Kanton St. Gallen Kantonsschule Wattwil
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Inhalt Campus Wattwil Martin Gauer Mit Blick nach vorne 3 Stefan Kölliker Bildungschancen und Föderalismus 4 Franz Eberle Zur Bedeutung von Gymnasien auf dem Lande 6 Hochbauamt St.Gallen Die Planung und Realisierung eines Gymnasiums im Toggenburg 8 Jörg Rüesch Der Bezug zum «Modulor» von Le Corbusier 12 Alois Gunzenreiner Die Kantonsschule stärkt das regionale Zentrum 14 Susanne Hartmann Eine Einheit, ein Campus 16 Michael Fischer «Das Atrium überzeugt» 18 Lernen am Gymnasium 20 Mathias Gunz & Michael Künzle Ein Projekt im Team 22 Renate Graf Schülerzahlen im Querschnitt 26 Guido Bannwart Die FMS, ein dynamischer Ausbildungsgang 28 Hannes Steinebrunner FMSplus im Praxistest 31 José Gomez Die Chancen und Risiken der IT-Bildungsoffensive 34 Emil Müller Die Kanti Wattwil bringt die Informatik voran 38 Felix Berger Die neue Talentklasse Sport 40 Simon Ammann Profisport und Schule 41 Michael Boller Unterricht unter Corona-Bedingungen 42 Barbara Bucher Was für ein Theater! 44 Claudia Dischl Ausschnitte aus der Lesung der «Pest» 46 Jost Kirchgraber Theatererinnerungen ... oder was an der Kanti auch sonst noch so über die Bühne ging 48 Jubiläen 50 Jahre Kanti Wattwil: CHANCE 54 50 Jahre Kanti-Chor «cantacanti» 56 30 Jahre «il mosaico» 60 25 Jahre Big Band 62 Vor 25 Jahren – und heute 64 Silvianne Blosser Als erste Festangestellte dabei 66 Wolfgang Sieber Vom ersten Tag an dabei 67 Unsere Abschlussklassen 68
Mit Blick nach vorne Ein fensterreiches, in hellblauer Fassade Ordnung markant prägt und das kom- gekleidetes Gebäude stattlicher Dimen- munikative lnnenleben zum Hauptthema sion – die Computeranimation lässt er- macht, ist sehr beachtenswert» (Jurybe- ahnen, welches Panorama richt 2021:31). Der Campus ist konzipiert sich uns künftig auf dem als Ort der Begegnung, des Austauschs neuen Schulweg bieten und der Zusammenarbeit – in und zwi- wird. Läuft alles nach Plan, schen den Klassen, aber auch zwischen findet der Unterricht schon den Schulen, denn die Kanti Wattwil und 2025 im Campus Wattwil das Berufs- und Weiterbildungszentrum 3 statt, der auf dem heutigen Wattwil (BWZT) rücken 2028 zusammen. Editorial Areal der Aussensport anlagen Rietstein entsteht. Wir haben die Begegnung Doch noch führt unser Schulweg zum und die Zusammenarbeit «Bergkristall» an der Näppisuelistrasse. ganz besonders vermisst Die Schülerzahlen auf S. 26 zeigen ein- im letzten Jahr. 50 Jah- drücklich auf, wie weitsichtig der Ent- re Kanti Wattwil, 50 Jah- scheid in den 60er-Jahren des letzten re Chor «cantacanti», Jahrhunderts war, auf Landschulen zu 30 Jahre «il mosaico» und setzen: Mit phasenweise über 900 Schü- 25 Jahre Big Band – prak- lerinnen und Schülern hat die Kanti Watt- tisch alle Jubiläumsanläs- wil sämtliche Erwartungen übertroffen ... se fielen der Pandemie zum Opfer. Der und platzt aus allen Nähten. zweite Teil der QUER-Ausgabe erinnert Schon bald mussten Zusatzräume auf an die Jubiläen, an Aufgeschobenes und der anderen Seite der Thur zugemietet Aufgehobenes – aber auch an innovati- werden und bis heute kommen die Schü- ve Formen kreativen Schaffens im lerinnen und Schüler, aber auch etliche Social-Distance-Modus wie Lehrpersonen allein schon wegen des auch an die Projekte, Wegs zwischen den Schulgebäuden dem die mit den Locke- Tagesziel von 10 000 Schritten pro Tag rungsmassnahmen erheblich näher. wieder aufkeimen Ich wünsche Ihnen Das Siegerprojekt der Architekten Gunz, eine spannende und Weber & Künzle (Zürich), «Céleste», abwechslungsrei- schafft einen zentralen Lern- und Le- che Lektüre! bensort im Zeichen der Kommunikation. Dieser Aspekt erwies sich für das Sie- ■ Martin Gauer, gerprojekt als matchentscheidend, wie Rektor dem Jury-Bericht zu entnehmen ist: «Der Vorschlag, die Kantonsschule in einem Komplex zu lösen, der die städtebauliche
4 Campus Wattwil Bildungschancen und Föderalismus Im grossflächigen, ringförmig angelegten Die Bildungschancen in den ländliche- Kanton St. Gallen ergeben sich für viele ren Regionen des Kantons erhöhten sich Regionen automatisch weite Distanzen schlagartig mit der Dezentralisierung der in die Hauptstadt. Im verkehrstechnisch Mittelschulbildung im Kanton St. Gal- erst schlecht erschlossenen jungen Staat len. Schon kurz nach der ersten staat- St. Gallen des 19. Jahrhunderts wandten lich geführten «Landmittelschule» (1963 sich deshalb viele Jugendliche Bildungs- Sargans) wurde 1970, also vor 51 Jah- stätten ausserhalb des Kantons zu. Die ren, die Kantonsschule Wattwil eröffnet. Kantonshauptstadt lag fernab, zudem Später kamen Heerbrugg und Wil dazu. misstrauten viele Familien der staatli- Unüberbrückbar lange Schulwege zu chen, liberal geführten Kantonsschule in den Bildungsstätten der Sekundarstu- St. Gallen. fe II waren fortan kaum mehr ein Thema.
