MAGAZIN 05. 2017 - GCSC.MAGAZIN

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MAGAZIN 05. 2017 - GCSC.MAGAZIN
05             . 2017
                                                             german council
21. Jahrgang 2017 | € 12 | ISSN 1614-7804
German Council of Shopping Centers e. V.
Impulse, Trends und Nachrichten für Immobilienwirtschaft,
Handel, Städte und Kommunen                                 MAgazin
INTEGRATION
MAGAZIN 05. 2017 - GCSC.MAGAZIN
Frohe
    Weihnachten
       und viel Erfolg
    im neuen Jahr wünscht Ihnen
              First Christmas,
    Ihr Partner für die Weihnachtsdekoration!

Creating the Magic.
Wir sind Spezialisten für Weihnachtsdekoration in Frequenzimmobilien.
mail@firstchristmas.com · www.firstchristmas.com
MAGAZIN 05. 2017 - GCSC.MAGAZIN
Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

»Integration – der Vorgang, dass jemand be­       Zurück in die Welt der Handelsimmobilien und      um ein friedliches Miteinander möglich zu ma­
wusst durch bestimmte Maßnahmen dafür             Shopping Center gesprungen heißt dies: Das        chen. Klingt einfach. Ist es offensichtlich aber
sorgt, dass jemand ein Teil einer Gruppe wird.«   zukünftige Handelsformat des stationären Ein­     nicht.
So das Wörterbuch, oder kurz vor der Fußball      zelhandels muss Online- wie Offline-Handel in
WM 2018 sportlich gesagt: »Eine wichtige Auf­     (s)ein Geschäftsmodel integriert haben.           Hierbei gilt in Deutschland ein bedeutender
gabe des Trainers ist die Integration der neuen                                                     Grundsatz aus unserem Grundgesetz. Der Arti­
Spieler in die Mannschaft.«                       Blicken wir auf die Rahmenbedingungen ge­         kel 1 – als Basis unseres Zusammenlebens legt
                                                  bende Stadtverwaltung beziehungsweise Ge­         fest: »Die Würde des Menschen ist unantast­
Kurzum, im Prinzip geht es Tag für Tag um Inte­   setzgebung heißt dies: Die lebendige Innen­       bar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflich­
gration. Schauen wir auf unsere Teams in unse­    stadt muss die Freiräume des reinen Online­       tung aller staatlichen Gewalt.« In Deutschland
ren Unternehmen oder auf die Zusammenar­          handels für stationäre Händler gleichermaßen      ist dies auch die Grundlage für Gleichberechti­
beit mit Kunden und Dienstleistern im norma­      mit gesetzlichen Regelungen ausstatten, um        gung. Alle Menschen gleich »wertvoll«. Wer
len Geschäftsalltag, dann erkennen wir schnell,   Fairness und Chancengleichheit als integrieren­   also Teil unserer Gesellschaft wird, akzeptiert
dass unser gemeinsamer Erfolg immer auf der       des Mittel der Stabilität zum Nutzen aller um­    unsere Gesetze.
Basis einer sinnvollen Integration aller Team­    zusetzen.
player und somit auch auf der Basis einer »ver­                                                     Mit unserer bewusst nachdenklich gewählten
handelten« gemeinsamen »Geschäftsordnung«         Vielerlei Beispiele lassen sich hier aufzählen.   Ausgabe »INTEGRATION« zum Jahresende wol­
funktioniert. Jeder muss am Ende etwas zum        Die aktuelle Diskussion um die Integrationsfä­    len wir anregen, über eigene und andere Posi­
Ergebnis beitragen.                               higkeit unserer deutschen Gesellschaft und        tionen rund um Integration nachzudenken und
                                                  eben auch in gleicher Intensität die Frage nach   am Ende überlegt zu handeln.
Die aktuelle gesellschaftliche Diskussion rund    dem Integrationswillen der »Nicht deutschen
um das Themenfeld »Integration« findet in         Gesellschaft« stehen vielerorts noch ungelöst     Ich wünsche Ihnen im Namen des GCSC Vor­
der Übersetzung des lateinischen Wortes           im Raum. Beide Seiten müssen ihre Positionen      standes eine besinnliche Weihnachtzeit und ei­
»inte­grare – erneuern, ergänzen, geistig auf­    verlassen und aufeinander zugehen, Kompro­        nen guten Start in das neue Jahr.
frischen« eine spannende Reflexion. Grundla­      misse eingehen um eine gemeinsame Zukunft
ge aber – und das darf man eben nicht verges­     in Frieden gestalten zu können. Nach diesen
sen- bleibt, dass beide Seiten einen starken      »Regeln« muss man dann auch bereit sein »in­
Willen haben müssen, das gemeinsame Ziel          tegriert« zu leben. Die grundlegende Voraus­
zu erreichen – beim Fußball eben das Spiel zu     setzung ist jedoch, dass jede Seite erkennt,
gewinnen. Aus »A« und »B« wird »AB«. Ein          dass sie nicht von »Gottes Gnaden« einen          Ihre Christine Hager
unglaublich spannendes Thema, das nicht erst      »Tick« besser ist, sondern auf Augenhöhe mit
seit der Grenzöffnung für Asylsuchende auf        Respekt und Toleranz die Auseinandersetzung
der Agenda steht.                                 zum Finden der gemeinsamen Position führt,
MAGAZIN 05. 2017 - GCSC.MAGAZIN
GERMAN COUNCIL . inhalt

Integration

      04 Warum anders auch gleichzeitig neu ist                                                        12 Das wertvollste Dokument der Welt

      german council                                                                              30   »Wir können nicht allen helfen«. Der Tübinger Oberbürgermeister
01 Vorwort.                                                                                      		    Boris Palmer will Kontingente für Flüchtlinge schaffen und
                                                                                                 		    Kriminelle schneller abschieben. Im Gespräch mit dem Mann
      integration                                                                                		    von Bündnis 90/Die Grünen, der gern provoziert
 04   Titelthema. Integration bedeutet durchweg nur Positives.                                    32   Europa am Scheideweg. Die europäische Integration ist ins Stocken
		    Der Begriff steht für »erneuern, ergänzen, geistig auffrischen«.                           		    geraten. Vier Szenarien, wie es weitergehen könnte
 08   »Sprache ist nicht alles, aber ohne Sprache ist alles nichts«.                              36   Der Baukasten der Natur. Wie Wissenschaftler die außerordent-
		    Wer nicht dieselbe Sprache spricht, kann sich nur schwer                                   		    lichen Fähigkeiten von Tieren auf Maschinen übertragen
		    verständigen. Im Gespräch mit dem Sprachforscher Helmut Glück                               38   Jeder Tag zählt. Wie man es schafft, gesünder zu leben?
 12   Das wertvollste Dokument der Welt. Warum der deutsche Pass                                 		    Einfach Rituale in den Alltag integrieren
		    eine wichtige Voraussetzung für Integration ist. Im Gespräch mit
		    Migrationsforscher Thomas Straubhaar                                                             experteninterviews
 16   Muslime sehen europäische Union positiver als die Europäer.                                 40   »Mode ist durch social influencer viel zugänglicher geworden«
		    Zwei aktuelle Studien räumen mit Vorurteilen auf                                           		    Soziale Online-Plattformen gibt es reichlich. Auch der Textil-
 22   Wie Schrumpfgeld den Euro ergänzt. Regionalgeld wie der 		                                 		    einzelhandel nutzt sie. Beim jungen Publikum klappt das noch
		    Chiemgauer und Cyber Currencies wie Bitcoin sind im Kommen.                                		    besser über »Mode-Influenzer«. Nina Suess ist eine von ihnen
 28   Die Willensnation aus den Alpen. In der Schweiz leben                                       42   Veränderungsprozesse im Handel. Über erfolgreiche Konzepte,
		    Menschen aus vier Kultur- und Sprachkreisen weitgehend                                     		    Trends von morgen und Mieter von übermorgen. Im Gespräch
		    konfliktfrei zusammen. Was sie zusammenhält, ist ihre                                      		    mit Florian Lauerbach, geschäftsführender Gesellschafter der
		    Basisdemokratie.                                                                           		    ILG-Gruppe

