                 den Ziegel
Sandler gibt’s hier keine mehr. In einem der größ-   schwemmten Lehms sichtbar. Die Halde                                 die Strandatmosphäre, hier im Industrie-
ten Wienerberger-Ziegelwerke Österreichs, in         ist ein riesiger Dreckhaufen, könnte man
                                                                                                 Vom Lehmbatzen           gebiet südlich von Wien.
Hennersdorf bei Wien, haben längst Ma-
schinen die Arbeitsmacht übernommen
                                                     abschätzig sagen, wäre dieser Dreck nicht
                                                     von jeher ein so brauchbares und für die
                                                                                                 bis zum säuberlich          Betriebsleiter Gerhard Svatek grapscht
                                                                                                                          nach einem Lehmklumpen auf dem För-
und auch den Sandler überflüssig ge-                 Menschen wertvolles Material. In brö-       geschliffenen            derband, zerdrückt diesen auf „Seewolf“-
macht. Dessen Job war es einst, Sand zwi-            ckeligen Massen wandert es von der Hal-                              Art und zeigt eine kleine, weiße Muschel
schen die noch feuchten Ziegel zu streu-             de über ein 150 Meter langes, klappern-     Mauerziegel ist’s        aus jener Urzeit, in der diese Gegend noch
en, um deren Zusammenpicken zu verei-                des Förderband in einen Schlund in der                               mit der Karibik hätte verwechselt werden
teln. In erster Linie waren es Tagelöhner,           Fabriksmauer. Zuvor wird das Erdreich       ein staubiger und        können. „Muscheln sammeln in Henners-
die damals sandelten.                                von babybadewannengroßen und äußerst                                 dorf“, denkt sich der Besucher. „Nicht so
   Auch sonst sind Menschen, hier zwi-               gefräßigen Stahlmäulern mit scharfen        brandheißer Weg.         gut“, sagt Svatek, „denn die Muscheln sind
schen den unzähligen Ziegeltürmen, eine              Zähnen aus dem Boden gebissen. Am                                    dem Lehm in Sachen Ziegelwerdung nicht
seltene Spezies. 40 Angestellte hat das              Ende seiner Reise wird der Ton auf der
                                                                                                 Im Ziegelwerk            unbedingt förderlich, verbrennen diese im
Werk, und das in einem Zweischichtbe-
trieb. 30 in der Produktion und Lagerhal-
                                                     anderen Seite des Werks in seinem cha-
                                                     rakteristischen Rot und ziegelförmig auf
                                                                                                 Hennersdorf lässt        Gegensatz zu absichtlich beigefügten Ma-
                                                                                                                          terialien wie Sägespäne oder Sonnenblu-
tung, zehn im Labor, wo dem Lehm wis-                einer der unzähligen Palettentürme lan-     sich dieser verfolgen.   menkernschalen nicht restlos.“ Diese er-
senschaftlich auf den Zahn gefühlt wird.             den. Hier, an seinem Beschaffungsort, ist                            wähnten, so genannten Zuschlagsstoffe
Lehm für 600 Paletten Ziegel, das sind               der Ton noch aschgrau, das Rot stammt       Und Muscheln             bauen bei der Ziegelwerdung innere Span-
rund 30.000 Stück, die allein in Hen-                vom Eisen im Material, das erst durch ei-                            nung ab und hinterlassen am Ende im Zie-
nersdorf täglich erzeugt werden. Für ein             nen Oxidationsvorgang in der Brennerei      sammeln kann man         gel winzig kleine Luftbläschen – „einge-
Dörfchen von zwölf Einfamilienhäusern                zum Vorschein kommen wird.                                           baute Wärmedämmung“, meint Svatek.
