JUL/AUG.18 - Musikzeitung Loop
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EINSCHLAUFEN Betrifft: Drei Päpste für ein Halleluja Impressum Nº 06.18 DER MUSIKZEITUNG LOOP 21. JAHRGANG Die grossen Fragen lassen sich oft ganz ein- Kurt Gödel verhungerte aus Paranoia, und fach beantworten. Woher komme ich? Gera- was genau zum Ableben des Schauspielers P.S./LOOP Verlag de jetzt: aus der Kantine. Wo gehe ich hin? Bob Crane («Hogan’s Herpes») geführt Hohlstrasse 216, 8004 Zürich Zurück an meinen Arbeitsplatz im dritten hat, ist bis heute ungeklärt. Ähnlich verhält Tel. 044 240 44 25 Untergeschoss. Bei der nächsten Frage – Wo es sich mit den Oberhäuptern der Katholi- www.loopzeitung.ch genau bin ich eigentlich? – muss ich dann schen Kirche, von denen es 1978 gleich drei allerdings auf technische Hilfsmittel zu- gab. Erst verstarb Paul IV., sein Nachfolger Verlag, Layout: Thierry Frochaux rückgreifen. Was in meinem Fall aber keine Johannes Paul segnete nach 33 Tagen im inserate@loopzeitung.ch grösseren Probleme aufwirft, immerhin gibt Amt ebenfalls das Zeitliche, bevor dann der es das Guido Positioning System (GPS), mit deutlich robustere Johannes Paul II. das Pon- Administration, Inserate: Manfred Müller dessen Hilfe ich meinen Aufenthaltsort stets tifikat übernahm. admin@loopzeitung.ch ziemlich genau lokalisieren kann. Einige Ereignisse fanden natürlich auch Ein- Der erste GPS-Satellit wurde 1978 in sei- gang in die Musik. Der taumelnde und über- Redaktion: Philippe Amrein (amp), ne Umlaufbahn geschossen. In einem – auf gewichtige Muhammad Ali wurde von Billy Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe den ersten Blick zumindest – eher unspekta- Joel auf dem Album «52nd Street» verewigt, kulären Jahr. Wir erinnern uns: Die Natio- die im Herbst 1978 erstmals ausgestrahlte Mitarbeit: Reto Aschwanden (ash), Yves Baer (yba), nalmannschaft der Niederlande konnte in Fernsehserie «Dallas» hallte ein paar Jahre Thomas Bohnet (tb), Jean-Martin Büttner, Argentinien bei der Fussball-WM ihren Vize- später in George Straits «Friday Night Fever» Marcel Elsener (mel), Roman Elsener (rel), weltmeistertitel von 1974 erfolgreich vertei- nach, und der Tod von Jacques Brel hinter- Christian Gasser (cg), Mauro Guarise (mag), digen, in den Kinos liefen Kassenschlager liess eine dunkle, von tropischen Winden David Hesse (dhe), Thomas Kramer (tok), wie «Grease» oder «Superman», das Tisch- umwehte Lücke. Hanspeter Künzler (hpk), Tony Lauber (tl), kasten-Computerspiel «Space Invaders» fla- Davon wird auf den folgenden Seiten keine Susanne Loacker (sl), Sam Mumenthaler, ckerte erstmals auf, derweil in London bei ei- Rede mehr sein, auch nicht von den vier Solo- Markus Naegele, Philipp Niederberger, nem geheimdienstlichen Anschlag der Begriff alben, mit denen Gene, Paul, Ace und Peter Jürg Odermatt (odi), Sarah Sartorius (sas), «Bulgarischer Regenschirm» geprägt wurde. von der Schmink-Combo Kiss in besagtem Fabienne Schmuki, Martin Söhnlein (söh), In jenem Jahr gab es eine ganze Reihe seltsa- Jahr für Stirnrunzeln sorgten (aber natür- Miriam Suter, Benedetto Vigne (bv) mer Todesfälle zu verzeichnen. Die Leiche des lich dennoch eine ikonische Marke setzten). italienischen Premierministers Aldo Moro Unsere Reise führt vielmehr zu Werken, die Titelbild: Frank Stefanko fanden die Behörden nach fast zweimonati- fast schon vergessen sind. Oder noch immer ger Geiselhaft im Kofferraum eines Renaults wirken – bis zum heutigen Tag. Druck: Tagblatt Print, St. Gallen in der Innenstadt Roms. Der grosse Logiker Guido Global Das nächste LOOP erscheint am 31.08.2018 Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Hohlstrasse 216, 8004 Zürich, Tel. 044 240 44 25, admin@loopzeitung.ch
DER BOMBENDRUMMER keith moon Keith Moon liebte die Pyrotechnik und explodierte auch als Drummer wie ein Knallkörper. 1978 starb er nicht ganz unerwartet und machte damit ein frühes Statement seiner Band The Who wahr. «Not to be taken away» war auf den Stuhl gestempelt, auf dem Keith Moon für das Cover der Who-LP «Who Are You», erschienen im August 1978, posierte. Es schien fast, als ob seine Bandkollegen dem sich abzeichnenden Schicksal trotzen wollten. Der Lebenswandel von «Moon The Loon» war mittlerweile so exzessiv und der Drummer dermassen neben den Schuhen, dass man nie wusste, was als nächstes geschehen würde. Doch dann ging alles so schnell vorbei, wie die aufs Maximum verdichteten Sing- les der Who aus ihrer Mod-Phase. Am 6. September 1978 besuchten Moon und seine Freundin Annette Walter-Lax eine Party von Paul McCartney zu Ehren von Buddy Holly, der seinen 42. Geburtstag gefeiert hätte, wäre er 1959 nicht mit dem Flugzeug abgestürzt. Moon liess sich standesge- mäss im Rolls-Royce vorfahren und trug zu Ehren des Gastgebers ein «Wings»-T-Shirt: Ein denkbar unauffälliges Outfit, wenn man an frühere Auftritte in Nazi-Uniformen denkt. Der einstige «Pretty Boy» der Who wirkte fett und aufgedunsen; dass er eben erst 32 geworden war, war kaum zu glauben. Moon, dessen Alkoholkonsum ebenso masslos wie sein Hang zum Exzentrischen war, verkündete, er sei nüchtern und habe dem Alkohol abgeschworen. Am nächsten Tag war er tot. Eine Überdosis Schlafmittel hatte Moon das Leben gekostet. The Who und ihre Fans waren am Boden zerstört. Dabei war die Band zu die- ausgewrungen und mit dem Schweiss zwei ganze Weinglä- witzige Muppet-Show- sem Zeitpunkt so aktiv wie schon lange nicht mehr. Ne- ser gefüllt haben. Charakter mit der gespal- ben «Who Are You» hatte sie 1978 einen Film über die Keith Moon war kein Mann für halbe Sachen. Wenn er tenen Persönlichkeit, war Bandgeschichte («The Kids Are Alright») veröffentlicht, spielte, wollte das Schlagzeug auch die Rolle des «Lead»- allerdings bei der nach- eine Filmversion von «Quadrophenia» befand sich in der Instruments übernehmen. «Seine Breaks hatten Melodie», kommenden Generation Pipeline. The Who ohne Keith Moon aber: Das war kaum meinte Who-Bassist John Entwistle, «weil er im gleichen ungemein beliebt. Er war denkbar. Dennoch verkündeten Pete Townshend, Roger Moment mit allen Musikern zusammenspielen wollte.» ein Ausnahmecharakter Daltrey und John Entwistle schon in ihrem ersten State- Mit Moon im Rücken vergrösserte sich der Aktionsradi- und ein Schauspieler, der ment nach Moons Tod, weitermachen zu wollen. An der us von The Who rasch von den Pubs der Londoner Mods seine dunklen Seiten hin- Abdankung überbot sich die Rockprominenz mit Ehrerbie- über die grossen europäischen Bühnen bis zu den Festivals ter Tonnen von Trommeln tungen. Die treffendste kam von Roger Daltrey. Statt eines von Woodstock und der Isle of Wight. Auf Tour entwickel- und einem Feuerwerk von Kranzes gedachte er «seines» Drummers mit einer Flasche te