5 Campus Wattwil Abb.: Michael Fischer, Susanne Hartmann, Stefan Kölliker, Alois Gunzenreiner Die neuen Bildungsinstitute stiessen al- von Musik und der Naturwissenschaften len Unkenrufen zum Trotz auf grossen gelingt es der Schule immer wieder, weit Anklang und entwickelten sich prächtig. über die Regionsgrenzen hinaus Akzente Gerade in Wattwil kommt dazu, dass die zu setzen. Dies soll so bleiben. Mit Schule Regionen zusammengebracht hat, dem Grossprojekt «Gymnasium die sonst nur wenig gemeinsam hatten. der Zukunft», das die Über- Staatspolitisch betrachtet kann die Grün- prüfung von Strukturen und dung von Kantonsschulen daher als föde Inhalten zum Ziel hat, stellt ralistischer Akt bezeichnet werden, bei der Kanton St. Gallen sicher, dem sich die Regionen des vielgestaltigen dass das Erfolgsmodell Gym- Kantons deutlich nähergekommen sind. nasium auch künftig am Puls Erfreulich ist, dass die Stimmbürgerinnen der Zeit ist. und Stimmbürger im November 2019 im Rahmen der Vorlage zum Campus Wattwil ■ Stefan Kölliker, diesen Willen zum Zusammenhalt und zur Regierungsrat, Zusammenarbeit über den Ricken hinweg Vorsteher des eindrücklich bekräftigt haben. Bildungs departements Baulich ist die Schule in die Jahre gekom- men. Das erwähnte Campus-Projekt wird hier Abhilfe schaffen. Die Schulqualität in den angebotenen Lehrgängen Gymna- sium und Fachmittelschule steht ausser Zweifel. In Bereichen wie der Förderung
6 Rückblick Zur Bedeutung von Gymnasien auf dem Lande Aufgewachsen in bescheidenen ökono- ren Schichten eröffnet. Ich gehöre somit mischen Verhältnissen auf dem Lande zu den Nutzniessern der staatlich ge- und in einem eher bildungsfernen Mili- steuerten Bildungsexpansion, in deren eu, war es für mich nicht naheliegend, Folge auch die Landmittelschulen des nach der obligatorischen Schule ein Kantons St. Gallen entstanden. Auf Sar- Gymnasium zu besuchen. Es waren gans folgten im Jahre 1970 Wattwil, 1975 die Lehrer der Sekundarschule Flums, Heerbrugg und als «Nachzüglerin» 2002 die meine Eltern dazu brachten, ihren Wil. Diese Schulen zogen auch neue Be- schulleistungsstarken Sohn zu den Auf- rufskategorien in die Landregionen. So nahmeprüfungen 1970 der noch jungen war auch meine Tätigkeit als Lehrer an Landmittelschule in Sargans anzumelden. der Kantonsschule Wattwil und später Sie war 1963 im Zuge der sogenannten an der Kantonsschule Sargans prägend Bildungsexpansion gebaut worden und für meine weitere Berufslaufbahn bis zum hatte damit neue Bildungsmöglichkeiten Professor an der Universität Zürich. für Kinder aus sozioökonomisch unte-
Mit Bildungsexpansion wird der starke dungspolitischen Lösungen. Sie müssen Ausbau des Bildungssystems in den aber wohlüberlegt sein. Der Fachkräfte 1960er und 1970er Jahren bezeichnet, mangel beispielsweise würde eher für der insbesondere auf der Sekundarstufe einen weiteren Ausbau der Landmittel- II und im tertiären Bereich erfolgte. An- schulen sowie eine Spezialisierung bereits lass dazu gaben vor allem drei Faktoren: am Gymnasium sprechen. Für die Stär- Erstens die stetige Zunahme der Bevöl- kung der demokratischen Gesellschaft kerung, zweitens das starke Wirtschafts- mittels des zweiten gymnasialen Ziels wachstum und ein damit einhergehender der vertieften Gesellschaftsreife ist aber Fachkräftemangel und drittens die gesell- eine weiterhin breit gefächerte Bildung schaftspolitischen Motive der Verbesse- unabdingbar, was wiederum grössten- rung der Chancengerechtigkeit und der teils mit dem ersten gymnasialen Ziel der Stärkung der demokratischen Mündig- allgemeinen Studierfähigkeit harmoniert keit. Während im Jahre 1960 die nationale (Eberle & Brüggenbrock, 2013). Auch eine gymnasiale Maturitätsquote noch bei 4 % Erhöhung der Maturitätsquote über den und 1970 bei 7 % lag, stieg sie bis 1980 aktuellen Schweizer Durchschnitt wäre 7 auf rund 10 % und bis 2010 auf rund 20 % nachteilig. Sie ginge nicht ohne Senkung Landgymnasium – Rückblick an (Becker & Zangger, 2013, S. 428). Seit- des durchschnittlichen Leistungsniveaus her verharrte sie im Grossen und Ganzen an den Gymnasien, denn es gibt den bei diesem Wert. Im Kanton St. Gallen Puffer der besser ausgeschöpften Bega- hat sie sich bei im interkantonalen Ver- bungsreserven nur noch sehr beschränkt. gleich niedrigen rund 15 % eingependelt; Die Weiterentwicklung der Gymnasien auf es gäbe hier noch etwas Spielraum nach dem Lande muss deshalb vor allem eine oben. Insbesondere hinsichtlich des qualitative sein. zweiten Motors der Bildungsexpansion wurde dahingehend argumentiert, dass Literatur durch den Ausbau der Mittelschulen auch Becker, R. & Zangger, Ch. (2013). Die Bildungs- expansion in der Schweiz und ihre Folgen. Eine die sogenannten «Begabungsreserven» empirische Analyse des Wandels der Bildungsbe- besser ausgeschöpft werden könnten. teiligung und Bildungsungleichheiten mit den Daten Weil es dieses schlummernde Potenzial der Schweizer Volkszählungen 1970, 1980, 1990 und 2000. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsy- tatsächlich gab, war es dabei nicht not- chologie, 65(3), 423–449. wendig, für die Erhöhung der Maturitäts- quote die Matura-Anforderungen nach Eberle, F. & Brüggenbrock, C. (2013). Bildung am Gymnasium. Bern: EDK. unten anzupassen, wie das zuweilen be- hauptet wird. Die auslösenden Gründe der Bildungs ■ Franz Eberle, bis 2019 expansion sind auch aktuell noch virulent, Professor für Gymnasial- und die heute nicht mehr wegzudenkenden Wirtschaftspädagogik an der Landmittelschulen haben die Probleme Universität Zürich. In Flums auch im Kanton St. Gallen nur teilweise aufgewachsen, hat er seine behoben. Zuwanderung, Fachkräfteman- Matura in Sargans absolviert gel, nur moderat abgebaute Chancen und nach seinem Studium an ungerechtigkeiten beim Zugang zu den der Universität St.Gallen mit- Gymnasien und fortlaufender Bedarf an unter an der Kanti Wattwil breiter und tiefer Allgemeinbildung als unterrichtet. Seit 2020 ist er wichtiges Fundament einer funktionieren- Mitglied des Schweizerischen den Demokratie rufen weiterhin nach bil- Wissenschaftsrats.
Die Planung und Realisierung eines Gymnasiums im Toggenburg Neue Schulkonzeption in der Hochkonjunktur und Gleichberechtigung gegenüber der Stadt – wo bis Zu Beginn der konjunkturstarken 60er Jahre des vergange- anhin die meisten höheren Lehranstalten lagen – sollte nen Jahrhunderts wurde von der Politik konstatiert, dass der auch den fähigen jungen Leuten vom Land der Zugang Bedarf an geschulten Menschen (Wissenschaftlern, Ingeni- zur Bildung ermöglicht werden. euren, Technikern, gebildeten Kaufleuten und Lehrpersonal) durch das Zeitalter der Automation sehr stark angestiegen Damit war der politische Grundstein gelegt für den Aus- war und noch um ein Vielfaches zunehmen werde. bau des st.gallischen Mittelschulwesens, welcher mit der Erweiterung der traditionellen Bildungsstätten in der Dem Mangel an qualifizierten Kräften für die Wirtschaft Kantonshauptstadt (Kantonschule Am Burggraben) und und Lehre sollte gemäss der Empfehlung einer eidgenös- in Rorschach (Lehrerseminar) seinen Anfang nahm. Mit sischen Kommission durch den Ausbau, die Vermehrung der Errichtung einer Zweigschule in Sargans und der und insbesondere Dezentralisierung der Ausbildungs- Initiierung einer Mittelschule Toggenburg fand diese neue stätten begegnet werden. Daraus ergab sich für den Kan- Schulkonzeption nun ihre erste Fortsetzung. ton St.Gallen die Strategie, besonders das Potential der ländlichen Regionen, welche in expansiver Entwicklung In den Jahren 1960–1963 erarbeitete der Arbeitsaus- waren, zu nutzen. Im Sinne einer Standortaufwertung schuss einer Studienkommission des kantonalen Erzie-