würde dieser Ziegelberg reichen. Es ist                 Apropos Rot: Gleich neben der Halde      dabei auch noch             Verlassen die brockenartigen Lehmmassen ihr
kaum abzuschätzen, wie viele Häuser mit              liegt ein haushoher Haufen zerdepschter                              Erdreich und erreichen sie erwähnten Schlund,
den Ziegeln gebaut werden könnten, die               Ziegel – Ausschuss. Aus diesem hier wird                             werden sie gleich einem Strudelteig or-
der Wienerberger-Konzern an 259 Stand-               Tennissand. Hennersdorf grüßt Roland                                 dentlich geknetet und vermischt. Um den
orten in 25 Ländern produziert.                      Garros und Co mit bis zu 1000 Kubikme-                               Lehm zusammenpressen zu können,
   Man erschrickt fast, wird man eines der           tern Tennissand pro Saison.                                          braucht’s Wasser. Das ist bei den riesigen
hier Beschäftigten ansichtig. Das Werks-                Das Szenario ist kein unromantisches,                             Wienerberger-Kesseln genauso wie beim
gelände umfasst sagenhafte 100.000 Qua-              die feschesten Ruderalpflanzen, die der                              kleinen Hobbytöpfer. „Bildsam“, muss er
dratmeter. 40.000 davon entfallen auf La-            pannonische Raum zu bieten hat, säu-                                 werden, sagt Svatek, der Herr des Ziegels,
gerflächen, 11.000 auf die Produktions-              men die Lehmgruben, die hier noch Zie-                               der hier in Hennersdorf bis zu jenem
hallen, der Rest ist Pampa, Pardon Halde.            gelfutter für gut 100 Jahre auf Halde ha-                            Punkt für alles verantwortlich ist, an dem
Gleich einem Riesen-Ildefonso wird hier              ben. Was neben dem hin und wieder auf-                               der Ziegel auf der Palette landet und sei-
der Querschnitt des vor Urzeiten ange-               tauchenden Arbeiter noch überrascht, ist                             ne Reise Richtung trautes Heim antritt.

10     rondospezial/08/2007
Dazu gehört auch der nun anstehende       gewichts durch Schwitzen abhanden               Zum Endprodukt fehlt nun noch die               Zu Besuch bei den Ziegel-
Transport ins Walzwerk, wo das Material      kommen.                                      Reise zum Hotspot des ganzen Betriebes,            machern: Im Wienerberger
in drei Stufen zerkleinert und neuerlich        Ziegelwerk-Boss Svatek öffnet kurz die    dem Tunnelofen, der, und das wird gut              Werk in Hennersdorf
durchmischt wird. Über in großer Höhe        Türe zum Trockenraum, dafür kassiert         sein, keinen Blick in sein Inneres zulässt.        südlich von Wien lässt sich
tätige Förderbänder, die grindige Geräu-     die neugierige Besuchernase eine windi-      140 Meter sind es, die anmuten wie eine            Schritt für Schritt verfolgen,
sche wie eine Mega-Geisterbahn verursa-      ge 80-Grad-Celsius-Watschen.                 Endlosreihe von orangen Transportcon-              wie aus unansehnlichen
chen, kommt das Material ins so genann-         Hat der Ziegel diesen industriellen       tainern. Während der Zeit von 30 Stun-             Lehmbrocken über zahl-
te Sumpfhaus – bombastische, nach einer      Saunabesuch absolviert, ist er schon ei-     den wird dem Ziegel hier bei einer Tem-            reiche Stationen rot ge-
Seite offene Betonschächte, 16 Meter tief,   nigermaßen hart, noch aber lassen sich       peratur von 900 Grad Celsius eingeheizt.           brannte Ziegel entstehen.
15 Meter breit. Die Tonplättchen sind        per Fingernagel kleine Sternchen in sei-     700 Tonnen Ziegelmasse teilen dieses               Fotos: Martin Fuchs
hier, um zu „mauken“, wie die Ziegel-        ne Oberfläche ritzen, was der hier tätige    Schicksal gleichzeitig. Überwacht und
macher diesen Schritt nennen. Haben sie      Produktionsaufseher lässig übersieht.        beschützt wird das alles vom Heiligen
nach vierzehn Tagen ausgemaukt, sehen        Als wäre sein mitten zwischen Maschi-        Florian in Statuenform, der auch für die
sie aus wie fahles Herbstlaub. Dieses        nen stehender Schreibtisch ein gezu-         Menschen rund um die Ziegelwerdung
wird, wieder wie von Geisterhand, ab-        ckerter Guglhupf, ist dieser mit einer di-   schutzpatronmäßig zuständig ist. Natür-
gegraben und neuerlich durchmischt.          cken Staubschicht bedeckt. Der ebenso        lich ist sein Abbild hier bei Wienerberger
Nachdem der Masse ordentlich Dampf           staubige Gettoblaster ist eingeschaltet.     aus Ton.
gemacht wurde – dadurch lässt sich das       Wozu, ist eine andere Frage, denn hier re-      Nach dem höllischen Ausflug ist der Ziegel im
Material besser bearbeiten –, wird ihm       giert höllischer Lärm, ein Chor aus Kräch-   Prinzip fertig, unzählige, blitzsaubere, plan-
                                                                                                                                             Fakten
in der Stangenpresse bei einem Druck         zen, maschinellem Stöhnen, Hämmern           gestapelte und nun endlich rote Ziegel             Der Wienerberger-
zwischen 17 und 20 Bar die je nach Zie-      und Krachen. Hin und wieder huscht ein       sind fertig für die Palette, die sich wie ein      Konzern ist heute die
gelart typische Form und das entspre-        Arbeiter durch den gelb-grünen Maschi-       weiterer Bauklotz in die gewaltige Sky-            Nummer eins unter
chende Lochmuster verpasst. Das heißt,       nenwald. Ein roboterähnliches Kon-           line aus Ziegeltürmen rund um die Pro-             den Ziegelproduzenten.
