KOMPETENZ K Das Geschäft bleibt im Ort - KOMPETENZ-online
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Österreichische Post AG, MZ 02Z031731M, ÖGB-Verlag, Johann-Böhm-Pl. 1, 1020 Wien, Retouren an PF 100 1350 Wien KOMPETENZ KOMPETENZ MAGAZIN DER GEWERKSCHAFT DER PRIVATANGESTELLTEN, DRUCK, JOURNALISMUS, PAPIER Das Geschäft bleibt im Ort www.gpa-djp.at www.kompetenz-online.at
INHALT 4 KOMPETENZ Ausgabe 2/2019 3 EDITORIAL von Martin Panholzer 4 Coverstory: Das Geschäft bleibt im Ort Zwar wächst der Online-Handel, doch der stationäre Handel wird deshalb nicht verdrängt 7 Coverstory: Flexibel für beide Seiten Die Vier-Tage-Woche im Handel bringt den Beschäftigten eine bessere Work-Life-Balance 10 GPA-DJP-Mitgliederzahlen 12 10.000 Mitglieder mehr seit 2014 11 KOMMENTAR von Barbara Teiber 12 Konservative Wende Die Philosophin Lisz Hirn im Interview über die Rückkehr zu einem veralteten Geschlechterbild 15 FOTOGRAMM Steigender Bedarf an Pflegekräften 16 ORF Plädoyer für die Unabhängigkeit Foto S. 12: Nurith Wagner-Strauss, S. 30: Fotolia, drubig-photo, Illustration S. 4/S.22: Peter M. Hoffmann 17 Arbeiterkammerwahl AK-Präsidentin Renate Anderl im Interview 22 19 KURZMELDUNGEN zu Politik, Arbeit und Wirtschaft 20 Dem Sport, dem Betriebsrat und sich selbst treu geblieben Rudolf Kortenhof, Betriebsratsvorsitzender der Raiffeisen Bank im Porträt 22 EU-Wahl Ja zu Europa, aber einem anderen Europa 24 FAKTENCHECK Pflege und Betreuung 26 RECHT Papamonat 30 Europäische BürgerInneninitiative Kostengünstiges Wohnen für alle 30 31 Impressum 2 2/2019 KOMPETENZ
EDITORIAL Es ist nicht alles egal von Martin Panholzer V iele Menschen machen sich derzeit berechtigte Sorgen um die Zukunft unserer Gesellschaft. Eine gewisse Überforderung der politischen und wirtschaftlichen Eliten, die Zukunft für alle si- cher und berechenbar zu gestalten, ist nicht von der Hand zu weisen. Als Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen können wir in einem solchen Szenario nur immer wieder darauf hinweisen, dass es gerade jetzt nicht egal ist, wie sich jeder von uns genau hier und heute verhält, und dass es auf verschiedenen Ebenen Möglichkeiten gibt, gemeinsam den Lauf der Dinge zu beeinflussen. Stichwort Arbeitszeit: Auch wenn die Bundesregierung gegen hefti- gen Protest das neue Arbeitszeitgesetz politisch durchgezogen hat, ha- ben wir gemeinsam mit BetriebsrätInnen und Beschäftigten alles getan, um auf der Ebene der Kollektivverträge Auswirkungen zu entschärfen. Wie das erfolgreich gelungen ist, zeigt der Artikel zur 4-Tage-Woche im Handel. Stichwort Digitalisierung: Digitalisierung ist kein Prozess, der na- turgesetzlich abläuft. Er wird von Interessen geleitet und es hängt viel davon ab, ob es gelingt, diesen Prozess menschengerecht zu gestalten. Auch hier bringen wir uns ein. Der Beitrag zum Online-Handel zeigt, dass kein Grund besteht, Angstszenarien zu propagieren. Arbeiten im Handel hat Zukunft und viele Unternehmen erkennen das und investie- ren in Qualität und Qualifikation. Stichwort Europa: Es ist nicht egal, welche politischen Kräfte nach der Wahl zum Europaparlament dominieren werden. Gerade das poli- tische Chaos in Großbritannien zeigt eindrucksvoll, was passiert, wenn Martin Panholzer Populismus die politische Oberhand gewinnt. ist Leiter der Abteilung Stichwort Mieten: Die horrenden Mietpreise sind inzwischen in ganz Öffentlichkeitsarbeit in der Europa ein Riesenproblem für immer mehr Menschen geworden. Des- GPA-djp und Chefredakteur halb unterstützen wir auch die gesamteuropäische Bürgerinitiative der KOMPETENZ. „Housing for all“. All diese Themen werden in dieser Ausgabe der KOMPETENZ behan- delt und wir hoffen, dadurch jene in ihren Haltungen zu bestärken, die Foto: Michael Mazohl von der Gestaltbarkeit unserer Zukunft im Sinne der Menschen über- zeugt sind. ● KOMPETENZ 2/2019 3
Das Geschäft bleibt im Ort Zwar wächst der Online-Handel, doch der stationäre Handel wird deshalb nicht verdrängt. Das Geschäft vor Ort kann sich durch Service und Flexibilität weiterhin bewähren. D ie „rund um die Uhr“-Ein- einigen Sparten mit einer Um- fig werden Kleidung und Schuhe käufe im Internet erfreu- satzsteigerung aufwarten. zurückgeschickt. Skurril: Gleich en sich weiterhin großer 50 Prozent aller Lieferungen des Beliebtheit – auch der österreichi- SIGNIFIKANTE ANTEILE VON Kleidungsversandhandels Zalan- sche Online-Handel profitiert. BUCH BIS SCHUH do werden nach ein paar Tagen Werden derzeit rund zehn Pro- Besonders hohe Online-Um- rückgängig gemacht, wie das Un- zent der Einzelhandelsumsätze satzanteile weisen die Bereiche ternehmen selbst erklärt. in Österreich online erzielt, so Bücher/Zeitschriften, Spielwa- Beim Internetkauf weniger ge- wird bis 2025 ein Wachstum auf ren und Sportartikel auf. Mit ei- fragt sind sperrige Güter, wie etwa etwa 15 Prozent erwartet. „Aber nem Klick shoppen Kunden aber Möbel. „Wenn ich ein Regal aus- der stationäre Handel wird wei- auch gerne in den Branchen Tex- packe, zusammenbaue und dann terhin eine zentrale Rolle spie- til/Bekleidung, Elektro/Elektro- erst merke, dass es mir nicht ge- len“, erklärt Helmut Gahleitner, nikgeräte und Schuhe/Lederwa- fällt, dann ist es ein ziemlicher Referent in der Abteilung Wirt- ren. Klarer Vorteil: die riesige Pro- Aufwand, das Möbelstück wie- schaftspolitik der AK Wien. Zwar duktvielfalt des Online-Handels. der zurückzuschicken“, ist sich sind die Zuwächse im Online- Attraktiv und verführerisch ist AK-Experte Gahleitner sicher. Handel derzeit höher, doch auch auch das oft gewährte kostenlose der stationäre Handel konnte in Rückgaberecht. Besonders häu- EINKAUF IM GESCHÄFT KOMMT NICHT AUS DER MODE Grenzenloses Wachstum gibt es auch im Online-Handel nicht – es zeigen sich durchaus Sät- tigungstendenzen: „Wenn der Online-Anteil etwa 30 Prozent beträgt, ist es schwierig ihn zu erhöhen. Da sind dann die Zu- wachsraten sehr abgeflacht“, sagt Gahleitner. Das gilt für den Buch- handel, bei Elektrogeräten oder bei Spielwaren. Für die meisten Branchen gilt, dass der Hauptumsatz weiterhin in den Geschäftslokalen gemacht wird. In letzter Zeit sind vor allem die Umsätze im Bau- und Heim- werker-Bedarf gestiegen, auch der Sportartikel-Handel verzeichnet einen Anstieg. Die Vorteile des KOMPETENZ 2/2019 5
