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Österreichische Post AG, MZ 02Z031731M, ÖGB-Verlag, Johann-Böhm-Pl. 1, 1020 Wien, Retouren an PF 100 1350 Wien KOMPETENZ AUSGABE 3/2020 KOMPETENZ MAGAZIN DER GEWERKSCHAFT DER PRIVATANGESTELLTEN, DRUCK, JOURNALISMUS, PAPIER 80%Arbeiten für 90% www.gpa-djp.at www.kompetenz-online.at Gehalt?
INHALT KOMPETENZ Ausgabe 3/2020 80%Arbeiten für 90% 3 EDITORIAL von Martin Panholzer Gehalt? 4 Wege aus der Jobmisere Die Corona-Krise hat den Arbeitsmarkt auf den Kopf gestellt. Es ist Zeit gegenzusteuern und Arbeit neu zu verteilen. 8 Douglas 4 Protest gegen ungerechtfertigte Entlassung 9 KOMMENTAR von Barbara Teiber 10 „ Österreich muss Geld in Beschäftigung investieren“ Der Ökonom Oliver Picek im KOMPETENZ-Interview 12 Atemlos durch den Tag Warum die Beschäftigten im Handel jetzt eine Durchschnaufpause brauchen. 14 „Wir wollen Taten sehen!“ Was jetzt getan werden muss, um die Jugendarbeitslosig- keit zu bekämpfen. 15 FOTOGRAMM Zeit für die 6. Urlaubswoche 16 Amazon und die Corona-Krise Wie kaum ein anderer Konzern hat Amazon von der Krise 10 18 profitiert - auf Kosten seiner Beschäftigten. KURZMELDUNGEN 20 Berufstätige Eltern müssen planen können. Kindergärten und Schulen müssen bei einer zweiten Coronawelle Betreuung anbieten. 22 Konsenssüchtig, aber nicht konfliktscheu Der Betriebsratsvorsitzende der ÖGK, Michael Aichinger, im Porträt 24 Zu wenige PädagogInnen für zu viele Kinder KindergartenpädagogInnen fordern mehr Ressourcen und Illustration: Titelseite, S 4: Peter M. Hoffmann , Foto: S. 10: Ingo Pertramer, Seite 20: iStock, S 28: iStock bessere Arbeitsbedingungen. 26 FAKTENCHECK Beendigung des Dienstverhältnisses 20 28 RECHT Rettungsanker Sozialplan IMPRESSUM Leserbriefe an kompetenz@GPA-djp.at • Herausgeber: ÖGB, GPA-djp, 1030 Wien, Alfred-Dallinger-Platz 1, Tel. 05 03 01-301, service@gpa-djp.at • Verlag und Medieninhaber: Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96 • Chefredakteur: Martin Panholzer, Chefin vom Dienst: Lucia Bauer, lucia.bauer@gpa-djp.at, Assistenz: Alexander Kobinger, alexander.kobinger@gpa-djp.at • Coverfoto: Peter M. Hoffmann • Layout und Artdirektion: Johannes Loibenböck • sanker Layoutkonzept: Matthäus Zinner, typothese.at • Druck: Walstead Leykam Rettung Druck GmbH & Co KG, 7201 Neudörfl, Bickfordstr. 21 • Verlagsort: Wien Herstellungsort: Neudörfl • DVR-Nr. 0046655, ZVR-Nr. 576439352 • an Sozialpl Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.GPA-djp.at/offenlegung Die Redaktion behält sich alle Rechte der Vervielfältigung und des Vertriebs der zum Abdruck gelangten Beiträge sowie ihre Verwendung für andere Ausgaben vor. Namentlich 28 gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung der AutorInnen dar und müssen sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken. Die Redaktion haftet nicht für unverlangt eingeschickte Artikel und Fotos. 2 3/2020 KOMPETENZ
EDITORIAL Menschen wieder in Arbeit bringen von Martin Panholzer D Um die negativen Folgen der Pandemie zu bewältigen, braucht es sehr viele Stellschrauben, um den Menschen wieder Perspek- tiven und Hoffnung zu geben. Wir sind überzeugt davon, dass die Verkürzung der Arbeitszeit dafür ein wichtiger und wesentlicher Hebel ist. Die GPA-djp hat bereits im Juni das Modell „90 für 80“ der freiwilligen Arbeitszeitverkürzung vorgestellt, das inzwischen medial und auch in der Regierung diskutiert wird. Die Coverstory der KOMPETENZ befasst sich mit den möglichen Auswegen aus der Jobmisere. Der Chefökonom des Momentum-Instituts Oliver Picek macht im In- terview deutlich, dass jetzt vor allem ein aktiver und handlungsfähiger Staat gefragt ist. Er warnt vor einem zu verfrühten Sparkurs der öffent- lichen Hand. Ansonsten befasst sich diese KOMPETENZ mit den Auswirkungen der Krise auf verschiedene Beschäftigtengruppen. Wir beleuchten die Situation im Handel ebenso wie die der Beschäftigten in Kindegärten, auf die in der öffentlichen Diskussion oft vergessen wird, obwohl sie eine für die Gesellschaft enorm wichtige Aufgabe erfüllen. Gerade in diesem Herbst ist die Frage, wie die Betreuung von Kin- dern abgesichert werden kann, für viele Eltern essentiell. Auch damit befasst sich ein Beitrag. Martin Panholzer Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe, kam es zum einem kurzfristi- ist Leiter der Abteilung gen Abschluss in der Metallindustrie. Mit einer Lohn- und Gehaltserhö- Öffentlichkeitsarbeit in der hung von 1,45 Prozent kann die Kaufkraft erhalten werden, weil gerade GPA-djp und Chefredakteur jetzt Vertrauen und Zukunftsgewissheit wichtig sind. der KOMPETENZ. In diesen schwierigen Zeiten voll Unsicherheit über die Zukunft kann niemand Wunder wirken. Wir versuchen, unsere Mitglieder und Betriebsräte bestmöglich zu unterstützen und zu beraten und auf die Politik einzuwirken, Maßnahmen zu entwickeln, die Sicherheit und Gerechtigkeit in den Fokus stellen. ● Foto: Nurith Wagner-Strauss KOMPETENZ 3/2020 3
Arbeit neu verteilen COVERSTORY Die Corona-Krise hat den Arbeitsmarkt auf den Kopf gestellt. Und der Höhepunkt steht zur Jahreswende noch bevor. Dennoch gibt es Möglichkeiten, gegenzusteuern. Voraussetzung dafür ist ein breiter Schulterschluss in der Gesellschaft - und das Nachdenken, wie Arbeit neu verteilt werden kann. E s ist das Jahr der Nega- orten die Köpfe. Klar ist: So unter- tiv-Rekorde am österrei- schiedlich die Probleme und Be- chischen Arbeitsmarkt: Im dürfnisse der einzelnen Gruppen April 2020 waren 571.477 Men- sind – so breit müssen die arbeits- schen ohne Job. Ein historischer marktpolitischen Akzente gesetzt Höchststand. Erstmals war die werden. Und die Zeit läuft. Frauenarbeitslosigkeit höher als die der Männer. Jugendliche und „ARBEIT SOLIDARISCH junge Erwachsene sind ebenso VERTEILEN“ dramatisch betroffen. Nach Ein- David Mum, Leiter der Grund- schätzung des Arbeitsmarktser- lagenabteilung in der GPA-djp, vice (AMS) Österreich wird der sieht einen vielversprechenden Anstieg der Arbeitslosigkeit in Ansatz in einer Arbeitszeitverkür- dieser Gruppe im Vergleich zum zung gepaart mit der Neueinstel- Vorjahr am stärksten ausfallen: lung von MitarbeiterInnen. Die Im Jahresschnitt werden rund GPA-djp hat unter dem Titel „90 100.000 Personen im Alter von 15 für 80“ ein Konzept ausgearbei- bis 25 Jahre arbeitslos gemeldet tet, mit dem das bisherige Solida- oder in Schulungen sein. Umge- ritätsprämienmodell weiterent- legt auf die Gesamtbevölkerung wickelt wird. Die Eckpunkte: Auf rechnet AMS-Vorstand Herbert freiwilliger Basis können Mitar- Buchinger übers Jahr mit durch- beiterInnen ihre Arbeitszeit auf schnittlich 450.000 Betroffenen. 