eigentlich entsteht hier ein sehr langes     strukt, das die Ziegel auf den Ofenwagen     duktionshallen einschmiegen wird.                  2006 beschäftigte er in
Ziegelstück, das sich ähnlich einer End-     lupft, lässt im Sekundentakt ein lautes         Übrig bleibt nach dem Ausflug nach              derzeit insgesamt 259
los-Rostbratwurst aus der Maschine win-      „pfffft“ hören. Die Maschine ist behut-      Hennersdorf das Wissen, wie aus einem              Werken in 25 Ländern
det und erst hier in die richtigen Ziegel-   sam. Wie eine Katzenmama ihre Jungen         Dreckklumpen ein Objekt wird, das die              durchschnittlich 13.639
häppchen geschnitten wird.                   legt sie die Ziegel ab. Ähnlich dem Ku-      Menschheit seit Urzeiten beschützt und             Mitarbeiter in Europa und
   Auf Wägen mit Schamottboden, ähn-         gelkopf einer alten IBM-Schreibmaschi-       behütet. Übrig bleiben Bilder von Ma-              den USA. Das Betriebser-
lich wie Eisenbahntransportwaggons,          ne presst dann ein metallenes Ding den       schinen, Staub, Tonwürsten und einer               gebnis (Ebit) wuchs 2006
nur größer, kommen die dunkelgrauen          Wienerberger-Schriftzug und eine lange       Handvoll Arbeiter – und eine kleine Mu-            bei einem Umsatz von
Bausteine für acht bis sechzehn Stunden      Zahlenreihe in die Fast-schon-Ziegel.        schel im Hosensack, vom Strand von                 rund 2,2 Milliarden Euro
in die Trockenkammer, wo dem Ziegel          Gut 30 Ziegelarten werden übrigens hier      Hennersdorf.         Michael Hausenblas Q          um elf Prozent auf 299,7
drei bis sechs Prozent seines Körper-        in Hennersdorf produziert.                   www.wienerberger.at                                Millionen Euro.         Q

                                                                                                                                             rondospezial/08/2007       11
Was die Welt
zusammenhält
Stärker, dichter,                                    Beton, das ist der Stoff, aus dem die
                                                  Träume der Architekten und Baustatiker
                                                                                               Labor wurde die Stärke bereits auf 800
                                                                                               Megapascal gesteigert, was ungefähr der
                                                                                                                                                     Markt wird härter. Aus dem einst heimi-
                                                                                                                                                     schen Betonlieferanten MABA in Wiener
haltbarer – der Beton                             sind. Bekannt ist der Baustoff schon seit    Gewichtskraft eines durchschnittlichen                Neustadt wurde ein internationaler Kon-
                                                  Jahrtausenden. Bereits die Römer schätz-     Menschen entspricht, der auf einem                    zern. Für den Hersteller bedeutet das aber
der Zukunft ist ein                               ten die Eigenschaften des „opus caemen-      Stück Beton von der Größe eines Steck-                auch neue Herausforderungen, um sich
                                                  tium“. Und doch haftet dem Beton bis         nadelkopfes balanciert.                               am Markt zu behaupten: „Die Logistik
Hightech-Produkt                                  heute das Stigma an, er sei unnatürlich.        Balanceakte hat die Betonbranche frei-             wird sich verändern, man muss immer
                                                  Eigentlich klar, denn wo in der freien Na-   lich nicht im Sinn. Doch der neuartige                schneller bauen. Und die Vorplanungs-
aus dem Labor.                                    tur gibt es schließlich millimetergenau      Baustoff ermöglicht filigrane Konstruk-               phase künftig viel ernster nehmen“,

Jens M. Lang über                                 gefertigte Quader oder Platten von der
                                                  Ausdehnung einer frei schwebenden
                                                                                               tionen, die bisher nicht denkbar waren.
                                                                                               Denn dadurch können Gebäude oder Brü-
                                                                                                                                                     meint der MABA-Geschäftsführer Bern-
                                                                                                                                                     hard Rabenreither.
die Entwicklung                                   Hängebrücke?