impressum

herausgeber                        redaktionsteam               bezug                             verlag                            druck                                 Nach­­druck oder sonstige Re­pro­
German Council of                  Torben Dietrich,             Mitglieder des GCSC e. V.         GCM-Verlag c/o                    Kunst- und Werbedruck,                duktion (auch aus­zugsweise)
Shopping Centers e. V.             Richard Haimann,                                               Behrens und Behrens GmbH          Bad Oeynhausen                        nur mit Ge­neh­mi­gung des
Bahnhofstraße 29                   David Huth,                  verbreitung                       Geschäftsführer und                                                     He­raus­­gebers.
D-71638 Ludwigsburg                Kristin Kasten,              Das German Council                Verleger: Ingmar Behrens          Das German Council Magazin
Telefon 07141.38 80 83             Susanne Müller,              Magazin hat eine Reichweite       Dorfstraße 64                     ba­siert auf In­for­mationen, die     Mediadaten und weitere
Telefax 07141.38 80 84             Thorsten Müller,             von rund 20.000 Lesern (inkl.     24107 Kiel-Ottendorf              wir als zuverlässig ansehen,          Informationen finden Sie
office@gcsc.de                     Steffen Uttich,              Onlineversion).                   Telefon: 0431.66 111 88 11        eine Haftung kann nicht               unter www.gcsc-magazin.de.
www.gcsc.de                        Jasmin Wagner                                                  Telefax: 0431.66 111 88 88        über­­­nommen werden. Na­ment­
                                                                Covermotiv                        www.behrensundbehrens.de          lich gekennzeichnete Bei­träge        erscheinungsdatum
beauftragter des                   gastbeitrge                 Rawpixel Ltd – istockphoto.com    www.gcsc-magazin.de               müssen nicht die Meinung der          dieser ausgabe:
herausgebers                       Prof. Dr. med. Curt Diehm,                                                                       Redaktion widerspiegeln. Die          Dezember 2017
Rüdiger Pleus                      Dr. Johannes Grooterhorst,                                                                       Redaktion behält sich die
                                   Dr. Ursula Grooterhorst,                                                                         Kürzung ein­gesandter                 das nchste german
chefredaktion                      Manfred Helmus,                                                                                  Ma­nus­kripte vor. Er­füll­ungs­ort   council magazin
Susanne Osadnik (v.i.S.d.P.)       Anica Meins-Becker                                                                               und Ge­­richts­­stand ist Hamburg.    erscheint im februar 2018

   GCM 5 / 2017
MAGAZIN 05. 2017 - GCSC.MAGAZIN
german council . inhalt

      16 Muslime sehen Europäische Union positiver als Europäer                     52 Mehr Rücksicht, weniger Barrieren

      forschung                                                                     foren
 44   Thema BIM und Shopping Center. Workshop an der Bergischen                74 Schnelle Entscheidungsstrukturen und effiziente Kommunikation
		    Universität Wuppertal                                                   		 sichern Rendite. Eindrücke vom zweiten Forum Asset Management
 46   Stadtleben im Jahr 2040. Eine Studie, die im Mittelpunkt des
		    8. CoRE Handelsimmobilientags in München stand                                recht und gesetz
                                                                               78 Großflächiger Einzelhandel im Bauplanungsrecht. Ausgewählte
      handel                                                                  		 Beispiele aus der aktuellen Rechtsprechung
 50   Powershoppen auf allen Kanälen. Kombinierte Vertriebswege
		    boomen. Doch noch hinkt der deutsche Einzelhandel im interna-                 marktplatz – advertorial
		    tionalen Vergleich hinterher.                                            80   Shopping-Center-Segment 2017: Wachsender Full-service- und
 52   Mehr Rücksicht, weniger Barrieren. Der Handel wird sensibler            		    Wohlfühlwunsch im Verbund mit Mensch und Digitalisierung.
		    und versucht, sich auf die Bedürfnisse seiner sensiblen Kundschaft       81   Zukunftsfähiges Property Management. Sonae Sierrra zu neuen
		    einzustellen                                                            		    Food-Court-Konzepten
 56   Showbühne für Kreative. Der ausgefeilte Wettbewerb um junge              82   Ganz große Gefühle. Im Gespräch mit Kersten Rosenau, Gründer
		    Unternehmertalente im Berliner Shopping Center scheint erfolg-	         		    und Inhaber von First Christmas
		    reich zu sein. Eine Blaupause ist der First Store by Alexa aber nicht    84   Wir machen ihr Center zur Erlebniswelt. Emotionen und Begeiste-
 58   Bitte nicht an Heiligabend! In diesem Jahr fällt der 24.12. auf         		    rung auch während Ihres Umbaus
		    einen Sonntag. Geschäfte öffnen oder schließen? Susanne Osadnik          86   Revitalisierung. Der neue Kaufpark Eiche – ein modernes Center
		    und Steffen Uttich finden: Das ist »Ansichtssache«                      		    für die ganze Familie
 60   Verrückt, absurd, originell, schön, nützlich … Weihnachts-
		    geschenke, auf die man erst mal kommen muss.                                  mitglieder
                                                                               87 Aufnahmeantrag.
      standpunkte
 62 Werte zwischen Tradition und neuem Denken.
    Ein Beitrag über neuen Führungsstil in Unternehmen von
		 Ursula Grooterhorst
                                                                                     ›Dinge sind wertvoll, wenn wir sie brauchen können.
    jahresrckblick                                                                                   Ein Schuh ist zum Beispiel wertvoll,
 64 Die bedeutendsten Entscheidungen des Jahres. Posten, Preise                         wenn er passt und man mit ihm gut laufen kann.
		 und Personalien 2017
                                                                                    Wenn der Schuh kaputt ist und niemand mehr in ihm
      insight                                                                                      laufen kann, hat er keinen Wert mehr.
 70 German Council of Sopping Centers e. V. Wir über uns                                                     Bei Menschen ist das anders:
                                                                                       Der Mensch hat immer einen Wert. Auch wenn er
      nextgen                                                                                krank ist. Auch wenn er nicht arbeiten kann.
 72 Madrid, mehr als Tapas und Fußball. Sechs Center besichtigten                           Wenn etwas immer einen Wert hat, sagt man:
		 die NextGenMitglieder auf ihrer Study Tour
                                                                                    Es hat eine Würde. Jeder Mensch ist deshalb wertvoll,
                                                                                                                   weil er ein Mensch ist.‹
                                                                                                                              Immanuel Kant (1724–1804)

                                                                                                                                         GCM 5 / 2017   
MAGAZIN 05. 2017 - GCSC.MAGAZIN
GERMAN COUNCIL . Integration

                                        Warum anders auch gleichzeitig neu ist
                                        Integration. Kein anderer Begriff bestimmt gegenwärtig so sehr die gesellschaftliche Diskussion.
                                        Meist geht es um die Frage, wie Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen miteinander
                                        leben und arbeiten können. So mancher Skeptiker beäugt die aktuelle Entwicklung kritisch.
                                        Dabei bedeutet Integration durchweg nur Positives. Wissenschaften wie die Soziologie, die
                                        Ökonomie und die Mathematik stehen ganz und gar in der sprachlichen Tradition des
                                        lateinischen Wortes »integrare«, das für »erneuern, ergänzen, geistig auffrischen« steht

                                        Archimedes von Syrakus ist ein Tausendsassa        birgt er vor allem jede Menge Zündstoff – seit                                   nen Abgeordneten in die Bremer Bürgerschaft
                                        der Antike: Astronom, Ingenieur, Mathemati­        Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr öster­                                     und fünf Vertreter in das Brandenburger Län­
                                        ker, Physiker. Der Mann, der 287 vor Christi in    reichischer Kollege, der Sozialdemokrat Wer­                                     derparlament entsenden können.
                                        der gleichnamigen Hafenstadt Siziliens gebo­       ner Faymann, in der Nacht vom 4. auf den 5.
                                        ren wird, erfindet den Brennspiegel, den Fla­      September 2015 entschieden, die Grenzen bei­                                     Schon vor Jahren erregt ein anderes »Integrati­
                                        schenzug, die Förderschnecke und das Zahn­         der Länder für tausende in Ungarn festsitzende                                   onsthema« die kollektiven Gemüter: Die Ein­
                                        rad. Vor allem aber ist er Wegbereiter der effi­   Flüchtlinge zu öffnen. Es ist ein Schritt, der                                   führung sogenannter Integrationsklassen. Ge­
                                        zienten Flächen- und Volumenermittlung.            Deutschland spalten wird. Ein Teil der Men­                                      hören Kinder mit Behinderungen in Regelschu­
                                                                                           schen begrüßt die Fremden. Der Wirtschafts­                                      len oder nicht? Manche Eltern gesunder Spröß­
                                        Archimedes findet heraus, dass sich der Um­        manager Gerhard Cromme ist beispielsweise                                        linge fürchten, Lehrer könnten deren Bildung
                                        fang eines Kreises zu seinem Durchmesser ge­       überzeugt: »Menschen aus andern Ländern                                          nicht genügend Zeit widmen, weil sie sich zu
                                        nauso verhält, wie die Fläche des Rondells         bringen die Freundschaft und die Vielfalt der                                    sehr um die kleinen Menschen mit Handicaps
                                        zum Quadrat ihres Radius. Es ist die Entde­        Welt zu uns.«                                                                    kümmern müssten. Andere begrüßen es, dass
                                        ckung der Zahl Pi – und der Beginn der Inte­                                                                                        ihre Kinder von der ersten Klasse an lernen, mit
                                        gralrechnung. Jenes Teils der Mathematik, der      Andere fürchten, dass die große Zahl an Frem­                                    Menschen zusammen zu sein, die körperliche
                                        sich damit beschäftigt, wie durch die Integrati­   den das Land und seine Menschen überfordert.                                     oder geistige Defizite haben.
                                        on diverser kleiner Messeinheiten das Ausmaß       Flüchtlingsheime brennen. Die Täter haben die
                                        gewaltiger Areale und riesiger Hohlkörper er­      klaren Worte des Altkanzlers Helmut Kohl nie                                     »Integratio« – das lateinische Wort steht für Er­
                                        mittelt werden kann. Hätte der alte Grieche        erreicht: »Wer gegen Ausländer hetzt und                                         neuerung. Für David Emile Durkheim, der 1887
                                        sich nicht so den Kopf zermartert, könnten wir     brandschatzt, ist kriminell und gemeingefähr­                                    an der Universität von Bordeaux die Soziologie
                                        heutzutage nicht prüfen, ob eine Weinflasche       lich. Wer so etwas tut, kann nie und nimmer für                                  begründet hat, ist die fortwährende Erneue­
                                        auch tatsächlich die angegebenen 0,75 Liter        sich in Anspruch nehmen, ein deutscher Patriot                                   rung der entscheidende Unterschied zwischen
                                        des Rebensaftes beinhaltet.                        zu sein.« Mit der AfD zieht wieder eine                                          stagnierenden und sich fortentwickelnden Ge­
                                                                                           rechtspopulistische Partei erst in die Landtage,                                 sellschaften. Alte, starre Gemeinschaften veror­
                                        Integration. Der Begriff hat heutzutage viele      dieses Jahr auch in den Bundestag ein. Zuvor                                     tet der Urvater der noch jungen Wissenschaft,
                                        Bedeutungen und Facetten. In Deutschland           hatte die Deutsche Volksunion zuletzt 1999 ei­                                   die das Zusammenleben der Menschen er­
                                                                                                                                                                            forscht, in einer »mechanischen Solidarität«.
                                                                                                                                                                            Zu ihrer Gemeinschaft gehört nur, wer in sie hi­
© Franzjosef Klemm / thyssenkrupp.com