Moon immer mehr Rockstar-Marotten. Er liess wäh- Witzen verbarg. «Hope I Champagner, die in ein Fernsehgerät eingebaut war. rend Fernsehshows Sprengsätze detonieren, zerstörte Ho- die before I get old», hatte telmobiliar und steuerte Limousinen in Swimmingpools. Roger Daltrey in der ersten FAN DER US-BUBBLEGUMKULTUR Schlimmer war die Zeit, wenn die Band nicht unterwegs grossen Who-Hymne «My war. Moon begegnete der drohenden Leere mit Alkohol Generation» gestottert. Keith Moon liebte die Pyrotechnik und explodierte auch und Drogen, seine Partyexzesse waren selbst in der deka- Dass Keith Moon dieses als Drummer wie eine Bombe. Seinen mächtigen Schlag denten Rock-Schickeria der 70er berüchtigt. ultimative Statement seiner hatte er beim britischen Ur-Rock-Drummer Carlo Little Band ernst nahm, erstaunte gelernt, doch bald stellte er seine Kollegen alle in den Schat- DAS GEGENTEIL EINER RHYTHMUSMASCHINE niemanden. ten: Sein Spiel war spontan und kommunikativ, er fegte wie ein gehetzter Stier über immer grössere Kits und streichelte Als Drummer stiess Moon an Grenzen, als Townshend Sam Mumenthaler und schlug seine Cymbals wie ein unberechenbarer Liebha- immer konsequenter auf Loops und – wie auf «Who Are ber. Moon war ein Fan der US-Bubblegumkultur: Er liebte You» – auf Offbeats setzte. Moon war das Gegenteil einer Surfmusik, schnelle Autos und Bikinis und verdiente sich Rhythmusmaschine. Die Bilder von späten Konzerten, wo seine Sporen bei der mediokren Londoner Surfcombo Pat man ihn mit grossen Kopfhörern im Spiel mit der Tech- Wayne and The Beachcombers ab. Seine Wege kreuzten nik sieht, sind deprimierend und werden seiner explosiven diejenigen der Londoner Band The Detours, aus der zuerst Spielweise nicht gerecht. Doch da war Moon schon nur die High Numbers und schliesslich die unvergleichlichen noch ein Schatten seiner selbst. The Who werden sollten. Der Zuzug des wilden Drummers Mit dem klug analysierenden und kräftigen Album «Who mit der Unschuldsmiene machte die Who erst zu Prototy- Are You» trotzten The Who den Punks, die alternden pen einer «Super»-Rockband. Nach dem ersten Konzert Rockmillionären mit Drogenproblemen nichts als Hohn soll sich Moon an einen Tisch gesetzt haben, sein T-Shirt und Verachtung entgegenbrachten. Keith Moon, der irr-
LAUTER ALS PUNK paul mccartney und tony wilson Im Frühling 1978 stand «Mull of Kintyre» te sich nur noch von Alkohol. Ohne Arbeit kam er sich nutzlos vor, es war ihm aber egal, ob er was tat oder nicht. McCartney die Aufnahmen für das Album «London während zehn Wochen an der Spitze der Die klassischen Symptome eines Burnouts also. «Aber in der Tiefe meiner Verzweiflung war Linda hier und sagte: Town». Adoptivtochter Heather kam in die Puber- Schweizer Hitparade. Die Geschichte ‹Es wird gut werden, du kommst hier raus.› (…) Ich bin nicht sicher, ob ich überlebt hätte, wenn ich alleine gewesen tät und lebte diese mit Kon- flikten mit Paul aus. Erneut hinter dem Hit. wäre.» Wegen den Streitigkeiten waren Pauls Finanzen eingefro- ren, die Familie lebte von Lindas Ersparnissen. «Es gab kam es bei den Wings zu einer Umbesetzung, Gitar- rist Jimmy McCulloch zog Im Jahr eins nach der Punkexplosion wäre «Boil Crisis» die keine Möbel in der Farm, also baute ich ein Bett, habe eine das Band- dem Farmleben logische Single für Paul McCartney gewesen. Doch anstatt Matratze über ein paar Kartoffelschachteln gelegt (…) Es vor und schloss sich im des Punkrockers veröffentlichte er den schottischen Walzer war sprichwörtlich an der Zeit, das Haus neu zu bauen, Sommer den Small Faces «Mull of Kintyre», eine Ode an seine temporäre Heimat. dann dass Zuhause und schlussendlich die Musik», so an, Schlagzeuger Joe Eng- Auf Anraten seines Treuhänders hatte Paul 1966 die High Paul. Als Heimwerker renovierte er die Farm, in der Scheu- lisch kehrte kurz nach den Park Farm bei Campeltown auf dem Mull of Kintyre an ne richtete er sich ein Studio ein, das zunächst Rude Studio, Aufnahmen von «Mull of der schottischen Westküste gekauft. Zunächst konnte er später Spirit of Ranachan hiess. Fortan verbrachte Familie Kintyre» – von Heimweh nicht viel damit anfangen, da sie auf einem windigen Hü- McCartney ihre Sommer in Schottland. Auf der Farm wur- geplagt – in die USA zu- gel stand und baufällig war. Erst 1969, nach seiner Heirat de sie Vegetarier, plante und führte Paul den Rechtskrieg, rück. Die Wings mit Paul, mit Linda, die sich in die wildromantische Landschaft ver- um aus den Verträgen mit den Beatles herauszukommen, Linda und Denny Laine liebt hatte, wurde die Farm zu McCartneys Refugium und gründete mit Linda und Denny Laine die Wings, schrieb waren also wieder das Trio Arbeitsort. Songs und nahm Demos auf, bevor es jeweils im Herbst von Ende 1973 und dem zurück nach London und ins Showbusiness ging. Album «Band on the Run». BURNOUT Wie ein guter Whiskey be- DUDELSACK gann «Mull of Kintyre» zu 1969 zerbrachen die Beatles an ihren künstlerischen und reifen. Paul hatte bemerkt, geschäftlichen Differenzen. John Lennon wollte eine Schei- Als er mit den Wings «Mull of Kintyre» auf seiner Farm dass die schottischen Hym- dung, es wurde eine Kampfscheidung. In der Dokumen- aufnahm, waren McCartneys Lebensumstände besser als nen älteren Datums waren. tation «Wingspan» (2001) erinnert sich Paul: «Ich wurde 1969, doch er stand erneut vor beruflichen Problemen. Im Sommer 1973 spielte für ein paar Wochen verrückt.» Während Tagen verliess Wie damals war Linda schwanger, nun mit James. Der er eine erste Demoversion er das Bett nicht, begann paranoid zu werden und ernähr- Geburtstermin war Anfang September. Somit unterbrach auf dem Klavier ein, 1976 campbeltown pipe band mit joe english, linda und paul mccartney und denny laine