                                                     Dass der Beton unnatürlich sei, kann
                                                                                               cken sehr viel dünner gebaut werden, da
                                                                                               bei großen Konstruktionen das Eigenge-
                                                                                                                                                        Die Betonproduktion wird sich da-
                                                                                                                                                     durch auch immer stärker in die Nähe
eines Materials,                                  Lutz Sparowitz nicht mehr hören. „Ich        wicht den Ingenieuren die größten Sor-                der Baustellen verlagern – um Zeit zu
                                                  verstehe das nicht, Beton ist nichts an-     gen macht. Ultrafester Beton braucht we-              sparen. Das zumindest spielt einer Ne-
das schon die Römer                               deres als künstlich hergestellter Stein“,    niger Baustoff und ist daher leichter. Die            benbranche zu, die förmlich aufblüht:
                                                  zürnt der Leiter des Betonbauinstitutes      erste Brücke daraus soll demnächst in                 den Recyclingbetrieben. „Schon heute
zu schätzen wussten                               an der TU Graz, „und das ganze Weltall       Kärnten errichtet werden. „Das ist schon              werden 80 Prozent der Abbruchmateria-
                                                  besteht aus Steinen!“ Aber doch kann Be-     sehr aufregend“, sagt Johannes Steigen-               lien wiederverwertet“, sagt Martin Car,
                                                  ton sehr viel mehr als natürlicher Stein.    berger, der das Forschungsinstitut der                der Geschäftsführer des Baustoffrecyc-
                                                  Chemische Fließ- und Bindemittel sollen      österreichischen Zementindustrie leitet.              ling-Verbandes, stolz, „dadurch müssen
                                                  heute den Beton haltbarer machen, wi-          Im Auftrag der Wirtschaft erforscht das Institut,   wir keine neuen Löcher in die Erde boh-
Wenn Renate Pelz über eines der derzeit größten   derstandsfähiger und leichter zu verar-      wie man den Baustoff immer weiter verbes-             ren, um an den Stoff zu kommen, son-
Bauprojekte der Österreichischen Bundesbah-       beiten. In den vergangenen Jahrzehnten       sern kann. Fortschritte hat man in jüngs-             dern arbeiten nachhaltig.“ Das kommt
nen (ÖBB) redet, dann spricht sie in Su-          hat sich an den Universitäten eine neue      ter Zeit vor allem mit selbst verdichten-             den Baukosten zugute und tut der Um-
perlativen. Anders lässt sich der Wiener-         Wissenschaft etabliert, die den Beton un-    dem Beton gemacht. Dieser muss nicht                  welt gut.
waldtunnel, ein Kernvorhaben beim Aus-            tersucht. Forscher rücken heute dem          mehr wie bisher gerührt oder geschüttelt                 Der Umweltgedanke hat auch die ÖBB
bau der Westbahnstrecke von Wien nach             Stoff mit Elektronenmikroskopen zu Lei-      werden, sondern die zähflüssige Masse                 inspiriert. Beim Bau der neuen West-
St. Pölten, wohl nicht beschreiben. „Zum          be. Das Motto heißt: immer stärker, im-      wird einfach in fertige Formen geschüttet             bahnstrecke haben sich die Planer daher
ersten Mal“, sagt sie, seien die betroffe-        mer haltbarer und trotzdem so natürlich      und härtet dann von selbst aus. „Dadurch              etwas einfallen lassen: Ein Großteil des
nen Anrainer in die Planungen einge-              wie möglich.                                 kann man den Beton in jede erdenkliche                Steins, den man beim Bohren der Tun-
bunden worden; und „erstmals“, ergänzt               Wissenschafter arbeiten schon heute       Form bringen“, sagt Steigenberger. Und so             nels aus der Erde geholt hat, wird wie-
sie, wurden spezielle Tunnelbaumaschi-            auf der Nano-Ebene. Dadurch konnten          wird aus dem alten Traditionsbaustoff die             der verwertet. Es geht um immerhin
nen bei einem Projekt dieser Art verwen-          Mikrosilika entwickelt werden, kleinste      Grundlage für moderne Modelldesigns.                  knappe zweieinhalb Millionen Kubik-
det. „Meilensteine“ seien gesetzt worden          Steinchen, die den Hightech-Beton bis zu     Beton ist nicht mehr gleich Beton. Heuti-             meter Aushub. Damit werden nicht nur
mit dem Bau, so viele „Novitäten“ gebe            fünfundzwanzigmal druckfester machen         ger Beton kann brandfest verbaut werden,              Lärmschutzwälle gebaut, sondern es
es. Über einen weiteren Aspekt aber re-           als herkömmlich. „Der ist dann so fest wie   sich selbst reinigen und den Straßenver-              wird auch nebenbei die Landschaft kom-
det die ÖBB-Sprecherin nicht so viel: den         Granit“, schwärmt Sparowitz. Dieser ul-      kehrslärm schlucken.                                  plett neu gestaltet – auch das ein Super-
                                                                                                                                                                                                  Foto: Lisi Gradnitzer

Beton, der verbaut wird und auf dem ein           trahochfeste Beton ist im Moment sozu-          Mit den neuen Entwicklungen steigen                lativ, über den man bei den ÖBB gerne
Großteil der Konstruktion aufbaut.                sagen der letzte Schrei in der Branche; im   auch die Ansprüche der Kunden. Der                    redet.                                  Q
Kunst
                             und
                             Gestein
Beton – kaum ein anderes Material prägt das Antlitz
moderner Ballungszentren mehr als die harte, graue Masse