hungsdepartementes in Zusammenarbeit mit dem Bau- die künftige Entwicklung der Schule ist nach Massgabe departement die Grundlagen für eine Zweigmittelschule der angrenzenden Ueberbauung nicht ausgeschlossen.» im Toggenburg. (Standortwahl einer Zweigmittelschule im Toggenburg, Baudepartement des Kantons St.Gallen, 19.03.1963) Der Ausschuss untersuchte die Bedürfnisfrage, das Einzugsgebiet, Frequenzfragen, das Verhältnis zu den Der Kantonsrat bewilligte in seiner Sitzung vom 5. No- Sekundarschulen, die Führung einer Seminarabteilung, vember 1963 den Projektierungskredit für die bisherigen die Schulorganisation, das Raumprogramm, den Standort Vorarbeiten, den Wettbewerb und die Projektierung des der Schule und deren Kosten für Erstellung und Betrieb. Neubaus auf der bevorzugten Liegenschaft in Wattwil. Im Schlussbericht des Arbeitsausschusses wurde dem Standort Wattwil der Vorzug eingeräumt. Zwar schien Im Folgejahr erfolgte die Überprüfung der Tauglichkeit für die Fläche des Grundstücks «Alter Gemeindeplatz» für eine Mittelschule und Lehrerseminar mit 450 Schülern die Errichtung der notwendigen Gebäulichkeiten samt in einem Projektwettbewerb auf Einladung. Nach der Sportplätzen nicht auszureichen. Doch überwogen im Überarbeitung der drei erstrangierten Entwürfe fiel die Vergleich zu Lichtensteig die Vorteile: die unmittelbare Wahl auf den Vorschlag von Otto Glaus und Heribert 9 Nähe zum Bahnhof, die sonnige und ruhige Lage mitten Stadlin – diejenigen Architekten, welche sich bereits Architektur – Rückblick im Talgrund, die angrenzende Freifläche der Thur und die bei der Erweiterung der Kantonsschule Am Burggraben vollständige Erschliessung des planierten Baugrunds. (1962–1964) mit der Aufgabe des «neuen» Schulhaus- baus für die Mittelschule auseinandersetzen konnten. Die günstige Mitbenutzung eines Sportplatzes der Gemeinde und die unmittelbare Nähe zum Volkshaus Entsprechend einem Grundsatz der Architekten, dass (heutiger Thurpark) ermöglichten Synergien, was zu- funktionelle Forderungen nicht nur funktionell, sondern sammen mit der Landschenkung durch die Gemeinde auch ästhetisch und schön gelöst werden sollen, ent- erhebliche Kosteneinsparungen für das Vorhaben mit stand im Zusammenspiel von einzelnen Baukörpern ein sich brachte. Dermassen entschlackt wurde dem Areal funktionaler Zweckbau mit skulpturaler Wirkung. Wie- die Eignung beigemessen: «Eine dreistöckige Überbau- derkehrendes Element der äusseren Erscheinung sind ung des in Frage stehenden Areals mit Rücksicht auf rhythmisch angeordnete Stützen. Das bewegliche Mass- system, welches dem Entwurf zugrunde liegt, ermöglicht eine grosse Anpassungsfähigkeit – sowohl im Innern als auch im äusseren Kubus – ohne die einheitliche Gestal- tung zu gefährden. Die Protokolle der grossrätlichen Kommission zeugen von den intensiven Auseinandersetzungen mit der neuen Schulkonzeption und deren konkreten Ausformulierung. Der Diskurs umfasste grundsätzliche Fragestellungen wie die Dezentralisierung mit Zweigmittelschulen, deren Ausweitung zu Maturitätsschulen und gleichzeitigem Angebot von Lehrerseminaren, aber auch Fragen zum Verhältnis von neuen Schulen zum Ausbau des Stipen- dienwesens wie auch Detailfragen zur Baugestaltung. Projektionsfläche und Knetmasse war der dehnbare Entwurf der Kantonsschule Wattwil. So konnte an der kantonalen Volksabstimmung vom 28. Mai 1967 dem Souverän ein gut geschnürtes Paket unterbreitet werden, so dass eine Dreiviertel-Mehrheit der Bevölkerung den Bau der Kantonsschule Wattwil befürwortete. Dies war
Aufgrund der chronischen Überbelegung infolge der wachsenden Schülerzahl wur- de 2008 ein selektiver Projektwettbewerb für einen Neubau durchgeführt. Ziel war das Erlangen von Entwürfen für die ar- chitektonisch heikle Ergänzung der be- stehenden Schulanlage. Damit sollte die separate Mensa mit der Eingangshalle verbunden und gleichzeitig die Aufent- 10 haltszonen vergrössert werden. Das von «Eigen GmbH» sorgfältig ausgearbeitete Architektur – Rückblick Siegerprojekt schlug vor, den Gesamtbau der Startschuss für die konkrete Baueingabe und die letzten Ausfüh- in derselben formalen Logik weiterzubau- rungsplanungen. en. Die Autoren wählten – wie auch schon Stadlin zuvor – das Prinzip der Verschmel- Folgen des Erfolgs zung und ergänzten das Fehlende sowohl Das konstruktive Prinzip des anpassungsfähigen, modularen Rasters in betrieblicher wie auch in architektoni- kam dem Schulhaus zugute. So konnte noch während der Bauzeit – scher Hinsicht. aufgrund der veränderten Nutzerbedürfnisse – der westliche Teil des Klassentraktes um drei zusätzliche Klassenzimmer erweitert werden, Mit diesem Verbindungsbau wurde auch ohne dass dadurch die Gesamtwirkung beeinträchtigt worden wäre. die erste umfassende Sanierung der 40-jährigen Bausubstanz ins Auge ge- Am 20. April 1970 – nach nicht einmal zwei Jahren Bauzeit – nahm die fasst. Schule mit 154 Schülern in sieben Klassen, welche von 30 Lehrpersonen unterrichtet wurden, ihren Betrieb auf. Die anfängliche Sorge um zu we- Doch aufgrund des sich abzeichnenden nig Schüler war unbegründet, denn schon vier Jahre nach der Eröffnung Erneuerungsbedarfs und einer künftigen war die Schülerzahl auf über 500 angestiegen. Die Kapazität der Schule Auslegung auf 720 Schülerinnen und stiess somit an ihre Grenzen; und um der stetig steigenden Nach Schüler verzichtete man auf die Umset- frage nachkommen zu können, mussten ausserhalb des Schulcampus zung des Verbindungstrakts und prüfte im Räumlichkeiten zugemietet werden. Die entfernte Lage der externen Jahr 2012 verschiedene Lösungsansät- Schulräume und Sportstätten hatte natürlich auch Einwirkung auf die ze, wie auf den ausgewiesenen Mehrflä- betriebliche Organisation und den Stundenplan. Und die Heerscharen chenbedarf bei gleichzeitiger Gesamter- von Schülern fanden kaum noch Raum für Aufenthalt und Versorgung. neuerung des Bestands reagiert werden kann. Mehrere Varianten zeigten, dass Mit den Erweiterungsbauten im Jahre 1992, welche durch Heribert eine Sanierung oder Erweiterung des Stadlin als ein Weiterbauen des Bestandes im Sinne und Geist der Hauptgebäudes ausgesprochen komplex Gründerbauten entworfen wurden, sollte dem Platzmangel entge- und kostenintensiv ist und dass bei einer gengewirkt werden. Die Mensa als ein separates Gebäude neben Sanierung mitunter ein Zielkonflikt öf- dem Haupteingang, der verlängerte Naturwissenschaftstrakt und die fentlicher lnteressen zwischen baulichen neue Mediothek auf dem Dach der Turnhalle brachten jedoch keine Massnahmen und dem Denkmalschutz nachhaltige Abhilfe. besteht.