COVERSTORY Handel Einkaufs im Geschäft: Die Kun- dabei verbinden sie die beiden Das Unternehmen setzt auf den den können die Ware sehen, füh- Vertriebskanäle – online und sta- entscheidenden Faktor Kunden- len und probieren, dazu kommt tionär. erlebnis – es soll von der Suche bis noch der persönliche Kontakt und Vor allem für kleine und mitt- hin zur Betreuung auch nach dem die Fachberatung durch die Ver- lere Einzelhandelsunternehmen Kauf wirken. „Es ist sinnvoll, Kun- käuferInnen. Sie können die Ware ist das ohne ausreichende Spe- denservices kanalübergreifend zu sofort mitnehmen und müssen zialisierung schwierig – sie gera- denken und anzubieten“, erklärt nicht eine Woche auf den Versand ten mehr und mehr unter Druck. Heumann. KundInnen haben warten. Ebenso ergeht es Einkaufsstra- etwa die Möglichkeit, Ware vor- ßen in vielen österreichischen ab online zu bezahlen und direkt REALER EINKAUF SCHÖN Kleinstädten, die ihre Kunden in einer Thalia-Buchhandlung ab- GEMACHT nicht nur an den Online-Handel, zuholen. Bei Verfügbarkeit ist das Der direkte Einkauf im Laden sondern auch an die Einkaufszen- gewünschte Produkt innerhalb oder in der Einkaufsstraße kann tren am Stadtrand verlieren. von zwei Stunden abholbereit. auch als Erlebnis inszeniert wer- Heumann: „Insbesondere in den den. Dafür ist auch das Zusam- GEMEINSAM UND ERGÄNZEND letzten Monaten spüren wir für menspiel einiger Faktoren gefragt Der stationäre Handel muss diesen Service einen sehr starken – so sollten Kommunen etwa da- abgesehen von Service und Bera- Anstieg in der Nachfrage.“ für sorgen, dass Einkaufsstraßen tung versuchen, die Vielfalt des belebter werden. AK-Experte Hel- Internets auch mithilfe der Digi- SCHLUPFLÖCHER FÜR RIESEN mut Gahleitner: „Es gibt ja Wenn Amazon, Za- viele Menschen, die genie- lando und Co. Wa- ßen es, schöne Dinge zu „DIGITALER UND STATIO- ren an österreichische kaufen und die das gerne in KonsumentInnen ver- ihrer Freizeit tun“. Einkau- NÄRER HANDEL MÜSSEN kaufen und hohe Gewin- fen wird zum Freizeiterleb- UND KÖNNEN EINANDER ne erzielen, sollten sie nis: Wenn etwa das Buch- ERGÄNZEN.“ auch die Gewinnsteuern geschäft auch ein Café in ANDREA HEUMANN in Österreich abführen. sich birgt, Lesungen statt- Das geschieht aber nicht finden und Kommunikati- – die Online-Riesen ver- on gefördert wird, zieht das fügen hierzulande über auch andere Kundschaft an. Eben- talisierung auszugleichen. „Sinn- keine Betriebsstätten, diese sind so können Restaurants und Lo- voll ist es zu analysieren, was den jedoch die Grundlage für eine kale, Sitzecken und Spielmöglich- Online-Handel ausmacht, und österreichische Gewinnbesteu- keiten für Kinder das Flanieren wie auch ich als kleiner Betrieb da erung. Die von der Regierung in in Einkaufszentren für die ganze reüssieren kann“, rät der AK-Ex- Zukunft eingehobene Digital- Familie angenehmer machen. Im perte. Mithilfe der Digitalisierung steuer bezieht sich nur auf Erlö- Vordergrund müssen der Mensch kann der stationäre Handel beide se aus der Online-Werbung. „Die und seine Bedürfnisse stehen, Welten verbinden. „Digitaler und Einnahmen daraus entsprechen heißt: hilfreiche Beratung, gutes stationärer Handel müssen und bei weitem nicht einer Gewinn- Service, ansprechendes Ambiente können einander ergänzen“, weiß steuer“, sagt Helmut Gahleitner. mit Wohlfühlatmosphäre. Dazu Andrea Heumann, Prokuristin bei Durch das Ausnützen von ein spannendes Warenangebot. Thalia. „Das Silodenken in den Steuerschlupflöchern und unter- Doch ohne entsprechende einzelnen Kanälen „online“ und schiedlichen Gewinnsteuersys- Schulungen für wirklich gutes „stationär“ gibt es bei uns nicht, temen in den EU-Mitgliedsstaa- Service und neue Logistik-Maß- da wir immer dort sein wollen, wo ten – auch „aggressive Steuerpla- nahmen (etwa, dass nicht vorhan- auch der Kunde ist. Wir brauchen nung“ genannt – minimieren die dene Ware in kurzer Zeit geliefert Kompetenzen in den verschie- großen Online-Händler ihre Ge- wird) wird es in Zukunft im stati- densten Bereichen, wie z.B. im winnsteuern. Dadurch haben ös- onären Handel nicht gehen. e-Commerce Shop-Management terreichische Händler erhebliche Fast alle großen in Österreich ein Gespür für relevante Themen Wettbewerbsnachteile. ● tätigen Einzelhändler betreiben und deren grafische Umsetzung Christian Resei bereits jetzt Multi-Channeling, erfordert“, sagt Andrea Heumann. 6 2/2019 KOMPETENZ
Handel COVERSTORY Eva Maria Novak pendelt seit 20 Jahren mit dem Billa- Bus aus Lafnitz nach Wien. Zu schaffen ist das nur mit kürzeren Arbeitswochen. Flexibel für beide Seiten Wer im Handel arbeitet, kann ab sofort die Vier-Tage-Woche einfordern. Diese Regelung nützt vielen MitarbeiterInnen, sie können trotz Stress und Arbeitsdruck ihr privates Leben besser organisieren. D ie Arbeitswelt ist viel- Dafür beneiden uns auch ande- Gehaltssystem, das nun bessere schichtiger geworden: re Branchen“, erklärt Franz Georg Einstiegsgehälter anbietet. Und nicht allein der Verdienst Brantner, Zentral-Betriebsrats- mit dem Rechtsanspruch auf die zählt, auch die Gestaltung der vorsitzender der Herba Chemo- Vier-Tage-Woche können jetzt Arbeitszeiten ist den Beschäf- san Apotheker-AG, Vorsitzender überdies auch individuelle Be- tigten ein großes Anliegen. Zu- des Wirtschaftsbereichs Handel dürfnisse der Angestellten besser nehmend rückt aber vor allem bei der GPA-djp. Brantner gehört berücksichtigt werden. die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Frei- SEIT JAHRZEHNTEN UN- zeit in den Mittelpunkt. „WIR HABEN EINE REGE- GEWÖHNLICHE ARBEITS- Der jüngste Kollektivver- LUNG GESCHAFFEN, DIE WOCHEN trags-Abschluss im Han- AM PULS DER ZEIT IST. Für Eva Maria Novak sind del (Dezember 2018), hat kürzere Arbeitswochen DAFÜR BENEIDEN UNS AUCH neben einer Gehaltserhö- schon sehr lange Teil ih- hung, einem Anspruch ANDERE BRANCHEN.“ res Lebens. Jeden zwei- auf Altersteilzeit und Bil- FRANZ GEORG BRANTNER ten Tag hat die Steirerin dungskarenz auch Außer- frei, dafür sind ihre Arbeits- gewöhnliches hervorge- seit 20 Jahren zum Handels-KV- tage auch sehr intensiv. Bereits bracht: den Rechtsanspruch auf Team, mit Kollegin Anita Palko- seit 20 Jahren ist die Billa-Mit- die Vier-Tage-Arbeitswoche. vich leitet er seit Jahren im Herbst arbeiterin eine geeichte Pendle- Foto: Nurith Wagner-Strauss die Verhandlungen. rin, steht morgens um halb vier MODERNE UND ZEITGEMÄSSE In den vergangenen Jahren auf, um pünktlich den Billa-Bus KV-REGELUNG wurde intensiv daran gearbeitet, zu erreichen. Abfahrt: fünf Uhr. „Wir haben eine Regelung ge- die Handelsbranche attraktiver „Egal zu welcher Jahreszeit: Es schaffen, die am Puls der Zeit ist. zu machen: etwa durch ein neues ist immer dunkel, wenn ich auf- KOMPETENZ 2/2019 7