80 Prozent reduzieren, wobei sie Damit nicht genug: Während die weiterhin 90 Prozent ihres Ge- Konjunkturprognosen für 2021 halts bekommen. Die Differenz eine leichte Entspannung am Job- würde das AMS für einen Zeit- markt vorhersagen, erwartet der raum von vier Jahren überneh- AMS-Chef kommenden Jänner men. Voraussetzung für die För- noch einmal einen neuen – auch derung ist, dass eine arbeitslos ge- saisonal bedingten – Höchstwert. meldete Person im Ausmaß der „Wir sind in einer Situation, in Arbeitszeitreduktion angestellt der es keine einfachen Antwor- wird. Im Idealfall könnten vier ten mehr gibt“, bringt Christine Vollzeitbeschäftigte, die aktuell Mayrhuber, WIFO-Expertin für 40 Stunden pro Woche arbeiten, Illustration: Peter M. Hoffmann Arbeitsmarkt, Einkommen und auf jeweils 32 Stunden reduzie- soziale Sicherheit die Ausgangsla- ren und im Gegenzug einer/ei- ge für die bevorstehende Herbst- nem Arbeitslosen auf diese Wei- und Wintersaison auf den Punkt. se einen 32-Stunden-Job ermög- Dementsprechend rauchen aller- lichen. Mum: „Damit können wir KOMPETENZ 3/2020 5
COVERSTORY Arbeit neu verteilen zusätzliche Beschäftigung bei gewährleiste, dass „beim Arbeit- nate hinweg wurden wiederholt gleichbleibendem Arbeitsvolu- nehmer nicht die volle Wucht Umfragen durchgeführt – mit ei- men schaffen.“ Geeignet wäre des Gehaltverlustes und beim Ar- ner für Österreich repräsentati- das Modell „vor allem für Groß- beitgeber nicht die volle Wucht ven Stichprobe. Die Ergebnisse unternehmen und Branchen mit der Kostensteigerung schlagend waren regelmäßig in einem Co- Schichtbetrieb“. Was es braucht wird.“ rona-Blog nachzulesen. Was das ist der politische Rückenwind zur Thema Arbeitszeit angeht, ist raschen Umsetzung – noch im GROSSER WUNSCH NACH dort folgendes festgehalten: „Eine laufenden Jahr. KÜRZERER ARBEITSZEIT neue Debatte um eine mögliche Barbara Teiber, Vorsitzende Das Modell „90 für 80“ trifft Arbeitszeitverkürzung ist an- der GPA-djp, schlägt in die glei- den Nerv der Debatte. Denn ge- gesichts der noch länger andau- che Kerbe: „Wir sind aktuell mit rade auch in Zeiten der Krise hat ernden Corona-Krise jedenfalls einer unfreiwilligen Arbeitszeit- eingeläutet.“ Denn: verkürzung konfrontiert, für jene, „Angesichts der an- die sich in Kurzarbeit befinden „WIR WISSEN, DASS gespannten Lage am und jene, deren Arbeitszeit auf 400.000 BESCHÄFTIGTE IN Arbeitsmarkt werden Null gesetzt wurde. Da nicht ab- Rufe nach einer Ar- sehbar ist, dass die ökonomische ÖSTERREICH IHRE ARBEITS- beitszeitverkürzung Krise schnell überwunden wird, ZEIT GERNE REDUZIEREN laut. Auch die Befrag- müssen wir uns dringend ge- WÜRDEN.“ ten stehen einer Re- meinsam kreative Gedanken ma- duktion der eigenen chen, wie wir Arbeit neu und so- BARBARA TEIBER Arbeitszeit positiv ge- lidarisch verteilen können.“ Und genüber. Mehr als die weiter: „ Wir wissen, dass 400.000 Hälfte der Befragten Beschäftigte in Österreich ihre Ar- sich ein Wunsch manifestiert: möchte generell kürzer arbeiten. beitszeit gerne reduzieren wür- „Viele wollen ihre Arbeitszeit ver- 3 von 10 Befragten wollen ihre den. Wenn nur jeder zehnte da- kürzen und nicht mehr zum vol- Arbeitszeit sogar um mehr als ei- von mitmacht, dann schaffen wir len Umfang zurückkehren. Das nen Arbeitstag pro Woche redu- damit 10.000 Jobs. Wenn sich ein belegen inzwischen zahlreiche zieren. Lediglich 28 Prozent der Viertel für das Modell entschei- Studien“, fasst Mum zusammen. ÖsterreicherInnen möchten die- det, wären es sogar 25.000 neue So hat sich die Universität selbe wöchentliche Normalar- Arbeitsplätze.“ Wien in einem Forschungspro- beitszeit wie im Februar 2020 vor AMS-Chef Buchinger hält In- jekt umfassend mit den Auswir- dem coronabedingten Lockdown strumente wie diese für „sehr kungen der Corona-Pandemie auf in Österreich.“ gescheit“. Die Art der Förderung die Gesellschaft befasst. Über Mo- KAMPF AN VIELEN FRONTEN Arbeitszeitverkürzung allein Modell 90 für 80 wird freilich nicht reichen, um dem Einbruch am Jobmarkt bei- zukommen. Denn der Kreis an Betroffenen, die es besonders 40 h -8 h 32 h schwer haben, ist extrem hetero- gen. Eine hartnäckige Forderung € 2.000.- brutto € 1.600,- brutto der Gewerkschaft ist es, dass zu- € 200,- AMS mindest 50 Prozent des AMS-För- € 2.000.- brutto € 1.800,- brutto derbudgets für Frauen reserviert ist. Mayrhuber und ihre Kollegin Arbeitslosengeld Ulrike Huemer, ebenfalls Arbeits- € 2.000.- brutto € 980,03 marktspezialistin beim WIFO, auf Basis € 2.000,- betonen wiederum die Heraus- € 2.000.- brutto forderungen für ältere Menschen, Grafik: Vera Erlachner Kosten pro Jahr: € 11.200,- Kosten pro Jahr: € 11.760,- gering Qualifizierte sowie Perso- € 200,- mal 14 Zahlungen mal 4 Personen nen mit gesundheitlichen Ein- schränkungen. Huemer: „Wir wis- sen, dass es mitunter sehr schwer 6 3/2020 KOMPETENZ
Arbeit neu verteilen COVERSTORY ist, diese Leute wieder zu integrie- 5 Fragen an AMS-Vorstand ren.“ Und sie gibt den politischen Herbert Buchinger EntscheidungsträgerInnen eine Warnung mit: „Es ist enorm wich- KOMPETENZ: Worauf bereitet sich tig, jetzt gegenzusteuern. Damit das AMS für den Herbst/Winter vor? sich die Arbeitslosigkeit, die im Herbert Buchinger: Auf steigende Zuge der Krise dazugekommen Arbeitslosigkeit. ist, nicht verfestigt.“ Gemeint ist damit die Gefahr, dass die Zahl der Haben wir den Höhenpunkt noch vor uns? sogenannten Langzeitbeschäfti- Ich rechne mit dem Höhepunkt im gungslosen dauerhaft hoch bleibt. Jänner 2021. Also all jener Personen, die min- destens ein Jahr lang ohne Job Welche inhaltlichen Schwerpunkte plant das AMS? sind – Schulungen oder kurzzeiti- Es wird eine Qualifizierungsoffensive geben. Die Schwerpunkte liegen bei ge Beschäftigungen nicht berück- Pflege, Sozial- und Betreuungsberufen, bei Metalltechnikberufen und im Be- sichtigt. Mitte des Jahres mach- reich Elektronik/Digitale Technologie. te deren Anteil bereits knapp 30 Prozent in der Arbeitslosenstatis- Ist das Ziel der Offensive eher Weiterqualifizierung oder die tik aus. Ausbildung von Grund auf? Für Huemer führt daher kein Es gibt alle Schienen. Wenn wir das Beispiel Pflege nehmen, ist die Ausbil- Weg daran vorbei, dass „das AMS dung zum/zur PflegehelferIn genauso dabei wie jene zur diplomierten Pfle- mehr personelle Ressourcen er- gekraft. Es gibt also auch längere Ausbildungen bis ins Jahr 2022. hält. Eine intensivere Betreuung bringt mehr Erfolg.