schrieb er den Refrain. An einem Sommertag 1977 sassen er und Denny Laine mit ihren Gitarren, Stift, Papier und einer Flasche Whiskey abseits der Farm in einer Wiese, schauten aufs Meer und vollendeten den Song. Es war die üb- liche Arbeitsweise, Laine und McCartney halfen sich bei ihren Songs gegenseitig aus. Da Denny Laine ei- nen grossen Teil zum Text beigesteuert hat, erschien «Mull of Kintyre» mit der Autorenangabe McCart- ney/Laine. Text und Mu- sik drücken die Sehnsucht nach einem Rückzugsort in stressigen Zeiten oder nach weiten Reisen aus. Da es für Paul eine Lie- beserklärung an die Regi- on war, stellte er sich eine Dudelsackbegleitung vor. Hierfür kontaktierte er Tony Wilson, den Pipe Ma- jor der Campbeltown Pipe Band. Die konservativeren Mitglieder waren erst ge- gen eine Mitwirkung, da sie fürchteten, ihre Tradi- Paul. Mit dem Punk galten die Bands der späten 60er und MISSTÖNE tion aufzugeben. Zunächst frühen 70er als uncool. Glen Matlock wurde bei den Sex aber musste Paul den Song Pistols durch Sid Vicious ersetzt, da er die Beatles mochte «Mull of Kintyre» stammt aus den Sessions zum Al- wegen den Dudelsäcken und seinen Bass wie Paul McCartney gespielt hatte. Mögli- bum «London Town», das am 31. März 1978 erschien. von C-Dur nach A-Dur cherweise als Antwort auf diese Episode spielten die Wings McCartney verzichtete jedoch darauf, den Song nach der transponieren. «Wir sassen den Punkrocker «Boil Crisis» ein, eine spöttische Persif- Veröffentlichung als Single auf «London Town» zu neh- in der Küche, und ich bat lage mit Hauptakteur Sid im Song. Da Paul wusste, dass men. «Es war falsch, ‹Mull of Kintyre› nicht auf das Album ihn, etwas zu spielen, wäh- ihm «Boil Crisis» übel genommen würde, verzichtete er bis zu nehmen, dieses hätte sich weit besser verkauft. Doch rend ich die Akkorde aus- heute auf eine Veröffentlichung. Die Punks ihrerseits rock- manchmal liebe ich solche unkommerziellen Entscheide», arbeiten wollte. Er meinte ten landauf landab mit Punkmusik in den Clubs und Pubs meint Paul rückblickend. Capitol Records, McCartneys nur, wir gingen besser in ab und legten danach zum Chillen «Mull of Kintyre» auf. US-Label, entschied, für Kanada und die USA, lediglich den Garten, Dudelsäcke Stieftochter Heather hing zum Missfallen Pauls in der «Girls School» als A-Seite zu nehmen. Während «Mull of seien sehr laut», so Paul in Punkszene ab, zuhause liess sie die Sex Pistols und The Kintyre» weltweit die Chartspitzen erklomm, gab es in Ka- «Wingspan». Am Abend Damned laufen. 1979 konnte Heather bei den Aufnahmen nada nur einen 34. und in den USA einen 33. Rang. Als des 9. August 1977 kam eines weiteren unveröffentlichten Punksongs, «MAS», die Folge wechselte McCartney Ende 1978 mit dem damals die 14-köpfige Campbel- Backvocals shouten. höchstdotierten Vertrag für sechs Jahre zu Columbia. town in vollem Habitus Denny Laine, der seit 1971 von McCartney einen Wochen- mit Kilt und Bärenfellmüt- PORNO lohn für seine Arbeit bei den Wings erhielt, fragte nach ze auf die Farm. Die Auf- den Millionenverkäufen von «Mull of Kintyre» nach ei- nahmen fanden neben der Offiziell bestreitet das British Board of Film Classification nem Bonus. Doch Paul lehnte ab. Als Denny Laine später Scheune statt. Die Band den Mull-of-Kintyre-Test als Zensurmass. Bei diesem darf Schwierigkeiten mit den Steuern hatte, kaufte ihm Paul hatte das Arrangement ein erigierter Penis nicht in grösserem Winkel vom Körper die Songrechte ab. Die Mitglieder der Campbeltown Pipe geprobt, und so war die abstehen als der Vertikalwinkel der Halbinsel Kintyre, um Band wurden bar mit 30 Pfund pro Mann entlöhnt, für den Aufnahme in einem Take nicht als Pornografie gewertet zu werden. Pornos standen Videoclip erhielten sie 300 Pfund. im Kasten. Danach offe- am Anfang des zweiten Songs der Single, «Girls School». rierte Paul Sandwiches und Paul schrieb den Song im November 1975 während den ERBE schubkarrenweise Bier. Es Ferien auf Hawaii, in derselben Woche wie «Silly Love gab eine Party, an der die Songs». Ihm waren im Anzeigenteil einer Zeitung die Film- Nach der Veröffentlichung stieg der Tourismus in der Re- Jugendlichen in der Band titel der Pornokinos aufgefallen: «Ich mochte nur die Titel gion Kintyre um 20 Prozent an. Mit 2,1 Millionen ver- nicht mitfeiern konnten, da davon, und so nahm ich alle, die ich auf der Seite finden kauften Exemplaren in England war «Mull of Kintyre» bis sie anderntags zur Schule konnte, und machte einen Song daraus.» So heisst es im 1984 die meistverkaufte Single und ist bis heute die erfolg- gehen mussten. Text: «Sleepy Head, Kid Sister; 18 years and younger, boy, reichste Non-Charity-Single. Diesen Rekord hielt Paul be- Yuky’s a cool school mistress, head nurse is sister scala reits, mit den Beatles und «She Loves You». Am 14. Januar PUNK now she's a spanish doll…» 1978 stieg «Mull of Kintyre» auf Rang 12 in die Schweizer Eingespielt haben die Wings «Girls School» während den Hitparade ein, zwei Wochen später war die Single Nummer Einerseits wollte Paul ersten Aufnahmen zum Album «London Town». «Girls 1 und blieb dies für zehn Wochen (eine Woche länger als «Mull of Kintyre» als Sing- School» ist ein Uptempo-Rocksong, den die Marketingspe- in Grossbritannien), ehe sie sich am 24. Mai mit einem 14. le veröffentlichen, anderer- zialisten bei EMI als A-Seite veröffentlichen wollten. «In Platz daraus verabschiedete. Dennoch ist «Mull of Kinty- seits hatte er grosse Zwei- meinem Fall müssen Künstler und Plattenfirma mit einer re» nicht sein erfolgreichster Song, «Hope of Deliveran- fel: «Ich hätte es fast nicht Veröffentlichung einverstanden sein», so Paul. Er wollte ce» verkaufte sich 1993 vier Millionen Mal, vor allem in veröffentlicht… zu dieser «Mull of Kintyre» als A-Seite haben, man einigte sich auf Deutschland und Lateinamerika. Zeit war alles Punk», so eine Doppel-A-Seiten-Single. Yves Baer
Inserat im LOOP vom 6.07.2018 SZENE Konzerte 6.07.2018 bis 30.08.2018 IG Rote Fabrik Seestrasse 395 8038 Zürich info@rotefabrik.ch Di. 10.7.18 Am See 19:30 Zischtigmusig Tel. 044 485 58 58 Fax. 044Samstag 485 5831.7. 59 20Uhr20 ALBERT HAMMOND JR G.RAG Y LOS GIIGESTUBETE Sonntag, 9.9. / 7.10. / & THE LEGENDARY LIGHTNESS HERMANOS PATCHEKOS 11.11. / 2.12. 18Uhr18 Mi. 18.7.18 Am See 19:30 Samstag 1.9. 20Uhr20 Sugarshit Sharp TOMAZOBI JODLEREI Sonntag, 26.8. / 30.9. / 21.10. / ALGIERS Montag 3.9. 20Uhr20 25.11. / 16.12. 18Uhr18 DOMI CHANSORN PAUL UBANA JONES Mi. 25.7.18 Am See 19:30 Montag 10.9. 20Uhr20 DELANEY DAVIDSON TICKETS: Zischtigmusig Erhältlich direkt Samstag 15.9. 20Uhr20 am el Lokalen DEAD COMBO & Support LOS GATILLOS Tresen und auf ticketino.com Samstag 22.9. 20Uhr20 Sa. 28.7.18 Am See 19:30 NAKED IN ENGLISH CALSS Gessner-Allee 11 STADTSOMMER Di 17.7.18 > Theater 11 Zürich David Byrne Samstag 29.9. 20Uhr20 8001 Zurigo Isola EGOPUSHER / ESTER POLY PRINCE JELLEH www.ellokal.ch Vorverkauf: www.starticket.ch American Utopia Tour 2018 • CH-exklusiv! Eintritt frei für Personen des Asylbereichs. Nur solange verfügbar. Ausweis N/F vorweisen. Do 19.7.18 > Kaufleuten Zürich Southside Johnny & the Asbury Jukes Soultime! • CH-exklusiv! Di 14.8.18 > Kaufleuten Zürich Grizzly Bear Painted Ruins-Tour 2018 Fr 14.9.18 > Kaufleuten Zürich Seestrasse 407 - 8038 Zürich - 044 481 62 42 - www.ziegelohlac.ch The Aristocrats Die Prog-Rock-Supergroup • CH-exklusiv! Di 25.9.18 > Volkshaus Zürich José González Performing with The String Theory – Tour 2018 Fr 5.10.18 > Kaufleuten Zürich William Fitzsimmons & Joshua Radin Zwei Singer-Songwriter der Extraklasse Programm/Tickets: www.allblues.ch /AllBlues.Konzerte www.ticketcorner.ch • Alle Ticketcorner • Post • Manor Sounds better with you! loopzeitung.ch 10 Ausgaben kosten 33 Franken.