                                                                                                                                                                            neingeboren ist und ihre Traditionen, Sitten
                                                                                                                                                                            und Gebräuche akzeptiert. Strenge Sanktionen
                                                                                                                                                                            gegen Abweichler dieser Normen halten derar­
                                                                                                                                                                            tige Gesellschaften aufrecht – und verhindern
                                                                                                                                                                            zugleich, dass sie sich durch neue Impulse fort­
                                                                                                                                                                            entwickeln.

                                                                                                                                                                            Unterschiedliche Herkunft,
                                                                                                                                       © Logos111 / commons.wikimedia.org

                                                                                                                                                                            gemeinsames Ziel

                                                                                                                                                                            Das Gegenstück dazu findet Durkheim in der
                                                                                                                                                                            »nicht-segmentierten Gesellschaft«: In Gemein­
                                                                                                                                                                            schaften, in die sich Menschen unterschiedli­
                                                                                                                                                                            cher Sprache, Rasse und Religion zusammen­
                                                                                                                                                                            schließen, um gemeinsam Ziele zu erreichen.
                                                                                                                                                                            Die das 19. Jahrhundert prägende industrielle
                                                                                                                                                                            Revolution ist für den Wissenschaftler ein Bei­
                                        August Thyssen                                     Alfred Krupp                                                                     spiel par excellence: Der Betrieb großer Berg-

                                           GCM 5 / 2017
MAGAZIN 05. 2017 - GCSC.MAGAZIN
GERMAN COUNCIL . Integration

                                                                                                                                                      © Science History Images / Alamy Stock Photo
Archimedes von Syrakus

und riesiger Stahlwerke ist nur möglich, weil     nen Frieden geben, weder für Frankreich und      feldern tätig sind – auch über Landesgrenzen
Menschen diverser Kulturkreise bereit sind, ge­   Deutschland, noch für Europa, noch für die       hinweg. Beispiel Volkswagen: 1964 kauft der
meinsam tief unter Tage oder in der feurigen      Welt«, erkennt der erste Kanzler der Bundesre­   Wolfsburger Konzern erst Audi, 1986 Seat in
Hitze der Schmelzöfen zu arbeiten. Die Stahlin­   publik, Konrad Adenauer. Es ist der Beginn der   Spanien, 1991 Skoda im heutigen Tschechien
dustrie in Lothringen wächst mit den zuwan­       politischen Integration des Kontinents, der
dernden Arbeitern aus dem Süden Frankreichs.      später in der Europäischen Union und schließ­

                                                                                                                                                      © Bundesarchiv
Im Ruhrgebiet locken Konzerngründer wie Alf­      lich in der gemeinsamen Währung, dem Euro,
red Krupp und August Thyssen hunderttausende      mündet.
Polen und Schlesier in ihre Zechen und Hütten.
                                                  Zusammenarbeit ber
Keine hundert Jahre nach ihren Anfängen ste­      Grenzen hinweg
hen die deutsche und französische Stahlindus­
trie im Mittelpunkt der ersten großen wirt­       Zudem wird die 1951 geschlossene Montanuni­
schaftlichen Integration der Geschichte. Nach     on, bei der auch Belgien, Italien, Luxemburg
dem Zweiten Weltkrieg führen Politiker beider     und die Niederlande dabei sind, zur Blaupause
Länder die damaligen Schlüsselindustrien zu       für künftige Freihandelsabkommen. Rund um
einem gemeinsamen Stahlmarkt zusammen.            den Globus schließen sich in den folgenden
Die Idee: Kooperieren die einstigen Erzfeinde     Jahrzehnten immer mehr Staaten zusammen,
Deutschland und Frankreich wirtschaftlich eng     um ohne Zollschranken effizient gemeinsam
miteinander, können sie nicht mehr gegenein­      Handel zu treiben. Die Ökonomien der Welt
ander zu Felde ziehen. »Wenn unsere beiden        verzahnen sich immer stärker.
Völker nicht zusammenarbeiten in enger Ge­
meinschaft, in vollem Vertrauen zueinander, in    In der »horizontalen Integration« werden Un­
Verbundenheit und Freundschaft, wird es kei­      ternehmen vereint, die in denselben Geschäfts­   Konrad Adenauer

                                                                                                                                   GCM 5 / 2017   
MAGAZIN 05. 2017 - GCSC.MAGAZIN
GERMAN COUNCIL . Integration
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                                                                                                                                                              Endverkauf. Ein Beispiel dafür sind Textilunter­
                                                                                                                                                              nehmen wie Zara und Primark. Sie haben engs­
                                                                                                                                                              te Kontakte zu den für sie produzierenden Fab­
                                                                                                                                                              riken und verkaufen ihre Waren auf selbst an­
                                                                                                                                                              gemieteten und gemanagten Flächen in Laden­
                                                                                                                                                              zeilen und Shopping Centern. Dadurch können
                                                                                                                                                              sie schnell auf neue Modetrends reagieren und
                                                                                                                                                              auf den Kundengeschmack zugeschnittene
                                                                                                                                                              passende Textilien liefern.

                                                                                                                                                              Ein Puzzle von Archimedes

                                                                                                                                                              Neu ist das allerdings nicht. Der US-Ökonom Al­
                                                                                                                                                              fred D. Chandler, Mitbegründer der modernen
                                                                                                                                                              Unternehmensgeschichte, verortet den Beginn
                                                                                                                                                              der »vertikalen Integration« bereits in der Tex­
                                                                                                                                                              tilindustrie des frühen 19. Jahrhunderts: »De­
                                                                                                                                                              ren Fabriken waren die Pioniere der modernen
                                                                                                                                                              Produktion.« Sie spinnen Garn aus Baumwolle,
                                                                                                                                                              weben es zu Stoffen und schneidern daraus die
                                                                                                                                                              Kleidungsstücke. In der Ölindustrie ist die »ver­
                                                                                                                                                              tikale Integration« von deren Anbeginn an bis
                                                                                                                                                              heute Standard: Ob BP, ExxonMobil oder Royal
                                                                                                                                                              Dutch Shell – sie alle fördern das schwarze
                                                                                                                                                              Gold, raffinieren es zu Benzin, Diesel und
                                                                                                                                                              Schmieröl und bieten die Endprodukte über
                                                                                                                                                              ihre Tankstellen feil.