aus Zement, Sand und Wasser. Lisi Gradnitzer wanderte
durch die Großstadt, um die eigentümliche Ästhetik dieses
universellen Baustoffes mit ihrer Kamera einzufangen

                             Es herrscht rege Bautätigkeit. Man kann den Häusern
                             regelrecht beim Wachsen zusehen. Stockwerk für
                             Stockwerk wird da ein neues Wohnhaus, da ein
                             weiteres Bürogebäude hochgezogen. Auffällig ist dieses
                             eigenartig gebogene Gestänge, das vielerorts so markant
                             aus dem Rohbau ragt. „Bewehrungsstahl“ heißt es und
                             gibt dem Beton die nötige Zugfestigkeit, die er von Haus
                             aus nicht mitbringt. „Bewehren“ nennt man das in
                             der Fachsprache: Die Stangen werden in die Schalung
                             des Bauteils eingefügt und anschließend komplett mit
                             dem künstlichen, noch flüssigen Gestein eingehüllt.
                               Zusammen mit Stahl lässt sich Beton in beinahe
                             jede erdenkliche Form bringen – stabil, beständig,
                             der Witterung trotzend. Und so ist es auch möglich,
                             jene überdimensionale Einfassung, die scheinbar ein
                             Stück Himmel einrahmt, zu konstruieren – ein dyna-
                               misches Gemälde, das immer in Bewegung ist.
                               Eigenartige Bilder entstehen auch, wenn urbane
                             Künstler den Kunststein als Leinwand zweckentfremden.
                             Gemäß dem Motto „Sprühen bringt Beton zum Blühen“
                             verewigen sie ihre farbenfrohen Graffitis auch auf den
                             kleinsten Flächen. Und sei es nur ein banaler Würfel,
                             der als Halterung einer Hinweistafel dient. Es kommt
                             eben immer drauf an, was man draus macht. Besucher
                             des Stadionbades etwa nutzen die von der Sonne auf-
                             geheizte Tribüne als willkommene Sitz- und Liegefläche.
                               Auf ihrem Spaziergang fand Gradnitzer auch andere
                             Lebensspuren: Eine Handvoll Pflanzen hat sich ihren
                             Weg durch die harte Oberfläche des Kunstgesteins
                             gebahnt. Die Natur nutzt eben auch den kleinsten
                             Spielraum. Beton ist von Menschenhand geschaffene
                             Realität – oft grau und dann wieder bunt, kalt und
                             doch voll Leben.                                   max Q

                                                          rondospezial/08/2007    13
Foto: holdsy/flickr.com
                                                                                                                                           Abwurf entsteht. Und warum er nicht

                                               Unter
                                                                                                                                           gleich beim ersten Hüpfer untergeht, ist
                                                                                                                                           auch wissenschaftlich erforscht. Die ki-
                                                                                                                                           netische Energie, die aus der Schnellig-
                                                                                                                                           keit des Abwurfes stammt, lässt den Stein
                                                                                                                                           immer wieder abheben. So lange, bis das
                                                                                                                                           Wasser sich alle Energie geholt hat und

                                               Flachleuten
                                                                                                                                           der Stein sinkt. Also, so schlussfolgern
                                                                                                                                           nicht nur Profis, kürzeste Wasserberüh-
                                                                                                                                           rung sichert dem Stein einen langen Flug.
                                                                                                                                              Lyderic Bocquet, Physikprofessor aus
                                                                                                                                           Lyon, wollte es genau wissen. Er brütete
Russ Byars hat es geschafft. Er ist der neue                                               Lehrstunden des fremden Amerikaners             tagelang in seinem Labor und bastelte aus
Stone-Skipping-Champion. 30-mal segelte der    Jeder Hüpfer zählt,                         interessanter als die morgendlichen auf         Form, Geschwindigkeit, Wasserwider-
Stein des Amerikaners über das Wasser,                                                     der Schulbank. Der Steinwurf-Guru grün-         stand, Neigungswinkel und Drehmoment
setzte kurz auf und flog weiter – bis er in
                                               wenn ein Stein übers                        dete 1989 die North American Stone Skip-        eine wissenschaftliche Formel.
den Fluten des Huron-Sees, Bundesstaat
Michigan, unterging. Mehr als 800 Besu-
                                               Wasser fliegt. Was                          ping Association, kurz Nassa.