AVANTGARAGE «The Modern Dance» und «Dub Pere Ubu waren keine intellektuellen Avantgar- disten, sondern eine intuitive «Avantgarage»- Housing»: Pere Ubu legten 1978 Band, eine Folk-, keine Kunstcombo; sie waren lieber Erneuerer als Ikonoklasten, und statt das zwei Alben vor, die damals Populäre zu verdrängen, jonglierten sie mit des- sen Versatzstücken. stilprägend waren und heute Von Pere Ubu gespielt, mutierten die wohltem- perierten Pop-Harmonien indes zu unberechen- unbestrittene Klassiker sind. baren Achterbahnfahrten durch Bilder urbaner Entfremdung und industrieller Verelendung. Aus den Abgründen jedoch schallte immer wieder «The Modern Dance» beginnt mit einem unan- anarchisches Gelächter: Mehr als das Entsetzen genehmen Pfeifen, in das sich ein nachlässiges, umkreisten Pere Ubu halluziniert die schwarzen Spannung erzeugendes Gitarrenlick einmischt Löcher des Absurden, und der Alptraum kipp- – bis ein scharfes Gitarrenriff die Sirene weg- te in ein existenzielles Grand Guignol, das die bläst und David Thomas zu einem verzweifelten Kinder das Lachen und die Erwachsenen das Abgesang auf die Liebe ansetzt. «Nonalignment Fürchten lehrte – genau wie Alfred Jarrys Pup- Pact» ist der perfekte Einstieg in ein perfektes pengroteske «Ubu Roi» von 1896. Debüt, das auch vierzig Jahre später modern klingt. Nach einer Handvoll epochaler EPs leg- RASANTE ENTWICKLUNG ten Pere Ubu 1978 mit «The Modern Dance» ein Album vor, das seine Wut, Energie und sei- Die Intensität ist beeindruckend. «The Modern nen Humor dem Punk verdankte, aber viel wei- Dance» nahmen Pere Ubu 1977 auf, «Dub ter vorwärtsdrängte und ausschwärmte, als es Housing» 1978, beide Alben erschienen 1978. Punk damals erlaubte. Es musste schnell gehen, die Dringlichkeit war hoch, und die Entwicklung der Band kompro- DIE UNTERGEGANGENE ZIVILISATION misslos. Bot «The Modern Dance» – abgesehen vom experimentellen «Sentimental Journey» Cleveland, Ohio, 1975. Das Zentrum der von und dem abschliessenden «Humor Me» im der Erdölkrise besonders stark gebeutelten In- windschiefen Pseudo-Off-Beat – weitgehend dustriestadt ist wie ausgestorben. «Die Stahl- scharfen, schroffen, mit schrillem Krach ver- hütten», erinnerte sich David Thomas an die setzten und psychedelisch zugespitzten und kli- Anfänge von Pere Ubu, «waren für uns die gi- scheefreien Rock’n’Roll, lösten sich auf «Dub gantischen Skulpturen einer untergegangenen Housing» die Songstrukturen auf. Neben dem Zivilisation, die damit ihre Träume, Hoffnungen grossartigen Schunkler «Ubu Dance Party», und Ambitionen ausgedrückt hatte.» dem mitreissenden «Drinking Wine Spodyody» Das Interview fand 1988 statt. David Thomas und dem bizarren «Caligari’s Mirror» standen lag, die Augen geschlossen, auf dem Hotelbett; dunkle Geräuschalbträume wie «Thriller!» oder ich sass auf dem anderen Bett, das Mikrophon «Blow Daddy O» und verstörende Miniaturen stand zwischen uns auf dem Nachttisch. Eine wie «Codex». surreal wirkende Samstagnachmittagsendung «New Picnic Time» (1979) war noch experi- mit Tieren und Kindern flimmerte über die menteller und vor allem sehr kühl, auf «The Art stumme Mattscheibe. of Walking» (1980) zerfiel die Musik in ihre Be- «Wir lebten in Cleveland nicht wie in einem In- standteile, um auf «Songs of the Bailing Man» dustriezentrum, sondern wie in einem Kunstmu- (1982) zu neuem, jazzigem Drive zu finden. seum. Abends desertierten die Bewohner in die Dann lösten sich Pere Ubu zum ersten Mal auf. Vorstädte und überliessen uns das leere Stadt- «Auch heute scheinen wir nirgendwohin zu pas- zentrum. Wir waren urbane Pioniere. Wir waren sen, wie gestern, wie morgen. Manchmal frage jung, und uns gehörte etwas, das sonst niemand ich mich wirklich, warum wir es überhaupt wollte. Nun war sie tot, diese Zivilisation, und tun.» Das sagte David Thomas 1988, und ver- die Menschen fürchteten sich davor, weil sie mutlich würde er es auch heute noch sagen. Ein diese Zivilisation nicht verstanden. Unsere Be- Aussenseiter ist Thomas, das einzige verbleiben- ziehung mit dieser Umgebung war jedoch eng de Gründungsmitglied von Pere Ubu, geblieben, und intensiv.» gleichzeitig aber einer der interessantesten und kompromisslosesten Musiker seiner Generation. PROTOPRÄPOSTPUNK Mit «20 Years in a Montana Missile Silo» leg- te die aktuelle Inkarnation von Pere Ubu letztes Pere Ubu – herausgewachsen aus Clevelands Jahr ihr bestes Album seit Langem vor – es weck- legendärer Proto-Punk-Band Rocket From The te Erinnerungen Tombs – schufen auf «The Modern Dance» an «The Mo- und «Dub Housing» den Soundtrack für ihre dern Dance». Geisterstadt: Sie verbannten die Pop-Klischees Ein weiterer der Seventies in die heimeligen Vororte und ver- Beweis für die schweissten schroffe Gitarrenriffs, zerbrochene Zeitlosigkeit des Rhythmen, unkontrolliert lärmende Synthesizer Debüts. und David Thomas’ abartige Stimmkünste zu ruppigen Prä- und Post-Punksongs und abstrak- Christian ten Industrie-Klangskulpturen. pere ubu Gasser
S T F F E AF E R FR M R I F M SO UMS N D RU O N Z E RT E K C E S RM A N PERFO DJs 1 8 . 8 .18 ÄT B I S S P 14 U H R
KAMPF UM DIE KARRIERE bruce springsteen Bruce Springsteen wäre nach dem Erfolg von «Born to Run» beinahe zerbrochen. Doch dann erschien «Darkness on the Edge of Town». «Es war die beste und zugleich schlechteste aller Zei- ten... Meistens war es die schlechteste aller Zeiten.» So beschreibt Bruce Springsteen selbst in den Worten von Charles Dickens in seiner Autobiografie die Phase nach dem Durchbruch mit «Born to Run» im Jahr 1975 und vor dem Nachfolger «Darkness on the Edge of Town» drei Jah- re später. Mit «Born to Run» hatte der damals 25-Jährige endlich alle Vorschusslorbeeren in die Tat umgesetzt und nach langen obsessiven Studiokämpfen ein epochales Werk abgeliefert, das nicht nur die Kritiker entzückte, sondern auch kommerziell durchstartete, Platz 3 der US-Charts er- reichte und sich über zwei Jahre in den Top 100 halten sollte. Nach Jahren des unermüdlichen Tingelns durch kleine Clubs und einem Leben am Existenzminimum war er plötzlich ein gefragter Mann, der sich in Holmdel, New Jersey, für siebenhundert Dollar im Monat eine Sechzig- Hektar-Farm und eine Sechziger-Corvette leisten konnte. Er hätte den neuen Ruhm geniessen können, doch be- kanntlich führt Geld allzu oft im Leben bloss zu Streit und Zwist. So auch bei Springsteen. Denn als sein Manager Mike Appel nach dem Erfolg von «Born to Run» schnell einen neuen Vertrag über fünf weitere Jahre mit ihm ab- schliessen wollte, wurde Springsteen stutzig. Und das zu Recht. Es stellte sich heraus, dass die alten Verträge un- säglich waren. Doch Springsteen hatte sie – naiv, wie er war – unterschrieben. Jetzt pochte er auf eine faire Ent- lohnung für seine Hitplatte, die Appels Konto immerhin um 500 000 Dollar bereichert