                                                                                                                                                              Eine weitere große Herausforderung für die
                                                                                                                                                              Wirtschaft: die Informationsintegration. Es
                                                                                                                                                              geht um die Vernetzung der in unterschiedlich
                                                                                                                                                              programmierten Datenbanken gespeicherten
                                                                                                                                                              Informationen quer über Branchen und Länder­
                                                                                                                                                              grenzen hinweg. Es ist die Kernfrage im begin­
                                                                                                                                                              nenden Zeitalter der Digitalisierung, in dem
                                                                                                                                                              dereinst sämtliche Geräte – vom Auto bis zum
                                                                                                                                                              Kühlschrank – miteinander stetig kommunizie­
                               Armando Rodrigues de Sá (* 4. Januar 1926 in Vale de Madeiros, Portugal; † 5. Juni 1979 ebenda) wurde im September 1964        ren sollen. So zumindest die Idealvorstellung.
                               zum millionsten Gastarbeiter der Bundesrepublik Deutschland auserkoren. Er kam im Alter von 38 Jahren nach Deutschland.        Die Lösung sollen Data-Warehouse bringen.
                               Eine offizielle Delegation begrüßte ihn am Bahnhof Köln-Deutz und hieß ihn mit einem Strauß Nelken, einer Ehrenurkunde sowie   Das sind Software-Programme, die Daten aus
                               einem zweisitzigen Zündapp Sport Combinette-Mokick feierlich willkommen.                                                       diversen Quellen extrahieren und in einer ein­
                                                                                                                                                              heitlichen Datenbank organisieren können.
                                                                                                                                                              Die Grundidee dazu beruht auf dem Ostoma­
                               auf. Später kommen noch MAN und Porsche                         stützen die Gewinne aus dem anderen Seg­                       chion: einem mathematischen Puzzle, bei dem
                               sowie aus Italien Lamborghini und Ducati und                    ment das Gesamtgebilde. Die erhoffte Diversifi­                14 Drei-, Vier- und Fünfecke in unterschiedli­
                               Bentley aus Großbritannien hinzu. Die Idee:                     kation klingt in der Theorie gut, scheitert in der             cher Weise zu einem immer gleich großen
                               Durch gemeinsamen Einkauf und Nutzung                           Praxis jedoch häufig. »Diworsefication« – Ver­                 Quadrat zusammengefügt werden müssen.
                               gleicher Teile können Kosten gespart und der                    schlimmerung – nennt US-Börsenstar Peter                       Das ist vergleichbar mit den unterschiedlichen
                               Gewinn gesteigert werden. Audi A3, Seat                         Lynch solche Übernahmen. »Unternehmen, die                     Programmiersprachen der einheitlichen Da­
                               Leon, Skoda Octavia und VW Golf unterschei­                     diversifizieren, verlieren häufig den Fokus auf                tenbank. Übrigens: Das Puzzle selbst ist alles
                               den sich zwar im Äußeren – in der Technik,                      ihr Kerngeschäft, weil ihr Management zu viel                  andere als eine Erfindung der Neuzeit. Sie ah­
                               von der Fahrwerksplattform über die Motoren                     Zeit und Energie für die neuen Nebengeschäfte                  nen es? Genau. Der Name des Puzzle-Erfinders
                               bis hin zu den Getrieben aber gleichen sie ein­                 aufwenden muss.«                                               lautet: Archimedes.
                               ander wie eineiige Vierlinge.
                                                                                               Vermeintlich jüngstes Kind im Definitionsrei­
                               Ganz anders ist es bei der »lateralen Integrati­                gen der Wirtschaftswissenschaften ist die »ver­
                               on«. Hier kaufen Konzerne Unternehmen aus                       tikale Integration«: Die vollkommene Kontrolle                 Ein Beitrag von
                               gänzlich anderen Branchen auf. Die Überle­                      über sämtliche vor- und nachgelagerten Pro­                    Richard Haimann,
                               gung: Läuft es in einem Geschäftsfeld schlecht,                 duktionsstufen – von der Fertigung bis zum                     freier Journalist

                                  GCM 5 / 2017
MAGAZIN 05. 2017 - GCSC.MAGAZIN
GERMAN COUNCIL . Integration

                                                                    Prelios Immobilien Management
                                                                     Prelios Immobilien Management
                                                                    DER
                                                                     DERSPEZIALIST
                                                                         SPEZIALIST FÜR
                                                                                    FÜR IHRE
                                                                                         IHRE
                                                                    EINZELHANDELSIMMOBILIE
                                                                     EINZELHANDELSIMMOBILIE

Entwicklung, Repositionierung
  Entwicklung,                und
               Repositionierung   Management
                                und          fürfürShopping
                                    Management      ShoppingCenter
                                                             Center
Prelios bietet institutionellen  und   privaten Kunden   bundesweit  alle Dienstleistungen
                                                                            Dienstleistungenfür
                                                                                              fürShopping
   Prelios bietet  institutionellen  und  privaten Kunden  bundesweit  alle                       Shopping       ZZwweim
Center, Fachmarktzentren,     Kauf-  und  Geschäftshäuser,  gemischt  genutzte
                                                                        genutzteImmobilien
                                                                                  Immobiliensowie                     eimal
   Center,
Quartiere
            Fachmarktzentren,
           ausaus
                einer  Hand:
                                  Kauf- und
                              Ankaufsprüfung,
                                             Geschäftshäuser, gemischt
                                                 Projektentwicklung, Repositionierung
                                                                        Repositionierungund
                                                                                               sowie
                                                                                          undRefurbish-
                                                                                                                  LLAAGO al
                                                                                                             NNuumm GO
   Quartiere        einer Hand:  Ankaufsprüfung,   Projektentwicklung,                         Refurbish-
ment,  Vermietung,    Shopping   Center   Management,    Kaufmännisches   und  Technisches  Property
   ment, Vermietung, Shopping Center Management, Kaufmännisches und Technisches Property                          mmeerr1!*
Management,
   Management,  Asset  undund
                    Asset    Portfolio Management
                               Portfolio  Management  sowie Transaktionsmanagement.
                                                        sowie Transaktionsmanagement.                                    1!*
Wertschöpfung durch
  Wertschöpfung     aktives
                durch       Management
                      aktives Management

    * LAGO
* LAGO     erneut
        erneut    Nummer
               Nummer    1 im
                      1 im    Shopping
                            Shopping   Center
                                     Center   Performance
                                            Performance   Report
                                                        Report   und
                                                               und   Gewinnerdes
                                                                   Gewinner   desGerman
                                                                                  GermanBrand
                                                                                         BrandAward
                                                                                               Award2017
                                                                                                     2017

w www.prelios.de
     w w.prelios.de                                                                             +49(0)
                                                                                               +49  (0)40
                                                                                                        40 // 350
                                                                                                               350 170-0
                                                                                                                       170-0
                                                                                                               GCM 5 / 2017 
MAGAZIN 05. 2017 - GCSC.MAGAZIN
GERMAN COUNCIL . Integration

                            »Sprache ist nicht alles,
                            aber ohne Sprache ist alles nichts«
                            Wer nicht dieselbe Sprache spricht, kann sich nur schwer verständigen. Das gilt zwar auch für die
                            nonverbale Ebene, wie die gescheiterten Sondierungsgespräche potenzieller Koalitionspartner
                            einer Jamaika-Regierung gezeigt haben. Tatsächlich aber hatten die Protagonisten den Vorteil, alle
                            Deutsch zu sprechen. Das können hierzulande immer noch viele türkische Migranten eher
                            schlecht als recht. Selbst in dritter und vierter Generation mangelt es an Sprachkenntnissen, die
                            aber der Schlüssel zu Job, Wohlstand und Integration sind, sagt der Sprachforscher Helmut Glück

                            Herr Professor Glück, kann Integration ohne                    der Regel schon zweisprachig, und die dritte Ge­   herrschen sie aber auch nicht gut, schon gar
                            entsprechendes Sprachniveau überhaupt ge-                      neration vollzieht den Sprachwechsel zur Lan­      nicht geschriebenes Türkisch. Das ist das Dilem­
                            lingen?                                                        dessprache und ist dann sprachlich integriert.     ma. Und es geht ja weiter: Mangelnde Sprach­
                            Es gibt historische Beispiele, die belegen, dass                                                                  kenntnisse sind dafür verantwortlich, warum ei­
                            Integration ohne entsprechende Sprachkennt­                    Wenn dem so ist, warum spricht man immer           nige türkische Migranten viel schlechter in Schu­
                            nisse lange dauert, etwa in den China-Towns in                 noch von »doppelseitiger Halbsprachigkeit«?        le und Ausbildung abschneiden. Übrigens hat
                            New York und anderen Städten Nordamerikas                      Dieser Ausdruck wurde zu Unrecht als diskrimi­     man schon bei einer der ersten Teilgruppen der
                            oder in Argentinien, wohin vor gut 100 Jahren                  nierend kritisiert. Er bezeichnet einen Sachver­   sogenannten Gastarbeiter erkannt, dass es für
                            Millionen Italiener ausgewandert sind. Der                     halt, der nicht nur in Deutschland, sondern auch   ihre Kinder schädlich war, den Sommer in
                            Scherz, Argentinier seien Italiener, die halb­                 in anderen Ländern beobachtet wurde, nämlich       Deutschland und den Winter in Italien zu ver­
                            wegs spanisch sprächen, ist dieser Einwande­                   dass Migrantenkinder in beiden Sprachen bis        bringen. Migrantenkinder, die das ganze Jahr
                            rungswelle geschuldet. Grundsätzlich aber sind                 zum Schuleintritt auf kein konkurrenzfähiges       über hier blieben, waren der sogenannten Pen­
                            mangelnde Sprachkenntnisse ein Hindernis bei                   Sprachniveau kommen. Bei uns gibt es Kinder,       delmigration ausgesetzten italienischen Kindern
                            der Integration und Sprache damit ein wesentli­                die in diesem Alter weder halbwegs türkisch        gegenüber sprachlich im Vorteil.
                            cher Faktor dafür, dass Menschen schnell in ei­                noch halbwegs deutsch sprechen können. Sie
                            nem fremden Land ankommen und einen gu­                        wachsen, bis sie eingeschult werden, haupt­        Es wäre demnach hilfreich, wenn Migranten-
                            ten Job finden – oder eben nicht. Eine Faustre­                sächlich in Familien und Nachbarschaften auf,      kinder früher an die Zweitsprache herange-
                            gel besagt, dass es die erste Generation schwer                wo nur türkisch gesprochen wird. Wenn sie in       führt würden, etwa im Kindergarten?
                            hat: als Erwachsener eine fremde Sprache zu                    die Schule kommen, können sie gar nicht oder       Ja, das wäre es ganz sicher. Aber hierzulande
                            lernen, ist schwer. Die zweite Generation ist in               nur schlecht Deutsch. Die türkische Sprache be­    gibt es keine Kindergartenpflicht, und ich kann
                                                                                                                                              mir auch nicht vorstellen, dass sich das eines Ta­
                                                                                                                                              ges ändert. Das ist politisch nicht gewollt. Bei
                                                                                                                                              uns gilt nur die Schulpflicht.
© ZU_09 – istockphoto.com

