LÖSCHEN, UM ZU RETTEN - Neues Konzept für Brände in Tunneln erprobt

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LÖSCHEN, UM ZU RETTEN - Neues Konzept für Brände in Tunneln erprobt
FRÜHLING 2023 | 15. AUSGABE

                                                                   DAS MAGAZIN FÜR DIE
                                                                   BERLINER FEUERWEHR

                               TITELTHEMA

                              LÖSCHEN, UM ZU RETTEN
                              Neues Konzept für Brände in Tunneln erprobt

                              HOHEITLICHE                      GEWALT ZUM                      DANKE
                              AUFGABE                          JAHRESWECHSEL                   FÜR ALLES!
                              Haftungsrechtliche Grundlagen    Schilderungen der               Karsten Göwecke legt nach
                              in der Berliner Notfallrettung   ­Silvesternacht – eine Bilanz   48 Jahren seine Uniform ab
LÖSCHEN, UM ZU RETTEN - Neues Konzept für Brände in Tunneln erprobt
Dr. Karsten Homrighausen
                                          Landesbranddirektor

            TROTZ UNMUT KEINE
            VORSCHNELLEN URTEILE
            Die Angriffe an Silvester auf Angehörige unserer
            Feuerwehr machen mich persönlich betroffen.
            Als Ihr Landesbranddirektor fühle ich mich der
            Sicherheit und dem Wohlergehen aller Einsatzkräfte
            verpflichtet. Und es trifft mich sehr, dass dies in der
            Nacht vom 31. Dezember 2022 zum 1. Januar 2023
            nicht gewährleistet werden konnte. Aus Helfenden
            wurden Betroffene.                                        28
            Ich werde mich nun mit aller Kraft dafür einsetzen,       TITELTHEMA
            dass sich solche Ausschreitungen nicht wiederholen
            können. Und dabei wird die Berliner Feuerwehr
                                                                      NEUES „TUNNEL-KONZEPT“
            auch auf die Solidarität und das Handeln der Politik      22 Einsatzkräfte der Berliner Feuerwehr
            zählen können. Eine Einschränkung von privatem            haben das neue Einsatzkonzept erprobt.
            Feuerwerk im Stadtgebiet wäre aus meiner Sicht
            eine richtige Vorsorge – ein erster Schritt.

            Was aber treibt Menschen an, Helfende anzugreifen
            und sie gar verletzen zu wollen? Ich kann es nicht
            erklären. Ich weiß nur: Diese Gewalttätigen treten               14
            grundlegende Gemeinsamkeiten unserer Stadtge­
                                                                              Planübungen und Exkursionen:
            sellschaft mit Füßen. Es ist nun Aufgabe der Straf­
                                                                              In 2022 konnten die
            verfolgung und der Politik, sich dieser Vorgänge an­              Notfallsanitäterinnen und
            zunehmen, die richtigen Schlüsse zu ziehen und für                Notfallsanitäter wieder stärker
                                                                              praktisch ausgebildet werden.
EDITORIAL

            Abhilfe zu sorgen. Die Berliner Feuerwehr wird sich
            im Rahmen ihrer Möglichkeiten daran beteiligen.

            Dazu gehört aber eines nicht: Wenn über vermeint­
            liche Tätergruppen oder Merkmale – etwa Herkunft
            oder Alter – spekuliert wird, dann machen wir nicht
            mit. Herkunft und Alter sind keine grundsätzlichen
            Auslöser für Gewalttaten. Vorschnelle Urteile und
            Ressentiments vertragen sich nicht mit den Werten
            der Berliner Feuerwehr: Das Wohl des Menschen
            steht für uns an erster Stelle. Bleiben wir diesem
            Geist auch in einer Stunde unseres Unmuts treu!

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LÖSCHEN, UM ZU RETTEN - Neues Konzept für Brände in Tunneln erprobt
Bild: Tim Seiffert
                                                                                   INHALT

                                                                                    4   SPRACHE KANN DISKRIMINIEREN
                                                                                        Gemeinsam verbannen wir
                                                                                        Floskeln aus dem Sprachgebrauch.

                                                                                    6   AUCH DAS FBI SCHAUT ZU
                                                                                        Großübung zu Terroranschlag mit
                                                                                        biochemischen Kampfstoffen.

                                                                                   12   HOHEITLICHE AUFGABEN
                                                                                        Wie und wo greift die Amtshaftung:
                                                                                        Wir erklären die Regelungen.

                                                                                   18   PROJEKT-TEAM TXL
                                                                                        Die Planungen für den Neubau der

             16                          Sicherheit hat Vorrang:                        BFRA schreiten gut voran.
                                         Eine Ausbildungsklasse lernt den
                                         Umgang mit der Motorkettensäge.
                                                                                   20   ERSTE HILFE FÜR DIE SEELE
                                                                                        Psychosoziale Notfallversorgung
                                                                                        für Einsatzkräfte und Betroffene.

                                                                                   21   KLEINER STICKER, GROßE HILFE
                                                                                        Der Aufkleber „Kinderfinder“ weist
                                                                                        Rettungskräften den Weg.

                                                                                   22   GEWALT ZUM JAHRESWECHSEL
                                                                                        Unsere Einsatzkräfte schildern
                                                                                        Angriffe in der Silvesternacht.

                                                                                   26   DANKE, KARSTEN GÖWECKE!
                                                                                        LBD-V verantwortet Aufbau des
                                                                                        Landesamts für Katastrophenschutz.

                                                                            36     34   DAS FIF MIT PFIFF
                                                                                        Ein klug konstruiertes Lastenrad
                                                                                        unterstützt Brandschutzaufklärung.
                                                  Weihnachtsmann am Kletterseil:
                                                    Weihnachts-Wunder-Wachen
                                                              waren im Einsatz.    38   SCHNITZEL GUT GESTAPELT
                                                                                        Michel Priem verrät uns ein Rezept

                                                    8
                                                                                        für herzhafte Schnitzeltürme.

                                                      Herausforderungen meistern
                                                      wie die Großen.

                22
  Politische Anteilnahme
nach Silvester-Krawallen:
  Bundesinnenministerin,
                                                                                    10
     Regierende Bürger-                                                              Neue Wache für die
 meisterin und Senatorin                                                             Freiwillige Feuerwehr
  für Inneres, Digitalisie-                                                          Wilmersdorf.
  rung und Sport auf der
         Wache Neukölln.
                                                                                                                             3
LÖSCHEN, UM ZU RETTEN - Neues Konzept für Brände in Tunneln erprobt
PRÄVENTION

   SPRACHE,
   DIE
   WEHTUT
   Mit achtsamer Sprache können wir
   herabsetzende Floskeln vermeiden.
   Das sollten wir uns im Alltag bewusst machen.

 L
         ockere Sprüche sind wichtige Zutaten im Rezept ei­         „behindert“ war, der zählte nicht als vollwertiger Mensch,
         nes gelungenen Feuerwehralltags. Sie können dabei          war niemand, der ernst zu nehmen war. Und dieses her­
         helfen, Aufregung, Angst und Leid von aufreibenden         absetzende Menschenbild hat sich im Sprachgebrauch
         Einsätzen zu überwinden. Doch im Eifer des Gefechts        jahrzehntelang widergespiegelt. Übri­gens: Erst 1994 hat
  rutschen schon mal Formulierungen heraus, über deren ab­          der Deutsche Bundestag eine Ergänzung des Artikels §3
  wertende Wirkung wir uns vielleicht gar nicht bewusst sind. Wir   im Grundgesetz beschlossen: „Niemand darf wegen seiner
  wollen uns in der eigenen Gruppe darstellen, die Stimmung         Behinderung benachteiligt werden.“ Ähnlich historisch ver­
  auflockern. Das Problem ist, bestimmte Ausdrücke oder Wör­        ankert und heute noch unreflektiert übernommen verhält es
  ter, die man mal eben so in der Gruppe fallen lässt, können       sich mit anderen abwertenden Ausdrücken wie beispiels­
  mehr über die Welt aussagen, als einem selbst klar ist.           weise: „Das ist ja schwul.“ Hier werden Menschen aufgrund
                                                                    ihrer sexuellen Orientierung abgewertet.
  Und schon ist es passiert: Genervt von der Arbeitsweise sei­
  nes Kollegen rutscht es ihm am Mittagstisch raus: „Der ist        URSACHEN LIEGEN OFT VIELE JAHRE ZURÜCK
  doch behindert“. Vier Worte, mit denen er alle Menschen mit       Menschenfeindliche Sprachbilder haben ihren Ursprung oft in
  Behinderung als Personengruppe herabsetzt. Eine Situation,        einem überkommenen und rückständigen Miteinander. Auch
  die wahrscheinlich einige von uns kennen.                         die Gleichberechtigung der Frau, bis zum Stand von heute,
                                                                    war und ist in Deutschland ein langer Weg: Bis 1958 durften
  IM SPRACHGEBRAUCH VERANKERT                                       verheiratete Frauen nicht ohne Zustimmung des Ehemanns
  Floskeln, die andere Menschen diskriminieren, haben sich oft im   arbeiten. Was ihn aber auch danach nicht davon abhielt, ihr
  Sprachgebrauch festgesetzt, weil diese diskriminierenden Men­     Geld zu kassieren. Denn Frauen war es weiterhin nicht er­
  schenbilder in unserer Gesellschaft mal salonfähig und damit      laubt, ein Konto zu eröffnen. Erst ab 1969 galten verheiratete
  mehrheitlich akzeptiert oder mindestens geduldet waren.           Frauen vor dem Gesetz als geschäftsfähig. Frauen erzählen
                                                                    mir auf der Arbeit, dass sie mit gut gemeinten Verniedlichun­
  Noch im Nachkriegsdeutschland schämten sich Familien              gen wie „Puppe“ oder „Süße“ angesprochen werden. Da
  für ihre Söhne oder Töchter mit Behinderung. Menschen             schwingt nicht nur eine persönliche Bekundung für Attraktivität
  wurden in Anstalten weggesperrt oder ihnen wurde die              mit – bei der fragwürdig ist, ob diese überhaupt gewollt ist –,
  Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verweigert. Wer              sondern ebenfalls eine Aussage über die Welt. Nämlich dass