“ Weiters for- In der Gruppe der 15- bis 25-Jährigen gibt es im Vergleich zum Vorjahr den dert sie eine Qualifizierungsof- stärksten Anstieg bei der Arbeitslosigkeit. Was kann man tun? fensive. Davon würden die Teil- Momentan ist die Situation dramatisch. Mittelfristig ist die Perspektive für nehmerInnen ebenso profitieren, diese Gruppe aber intakt. Sie werden von einem Konjunkturaufschwung wie Kurs- und Ausbildungsanbie- rasch profitieren, wir können ihnen gut helfen und auch die demografische ter, die damit wieder ihrem Ge- Entwicklung kommt ihnen entgegen. schäft nachgehen können. Auch die öffentliche Hand könnte sich als Arbeitgeber einbringen – etwa Kündigungswelle quer durch Österreich durch Rekrutierung von passen- + Mitte des Jahres gab der Kristallkonzern Swarovski bekannt, dass an den Arbeitslosen für Jobs in der seinem Standort in Wattens 200 Arbeitsplätze abgebaut werden. Verwaltung. Betroffen sind die Bereiche Marketing und Vertrieb. Die Mitarbeiter- Was die alarmierende Situati- Innen erhielten ihre Kündigung per E-Mail. Es wurde eine on bei den Jugendlichen angeht, Arbeitsstiftung eingerichtet. so rechnet Huemer damit, dass sich die Lehrstellenlücke wie- + Mit Hinweis auf die Corona-Krise verkündete ATB in Spielberg im Juli der vergrößern wird. Der Aus- das Aus für die Produktion: 360 von 400 MitarbeiterInnen des steirischen bau überbetrieblicher Lehrwerk- Antriebsherstellers verlieren trotz massiver Proteste den Job. stätten wäre die logische Konse- + Ende August meldete der Strumpf- und Wäschehersteller Wolford mit quenz. In jedem Fall müsse man Sitz in Bregenz 54 MitarbeiterInnen zur Kündigung an. Betroffen sind den Jungen und jungen Erwach- die Bereiche Zuschnitt und Vorsortierung – die Tätigkeiten werden nach senen besonderes Augenmerk Slowenien ausgelagert. schenken: „Ungünstige Erfah- rungen zu Beginn des Arbeits- + Mitte September kündigte MAN an, das Werk in Steyr schließen zu lebens können sich wie Narben wollen. Innerhalb von 3 Jahren werden 2.300 Arbeitsplätze abgebaut. durch das gesamte Erwerbsleben ziehen.“ ● + Aufatmen konnten dagegen Beschäftigte der Textilfirma Huber. Evelyn Holley-Spieß Nicht zuletzt die Nutzung von Kurzarbeit hat Arbeitsplätze und Filialnetz erhalten. + Von teils massiven Einschnitten ist coronabedingt die gesamte Foto: AMS Reisebranche betroffen – von Veranstaltern bis zur Luftfahrt. KOMPETENZ 3/2020 7
Betriebsrat Douglas DOUGLAS Betriebsratskandidatin entlassen Gemeinsam mit KollegInnen hat Sabrina E. im Sommer 2019 versucht, eine Betriebsratswahl bei Douglas zu initiieren. Dass sie sich deshalb gemeinsam mit anderen KollegInnen zusam- mentat, um sich gewerkschaftlich zu organisieren, wurde vom Unternehmen ganz und gar nicht geschätzt. „Am 24. August wurden wir von der Gebietsleitung ins Büro gerufen“, erinnert sich Sabrina E. „Uns wurde gesagt, wir würden Unruhe verbreiten. Wir wurden gekündigt und noch am selben Tag dienstfrei gestellt.“ Das vermeintliche Unruhe Stiften diente der Geschäftsfüh- rung auch als holprige Begründung für die Kündigung. Fast ein Jahr dauerte die Verhandlung vor dem Arbeits- und Sozialgericht, aber im Juni 2020 stand das Urteil fest: Sabrina E. bekam Recht und ihre Kündigung durch das Parfümerieun- ternehmen Douglas wurde als gegenstandslos erklärt, weil diese im Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsratswahl stand. Sabrina kündigte nach dem Gerichtsurteil an, sich weiterhin für die Gründung eines Betriebsrates im Unternehmen einzusetzen. Daraufhin erfolgte die fristlose Entlassung durch die Geschäftsführung von Douglas, was mit geschäftsschädigendem Verhalten begründet wurde. Bei einer Protestaktion vor der Douglas-Filiale in der Wiener Kärntnerstraße erklärten sich mehr als 250 Menschen solidarisch mit der mutigen Betriebsratskandidatin. Die GPA-djp hat auch Foto: Daniel Novotny gegen die Entlassung Klage eingereicht und wird Sabrina weiter unterstützen. ● 8 3/2020 KOMPETENZ
KOMMENTAR Richtig zusammenhalten Ein Kommentar von Barbara Teiber, Vorsitzende der GPA-djp Es wird derzeit keinen Menschen geben, der nicht Beschäftigten, sollten selbstbewusster die in irgendeiner Form von der Pandemie und ihren Leistungen „unseres“ Staates einfordern und vielfältigen Folgen negativ betroffen ist. Es sind vor allem einen Beitrag jener einfordern, die die konkreten Sorgen um die eigene Gesundheit enorme Vermögen angehäuft haben und in und die der Angehörigen, es sind die konkreten der Pandemie noch reicher geworden sind. Sorgen um den Arbeitsplatz und das Einkommen. Wie Krisenbewältigung Es sind aber in ganz sicher nicht großem Ausmaß diffuse Sorgen, ob die „WER ARBEITENDE MENSCHEN funktioniert, zeigen derzeit einige Welt jemals wieder NUR ALS KOSTENFAKTOR UND Unternehmen vor, die so wird wie zuvor, ob VERSCHUBMASSE IM GLOBALEN unter dem Deckmantel künftige Generationen überhaupt noch WETTBEWERB SIEHT, DER HAT von Corona beinharte jene Lebensqualität NICHTS VERSTANDEN UND RIS- Konzepte zur haben werden, wie KIERT UNSER ALLER ZUKUNFT.“ Gewinnmaximierung durchziehen und sie viele Menschen in BARBARA TEIBER ohne mit der Wimper unseren Breiten über zu zucken, trotz Jahrzehnte gehabt profitabler Standorte, haben. Corona stellt teilweise massiv Personal abbauen. Wer die Psyche vor eine riesige Belastungsprobe. arbeitende Menschen nur als Kostenfaktor und Allen, die jetzt vorgeben, sie hätten das Verschubmasse im globalen Wettbewerb sieht, Patentrezept für die Krisenbewältigung, sollte der hat nichts verstanden und riskiert unser aller man nicht trauen. Einige Eckpunkte darf man Zukunft. Konkret zu spüren bekommen das schon allerdings außer Streit stellen. Wir brauchen jetzt jetzt tausende Beschäftigte, etwa bei MAN-Steyr. vor allem ein Gemeinwesen, das sich wirksam Der Begriff Zusammenhalt und Zusammenstehen darum kümmert, dass niemand zurückgelassen wird ja in letzter Zeit häufig bemüht. Ja, wird und auf der Strecke bleibt. Und wir brauchen Solidarität und gegenseitige Unterstützung eine öffentliche Hand, die rasch für konjunkturelle sind wichtig. Misstrauisch werden sollte man Impulse sorgt. Es ist der neoliberalen Ideologie bei politischen Kräften, die diesen Begriff in den letzten Jahrzehnten gut gelungen, alles primär in der Abgrenzung zu „anderen“ schlecht zu reden, was mit staatlichen Aktivitäten verwenden. Zusammenstehen sollten jetzt vor in Zusammenhang steht. Genau in dieser Zeit allem die ArbeitnehmerInnen. Niemand kann wurden die Budgets öffentlicher Haushalte derzeit Wunder bewirken. Eine Wahrheit gilt gekürzt, während die Vermögen einer Minderheit aber mehr denn je: Gemeinsam und mit dem von Privatpersonen explodiert sind. Aber Rückhalt starker Organisationen lässt sich Foto: Michael Mazohl sehen wir es so: Wir, die diesen Staat in erster mehr bewegen als vereinzelt und allein. l Linie finanzieren, nämlich wir unselbständig KOMPETENZ 3/2020 9