                                                                                                                                              Politisch opportun war es auch nicht, Neuan-
                                                                                                                                              kömmlinge zu einem Sprachkurs zu verpflich-
                                                                                                                                              ten. Das sollte jedem selbst überlassen sein.
                                                                                                                                              Ein schwerer Fehler, der auch mit dafür verant-
                                                                                                                                              wortlich ist, dass die meisten Türken hierzu-
                                                                                                                                              lande viel schlechter ausgebildet sind als an-
                                                                                                                                              dere Migranten?
                                                                                                                                              Auf jeden Fall. Wer auf Dauer in ein fremdes
                                                                                                                                              Land kommt und sich dort nicht verständigen
                                                                                                                                              kann, hat keine gute Lebensperspektive. Spra­
                                                                                                                                              che ist zwar nicht alles, aber ohne Sprache ist
                                                                                                                                              alles nichts. Niemand gibt Dir einen Job – ei­
                                                                                                                                              nen qualifizierten schon gar nicht. Jedem
                                                                                                                                              selbst zu überlassen, ob er Deutsch lernen will
                                                                                                                                              oder nicht, ist eigentlich eine sehr unsoziale
                                                                                                                                              Politik. Ich erinnere mich gut an die Anfänge,
                                                                                                                                              als zu Beginn der 1970er Jahre die ersten Kurse
                                                                                                                                              »Deutsch als Fremdsprache« entwickelt wur­
                                                                                                                                              den. Damals war ich selbst als pädagogischer
                            Der Turmbau zu Babel und die Verwirrung der Sprachen (Genesis 11)                                                 Mitarbeiter in Gelsenkirchen daran beteiligt.

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GERMAN COUNCIL . Integration

                                                                                                                                                         © Annette Glück-Schmidt

Helmut Glück

Es war nicht leicht, sein Umfeld von der Not­     Kölsch. Heutzutage ist das nicht mehr so. Ha-     ler zu finden. Da gibt es einfach zu wenig
wendigkeit solcher Kurse zu überzeugen. Eini­     ben Sie eine Erklärung dafür?                     Druck, Deutsch zu lernen.
ge Industriebetriebe haben das früher begrif­     Die nichtdeutschen Communities in einigen
fen als viele Politiker, etwa die Ruhrkohle AG,   großen Städten haben sich bestens entwi­          Die meisten Migranten leben in Großstädten
die schnell dafür sorgte, dass die zwingend er­   ckelt. Man kann fast alles in seiner Mutter­      unter sich. Wären sie unter Integrationsaspek-
forderlichen Deutschkenntnisse »unter Tage«       sprache regeln. Bei der Bank, im Supermarkt,      ten nicht besser in kleinen Gemeinden oder auf
vorhanden waren.                                  beim Friseur, auf dem Amt – überall finden        dem Land aufgehoben?
                                                  sich Angestellte, die türkisch sprechen. Selbst   Man geht dahin, wo es Arbeit gibt. Insbesondere
In den 1970er Jahren sprachen türkische Kin-      wenn ich einen Anwalt oder einen Bestatter        in den Großstädten findet man auch die weniger
der, also die zweite Generation, auf der Straße   suche, muss ich häufig nicht mal mehr aus         qualifizierten Jobs. Auf dem Land ist das schon
»fehlerfreies« Bayerisch, Schwäbisch oder         meinem Viertel raus, um einen Muttersprach­       schwieriger. Aber es gibt durchaus auch Klein­

                                                                                                                                      GCM 5 / 2017   
GERMAN COUNCIL . Integration
© KatarzynaBialasiewicz – istockphoto.com

                                            städte und Dörfer mit hohem Ausländeranteil –      Sie haben selbst reichlich Erfahrung im Erler-      Der gebürtige Schwabe Prof. Dr. Helmut Glück
                                            beispielsweise im Großraum Stuttgart, wo sich      nen von Fremdsprachen. Wie viele Sprachen           studierte Slavistik und Germanistik in Tübingen
                                            Migranten im Umfeld von großen Industriebe­        beherrschen Sie?                                    und Bochum. Nach Promotion und Habilitation
                                            trieben auch auf dem Lande angesiedelt ha­         Es gibt nur zwei Sprachen, die ich wirklich be­     folgten zahlreiche Lehr- und Forschungsaufträ­
                                            ben. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir stammt       herrsche: Deutsch und Schwäbisch. Auf Italie­       ge im Ausland – darunter in Kanada, Georgien,
                                            aus so einer Kleinstadt.                           nisch kann ich einigermaßen über Fußball re­        Frankreich, Dänemark, Spanien, Tschechien, Ma­
                                                                                               den; auf Englisch, Französisch und Schwedisch       rokko und Ägypten. Seit 1991 ist er Professor für
                                            Sprache und Bildung sind der Schlüssel zur In-     kann ich mich verständigen. Und slawische           Deutsche Sprachwissenschaft und Deutsch als
                                            tegration, hat die Kultusministerkonferenz         Sprachen habe ich einst studiert. Ein paar ande­    Fremdsprache an der Universität Bamberg. Er
                                            (KMK) kürzlich festgehalten. Aber nur in Ber-      re Sprachen kann ich lesen. Gemeinsam mit           war Mitglied des Beirats der Deutschen Gesell­
                                            lin und dem Saarland dürfen Flüchtlingskin-        meiner Familie war ich drei Jahre in Kairo, wo      schaft für Sprachwissenschaft, des Beirats
                                            der sofort nach ihrer Ankunft zur Schule ge-       wir feststellten, dass Arabisch eine ausgespro­     Deutsch als Fremdsprache beim Goethe-Institut
                                            hen. In Bayern dürfen Kinder erst nach drei        chen schwierige Sprache für Deutsche ist – so       und des Redaktionsbeirats der Zeitschrift
                                            Monaten mit dem Lernen beginnen. Sollte            wie das Deutsche für Araber.                        »Fremdsprache Deutsch«. Glück gründete im
                                            Spracherziehung grundsätzlich einheitlich ge-                                                          Jahr 2000 in Bamberg die »Arbeitsstelle zur Ge­
                                            regelt sein?                                       Haben Sie dennoch Arabisch gelernt? Drei            schichte des Deutschen als Fremdsprache«.
                                            Der Bildungsföderalismus führt dazu, dass je­      Jahre sind eine lange Zeit …
                                            des Bundesland selbst entscheiden kann, wie        Wir sind Analphabeten geblieben, weil wir
                                            es in dieser Frage vorgeht. Das macht es si­       Ägyptisch statt Arabisch gelernt haben. Ägyp­
                                            cher nicht einfacher. Grundsätzlich muss man       tisch wird nicht geschrieben. Das auf der Straße
                                            sich aber die Qualität der Maßnahmen anse­         gesprochene Ägyptisch unterscheidet sich ekla­
                                            hen – und weniger die Quantität. Es mangelt        tant vom Hocharabischen. Lesen und Schreiben
                                            überall an geeigneten Lehrern; und diejeni­        zu lernen ist für Kinder in diesem Sprachraum
                                            gen, die es gibt, sind meist völlig überfordert.   schwierig. Hocharabisch ist für sie fast wie eine
                                            Sie fühlen sich oft allein gelassen. Wir brau­     Fremdsprache.
                                            chen dringend vorbereitende Übergangsklas­
                                            sen für Flüchtlingskinder, damit sie ein
                                            sprachliches Niveau erreichen, das zulässt, sie                                                        Jetzt verfügbar!
                                            in den regulären Unterricht zu integrieren.        Das Gespräch führte                                 Die neue GCM-APP
                                            Sie einfach in die nächstbeste Regelklasse zu      Susanne Osadnik,
                                            setzen und dem Lehrer zu überlassen, wie er        Chefredaktion German Council Magazin
                                            damit zurechtkommt, ist wenig zielführend.