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LÖSCHEN, UM ZU RETTEN - Neues Konzept für Brände in Tunneln erprobt
PRÄVENTION

                                                                                                                 VERANTWORTUNG
                                                                                                                 TRAGEN – WENN ES
                                                                                                                 ABWERTEND WIRD

                                                                                                                 Konfrontieren statt mitlachen
                                                                                                                 • Widersprechen (etwa mit:
                                                                                                                   „Da stimme ich dir nicht zu!“)
                                                                                                                 • Bitte um Unterlassung (zum
                                                                                                                   Beispiel: „Höre bitte damit auf!“)
                                                                                                                 • Benenne das Verhalten:
                                                                                                                   „Du hast gerade …“

                                                                                                                 Unterstütze Betroffene
                                                                                                                 • Ansprechen (etwa mit:
                                                                                                                   „Habe ich dich gerade
                                                                                                                   richtig verstanden?“)
                                                                                                                 • Nachfragen (beispielsweise:
                                                                                                                   „Wie geht es dir damit?“)
                                                                                                                 • Hilfe anbieten („Kann ich
                                                                                                                   dir helfen?“ oder Ähnliches)
                                   SPRACHE IST EIN
                                   MACHTVOLLES MEDIUM.
                                   SIE MACHT ETWAS MIT UNS.

                              Frau-Sein etwas sei, dass Männern gefallen solle – niedlich        ist ein bewusster Schritt der Reflexion nötig, um sich in die
                              und kindlich oder sogar unfähig und unselbstständig. Solche        betroffene Person hineinversetzen zu können. Obwohl Spra­
                              Formulierungen rühren von einem veralteten und herabwür­           che keine sichtbaren Wunden hinterlässt, können Worte weh­
                              digen Frauenbild und haben grundsätzlich nichts am Arbeits­        tun. Gern werden die Folgen von sprachlichen Verletzungen
                              platz verloren.                                                    der Empfindlichkeit der adressierten Person zugeschrieben.
                                                                                                 Das äußert sich durch Bemerkungen wie etwa „Warum bist
                              FLOSKELN PFLEGEN ALTE VORURTEILE                                   du denn so empfindlich?“ oder „Verstehst du keinen Spaß?“.
                              Sprachliche Diskriminierung hat ernste Hintergründe, die uns       Diese Formulierungen negieren die Bedürfnisse der betroffe­
                              oft nicht mehr bewusst sind. Das entschuldigt aber nicht, dass     nen Person und verharmlosen ihren Schmerz.
                              Ausgesprochenes im Raum steht: eine Herabsetzung oder
                              eine Ausgrenzung anderer Menschen. Und Vorurteile bleiben          UNTERSTÜTZEN WIR UNS GEGENSEITIG
                              so lebendig. Evolutionär hat sich die Sprache in denselben         Angehörige der Berliner Feuerwehr haben einen Ehrenkodex:
                              Hirnregionen entwickelt, in denen auch Handlungen geplant          Wir retten jeden Menschen. Wir machen keine Unterschiede.
                              werden. Sprechen, Denken und Handeln hängen also eng zu­           Wir retten jedes Leben. Und dieser Kodex soll sich auch in un­
                              sammen und können sich beeinflussen.                               serer Kommunikation spiegeln: Wir können Sprache achtsam
Bild: Adobe Stock (riddle7)

                                                                                                 und sorgfältig verwenden. Wir respektieren jeden Menschen
                              Wollen wir herabsetzende Floskeln im Alltag vermeiden, kön­        im Sprechen wie im Handeln. Und wir können uns gegenseitig
                              nen wir uns beispielsweise fragen: Was richte ich vielleicht an,   dabei unterstützen, die richtigen Worte zu finden. Es lohnt sich!
                              wenn ich bestimmte Ausdrücke verwende. Fehler unterlaufen
                              uns allen. Aber können wir auch zuhören, wenn sich jemand                                                                   Jana Terhorst,
                              diskriminiert fühlt und sich traut, dass auch zu äußern? Oft                                        Betriebliches Gesundheitsmanagement

                                                                                                                                                                     5
LÖSCHEN, UM ZU RETTEN - Neues Konzept für Brände in Tunneln erprobt
EINSATZ

      ACHTUNG, ÜBUNG!

   TERRORANSCHLAG MIT
   BIOLOGISCHEM KAMPFSTOFF
  Die anspruchsvolle Großübung „BAO Apollon“ mit mehr als 1.000 Einsatzkräften
  fand viel Beachtung. Auch fachkundige Gäste des FBI schauten zu.

                                                                                                         Eine lebensbedrohliche
                                                                                                         Einsatzlage auch
                                                                                                         für die Einsatzkräfte:
                                                                                                         Schusswaffengebrauch
                                                                                                         und eine Bombe mit
                                                                                                         biologischem Kampfstoff
                                                                                                         erfordern Eigenschutz und
                                                                                                         Zusammenarbeit.

 D
            ie Bombe eines Selbstmordattentäters explodiert        nisiert. Die Berliner Feuerwehr spielte dabei eine zentrale Rol­
            in einem Kino, zwei weitere Personen mit terroristi­   le, genauso wie Bundespolizei, Bundes- und Landeskriminal­
            schem Hintergrund erschießen Menschen und flie­        amt, Landespolizei, Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie
            hen. Wenig später entdecken Einsatzkräfte einen        die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und
  biologischen Kampfstoff. Dieses simulierte Szenario war          Gleichstellung und die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität,
  Grundlage für eine Großübung mit Einsatzkräften unterschied­     Verbraucher- und Klimaschutz. Das erfolgreiche Zusammen­
  licher Behörden und Organisationen. Eine komplexe Lage, die      wirken all dieser Kräfte stand im Mittelpunkt der „BAO Apollon“.
  eine Besondere Aufbauorganisation (BAO) erfordert.
                                                                   Die Anzahl der beteiligten Behörden und Organisationen und die
  Mehr als 1.000 Einsatzkräfte beteiligten sich im Septem­         damit verbundene Herstellung von Schnittstellen waren eine He­
  ber 2022 an der zweitägigen Übung „BAO Apollon“ – benannt        rausforderung. Der Stab Feuerwehr und die Einsatzleitung vor Ort
  nach jenem Kino, in dem auf dem Polizeigelände geübt wur­        bewältigten sie. Mehr als 100 nationale und internationale Gäs­
  de. Diese Übung zu einem Anschlag mit „Unkonventioneller         te verfolgten den Verlauf der Übung – darunter auch Kräfte der
  Spreng- und Brandvorrichtung“ (USBV) unter Beiladung eines       US-Bundespolizei FBI, aus Japan und aus Israel. Diese komplexe
  biologischen Kampfstoffs hatte das Robert-Koch-Institut orga­    Übung war eine Premiere in Berlin und stellte alle Beteiligten vor

                  DIE ÜBUNG WURDE VON MEHR ALS 100 FACHKUNDIGEN
                    GÄSTEN AUS DEM IN- UND AUSLAND BEOBACHTET.
  6
LÖSCHEN, UM ZU RETTEN - Neues Konzept für Brände in Tunneln erprobt
EINSATZ

GRUNDLEGENDE
ZIELSTELLUNG
• Patientenversorgung
• Einsatz im Verbund aus ­Feuer-
  wehr, Bundes- und Landes-
  kriminalamt, Bundespolizei,
  Polizei Berlin und
  Robert-Koch-Institut
• Kontamination erkennen
• Kontaminationsverschleppung
  vermeiden
• Dekontamination üben
• Kommunikation zwischen allen                                                                                                                                        Gute Zusammenarbeit: Rettungskräfte
  Behörden üben                                                                                                                                                       und Spezialkräfte der Polizei arbeiten
                                                                                                                                                                      koordiniert zusammen.