INTERVIEW Wirtschaftskrise „Österreich muss Geld in Beschäftigung investieren“ Der Ökonom Oliver Picek plädiert im Interview für neue Konjunkturpakete, Programme zur Senkung der Langzeitarbeitslosigkeit und warnt vor einem verfrühten Sparkurs. KOMPETENZ: Wenn Sie auf den Beginn des Lock- staatliche Förderungen können dabei helfen. downs vor über einem halben Jahr zurückblicken: Frankreich hat eine Arbeitszeitverkürzung ja Haben sich Ihre schlimmsten Befürchtungen betref- vor einigen Jahren zeitweilig probiert, und auch fend den Arbeitsmarkt bewahrheitet, oder sind wir wenn der französische Weg von manchen ange- glimpflich davongekommen? zweifelt wurde, so denke ich doch, dass er ein Oliver Picek: Mit Ende August waren 450.000 Be- erfolgreiches Vorbild sein kann. schäftigte in Kurzarbeit und 420.000 arbeits- Dazu kommt, dass eine Arbeitszeitverkürzung auch los. Das sind fast 100.000 Arbeitslose mehr als vor zahlreiche andere positive Effekte bringt, wie mehr Corona. Zwischenzeitlich, auf dem Höhepunkt Freizeit für den Einzelnen und eine höhere Produkti- der Krise, gab es bis zu 1,3 Millionen Kurzarbeite- vität im Betrieb, was wiederum für Österreich ein po- rInnen. So gesehen ist die Lage natürlich jetzt bes- sitiver Faktor im internationalen Wettbewerb wäre. ser als im Frühjahr. Trotzdem gibt es noch viel Un- sicherheit, die Erholung verläuft schleppend. Reicht das derzeitige Konjunkturpaket zur Bekämp- Zu Beginn der Krise stellte sich die Frage, ob der wirt- fung der Arbeitslosigkeit? schaftliche Einbruch schnell wieder vorbei sein wird Da die Arbeitslosigkeit immer unmittelbar von der oder ob er lange dauern wird. Inzwischen ist klar, dass Konjunktur abhängt, müsste der Staat alles dafür tun, wir es mit langfristigeren Problemen zu tun haben. Es damit die Wirtschaft wieder anspringt. Hier braucht werden noch verzögerte Insolvenzen von Betrieben es einen wirklich großen Wurf: Umfassende Kon- auf uns zukommen und wir werden dauerhaft Ar- junkturpakete und massive Investitionen. beitsplätze verlieren. Eine echte wirtschaftliche Erho- Das derzeitige Konjunkturpaket der Regierung lung wird noch länger auf sich warten lassen. ist leider relativ schwach. Insbesondere bei der öffentlichen Beschäftigung wäre noch viel mehr Wäre eine kürzere Arbeitszeit zur Bekämpfung der möglich. Ich denke da an die Pflege, aber auch Arbeitslosigkeit sinnvoll? ans Justizwesen, das chronisch unterbesetzt ist, Eine Arbeitszeitverkürzung wäre durchaus oder natürlich an Schulen und Bildungseinrichtun- eine wirtschaftspolitische Antwort auf die Kri- gen. Hier könnten zahlreiche Stellen geschaffen se, weil so die vorhandene Arbeit besser verteilt werden, die der Allgemeinheit zu Gute kommen. würde und mehr Arbeitsplätze entstehen könn- Auch grüne Investitionspakete gegen die Kli- Foto: Ingo Pertramer ten. Sozial wichtig wäre, dass Niedrigverdiener- makrise wären jetzt sinnvoll. Da wird zu we- Innen trotz kürzerer Arbeitszeit gleich viel Lohn nig investiert für wirklich ambitionierte Zie- erhalten. Ausreichende Lohnerhöhungen oder le, und fürs derzeitige Nicht-Handeln wer- 10 3/2020 KOMPETENZ
Wirtschaftskrise INTERVIEW den langfristig hohe Kosten anfallen. Noch bleibt immer noch die Differenz zum Niveau vor der dazu gäbe es zur Zeit genug billige Kredite. Krise, die möglicherweise nie eingeholt wird. Die gleiche Situation hatten wir nach der Finanzkrise Nach der Krise wird es voraussichtlich noch mehr von 2008/2009: Den Verlust an Einkommen während Langzeitarbeitslose als bisher geben. Wie kann man der Krise haben wir nachher nie wieder aufgeholt, weil diese Menschen wieder in Beschäftigung bringen? die wirtschaftliche Entwicklung zu schwach war und Für Langzeitarbeitslose braucht es direkt geförderte, die Staaten zu rasch wieder gespart haben. Auch Ös- öffentlich finanzierte Ar- terreich hat gespart, um die beitsplätze, wie die Aktion „WIR KÖNNTEN UNS GEGEN EU-Budgetvorgaben einzu- 20.000 sie geschaffen hat. DIE KLIMAKRISE WAPPNEN, halten. Man hätte aber noch Bei der Aktion 20.000 war viel stärker wachsen müs- die Zufriedenheit der MENSCHEN IN DER PFLEGE sen, um eben das Vorkrisen- Teilnehmenden sehr BESCHÄFTIGEN, IM ÖFFENT- niveau wieder aufzuholen. hoch, weil gesellschaft- Es lässt sich über die letz- LICHEN SEKTOR EINSTELLEN lich sehr sinnvolle Stel- ten 40 Jahre hinweg beob- len geschaffen wurden. – ALL DAS HÄTTE AUCH achten: Nach jedem Wirt- Leider wurde diese Ak- GROSSEN NUTZEN!“ schaftsabschwung hat die tion vorzeitig von der Arbeitslosenquote neue schwarzblauen Regie- OLIVER PICEK und immer neue Rekord- rung abgebrochen. höhen erklommen. Ge- So ein Programm könnte auch durchaus größer di- nau das droht jetzt auch wieder, wenn man schon mensioniert sein. Man könnte an die 100.000 Ar- nächstes Jahr wieder zu sparen und zu kürzen beitsplätze für Langzeitarbeitslose schaffen. Das beginnt. Die EU Budgetvorgaben sind derzeit würde knapp 1 Milliarde kosten – das entspricht nicht noch ausgesetzt, aber für 2022 gelten sie wieder. einmal drei Tausendstel der jährlichen Wirtschafts- Dabei wäre die Finanzierung von Konjunkturpake- leistung. Drei Tausendstel, das sollte es uns doch ten im Moment kein Problem, die Zinsen sind auf wert sein, wenn wir damit die Langzeitarbeitslosig- Null, Geld kostet den Staat momentan nichts. Jede keit beseitigen könnten und jenen Menschen helfen, sinnvolle Ausgabe zahlt sich somit aus. Wir könnten die finanziell und psychisch unter einem permanen- uns gegen die Klimakrise wappnen, Menschen in der ten Druck stehen! Pflege beschäftigen, im öffentlichen Sektor einstellen – all das hätte auch großen Nutzen! Wir hätten die Wann wird die Wirtschaft wieder in Fahrt kommen einmalige Chance, Zukunftsprojekte umzusetzen! und was wären Ihre Empfehlungen für die unmittel- bare Zukunft? Reicht das derzeitige Konjunkturpaket aus, um das Der tiefe Einbruch ist inzwischen vorbei – und Wachstum zu beschleunigen? immer vorausgesetzt, die Cluster-Isolation im Im Konjunkturpaket finden sich viele Maßnahmen Herbst gelingt und es gibt keine neuen Lock- für Unternehmen, die nicht zielgerichtet sind. Der Fo- down, – so wird der wirtschaftliche Aufschwung kus sollte auf Unternehmen und Bereiche gelegt wer- zwar kommen, aber