Aus diesem Grund wurden auch Umset- einen Ersatzneubau für die KSW am Standort der heutigen Aussen- zungsvarianten mit einem Ersatzneubau sportanlage Rietstein, deren Eigentümer der Kanton ist. an verschiedenen Standorten (Wattwil, Uznach und Rapperswil) geprüft. Mit Be- Die entwickelte Lösungsstrategie «Campus Wattwil» umfasst die Re- schluss vom März 2015 nahm die Re- alisierung eines Ersatzneubaus für die KSW sowie die Erneuerung gierung die Abklärungen und vertieften und Erweiterung des Berufs- und Weiterbildungszentrums Toggenburg Planungen zur Kenntnis und bestätigte, BWZT. Die unmittelbare Nachbarschaft der beiden kantonalen Schulen dass nach wie vor am Mittelschulstandort ermöglicht wichtige Synergien. Durch eine gemeinsame Konzeption und in Wattwil aus bildungspolitischen, ver- Nutzung von Aula, Mensa und Küche, Mediothek, Sportanlagen und kehrspolitischen, finanzpolitischen sowie anderen flankierenden Einrichtungen können Bau- und Betriebskosten regionalpolitischen Überlegungen festge- optimiert werden. halten wird. Mit der deutlichen Annahme der bildungsrelevanten Vorlagen hat der Schöne Aussichten Souverän ein starkes Zeichen für den Bildungsstandort Ostschweiz Unter Berücksichtigung der Haltung des gesetzt. Durch die bauliche und betriebliche Konzentration der beiden 11 Bildungsdepartementes aus Nutzersicht, kantonalen Schulen in Wattwil kann nach jahrelanger Stagnation das Architektur – Rückblick den Erkenntnissen des Baudepartemen- Bildungsangebot zeitgemäss und nachhaltig organisiert werden. Die tes zur Schutzwürdigkeit der bestehenden beiden konkreten Bauprojekte werden in zwei international ausge- Anlage, der fehlenden Möglichkeiten von schriebenem Architekturwettbewerben ermittelt und zeitlich aufeinander Erweiterung am bestehenden Standort abgestimmt umgesetzt, so dass die Kantonschule Wattwil im Jahre sowie der Rahmenbedingungen und Per- 2025 in neuem Glanz erstrahlen kann. spektiven eines Neubaus auf einem Er- satzgrundstück favorisierte die Regierung ■ Hochbauamt Kanton St.Gallen
12 Der Bezug zum «Modulor» von Le Corbusier Die Betonarchitektur des 20. Jahrhun- mit den kubisch gestalteten Elementen derts ist vielen unter uns durch die ei- dennoch schlicht und elegant. Das Haus gene Schulzeit in einem derartigen hat seinen Platz am Thurbogen gefunden. Haus vertraut und zu einem Stück Hei- Es ist von markant krummwachsenden mat geworden. Die «Kanti Wattwil», ein Föhren umgeben und entspricht in der Betonmonolith, wurde zur damaligen Zeit Ausdrucksform den Idealen der dama- für diesen Ort als zu gross empfunden. ligen Zeit. Das Gebäude mit der rohen Er wirkt mit seinen Fertigelementstützen Betonkonstruktion und den vorfabrizier-
ten Stützen weisen drei wiederkehrende gehend unverändert. Sie akzentuieren die rhythmische Abstände auf, die auf den plastische Wirkung in der Anordnung der Modulor von Le Corbusier zurückgeht. einzelnen Baukörper. Der Modulor ist mir noch von meinem eigenen Studium her vertraut. Kurz vor Mit der Erweiterung der Mensa 1992, der seinem Tod sagte Le Corbusier im bri- Verlängerung des Naturwissenschafts tischen Fernsehen: «Heutzutage unter- trakts und der neuen Mediothek auf der nehmen Millionen von Menschen täglich Turnhalle erfuhr der Bau grössere Verän- eine sinnlose Fahrt mit dem öffentlichen derungen. Die Erweiterung wurde vom Verkehrsmittel oder dem Auto, was eine am Gründungsbau beteiligten Architekten ungeheure Verschwendung des moder- Heribert Stadlin geplant. Das Bestreben nen Lebens darstellt. Diese Menschen ging dahin, die einzelnen Formen mög- leben, wo sie nicht leben sollten; sie ar- lichst genau zu übernehmen, wie im bau- beiten, wo sie nicht arbeiten sollten. Un- historischen Gutachten 2012 von Dr. phil. ser gegenwärtiges Problem ist es, zu den Leza Dosch, im Auftrag des Hochbauam- Bedingungen der Natur zurückzukehren.» tes des Kanton St.Gallen, beschrieben 13 Diese Aussage erscheint mir brandaktuell. wurde. Architektur – Rückblick Unter diesem Zeitgeist in der Beziehung von Natur und Architektur ist die «Kanti Das Bauwerk erachte ich aus Sicht des Wattwil» zu sehen. Zeitzeugen aus dieser Heimatschutzgedankens als schützens- Epoche haben denselben Stellenwert in wert. Es lohnt sich, sich über eine zu- der Architektur wie die Architektur frühe- künftige Verwendung des Gebäudes im rer Jahrhunderte. Zusammenhang mit dem Wandel in der Gesellschaft Gedanken zu machen. Das Werk der «Kanti Wattwil» wurde von den Architekten Otto Glaus und Heribert ■ Jörg Rüesch, Vorstandsmitglied und Stadlin aus St.Gallen 1970 vollendet. Der Regionalvertreter Heimatschutz SG/AI. plastische Innenausbau erscheint wie ein www.kunst-architektur.ch üppiges Innenfutter in einem skulptura- len Betonkleid, vergleichbar mit einem Kleidungsstück. Der Ausdruck aus dieser Ära ist immer noch erlebbar, wirkt zeitlos und authentisch. Die grob verputzten In- nenwände und mit grünen Kacheln und Holz verkleideten Innenräume sind weit- Der Modulor (frz. Moduler für dt. Proportionsschema) ist ein vom Ar- chitekten und Maler Le Corbusier entwickeltes Proportionssystem. Der Architekt Otto Glaus lernte Le Corbusier als Mitarbeiter in dessen Architekturbüro in Paris kennen und Heribert Stadlin bestätigte in einem Interview mit dem Magazin «Bauen + Wohnen» (1971), dass sie bei der Konzeption der Kanti Wattwil weit- gehend nach den Modulor-Massen von Le Corbusier gearbeitet hätten.