                                                                                                                                       eine schwer zu bewältigende Lage. Der gedachte Anschlagsort
                                                                                                                                       lag an der Kantstraße, tatsächlich wurde die Übung aber auf dem
                                                                                                                                       großen Gelände der Polizei Berlin in Ruhleben durchgeführt.

                                                                                                                                       Die Berliner Feuerwehr stellte Einsatzkräfte nach dem Konzept
                                                                                                                                       zum „Massenanfall von Verletzten“ (MANV), Kräfte zur Dekonta­
                                                                                                                                       mination, Führungsdienste vor Ort und im Stab Feuerwehr. Die
                                                                                                                                       große Herausforderung für unsere Teilnehmenden: Es galt, eine
                                                                                                                                       MANV-Lage mit mehr als 50 verletzten Personen im Zusammen­
                          Versorgung von verletzten                                                                                    hang mit einer „Lebensbedrohlichen Einsatzlage“ (LEBEL) im
                     Personen und Dekontamination                                                                                      polizeitaktischen Sinn sowie der Kontamination mit einem Bio­
                        bildeten einen Schwerpunkt.
                                                                                                                                       kampfstoff zu bewältigen.

                                                                                                                                       Erschwerend kam in dem Szenario hinzu: Die Information,
                                                                                                                                       dass die USBV eine biologische Beiladung enthielt, wurde erst
                                                      Bilder: Adobe Stock (kitsana; Giree); picture alliance/dpa | Sabrina Szameitat

                                                                                                                                       mehr als eine Stunde nach dem Anschlag bekannt. Dadurch
                                                                                                                                       entstanden Kontaminationsverschleppungen in Rettungsmit­
                                                                                                                                       teln und Krankenhäusern.

                                                                                                                                       Trotz des enormen Anspruchs konnte die Lage erfolgreich be­
                                                                                                                                       wältigt werden. Die Arbeit der Berliner Feuerwehr fand große
                                                                                                                                       Anerkennung bei Beobachtenden und anderen Übungsteilneh­
                                                                                                                                       menden. Eine wichtige Erkenntnis war: Unsere standardmäßi­
                                                                                                                                       gen Hygienemaßnahmen – wie FFP2/3-Masken und Hand­
                                                                                                                                       schuhe – wirkten sich in dieser Lage positiv aus. Ein Mangel
                                                                                                                                       wurde deutlich: Die Berliner Feuerwehr hat kaum Möglichkei­
                                                                                                                                       ten zur Dekontamination von Patientinnen und Patienten. An
                                                                                                                                       einer Verbesserung wird momentan intensiv gearbeitet.

                                                                                                                                       Wir bedanken uns bei allen beteiligten Einsatzkräften für die
                                                                                                                                       gute Zusammenarbeit.

                                                                                                                                                                                                Holger Notzke,
                                                                                                                                                             Einsatzvorbereitung Brand- und Bevölkerungsschutz,
                                                                                                                                                                                    Technische Gefahrenabwehr

                                                                                                                                                                                                            7
LÖSCHEN, UM ZU RETTEN - Neues Konzept für Brände in Tunneln erprobt
FREIWILLIGE FEUERWEHR                                         Unter Einsatz eines
                                                               Feuerlöschtrainers
                                                          übten die Jugendlichen
                                                           realistische Szenarien.

AUSBILDUNG: ALARM FÜR
UNSERE NACHWUCHSKRÄFTE
Bei der Wochenendschulung erleben Jugendfeuerwehren in Karow
hautnah, wie der Einsatzdienst der Profis ablaufen kann.

E
        s ist ein Freitag im September, 17:30 Uhr: Die ersten      Lage. Die letzten Meter fahren wir auf Sicht und treffen auf
        Kameradinnen und Kameraden der Jugendfeuerwehr             eine realistisch gestaltete Einsatzstelle – mittels Rauchbom­
        Karow treffen auf der Feuerwache ein. Die Ausbilden­       ben und Feuerlöschtrainer von den Ausbildenden vorberei­
        den haben diese Wochenendschulung von langer               tet. Doch die Abarbeitung des ersten Einsatzes gestaltet sich
Hand vorbereitet. Kurz vor Dienstbeginn um 18 Uhr kommen           noch etwas holprig, nicht allen sind die Aufgaben schon ver­
auch unsere Gäste von der Jugendfeuerwehr Hoppegarten/             traut. Aber vereint löschen wir das Feuer.
Müncheberg. Unter Beachtung aller vorgeschriebenen Hygie­
nemaßnahmen beginnt auf dem Hof die Einweisung für die
kommenden Einsatzzeiten. Die Fahrzeuge werden zugeteilt,
der Ausbildungsplan erläutert. Weil beide Jugendfeuerweh­
ren viel Wert auf die Zusammenarbeit legen, werden die Be­
satzungen für beide Löschgruppenfahrzeuge gemischt.

KLEINE LEITSTELLE VOR ORT
Während einige Einsatzkräfte noch ihre Schlafstätten bezie­
hen oder die Fahrzeuge zur Dienstübernahme vorbereiten,
ertönt schon der erste Alarm: „Brand 2“ – in einer Baracke.
Für die Übung hatten die Ausbildenden eine kleine Leitstelle
eingerichtet, mit Funk zu den Fahrzeugen, Telefonverbindung
zu den Vorbereitenden und Ausdrucken von Einsatzfaxen. Die
Alarmierung erfolgt nun über die hausinterne Sprechanlage           Auch Erste-Hilfe-Maßnahmen
unter Nennung von Fahrzeug und Stichwort. Zudem wird ein            wurden trainiert.
Alarmfax ausgedruckt.

Sofort werden die Fahrzeuge besetzt, Abmeldung über Funk
während der Anfahrt und kurze Absprachen zur gemeldeten

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LÖSCHEN, UM ZU RETTEN - Neues Konzept für Brände in Tunneln erprobt
FREIWILLIGE FEUERWEHR

                                                       Wasser marsch! Unter fachkundiger
                                                                   Anleitung wurden die
                                                              Löschschläuche eingesetzt.

                     WOCHENENDSCHULUNG
                     IN ZAHLEN
                     • 16 Kameradinnen und Kameraden
                       der Jugendfeuerwehr
                     • 2 Löschgruppenfahrzeuge
                     • rund 15 Ausbildende und
                       Unterstützende (etwa 48 Stunden
                       Arbeitszeit zur Vorbereitung)

Zurück auf der Wache müssen die Fahrzeuge wieder einsatz­
bereit gemacht werden und es folgt eine Auswertung: Wir
wollen aus den Fehlern des Einsatzes lernen. Die Vorberei­
                                                                        Hochkonzentriert arbeiteten
tungen für das Abendessen beginnen danach.                              die jungen Kameradinnen
                                                                        und Kameraden Hand
SCHAULUSTIGE WERDEN FERNGEHALTEN                                        in Hand die Aufgaben ab.
Während die Ausbildenden grillen und andere Kameradinnen
und Kameraden kochen, wird der nächste Einsatz schon im
Verborgenen geplant. Kaum sind die letzten Bissen verschlun­
gen, geht es los: „Notfall Rettungsdienst“ für das Löschgrup­
penfahrzeug 1. Die jungen Einsatzkräfte besetzen das Fahr­
zeug schon routinierter. Die Erkundung mit dem A-Trupp an
der Einsatzstelle ergibt: verletzte Person mit stark blutender
Wunde nach einem Unfall mit einem Gartengerät. Schaulus­               Ausbildung der vergangenen Übungsdienste auf. In Zusam­
tige müssen ferngehalten werden – das übernehmen ande­                 menarbeit mit Besatzungen der RTW konnten die Nachwuchs­
re Trupps, die auch die Polizei nachalarmieren. Wegen der              kräfte ­beobachten, wie die Profis an den Einsatz herangehen.
Schwere der Verletzung entscheidet die Staffelführung, den
Notarzt nachzualarmieren. Diesmal werden die Erwartungen               Am frühen Nachmittag stößt die Jugendfeuerwehr Buch zur
der Ausbildenden erfüllt: Die Lage wird ruhig abgearbeitet             Brandschutzausbildung. Gemeinsam wird ein letzter großer
und richtig nachalarmiert.                                             Einsatz – „Brand 3“ – bewältigt. Alle drei Fahrzeu­
                                                                       ge rücken aus: Zwei Brandherde müssen be­
In der Zwischenzeit muss auch das Löschgruppenfahrzeug 2 zu            kämpft werden. Die Wasserversorgung wird
„Brand K“ ausrücken: Eine Menschengruppe feiert um eine Feu­           mit mehreren Schläuchen aufgebaut. Die Zu­
ertonne auf der Straße. Diese wird vorsorglich gelöscht und die        sammenarbeit klappt sehr gut.
feiernde Gesellschaft belehrt. Die Nacht bleibt dann für die bei­
den Löschfahrzeuge erst mal ruhig. Aber kurz vor 7 Uhr müssen          Rückblickend lautet das Fazit: Es war
die jungen Einsatzkräfte raus aus den Federn: „Verkehrs­unfall         ein erfolgreiches Wochenende. Die
Pkw gegen Fahrrad“ lautet der Alarm. Blitzschnell besetzen             Nachwuchskräfte konnten Wis­
Nachwuchskräfte das Fahrzeug. Der Maschinist wird beinahe              sen aus den Übungsdiensten
überrannt. Die Einsatzstelle wird routiniert und vollständig ab­       anwenden und erkennen, wo
gearbeitet: Erste Hilfe, Brandschutz, Absicherung.                     noch Potenzial ist. Vielen Dank
                                                                       an alle Teilnehmenden, Ausbil­
ZUSAMMENARBEIT MIT DEN PROFIS                                          denden und Unterstützenden!
Und so geht das Wochenende weiter: Brand- und Rettungs­
diensteinsätze mit Reanimationen und Unterstützung von                                                       Tim Peschke,
Rettungswagen (RTW). Alle Einsatzszenarien bauen auf die                                     Freiwillige Feuerwehr Karow
LÖSCHEN, UM ZU RETTEN - Neues Konzept für Brände in Tunneln erprobt
FREIWILLIGE FEUERWEHR