ich fürchte, er wird zu schwach den, wo Unterstützung tatsächlich gebraucht wird. sein. Alle WirtschaftsforscherInnen sind sich ei- Auch der Konsum sollte angekurbelt werden. nig, dass wir erst im Jahr 2022, schlimmstenfalls Tatsächlich ist das Füllhorn derzeit für alle Unter- 2023, das wirtschaftliche Niveau von vor der Kri- nehmen offen, auch für jene Unternehmen, die von se erreichen werden. Das wirft uns enorm zurück! der Krise gar nicht so sehr betroffen sind. Gleich- Für Österreich bedeutet das, dass wir ein zweites zeitig ist man an der falschen Stelle geizig, indem Konjunkturpaket brauchen, das vor allem Geld in z.B. die Arbeitslosen eine kleine Einmalzahlung er- Beschäftigung investiert. Ebenso müssten die ande- halten statt einer ordentlichen Erhöhung des Ar- ren Länder Europas und die USA investieren um die beitslosengeldes. Die Regierung müsste in der Steu- Wirtschaft zu beschleunigen, damit die Arbeitslosig- erreform stärker die NiedrigverdienerInnen ent- keit unter das Niveau von vor Corona gesenkt wird. lasten und auch die KMUs unterstützen, anstatt Eine große Gefahr ist, dass man jetzt zwar ein bisschen Steuergeschenke für Großunternehmen zu planen. investiert, um das Schlimmste zu verhindern, aber All das hat derzeit dramatische wirtschaftliche Kon- dann zu früh wieder spart. Solange sich die Wirtschaft sequenzen. Viel Geld droht verschleudert zu wer- nicht auf einem ausreichenden Wachstumskurs be- den, anstatt dorthin zu gelangen, wo es den größten findet, ist das gefährlich, weil es bleibende reale Ein- wirtschaftlichen Nutzen hätte und Arbeitsplätze kommensverluste bedeuten würde. Denn selbst dann, schafft. ● wenn die Wirtschaft wieder zu wachsen beginnt, so Das Interview führte Barbara Lavaud KOMPETENZ 3/2020 11
ARBEIT Handel Atemlos durch den Tag Während der Krise sicherten die ArbeitnehmerInnen im Lebensmittelhandel unsere Grundversorgung. Als Corona-HeldenInnen wurden sie deshalb gelobt. Doch die Unterstützung der Regierung endet, wenn es um konkrete Taten geht, etwa bei der Einführung einer bezahlten Maskenpause. E xtreme Leistungsbereitschaft die Beschäftigten wohl mehr als ver- berichtet von der körperlichen Belas- und ein hohes Maß an Flexibi- dient.“ tung bei Sommerhitze und gleichzeiti- lität, das haben die Beschäftig- ger Maskenpflicht, die ihre Mitarbeite- ten im österreichischen Handel seit HINTER ZELLSTOFF UND PLASTIK rInnen in gehörige Atemnot gebracht Beginn der Corona-Pandemie täglich Wer schon einmal mit MN-Schutz hat. Aber nicht bloß körperlich ist die bewiesen. Zeitgleich konnte der Le- gearbeitet hat, kennt die Problema- Arbeit in den Supermärkten noch an- bensmittelhandel in den vergangenen tik. „Beim Schlichten und Einräumen strengender geworden, auch sonst ist Monaten hohe Umsätze es schwieriger geworden. erzielen. Trotz allem wird nun um ein wenig Ent- „BEIM SCHLICHTEN UND EINRÄUMEN tenDiesorgen herausfordernden Zei- schon mal für lastung hitzig debattiert. KOMMEN DIE KOLLEGiNNEN SCHNELL schwierige KundInnen, die Für Anita Palkovich, Wirt- INS SCHWITZEN.“ etwa eine MNS-Maske verwei- schaftsbereichssekretärin gern – trotz des eigenen Stres- und KV-Verhandlerin in SABINE EIBLMAIR ses dabei besonnen zu agieren, der GPA-djp, gibt es daran ist nicht immer einfach. „Und auch gar nichts zu rütteln: „Eine be- der Waren kommen die KollegInnen was noch dazukommt: Weil auch die zahlte Maskenpause, die Zeit zur Re- schnell ins Schwitzen,“ weiß Sabine KundInnen Masken tragen müssen, Foto: iStock generation gibt und die hohe Arbeits- Eiblmaier aus Erfahrung. Die Gesamt- sind sie schwerer zu verstehen und belastung etwas abmildert, haben sich betriebsratsvorsitzende bei Interspar die MitarbeiterInnen müssen lauter 12 3/2020 KOMPETENZ
Handel ARBEIT sprechen“, erklärt Eiblmaier. „Mit der und für ihren Einsatz belohnt wird.“ nen gelobt, beklatscht und besungen. Zeit führt das alles zu einer ziemli- Um Pausen überhaupt einhalten zu Doch wenn es um konkrete Gegenleis- chen Belastung.“ können und den Arbeitsdruck auf ein tungen geht, schaut es eher düster aus normales Niveau zu senken, ist eine „Für alle Beschäftigten, die zwischen UNTERBESETZT UND ALLEIN Mindestbesetzung in den Filialen dem 13. und 21. März gearbeitet haben, GELASSEN dringend notwendig. „Doch viele Fi- gab es eine Prämie“, ergänzt Eiblmai- Zu Beginn des Sommers hat die lialen sind unterbesetzt“, weiß Anitaer, sie vertritt 6.500 ArbeitnehmerIn- GPA-djp mehr als 2.000 Handelsange- Palkovich. „Das sorgt für zusätzlichenen bei Interspar. Dafür waren die stellte aus allen Bundesländern zu ih- Belastung und mehr Stress. Gerade MitarbeiterInnen zwar dankbar, aber ren Arbeitsbedingungen befragt. Dabei jetzt braucht es mehr Personal.“ Die 75 Euro für eine Teilzeitkraft und 150 gaben 75,6 Prozent der Beschäftigten GPA-djp fordert zudem schnelle und Euro für eine Ganztagskraft sind vom an, sich durch die gesetzten Maßnah- unbürokratische Hilfe bei der Verar- vielfach bemühten Corona-Tausender men am Arbeitsplatz sicher und ge- beitung besonderer Belastungen und arg weit entfernt. „Beim Thema Coro- schützt zu fühlen. „Die MNS-Maske außergewöhnlicher Situationen. na-Tausender wird von der Geschäfts- für KundInnen und führung immer wieder auf die die verschärften Hygi- Regierung verwiesen, wir müs- enebestimmungen ha- sen also warten, was da kommt“, ben den Handelsange- „VIELE FILIALEN SIND UNTERBESETZT. so Eiblmaier. stellten Sicherheit ge- Vor dem Hintergrund stei- DAS SORGT FÜR ZUSÄTZLICHE BELAS- geben“, erklärt Anita gender Infektionszahlen steigt Palkovich. „Jetzt heißt TUNG UND MEHR STRESS. GERADE auch die Anspannung unter es, nicht nachzulassen, JETZT BRAUCHT ES MEHR PERSONAL.“ den BetriebsrätInnen wieder: damit das Einkaufen „Jeden Tag kommen neue The- weiterhin für alle un- ANITA PALKOVICH men, wir schauen uns die Re- gefährlich bleibt.“ gierungspressekonferenzen an, um zu hören, was jetzt wie- ARBEIT MIT MASKE der verkündet wird“. So sind BELASTET PAUSENLOS MIT DER ÖVP Weihnachtsfeiern derzeit abgesagt, Was die MitarbeiterInnen bei der Doch nicht jeder gönnt den Arbeit- auch die Problematik, wie Risiko- Umfrage jedoch beklagten, sind die nehmerInnen leichtere Bedingungen. gruppen unter den Beschäftigten in Belastungen, die ihre Arbeit mit der Wirtschaftskammer und regieren- der Arbeit eingesetzt werden sollen, MNS-Maske verursacht, die Unter- de ÖVP-MinisterInnen lehnen das bleibt. „Und viele Menschen schütten besetzung der Geschäftsfilialen und, ab. Wirtschaftsministerin Margarete bei uns Betriebsräten ihr Herz aus“, dass sie bei der Bewältigung des plötz- Schramböck argumentiert: „Wir dür- berichtet Eiblmaier. „Das nimmt lich angefallenen Stresses allein ge- fen die Unternehmen in der jetzigen einen schon mit, das beschäftigt lassen wurden. Die GPA-djp fordert Zeit nicht noch mehr belasten“. Die einen, das können wir nach dem Ende deshalb: wird der MNS-Schutz über ArbeitnehmerInnen aber offenbar des Gesprächs nicht einfach weg- zwei Stunden getragen, muss es auch schon. Dabei hat der Lebensmittelhan- schalten.