14 Rückblick Die Kantonsschule stärkt das regionale Zentrum Aus heutiger Sicht ist das Tempo, mit welchem die neue kantonaler Arbeitsausschuss begonnen, die Grundlagen Kantonsschule Wattwil realisiert wurde, sehr beachtlich. für eine Zweigmittelschule im Toggenburg zu erarbeiten. Mit der Überweisung der «Stipendien-Motion» beauftrag- Dabei gab man aufgrund des Eisenbahnknotens dem te der St.Gallische Grosse Rat am 19. November 1963 Standort Wattwil den Vorzug. Der Gemeinderat handelte die Regierung, «… gleichzeitig mit der Vorlage über die schnell und die Wattwiler Stimmbürger stimmten am Errichtung der Mittelschule Toggenburg, Bericht und 24. März 1963 dem Vorhaben zu, dem Kanton ihren Ge- Antrag für eine liberale Ausgestaltung der Stipendien- meindeplatz für den Bau einer Kantonsschule zu schen- ordnung zu unterbreiten». ken. Schon Mitte 1964 wurde ein Projektwettbewerb zwi- Offenbar war man sich in Wattwil schon früh bewusst, schen Fachleuten aus dem Einzugsgebiet der künftigen wie zukunftsweisend der Bau einer Mittelschule für die Schule lanciert. Nachdem Regierung und Parlament die regionale Entwicklung wird. Bereits ab 1960 hatte ein Vorlage genehmigt hatten, stimmten am 28. Mai 1967
auch 74,35 % des St.Galler Stimmvolks dem Bauprojekt sowie dem erforderlichen Baukredit von Fr. 7 020 000 zu. Eindrücklich aus heutiger Sicht ist, dass sich in der Folge rund 150 Firmen und Private entschlossen, das Projekt mit Spenden im Umfang von Fr. 780 000 zu unterstützen. Nach Abschluss der Projek- tierungsarbeiten begannen bereits im Juli 1968 die Bauarbeiten. Trotz eines schnee- reichen Winters konnte die Kantonsschule Wattwil nach knapp zweijähriger Bauzeit schon am 20. April 1970 planmässig er- öffnet werden. Rietwis die Sportinfrastruktur für die kan- tonalen Schulen deutlich erweitert und 15 153 Köpfe umfasste vor 50 Jahren die zeitgemässer ausgestattet. In direkter Architektur – Rückblick Schülerschar. Die Buben waren damals Nachbarschaft wird die Badi ebenfalls mit 85 Schüler zu 69 Schülerinnen noch saniert und Elemente wie Minigolf oder deutlich in der Überzahl. 46 von ihnen Bistro werden erneuert. In der Summe kamen aus dem Bezirk See, 6 aus dem entsteht eine Sport- und Freizeitanlage, Gaster, 25 aus dem Obertoggenburg, 32 welche für die Schülerinnen und Schüler aus dem Neutoggenburg, 11 aus dem sowie für den Lehrkörper die Aufenthalts- Untertoggenburg und 10 aus der Region möglichkeiten in Wattwil verbreitert. So Wil. Die breite regionale Herkunft vermag wird nicht nur die neue Kantonsschule, auch zu erklären, dass die Abstimmungs- sondern der ganze Campus mit allen Tei- vorlage in allen Bezirken eine Mehrheit len zu einem Leuchtturm für die gesamte gefunden hatte. Region werden. Da im April die Umgebungsarbeiten noch ■ Alois Gunzenreiner, nicht abgeschlossen waren und offenbar Gemeindepräsident auch das Wetter am ersten Schultag sehr Wattwil garstig war, erwies es sich als kluger Ent- scheid, dass die offizielle Einweihungs- feier erst auf den 5. Juni 1970 angesetzt worden war. Mit dem Entscheid über den «Campus Wattwil» im November 2019 hat der kan- tonale Souverän einen neuen Zeitab- schnitt für die Kanti Wattwil eingeläutet. Wiederum gelang es durch eine gute und plausible Lösung den Bildungsstandort zu sichern, ja für die Zukunft zu stärken. Das Schulangebot auf allen Stufen ist für das Toggenburg und Wattwil ein relevan- ter Faktor für die Standortattraktivität. So wird mit der neuen Gesamtsportanlage
16 Architektur – Aussichten INTERVIEW MIT SUSANNE HARTMANN, REGIERUNGSRÄTIN Eine Einheit, ein Campus Susanne Hartmann steht dem Baude- An welche Räumlichkeiten der Kanti partement des Kantons St.Gallen vor Wattwil erinnern Sie sich besonders? und ist seit 2020 Mitglied der St.Galler Der Eingangsbereich war für mich das Regierung. Sie ging selbst an die Kanti Herz der Kanti. Damals gab es noch keine Wattwil zur Schule und äussert sich Mensa. Jeden Mittag sassen wir im Ein- zum Campus Wattwil. gangsbereich, auch wenn es dort oft kalt war wegen des Durchzugs. Unser Essen Susanne Hartmann, Sie haben an der haben wir in Tupperware mitgebracht. Kanti Wattwil das Lehrerseminar ab- Besonders gut erinnere ich mich an die solviert und sind heute Vorsteherin des begrenzte kulinarische Vielfalt: Linsen Baudepartements: Wie würden Sie Ih- und Dosenravioli standen damals hoch ren beruflichen Weg beschreiben? im Kurs. In drei Worten zusammengefasst: vielfäl- tig, spannend und unkonventionell. Nach Was war das Wichtigste, was Sie von meiner Arbeit als Primarlehrerin sattelte der Kantizeit in Wattwil mitgenommen ich um und wurde Rechtsanwältin. Da- haben? nach trat ich mein Amt als Stadtpräsi- Wie immer sind es die Menschen, an die dentin von Wil an. Heute bin ich Regie- wir uns erinnern. Wir hatten eine wahn- rungsrätin. Der Wechsel von der Lehrerin sinnig tolle Klasse im Lehrerseminar. Mit zur Rechtsanwältin ist vermutlich eher sehr vielen ehemaligen Semikolleginnen unüblich. Für mich war es eine Bereiche- – vor allem aus dem Linthgebiet – habe rung. Ich bringe einen breiten Rucksack ich heute noch engen und regelmässigen mit unterschiedlichen Erfahrungen mit. Kontakt.
Wie sieht für Sie die ideale Schule als Projektwettbewerb «Campus Wattwil». Lern- und Lebensort aus? Wie haben Sie den Jurywettbewerb bis Abb.: © Baudepartement des Kantons St.Gallen Die Schule ist idealerweise ein Ort, an jetzt erlebt? dem junge Menschen Neues lernen, Din- Ein Architekturwettbewerb für ein solch ge ausprobieren, Fehler machen dürfen grosses Projekt ist Knochenarbeit. Die und lernen, Entscheidungen zu treffen. Pandemie hat unsere Arbeit erschwert, Reine Informationsvermittlung von Lehre- da physische Treffen schwieriger waren. rin oder Lehrer zu den Schülerinnen und Hinzu kommt: Die Aufgabenstellung für Schülern hat heute nicht mehr denselben den Neubau der Kantonsschule war an- Stellenwert. Junge Menschen sollen be- spruchsvoll. Ich bin aber überzeugt, dass fähigt werden, sich untereinander auszu- die Jury das richtige Projekt ausgewählt tauschen und gemeinsam zu Lösungen hat. Das Siegerprojekt hat uns vollends zu kommen. Die Lehrpersonen wiederum überzeugt. Die vielen Arbeitsstunden ha- sollen die Schülerinnen und Schüler an- ben sich also gelohnt. leiten und unterstützen. 17 Architektur – Aussichten Welche sind die wichtigsten Kriterien, Sie verfolgen aufgrund Ihrer berufli- die der Campus Wattwil Ihrer Ansicht chen Tätigkeit den öffentlichen Diskurs nach erfüllen muss? Oder anders ge- zu grossen Bauvorhaben seit mehre- fragt, was muss anders sein als im al- ren Jahren aus nächster Nähe. Was ten Bau aus dem Jahr 1970? hat sich verändert und wo liegen die Für mich sind Offenheit und Kommunika- Schwerpunkte heute? tion zwei gute Stichworte für den Neubau Bei Bauvorhaben gilt es, zwischen Hoch- der Kantonsschule. Die Stockwerke im und Tiefbauten zu unterscheiden. Stras- neuen Gebäude sind offen ausgestaltet, senbauvorhaben werden heute häufig was den Austausch über alle Geschosse ideologisch diskutiert, die einzelnen Ver- ermöglicht. Wichtig war natürlich auch, kehrsmittel werden gegeneinan- dass die neue Kanti und die Berufsschule der ausgespielt. Was für beide zusammen als eine Einheit, also als ein Bereiche gilt: Die Themen Campus, wahrgenommen werden. Des- Nachhaltigkeit, Umwelt und halb sind die gemeinsamen Nutzungen Energie haben in der öffent- wie die Mensa zur Berufsschule hin aus- lichen Diskussion an Bedeu- gerichtet. tung gewonnen. Ab 2025 soll der Unterricht in der neu- ■ Für das Interview: Renate en Kantonsschule stattfinden – wie Graf, Rektoratsassistentin schätzen Sie diesen Zeitplan ein? Wo orten Sie allfällige Hindernisse? Der Zeitplan ist aus heutiger Sicht realis- tisch. Zu Verzögerungen kann es kom- men, wenn es gegen das Vorhaben Ein- sprachen gibt. Sie sind seit knapp einem Jahr Regie- rungsrätin als Vorsteherin des Baude- partements und somit Teil der Jury zum