NEUIGKEITEN UNSERER
FREIWILLIGEN FEUERWEHR

     FF GRÜNAU –
     FEIERLICH ÜBERGEBEN

A
       m Abend des 9. November 2022 fand die offizielle Über­         der Übergabe dieses Wachgebäudes kommen wir unserem Ziel,
       gabe der Feuerwache Grünau an die ortsansässige                dem Abbau des Sanierungsstaus für eine nachhaltigere und si­
       Freiwillige Feuerwehr durch Iris Spranger, Senatorin der       cherere Zukunft, ein Stück näher. Ich freue mich daher sehr, den
Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport, Landes­      Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Grü­
branddirektor Dr. Karsten Homrighausen und BIM-Geschäftsfüh­          nau ihr neues Wachgebäude übergeben zu können. Es werden
rer Sven Lemiss statt. Es ist die zweite Fertigstellung aus dem       nicht nur die zahlreichen Einsätze sein, die sie mit ihrem Ge­
Typenprogramm für Ersatzneubauten der Freiwilligen Feuerwehr.         bäude verbinden, sondern auch die gemeinsamen Erlebnisse.“
Den Anfang machte 2018 die Wache in Rauchfangswerder.
                                                                      Die Kosten für den Neubau in Höhe von rund fünf Millionen Euro
Innensenatorin Iris Spranger: „Die Freiwilligen Feuerwehren           sind vollständig aus dem Sondervermögen Infrastruktur der
stellen mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit einen wichtigen und        Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds (SIWANA) finan­
unverzichtbaren Baustein der öffentlichen Sicherheit und des          ziert. Insgesamt sind acht Typenbauten geplant, darunter die
gesellschaftlichen Zusammenhalts dar. Ich freue mich deshalb          FF Frohnau und FF Schmöckwitz (beide in Umsetzung) sowie die
sehr, dass wir heute dieses moderne und zeitgemäße Wachge­            geplanten FF Tegelort, FF Wilhelmshagen und FF Müggelheim.
bäude der Freiwilligen Feuerwehr Grünau übergeben können.
                                                                                                                                         Bilder: D. Kowyrkin

Es ist das zweite neue Gebäude von acht Ersatzneubauten aus
dem Sondersanierungsprogramm für die Freiwilligen Feuerweh­
ren. Und ich versichere Ihnen, dass wir weiter in unsere Freiwilli­
ge Feuerwehren und in die Berufsfeuerwehr investieren werden.“

Landesbranddirektor Dr. Karsten Homrighausen: „59 Freiwillige
Feuerwehren unterstützen täglich bei der Bewältigung des Ein­
satzaufkommens. Dabei rücken sie zum Teil von Feuerwachen
aus, die nicht mehr den modernen Standards entsprechen. Mit

                                       Feierliche Inbetriebnahme (v. l.) mit Landesbranddirektor
                                       Dr. Karsten Homrighausen, Sebastian Jonas und Michél Altenbokum
                                       (ganz rechts) von der FF Grünau sowie Iris Spranger, Senatorin
                                       für Inneres, Digitalisierung und Sport.
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FREIWILLIGE FEUERWEHR

                                                                VERLEIHUNG
                                                                DER EHRENZEICHEN

                                                              B
                                                                    erlin lebt vom Einsatz und der Bereitschaft von Ehrenamt­
                                                                    lichen, die gesellschaftlich Verantwortung übernehmen.
                                                                    Das Ehrenamt ist ein zentrales Element nicht nur, aber
                                                              besonders auch für den Zivil- und Katastrophenschutz. Dieses
                                                              Engagement kann nicht hoch genug gelobt werden – vor al­
                                                              lem, wenn sich Menschen über Jahrzehnte ehrenamtlich für die
                                                              Freiwillige Feuerwehr eingesetzt haben. Hierzu dient im Land
                                                              Berlin das Feuerwehr- und Katastrophenschutz-Ehrenzeichen als
                                                              Anerkennung von Verdiensten um die Feuerwehr, den Rettungs­
                                                              dienst sowie den Zivil- und Katastrophenschutz.

                                                                               Das Berliner Feuerwehr- und Katastrophenschutz-
FF WILMERSDORF –

                                                                                                                                           Bild: D. Kowyrkin
                                                                                            Ehrenzeichen gibt es in sechs Stufen.

SCHLÜSSELÜBERGABE

G
       rund zum Feiern gab es am Standort der FF Wilmers­
       dorf: Am 8. November 2022 wurde die 59. Freiwillige
       Feuerwehr Wilmersdorf (3401) in Dienst gestellt.

Als B-Wehr auf der FW Wilmersdorf (FW 3400) beheimatet,
ist die FF Wilmersdorf zur Spitzenabdeckung der Kollegin­
nen und Kollegen der Berufsfeuerwehr (BF) eingesetzt. Das
bedeutet, dass sie bei planbaren (Ausnahmezustand Wetter
oder Silvester) sowie spontanen Einsatzspitzen zur Wachbe­
setzung einer Feuerwache alarmiert wird.                      DAS EHRENZEICHEN WIRD IN SECHS STUFEN VERLIEHEN:
                                                              → Silbernes Ehrenzeichen der Stufe 1 am Bande
                                                                 nach 10-jähriger Dienstzeit
                                                              → Goldenes Ehrenzeichen der Stufe 2 am Bande
                                                                 nach 25-jähriger Dienstzeit
                                                              → Goldenes Ehrenzeichen der Stufe 3 am Bande
                                                                 nach 40-jähriger Dienstzeit
                                                              → Goldenes Ehrenzeichen der Stufe 4 am Bande
                                                                 nach 50-jähriger Dienstzeit
                                                              → Goldenes Ehrenzeichen der Stufe 5 am Bande
                                                                 nach 60-jähriger Dienstzeit
                                                              → Feuerwehr- und Katastrophenschutz-Ehrenzeichen
                                                                 als Steckkreuz (Sonderstufe)

                                                              Bereits Anfang November fand die Verleihung der Feuerwehr-
                           Die feierliche Schlüsselübergabe   und Katastrophenschutz-Ehrenzeichen der Stufe 1 statt. Die wei­
                           fand am 8. November 2022 statt.    teren Ehrungen wurden durch die Leitung der Senatsverwaltung
                                                              für Inneres, Digitalisierung und Sport am 14. Dezember im Roten
                                                              Rathaus vorgenommen. Drei Kameradinnen und 55 Kameraden
Ungefähr drei- bis viermal im Monat besetzt die FF darüber    der Freiwilligen Feuerwehr wurden für ihre 25-, 40- (15 Kamera­
hinaus geplant die Wache und entlastet die Kolleginnen        den), 50- (3 Kameradinnen und 4 Kameraden) sowie 60-jährige
und Kollegen der BF. Im Rahmen des Katastrophenschutzes       (drei Kameraden) aktive Mitgliedschaft ausgezeichnet. Allen Aus­
ist die FF Wilmersdorf im 1. Zug der 5. Brandschutzbereit­    gezeichneten sagen wir herzlichen Glückwunsch und vielen Dank.
schaft (BSB) mit dem LHF gemeinsam mit der FF Suarez
und der FF Wedding eingeplant.                                                                      Anja Minke, LB FF Kommunikationsteam

                                                                                                                                    11
RETTUNGSDIENST

                                               HOHEITLICHE
                                               AUFGABE
                                               Unsere Einsatzkräfte leisten unglaublich viel.
                                               Auch den Besten können Fehler unterlaufen.
                                               In diesen Fällen greift die Amtshaftung.