“ l eine verpflichtende und bezahlte del heuer Umsatzgewinne verzeichnet Christian Resei Pause von 15 Minuten für die Arbeit- – zwischen März und Juni 2020 gab nehmerInnen geben. Das ist schon es zweistellige Zuwachsraten. Trotz- allein deshalb notwendig, weil der dem erachten die Arbeitgeber es nicht Lebensmittelhandel die mit Abstand als notwendig, eine gesetzliche Mas- höchste Quote an Teilzeitbeschäftig- kenpause einzuführen. Palkovich ist ten hat. Sie arbeiten oftmals weniger verärgert: „Es ist längst an der Zeit, als sechs Stunden und haben darum diese minimale Erleichterung für die nicht einmal Anspruch auf die gesetz- Beschäftigten umzusetzen, denn die liche unbezahlte Pause. Arbeitsbelastung im Lebensmittel- „Deshalb ist die bezahlte Masken- handel ist ungebrochen hoch .“ pause schon sehr wichtig“, sagt Mi- chael Wörthner, Betriebsratsvor- KEIN CORONA-TAUSENDER IN SICHT sitzender von Lidl Österreich. „Das Die Pandemie veränderte den Ar- Tragen der Maske ist auf Dauer an- beitsalltag, für die Bewältigung des strengend, es ist daher wichtig, dass enorm gewachsenen Arbeitsaufwan- die Belegschaft durchschnaufen kann des wurden die HandelsmitarbeiterIn- KOMPETENZ 3/2020 13
JUGEND Arbeitslosigkeit „Wir wollen Taten sehen!“ Österreichweit fehlen 10.000 Lehrstellen. Der Lehrlingsbonus der Regierung reicht nicht, GPA-djp-Jugendvorsitzende Susanne Hofer fordert dringend einen Notausbildungsfonds. D ie Jugendarbeitslosigkeit in Große Probleme am Arbeitsmarkt Österreich war seit 1945 noch sieht Hofer vor allem in Ballungszen- nie so hoch wie jetzt. Aufgrund tren. Viele Betriebe bilden weniger der Corona-Wirtschaftskrise brechen oder gar nicht aus. Sie können sich die Ausbildungsplätze für Jugendli- Lehrlinge zur Zeit nicht leisten oder che weg. „Wir haben eine extrem hohe haben Angst, dass sich die wirtschaft- Lehrstellenlücke und rechnen mit liche Lage verschlechtert, sodass sie 10.000 fehlen- den Ausbil- den Ausbil- dungsplatz dungsplätzen. „DER LEHRLINGSBONUS IST nicht für die Dazu kom- EIN NETTES GOODIE, ABER nächsten drei men die Ju- oder vier Jah- gendlichen in ER KANN DAS PROBLEM re sicherstel- überbetriebli- NICHT LÖSEN.“ len können. chen Ausbil- SUSANNE HOFER Die Bun- dungsstätten, desregierung die in Betriebe wechseln möchten“, hat zur Unterstützung den sogenann- Das Geld aus dem Fonds sollte ent- rechnet die Bundesjugendvorsitzende ten Lehrlingsbonus geschaffen: Mit sprechend nur an jene Betriebe gehen, der GPA-djp, Susanne Hofer, vor. „Die bis zu 3.000 Euro pro neu eingestell- die es tatsächlich benötigen, die aus- aktuelle Situation am Arbeitsmarkt ist tem Lehrling soll dieser Bonus die bilden möchten, es sich aber derzeit nicht nur katastrophal für die Jugend- Aufnahme von Lehrlingen fördern. nicht leisten können. Ihnen soll dieser lichen, sie ist als wirtschaftliches Prob- Der Bonus gilt im Zeitraum von 16. Fonds ermöglichen, Lehrlinge aufzu- lem noch dazu enorm teuer für unser März bis 31. Oktober dieses Jahres, so- nehmen und ihre AusbildnerInnen zu Land.“ wie bei Übernahme eines Lehrlings bezahlen. Das Paradox: Zahlreiche Firmen aus der Überbetrieblichen Ausbil- Auch im öffentlichen und staatsna- klagen über Fachkräftemangel, wollen dung bis 31.03.2021. Voraussetzung hen Bereich könnten mehr Lehrlinge aber nicht ausbilden. „Das Problem ist dafür ist die Ausbildung über die ge- aufgenommen werden. „Einige Bun- nicht neu, aber Corona verstärkt es“, setzliche Probezeit von drei Monaten desländer, wie z.B. Wien, sind da vor- analysiert Hofer. Im Grunde genom- hinaus. bildlich, doch bei anderen wäre noch men eine einfache Rechnung: „Wenn mehr drin“, sagt Hofer. „Wir erwarten ich nicht ausbilde, habe ich keine Fach- NETTES GOODIE uns mehr als nur nette Goodies, die kräfte. Das ist das gleiche, wie wenn Wird diese Maßnahme ausreichen? Bundesregierung muss die Jugendar- ich nicht einkaufe - dann bleibt mein „Der Lehrlingsbonus ist in unseren Au- beitslosigkeit ernst nehmen und als Kühlschrank leer.“ gen ein nettes Goodie“, kritisiert Hofer, Priorität behandeln, sonst droht eine Der Druck auf dem Arbeitsmarkt „doch er kann das Problem nicht lö- Lost Generation am Arbeitsmarkt. sei extrem groß, so Hofer weiter. Ju- sen.“ Denn das zur Verfügung gestellte Die Gewerkschaftsjugend will end- gendliche mit schlechteren Schul- Geld geht im Gießkannenprinzip an lich Taten sehen!“ l oder Ausbildungsnoten würden ab- alle Unternehmen, d.h. auch an jene, Barbara Lavaud gedrängt und hätten kaum Chancen die es eigentlich gar nicht bräuchten. ZUR PERSON: am Arbeitsmarkt. Es braucht daher „Für die ist es natürlich ein netter Bo- Susanne Hofer ist seit 2017 Maßnahmen von der Regierung, um nus. Aber was wir jetzt wirklich drin- Bundesjugendvorsitzende der GPA-djp. Beim Online-Bundesjugendforum im vergangenen Foto: ÖGJ allen jungen Menschen eine gute gend brauchen, ist ein Corona-Notaus- September wurde sie in ihrer Funktion bestätigt. Zukunftsperspektive zu vermitteln. bildungsfonds!“ fordert Hofer. 14 3/2020 KOMPETENZ
Zeit für die 6. Urlaubswoche Urlaubsanspruch seit 1986 unverändert. W ussten Sie eigentlich wie viele Wo- chen Urlaub Ihnen im Jahr zustehen? Normalerweise fünf. Sechs Wochen Urlaub bekommen Sie erst, wenn Sie 25 Jah- re beim gleichen Arbeitgeber gearbeitet haben. ODER es können Vordienstzeiten bei anderen Arbeitgebern, Schulzeiten und Studienzeiten im Ausmaß von maximal 12 Jahren angerechnet werden und Sie kommen so auf die 25 Jahre. Das klingt, als würden Sie niemals im Leben die 6. Woche erreichen? Genau, deswegen sind wir der Meinung: Das muss sich ändern! Wir fordern die sechste Urlaubswoche für alle Beschäftigten. l FOTOGRAMM Foto: Edgar Ketzer KOMPETENZ 3/2020 15