                                                                                              Der Stein sollte, so rät der Meister, etwa
                                                                                                                                              Demnach, so glaubt Bocquet, muss ein
                                                                                                                                           Stein für den aktuellen Weltrekord zehn
cher schauten Anfang Juli den Stein-           für Laien ein Spaß                          so groß wie eine Handfläche sein und so         Zentimeter lang sein, mit vierzig Kilome-
segelsport-Verrückten bei verhangenem                                                      schwer wie ein Tennisball. Dann zwi-            tern pro Stunde die Hand verlassen und
Himmel und sommerlichen Temperatu-             ist, wird mittlerweile                      schen Daumen und Mittelfinger nehmen,           einen Spin von vierzehn Umdrehungen
ren zu. Wie jedes Jahr folgen dem Sai-                                                     kurz entspannen und dann möglichst mit          pro Sekunde haben. Dabei müsse aller-
sonhöhepunkt auf der Insel Mackinac,           mit dem Weltmeis-                           einer geschickten Drehung aus dem               dings der Neigungswinkel zwischen
470 Kilometer nördlich von Detroit gele-                                                   Handgelenk werfen. Nicht die Kraft ist es,      Stein und Wasser immer derselbe sein.
gen, nun zahlreiche Wettbewerbe in ver-        tertitel bedacht und                        weiß Coleman-McGhee, sondern „die               Der Franzose will seine Forschungen nun
schiedenen US-Bundesstaaten.                                                               Schnelligkeit, mit der er losfliegt“. Aus-      perfektionieren, eine Steinschleuder
   Die Geschichte des Steinespringens, je
                                               interessiert auch                           nahmen bestätigen wie immer die Regel.          bauen und die Ein- und Absprungphasen
nach Gegend auch Ditschen, Klippen oder
Platteln genannt, reicht bis ins späte Mit-
                                               die Wissenschaft.                           Gilt normalerweise ein triangelförmiger,
                                                                                           flacher Stein als bestes Wettkampfgerät,
                                                                                                                                           genauer untersuchen.
                                                                                                                                              Der Marseiller Wissenschafter Chris-
telalter zurück. Geschichtsschreiber be-       Von Oliver Zelt                             war der Weltrekord-Stein viel zu dick für       tophe Clanet legte schon einmal vor und
richten, dass bereits im Jahre 1583 ver-                                                   die Idealmaße. Die Stone-Skipper-Ge-            konstruierte eine Maschine, die drei Mil-
spielte Menschen Austernschalen übers          nischen „Blanco River“, ohne unterzuge-     meinde hat selbstverständlich auch eine         limeter dicke und fünf Zentimeter große
Wasser tanzen ließen. Ein englischer Kö-       hen. Dabei flog der Stein in weniger als    eigene Sprache. Ein Stein, der beim ers-        Aluminiumscheiben auf das Wasser
nig, so geht die Sage, hatte so viel Lange-    fünf Sekunden mehr als hundert Yards        ten Mal sinkt, ist für Insider ein „Plonk“.     schleudert. Nach zahlreichen Versuchen,
weile, dass er aus Spaß Geldstücke über        weit. Seit dem 14. September 2003 heißt     Das Sechser-Stein-Set nennen die Sport-         stets präzis mit Hochgeschwindigkeits-
die Fluten schleuderte. Schon der grie-        der neue Champion Kurt Steiner. Der         ler „Chukker“, die letzten kurzen Hopser,       kameras aufgenommen, stand für Clanet
chische Dichter Homer kannte das Spiel         Amerikaner ließ seinen Stein 40-mal über    bevor der Stein versinkt, „Pitty-Pat“, und      fest: Der ideale Winkel für möglichst vie-
und berichtet über eine Partie zwischen        einen Fluss im Bundesstaat Pennsylvania     der Finalsinker ist ein „Gerplunking“.          le Hopser sind zwanzig Grad.