Abb.: © Baudepartement des Kantons St.Gallen 18 INTERVIEW MIT MICHAEL FISCHER, KANTONSBAUMEISTER Architektur – Aussichten «Das Atrium überzeugt» Herr Fischer, Sie sind als Kantonsbau- und die Turmuhr wie auch an die Zentrumszone des meister Teil der Jury zum Projektwett- neuen Campus. bewerb "Campus Wattwil". Wie haben Zweitens interessierten uns in der Umsetzung des Raum- Sie den Jurywettbewerb erlebt? programms die Überlegungen zum Lernen in der Zu- Ich habe den Wettbewerb sehr positiv kunft. Wie erwähnt, haben viele das Gefühl zu wissen, erlebt: Wir hatten fachlich und mit den wie eine Schule funktioniert. Aber die Schule wird in zukünftigen Nutzenden sehr gute Diskus- Zukunft anders aussehen als heute: Man wird in Gruppen sionen sowie genug Zeit, um die 70 Pro- arbeiten oder individuell, um dann wieder im Plenum jekte, die eingegangen sind, sorgfältig zusammenzukommen. Wir suchten in den Projekten zu prüfen. Ein so hoher Zulauf ist übri- nach Lösungen zu neuen Lernformen. gens nicht ungewöhnlich, da es immer weniger offene Wettbewerbe gibt. Auch Wie setzt sich eine Jury für einen Wettbewerb zu- haben viele das Gefühl, das «Programm sammen? Nach welchen Kriterien werden die Jury- Schule» zu verstehen und einfach lösen mitglieder gewählt? zu können. Der Wettbewerb wurde nach den Vorgaben des Schwei- zerischen Ingenieur- und Architektenverbands (SIA) Was waren Ihrer Ansicht nach die ausgeschrieben. Es wird zwischen Fachjuroren und wichtigsten Kriterien, die von den ein- Sachjuroren unterschieden. Die ersten sind Experten gegangenen Projekten erfüllt werden aus Architektenkreisen und die zweiten setzen sich aus mussten? Vertreterinnen und Vertretern der Schule, des Bildungs- Das Siegerprojekt soll erstens auf der und des Baudepartements zusammen. Die Fachjuroren städtebaulichen und architektonischen stellen eine Person mehr als die Sachjuroren. Ebene eine Lösung bieten, die der Um- gebung Rechnung trägt. Ich denke da an Welche Regeln gelten für die Jurymitglieder? die Ebnaterstrasse, an den Verkehr, an Die Juroren verpflichten sich, die Schweigepflicht einzu- die Turnhalle Rietstein, an den Kirchturm halten. Zudem hören wir auf die zukünftigen Nutzenden
Wie haben Sie auf das Projekt reagiert, als Sie die Pläne und das Modell zum ersten Mal sahen? Für mich war schnell klar, dass es wohl ein Favorit sein würde. Man merkt dies daran, dass einem ein Projekt ins Auge springt. 2025 soll der Unterricht im neuen Ge- bäude der Kanti Wattwil stattfinden – wie schätzen Sie diesen Zeitplan ein? Der Zeitplan ist realistisch, aber sportlich. Er lässt sich einhalten, wenn im Bewilli- gungsprozess keine Einsprachen einge- hen. Doch wir sind zuversichtlich, dass 19 wir das Projekt in gutem Einvernehmen Architektur – Aussichten mit der Nachbarschaft realisieren können. Wann wird voraussichtlich die Einwei- hung des gesamten Campus Wattwil sein, und worauf freuen Sie sich ganz des Projekts, denn wenn wir ein Projekt aussuchen, in besonders dabei? dem sie sich nicht wiedererkennen, haben beide Seiten Wenn alles gut läuft, werden wir das viel zu verlieren. BWZT im Jahr 2028 saniert haben und dann wird der Campus Wattwil endgül- Wie läuft die Jurierung ab? Gibt es Vorgaben, die tig Realität. Ich freue mich auf das neue zwingend eingehalten werden müssen? Modell, wo sich Berufsschule und Mittel- Wer ein Projekt einreicht, gibt auch ein Modell in der schule einige Infrastrukturen teilen, und Skala 1:200 ab. Zuerst werden in kleineren Gruppen die hoffe, dass dies das gegenseitige Ver- Projekte anhand der Modelle verglichen. In einer zwei- ständnis und die Kommunikation unter ten Stufe werden die Pläne studiert. Am ersten Jurytag den Schülerinnen und Schülern fördert. haben wir aus den 70 eingegangenen Projekten acht Favoriten ausgesucht. Diese wurden noch einmal von Fachspezialisten auf Herz und Nieren geprüft, bevor am zweiten Jurytag das Siegerprojekt gekürt wurde. ■ Michael Fischer, Leiter Was sprach für das Projekt «Céleste»? des Hochbauamtes, Erstens hat es eine klare städtebauliche Setzung und vormals Partner beim zweitens überzeugt uns das grosse Atrium. Die Archi- Büro Herzog & de tekten haben sich mit der Schule der Zukunft ausei- Meuron in Basel. Er nandergesetzt und ihr Projekt unterscheidet sich von plante unter anderem zahlreichen anderen, bei denen die Einteilung in Klas- das Bergrestaurant und senzimmer und Flure vorherrschte. «Céleste» versucht die Gondelbahn auf mit dem Atrium etwas Neues zu machen und eine Lern- dem Chäserrugg. landschaft zu schaffen, die mit dem Tageslicht von oben zusätzlich aufgewertet wird.
AUS DEN AUSSCHREIBUNGSUNTERLAGEN Lernen am Gymnasium In den Ausschreibungsunterlagen Projektziele zeichnen die «Projektziele» ein Bild davon, wie der Unterricht in Zukunft Die Kantonsschule Wattwil ist ein Ort, der zum Lernen aussieht und welche Ansprüche da- animiert und einlädt, ein Ort des Lernens und Lehrens, ein durch an den Neubau eines Campus Ort für die Entfaltung und der persönlichen Entwicklung. gestellt werden. Gleichzeitig ist sie als Arbeitsort ein Ort des Lebens, der Wie dem Interview mit Michael Fischer Begegnung und des Austauschs und insbesondere der zu entnehmen ist, hat die Erfüllung die- Zusammenarbeit. ser Vorgabe die Wahl des Projekts we- sentlich beeinflusst. Unterricht ist keine starre Konstante, sondern entwickelt sich dynamisch. Vielfältige Lehr- und Arbeitsmethoden sind Voraussetzung für den Aufbau von fachlichen wie auch überfachlichen Kompetenzen. Neben den regulären Unterrichtszimmern stehen an der neuen Kanti deshalb auch grosszügige Lernorte für alternative Unterrichts- settings zur Verfügung. Die Räumlichkeiten bieten einen Rahmen für moderne und künftige Unterrichtsformate wie