COVERSTORY Handel Helga Schöttmer schätzt die Möglichkeit der Vier-Tage-Woche und die Planbarkeit ihrer Arbeitzeit: „Ich weiß am Anfang des Jahres, wann ich arbeite und wann ich frei habe.“ stehe und dunkel wenn ich wie- wochentags ab 18.30 Uhr) doch INDIVIDUELLE LÖSUNGEN der heimkomme.“ Den Groß- etwas mehr an Lohn zusammen. FINDEN teil der Fahrzeit verschlafen die Zudem gilt Lafnitz, die Hei- Eva Maria Novak verdient PendlerInnen im Mitarbei- matregion der Steirerin, als eher an ihrem Arbeitsplatz in Wien ter-Shuttle. „Da bewegt sich kei- strukturschwach. schlicht mehr ner im Bus“, weiß Novak. Um Das nächstgelege- „DIE RÜCKMELDUNGEN Geld als daheim es auch komfortabel zu haben, ne Geschäft für den in der Steiermark. nimmt sie sich ein Nackenkissen Einkauf von Le- DER BESCHÄFTIGTEN Heißt es, an den von daheim mit. An diesen Ar- bensmitteln findet ZEIGEN UNS, DASS WIR MIT intensiven Tagen beitstagen bleibt kaum Zeit und sich über zehn Kilo- DER VIER-TAGE-WOCHE mit viel Einsatz Kraft, um Abends noch etwas zu meter entfernt von WIRKLICH EINEN NERV und Pendelei pri- unternehmen oder Dinge zu er- Novaks Wohnsitz. GETROFFEN HABEN.“ vat zurückzuste- ledigen. „Sobald ich von der Ar- beit nach Hause komme, kann ich Auch in dieser Re- gion suchen vor al- ANITA PALKOVICH cken, kann sie die freien Tage aus- bloß noch einen Kaffee trinken lem Frauen einen adäquaten Job. giebig dazu nutzen, etwa einen und nach der Dusche ins Bett ge- Überwiegend haben sie nur in ihrer Lebensträume zu verwirkli- hen“, erzählt die gelernte Kellne- der Gastronomie oder in den ver- chen. Denn auf diese Weise ist es Foto: Nurith Wagner-Strauss rin. Dennoch ist Novak mit ihrer hältnismäßig wenigen regiona- Novak in den vergangenen Jahren Situation durchaus zufrieden – da len Betrieben eine Chance auf Ar- gelungen, ihr Haus zu renovieren sie meist länger als acht Stunden beit. Offene Stellen sind heiß be- und einen schönen Garten anzu- pro Tag arbeitet, kommt mit den gehrt, obwohl es sich zumeist um legen, in dem sie jetzt wieder viel Zuschlägen (Samstag ab 13 Uhr, 20-Stunden-Teilzeitjobs handelt. 8 2/2019 KOMPETENZ
Handel COVERSTORY Schönes und Gutes auspflanzen auch gemeinsam mit unserem und „es scheitert oft auch an Kre- wird. Sozialpartner vereinbart haben.“ ativität, die Dienstpläne zu erstel- Der Rechtsanspruch auf die len“, weiß Brantner. PLANBARE ARBEITSZEITEN Vier-Tage-Woche gilt seit dem 1. Auch Billa-Kollegin Helga Jänner 2019. Wichtig: Arbeitneh- FLEXIBILITÄT SEITENS DER Schöttmer pendelt in eine Fi- merInnen müssen erst einen An- ARBEITGEBER GEFORDERT liale. Die Niederösterreicherin trag stellen (www.gpa-djp.at) – Anita Palkovich unterbreitet fährt von Yspertal in die Firmen, die sich der neuen Hietzinger Auhofstraße. Regelung noch unsicher nä- Hin und retour sind das hern, folgenden Vorschlag: rund 240 Kilometer pro „WIR WÜNSCHEN UNS VON „Einfach erst mal eine be- Tag, die Schöttmer mit DEN ARBEITGEBERN DIE fristete Einführung des Auto und Bahn zurück- GLEICHE FLEXIBILITÄT, DIE Modells mit interessierten legt. „Als erstes in der SIE TÄGLICH VON UNS Beschäftigten vereinbaren Früh bereite ich die Sala- FORDERN.“ – Für und Wider können te und Aufstriche in der dann gemeinsam abgeklärt FRANZ GEORG BRANTNER Feinkostabteilung vor – werden.“ Vorteil: Die gesam- dort arbeite ich mit Leib melten Erfahrungen lassen und Seele.“ Auch rund um die Arbeitgeber haben zwei Wochen sich in ein dauerhaftes Modell Marktgemeinde finden sich we- Zeit, darauf zu reagieren. einarbeiten. Allerdings fehlt bei nige und vor allem Teilzeit-Stel- einigen Firmen auch der Wille, len. „Mir ist aber mein Stress lie- KLAR EINGESCHRÄNKTE AB- die Vier-Tage-Woche ernsthaft ber“, erklärt Schöttmer. „Leute, LEHNUNGSGRÜNDE umzusetzen. „Wir wünschen uns die hier in der Gegend etwas ge- Die Vier-Tage-Woche kann nur von den Arbeitgebern die glei- funden haben, arbeiten beispiels- dann verweigert werden, wenn che Flexibilität, die sie täglich von weise drei Stunden, müssen dann die Einhaltung von Betriebsab- uns fordern“, macht Franz Georg eine längere Pause machen und läufen gefährdet ist oder die Auf- Brantner deutlich. „Ich fordere die am Abend wiederkommen. Die rechterhaltung des Geschäfts- Arbeitgeber auf, was sie mit uns sind dann auch erst spät zu Hau- betriebes nicht weiter gewähr- vereinbart haben, auch einzuhal- se, verdienen aber viel weniger leistet werden kann. Über jede ten und vertragstreu zu sein.“● Geld.“ Die Niederösterreicherin Ablehnung eines Antrages muss Christian Resei kann sich über eine fixe Arbeits- der Betriebsrat informiert und in Neues Arbeitszeitmodell: einteilung freuen: „Ich weiß am Folge ein Vermittlungsgespräch Anfang des Jahres, an welchen Ta- mit den Beschäftigten und dem Die wichtigsten Fragen und Ant- worten zum neuen Arbeitszeitmo- gen ich arbeite und wann ich frei Betriebsrat geführt werden. dell (von Antragstellung bis Urlaubs- habe.“ Ihre Freizeit verbringt sie anspruch) werden auf der Website mit Haus und Garten, ihren Kin- UNTERSCHIEDLICHE www.gpa-djp.at beantwortet. Ein dern und den fünf Enkeln. „Wenn ERFAHRUNGEN von GPA-djp und Wirtschaftskam- mer erarbeitetes Infoblatt klärt auf. sie mich brauchen, bin ich für sie Bisher sind die Erfahrungen da.“ mannigfaltig: sie reichen von Fir- men, die schlicht jeden Antrag ab- DEN NERV GETROFFEN lehnen bis hin zu Unternehmen, Mit dem Modell der Vier-Ta- die alle MitarbeiterInnen nach ih- ge-Woche profitieren Familie, ren Bedürfnissen befragt haben Freizeit, aber auch die eigene Ge- und die Wunsch-Arbeitszeiten sundheit. „Die Rückmeldungen großteils verwirklichen konnten. der Beschäftigten zeigen uns, KV-Verhandler Franz Georg dass wir hier wirklich einen Nerv Brantner: „Da braucht es aber getroffen haben“, freut sich Anita auch Abteilungsleiter, die bereit Palkovich, GPA-djp-Wirtschafts- sind, jeden/jede MitarbeiterIn an- bereichssekretärin. „Das bestärkt zuhören.“ Außerdem fehlt es eini- uns in diesem Projekt, das wir gen Arbeitgebern an Information KOMPETENZ 2/2019 9
GPA-DJP Mitgliederzahlen MITGLIEDERZUWACHS 10.000 Mitglieder mehr seit 2014 Die GPA-djp wächst stetig. Seit 2014 sind wir um 10.000 Mitglieder gewachsen. Das größte Mitgliederplus gab es im Handel und im Sozialbereich, gefolgt von der Metallindustrie und der Sozialversi- cherung. 280.633 Menschen waren Ende 2018 Mitglied der GPA-djp. Auch der ÖGB insgesamt wächst stetig. Rund 20.000 Arbeitneh- merInnen traten allein 2018 dem ÖGB bei. Zieht man verstorbene und ausgetretene Mitglieder ab, ergibt sich ein Plus von 5.767 Mit- gliedern für das Jahr 2018. Das ist der stärkste Mitgliederzuwachs seit 1984. ● nken uns D eda ir b a n k V W i e l e n ng u ütz Foto: Lucia Bauer für d ie U nt e rst 10 2/2019 KOMPETENZ