Jason und Herkules, die kraft ihrer Ober-      hüpfen. Es waren sogar mehr, schwören          Was sich wie Codenamen anhört, ist             Jerdone Coleman-McGhee geht einen anderen
arme Schilde übers Wasser krachen lie-         Augenzeugen. Doch auf einem Video-          Teil einer innovativen Sportart. Damit          Weg. Für den Champion bleiben andere Fra-
ßen. Shakespeare schrieb in der Urfassung      band sind lediglich vierzig immer kleiner   die Zuschauer sich nicht langweilen, in-        gen: Ist das salzreiche Tote Meer das idea-
von „Henry V.“ über das „stone-skipping“,      werdende Wasserkreise zu sehen. Für         stallierten die Veranstalter bei den letz-      le Wasser für neue Rekorde? Oder etwa
und auch US-Präsident George Washing-          Weltrekord-Ehren muss jedes Auftreffen      ten Weltmeisterschaften eine Uhr. Inner-        der geringe Luftwiderstand am 3812 Me-
ton soll es auf dem Potomac-River mit Sil-     des Steines auf das Wasser zu sehen sein.   halb einer Minute, ähnlich der vorge-           ter hoch gelegenen Titicacasee in Boli-
ber-Dollars versucht haben. Washington         Doch es bleiben Gefahren: Äste im Was-      schriebenen Anlaufzeit beim Skisprin-           vien? Und fliegt durch die Erddrehung
allerdings, glauben Historiker, sei für        ser, Bäume im Kamerafeld, Unschärfe.        gen, mussten die Teilnehmer ihre Steine         und die unterschiedliche Anziehung nun
Geldspielereien viel zu geizig gewesen.           Aus Frust über seine miese Ehe, so er-   auf die feuchte Reise schicken.                 der Stein auf der Südhalbkugel besser als
Auch Eskimos und Beduinen lassen sich          innert sich der 58-jährige Ex-Weltbeste        Bedeuten sieben oder acht Hopser für         nördlich des Äquators?
die vermeintliche Kinderei nicht nehmen        Coleman-McGhee, begann er eines Abends      den Amateur schon Können, gepaart mit              Für alle diejenigen, denen stundenlan-
– wahlweise auf Eis oder Wüstensand.           in einem kleinen spanischen Fischerdorf,    Glück, überlassen Wissenschafter nichts         ge Kieselsuche schon vorher die Laune
   Seit 1973 listet das „Guinness-Buch der     Steine ins Hafenbecken zu werfen. Das       dem Zufall. Sie reden von Rotationsener-        verdirbt, kreierte die Delfter Firma Tree-
Rekorde“ eine Bestleistung unter dem Na-       war Ende der 1970er-Jahre. Es klappte       gie und physikalischen Winkelschwün-            plast im Juni 1999 ein Dreier-Set Kunst-
men „Ducks and Drakes“. Zehn Jahre lang        sehr gut. Einheimische und Touristen        gen, die den Stein davor bewahren, nach         steine: dreieckig, abgeflacht, so wie sie
hielt die offizielle Bestmarke. 38-mal be-     staunten über den Amerikaner, klatsch-      rechts oder links abzukippen. Stattdes-         sein müssen – aus holzähnlichem Mate-
rührte der Stein aus den Händen von Jer-       ten Beifall, denn mancher Stein schaffte    sen zieht er parallel zum Wasser seine          rial, das sich im Wasser, umweltpolitisch
done Coleman-McGhee, einem amerika-            das halbe Hafenbecken. Schnell waren für    Bahnen, dank des Effets, der aus einer          korrekt, sogar auflöst.                  Q
nischen Ölarbeiter, das Wasser des texa-       die Fischerkinder die nachmittäglichen      leichten Drehung des Handgelenks beim           www.stoneskipping.com

14    rondospezial/08/2007
RONDO PROMOTION

Finanzausgleich 2008-2012:
Nur ZusatzMilliarde für Wohnbauförderung
kann Wohn-Engpass verhindern

Othmar Kronthaler ist                                         Der Standard:               im Hinblick auf die Bevölkerungsprognosen bis 2050
                                                              Herr Kronthaler, laut       eine Sicherstellung des nötigen Fördervolumens für
Tiroler Bauunternehmer                                        einer Prognose von          den Neubau unabdingbar. Das aktuelle Regierungs-
                                                              Statistik Austria wer-      programm bekennt sich nicht nur zur Wohnbauförde-
und Vorsitzender der                                          den 2050 mehr als 9
                                                              Millionen Menschen
                                                                                          rung, sondern auch zum Wohnen als Grundbedürfnis.
                                                                                          Daher muss der Neubau neben der Sanierung ein zen-
                                                              in Österreich leben.        trales Element der Wohnbauförderung bleiben.