D
          ie Wahrnehmung rettungsdienstlicher Tätigkeiten im
          Land Berlin ist als hoheitliche Aufgabe organisiert –
          § 2 Rettungsdienstgesetz (RDG). Sie ist einerseits Be­
                                                                           DIAGNOSE- UND BEFUND­
                                                                           ERHEBUNGSFEHLER
          standteil der Daseins- und Gesundheitsvorsorge, an­
dererseits aber auch klassische Aufgabe der nichtpolizeilichen             ... liegt z. B. vor, wenn die Ärztin oder der Arzt
Gefahrenabwehr. Somit ist ein Fehler in der Notfallrettung als             die erhobenen oder bereits vorliegenden
haftungsbegründende Verhaltensweise einer Amtspflichtverlet­               Befunde falsch interpretiert oder medizinisch
zung zu bewerten. Schadensersatzansprüche, die aufgrund von                gebotene Befunderhebungen unterlässt.
Fehlern in der Notfallrettung entstehen, leiten sich in der Regel
nicht aus einem Behandlungsvertrag (§ 630a BGB) ab, sondern                THERAPIEFEHLER
lösen eine sogenannte Amtshaftung aus (§ 839 Abs. 1 S. 1 BGB
                                                                           ... liegt z. B. vor, wenn die ange­wandte
in Verbindung mit Art. 34 GG), die sowohl für Beliehene als auch
                                                                           Therapiemethode fehlerhaft ist, da etwa
für Angestellte des öffentlichen Dienstes besteht und im Rahmen            keine ­Indikation zur Wahl der Therapie­
der Erfüllung rettungsdienstlicher Aufgaben sowohl ärztliches als          methode bestand, oder ein Unterlassen der
auch nichtärztliches Personal umfasst. Sollte aufgrund einer ret­          nach dem maßgeblichen Facharztstandard
tungsdienstlichen Tätigkeit eine Schädigung eintreten, trifft die          gebotene Behandlung erfolgt ist.
Haftung die Körperschaft, in deren Dienst der Amtsträger steht.
Das Land Berlin haftet für Schäden, die infolge der Verletzung             ORGANISATIONSFEHLER
von Amtspflichten in der Berliner Notfallrettung entstehen. Für
den Dienstherr besteht die Möglichkeit, den Amtsträger im In­              ... liegt z. B. vor bei Koordinations-, Delega­
nenverhältnis in Regress zu nehmen, wenn dieser vorsätzlich                tions-, Überwachungs- und Instruktionsfehlern.
oder grob fahrlässig gehandelt hat (Art. 34 S. 2 GG).

DER BEHANDLUNGSFEHLER ALS                                           Grundsätze der Arzthaftung anwendbar. Ausgangspunkt eines
HAFTUNGSBEGRÜNDENDE VERHALTENSWEISE                                 jeden Anspruchs ist das Vorliegen eines Behandlungsfehlers.
Auch wenn aufgrund des hoheitlichen Handelns in der Not­
fallrettung Amtshaftungsgrundsätze greifen, sind dennoch die        Je nach Behandlungsstadium lassen sich Behandlungsfehler
                                                                    in Diagnose- und Befunderhebungsfehler sowie Therapiefehler
                                                                    unterteilen. Es werden aber nicht nur Fehler bei der Behandlung
                                                                    selbst erfasst, sondern auch solche aus dem Behandlungsum­
                                                                    feld. Zu den sogenannten Organisationsfehlern zählen Fehler
     BEHANDLUNGSFEHLER                                              der fachgerechten Koordinierung der Abläufe zur Versorgung
     Ein Behandlungsfehler liegt dann vor, wenn die                 der Patientinnen und Patienten.
     Behandlung nicht dem allgemein anerkannten und
     gesicherten Stand der ärztlichen Wissenschaft im               BEWEISLAST, BEWEISERLEICHTERUNGEN
     Zeitpunkt der Behandlung entspricht und damit                  UND BEWEISLASTUMKEHR
     vom sogenannten Facharztstandard abweicht.                     Die zu behandelnde Person muss nach den allgemeinen
                                                                    Grundsätzen des § 286 ZPO zum einen den Behandlungs­

12
RETTUNGSDIENST

fehler selbst, den eingetretenen Schaden sowie den Kausal­     Die Folge daraus ist, dass es dem Land Berlin nun obliegt zu
zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Scha­      beweisen, dass die aufzeichnungspflichtige Behandlung durch­
den beweisen. Für die Patientin bzw. den Patienten ist diese   geführt wurde.
Beweisführung als medizinischer Laie jedoch sehr schwierig.
Zu seinen Gunsten greifen daher gesetzliche Beweiserleichte­   Als weiteres Beispiel für Besonderheiten im Rahmen der Be­
rungen bzw. die Beweislastumkehr.                              weisführung kann die Beweislastumkehr bei groben Behand­
                                                               lungsfehlern gemäß § 630h Abs. 5 BGB genannt werden. Ein
Beispielhaft können hier Dokumentationsversäumnisse genannt    Behandlungsfehler ist als grob zu bewerten, wenn ein Verstoß
werden, die gemäß § 630h Abs. 3 BGB eine Beweiserleich­        gegen grundsätzliche Behandlungsregeln oder gesicherte me­
terung zur Folge haben. Aufseiten der Behandelnden besteht     dizinische Erkenntnisse vorliegt und ein Fehler begangen wurde,
die dem medizinischen Standard entsprechende Verpflichtung     der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint. Liegt
(§ 630f BGB) der Führung von Dokumentationen und deren         ein solcher vor, führt dies zur Beweislastumkehr hinsichtlich der
Aufbewahrung. Das Fehlen einer solchen Dokumentation indi­     haftungsbegründenden Kausalität. Seitens der Behandelnden
ziert beweisrechtlich, dass diese Maßnahme unterblieben ist.   muss bewiesen werden, dass der Fehler für die Schädigung nicht
                                                               ursächlich war. Auch Maßnahmen oder Unterlassungen von
                                                               nichtärztlichem Personal können als (grobe) Behandlungsfehler
                                                               gewertet werden, wenn sie medizinisches Vorgehen im eigent­
   BEWEISLAST                                                  lichen Sinne betreffen.
   • Allgemeine Grundsätze – § 286 ZPO
                                                               GERICHTLICHES VERFAHREN
                                                               Kommt es zu einem Haftungsprozess gegen das Land Berlin,
   • Besonderheiten nach § 630h Abs. 3 BGB
                                                               muss gerichtlich geklärt werden, ob eine Amtspflichtverletzung
       • „Unzureichende/Unterlassene Dokumentation“            vorgelegen hat. Die meist komplexen medizinischen Sachverhal­
         Folge -> Beweiserleichterung zugunsten
                                                               te führen zu sehr langen Amtshaftungsprozessen, die mit der Er­
         der zu behandelnden Person
                                                               stellung aufwendiger Sachverständigengutachten einhergehen.
   • Besonderheiten nach § 630h Abs. 5 BGB
       • „Grober Behandlungsfehler/                            STRAFRECHT
         Befunderhebungsfehler“                                Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass die Ver­
         Folge -> Beweislastumkehr zugunsten                   folgung strafbarer Handlungen durch die Amtshaftung nicht
         der zu behandelnden Person                            ausgeschlossen wird. Sofern die Amtspflichtverletzung auch
                                                               eine strafbare Handlung im Sinne des Strafgesetzbuchs dar­
                                                               stellt, ist eine strafrechtliche Verfolgung möglich. Delikte wie
                                                               die Aussetzung § 221 StGB, Körperverletzung durch Unterlassen
                                                               (§§ 223 ff., 13 StGB), fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB)
                                                               und fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) kommen im Kontext der
                                                               Notfallrettung weiterhin in Betracht. Die Strafverfolgung obliegt
                                                               dann den Strafverfolgungsbehörden.

                                                                                                                          Katrin Lütsch,
                                                                                                     Einsatzvorbereitung Rettungsdienst

                                                                     WAS MUSS BEWIESEN WERDEN?
                                                                     Insbesondere:
                                                                     • der Behandlungsfehler als Amtspflichtverletzung,
                                                                     • der (Gesundheits-)Schaden sowie
                                                                     • die Kausalität.

                                                                                                                                    13
AUS- UND FORTBILDUNG

                                              PRAKTISCHER
                                        NOTSAN-UNTERRICHT
                                             IST TEAMWORK
                                          Die Auszubildenden sind fachübergreifend unterwegs.