                                               GCM 5 / 2017
GERMAN COUNCIL . Integration

                                  Brand Space Design

                          Marken inszenieren.
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                                                             GCM 5 / 2017   
GERMAN COUNCIL . Integration

                 Das wertvollste Dokument der Welt
                 Insgesamt leben hierzulande rund drei Millionen Türken und Türkischstämmige.
                 Nur ein Sechstel von ihnen besitzt neben der eigenen auch noch die deutsche Staatsbürgerschaft.
                 Russlanddeutsche hingegen sind von der ersten Stunde an deutsche Bürger mit allen Rechten
                 und Pflichten – und viel schneller auch wirtschaftlich erfolgreich. Ist der deutsche Pass demnach
                 eine wichtige Voraussetzung für gelungene Integration? Der Migrationsforscher Thomas
                 Straubhaar ist davon überzeugt

                 Herr, Professor Straubhaar, seit den 1960er Jah-   schluss. Bei den türkischen Frauen ist es noch    Türken sind auch am stärksten von Armut be-
                 ren leben Türken und Türkischstämmige in           dramatischer: Da besitzen laut »Datenreport       troffen. Im Durchschnitt hat ein türkischer Haus-
                 Deutschland – inzwischen in vierter Generati-      2016«* 72 Prozent keine abgeschlossene Be­        halt nur 1.242 Euro netto zur Verfügung. Sind
                 on. Dennoch gelten sie als so erfolglos wie kei-   rufsausbildung. Selbst in der dritten und vier­   Türken fauler als andere, oder werden sie nur
                 ne andere Immigrantengruppe. Wie kann das          ten Generation, den 17- bis 45-Jährigen, sieht    schlechter bezahlt?
                 sein?                                              es nicht gut aus. Immerhin mehr als die Hälfte    Nein, fauler sind sie nicht. Aber man kann da­
                 Von allen Menschen mit Migrationshinter­           aller Frauen dieser Altersgruppe haben keine      von ausgehen, dass das schlechte Ausbildungs­
                 grund hierzulande sind die türkischstämmi­         Lehre oder Ausbildung abgeschlossen. Der ge­      niveau verantwortlich für das geringe Einkom­
                 gen am schlechtesten gebildet. Bei der schuli­     ringe Anteil an Akademikern ist generell auch     men ist. Ohne Bildung und Abschluss wird man
                 schen Bildung erreichen weniger als 60 Pro­        beklagenswert: Nur fünf Prozent aller Türkisch­   schlechter bezahlt und auch viel häufiger ar­
                 zent mehr als den Hauptschulabschluss. Noch        stämmigen in Deutschland (acht Prozent der        beitslos. Die türkischen Zuwandernden sind
                 düsterer ist das Bild bei der beruflichen Bil­     17- bis 45-jährigen) haben die Hochschulreife     auch keine homogene Gruppe. Da gibt es zum
                 dung. Fast zwei Drittel haben keinen Berufsab­     geschafft.                                        einen die kleinen Familienbetriebe von Obst­
                                                                                                                      händlern, Schneidern, Handwerken, die sehr
                                                                                                                      viel mehr arbeiten als der Durchschnitt und
                                                                                                                      durchaus erfolgreich sind. Insofern sind Durch­
©Claudia Höhne

                                                                                                                      schnittszahlen auch immer irreführend. Denn
                                                                                                                      tatsächlich ist der Wunsch nach Selbstständig­
                                                                                                                      keit bei Türken viel größer ausgeprägt als bei
                                                                                                                      Deutschen. Leider gehören auch die zahlrei­
                                                                                                                      chen Selbstständigen dazu, die den Sprung in
                                                                                                                      den deutschen Arbeitsmarkt nicht geschafft ha­
                                                                                                                      ben – und nicht wirklich freiwillig selbstständig
                                                                                                                      sind – beispielsweise als Taxifahrer mangels
                                                                                                                      fehlender Alternativen.

                                                                                                                      Kriegen andere Einwanderer das alles besser
                                                                                                                      hin?
                                                                                                                      Ja, durchaus. Bei Menschen aus Osteuropa –
                                                                                                                      dazu gehören auch die Aussiedler – sind es 85
                                                                                                                      Prozent, die einen Realschulabschluss oder so­
                                                                                                                      gar das Abitur schaffen. Der Prozentsatz ist hö­
                                                                                                                      her als bei den Deutschen ohne Migrationshin­
                                                                                                                      tergrund. 17 Prozent aller Aussiedler und sogar
                                                                                                                      30 Prozent der 17- bis 45-Jährigen Menschen
                                                                                                                      aus Osteuropa erlangen einen akademischen
                                                                                                                      Abschluss. Sie verfügen durchschnittlich auch
                                                                                                                      über gut 240 Euro mehr monatliches Einkom­
                                                                                                                      men als die Türkischstämmigen.

                                                                                                                      Haben Sie eine Erklärung für diese diametrale
                                                                                                                      Entwicklung?
                                                                                                                      Ein Grund dafür, dass Aussiedler aus Russland
                                                                                                                      oder Polen viel höher motiviert sind, sich in
                                                                                                                      Deutschland einzuleben und auch voranzukom­
                 Thomas Straubhaar                                                                                    men, ist sicher die Tatsache, dass sie vom ersten

                    GCM 5 / 2017
GERMAN COUNCIL . Integration

                                                                                                                                                               © Jochen Tack / Alamy Stock Photo
Tag an als Deutsche gelten. Sie bekommen mit        die Einheimischen. Schweden gilt internatio­        Jahren ist die Zahl derer, die einen deutschen
ihrer Zuwanderung die deutsche Staatsbürger­        nal als Vorbild für Migrationspolitik. Hier dür­    Pass wollten, stetig geschrumpft. Versagen wir,
schaft mit allen Rechten und Pflichten. Bei den     fen Neuankömmlinge schon während des Asyl­          oder ist die Politik der Türkei nicht ganz unschul-
Türken, die nach Deutschland kommen oder            verfahrens einen Sprachkurs machen und auch         dig daran?
schon seit Generationen hier leben, läuft das       arbeiten. Nach Anerkennung als Flüchtling           Es gibt zwei Ansätze, um das zu erklären. Die
völlig anders. Jahrzehnte lang gab es viele Auf­    starten die Zuwanderer ein Einführungspro­          negative Interpretation dieser Zahlen fußt auf
lagen. Etwa auch die Diskussion um den Famili­      gramm, das zwei Jahre dauert und dazu dient,        der aktuellen Entwicklung in der Türkei. Wer
ennachzug in den 80er Jahren. Jetzt wird im Zu­     sie möglichst schnell in den Arbeitsmarkt zu        als Türke hierzulande auch einen deutschen
sammenhang mit den Flüchtlingen wieder dar­         integrieren. In Deutschland und auch der            Pass besitzt, muss mit Ressentiments rechnen,
über verhandelt. Erst seit 2014 gibt es die dop­    Schweiz verfolgt man einen anderen Kurs:            wenn er in die Türkei fährt – und das tun die
pelte Staatsbürgerschaft für Türken und Tür­        Zeig´ erst mal, dass Du wirtschaftlich erfolg­      meisten Türken nun mal regelmäßig, weil ein
kischstämmige. Sie kamen einst als sogenannte       reich bist, dann wirst Du eventuell mit einem       Großteil der Familie immer noch dort lebt.
Gastarbeiter ins Land, und man muss sich nicht      deutschen Pass belohnt. Dieser deutsche Pass        Eine doppelte Staatsbürgerschaft kommt bei
wundern: Wenn man Menschen über so lange            ist übrigens »Gold« wert. Er ist der Türöffner      Erdogan & Co zurzeit nicht so gut an. Das
Zeit nur als Gäste betrachtet, fühlen und verhal­   für Mobilität und gilt als der wertvollste der      könnte vielfach der Grund sein, warum man
ten sie sich auch wie Gäste und nicht wie Ein­      Welt, weil man damit fast überall hinreisen         sich mit der Einbürgerung schwer tut. Die posi­
heimische.                                          kann – meist ohne Visum. Das braucht man            tive Interpretation: Die Türkei hat sich in den
                                                    nur, wenn man länger bleiben will.                  vergangenen Jahren wirtschaftlich so gut ent­
Keine vernünftige Integration ohne deutschen                                                            wickelt, dass es nicht mehr unbedingt nötig
Pass?                                               Und dennoch erscheint das Dokument nicht            ist, sich für immer auf Deutschland zu verlas­
Sagen wir mal so: Er hilft enorm bei der Integ­     mehr für alle so erstrebenswert zu sein. 2003 ha-   sen, sondern auch eine eventuelle Rückkehr
ration. Man sieht die Erfolge in Skandinavien,      ben sich mehr als 56.000 Türken hierzulande ein-    nicht auszuschließen ist – zumal man hierzu­
wo man als Zuwanderer sofort dieselben poli­        bürgern lassen. 2016 waren es gerade einmal         lande immer der Deutsche zweiter Klasse
tischen und ökonomischen Rechte erhält wie          16.000 Menschen. Vor allem in den vergangenen       bleibt.