hatte. Appel weigerte sich, Frank Stefanko nachzubessern, es wurde unschön. Die Sache ging vor Ge- richt. Nach langen, zähen Verhandlungen kam es letztlich zu einer aussergerichtlichen Einigung, die Springsteen in den Privatkonkurs trieb. Dafür erhielt er aber wenigstens die Rechte an seinen Alben zurück, was sich langfristig als jetzt mit der düsteren Sei- try- und Folkmusik von Hank Williams und Woody Gu- Goldgrube erweisen sollte. te des amerikanischen thrie für sich. Statt Bombast suchte er danach, die Energie Traums, den Verlierern, der und die Wut des Punk in seine Musik zu integrieren. ALKOHOL, ANWALTSKOSTEN, ARBEITERKLASSE Arbeiterklasse. Sein Vater «Darkness war meine Samurai-Platte, sie war auf das Nö- hatte sich von Job zu Job tigste abgespeckt und voller Kampfbereitschaft», schrieb Springsteen wäre an dieser Phase beinahe zerbrochen. Er, durchgeschlagen, er selbst er 2016 in seinen Memoiren «Born to Run». Auch op- der immer nur Musik machen und live auftreten wollte, war in einfachen Verhält- tisch war die Veränderung zu sehen. Auf dem Cover sieht wurde durch eine einstweilige Verfügung von Appel dar- nissen aufgewachsen. Statt man ihn völlig ungeschminkt und unglamourös im billi- an gehindert, ein neues Album aufzunehmen. Er fing an über Eskapismus schrieb er gen T-Shirt, hungrig und ausgelaugt. Patti Smith, an die zu trinken, trieb sich rum. Desillusioniert und deprimiert jetzt über eine abgeschlos- Springsteen gerade den Song «Because the Night» abgetre- kämpfte er um seine Würde und sein Werk. Bis es schliess- sene Welt ohne Fluchtmög- ten hatte, vermittelte den Kontakt zum Fotografen Frank lich endlich zur Einigung kam. Zu den hohen Anwaltskos- lichkeiten. Er schaute ame- Stefanko, der viele von Smiths berühmten Bildern gemacht ten kam noch hinzu, dass die Steuerbehörde auf Springsteen rikanische Noir-Filme, las hatte. «Darkness on the Edge of Town» erschien am 2. Juni aufmerksam geworden war. Er hatte all die Jahre weitab Flannery O’Connor, James 1978. Auch ohne echte Hitsingle kam das Album bis auf von normalen Einkommensverhältnissen existiert, sodass M. Cain, John Cheever Platz 5 der US-Charts und hielt sich dort ebenfalls fast zwei er nie auf die Idee gekommen war, Steuern zu zahlen. Und oder Jim Thompson und Jahre. Bis heute sind etliche der zehn Songs des Albums fes- als jetzt Einnahmen zu verzeichnen waren, hatte sein Ma- entdeckte die nackte Coun- ter Bestandteil seines Live-Programms. 2010 erschien mit nager ihm mitgeteilt, die würden durch laufende Kosten «The Promise: The Darkness on the Edge of Town Story» aufgefangen. Aber er war auf dem Cover von «Time» und eine Box mit 3 CDs und 3 DVDs, darunter 21 unveröffent- «Newsweek», musste also reich sein. Bis 1982 und Millio- lichte Songs von den Albumsessions mitsamt Making-of nen verkaufte Platten sollte es seinen Worten nach dauern, und diversen Konzertmitschnitten. Bereits zuvor wurden bis er seine Schulden wieder abgetragen hatte. weitere unveröffentlichte Albumaufnahmen auf dem Box- Als er sich schliesslich 1977 endlich wieder der Musik zu- set «Tracks» öffentlich gemacht. Und vermutlich gibt es in wandte, hatte sich vieles verändert. Elvis war gestorben, irgendwelchen Archiven noch weitere Songs und Aufnah- Punk war das neue Ding, die Welt war finsterer geworden. men, die eines Tages ans Licht kommen. Ich hätte nichts Statt mit Aufbruch und dem Drang nach Freiheit – den dagegen. Themen von «Born to Run» – befasste sich Springsteen Markus Naegele
ER TOBTE GEGEN ALLES Warum Elvis Costellos zweites Album Buell, die ihre Karriere als Fotomodell in New York laut, seine Band spielte präzis und voller Energie, er drosch mit schweissnassem Gesicht auf seine Gitarre ein und schrie mein Leben veränderte: Bekenntnis begann und sich später als Schauspielerin, Sängerin wie ein Verrückter: «I’m not angry! I’m not angry!» In seinen Songs verhöhnte er Ronald Reagan als Astro- eines braven Jungen. und Autorin durchsetzte. Genau genommen handelt das ganze Album von dem nauten im Weissen Haus und kündigte an, auf Marga- ret Thatchers Grab herumzutrampeln. Seine dritte Platte sollte «Emotional Fascism» heissen, auf anderen sang er Ich war 19 Jahre alt, halb- Zuviel der Gefühle und von den «Aschenbechern der Gefühle» und «japanischen langes, blondes Haar, matu- dem Zuwenig, von Begeh- Jesusrobotern», von den «Schlafzimmer-Alibis» und den riert, aber naiv. Ich befand ren und Einsamkeit, Lei- «Disney-Schlachthöfen» sowie dem unstillbaren Verlan- mich zum ersten Mal in denschaft und Ekel. Noch gen, «deinen schönen Hals zu brechen, um zu sehen, wie London, zum Englischler- später wurde mir klar, er sich am besten dreht». «If you’re out of work or out nen, das waren für mich dass Elvis Costello damals of luck», höhnte er auf «Oliver’s Army», seiner Satire auf zwei Superlative in einem. Es dauernd wütend war. Der den britischen Imperalismus, «we can send you to Johan- war der Sommer 1978, als in Mann lag im Streit mit nesburg.» Seine liebste Theaterfigur bleibt Shakespeares England der Punk nachglüh- allen, nicht nur mit sich Macbeth. Als Motiv für seine Arbeit nannte er «Rache und te. Ich brachte es fertig, in selber. Sein Blick war aus- Schuld». Declan Patrick Aloysius MacManus, wie Costello diesen vier Monaten praktisch nichts davon mitzubekom- druckslos und kalt. Über bürgerlich heisst, ist in London geboren, aber sein Vater men. Ich ging zu Konzerten von Bob Dylan, Eric Clapton, liederliche Veranstalter und kam aus Irland. Frank Zappa, Peter Gabriel oder Emmylou Harris. Ich hat- Journalisten führte er ein Der Sohn singt immer noch, tritt auf, macht neue Platten te Freude an «Some Girls», der neuen Stones-Platte, ich las Schwarzbuch. Nach sei- oder gibt alte heraus mit unzähligen Varianten, Outtakes jede Woche den «New Musical Express» und den «Melody nem ersten Gastspiel am und Erläuterungen. Wie Neil Young ist er unersättlich von Maker». Trotzdem verpasste ich alles, was damals lief. amerikanischen Fernsehen seinem Talent überzeugt, Selbstkritik ist nicht seine Stärke. gab der Sender ihm vier- Manchmal wünsche ich mir, er würde sich für ein neues WIE NÄGEL AUF DER WANDTAFEL jähriges Auftrittsverbot. An Projekt mehr Zeit lassen. Aber so ist er halt, so soll er blei- den Konzerten bellte er sein ben, und an seinen Konzerten bleibt er unerreichbar gut. So ging ich denn, ein Anachronist aus einem Provinzland, Publikum an, verliess die Ich liebe viele seiner Songs und habe viele seiner Platten an einem englischen Sommermorgen zur Sprachschule. Bühne grusslos und ohne daheim, aber «This Year’s Model» bleibt die schönste für Plötzlich, ich weiss noch die Stelle an der Dukes Avenue Zugabe, beschimpfte ande- mich: Sie hat mein braves Leben verändert wie fast kein in Muswell Hill, fühlte sich mein Transistorradio an, als