D
          rei Jahre dauert die Berufsausbildung zur Notfall­     bei großen Schadenslagen wurde in Theorie und Praxis Wis­
          sanitäterin und zum Notfallsanitäter an der Berliner   sen vermittelt. Auf dem BFRA-Campus Schulzendorf wurde am
          Feuerwehr- und Rettungsdienst-Akademie (BFRA). Die     22. November 2022 praktisch geübt. Die Schülerinnen und
          Klasse BRN 0920 begann ihre Ausbildung im Septem­      Schüler besetzten mehrere Rettungswagen und den Geräte­
ber 2020 – mit pandemiebedingten Einschränkungen bei Ex­         wagen Sanität 1100, um das Verhalten der ersteintreffenden
kursionen und Praxisübungen. Nun, im dritten Ausbildungsjahr,    Kräfte zu trainieren: Erkundung, Sichtung sowie Aufbau und Be­
fieberte die Klasse dem Ausbildungsblock 7 entgegen, der unter   trieb einer strukturierten Patientenablage.
dem Titel „Mitwirken bei großen und besonderen Einsatzlagen“
einige Veranstaltungen vorsah. Art und Umfang solcher Vorha­     Laut Rahmenlage der Übung war die Krankenhausinfrastruktur
ben sind immer vom Engagement Einzelner abhängig. An dieser      in der Stadt eingeschränkt. Patientinnen und Patienten mussten
Stelle daher ein großes Dankeschön an alle, die sich hier ein­   zu einem Behandlungsplatz transportiert werden. Einsatzkräfte
gebracht haben.                                                  beider Organisationen bildeten „Mischbesatzungen“, sodass
                                                                 für alle ein praxisnaher Blick über den Tellerrand gelang.
SEMINARWOCHE „TOD UND STERBEN“
Vorläufige Haushaltsführung und Pandemie sorgten dafür, dass     Den Behandlungsplatz hatten Katastrophenschutzeinheiten des
die als Seminarfahrt geplante Themenwoche mehrfach verscho­      Malteser Hilfsdienst e. V. Berlin mit einer Kapazität von 25 zu
ben werden musste. Doch dann konnte sie am BFRA-Campus           behandelnden Personen pro Stunde (BHP 25) errichtet. Dafür
TOP TEGEL nachgeholt werden. Inhalte waren der Umgang mit        möchten wir uns auch ganz besonders bei Stefan Gottschol,
Sterbenden, deren Angehörigen und Relevantem rund um das         Zugführer Malteser Hilfsdienst, bedanken.
Thema Bestattung. Auch psychische Erste Hilfe, das Überbrin­
gen von Todesnachrichten und damit einhergehende Erfahrun­       ZUSAMMENARBEIT MIT DER POLIZEI BERLIN
gen für die berufliche Kompetenzentwicklung gehörten dazu.       Viele Einsatzkräfte kennen die Fortbildung des Landeskrimi­
                                                                 nalamts (LKA) zum Verhalten an Tatorten. Die Nachwuchs­
NOTFALL MIT MASSENANFALL VON VERLETZTEN (MANV)                   kräfte erhielten dieses Modul in der Ausbildung, um ein Be­
Vom Verhalten als ersteintreffendes Rettungsmittel über Ord­     wusstsein für die unterschiedlichen Ziele und Vorgehen von
nung des Raums und Führungsstruktur bis hin zur Mitwirkung       Polizei und Rettungsdienst zu schaffen. Gleich am nächsten

14
AUS- UND FORTBILDUNG

                                                                                Eine verletzte Person wird aus dem
  Tag, ebenfalls mit Gästen des LKA, wurde dies auch praktisch                  Oberdeck eines Busses gerettet.
  relevant, als die Zusammenarbeit bei lebensbedrohlichen Ein­
  satzlagen (LEBEL) und das Vorgehen der taktischen Verletz­
  tenversorgung trainiert wurden.

  NOTFÄLLE AM/IM/AUF/UNTER WASSER
  Am 18. November 2022 durften wir auf der Feuerwache Wann­
  see zu Gast sein, um die Zusammenarbeit beim Stichwort „Per­
  son im Wasser“ zu thematisieren. Daniel Keifenheim hatte als
  Wachabteilungsleiter mit Unterstützung seiner Kolleginnen und
  Kollegen Vorbereitungen getroffen, um nicht nur die eigenen
  Einsatzmittel (Rettungsboot, Mehrzweckboot) vorzustellen, son­
  dern auch das Löschboot 3200 und den Gerätewagen Was­
  serrettung 3639 des Technischen Diensts zum Mitmachen ge­
  winnen können. So konnte die Stationsausbildung am Wannsee
  passend zum ersten Schneefall der Saison abwechselnd in der
  Fahrzeughalle und auf dem Wasser stattfinden. Vielen Dank an
  alle Beteiligten – es war ein kalter, aber unglaublich toller Tag!

  PROJEKTWOCHE „PSYCHIATRIE-WORKSHOP“                                  KOMPLEXE RETTUNG
  Alexander Glöckler hat diese Woche als verantwortliche Lehr­         In über zweieinhalb Jahren NotSan-Ausbildung wurden zahl­
  kraft mit tatkräftiger Unterstützung von Manuel Mahnke und           reiche Standardsituationen in der Schule und in der prakti­
  Jan Ukena vom Psychotraumazentrum des Bundeswehrkran­                schen Ausbildung auf den Lehrrettungswachen trainiert. Kom­
  kenhauses durchgeführt. Neben Grundlagen, wie der Epide­             plexe Rettungssituationen sind jedoch selten und standen Ende
  miologie, Krankheitssystematik, Diagnosesystemen und Psy­            November an zwei praktischen Unterrichtstagen am BFRA-
  chopharmakologie, lag der Fokus auf rettungsdienstbezogenen          Campus Schulzendorf im Vordergrund. Notfallsituationen mit
  psychiatri­schen Notfällen. Wichtige Kompetenzen, wie das Ver­       gestürzten Personen im Wald, im Gleisbett der U-Bahn und
  ständnis über die klientenzentrierte Gesprächsführung nach           im Oberdeck des Doppeldeckerbusses wurden trainiert. Auch
  Carl Rogers, konnten in videobasierten Simulationstrainings          die Rettung einer auf einem Hausdach verunfallten sowie einer
  entwickelt werden, die dank der realistischen Unfall- und Not­       nicht eingeklemmten Person nach Verkehrsunfall waren Heraus­
  falldarstellung der DLRG zu echten Herausforderungen wurden.         forderungen, die trotz der Temperaturen um den Gefrierpunkt
                                                                       Freude bereitet haben und bewältigt werden konnten.

                                                                       Vielen Dank an alle Beteiligten, insbesondere für die großartige
                                                                       Unterstützung, die für den weiteren Werdegang der Schülerin­
                                                                       nen und Schüler motivierend wirkt. So macht Lernen Spaß!

                                                                                                                                    Patrik Lange,
                                                                                                 Berliner Feuerwehr- und Rettungsdienst-Akademie

                                                                           Vorbereitung auf MANV: Verletzte Personen
                                                                           werden in der Patientenablage erstversorgt.

Die Rettung vom Hausdach wird geübt.
                                                                                                                                             15
AUS-UND FORTBILDUNG

  EIN TAG MIT …

ZEHN PRÜFLINGE AN
DER KETTENSÄGE
Die Motorkettensäge ist ein bewährtes, aber auch
gefährliches Einsatzmittel: Ihre Handhabung wird
in der Ausbildung intensiv geschult und geprüft.

M
             orgens, 8 Uhr, Antritt auf dem      denden vor. Vor allem die Kettenbremse muss
             Hof vor den Fahrzeughallen. Es      vor jedem Start eingelegt sein. Geübt wur­
             ist kalt, vereinzelte Schneekris­   den dann sowohl Knie- als auch Bodenstart.
             talle haben sich auf dem Asphalt    Die richtige Handhabung des Geräts bleibt
verirrt. Klasse 0922-1 schweigt konzentriert     aber nur ein Baustein für die Eigensicherung.
und fröstelt vor sich hin – aber nicht nur we­   Grundlagenwissen über den Rohstoff Holz ist
gen der Minusgrade. Anspannung liegt in          genauso erforderlich und wird in der Ausbil­
der Luft. Heute ist Kettensägenprüfung. Die      dung sorgfältig geschult. Beispielsweise ber­
zehn Auszubildenden haben in den letzten         gen Holzfasern im Bruchholz ein hohes Ge­
Tagen 32 Stunden Spezialunterricht ab­           fahrenpotenzial für umstehende Einsatzkräfte.
solviert. Jetzt müssen sie zeigen, was sie
                                                 THEORIE VOR PRAXISTEST
                                                 All dies wird jetzt vor dem Praxistest ab­
                                                 gefragt: Innerhalb von 60 Minuten müssen
                                                 die zehn Prüflinge einen Mix aus Multiple-
                                                 Choice-Fragen und Freitext beantworten.
                                                 Das schaffen alle souverän. Und nach der
                                                 Frühstückspause dürfen sie nun raus auf das
                                                 ehemalige Zollgelände. Auf dem Übungs­
                                                 bereich der Technischen Hilfeleistung warten
                                                 schon die Baumstämme auf sie.
                           Stefan Wehner:
                          stellvertretender      Die Auszubildenden legen ihre Sicherheits­
                         Lehrgruppenleiter       kleidung an. Sorgfältig werden Helm und Ge­
                                                 sichtsschutz auf Beschädigungen kontrolliert.
                                                 Dann werden die Transportwagen mit Sä­
                                                 gen, Kettenöl, Sonderkraftstoff und anderen
gelernt haben: Funktionsweise der Motor­         Arbeitsmitteln beladen und gemeinsam zum
säge, Pflege der Geräte, Grundschnitt- und       Übungsgelände bugsiert.
Sicherheitsfälltechniken – alles muss sitzen.
Und auch Schnitte, bei denen das Holz un­        Während des kurzen Fußmarschs rekapitulie­
ter Spannung steht, werden sie fachgerecht       ren manche Prüflinge im Stillen noch mal das
bewältigen müssen. Denn solche Schadens­         Erlernte: Gesichts- und Gehörschutz vor dem
lagen nach Stürmen können nur durch rich­        Starten verwenden, nicht über Schulterhöhe
tige Sägearbeiten sicher beseitigt werden.       sägen, bei Standortwechsel die Kettenbrem­
                                                 se einlegen, niemals mit laufender Motorket­
                                                                                                 Bilder: Tim Seiffert

                                                                                                                        Folgt dem QR-Code oder
Bevor die Auszubildenden die schweren Sä­        tensäge rückwärtsgehen und ... und ... und.                            schaut unter https://youtu.be/
gen erstmals starten durften, musste Theorie     Aber auch der Grundaufbau der Säge will                                nHZVyUDDM3s.
gepaukt werden. Alle Bedienelemente und          verstanden werden: wie Verbrennungsmotor,                              Dort findet ihr ein Video
Sicherheitseinrichtungen stellten die Ausbil­    Kraftübertragung und Vergaser arbeiten und                             des Prüfungstages.