                                                                                                                                           GCM 5 / 2017   
GERMAN COUNCIL . Integration

                                                                                                            Henley & Partners Visa Restrictions Index 2017                                                                                                                                                                                                      Die Schweizer Beratungsfirma
     Global Mobility and Visa-Free Access                                                                                                                                                                                         Top Investment Migration Programs                                                                                             Henley & Partners ermittelt je-
                                                                                                                                                                                                                                  180
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                des Jahr die kostbarsten Staats-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                bürgerschaften der Welt und
                                                                                                                                                                                                                                  160

     Top 5                                                                                                                                                                                                                        140

                                                                                                                                                                                                                                  120

                                                                                                                                                                                                                                  100

                                                                                                                                                                                                                                  80
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                untersucht dafür 150 Nationa-
                                                                                                                                                                   176         Germany
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                litäten. Das fünfte Jahr in Folge
                                                                                                                                                                                                                                  60
                                                                                                                                                                   countries
                                                                                                                                                                                                                                  40

                                                                                                                                                       175            Sweden

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    © BRD, Bundesministerium des Innern / Wikimedia Commons
                                                                                                                                                                                                                                  20
                                                                                                                                                       countries

                                                                                                                                           174
                                                                                                                                           countries
                                                                                                                                                         Denmark, Finland, Italy, Spain, US                                                                                                                                                                     führt die deutsche Staatsbürger-
                                                                                                                               173
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                schaft das Ranking an. Was den
                                                                                                                                             Austria, Belgium, France, Luxembourg, Netherlands, Norway, Singapore, UK                           Austria           Malta             Cyprus            Antigua and         St. Lucia              Grenada
                                                                                                                               countries
                                                                                                                                                                                                                                                                167 countries     158 countries
                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Barbuda &          127 countries
                                                                                                                   172
                                                                                                                                                                                                                                              173 countries                                                                                     124 countries
                                                                                                                                 Ireland, Japan, New Zealand
                                                                                                                   countries                                                                                                                                                                          St. Kitts and
                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Nevis
                                                                                                                                                                                                                                                                                                       136 countries                                            deutschen Pass aus Sicht der
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Analysten so wertvoll macht, ist
                                                                                                                        Rank 100     Rank 101     Rank 102         Rank 103    Rank 104

      Rank 1    Rank 2    Rank 3       Rank 4         Rank 5

                                                                                                                                                                                                                                             48                                                          218                                                    die Kombination aus hoher Le-
                                                                                                                                                                                                                                                                  Countries lost ground,                                                  Total number of

     Bottom 5                                                                                                                                                                                                                                                     dropping between one
                                                                                                                                                                                                                                                                      and three ranks
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          countries in the
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Index

                                   Somalia            30
                                                     countries
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                bensqualität und internationa-
                                Syria           29
                 Pakistan           28
                                               countries
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                ler Mobilität, die für Bundes-
                                                                                                                                                                                                     Movers and Shakers
                                   countries

                  Iraq         27
                           countries
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                bürger damit einhergeht. Man
  Afghanistan        24
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Peru
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                kann damit in nahezu jedes
                   countries
                                                                                                                                                                                                     118 Countries

                                                                                                                                                                                                     Rank: 41                                                                                              Highest climber, gaining 15 ranks

                                                                                                                                                                                                     112 & 116 Countries                                      Marshall Islands & Solomon Islands                                                                Land der Welt reisen – ohne
                                                                                                                                                                                                     Rank: 46 & 42                                                                                          Climbed 14 ranks
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                dafür ein Visum beantragen zu
                                                                                                                                                                                                                                                                                           Micronesia
                                                                                                                                                                                                     106 Countries

                                                                                                                                                                                                     Rank: 51                                                                                 Climbed 12 ranks
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                müssen.
           The importance of                                      The benefits of enhanced visa-free access                                       About the Henley & Partners
         Investment Migration                                                                                                                       Visa Restrictions Index
                                                                    As the world becomes ever more globalized, individuals                                                                                      Ghana                                                                             59 Countries
            The growing importance of                                  are increasingly living and conducting business on an                      Since 2006 the Index has been produced
           investment migration can be                                international scale, with a second or third residence or                       in collaboration with the International
                                                                                                                                                                                                                Dropped 4 ranks                                                                      Rank: 77
           seen in the steady growth of                            citizenship becoming an increasingly attractive option. For                      Air Transport Association (IATA), which
       those countries offering residence                        individuals from countries with few visa waiver agreements,                      maintains the world’s largest database of                              India                                                                    49 Countries
          and citizenship-by-investment                          a second passport can open up travel to countries previously                     travel information. In compiling the index,
            programs. These countries                             restricted by time-consuming visa application requirements                       the unique global ranking methodology                                 Dropped 3 ranks                                                             Rank: 87
        continue to perform strongly and                             and processes. This second passport gives a business                           by Henley & Partners is applied to data
       all now feature in the top 40 of the                        person access to the global market, which in turn creates                       provided by IATA´s proprietary passport
                       HVRI.                                                         opportunities for growth.                                                 and visa database.                                                       France                                               173 Countries

                                                                                                                                                                                                                                        Dropped 1 rank                                                 Rank: 4

Viele Türken und Türkischstämmige haben                                                                                                                                        der dritten Generation denselben Lebensstan­
nach wie vor Familie in der Heimat – und unter-                                                                                                                                dard erreichen wie die Einheimischen. Das be­
stützen sie auch finanziell. Leisten sie damit so                                                                                                                              trifft nicht nur das monatliche Einkommen,
etwas wie indirekte Entwicklungshilfe?                                                                                                                                         sondern auch Bildungsabschlüsse, politische
Ein sehr wichtiger Aspekt. Die Türkischstäm­                                                                                                                                   und rechtliche Teilhabe.
migen sind gemeinsam mit denen aus dem
Kosovo, aus Rumänien und Bulgarien diejeni­                                                                                                                                    Sie sind gebürtiger Schweizer. Haben Sie einen
gen, die am meisten in ihre Heimatländer                                                                                                                                       zweiten Pass?
überweisen. Für die Familien zuhause sind                                                                                                                                      Ich habe seit 2013 einen deutschen Pass. Inzwi­                                                                                                   lensnation gemeinsam stark sind und deutsch-,
das teilweise lebensnotwendige Einnahme­                                                                                                                                       schen weiß ich, dass ich für immer in Deutsch­                                                                                                    französisch- und italienischsprachige Katholi­
quellen. Und das Wichtigste ist: Diese Rück­                                                                                                                                   land leben werde. Es gibt kaum ein vergleich­                                                                                                     ken und Protestanten in friedlichem Miteinan­
überweisungen in die Heimatländer laufen                                                                                                                                       bares Land, in dem es mehr Lebensqualität,                                                                                                        der bestimmte Ziele erreichen können. Gesun­
auch stetig und stabil in Zeiten ökonomischer                                                                                                                                  mehr persönliche Freiheit und mehr bürgerli­                                                                                                      der Menschenverstand ist immer besser als
Instabilität – anders als Entwicklungshilfe­                                                                                                                                   chen und rechtsstaatlichen Schutz gibt. Als ich                                                                                                   konfliktreiches Gegeneinander.
maßnahmen. Die Familien können sich darauf                                                                                                                                     die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt
verlassen, dass sie immer unterstützt werden.                                                                                                                                  habe, war der ausschlaggebende Punkt, dass
Die Menschen mit Migrationshintergrund                                                                                                                                         ich 2013 unbedingt an der Bundestagswahl
hierzulande sparen sich das manchmal regel­                                                                                                                                    teilnehmen wollte. Das Privileg besitze ich                                                                                                       Das Gespräch führte
recht vom Mund ab, würden ihre Familien in                                                                                                                                     jetzt.                                                                                                                                            Susanne Osadnik,
der Heimat aber niemals im Stich lassen.                                                                                                                                                                                                                                                                                         Chefredaktion German Council Magazin
                                                                                                                                                                               Gut ein Viertel der Schweizer Bevölkerung hat
Wenn viele Migranten große Teile ihrer Fa-                                                                                                                                     eine fremde Nationalität. Das scheint dort nie-
milie in ihren Heimatländern zurücklassen,                                                                                                                                     manden wirklich zu interessieren. Was können
kann man jemals von »erfolgreicher Integra-                                                                                                                                    wir von Ihren Landsleuten lernen?                                                                                                                 Thomas Straubhaar ist Ökonom und Migrati­
tion« sprechen?                                                                                                                                                                Die staatliche Grundlage der Schweiz ist Prag­                                                                                                    onsforscher. Er lehrt als Professor Volkswirt­
Erfolgreich ist Integration immer dann, wenn                                                                                                                                   matismus und nicht Ideologie. Die Eidgenos­                                                                                                       schaft und internationale Wirtschaftsbeziehun­
die Einwanderer in der zweiten, spätestens in                                                                                                                                  sen haben früh erkannt, dass sie nur als Wil­                                                                                                     gen an der Universität Hamburg. Bis 2014 hat
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 der promovierte Volkswirt dem 2005 gegründe­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 ten Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut als
* Der Datenreport, den die Bundeszentrale für politische Bildung zusammen mit dem Statistischen Bundesamt (De­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Direktor vorgestanden. Von 2008 bis 2011 ge­
statis), dem Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) des Deutschen Insti­
tuts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) 2016 in der 15. Auflage herausgibt, gehört mittlerweile zu den Standard­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 hörte der gebürtige Schweizer dem Sachver­
werken für all jene, die sich schnell und verlässlich über statistische Daten und sozialwissenschaftliche Analysen zu                                                                                                                                                                                                            ständigenrat deutscher Stiftungen für Integra­
den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland informieren wollen.                                                                                                                                                                                                                             tion an.