re Musiker als Ignoranten, anderes Album meiner Jugend. Elvis lives. würde es zerspringen. Alles klang auf einmal lauter, wilder, war oft betrunken. Seine wacher, gefährlicher. Der Schlagzeug klopfte einen zeitlu- Auftritte waren kurz und Jean-Martin Büttner penhaften Beat, das Gitarrenriff kratzte wie Nägel auf ei- ner Wandtafel, der Bass klang bedrohlich schwer, die Orgel machte mit. Dann setzte der Sänger ein mit seiner Rost- stimme, wüst, höhnisch und ausser sich vor Wut. «See her pictures in a thousand places ’cause she’s this year’s girl You think you all own little pieces of this year’s girl Forget your fancy manners Forget your English grammar ’Cause you don’t really give a damn about this year’s girl.» Das war das erste Mal, dass ich Elvis Costello hörte, und mir war klar, dass alles Bisherige alt klang im Vergleich zu dem, was ich jetzt entgegengeschleudert bekam. Dass ich verschlafen hatte, was jetzt passierte. Dass ich keine Ah- nung von der Welt hatte und vom Hass in der Liebe. Am selben Tag fuhr ich mit der Northern Line zu meinem Plattenladen nach Camden Town, um herauszufinden, wie diese Platte hiess: «This Year’s Model», ich kaufte sie so- fort; jedes Stück drauf klang aufregend: all killer, no filler. Ausserdem sah Costello auf dem Plattencover genau so aus, wie er sang. Man sieht ihn hinter einer Hasselblad- Kamera stehen, ein dünner Mann mit Hornbrille und Kra- watte, und er schaut unglaublich hässig drein. «Lass ’Hotel California’ von den Eagles laufen», wies er den Fotogra- fen Chris Gabrin an, «denn ich hasse dieses Lied, und ich möchte auf dem Cover so wütend aussehen wie nur mög- lich.» Es gelang. MIT SCHWEISSNASSEM GESICHT Später erfuhr ich, dass «This Year’s Girl» als Hassliebeslied an Costellos damalige Geliebte gelesen werden kann, Bebe elvis costello
ALTERSFRAGEN debbie harry susanne loacker Mick Jagger und schaue, wie die Kommentare da so lauten... M: Ja! F: Haha, was denkst du? Was habe ich gefunden? M: «So krass rockt das Ur- gestein noch heute.» F: «Alles andere als zahm sieht Mick Jagger aus, wenn er auf der Bühne steht.» Aber auch: «Did Mick Jag- ger cheat on his pregnant girlfriend?» M: Stimmt, die Männer sind ja dann die bösen Betrüger, wenns in die Richtung geht. Aber nichts Abschätziges übers Aussehen. F: Also, meine ultrakurze Recherche ergibt: Grund- Mit «Parallel Lines» stiegen Blondie Ausnahme von «Parallel Lines», dem ersten Album – nur schlecht damit anfreunden. sätzlich geht es bei Mick Jagger darum, dass die 1978 ins Musikgeschäft ein, angeführt M: Geht mir ähnlich. Woran liegts bei dir? F: Irgendwie sagt mir die Musik stilistisch einfach zu wenig Stones ein neues Album rausgegeben haben, oder von Sängerin Debbie Harry. Wie hat sie zu. Und ich finde, auf dem ersten Album drang der Punk in ihr noch am ehesten durch. Danach wurde es mir zu belie- wie gut ihre Musik immer noch klingt, oder wie gut die Rolle der Frau geprägt? Ein Dialog. big. Ich habe sie vor einigen Jahren am For Noise Festival gesehen und hatte mich gefreut, diese Koryphäe live zu se- hen. Aber leider war die Show ein Desaster. er noch aussieht trotz des fortgeschrittenen Alters... Schon traurig. M: Wie hast du Blondie respektive Debbie Harry kennen- M: Warum? M: Aber halt leider Realität. gelernt? F: Der Drummer sass hinter einer Plexiglas-Wand, das war Ich habe mir vorgenom- F: Ich hatte vermutlich «Heart of Glass» schon Dutzende fürchterlich. Und von ihr kam keine Energie, sie wirkte müde men, meine Energie nicht Male am Radio gehört – meine Mutter hörte tagsüber zu- und abgekämpft. Aber da war sie auch schon etwas fortge- mehr so sehr darauf zu ver- hause immer Radio. Aber ich wusste kaum, dass das Blondie schrittenen Alters, davor habe ich natürlich schon Respekt. wenden, mich über solche war. Später dann «Maria», Generation MTV halt. Und du? M: Oh nein! Aber eh, ich hätte wohl nicht mal jetzt die Dinge aufzuregen. Sondern M: Das ist mir fast ein bisschen peinlich, aber ich glaube, Energie, eine Bühnenshow durchzuziehen. daran zu arbeiten, es besser als Teenie habe ich im H&M ein T-Shirt mit dem Blondie- F: Ich auch nicht. Hast du sie mal live gesehen? zu machen. Aufdruck gesehen und mich gefragt, was denn das für eine M: Nein, habe ich nicht, muss aber auch sagen, dass es F: Ja, und damit auch zu be- Band ist. Wohlgemerkt: Als Teenie in der Phase, in der ich mich nie gross gereizt hat. Lustig eigentlich. Weil auf dem weisen, dass man selbstbe- nur Britney Spears und Christina Aguilera gehört habe. Papier erfüllt Debbie Harry alles, was ich sonst abfeiere: stimmt und sexy und eman- F: Das geht den Kids wohl heute so, wenn sie im H&M Eine selbstsichere Frau, die ein Genre augenscheinlich im zipiert sein kann. Shirts mit Nirvana- oder Joy-Division-Aufdruck kaufen. Alleingang neu geprägt hat – für andere Frauen. Madonna M: Genau. Und dadurch, Dabei war Debbie Harry ja Punk, bevor sie Mainstream und die ganzen Riot Grrrls. dass ich einfach mehr über wurde. Eigentlich war es ja ähnlich wie bei Liz Phair: Eine Frauen schreibe, mehr an- attraktive junge Frau, die eine Verfechterin der Emanzipa- ### dere Frauen zitiere und so tion war, die aber wegen ihres Aussehens mehr als Cover- weiter. Und zwar ohne, dass girl denn als Künstlerin mit einer kritischen Haltung wahr- F: Eine feministische Frage: Fotomodell/Serviceangestellte in ich dann noch extra das genommen wurde. einer Playboy-Bar und Aushängeschild für Emanzipation – «Frauenlabel» dranhänge. M: Wobei ich mich da jeweils frage: Wer hat diese Denk- geht das zusammen? Alles, was Männer schon so weise geprägt? Männer, die für andere Männer in Mu- M: Uff, eine vielschichtige Thematik. In erster Linie finde lange auch selbstverständ- sikmagazinen geschrieben haben? Ich kann mir sehr gut ich: ja. Wenn es selbstbestimmtes Arbeiten ist. Aber dann lich machen. vorstellen, dass Debbie Harry für viele junge Frauen eine wiederum: Wenn ich mich beispielsweise für den «Playboy» F: In diesem Sinne: Wir ha- prägende Figur war und immer noch ist. Aber vor allem zu ausziehe, weil ich mich gerne zeige und dazu beitragen will, ben viel von Dir gelernt, De- Zeiten des Punk. ein positives Körperbild zu verbreiten, dann trage ich mit bbie. Danke dafür! F: Ich habe gestern noch nach Bildern von Debbie Harry diesen Bildern dennoch gleichzeitig dazu bei, ein System, das gegoogelt. Und auf fast jeder Seite steht etwas wie «Die Frauen(körper) wie Produkte behandelt, aufrecht zu erhal- Fabienne Schmuki besten Bilder von Debbie Harry, als sie noch gut ausge- ten. Für Debbie Harry aber waren die Jobs, beispielsweise und Miriam Suter sehen hat». Schon krass, wie sie jetzt einfach nicht mehr im Playboy-Club, ja auch ein Befreiungsschlag von ihrem gleich respektiert wird. Elternhaus. 2017 F: Gerade für eine Frau in jener Zeit muss das schon ver- ### dammt schwierig gewesen sein, anderen unbequem auf die Füsse zu treten. Und ich meine: Frau darf natürlich selbstbe- F: Wie gut kennst du denn Blondies Musik? Abgesehen von stimmt und sexy sein. den Hits? M: Ja schon, aber eben: Wenn du älter bis, dann schreiben M: Ich würde meine Kenntnisse als durchschnittlich be- alle drüber, wie du aussiehst. Wobei, das passiert Frauen ja zeichnen. Du? so oder so, fast egal, was sie tun. F: Ich habs immer wieder versucht, kann mich aber – mit F: Ich mache ein Experiment: Ich google mal Bilder von