KOMMENTAR Regierungsbilanz aus Beschäftigtensicht Ein Kommentar von Barbara Teiber A ls Gewerkschaften bewerten wir jede Re- auf den Papamonat erstmals in der Industrie ver- gierung danach, was sie für die Arbeit- ankert – konkret in der Elektro- und Elektronik- nehmerinnen und Arbeitnehmer in Öster- industrie. Wieder waren wir es, die kollektivver- reich leistet. Die Bilanz der schwarzblauen Koali- traglich absichern mussten, was die Bundesregie- tion ist in dieser Hinsicht alles andere als positiv. rung trotz Versprechen säumig blieb. Im Herbst vergan- Selbstverständlich genen Jahres kündigte „DIE SCHWARZBLAUE KOALI- haben all diese Ver- etwa ÖVP-Klubobmann Wöginger groß an, dass TION TRITT NICHT ALS VERTRE- handlungserfolge ih- ren Preis. Wenn wir die die Regierung die An- TERIN DER ÖSTERREICHISCHEN Vier-Tage-Woche, die rechnung der Karenz- ARBEITNEHMERINNEN UND Karenzzeitanrechnung zeiten auf dienstzeit- ARBEITNEHMER AUF, SONDERN oder den Papamonat im abhängige Ansprüche ALS ERFÜLLUNGSGEHILFIN VON KV durchsetzen, müs- angehen werde. Dieses Thema ist vor allem für WIRTSCHAFT UND INDUSTRIE. “ sen wir dafür Abstriche bei anderen Punkten Frauen relevant, die BARBARA TEIBER machen, das liegt in der ohne diese Anrechnung Natur von Verhandlun- um viel Geld umfallen, wenn sie nach der Geburt gen. Die Regierung kostet also mit dem Bruch ih- ihrer Kinder eine Zeit lang zu Hause bleiben. Lei- rer Versprechen den Beschäftigten andere Erfol- der blieb es bei der Ankündigung. Während die ge im Kollektivvertrag. Regierung keinen weiteren Schritt in diese Rich- Die schwarzblaue Koalition tritt nicht als Ver- tung setzte, verhandelten wir die (verbesserte) treterin der österreichischen Arbeitnehmerinnen Anrechnung von Karenzzeiten in viele Kollektiv- und Arbeitnehmer auf, sondern als Erfüllungsge- verträge. hilfin von Wirtschaft und Industrie. Das zeigt sich Im Handel konnten wir einen Rechtsanspruch auch, wenn bei der Mindestsicherung gekürzt Barbara Teiber ist auf die Vier-Tage-Woche durchsetzen, die bei der wird oder über die Rot-Weiß-Rot-Card künftig Bundesvorsitzende Einführung der 60-Stunden-Arbeitswoche von Kolleginnen und Kollegen von außerhalb der EU der GPA-djp und Vizepräsidentin der der Regierung versprochen, aber nie umgesetzt wesentlich billiger in Österreich arbeiten dürfen: Wiener Arbeiterkammer. worden war. Am Ende geht es darum, Druck auf Löhne und Vor ihrer Wahl zur Das nächste leere Versprechen ist der Papa- Gehälter auszuüben. Darum ist es gerade jetzt Bundesvorsitzenden der monat. Groß angekündigt, wartet man bis heute wichtig, dass sich die Beschäftigten nicht ausein- GPA-djp war sie zehn Jahre vergeblich auf die Beschlussfassung im Parla- anderdividieren lassen. Der beste Garant dafür ist lang Geschäftsführerin ment. In der Zwischenzeit haben wir das Recht eine starke Gewerkschaftsbewegung. l der GPA-djp Wien. Foto: Michael Mazohl KOMPETENZ 2/2019 11
INTERVIEW Gleichstellung Konservative Wende Ein bereits überkommen geglaubtes Gesellschaftsbild fasst wieder Fuß und drängt Frauen ins Abseits. Schade, wenn auch so manche Frau das unterstützt, meint Philosophin und Autorin Lisz Hirn im Interview mit der KOMPETENZ. KOMPETENZ: In Ihrem eben erschienenen Buch ter ihnen Elisabeth Köstinger, die während des Mi- „Geht’s noch!“ warnen Sie, dass die konservative nisteramts Mutter wurde und bald darauf wieder an Wende für die Frauen gefährlich ist. Woran machen den Arbeitsplatz zurückkehrte. Wie passt das mit Sie diese konservative Wende konkret fest? dem viel beschworenen Heim-an-den-Herd-Sche- LISZ HIRN: Die hat natürlich mehrere Facetten. Mir ma zusammen? geht es um ein altes, neues Gesellschaftsbild: Die Es passt sogar sehr gut zusammen, weil es ja ein klas- klassische Vater-Mutter-Kind-Familie soll geför- sisches Phänomen ist, dass sobald Konservative in dert werden, während andere Familienmodelle wie der Regierung sind, diese Quotenfrauen, die sie ei- AlleinerzieherInnenhaushalte durch die Finger gentlich gar nicht gerne haben, an anderen Stellen, schauen. Konservative Konzepte, die stark auf hie- drinnen sind, die dann Frau-Sein sehr sauber präsen- rarchischen Strukturen, auf Leistungsdenken beru- tieren, die Mutter werden und das alles perfekt ver- Foto: Nurith Wagner-Strauss hen, werden jetzt stark unterstützt, während andere, einbaren können. Was aber vergessen wird, ist, dass die auf Kooperation und Solidarität beruhen, eher ge- das tatsächlich einzelne Frauen sind, die das geschafft schwächt werden. haben, auch weil sie oft privilegiert sind. Durch diese „Vorbilder“ wird den anderen Frauen allerdings ver- Die Regierung Kurz hat ja einige Ministerinnen, un- mittelt, sie müssten sich nur mehr anstrengen, dann 12 2/2019 KOMPETENZ
Gleichstellung INTERVIEW könnten sie es auch schaffen. Doch wie soll das ge- Grundsätzlich müssten Männer noch viel stärker in hen, wenn sie in finanziell schwachen Verhältnissen die Verantwortung genommen werden. Was ist der leben? Dann zu sagen, sie hätten sich halt nur mehr Papamonat im Vergleich zu 200 anderen Erziehungs- anstrengen müssen, das ist schon sehr zynisch. monaten, die dann Frauensache sind? Auch das Be- wusstsein, dass der Papa nicht „mithilft“, sondern der Auch die Ansage, Frauen müssten nur den richtigen Papa gleichberechtigter Teil und Partner und nicht Job wählen, dann verdienten sie ja eh auch so viel wie nur eine Unterstützung der Erziehungsarbeit ist. Männer, verkennt die Situation. Allein die Wertung Ich finde es bedenklich, dass wir im 21. Jahrhundert der Gesellschaft, dass der Pflegeberuf weni- ger wert ist als die Ar- beit eines Mechanikers, sagt schon etwas aus. An dieser strukturellen Diskriminierung müs- sen wir etwas ändern. Der Gender Pay Gap wird allerdings gerne mit der großen Anzahl von Frau- en, die Teilzeit arbeiten, argumentiert. Ja. Das Thema ist sehr komplex. Zum einen gibt es eine unter- schiedliche Bewertung von Arbeitsfeldern. Teilzeitarbeit ist auch ein Faktor. Andererseits zeigt die konservative Wende nun den Um- stand, dass wir Frauen auch nie so emanzipiert waren, wie wir dach- ten, und daher konser- vative Bewegungen auf fruchtbaren Boden treffen. Privilegiertere Frauen, die es sich leis- ten können, einen Pri- vatkindergarten zu zahlen, sind nicht