16
Ausbildung                                                                                           AUS-UND FORTBILDUNG

   in Zahlen
      45
   Lehrgänge                                                                                       Vorbereitung:
                                                                                                   Ein Stamm wird in den
                                                                                                   Baumbiegesimulator

     540                                                                                           eingespannt.

  Teilnehmende

      37
  Grundaus-
  bildungen
Motorkettensäge
 (25 BF, 12 FF)

       5
    Trainer-         warum die Kettensägen einen Sonderkraft­          An der zweiten Station begrüßt „Babisi“ – der
                     stoff benötigen. Schließlich werden manche        Baumbiegesimulator – die Prüflinge. Holz­
   Lehrgänge         Geräte auch während der Prüfung nicht             stämme werden von ihm durch Biegung auf
                     gleich ohne Mucken anspringen – und dann          Spannung gebracht. Nun gilt es, genau zu
       3             ist dieses Wissen gefragt.                        beurteilen, wo die Spannung am stärksten
                                                                       ist und wie sie durch die richtigen Schnitte
  Trainer- und       FLIEHKRÄFTE BEHERRSCHEN                           kontrolliert gelöst werden kann. An der drit­
   Ausbilder-        Und schließlich wird es ernst: Wräm, wrääm,       ten Station wartet dann der Fällsimulator.
Rezertifizierungen   wräääm – die ersten Motorsägen heulen auf.        Baumstämme können hier fest verankert wer­
                     Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt           den, sodass ein realistisches Szenario ent­

       9             müssen drei Prüfstationen absolviert werden.
                     Schnitttechniken sind ein Schwerpunkt: Mal
                                                                       steht – etwas, das nur die Berliner Feuerwehr
                                                                       in Deutschland in der Ausbildung anbieten
  Ausbildende        wird der Schnitt mit der Unterseite der Füh­      kann. Die Prüflinge arbeiten grundsätzlich
                     rungsschiene geführt – mit „einlaufender Ket­     zu zweit. Die Höhe des zu fällenden Stamms
(Personal BFRA)      te“ zieht die Säge dabei mit Kraft zum Holz.      muss bestimmt werden – die doppelte Länge
                     Ein anderes Mal wird mit der Oberseite der        ergibt den erforderlichen Sicherheitsabstand.
      33             Führungsschiene gesägt – mit „auslaufender
                     Kette“ drückt sich das Gerät in Richtung Ein­
                                                                       Im exakten Winkel müssen links und rechts
                                                                       hinter dem finalen Schnitt zwei Fluchtwege
   Dozierende        satzkraft. Beim Stechschnitt schließlich wird     – Rückweiche genannt – markiert werden.
                     die Kettensäge mit der Spitze angesetzt – da­     Dann begutachten die Ausbildenden auf­
      38             bei besteht die Gefahr, dass die Säge nach
                     oben wegschleudert. Es ist wichtig, dass die
                                                                       merksam die Ausführung einer anspruchs­
                                                                       vollen Sicherheitsfälltechnik. Dabei kommt
  Kettensägen        Einsatzkräfte um diese Fliehkräfte wissen,        es vor allem auf Genauigkeit und korrekte
                     um stets die Kontrolle über das gefährliche       Abfolge der Arbeitsschritte an.
      20             Arbeitsgerät zu behalten.
                                                                       Nach knapp vier Stunden wird es still in der
 Schnittschutz-                                                        Kälte und den Prüflingen aus Klasse 0922-1
    helme                                                              wieder warm ums Herz: Der stellvertretende
  und -hosen                                                           Lehrgruppenleiter Stefan Wehner gratuliert
                                                                       allen zum Bestehen der Motorkettensägen­

    1.980                                                              prüfung. Ein tatsächlich einschneidender
                                                                       Schritt in der feuerwehrtechnischen Ausbil­
 laufende Meter                                                        dung ist geschafft.
  Baumstämme
                                                                                                            Beatrice Wrenger,

    1.000
                                                                                           Einsatzsteuerung Führung und Lage

      Liter
    Sonder-                                               Konzentration: Mit Keilen wird der
                                                          Stamm vor dem finalen Schnitt fixiert.
    kraftstoff                                                                                                                  17
AUS- UND FORTBILDUNG

                                                                                                     Neubau
                                                                                                     BFRA

FORTSCHRITTE BEIM
PROJEKT BFRA TXL
Die Planungen für Neubau und Umzug schreiten voran:
Detaillierte Baupläne werden erstellt, ausgeschrieben und beauftragt.

D
           ie Anforderungen an eine moderne Feuerwehr mit ei­       dienstschule bereits in neue und moderne Ausbildungsräume
           ner innovativen Aus- und Fortbildung wachsen stetig.     im Businesspark TOP TEGEL umgezogen.
           Der geplante Umzug von der Berliner Feuerwehr- und
           Rettungsdienst-Akademie (BFRA) auf das ehemalige         WARUM EIGNET SICH DER EHEMALIGE
Flughafengelände Tegel ist ein notwendiger Schritt in diese Zu­     FLUGHAFEN TXL FÜR DIESES VORHABEN?
kunft. Die Überlegungen zum Neubau wurden bereits 2016 als          Der Planungsbereich für die Berliner Feuerwehr umfasst rund
„Vision – TXL“ vorgestellt. Seitdem wird die Entwicklung des Pro­   7,8 Hektar – das entspricht einer Fläche von etwa zehn Fußball­
jekts stetig vorangetrieben.                                        feldern. Im südwestlichen Teil stehen bereits zwei Hangar-Ge­
                                                                    bäude, die für eine Nachnutzung sehr geeignet sind. Ausgebaut
Die Ausbildungsbedingungen in den aktuellen Räumen der              zu multifunktionalen Übungshallen, wird darin zukünftig vor allem
BFRA in Schulzendorf sind nicht mehr zeitgemäß: Das in den          eine witterungsunabhängige praktische Ausbildung ermöglicht.
1930er-Jahren errichtete ehemalige Kasernengelände steht
unter Denkmalschutz. Das erschwert bauliche Veränderungen           Außerdem soll die alte Flughafenfeuerwache durch operative
oder lässt sie gar nicht erst zu. Deswegen ist die Rettungs­        Einheiten der Berliner Feuerwehr besetzt werden. Sie ­sichert ab­
                                                                    wehrenden Brandschutz und Rettungsdienst für das gesamte Are­
                                                                    al. Geplant ist auch, den Technischen Dienst TD 1, der aktuell in
     MULTIFUNKTIONALE                                               Charlottenburg ansässig ist, in die Feuerwache TXL zu integrieren.
     ÜBUNGSHALLEN FÜR EINE                                          THE URBAN TECH REPUBLIC – SCHUMACHER QUARTIER
     WITTERUNGSUNABHÄNGIGE                                          In Nachbarschaft zur BFRA entsteht auf dem ehemaligen Flug­
     PRAKTISCHE AUSBILDUNG.                                         hafengelände ein Forschungs- und Industriepark für urbane

18
5.000
                                                                                                                                                   Wohnungen sind
                                                                                                                                                   geplant: Dort soll
                                                                                                                                                   auch Platz für
                                                                                                                                                   Angehörige der
                                                                                                                                                   Berliner Feuerwehr
                                                                                                                                                   gesichert werden.