ARBEIT Amazon Amazon und die Corona-Krise Wie kaum ein anderer Konzern konnte Amazon von der Corona-Krise profitieren und die Marktmacht auf Kosten seiner Beschäftigten weiter ausbauen. D er Lockdown im Zuge der der Corona-Krise vielfach unter un- mens im Durchschnitt um 46 Prozent COVID-19-Pandemie hat die tragbaren Arbeitsbedingungen ver- pro Jahr – verglichen mit 10,3 Prozent Nachfrage an Produkten des richten. An zahlreichen Standorten er- bei Microsoft oder 8,7 Prozent bei Ap- Online-Vertriebs (E-Commerce) so- kämpften die Beschäftigten gemein- ple. wie im Bereich der IT-Infrastruktur sam mit ihren Gewerkschaften durch Aufgrund des flächendeckenden (Webservices) weltweit rasant anstei- Streiks oder die Einschaltung von Ar- Lockdowns in zahlreichen Ländern gen lassen. Vor allem der Internet-Gi- beitsaufsichtsbehörden notwendige während der Corona-Pandemie ha- gant Amazon mit seiner breit gefä- innerbetriebliche Schutzmaßnahmen ben sich große Teile des stationären cherten Produktpalette hat dadurch gegen die weitere Verbreitung des Co- Einzelhandels in den Online-Bereich neben Rekordumsätzen auch sei- ronavirus. Dabei haben einige Mitar- verlagert. Amazon konnte daher seit nen Einfluss auf Wirtschaft und Ge- beiterInnen auch ihren Arbeitsplatz Beginn der Gesundheitskrise noch hö- sellschaft enorm erweitern können. verloren. here Umsatzzuwächse einfahren. Im Unternehmenschef Jeff Bezos, der E-Commerce-Bereich konnte das Un- schon vor der Krise der reichste Mann PROFITEUR DES CORONA-LOCK- ternehmen insgesamt eine Steigerung der Welt war, konnte sein Vermögen DOWNS von 20 Prozent verzeichnen. Alleine von 113 Milliarden US-Dollar Anfang Amazon expandierte bereits vor im März stiegen die täglichen Zugrif- März auf 182,6 Milliarden US-Dollar der COVID-19-Krise rasant und konn- fe auf die Amazon-Homepage um Anfang Juli steigern. Die Amazon-Mit- te seine Vormachtstellung im E-Com- über 9 Prozent an. Die Nachfrage nach arbeiterInnen hingegen, die diesen merce sowie im Webservice-Bereich Dienstleitungen wie Lebensmittellie- Foto: iStock Reichtum erwirtschaftet haben, müs- immer weiter ausbauen. Von 2013 bis ferungen nahm indessen um 90 Pro- sen ihren Job insbesondere während 2019 stieg der Umsatz des Unterneh- zent zu. Der Absatz von Lebensmit- 16 3/2020 KOMPETENZ
Amazon ARBEIT teln war in der Woche vom 16. März dewaschen oder das Reinigen von Ar- lerzentren nicht ausreichend nach- doppelt so hoch wie in der Woche vom beitsmitteln, sind aufgrund der vom gekommen sei. Das Unternehmen 6. Jänner. Die Steigerungen beim Ver- Management vorgegebenen Erfül- musste dem Urteil zufolge seine Lie- kauf von Schönheits- und Pflegepro- lungsquoten pro Schicht kaum mehr ferungen auf wichtige Waren wie Le- dukten lagen im gleichen Zeitraum bei möglich gewesen. Darüber hinaus be- bensmittel oder medizinische Güter 47 Prozent. Durch vermehrte Video- richteten Beschäftigte über verwir- beschränken und die Sicherheitsmaß- konferenzen, Homeschooling sowie rende Regelungen bei Krankheitsfäl- nahmen für die Beschäftigten verstär- Videostreaming konnte die Unterneh- len und der Weigerung des Unterneh- ken. Wäre der Betrieb unter den da- menssparte Amazon-Web-Services mens, Krankenstände, hervorgerufen maligen Rahmenbedingungen fort- (AWS) im ersten Quartal 2020 ihren durch das Coronavirus, zu vergüten. gesetzt worden, hätte dem Konzern Umsatz um 33 Prozent steigern. MitarbeiterInnen in den Lebensmit- eine tägliche Geldstrafe in Höhe von Das Unternehmen profitierte von telgeschäften der Amazon-Tochter einer Million Euro gedroht. Amazon einer steigenden Nachfrage in nahe- „Whole Foods Market“ unternahmen legte erfolglos Berufung gegen dieses zu allen Geschäftsbereichen und hat ebenfalls Arbeitsniederlegungen. Urteil ein und schloss unterdessen im 2. Quartal 2020 einen geschätzten Amazon hat dabei mindestens alle Verteilerzentren in Frankreich Betriebsgewinn von ca. 4 Milliarden sechs Beschäftigte, die sich gegen die vorerst gänzlich. Nach wochenlangen US-Dollar eingefahren. Firmenpolitik in den USA während Verhandlungen einigte sich das Un- der Corona-Pandemie ausgesprochen ternehmen mit den Gewerkschaften UNTRAGBARE haben, entlassen. Zahlreiche weitere auf entsprechende Gesundheits-, Hy- ARBEITSBEDINGUNGEN Beschäftigte berichteten von „diszi- giene- und Sicherheitsvorkehrungen Trotz der gesteigerten Gewinnmar- plinarischen Maßnahmen“ durch für die Beschäftigten. gen hat sich die Situation für die Mit- Amazon gegen Teile der Belegschaft. Auch in Deutschland, Italien, arbeiterInnen an vielen Standorten Im Mai reichte sogar Amazon-Vi- Spanien und dem Vereinigten König- verschlechtert. Aufgrund steigender zepräsident Tim Bray aus Protest ge- reich kam es im Zuge der Corona-Kri- COVID-19-Fallzahlen in den US-ame- gen den Umgang mit den Beschäftig- se von Seiten des Unternehmens zu rikanischen Amazon-Lagern verlie- ten während der Corona-Pandemie groben Verstößen was Gesundheit ßen zahlreiche Beschäftigten aus Pro- seine Kündigung ein und verur- und Sicherheit der MitarbeiterInnen test ihre Arbeitsplätze an den Standor- teilte das Verhalten von Amazon am Arbeitsplatz betrifft. Beschäftig- in einem öffentlichen Brief scharf. te und Gewerkschaften reagierten Am 14. April gab es in knapp 75 der darauf weitgehend erfolgreich mit 110 Verteilerzentren von Amazon in Arbeitsniederlegungen sowie dem den USA mindestens eine positiv auf Einschalten nationaler Arbeitsauf- das Coronavirus getestete Person. Im sichtsbehörden. l Mai weigerte sich Amazon die Ge- Manuel Stolz samtzahl der am Virus erkrankten Be- schäftigten offenzulegen. Inoffizielle Zählungen gehen von über 900 Infi- Amazon-frei shoppen zierten aus. Viele regionale HändlerInnen und UnternehmerInnen haben GEWERKSCHAFTEN BEKOMMEN einen eigenen Online-Versand RECHT - auch jene, die vor Ausbruch der Corona-Krankheit vielleicht Mehrere französische Gewerk- noch keinen hatten. schaften befanden sich aufgrund der mangelhaften Gesundheits-, Hygi- • Die Plattform nunukaller.com ene- und Sicherheitsvorkehrungen listet Unternehmen, die ihre Produkte auch online anbieten. in den Verteilerzentren im Streit mit • Mit der Österreichischen Amazon. Das Unternehmen ignorier- Onlineshop-Fibel vom ten in New York, Chicago und Detroit. te unter anderem gesetzliche Min- Wochenmagazin Falter findet Im Mittelpunkt der Kritik standen da- deststandards und wurde daraufhin sich eine Übersicht über alle Shopping-Möglichkeiten bei die mangelhaften Gesundheits-, von den Gewerkschaften verklagt. abseits von Amazon. Hygiene- und Sicherheitsvorkeh- Ein Gericht stellte schließlich fest, • Ein Klassiker, der sich auch zu rungen. MitarbeiterInnen beklagten dass Amazon seinen Verpflichtungen Corona-Zeiten bewährt, ist fehlende Schutzausrüstungen und zum Schutz von Gesundheit und Si- selbstverständlich der Online- Marktplatz Willhaben.at Desinfektionsmittel. Notwendige cherheit seiner Beschäftigten wäh- Hygienemaßnahmen, wie das Hän- rend der Corona-Krise in den Vertei- KOMPETENZ 3/2020 17