so stark betrof- noch immer betonen, dass Kindererziehung alleine fen wie Frauen, die das nicht können, die daheim blei- eine Müttersache, also Frauensache ist. Das ist eine ben müssen, weil sie vielleicht mehrere Kinder haben sehr konservative Idylle, die allerdings auf Kosten der und sich die Erwerbsarbeit nicht mehr auszahlt. Frauen geht. Es ist abenteuerlich, welches Mutterbild den jungen Frauen als vermeintlich „natürlich“ ver- Was wären Ansätze, um hier entgegenzuwirken? kauft wird. Jedenfalls nicht auch noch die Arbeitszeit zu erhö- hen. Der 12-Stunden-Tag stellt Eltern vor ungeahn- In Ihrem Buch kritisieren Sie aber nicht nur die so- Foto: Nurith Wagner-Strauss te Herausforderungen. Maßnahmen wie diese Ar- genannten Biedermänner, sondern auch die Bieder- beitszeitflexibilisierung führen nur dazu, dass einer frauen. Wer sind die Biederfrauen? daheim bleiben muss, weil das sonst nicht finanzier- Das sind Frauen, die einen gemäßigten Feminismus bar ist. Kinderbetreuung ist teuer und schwer zu be- vertreten. Die sagen, wir haben eh viel erreicht, ich kommen. konnte eine gute Ausbildung machen, ich lebe in KOMPETENZ 2/2019 13
INTERVIEW Gleichstellung ZUR PERSON Lisz Hirn, geb. 1984, Publizistin und Philosophin. Arbeitet in der Jugend- und Erwachsenenbildung und ist Obfrau des „Vereins für praxisna- he Philosophie“. Hirn lebt mit ihrem Partner und ihrer Tochter in Wien. www.liszhirn.at Lisz Hirn Geht’s noch! Warum die konservative Wende für Frauen gefährlich ist Wien 2019, Molden Verlag, 144 Seiten, 20 Euro, ISBN 978-3-222-15030-2 einer Beziehung, in der die Haushaltsaufgaben nen kommt aber wieder der Wunsch nach Sicher- nicht gleich verteilt sind, aber ich habe mich damit heit und Stabilität auf. Die scheinen rechtskonser- arrangiert, so hat das die Natur eben vorgegeben. vative Modelle eher bieten zu können als liberale. Ich genieße aber schon die Freiheitsrechte, dass Eine Struktur und eine klare Hierarchie zu haben, ich zum Beispiel Zugang zu Verhütungsmitteln wo man Menschen einordnet, klassisch-konser- habe. Oder: Während einige Frauen aktiv für eine vative Weltbilder von ÖVP, FPÖ, die sind leichter Verringerung des Gender Pay Gap und für die umsetzbar. Wenn man es nicht schafft, von Gene- Frauenquote kämpfen, meinen Biederfrauen häu- ration zu Generation ein Bewusstsein dafür zu fig, dass es jede Frau alleine schaffen muss. Dass verankern, wenn man nicht immer wieder an die- es sich vielfach um strukturelle Diskriminierung sem Bewusstsein arbeitet, besteht die Gefahr, dass handelt, wird übersehen. Vor allem aber sehen sie unsere Freiheiten sukzessive eingeschränkt wer- nicht, dass, obwohl es ihnen jetzt gut geht, auch den. Warum der Konservativismus gerade jetzt ihre Freiheiten am Ende des Tages beschränkt besonders gefährlich ist? Wir sind zwar immer werden könnten. regional, lokal verankert, aber wir haben globale Foto: Nurith Wagner-Strauss Probleme zu lösen. Der soziale Frieden wird durch Warum macht sich gerade jetzt dieser Konserva- diesen Backlash definitiv gefährdet, da Ungerech- tivismus wieder breit? tigkeiten nicht nur global, sondern auch in den lo- Liberale Maßnahmen brauchen viel mehr Zeit, kalen Gesellschaften verstärkt werden. ● um sich durchsetzen zu lassen. In Krisensituatio- Das Interview führte Alexia Weiss 14 2/2019 KOMPETENZ
FOTOGRAMM Wachsender Bedarf an Pflegepersonal + 39 % + 127 % 63.000 87.000 150.000 2016 2030 2050 Die Nachfrage nach zusätzlichen Arbeitskräften in der Pflege wird wegen der Alterung der Gesellschaft in den kommenden rund 30 Jahren enorm ansteigen. Laut Hochrechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) wächst der Bedarf an Pflegekräften bis zum Jahr 2030 um 39 Prozent und bis 2050 sogar um 127 Prozent. Laut aktuellen Zahlen gab es im Jahr 2016 in Österreich 63.000 Pflegekräfte. 2030 werden, um den Status quo zu halten, Quelle: WIFO schon 87.000 Pflegerinnen und Pfleger notwendig sein, 2050 schon 150.000. KOMPETENZ 2/2019 15
AKTUELLES ORF 80 Cent für Unabhängigkeit Die journalistische Ausgewogenheit im ORF muss erhalten bleiben. A ls 1972 der österrei- Gemäß seines Auftrags deckt das auch gegenüber der Bundesre- chische Skifahrer Karl Medienhaus dabei alle Bereiche gierung kritisch zu sein. In ande- Schranz von den Olym- der Mediennutzung ab: Neben ren europäischen Ländern kann pischen Winterspielen ausge- dem Fernsehen bringt der öffent- momentan beobachtet werden, schlossen wurde, kehrte er unter liche Rundfunk auch Radiopro- wie Regierungspolitiker sich ih- dem frenetischen Jubel Tausen- gramme und einen Online-Auf- ren Einfluss auf staatliche Medi- der am Ballhausplatz triumphal tritt. Besonders wichtig ist den en zunutze machen und sich dort nach Hause zurück. Dieser Mas- Österreicherinnen und Österrei- feiern lassen. Der ORF erreicht seneuphorie war eine beispiellose chern dabei die Information. 91 eine weitgehende Unabhängig- ORF-Kampagne gegen das Inter- Prozent geben an, daran sehr oder keit durch seine Stiftungsstruktur nationale Olympische Komitee eher interessiert zu sein. Das ist und seine Gebührenfinanzierung. und für Schranz vorangegangen. der mit Abstand höchste Wert al- Wäre der ORF rein aus Steu- Wenn man den Erzählungen des ler Rubriken. Fast drei Viertel der ermitteln finanziert, so müsste er ehemaligen Bundeskanzlers Bru- Befragten ist dabei mit dem Infor- jedes Jahr mit dem Finanzminis- no Kreisky glaubt, soll die vom mationsangebot zufrieden. ter über seine finanzielle Ausstat- ORF provozierte Massenkund- tung verhandeln, und es bestünde gebung vor dem Bundeskanzler- NEUTRALE BERICHTERSTAT- die Gefahr der Selbstzensur, um amt inklusive erhobener rechter TUNG IST ZUSEHERiNNEN den Verhandlungspartner wohl- Arme vieler TeilnehmerInnen der WICHTIG wollend zu stimmen. Durch sei- Auslöser dafür gewesen sein, dass Voraussetzung für diese guten ne Gebührenfinanzierung durch Kreisky mit dem ORF-Gesetz Zahlen ist eine neutrale und aus- die GIS ist der ORF aber den Zu- 1974 das größte Medienhaus des gewogene Berichterstattung, die schauerinnen und Zuschauern im Landes in eine Anstalt öffentli- 9 von 10 ZuschauerInnen wichtig Wort, nicht der jeweiligen Regie- chen Rechts überführte. Die Idee ist. Journalistische Unabhängig- rung. Das gleiche Modell verfol- dahinter: Der ORF mit seiner un- keit ist für öffentlich-rechtliche gen etwa auch die deutsche ARD glaublichen Breitenwirksamkeit Sender immer eine schwierige oder die britische BBC. sollte unabhängig und gleichzei- Frage, an der ständig gearbeitet Die Ausgewogenheit der Be- tig demokratisch kontrolliert sein. und die stets beobachtet werden richterstattung zu verteidigen Foto: Fotolia, Elnur Heute nutzen neun von zehn muss. Noch heute profitiert der – das sollte uns 80 Cent GIS-Ge- ÖsterreicherInnen täglich zu- ORF in diesem Punkt von sei- bühr pro Tag wert sein. ● mindest ein Angebot des ORF. ner Struktur, die es ihm erlaubt, Daniel Gürtler 16 2/2019 KOMPETENZ