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DIE ALTEN PLATTEN Waylon Emmylou Lou Reed Kate Bush Van Halen Jennings/ Harris Street Hassle The Kick Inside Van Halen Willie Nelson Quarter Moon in a (Arista) (EMI) (Warner) Waylon & Willie Ten Cent Town (RCA Victor) (Warner) 1978 ging Lous Beziehung Walgesänge, eine exaltier- Ein Erstschlag mit Lang- zu Rachel, einer Transfrau, te, fast quietschend hohe zeitwirkung – der eher un- Waylon Jennings und Emmylou Harris war die in die Brüche – und Lou Stimme, eine Ode ans Sa- spektakulär beginnt: biss- Willie Nelson, die beiden Protegée des ebenso eklek- war drogenabhängig. In xofon: Kate Bush schreckt chen Geräusch, ein paar Texaner, die die Outlaw- tischen wie genialen Gram den meisten Songs imitier- auf ihrem Debüt vor nichts Basstöne, Hi-Hat-Schläge. Bewegung in der Country- Parsons, der mit gerade mal te er seine alten Rollen, das zurück. Die bei der Ver- Dann aber folgt ein griffi- Music lostraten, ohne sie je 27 Jahren an einer Überdo- blondierte «Rock’n’Roll- öffentlichung 19-jährige ges Riff, bevor schliesslich so zu nennen. Beide taten sis Alkohol und Drogen Animal» von Mitte der Engländerin erhielt dank David Lee Roth mit seiner nichts anderes, als die Zu- starb. Vermutlich hat Har- 70er und den Sado-Maso- der Unterstützung von Pink Egoshouter-Stimme ins sammenarbeit mit Studio- ris seinen Tod nie ganz ver- Rocker aus Andy Warhols Floyds David Gilmour ei- Geschehen eingreift. «Run- musikern zu verweigern. wunden. Ihre Musik blieb Factory aus den Sixties. nen Deal mit EMI, Andrew nin’ With the Devil», das Sie wollten mit ihrer Live- der seinen jedenfalls treu. Doch Lou überzeugt leider Powell vom Alan Parsons Eröffnungsstück des Van- Band ins Studio. Punkt. Mit dem 1978er-Album nur, wenn er Neues wagt, Projects produzierte das Halen-Debüts, verströmt Rückblickend kein Wun- schwamm sie sich gewisser- wie den Soul in «I Wanna Album. Kate Bush verlieh kalifornische Unbeschwert- der. Nelson, Jahrgang massen von der traurigen Be Black» oder den Ba- dem Art-Pop eine neue heit und nimmt gleich die 1933, verlangt mit seinem Vergangenheit los und wur- rockpop im Titelstück. Ein Stimme. Die Single «Wut- ganze nachfolgende Hard- rhythmisch eigenwilligen de ihrerseits zur Entdecke- Teil der Songs wurde 1977 hering Heights» gehört zu rock-Dekade vorweg. Der Gitarrenspiel jedem Band- rin und Förderin von Ta- live in München und Lud- den wunderlichsten Lie- eigentliche Knüller folgt mitglied Höchstleistungen lent – eine Qualität, die die wigshafen aufgenommen dern der Popgeschichte, dann allerdings mit dem ab. Seine «Family», wie er wechselnde, aber immer (das Publikum wurde raus- die junge Sängerin konnte zweiten Stück, der furiosen die seit Jahrzehnten mehr grossartige Zusammenset- gemischt). Das Album war sich damit gegen das Plat- Etüde «Eruption». In einer oder minder unveränderte zung ihrer Begleitband seit binaural abgemischt, ein tenlabel durchsetzen, das Minute und 42 Sekunden Truppe nennt, hat einen Jahrzehnten belegt. Das Versuch, die 3D-Studioat- lieber das rockigere Stück spielt Eddie Van Halen mit Sound, den man beim ers- Albumcover malte Susan- mosphäre in Stereo hinzu- «James and the Cold Gun» dieser schwindelerregen- ten Ton erkennt. na Clark, die Ehefrau und kriegen, was erst durch das als Single gesehen hätten. den Solonummer sämtliche Das gilt auch für Waylon Muse von Guy. Die Songs digitale Multitrack-Ver- Der Song war der erste Gitarristen seiner Gene- Jennings, der nur 64 wur- auf «Quarter Moon in a fahren von heute gelingt. von einer Frau geschriebe- ration an die Wand. Der de. Eigentlich war Jennings Ten Cent Town» stamm- Bruce Springsteen wirkte ne Nummer-1-Hit in Eng- unorthodoxe Techniker Bassist und hatte deshalb ten von Leuten wie dem im Titelsong als anonymer land. Die Selbstbehauptung mischt munter Klassik-Ver- auch präzise Vorstellungen damals erst 28-jährigen Sprecher mit. Auf «Street von Kate Bush in einer satzstücke, Noise-Grollen davon, wie der Bass auf sei- Rodney Crowell, Delbert Hassle» ist jeder Song eine immer noch von Männern und lateinamerikanische nen Aufnahmen zu klingen McClinton, Carlene Carter Liebkosung und zwei Tritte geprägten Domäne, ihr Elemente, tappt mit seinen habe. Die Legende sagt, er oder Dolly Parton. Es in die Eier zugleich. Es ist eklektischer Umgang mit Fingern auf dem Griffbrett habe jedem Bassiten unter sollte noch ein paar Jahre streckenweise Rockmusik, Musikstilen und ihre thea- herum und holt bislang Todesdrohungen verboten, dauern, bis sich Emmylou die bis heute modern klingt. tralische Attitüde inspirier- ungekannte Klänge aus Auftakt-Töne zu spielen. Harris getrauen würde, Reeds Texte sind direkt, te unzählige Musikerinnen seinem Instrument. Alleine Das gemeinsame Album, ihre eigenen Songs aufzu- explizit, unzweideutig und wie Tori Amos, Lorde oder diese atemlose Gesellen- das «Rolling Stone» als nehmen – erst 1985, mit lassen selbst heute noch Florence and the Machi- stück lohnt den Kauf des Nummer 30 derjenigen 50 «The Ballad of Sally Rose», Skandalrapper wie Schul- ne. Erst mit ihrem dritten, Albums. Plus natürlich das Platten auflistet, die jeder präsentierte sie sich als buben aussehen. Lou hatte selber produzierten Album grossartige, ein paar Jahre Rock-Fan besitzen soll- Songschreiberin. Dennoch gehofft, ein Meisterwerk zu «Never for Ever» (1980), später von den Minutemen te, enthält Klassiker wie ist «Quarter Moon in a Ten schaffen, das gelang ihm das extravagante Hits wie neu interpretierte «Ain’t «Mammas Don’t Let Your Cent Town» wegweisend: erst zehn Jahre später mit «Babooshka» und «Army Talkin’ Bout Love». Epo- Babies Grow Up To Be Es kombiniert den Count- dem Album «New York». Dreamers» enthält, fand chal – auch als Echo aus Cowboys» oder die Hym- ry-Rock der Westküste mit Bei Reeds zweitletztem Bush ihren ganz eigenen einer fernen Zeit. ne «Luckenbach, Texas». dem Bluegrass der Ostküs- Konzert in Zürich, 2004, Stil und konnte sich aus Unbedingt auf einem Plat- te, als gäbe es nichts Selbst- gehörte «Street Hassle» zu den allzu gut gemeinten amp. tenspieler anhören, sonst verständlicheres. den grossen Momenten. Klauen der Art-Rock-Väter ist der Bass weg. Das wär befreien. schade. sl. yba. sas. sl.