individuelles, eigenverantwortliches Lernen oder Lernen innerhalb und aus- serhalb der Stammklassen und tragen massgeblichen Einflussfaktoren auf die Unterrichtsentwicklung Rechnung, aktuell beispielsweise der Digitalisie- rung. Vielfältige Lern- und Arbeitsare- ale in Schulhaus und Aussenflächen ermöglichen und unterstützen die un- terschiedlichen pädagogischen Set- tings. Die Räumlichkeiten sind funk- tional zusammenhängend konzipiert und beinhalten grössere zentrale wie kleinere dezentrale Lernlandschaften. Hohe akustische und raumklimatische Standards bieten den Benutzern ein 21 hohes Mass an täglicher Aufenthalts- Architektur – Aussichten qualität. Flexible Lösungen schaffen Raum für künftige Entwicklungen und eine stärkere Anbindung des Areals an das bestehende Anpassungen. Berufs- und Weiterbildungszentrum und die gemein- Mit dem Projektwettbewerb wird ein same Aussensportanlage Rietwis (weiter südlich des sowohl wirtschaftlich und funktional Planungsperimeters gelegen) ermöglicht. Es soll qua- wie auch städtebaulich und architek- litätsvolle Freiräume bieten sowie eine neue räumliche tonisch überzeugendes Projekt mit Identität schaffen. Mit dem Öffentlichkeitscharakter als einem Team für die Projektierung und Begegnungs-, Lern- und Arbeitsort soll ein wesentlicher Realisierung gesucht. Beitrag zur Ortsentwicklung geleistet werden. Es soll eine städtebaulich, architek- ■ Quelle: Wettbewerbsprogramm Campus Wattwil. tonisch und freiräumlich stimmige Ersatzneubau Kantonsschule (KSW) Gesamtanlage entstehen, welche
22 Abb.: © Gunz & Künzle Architektur – Aussichten INTERVIEW MIT DEN ARCHITEKTEN MATHIAS GUNZ UND MICHAEL KÜNZLE Ein Projekt im Team Herzlichen Glückwunsch für Ihr Sie- Die neue Kantonsschule soll ein kom- gerprojekt «Céleste»! Gab es einen munikatives und kollaboratives Gebäude bestimmten Moment und Ort, wo es werden, das die Kreativität seiner Nutzen- «klick» gemacht hat und die Idee ent- den ins Zentrum stellt. Als offene Halle standen ist? soll sie der Dreh- und Angelpunkt des Ja, wir hatten zuerst lange einen anderen gesamten Campus werden. Ansatz verfolgt. Aber wir wussten schon von Anfang an, dass die gesuchte Idee Wie kamen Sie auf «Céleste»? in all ihren Aspekten vom Flussraum der Das Herzstück der neuen Schule ist – wie Thur, an die ja der neue Campus ange- vorher erwähnt – die Lernlandschaft im bunden werden soll, zu leben hat. Dann Atrium. Über ihr schwebt das Oberlicht, ist es uns gelungen – wie so oft im Er- das sie in ein «himmlisches» Licht taucht. folgsfall – zwei Widersprüche unter ei- nen Hut zu bringen: die neutrale, allsei- Kannten Sie das Toggenburg und Watt- tig nach aussen gerichtete Anordnung wil vor der Ausarbeitung des Projekts? der Unterrichtszimmer versus eine klare Wir beide stammen aus der Ostschweiz; Ausrichtung des Gebäudes auf die Thur. aufgewachsen sind wir in St. Gallen. Uns Letzteres glückte mit der kaskadenartigen verbindet viel mit diesem Teil der Schweiz. Landschaft im Herz des Gebäudes, die Eine vertiefte Auseinandersetzung mit sich zur Thur hin öffnet. dem Ort und dem Landschaftsraum, in den ein Projekt hinein erdacht wird, ist bei Welche Vision verfolgen Sie mit Ihrem uns aber so oder so quasi in den Grund- Projekt? leistungen enthalten.
Wie viel Arbeit steckt hinter der Ent- wicklung einer solchen Projekteingabe Die neue Kantonsschule soll ein kommunikatives und wer trägt das Risiko? und kollaboratives Gebäude werden, das die Wir pflegen die Idee für ein Projekt im Kreativität seiner Nutzenden ins Zentrum stellt. Team zu erarbeiten. Dazu gehört eine lange Suche in etlichen Gesprächen und mit vielen Skizzen. Wenn wir sicher sind, offen gestaltet. Die grossen Zeichensäle dass eine Idee reif ist, wird das Projekt enthielten nichts ausser Tische, aber je sozusagen «ins Reine» gezeichnet. Das länger ein Semester dauerte, umso mehr alleine ist schon mit sehr viel Aufwand Leben kehrte in die Räumlichkeiten ein. verbunden. Darüber hinaus sind aber Zum Ende waren sie jeweils mit unzäh- unzählige Ingenieure und Spezialisten ligen Modellen und Zeichnungen gefüllt. in den Prozess eingebunden. Trotzdem Die Lehrenden und Lernenden konnten geht man leer aus, wenn ein Vorschlag sich in dieser offenen Struktur einnisten nicht auf Gegenliebe stösst … das ist hart, und schufen sich ihre Kommunikations- aber dieses System hat auch für uns viele räume selber. Eigentlich ganz in Ordnung. 23 Vorteile. Und es bleibt auch immer etwas Architektur – Aussichten zurück, etwas, woran man bei anderer Welches ist für Sie ein idealer Lernort? Gelegenheit weiterdenken kann. Der ideale Lernort ist ein offener, pro- grammierbarer Lebensraum, der den Wie sieht Ihr schulischer Werdegang Rahmen für viele Aspekte des Lebens aus und woran erinnern Sie sich be- von Lernenden und Lehrenden aufspannt. sonders, wenn Sie an die Schulräum- Die Schwelle für den gegenseitigen Aus- lichkeiten zurückdenken, die Sie ge- tausch darf niemals zu hoch sein. Und prägt haben? trotzdem muss er auch konzentriertes Wir beide haben die Kantonsschule am Arbeiten ermöglichen. Ich weiss nicht, Burggraben in St. Gallen besucht, bevor wie es Ihnen geht, aber am schwersten wir an der ETH Zürich unser Architektur- fällt mir die Konzentration in stillen Bib- studium in Angriff nahmen. Die «Kanti» liotheksräumen, wo man ständig nur das blieb mir als humanistischer Lehrpalast, Zuschlagen der schweren Eingangstür ursprünglich aus dem 19. Jahrhundert, in und das Hüsteln der anderen hört… Erinnerung: Unterrichtszimmer reiht sich an Unterrichtszimmer, verbunden durch ■ Mathias Gunz und Michael Künzle, breite Korridore. Es dominierte ganz klar Architekten ETH SIA der Frontalunterricht. Der Austausch un- ter den Schülerinnen und Schülern fand vor dem Schulgebäude oder im nahe- gelegenen Spielsalon statt. Im Gebäude selber gab es, soweit ich mich erinnere, keine Räume, wo man sich ausserhalb des Unterrichts auch nur hätte hinsetzen können. Die Architekturabteilung der ETH hingegen war (und ist immer noch) in ei- nem sehr weitläufigen Gebäude aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts auf dem Hönggerberg untergebracht. Es wur- de zwar von allen Nutzenden immer wie- der hart kritisiert, ist im Grunde aber sehr
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Schülerzahlen im Querschnitt 1970 öffnete die Kanti Wattwil ihre Tore aufnahm. Als sie im Jahr 2004 ins neu mit 154 Schülerinnen und Schülern. gebaute Schulhaus einzog, ging an der Danach erlebte die Kantonsschule eine Kanti Wattwil die Zahl der Schülerinnen rasante Zunahme, die 2001 mit 936 Schü- und Schüler weiter zurück. lerinnen und Schülern einen Höchststand 2015 verzeichnete die Kanti Wattwil nur erreichte – sie zählte damals 43 Klassen. noch 599 Schülerinnen und Schüler, der- weil die Zahl bis heute wieder kontinuier- Der starke Rückgang der Schülerzahlen lich angestiegen ist und sich im Jahr 2020 26 ab 2002 erklärt sich mit der Eröffnung bei knapp 700 Mädchen und Knaben ein- der Kanti Wil, die damals mit vier Klassen gependelt hat, die das Gymnasium oder Rückblick in einem Provisorium den Schulbetrieb die Fachmittelschule absolvieren. Anzahl mit 936 Schülerinnen und Schüler 1000 900 800 Anzahl 700 Schülerinnen und Schüler 600 Total 500 Anzahl Mädchen 400 300 Anzahl Knaben 200 100 0 1970 1980 1990 2000 2010 2020