Arbeiterkammer INTERVIEW Denkanstoß für die Regierung Die neue AK-Präsidentin Renate Anderl über die Gründe für ihren Wahlerfolg, und warum eine Änderung des Wahlrechts Unsinn ist. Die AK-Wien-Wahl ist geschlagen und du bist als gen von Wirtschaft und Industrie sehr schnell Gehör klare Siegerin hervorgegangen. Dazu einmal herzli- finden, während die der ArbeitnehmerInnen ignoriert che Gratulation. Wie geht es dir jetzt? oder auf die lange Bank geschoben werden. Das hat Ich bin natürlich sehr glücklich über das Wahlergeb- man beim Karfreitag gemerkt, den die Regierung den nis. Es ist vor allem ein Erfolg für unsere Mitglieder, Menschen einfach weggenommen hat, das merkt man die deutlich gezeigt haben, dass sie eine starke Ver- beim Papamonat, oder wenn es um die gesetzliche tretung wollen. Dass wir die Wahlbeteiligung im Ver- Anrechnung von Karenzzeiten geht. Auf beides war- gleich zu 2014 deutlich steigern konnten, obwohl es ten wir noch immer. um 50.000 mehr Wahlberechtigte gegeben hat, war eine echte Überraschung. Offenbar haben wir bei den Schon während der AK-Wahlen haben ÖVP und FPÖ Beschäftigten einen Nerv getroffen, auf die richtigen eine Änderung der Wahlordnung gefordert. Wie Themen gesetzt und mehr Mitglieder zur Wahl moti- sinnvoll wären solche Änderungen? vieren können. Dass die AK der Regierung ein Dorn im Auge ist, liegt auf der Hand. Man droht uns ja auch seit Ende 2017 Und was waren die wichtigsten Wahlmotive? damit, die Umlage zu kürzen. Wer unter einer Wahl- Tatsächlich war die Unzufriedenheit mit der Regie- reform das Abschaffen der Betriebswahlen versteht, rung ein starkes Motiv. Besonders hoch war die Wahl- dem geht es weder um Demokratie noch um eine hö- beteiligung unter jenen ArbeitnehmerInnen, die vom here Wahlbeteiligung, sondern ausschließlich darum, 12-Stunden-Tag, der 60-Stunden-Woche und vom die AK zu schwächen. Das ist so leicht durchschaubar: steigenden Druck in der Arbeitswelt betroffen sind. Die FSG hatte in den Betrieben deutliche Zugewin- Weitere wichtige Themen waren leistbares Wohnen ne, Christgewerkschafter und FPÖ massive Verluste und ein gerechteres Steuersystem. Laut Wahlanalyse – darum geht es doch in Wirklichkeit. Die Arbeitneh- waren viele Wählerinnen und Wähler der Meinung, merInnen in Österreich sind extrem fleißig und ver- dass die AK als Gegengewicht zu Unternehmen und dienen Respekt. Für sie und das Land wäre es besser, Regierung eine wichtige Rolle spielt. Es hat sich auch wenn die Regierung den Dialog mit uns suchen und gezeigt, dass das Vertrauen in die AK viel höher ist, als mit uns zusammenarbeiten würde, um ihre Lebens- in die Bundesregierung. und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Stattdessen wird überlegt, wie man die AK finanziell aushungern War die AK-Wahl ein Denkzettel für die Regierung? kann. Das ist der falsche Weg. Die Anliegen der arbei- Foto: Sebastian-Philipp Ich würde lieber von einem Denkanstoß sprechen. tenden Menschen sind viel zu wichtig, um sie weiter- Das Wiener Ergebnis zeigt deutlich, dass die Arbei- hin zu ignorieren. ● terInnen und Angestellten sich von der Regierung Das Interview führte Alexa Jirez nicht gut vertreten fühlen. Sie merken, dass die Anlie- KOMPETENZ 2/2019 17
KURZMELDUNGEN Aktuelles SERVICE Neue Broschüren auf einen Blick Bildungskarenz. Die Broschüre Download: „Bildungskarenz – Bildungsteil- https://gpa-djp.at/bildungskarenz_2019 zeit – Fachkräftestipendium“ in- formiert über Anspruchsvoraus- setzungen, Leistungen und Dauer von Bildungskarenz, Bildungsteil- zeit und Fachkräftestipendium. ● Pension. Die Broschüre gibt einen Download: Überblick über Pensionsarten und https://gpa-djp.at/pensionen_2019 Anspruchsvoraussetzungen und setzt sich dabei auch mit der Finan- zierbarkeit und Zukunftsfähigkeit des Systems auseinander. ● KURZMELDUNGEN Arbeitszeit. Der „Kompass faire Download: Arbeitszeiten“ behandelt die viel- www.gpa-djp.at/faire-arbeitszeiten fältigen Bereiche zum Thema Ar- beitszeit: rechtliche Grundlagen, Handlungsmöglichkeiten der Be- triebsrätInnen und Tipps für die Praxis. ● ARBEITSZEIT All-in-Rechner neu Neues Gesetz. Die Änderungen im Arbeitszeit- ten Stunden auch bezahlt werden. Auch gesetz - insbesondere die höheren Höchstar- für All-in-Verträge gelten Höchstarbeitszeit- beitszeitgrenzen - wirken sich erheblich auf grenzen, Mindestgehälter und Überstunden- All-in-Verträge aus. Für diese gelten seither zuschläge. ● 30 Prozent mehr zulässige Überstunden pro Jahr. Weiterhin gilt jedoch, dass mit einem All-in-Rechner testen: All-in-Vertrag nicht automatisch alles abgegolten http://allinrechner.at ist. Der All-in-Rechner der GPA-djp leistet schon seit einigen Jahren einen wichtigen Beitrag dazu, diesen Mythos zu besei- tigen. Mithilfe weniger Angaben be- Foto: GPA-djp rechnet er, ob die tatsächlich gearbeite- 18 2/2019 KOMPETENZ
KURZMELDUNGEN SOZIALVERSICHERUNG Hohe Kosten und mehr Macht für Arbeitgeber! Neue Gremien. Mit 1. April haben die neuen Gremien der Sozialversicherung ihre Arbeit auf- genommen. Die vom Nationalrat beschlossene Umstrukturierung bringt eine Machtverschie- bung zugunsten der Arbeitgeber. „Die Bundes- regierung behauptet, die Umstrukturierungen brächten Einsparungen, die als Patientenmilli- arde den Versicherten zugute kommen würden. Bislang sind aber nur Mehrkosten zu sehen. Zu- letzt allein durch die Ausschreibung von Bera- tungshonoraren in der Höhe von fast zehn Mil- lionen Euro“, kommentiert Barbara Teiber, die für die Gewerkschaften auch in der neuen Öster- reichischen Gesundheitskasse (ÖGK) vertreten sein wird, die Vorhaben der Bundesregierung. Die Verwaltungskosten in der österreichischen Sozialversicherung sind mit 2,6 Prozent sehr ge- ring. Die Kosten für die Selbstverwaltung bewe- gen sich im Promillebereich. Da gibt es keinen Spielraum für große Einsparungen. Es ist daher zu befürchten, dass die Ankündigung, im „Sys- tem zu sparen“ zu Lasten der Beschäftigten und Versicherten gehen wird. ● Mehr zum Thema auf Kompetenz online: http://bit.ly/kassenfusion http://bit.ly/SV-reform ELEKTROINDUSTRIE