Arge BAU!MASSIV!, einer                                       Die zusätzliche Nach-
                                                              frage durch die Zu-         Der Standard:
Interessengemeinschaft                                        wanderung wird zu           Wie ist verstärkter Neubau mit dem Umwelt- und
                                                              einem Wohnungs-             Klimaschutz vereinbar?
der Baumeister und der                                        Engpass führen, der
                                                              die gestiegenen Preise      Othmar Kronthaler:
baustofferzeugenden                                           noch weiter nach oben       Um dem Wohnbedürfnis wie dem Umweltschutz
                                                              treibt. Welche Ziele        gleichermaßen gerecht zu werden ist es wichtig, die
Industrie. Im Standard-         sollten von der Wohnbauförderung in der neuen
                                Finanzausgleichsperiode im Detail verfolgt werden?
                                                                                          Vergabekriterien für den Neubau in Hinkunft auf dem
                                                                                          Drei-Säulen-Modell der ökologischen, ökonomischen
                                                                                          und sozialen Nachhaltigkeit aufzubauen.
Interview verweist er           Othmar Kronthaler:
                                Es gilt rechtzeitig zu reagieren und eine jährliche       Die Bundesländer setzen bereits Anreize für ökologisch
auf eine umfassende Studie      Zusatz-Milliarde für die Wohnbauförderung für 55.000      und insbesondere thermisch hochwertigen Neubau
                                neue Wohnungen pro Jahr sicher zu stellen. Die Gelder     bzw. Sanierung. Die Bundesregierung plant ab 2015 die
zur Massivbauweise im           der Wohnbauförderung müssen ausschließlich für den        Wohnbauförderung mit dem „Klima-Aktiv-Passivhaus-
                                Wohnbau zweckgebunden bleiben. Zusatzeffekt: Wenn         Standard“ zu verknüpfen. BAU!MASSIV! begrüßt diesen
sozialen Wiener Wohnbau         man die Wohnbauinvestitionen um eine Milliarde Euro
                                pro Jahr erhöht, werden in der Gesamtwirtschaft bis zu
                                                                                          Ansatz, da die Massivhäuser – ausgeführt durch den
                                                                                          Baumeister – durch ihre Speichermasse zur Energieeffi-
                                12.000 Arbeitsplätze geschaffen.                          zienz beitragen und zwar sowohl vor sommerlicher Über-
vom Mai 2007. Diese beweist                                                               hitzung schützen als auch Wärme speichern können.
                                Der Standard:
dass der geförderte Wohnbau     Schon heute ist die Wohnbauförderung ein Regelungs-       Der ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit muss
                                instrument um den Beitrag des Sektors Raumwärme           die Wohnbauförderung aber in gleicher Weise
das Schlüsselelement ist,       zum österreichischen Kyoto-Ziel zu steuern. Wie sehen     verpflichtet sein: „Leistbares Qualitäts-Wohnen bei
                                Sie die zukünftigen Aufgaben der Wohnbauförderung?        geringen laufenden Kosten“ sind hier die Schlagworte.
wenn es darum geht,             Othmar Kronthaler:
                                                                                          Dabei geht es um soziale Gerechtigkeit, die Ghettos
                                                                                          verhindert und den sozialen Frieden sichert. Diese drei
                                In diesem Zusammenhang wird Wohnbauförderung              Aspekte der Nachhaltigkeit müssen in Hinkunft bei
Wohnen im Sinn sozialen         oft einseitig mit Forcierung thermischer Sanierung        den Vergabekriterien in der Wohnbauförderung gleich-
                                gleichgesetzt. Selbstverständlich erfordern die höheren   rangig berücksichtigt werden.
Friedens und Gerechtigkeit      Klimaschutzstandards, die erforderlich sind um die
                                Kyoto-Ziele zu erreichen, höhere Investitionen bei der    Der Standard:
für jeden leistbar zu machen.   Sanierung im Gebäudebestand. Gleichzeitig ist jedoch      Danke für das Gespräch!

                                                                                            BAU!MASSIV!
                                                                                            BAU!MASSIV! ist eine Arbeitsgemeinschaft der
                                                                                            österreichischen Baumeister und der Herstel-
                                                                                            ler mineralisch gebundener Baustoffe. Träger-
                                                                                            organisation der ARGE sind die Bundesinnung
                                                                                            Bau und der Fachverband der Stein- und kera-
                                                                                            mischen Industrie in der Wirtschaftskammer
                                                                                            Österreich. Ziel der ARGE ist es, die zahlreichen
                                                                                            Vorteile des Massivbaus aufzuzeigen und die
                                                                                            nachhaltige Anwendung mineralisch gebun-
                                                                                            dener Baustof fe zu fördern. BAU!MA SSIV!
                                                                                            unterstützt Bauinteressierte und bündelt die
                                                                                            Informationstätigkeit der Branche.

                                                                                            www.baumassiv.at
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