                                                           2025
                                                           soll die Bauphase
                                                           starten und in
                                                           ­Teilabschnitten bis
                                                            Ende 2027 ab­
                                                            geschlossen sein.
                                                                                                                                                                         Bild: Tegel Projekt GmbH

                                                                                                                          WIE GEHT ES WEITER?
                                                        DIE PROJEKTGRUPPE SICHERT,                                        Drei Architekturbüros sind mit Lösungskonzepten für die gestell­
                                                                                                                          ten Anforderungen beauftragt worden. Erste Ergebnisse haben
                                                        DASS DIE BEDARFE RÄUMLICH                                         die Büros im November 2022 präsentiert. Der Landesbrand­
                                                        KORREKT UMGESETZT WERDEN.                                         direktor und der Akademieleiter als Sachobergutachter sowie
                                                                                                                          sechs Vertretende der Berliner Feuerwehr als Sachverständige
                                                                                                                          (darunter unsere Projektmitglieder) waren beteiligt.
                                                      Zukunftstechnologien – The Urban Tech Republic. Wissenschaft
                                                      und Forschung sollen hier mit Industrie, Gewerbe und Start-ups      Der Abschluss des Gutachterverfahrens konnte dann im Janu­
                                                      gemeinsam angesiedelt werden. Und auch ein neues Wohnvier­          ar 2023 vorgestellt werden. Basierend auf den Entwürfen des
                                                      tel – das Schumacher Quartier – mit 5.000 Wohnungen ist ge­         städtebaulichen Wettbewerbs werden nun die weiteren Planun­
                                                      plant. Für Freizeit und Erholung wird ein anspruchsvolles Konzept   gen ausgeschrieben und beauftragt. Die Bauphase soll voraus­
                                                      für Grünflächen durch die Grün Berlin GmbH entwickelt und um­       sichtlich 2025 starten und in Teilschritten bis Ende 2027 so weit
                                                      gesetzt. Die Wohnungsfürsorge der Berliner Feuerwehr bemüht         abgeschlossen sein, dass der Umzug der BFRA beginnen kann.
                                                      sich selbstverständlich, Wohnkapazitäten für Angehörige der
                                                      Berliner Feuerwehr zu sichern.                                                                                              Sasa Stojanovski,
Bilder: Adobe Stock (Free Icon Download); contenova

                                                                                                                                                   Berliner Feuerwehr- und Rettungsdienst-Akademie
                                                      PROJEKTGRUPPE BFRA TXL
                                                      Mit Beginn des Auftaktkolloquiums am 21. September 2022
                                                      startete das städtebauliche Gutachterverfahren zum Bau der

                                                                                                                                      7,8 ha
                                                      neuen BFRA. Die Projektgruppe BFRA TXL begleitet das gesam­
                                                      te Bau- und Planungsverfahren. Das Team stimmt sich dabei
                                                      eng mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und
                                                      Wohnen (SenSBW) als Bauherrin ab. Mit der Senatsverwaltung
                                                      für Inneres, Digitalisierung und Sport (SenInnDS) als Bedarfs­
                                                                                                                                      (das entspricht zehn
                                                      trägerin gibt es regelmäßige Arbeitstreffen. Die Projektgruppe                  Fußballfeldern) umfasst
                                                      stellt sicher, dass Bedarfe der BFRA in ein konkretes Raum- und                 das Planungsgebiet
                                                      Flächenprogramm übersetzt werden. Die Ziele orientieren sich
                                                      dabei am Bedarfsprogramm aus 2016 und dessen Aktualisie­                        der Berliner Feuerwehr
                                                      rung aus 2021.                                                                  auf dem TXL.

                                                                                                                                                                                               19
RETTUNGSDIENST

ERSTE HILFE
                                                                    PSYCHOSOZIALE NOTFALLVERSORGUNG
                                                                    FÜR BETROFFENE (PSNV-B)
                                                                    Die PSNV-B ist fester Bestandteil der Akutversorgung nach

FÜR DIE SEELE
                                                                    belastenden Notfällen und ergänzt medizinische und techni­
                                                                    sche Hilfeleistung an der Einsatzstelle. Der Fokus der PSNV-B
                                                                    liegt in der Begleitung von Betroffenen, also Überlebenden,
                                                                    Angehörigen, Zeuginnen und Zeugen sowie Angehörigen
                                                                    vermisster Personen. Die PSNV-B wird durch ehrenamtliche
Wer steckt hinter der Psychosozialen                                Kräfte verschiedener Organisationen durchgeführt. Sofern ein
                                                                    Bedarf an PSNV-B durch die Einsatzkräfte erkannt wurde und
Notfallversorgung (PSNV) in Berlin                                  die Betroffenen das Gesprächsangebot nutzen wollen, kön­
und wo liegt der Unterschied                                        nen PSNV-B-Kräfte über die Leitstelle angefordert werden.

zwischen PSNV-E und PSNV-B?                                         DAS BERLINER PSNV-GESETZ
                                                                    Als erstes und bisher einziges Bundesland führte Berlin im

E
                                                                    September 2021 ein Gesetz zur Psychosozialen Notfallver-
        rfolglose REA“, „Suizid im ÖR“, „Kind unter Tram“ – alles   sorgung ein.
        Ereignisse, die Einsatzkräfte sowie Angehörige und Au­
        genzeugen besonders prägen. Die zeitnahe Verarbei­          Das Gesetz hat zum Ziel, die PSNV-B zu einem leistungsfä­
        tung derartiger Geschehnisse ist äußerst wichtig, um        higen und integralen Bestandteil der nicht polizeilichen Ge­
die Entwicklung akuter Stressreaktionen und Posttraumatischer       fahrenabwehr zu entwickeln. Das Gesetz sieht die Funktion
Belastungsstörungen vorzubeugen. Spätestens seit dem An­            einer landesbeauftragten Person für die PSNV vor. Die lan­
schlag auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 ist sie        desbeauftragte Person koordiniert und beaufsichtigt alle Sta­
uns allen ein Begriff: die Psychosoziale Notfallversorgung, kurz    keholder in der PSNV und ist für das Qualitätsmanagement
PSNV. Über das Erlebte sprechen ist „Erste Hilfe für die Seele“.    der PSNV im Land Berlin zuständig. Der Berliner Feuerwehr
                                                                    kommt hierbei eine besondere Bedeutung bei der Umsetzung
PSYCHOSOZIALE NOTFALLVERSORGUNG                                     zu: Der/die Landesbeauftragte PSNV soll zukünftig im Bereich
FÜR EINSATZKRÄFTE (PSNV-E)                                          EV RD angesiedelt werden.
Einsatzkräfte sind es in der Regel gewohnt, mit ihren all­
täglichen Belastungen umzugehen. Dennoch werden sie                                                                    Lisa Wollenhaupt,
                                                                                                      Einsatzvorbereitung Rettungsdienst
manchmal mit Ereignissen konfrontiert, die ihre normalen Be­
wältigungsstrategien überfordern. Gemeinsam mit der Feu­
erwehrseelsorge bildet das Einsatznachsorgeteam (ENT)
die PSNV-E bei der Berliner Feuerwehr ab. Das ENT setzt
sich aus Psychosozialen Fachkräften und erfahrenen
Einsatzkräften zusammen, diese unterstützen Ein­
satzkräfte, die im beruflichen Zusammenhang
mit Extremereignissen konfrontiert wurden.

Die Aufgaben vom ENT umfassen ein
ganzes Maßnahmenbündel von Einzel­
gesprächen bis hin zu strukturierten
Gruppengesprächen. Alle Mitarbei­
tenden im Rufbereitschaftsdienst
des ENT haben eine Zusatzqualifi­
kation im Bereich Psychotraumato­
logie und Gesprächsführung.

 DAS ENT IST RUND UM DIE
 UHR UNTER DER NUMMER
 0172 3848219 ERREICHBAR.

20
GUT ZU WISSEN

                                                                  IM NOTFALL KÖNNEN
                                                                   WENIGE SEKUNDEN
                                                                 ÜBER LEBEN ODER TOD
                                                                     ENTSCHEIDEN.

KINDERFINDER –
AUFKLEBER MIT WIRKUNG
Ein Aufkleber weist Rettungskräften den Weg.

I
   m Brandfall können Sekunden über Leben und Tod entschei­        Einsatzkräfte schnell erkennen, wo sich das Kinderzimmer be­
   den. Vor allem Kinder geraten in Extremsituationen häufig       findet. Diese Räume werden dann noch sorgfältiger untersucht
   in Panik und bringen sich dadurch zusätzlich in Gefahr. Aus     und Kinder können schneller gefunden werden.
   Angst vor dem Feuer verstecken sie sich unter dem Bett, im
Schrank oder hinter Gardinen. Ist der Einsatzort bereits stark     Wer den Aufkleber noch nicht kennt, kann gern mehr Infor­
verraucht, kann der Angriffstrupp der Berliner Feuerwehr bei       mationen und auch einen Aufkleber bekommen. Schreibt an:
einer Menschenrettung schwer erkennen, in welchem Raum             ServiceBrandschutzaufklaerung@berliner-feuerwehr.de.
sich möglicherweise noch ein Kind aufhält.
                                                                                                                  Stefan Salzwedel,
                                                                                                                Stab Kommunikation
Eine Lösung bietet der Kinderfinder. Er weist Rettenden den
Weg und signalisiert: Hinter dieser Tür könnte ein Kind sein.
Der neongelbe Aufkleber aus reflektierendem Material ist auch
bei Dunkelheit gut erkennbar. Empfohlen wird, den Aufkleber
im unteren Drittel der Kinderzimmertür anzubringen. So können

                                                                                                                               21
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