ERWACHSENENBILDUNG 3,4 Prozent mehr in der 3,3 Prozent mehr in der Elektroindustrie Erwachsenenbildung Kollektivvertrag. Der Kollektivvertrags-Ab- Kollektivvertrag. Der Kollektivvertragsab- schluss für die 50.000 Beschäftigten der schluss für die etwa 7.000 Beschäftigten in priva- Elektro- und Elektronikindustrie bringt ab 1. Mai ten Bildungseinrichtungen (BABE) bringt ab 1. eine Lohn- und Gehaltserhöhung von 3,2 Prozent Mai ein Gehaltsplus bis zu 3,3 Prozent. Die Lehr- auf IST-Löhne und -Gehälter und 3,4 Prozent auf lingsentschädigung wird um 3,2 Prozent erhöht. KV-Löhne und -Gehälter . Die Lehrlingsentschä- Ein zusätzlicher Urlaubstag kann nach 7 Jahren digungen werden um bis zu 22 Prozent erhöht. im Betrieb in Anspruch genommen werden statt Die Zuschläge für die 11. und 12. Arbeitsstunde bisher nach 10 Jahren; ein weiterer nach 12 statt betragen künftig 100 Prozent. Dazu kommt eine bisher 15 Jahren. Die Abrechnung von Elternka- bezahlte Pause bei überlangen Arbeitszeiten und renzzeiten wurde verbessert, ebenso der Zugang ein Rechtsanspruch auf den Papamonat. ● zu Familienzeit und Väter-Frühkarenz. ● Grafik: GPA-djp Aktuelle Infos zu allen Kollektivverträgen der GPA-djp: https://www.gpa-djp.at/kollektivvertrag KOMPETENZ 2/2019 19
PORTRÄT Betriebsrat Dem Sport, dem Betriebsrat und sich selbst treu geblieben Rudolf Kortenhof ist Betriebsratschef der Raiffeisen Bank und hält mit seiner Position als christlicher Arbeitnehmervertreter keineswegs hinter dem Berg – weder bei schwierigen Gehaltsverhandlungen noch gegenüber umstrittenen Regierungsbeschlüssen. S ogar inmitten von „mühsa- für die ArbeitnehmerInnen zu er- mervertretung bleibt mehr Frei- men“ Verhandlungen über wirken. zeit und Weiterbildungsmöglich- den neuen Kollektivver- Kortenhof hat den Ruf, ein gu- keiten als Ausgleich dafür, dass trag (KV) für die 73.000 Bankan- ter Verhandler zu sein. Mit wel- immer weniger MitarbeiterInnen gestellten österreichweit gibt sich cher Taktik? Das ist ganz einfach: immer mehr Aufgaben – aufgrund Rudolf Kortenhof, Betriebsrats- „Man muss sein Geschäft verste- zunehmender gesetzlicher Vor- chef der Raiffeisen Bank Inter- hen, das ist die halbe Miete. Man schriften (höheres Eigenkapital national (RBI), betont ruhig und muss als Betriebsrat Verständnis etc.) – erledigen, so der oberste Be- kontrolliert. Das Problem: Der Fi- und Wissen darüber haben, wie triebsrat. nanzbranche geht es extrem gut. das eigene Unternehmen funkti- Ein Paradoxon. oniert.“ Er hat jahrzehntelang im EUROBETRIEBSRAT „Wir haben historische Bester- Kundengeschäft gearbeitet. Da ZUR PERSON: Vielschichtig ist auch die prak- Rudolf Kortenhof, gebnisse, und trotzdem war die kann ihm bei Gehaltsverhandlun- geboren 1961 ist seit tische Funktionsausübung von Arbeitgeberseite zunächst nicht gen ein Personalist nicht so schnell 2015 Betriebsrats- Rudolf Kortenhof, der genau ge- vorsitzender der bereit, mehr an die MitarbeiterIn- ein X für ein U vormachen. Raiffeisen Bank nommen Vorsitzender des Eu- nen abzugeben“, erklärt Korten- Wenn zusätzlich die gesam- International (RBI) ropäischen Betriebsrates von und Mitglied im hof im Interview mit der KOM- te Branche mit wirtschaftlichem Verhandlungsteam für RBI ist. Ein Eurobetriebsrat ist PETENZ. Waren in den vergange- Rückenwind glänzt, wäre es für den Bankenkollektiv- in Unternehmen vorgesehen, so- vertrag. nen Jahren noch Folgen der Krise die Seite der ArbeitnehmerInnen bald 1.000 ArbeitnehmerInnen in von 2008/2009 zu spüren, gebe es nicht einzusehen gewesen, sich am den Mitgliedsstaaten und jeweils 2019 „praktisch täglich Erfolgs- Vorjahresniveau von 2,66 Prozent mindestens 150 ArbeitnehmerIn- Foto: Sebastian-Philipp meldungen von diversesten Ban- als Gehaltserhöhung zu orientie- nen in zumindest zwei EU-Län- ken über beste Ergebnisse.“ Ihm ren, wie von der Arbeitgeberseite dern beschäftigt werden. „Ab- war es daher wichtig, gerade jetzt ursprünglich angeboten. Eine auf- hängig davon welchen Hut man eine „spürbare Gehaltserhöhung“ rechte Forderung der Arbeitneh- trägt, hat man unterschiedliche 20 2/2019 KOMPETENZ
Betriebsrat PORTRÄT Themen abzudecken als Eurobe- Arbeiterkammer (AK), was die Nur: Was macht das mit einem triebsrat.“ Fraktion Christlicher Gewerk- Christgewerkschafter wie Kor- In Österreich ist die RBI-Grup- Kollektivvertrags- schafterInnen (FCG) betrifft. tenhof? „Ich fühle ich mich als Ar- abschluss für pe mehr von großen Firmenkun- „Nicht berauschend“, sagt dazu beitnehmervertreter manchmal Beschäftigte bei den, weniger vom „Retail Ban- Banken: Christgewerkschafter Kortenhof sehr gefordert“, formuliert er no- king“, also Einzelhandelsgeschäft – gleichzeitig erleichtert, dass die bel. Man habe das Gefühl, es wer- Die Gehälter steigen der Banken, geprägt. Trifft sich im Schnitt um 3 Pro- „Freiheitlichen Arbeitnehmer“ de nicht gehört, wenn Betroffene Kortenhof hingegen im Rahmen zent. Die Mindest- (sic) nicht in dem Ausmaß dazu- aus der täglichen Arbeitserfah- des Europäischen Betriebsra- grundgehälter werden gewonnen haben, wie erwartet, rung Bedenken äußern. tes mit den internationalen Kol- rückwirkend mit 1.4. „Gott sei Dank“. Mit einem Mi- „Wir haben in Österreich – 2019 um 2,5 Prozent legInnen, geht es schon mal um nus von 0,5 Prozent ist die FCG noch – eine Kultur, wo man ver- zuzüglich 14,50 Euro Filialschließungen oder wie die erhöht, das ist eine in Wien dennoch – hinter der sucht, sich in einer gemeinsa- digitale Umstellung und der Ab- Erhöhung zwischen Fraktion Sozialdemokratischer men Lösung wiederzufinden, bau von MitarbeiterInnen zu ver- 2,8 bis 3,37 Prozent. GewerkschafterInnen (FSG) mit und wo man nicht einfach Dinge kraften sind. Mehr zum Finance- 60,7 Prozent weit abgeschlagene beschließt, ohne die Sozialpart- Vor mehr als 20 Jahren stieß Kollektivvertrag: – zweitstärkste Fraktion (9,8 Pro- ner einzubinden. Auf die Dauer Rudolf Kortenhof von der dama- gpa-djp.at/finance zent) geblieben. wird man nichts Gutes erreichen, ligen Creditanstalt zur jetzigen Das führt Kortenhof, noch be- wenn man so einseitig agiert.