KURZMELDUNGEN Aktuelles ARBEITSMARKT Deutlich mehr Arbeitslose als vor Corona Arbeitslosenquote seit Beginn der Corona-Krise weit über Vorjahreswert 16% 14% AL-Quote (inkl. SchulungsteilnehmerInnen) 13,5% 13,8% 12% 12,5% 10% 11,1% 10,2% 10,1% 8,9% 8% 8,7% 8,3% 7,9% 7,8% 7,7% 6% 4% 2% 0% Jänner Februar März April Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez. AL-Quote (inkl. SchulungsteilnehmerInnen) AL-Quote 2020 AMS. Seit dem historischen Arbeitslosenrekord ZU WENIG PERSONAL Mitte April mit 571.477 Personen ohne Job sin- Die Vermittlung der vielen zusätzlichen Arbeits- KURZMELDUNGEN ken die Zahlen kontinuierlich. Die Arbeitslosen- losen und die Abwicklung der Kurzarbeit haben quote liegt jedoch seit März unverändert immer beim AMS zu vielen Überstunden geführt. Der deutlich über dem Vorjahreswert. AMS-Betriebsrat machte der Politik Druck für Dazu kommt, dass mehr als 450.000 Menschen mehr Personal und rief zu einer Urabstimmung immer noch in Kurzarbeit sind und niemand der- „über gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen bis zeit genau sagen kann, wieviele davon vielleicht hin zum Streik“ auf. Gefordert wurden mindes- noch arbeitslos werden. Derzeit liegen die Ver- tens 652 Vollzeitstellen mehr. Nun soll die For- längerungsanträge jedefalls deutlich unter den derung zumindest teilweise umgesetzt werden Erwartungen. Rund 4,3 Milliarden Euro an Kurz- und das AMS bis 2023 350 neue MitarbeiterIn- arbeitsgeld sind bisher an Unternehmen ausge- nen bekommen. ● zahlt worden. ARBEITSZEIT 4-Tage-Woche Schottland. Die vom schottischen Unternehmer Bei der Einführung der 4-Tage-Woche war Bar- Andrew Barlett geführte Beratungsfirma „Ad- lett vor allem wichtig, dass seine MitarbeiterIn- vice Direct Scotland“ hat bereits 2018 die 4-Ta- nen keine finanziellen Einschnitte zu spüren ge-Woche eingeführt. Die Arbeitszeitverkür- bekommen. In der verkürzten 32-Stunden-Ar- zung auf 32 Wochenstunden bei vollem Lohn- beitswoche sind auch nach wie vor die bezahl- ausgleich hat neben einer höheren Produktivität ten Pausen inkludiert. Die Initiative für mehr auch zu einem positiveren Arbeitsumfeld und Freizeit hat das allgemeine Wohlbefinden in zu weniger Krankenständen bei den mehr als 90 der Belegschaft sichtlich gesteigert und zu einer Beschäftigten geführt. Gleichzeitig konnte auch Verbesserung des Arbeitsklimas beigetragen. ● die KundInnenzufriedenheit weiterhin sicherge- stellt werden. Die schottische Beratungsfirma ist damit eines von vielen Unternehmen weltweit, die im Zuge einer Arbeitszeitverkürzung bei vol- Mehr Infos auf lem Lohnausgleich eine erfolgreiche Bilanz auf KOMPETENZ online ganzer Linie ziehen können. http://bit.ly/4-Tage-Woche 18 3/2020 KOMPETENZ
KURZMELDUNGEN WHISTLEBLOWING Wenn Beschäftigte Missstände aufdecken Broschüre. Wenn Beschäftigte bei ihrer Arbeit auf grobe Missstände stoßen, braucht es viel Zi- vilcourage um damit an die Öffentlichkeit zu gehen und zum Whistleblower zu werden. Um sicherzustellen, dass HinweisgeberInnen sich Download unter: angstfrei melden können, wird das Prozedere in http://bit.ly/ einem Whistleblowing-System festgelegt. Dem whistleblowing_ Betriebsrat kommt hier eine wichtige Rolle zu. broschüre Die Broschüre „Whistleblowing“ stellt Vorbe- reitungsfragen, Checklisten, Praxis-Tipps und rechtliche Rahmenbedingungen zum Thema Whistleblowing und dem Einsatz von einem HinweisgeberInnen-System zur Verfügung. ● VERMÖGENSSTEUER Millionäre wollen Steuern zahlen Verteilungsgerechtigkeit. „Menschlichkeit ist egal wie großzügig sie ist. Regierungen müssen wichtiger als Geld“, sagen 83 MillionärInnen in Verantwortung übernehmen um die benötigten einem offenen Brief. Sie fordern eine Reichen- Gelder aufzutreiben und fair zu verteilen. Wir steuer, um öffentliche Dienstleistungen zu fi- müssen die adäquate Finanzierung unserer Ge- nanzieren. sundheitssysteme, Schulen und Sicherheit durch „Wir haben Geld, und zwar einen Haufen davon“, eine permanente Steuererhöhung für die reichs- kommen die UnterzeichnerInnen direkt zur ten Menschen auf dem Planeten sicherstellen, Sache. „Dieses Geld wird jetzt verzweifelt be- also für Leute wie uns.“ ● nötigt und wird auch in den kommenden Jah- ren gebraucht werden, während sich unsere Welt von dieser Krise erholt.“ Gemeint ist die Mehr Infos auf COVID-19-Pandemie. „Die durch COVID-19 KOMPETENZ online verursachten und aufgezeigten Probleme kön- https://bit.ly/Kompetenz_ nen nicht durch Wohltätigkeit gelöst werden, Millionäre-wollen-Steuern-zahlen Foto: Daniel Shaked KOMPETENZ 3/2020 19
BETREUUNG Kinder Berufstätige Eltern müssen planen können Kindergärten und Schulen müssen bei einer zweiten Coronawelle Betreuung anbieten, fordern Gewerkschaft und ElternvertreterInnen. Mütter und Väter dürften nicht nochmals – wie im Frühjahr – zu BittstellerInnen werden. D ie schwierige Betreuungssi- aus dem Hut, die bis Ende Mai in An- BEREITS ERSTE CORONAFÄLLE IN tuation im Frühjahr hat viele spruch genommen werden konnte, SCHULEN Eltern, vor allem Alleinerzie- allerdings ohne Rechtsanspruch und Das neue Schuljahr ist angelaufen, hende, an die Grenzen ihrer Belast- auch für Arbeitgeber wenig attrak- an den ersten Schulen gab es bereits barkeit gebracht. Die einen mussten tiv, da nur ein Drittel der Lohnkosten Coronafälle und insgesamt steigen die Home-Office und Distance Learning durch den Bund übernommen wur- Infektionszahlen wieder rasant. Was unter einen Hut bringen. Die anderen de. Die Inanspruchnahme war daher bedeutet das für die Eltern? Evelyn wussten während des Shutdowns, wo überschaubar, auch wenn das Modell Kometter, Vorsitzende des Österrei- Schulen nicht geöffnet hatten, nicht, als Sommer-Sonderbetreuungszeit chischen Verbandes der Elternver- wie sie ohne Großeltern die Betreuung mit weiteren drei Wochen bis Ende eine an öffentlichen Pflichtschulen, der Kinder bewerkstelligen sollten. September ausgeweitet und verlän- pocht – wie auch Isepp – darauf, dass gert wurde. Dies spiegelte aber nicht die Schulen zu jeder Zeit für jene Kin- SONDERBETREUUNGSZEIT den tatsächlichen Bedarf an Betreuung der offenstehen, deren Eltern berufs- Foto: iStock Die Regierung zauberte zwar eine wieder, kritisiert GPA-djp-Frauense- tätig sind und nicht im Home-Office dreiwöchige Sonderbetreuungszeit kretärin Birgit Isepp. arbeiten können. Sie berichtet, dass sie 20 3/2020 KOMPETENZ
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