   GCM 5 / 2017
GERMAN COUNCIL . experteninterviews

HUMA ELEVEN
WIEN

KREATIVE ARCHITEKTUR
FÜR ERFOLGREICHEN EINZELHANDEL

www.chapmantaylor.com
                                                                                                                       GCM 5 / 2017   
London Abu Dhabi Bangkok Bristol Brussels Doha Dubai Düsseldorf Madrid Manchester Milan Moscow New Delhi Paris Prague Shanghai Warsaw
GERMAN COUNCIL . Integration

                               Muslime sehen Europäische Union
                               positiver als Europäer
                               Die muslimische Bevölkerung in Westeuropa wächst. Allein hierzulande leben fast fünf Millionen
                               Menschen dieses Glaubens. Trotz gesellschaftlicher Spannungen sind die meisten von ihnen viel
                               besser integriert als die Öffentlichkeit wahrnimmt. Außerdem sind sie ihren Aufnahmeländern
                               gegenüber dankbar und vertrauen auf deren demokratische Strukturen. Selbst die Institutionen
                               der Europäischen Union sehen sie positiver als die Europäer selbst

                               Die Integration muslimischer Einwanderer in         ben. Derzeit wird viel über mangelnde Akzep­         ders erfolgreich verläuft die Integration der hier
                               Deutschland macht deutliche Fortschritte. Spä­      tanz der EU in weiten Bevölkerungskreisen dis­       lebenden Muslime in den Arbeitsmarkt, haben
                               testens seit der zweiten Generation sind sie        kutiert – die muslimisch geprägten Einwanderer       die Wissenschaftler herausgefunden. Inzwi­
                               mehrheitlich in der Mitte unserer Gesellschaft      der ersten und zweiten Generation gehören da­        schen unterscheide sich die Erwerbsbeteiligung
                               angekommen. Das zeigt der Religionsmonitor          bei mehrheitlich nicht zu den Kritikern.             von Muslimen nicht mehr vom Bundesdurch­
                               2017 der Bertelsmann Stiftung, der Sprachkom­                                                            schnitt der deutschen Erwerbsbevölkerung:
                               petenz, Bildung, Teilhabe am Arbeitsleben und       Beide Untersuchungen zeigen, dass Wahrneh­           Rund 60 Prozent arbeiten in Vollzeit, 20 Prozent
                               interreligiöse Kontakte von Muslimen in West­       mung und Realität durchaus auseinander klaf­         in Teilzeit, und die Arbeitslosenquote gleicht
                               europa untersucht hat. Eine andere aktuelle Stu­    fen können. Und wissenschaftliche Begleitung         sich ebenfalls an. Einwanderer profitierten maß­
                               die kommt zu dem Schluss: Muslime in Europa         gesellschaftlicher Entwicklungen unerlässlich        geblich vom hohen Arbeitskräftebedarf. Aber
                               sehen die Europäische Union (EU) positiver als      ist, will man beurteilen, wie weit die Integration   auch die Öffnung des Arbeitsmarktes durch
                               alle anderen Bevölkerungsgruppen in Europa.         von Menschen anderer Kultur und Religion hier­       schnellere Arbeitsgenehmigungen, kommunale
                               Die Untersuchung des Exzellenzclusters »Religi­     zulande fortgeschritten ist.                         Initiativen zur Job-Vermittlung und Sprachkurse
                               on und Politik« der Universität Münster belegt,                                                          mache sich positiv bemerkbar.
                               dass von allen untersuchten Gruppen aus 16 eu­      Die Forscher der Bertelsmann-Stiftung sehen
                               ropäischen Ländern Muslime die einzigen sind,       Deutschland bislang auf gutem Weg, wenn              Fr die meisten ist Deutsch
                               die ihr Vertrauen in das Europäische Parlament      auch die Integrationserfolge von Teilen der Ge­      die Erstsprache
                               auf einer Skala von 1 bis 10 mit mehr als 5 ange­   sellschaft zu wenig anerkannt würden. Beson­
                                                                                                                                        Weitere Ergebnisse der Bertelsmann-Studie:
                                                                                                                                        Mit Deutsch als erster Sprache wachsen 73 Pro­
                                                                                                                                        zent der in Deutschland geborenen Kinder von
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                                                                                                                                        muslimischen Einwanderern auf. Ihr Anteil
                                                                                                                                        steigt von Generation zu Generation. Das gilt
                                                                                                                                        auch für das Niveau der Schulabschlüsse. Die
                                                                                                                                        Angleichung an die durchschnittliche Schulab­
                                                                                                                                        schlussquote aller Schüler verläuft in Deutsch­
                                                                                                                                        land allerdings langsamer als etwa in Frank­
                                                                                                                                        reich. Dort verlassen nur elf Prozent der Musli­
                                                                                                                                        me vor Vollendung des 17. Lebensjahrs die
                                                                                                                                        Schule. In Deutschland gilt das für 36 Prozent.

                                                                                                                                        Einen Grund für den Unterschied sehen die
                                                                                                                                        Wissenschaftler im Schulsystem: In Frankreich
                                                                                                                                        lernen die Kinder länger gemeinsam und kön­
                                                                                                                                        nen so Startnachteile besser ausgleichen. Trotz
                                                                                                                                        höherer Schulabschlüsse sind in Frankreich
                                                                                                                                        Muslime im Vergleich zur Gesamtbevölkerung
                                                                                                                                        allerdings überdurchschnittlich oft arbeitslos
                                                                                                                                        und arbeiten seltener in Vollzeit. »Der interna­
                                                                                                                                        tionale Vergleich zeigt, dass nicht Religionszu­
                                                                                                                                        gehörigkeit über die Erfolgschancen von Inte­
                                                                                                                                        gration entscheidet, sondern staatliche, wirt­
                                                                                                                                        schaftliche und gesellschaftliche Rahmenbe­
                                                                                                                                        dingungen«, sagt Stephan Vopel, Experte für
                                                                                                                                        gesellschaftlichen Zusammenhalt der Bertels­
                                                                                                                                        mann Stiftung.

                                  GCM 5 / 2017
GERMAN COUNCIL . Integration

                                                                                                                                                             © oneinchpunch – Fotolia.com
Jeder zweite Muslim hat einen                      der Religion sind im Arbeitsleben kein Tabu«,        Prozent der in Deutschland geborenen Musli­
deutschen Pass                                     sagt Yasemin El-Menouar, Islam-Expertin der          me ihre Freizeit regelmäßig mit Nicht-Musli­
                                                   Bertelsmann Stiftung. Beispielsweise dürfen          men verbringen. Fast zwei Drittel der Muslime
Der Einkommensvergleich zwischen deutschen         britische Polizistinnen schon seit zehn Jahren       geben an, dass ihr Freundeskreis mindestens
und britischen Muslimen unterstreicht die Ab­      im Dienst ein Kopftuch tragen.                       zur Hälfte aus Nicht-Muslimen besteht. Jeder
hängigkeit von staatlichen und gesellschaftli­                                                          zweite Muslim hat einen deutschen Pass und
chen Rahmenbedingungen. In Deutschland             El-Menouar sieht in Deutschland Nachholbe­           96 Prozent von ihnen betonen ihre enge Ver­
fällt es hochreligiösen Muslimen schwer, einen     darf bei der rechtlichen Anerkennung muslimi­        bundenheit mit Deutschland.
Job zu finden, der ihrem Qualifikationsniveau      scher Religionsgemeinschaften und in der Anti­
entspricht. Sie verdienen erheblich weniger als    diskriminierungspolitik: »Religiöse Symbole          Diese Integrationsleistungen finden nicht über­
Muslime, die ihre Religion nicht praktizieren.     sollten nicht für Nachteile bei Bewerbungen          all Anerkennung. 19 Prozent der Bürger in
Anders in Großbritannien: Dort sind sehr religi­   sorgen, und religiöse Bedürfnisse wie Pflicht­       Deutschland geben an, keine Muslime als Nach­
öse Muslime bei gleicher Qualifikation in den      gebete und Moscheegänge sollten auch mit             barn haben zu wollen. »Wenn sich Gesellschaf­
gleichen Berufsfeldern vertreten wie weniger       Vollzeitjobs vereinbar sein.« Das würde einem        ten verändern, wird das immer auch als span­
fromme Muslime. »Muslime im Vereinigten Kö­        bedeutenden Teil der Muslime die Integration         nungsreich empfunden«, sagt Vopel. Um Integ­
nigreich profitieren offensichtlich von einer      erleichtern, denn 40 Prozent von ihnen be­           ration und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu
Chancengleichheit, die wesentlich durch die        zeichnen sich als hochreligiös.                      fördern, nennt der Religionsmonitor drei zent­
dortige institutionelle Gleichstellung des Islam                                                        rale Hebel: Erstens, die Chancen auf Teilhabe zu
mit anderen Religionen befördert wurde. Das        Die bisher bereits erzielten Erfolge in der Integ­   verbessern, insbesondere im Bildungssystem.
Bekenntnis zum Glauben und die Ausübung            ration lassen sich auch daran ablesen, dass 84       Zweitens, den Islam als Religionsgemeinschaft

                                                                                                                                         GCM 5 / 2017   
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