“ Ist Raiffeisen. Einige Jahre später vor er danach gefragt wird, sehr dieses Vorgehen einer Regierung wurde er Betriebsrat, Vorsitzen- wohl auf die bisherige Arbeit- unter dem Bundeskanzler einer der des gesamten Gremiums ist er nehmerInnenpolitik der Bun- vermeintlich christlich-sozialen seit 2015. Warum hat er sich dazu desregierung zurück. Über sei- Partei noch christlich? „Mit unse- entschlossen? Einerseits brauche nem Stehschreibtisch hängt ein rem Verständnis von christlicher man ein gewisses (Dienst-)Alter, schlichtes, aber unübersehbares Gewerkschaftsarbeit hat das we- so der 1961 geborene Banker. An- Kreuz. Der FCGler ist jedoch kein nig zu tun“, meint Kortenhof un- dererseits hat ihn der Sport zum ÖVP-Mitglied. „Ich bin nicht mit verblümt. Betriebsrat geführt. Beidem ist er allem einverstanden, was von der Derweil freut sich der Hob- treu geblieben. Angesprochen auf Regierung kommt“, sagt er klipp byphilosoph auf das nächste Se- seine Leistungen als Hobbysport- und klar. Er habe auch intensive minar bei einer privaten Akade- ler, meint er zunächst charmant, Diskussionen mit ÖVP-General- mie für philosophische Weltdeu- ob das nicht eine Verwechslung sekretär Karl Nehammer gehabt tung im Juni. Einige Kolloquien mit seinem Sohn sei. Doch Meis- und ihm eröffnet, dass so man- etwa zu Skeptizismus oder der terschaften bestreitet er selbst so- che Regierungsmaßnahme „die Existenz von Gott hat er schon wohl im Tennis als auch im Ski- ArbeitnehmerInnen im Tagesge- besucht – damit er sich nicht nur fahren. Und er fährt noch immer schäft ganz anders betrifft, als ihr mit Bank- und ArbeitnehmerIn- Skirennen für die RBI, wenn- das glaubt“. nenthemen beschäftigt. Das ist gleich die arbeitsrechtlichen As- für Rudolf Kortenhof „wie Urlaub pekte überhandgenommen ha- im Kopf“. ● ben. Heike Hausensteiner 2019 fanden etwa die 51. Wie- ner Banken-Skimeisterschaften statt. Alle Bank-Angestellten in Wien sind bei diesem Bewerb startberechtigt. Das 50-Jahr-Jubi- läum im Vorjahr hat der Raiffei- sen-Betriebsratschef mit seinem Team organisiert. Der jährliche Fixpunkt für die MitarbeiterIn- nen ist so etwas wie das soziale Sahnehäubchen im Arbeitsjahr. Foto: Sebastian-Philipp „Das hat verbindenden Charak- ter.“ Weniger erfreulich war zuletzt freilich das Wahlergebnis in der KOMPETENZ 2/2019 21
EUROPA Parlamentswahl Ja zu Europa, aber einem anderen Europa Am 26. Mai wird das EU-Parlament gewählt. Das Wahlergebnis entscheidet, für wen die Europäische Union in den nächsten fünf Jahren Politik machen wird. W erden die Interessen Die Europäische Union beein- EU-Kommission muss mehr Vor- von großen Konzer- flusst unser Leben stärker als man schläge für ein sozialeres Europa nen weiterhin im Fo- oft denkt. Gut 70 Prozent der ös- liefern“, fordert Evelyn Regner, kus sein? Oder wird endlich das terreichischen Gesetze haben ih- Mitglied des Europäischen Parla- Wohlstandsversprechen, das den ren Ursprung auf europäischer ments und ehemalige Leiterin des 513 Millionen EU-BürgerInnen Ebene. Sie betreffen etwa Stan- ÖGB-Europabüros in Brüssel. gegeben wurde, eingelöst? Wie dards für Umweltschutz, die För- Ein wahrnehmbarer Erfolg notwendig die Stärkung der sozi- derung von Gleichbehandlung der Säule Sozialer Rechte war alen Dimension der EU ist, zeigt oder Rechte von VerbraucherIn- die Richtlinie für eine bessere derzeit der Brexit: Zu lange haben nen. Darüber hinaus ist der ge- Work-Life-Balance. Mit ihr soll er- die Menschen zu wenig von der meinsame Wirtschaftsraum ins- reicht werden, dass Männer mehr EU gespürt, die neoliberale Aus- besondere für die österreichische von der Pflegearbeit übernehmen teritäts- und Sparpolitik hat sozi- Industrie unerlässlich geworden. und die Möglichkeit bekommen, ale Ungleichheit verschärft, pre- Zeit mit ihrem Kind zu verbrin- käre Beschäftigung normalisiert AUF SOZIALEN ERRUNGEN- gen. ArbeitnehmerInnen, die An- und Arbeitslosigkeit und Armut SCHAFTEN AUFBAUEN gehörige pflegen, werden besser geschaffen. Auf diesem Nährbo- Seit 2017 gibt es die Europä- abgesichert. den konnten EU-skeptische, po- ische Säule Sozialer Rechte, die „Ich habe die Verhandlungen pulistische und (neo-)nationalis- sich damit befasst, wie die EU in zur Work-Life-Balance-Richtli- tische Ideologien gedeihen. Übrig Zukunft effizienter auf Heraus- nie im Europäischen Parlament bleiben in Großbritannien derzeit forderungen bei Beschäftigung begleitet, und wir konnten den nur politisches Chaos, stagnieren- und Sozialem reagieren kann. Sie Kommissionsvorschlag in vielen des Wirtschaftswachstum, soziale besteht aus 20 – rechtlich unver- Punkten nachbessern“, erzählt Evelyn Regner: „Ich habe die Verhand- und persönliche Unsicherheit. bindlichen – Prinzipien, etwa zu Evelyn Regner. „Zum Beispiel lungen zur Work-Li- „Die EU ist derzeit in keiner aktiver Arbeitsmarktpolitik, Ge- konnten wir den Rechtsanspruch fe-Balance-Richtlinie leichten Lage“, analysiert Sophia schlechterchancengleichheit, fai- auf zehn Tage bezahlten Vater- im Europäischen Par- Reisecker, Leiterin der Abteilung ren Löhnen, Mitbestimmungs- schaftsurlaub durchsetzen. Es lament begleitet und wir konnten den Kom- Europa, Konzerne, Internationa- rechten von Beschäftigten oder sind solche konkreten Maßnah- missionsvorschlag les in der GPA-djp. „Politisch steht Gesundheitsvorsorge. men, die wir in Europa brauchen, nachbessern. Zum Bei- auf der einen Seite das Europa der „Es ist dringend notwendig, um auf Herausforderungen in der spiel konnten wir den Grenzzäune, der Abschottung, dass wir das Vertrauen der Arbeit- Gesellschaft zu reagieren.“ Rechtsanspruch auf zehn Tage bezahlten der Einschränkung von Demokra- nehmerInnen in die EU stärken. Vaterschaftsurlaub tie und Medienfreiheit – Orbán, Von einer schwachen EU profi- SOZIALE RECHTE MÜSSEN durchsetzen.“ Kaczynski & Co. Auf der ande- tieren nur die ganz Großen, die VORRANG HABEN ren Seite streben Macron, Rutte es sich ohnehin richten können. Die EU-Verträge bevorzugen und andere ein Europa der Eliten, Denn Europa wird sozial sein, derzeit klar die wirtschaftlichen der Liberalisierung des Binnen- oder es wird nicht sein. Die Säule Binnenmarktfreiheiten. Arbeit- markts und der Deregulierung Sozialer Rechte ist nicht zuletzt nehmerInnenrechte, Kollektiv- an. Dazwischen werden die Ar- auf den politischen Druck von verträge und Sozialschutz wer- Foto: Nurith Wagner-Strauss beitnehmerInnen vergessen oder uns GewerkschafterInnen zu- den nachrangig behandelt. Der gar zerrieben. Umso wichtiger ist rückzuführen. Sie ist zwar nicht ÖGB fordert, dass bei der nächs- es, diese Kräfte im Europäischen rechtsverbindlich, sie muss aber ten Öffnung der Verträge ein so- Parlament zu stärken, die sich für als Kompass für unsere zukünf- ziales Fortschrittsprotokoll in ih- soziale Rechte einsetzen!“ tige Arbeit gelten. Die nächste nen verankert werden soll: Damit 22 2/2019 KOMPETENZ
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