DIE ALTEN PLATTEN Nina Hagen Prince Rainbow Japan The Stranglers Band For You Long Live Rock’n’Roll Adolescent Sex Black and White Nina Hagen Band (Warner) (Polydor) (Hansa) (United Artists) (CBS) Das Debüt von Prince ist Im Jahr eins nach Punk «Der sieht aus wie meine Im Punk-Universum haben Es war schon ein kolossa- vor allem deshalb erwäh- klang dieses Album für viele Mutter!», heisst es in einem The Stranglers immer einen ler Einbruch in die Welt- nenswert, weil es bei seiner Zeitgenossen wie ein Relikt Kommentar unter einem einzigartigen Platz einge- paraden (und in die WGs) Veröffentlichung im April aus einer fernen Ära. Rain- frühen Video von Japan. nommen – die vier Mit- der Endsiebziger, dieses 1978 kaum auf Interesse bow, von Ritchie Black- Der Londoner David Sylvi- glieder waren schon etwas Debütalbum der Nina Ha- stiess. Dies, obwohl War- more nach seinem ersten an, androgyner Frontmann älter (Drummer Jet Black gen Band. Bemerkenswert ner hohe Erwartungen Ausstieg bei Deep Purple des englischen Quintetts wurde 1978 bereits 40 Jah- auch deshalb, weil in Insi- in den kleinen Mann aus gegründet, standen für vie- und zu jener Zeit glühen- re alt), zudem verschafften derkreisen kaum Aufsehen Minneapolis gesteckt hat- les, was der Punk gemäss der Bowie-Verehrer so- sie dem Orgelsound von oder Häme entstand wegen te. 180 000 Dollar bezahlte landläufiger Lesart vom wie offensichtlich Fan der Dave Greenfield eine Pro- der sonst ach so unpoppi- das Label dem als genial Sockel gestossen hatte: Ma- New York Dolls, fiel zu- minenz, wie man sie in gen deutschen Sprache und geltenden, aber eben auch chorock und säuselnde Bal- erst vor allem optisch auf. der Rockmusik ausser von ebensowenig wegen des noch sehr jungen Multi- laden, Keyboard-Kleister Der Sound auf dem Debüt The Doors kaum kannte. etwas punkfernen Grund- instrumentalisten für die und Streicher, Angebersoli «Adolescent Sex» war eine Aber nicht nur dadurch sounds der ehemaligen Lo- kommenden drei Alben. und Heldengesang. Beim leidlich aufregende Mi- hoben sich The Strang- komotive Kreuzberg. Letz- Damals eine ganze Stan- Wiederhören wirkt man- schung aus Glamrock und lers von ihren Zeitgenos- terer war allerdings eine ge Geld, Prince brauchte ches tatsächlich überzogen. frühem New Wave, den sen ab: Nach den starken von Tubes- oder Rundgren- es jedoch bereits allein für Allein der Albumtitel war die englische Musikpres- LPs «Rattus Norvegicus» Artistik geprägte, postfreie, die fünfmonatigen Aufnah- wohl schon 1978 kein Aus- se aber bereits damals als und «No More Heroes» aber kraftvolle Mixtur, die mesessions von «For You» druck von übertriebener «altmodisch» bezeichnete befreiten sie sich aus dem etwas Zeitloses, Stilüber- fast vollständig auf. War- Originalität. Und doch: Mit – Punk gab gerade den Ton engen Korsett des Punk greifendes ausstrahlte und ner traute dem 20-Jährigen Gitarrist Blackmore, Cozy an. Etwas Erfolg hatte die auf dem düsteren, experi- daher auch bestens zum nicht zu, das Album im Powell an den Drums und Band in, tja, Japan, Hol- mentellen und stellenweise universellen Gesang der aus Alleingang zu produzieren allen voran Sänger Ron- land und Kanada. Sylvi- schwer zugänglichen Al- der DDR emigrierten Bier- und schlugen ihm mehrere nie James Dio erleben wir an singt – ganz anders als bum «Black and White». JJ mann-Stieftochter Nina Produzenten vor, die er al- drei Ikonen des Hard Rock später – mit hoher, nasaler Burnel übernahm am Bass passte. Wobei «Gesang» lerdings alle ablehnte. Auch auf der Höhe ihrer Kunst. Stimme, Mick Karn slappt die dominanten Melodie- hier fast schon eine Unter- wechselte er mehrfach das «Gates of Babylon» be- hektisch vor sich hin, und läufe – wie auf dem bis heu- treibung ist. Da vereinte Studio, kaufte sich neue In- ginnt mit fragwürdigem auch Schlagzeuger Steve te unerreichten «Nice ‘n’ sich eine klassisch ausge- strumente und wohnte mit Georgel, fährt ein tolles Jansen zieht bisweilen das Sleazy» oder auf «Outside bildete Stimme (doch noch) seinen Freunden in kost- Frickelriff auf, federt in der Komplexe dem Einfachen Tokyo» –, und Hugh Corn- mit der Rotzigkeit des Punk spieligen Appartements. Bridge unwiderstehlich und vor. Die Band wurde spä- wells Gitarre stellte sich in und schuf so quasi ein neu- Hauptsächlich verbrachte schraubt sich im Refrain ter zu den Posterboys der den Dienst des Rhythmus, es Rockregister. Eines, das er seine Zeit aber in den in epische Höhen, dass es New-Romantic-Bewegung, wenn sie sich nicht gerade Grenzerfahrungen, Kon- Studios, wo er sämtliche In- eine Freude ist. Nach die- Duran Duran dürften sich mit den Keyboards duel- sumkritik und Frauenpow- strumente selbst einspielte ser Platte hatte Blackmore auch einiges in Sachen lierte. Nicht alle Songs auf er zum Besten gab und so und später den Gesang (im genug von Dios Fantasy- Outfit und Schminke abge- «Black and White» mögen das Album auch zu einem Opener mindestens zwan- Geschichten. Also zog der schaut haben. Musikalisch gefallen, und das trägt zum Identitätsträger für die Be- zigfach) hinzufügte. Das Sänger weiter, zunächst zu aber fand vor allem Sylvian Reiz der Platte bei: Martin wegten jener Tage machte. Endresultat war zwar hoch- Black Sabbath, die gerade mit «Quiet Life» und erst Rushents dritte Produktion Es ist jedenfalls das Beste, energetisch und klang für Ozzy geschasst hatten, an- ein Jahr später zu einer ei- für die Band umschmei- was Nina Hagen je musi- damalige Verhältnisse auch schliessend als Soloartist. genen Sprache und einem chelt den Hörer nicht. kalisch zustande brachte. modern, doch dem R’n’B- Er blieb bis zu seinem Tod etwas diskreteren Look. Achtung, bissig – man nä- Und es hat nebenbei auch Disco-Funk der Marke 2010 ein herausragender here sich vorsichtig! Das noch einen schönen Slogan Prince fehlte es (noch) an Sänger und Performer. So söh. wiederum öffnete der Band geprägt: «Ob blond, ob kompositorischer Dring- kraftvoll und gleichzeitig die Möglichkeit, sich auf schwarz, ob braun / Ich lie- lichkeit – wenngleich die nuanciert wie auf «Long späteren Platten wie «La be alle Frau’n.» Arrangements bereits von Live Rock’n’Roll» und dem Folie» mit dem Welthit hoher Komplexität waren. Vorgänger «Rising» war er «Golden Brown» auch mal bv. Die Texte handeln natür- später aber nur noch selten fein und verletzlich zu zei- lich alle von Liebe und Sex. zu hören. gen. söh. ash. rel.
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