Herkunft der Schülerinnen und Schüler nach Regionen 60% 14% 15%13% 6% 7% 6% 2% 3% 37% 4% Wil Unter- Gossau 30% Alt- 22% toggen- toggenburg St.Gallen1 burg 12%11% Neu- toggenburg 2% 1% See Ausserkantonal 12% 16% Gaster Obertoggenburg 11% 4% 6% 8% 1970 27 1995 2019* Rückblick * Stand Dezember 2019, zur besseren Vergleichsmöglichkeit aufgeteilt in die früheren Bezirke 1 Der Bezirk St.Gallen war 1995 mit drei Schülerinnen und Schüler vertreten. Herkunft der Schülerinnen und Die Diplomhandelsschule wurde ab dem Schuljahr 1994 Schüler nach Regionen nicht mehr geführt. Die letzte Klasse des Lehrerseminars Die Abbildung zeigt einerseits deutlich auf, dass auf- schloss im 2005 ab. Seitdem werden die Lehrpersonen grund der Eröffnung der Kantonsschule Wil die Schüler- aller Stufen an der PH St.Gallen ausgebildet. Die Diplom- zahlen aus den Bezirken Neutoggenburg, Alttoggenburg mittelschule wurde 2004 durch die Fachmittelschule ab- und Wil drastisch zurückgegangen sind. Andererseits gelöst. Der letzte Jahrgang der Wirtschaftsmittelschule hat der Anteil der Schülerinnen und Schüler aus den schloss im 2016 an der Kanti Wattwil ihre Ausbildung ab. Bezirken See und Gaster stark zugenommen bei stag- nierenden Zahlen im Neu- und Obertoggenburg. 1998 erfolgte im Zuge des Maturitätsanerkennungregle- ments die Ablösung der Matura-Typen A, B, C und E Das Ausbildungsangebot im Laufe der Zeit durch die «Schwerpunktfächer» Biologie, Chemie, Ita- Bei Eröffnung der Schule im Jahr 1970 wurden folgende lienisch, Latein, Mathematik, Physik, Spanisch sowie Ausbildungsgänge angeboten: Wirtschaft und Recht. Matura Typ B 38 Schülerinnen und Schüler Seit 2004 führt die Kanti Wattwil die Fachmittelschule mit den Berufsfeldern Gesundheit, Pädagogik und Soziales Matura Typ C 39 Schülerinnen und Schüler ein. 2017 kam das neue Berufsfeld Kommunikation und Matura Typ E 16 Schülerinnen und Information dazu. In der FMS werden zurzeit in 7 Klassen Schüler rund 130 Schülerinnen und Schüler ausgebildet. Lehrerseminar 49 Schülerinnen und Schüler ■ Renate Graf, Rektoratsassistentin Diplomhandels- 12 Schülerinnen und schule Schüler
FMS 28 FMS – Rückblick INTERVIEW MIT GUIDO BANNWART – PROREKTOR AN DER KANTI AM BRÜHL, ST.GALLEN Die FMS, ein dynamischer Ausbildungsgang Kanton St.Gallen Die FMS ist von der heutigen Bildungslandschaft nicht mehr wegzudenken. Sie Bildungsdeparteme gilt als praxisorientierte Alternative zur gymnasialen Ausbildung, weil sie Allge- meinwissen vermittelt und gleichsam auf berufsspezifische Profile vorbereitet. Wie kurvenreich deren Einführung vor nunmehr 15 Jahren war und welche Perspektiven sich heute in diesem Ausbildungsgang eröffnen, zeigt der Beitrag von Guido Bannwart, der als Prorektor der Kantonsschule am Brühl in St.Gallen deren Konzeption und Realisierung nah miterlebt hat. Herr Bannwart, woran erinnern Sie zu tun, die den Lehrgang für den Kan- sich, wenn Sie zurück an die Entste- ton St.Gallen konzipiert hatte. In dieser hung der FMS denken? Gruppe waren nicht nur das Amt für Im Schuljahr 2004/2005 konnten wir die Mittelschulen bzw. die Schulen selber ersten Klassen an den Fachmittelschulen vertreten, sondern auch Personen von (FMS) im Kanton St.Gallen begrüssen. den Abnehmerschulen, d. h. von der PH Zugegeben, die Einführung der FMS mit St.Gallen, den Fachhochschulen und den Berufsfeldern Gesundheit, Soziales, von der Organisation der Arbeitswelt für Pädagogik, Musik und Gestalten verlief Gesundheits- und Sozialberufe. Dass die etwas harzig. Das hatte aber nichts mit Einführung trotz sehr guter Konzeptarbeit der geleisteten Arbeit der Projektgruppe eine Herausforderung darstellte, lag an
dem noch ganz unbekannten Lehrgang, breit abgestützten Arbeitsgruppe disku- der von der Erziehungsdirektorenkonfe- tiert und führten zu den Veränderungen im renz aufgegleist worden war. Projekt FMS plus, das der Erziehungsrat schlussendlich gutgeheissen hat. Wäh- Wie wurde über die FMS informiert? rend der ganzen Arbeit konnten wir auf Einerseits erschienen Zeitungsmeldun- allen Ebenen eine positive und konstruk- gen, dass die FMS eine Ausbildung ohne tive Haltung gegenüber der FMS fest- Anschluss sei, also in eine Sackgasse stellen. Ein weiteres Zeichen dafür, dass führe, was der Einführung im Kanton die FMS gut im Kanton verankert ist. Im St.Gallen natürlich nicht förderlich war. Rahmen des Projekts konnten z. B. die Andererseits aber konnte dann die FMS naturwissenschaftlichen Fächer gestärkt im Kanton St.Gallen dank guter Informa- und neu verteilt werden. Damit wurde eine tionsarbeit des Amtes für Mittelschulen, Forderung aufgenommen, die immer wie- der Schulleitungen der Kantonsschule am der zu hören ist und nicht nur die FMS Brühl St.Gallen wie auch der Kantons- 29 schulen Heerbrugg, Sargans und Wattwil FMS – Rückblick doch relativ schnell Fuss fassen. Heute ist die FMS ein wichtiger Lehrgang, der zwischen einer Berufslehre und der gymnasialen Was ist die FMS heute? Ausbildung angesiedelt ist. Heute ist die Ausbildung ein wichtiger Lehrgang, der zwischen einer Berufs- lehre und der gymnasialen Ausbildung betrifft. Aufgrund der Rückmeldungen angesiedelt ist. Sie richtet sich an junge der Fachhochschulen wurde das neue Menschen, die schon eine bestimmte Vor- Fach «Politik des Berufsfeldes» konzipiert, stellung von ihrem Berufsbereich haben, um den Schülerinnen und Schülern einen also zielgerichtet sind und auch den prak- zusammenhängenden Einblick in Politik, tischen Ansatz einer Ausbildung schät- Gesellschaft und Entwicklung im jeweili- zen sowie erkennen, dass eine vertiefte gen Berufsfeld zu ermöglichen. Allgemeinbildung die Grundlage für ein Studium an einer weiterführenden Schule Die Rede ist auch vom Berufsfeld Kom- ist. Genau diese Mischung macht es aus, munikation und Information dass über die letzten Jahre eine stabile Mit dem neugeschaffenen Berufsfeld Anzahl von Schülerinnen und Schülern Kommunikation und Information macht diesen Weg gegangen ist. die FMS einen weiteren Schritt in die Zu- kunft. Stimmen aus der Wirtschaft und die In welche Richtung zielt die Weiterent- neuen Angebote an den Fachhochschu- wicklung der FMS? len haben uns gezeigt, dass das weite Auch wenn eine Ausbildung gut funktio- Feld der Kommunikation immer wichtiger niert und rund läuft, lässt sie sich optimie- wird. Dafür braucht es einen passenden ren. Nach zehn Jahren FMS wurde eine Grundbau, den die FMS vermitteln kann. breite Evaluation des Lehrgangs durch Die Schülerinnen und Schüler behandeln das Institut für Wirtschaftspädagogik der Themenbereiche wie Kommunikation Universität St.Gallen bei Schülerinnen und von Firmen, Kommunikationspsycholo- Schülern, Lehrpersonen und Abnehmer- gie oder Formen der Präsentation. Oder schulen durchgeführt. Die erarbeiteten aber sie setzen sich mit Kommunikation Vorschläge wurden wiederum von einer in anderen Sprachen und Kulturen aus-
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