Wie wir leben werden Stadt 4.0- der Standard Nr. 1 2016/2017

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Wie wir leben werden Stadt 4.0- der Standard Nr. 1 2016/2017
der Standard

             Nr. 1   •   2016/2017

          Stadt 4.0 –
         Wie wir leben
           werden

€ 5,90
Wie wir leben werden Stadt 4.0- der Standard Nr. 1 2016/2017
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                        EINE STADT IST (NUR) STARK,
                               WENN WIR SIE
                           GEMEINSAM STÄRKEN.

                   Eine Stadt wird immer nur so gut, wie man sie gemeinsam gestaltet. Sie ist die Summe aller Ideen und
                   Bemühungen, sie noch besser und lebenswerter zu machen. Mit einem klaren Ziel für die Zukunft: Ressourcen
                   auf smarte Art und Weise schonen. Indem städtische Daten zur Verfügung gestellt werden, können smarte digitale
                   Anwendungen für alle Wienerinnen und Wiener entwickelt werden: www.open.wien.at. Smart ist aber auch, wenn
                   man sich verantwortungsvoll um sozial Schwächere kümmert. Erkundigen Sie sich unter www.freiwillig.wien.at
                   wie und wo Sie sich ehrenamtlich für Wien engagieren können. Denn nur wenn alle Wienerinnen und Wiener etwas
                   von der Wiener Lebensqualität haben, werden wir auch in Zukunft alle gemeinsam eine friedliche und wunderschöne
                   Stadt genießen können – und das, während Wien weiter wächst: www.wachsendestadt.wien.at. Smart, oder?

                                          DIE VOR (AUS) DENKENDE STADT.
Wie wir leben werden Stadt 4.0- der Standard Nr. 1 2016/2017
EDITORIAL

        Zukunftsthemen,
       die unser aller Leben
           beeinflussen

I
          m Jahr 2050 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten
          wohnen. Diese Prognose der Vereinten Nationen ist uns Anlass,
          die Stadt der Zukunft in den Mittelpunkt der ersten Ausgabe des
          Standard-Forschungsmagazins zu stellen. Was wird sich ändern
          auf den Straßen von Bejing, San Francisco, London, Paris, Tokio
          oder Wien? Werden wir irgendwann nur mehr mit autonomen
Fahrzeugen unterwegs sein? Welche Rolle werden Roboter in der Arbeits-
welt spielen? Einige der Fragen haben wir schon in Artikeln in Forschung
Spezial, das jeden Mittwoch im Standard erscheint, aufgegriffen und
für dieses Magazin neu aufbereitet.
     Wir haben uns aber auch weniger techniklastigen Themen angenom-
men: Warum ist Migration für jede Stadt wichtig? Was sagen Smilies in Social
Media über Städte aus? Können urbane Räume weiblicher gestaltet werden?
Denn nach der Mega- kommt die Metacity.
     Im zweiten Teil des Magazins widmen wir uns den wichtigsten wissen-
schaftlichen Errungenschaften des zu Ende gehenden Jahres. Ob es nun das
Ausrufen des Anthropozäns als neues Zeitalter der Menschheitsgeschichte
ist oder der sensationelle Nachweis der Gravitationswellen: Wir haben
zusammengefasst, was 2016 wichtig war und Auswirkungen auf unsere
Zukunft haben wird. Im Magazin eingestreut sind Impulse, kurze Schlag-
lichter, die zum Nachdenken anregen sollen.
     Redaktionell wurde diese Ausgabe federführend von Peter Illetschko,
Tanja Traxler und David Rennert gestaltet, optisch von Armin Karner
und dem Standard-Grafik- und Bildbearbeitungsteam. Wir wollen mit
dem neuen Forschungsmagazin, das in Zukunft zwei Mal jährlich erscheinen
soll, vertiefenden Lesestoff bieten über Themen, die nicht nur Wissen-
schafter beschäftigen, sondern unser aller Leben entscheidend beeinflussen.
                                 Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin

                                                                                                 Auf dem Cover ist eine
                                                                                               Luftaufnahme von Miami,
                                                                                              Florida, zu sehen. Sie stammt
                                                                                               aus dem Bildband „Cities “
                                                                                              (Buchbesprechung Seite 70).
                                                                                                  Foto: Airbus DS 2016/eoVision

                                                       IMPRESSUM UND OFFENLEGUNG
                          Redaktion: Peter Illetschko (Leitung) Grafisches Konzept, Layout und Produktion: Armin Karner
          Bildbearbeitung: Otto Beigelbeck, Lukas Friesenbichler, Heidi Seywald Info-Grafik: Fatih Aydogdu Anzeigen: Gerhard W. Stöger
       Herausgeber: Oscar Bronner, Dr. Alexandra Föderl-Schmid Geschäftsführung: Mag. Wolfgang Bergmann, Mag. Alexander Mitteräcker
                                Chefredaktion: Dr. Alexandra Föderl-Schmid Stellvertretung: Mag. Rainer Schüller
                            Eigentümerin (100 %) / Medieninhaberin, Verlagsort, Redaktions- und Verwaltungsadresse:
                                   Standard Verlagsgesellschaft m.b.H., A- 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 13
                 Hersteller, Herstellungs- und Erscheinungsort: Leykam Druck GmbH & Co KG, 7201 Neudörfl, Bickfordstraße 21.
 FORSCHUNG berichtet über Wissenschaft und Forschung im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Trends, als Magazin der Tageszeitung der Standard.
                               Offenlegung gem. § 25 Abs. 2 und 3 MedienG siehe: http://derStandard.at/Offenlegung

                                                                          3
                                                                     MAGAZ IN
                                                                 FORSCH UNG
Wie wir leben werden Stadt 4.0- der Standard Nr. 1 2016/2017
INHALT

        STADT 4.0                                    Roboter auf vier Rädern:
                                                        Sind wir fit für die
     Die Stadt gehört allen:                           autonome Mobilität?
      Strategien im Zeitalter                               34 bis 37
            des Teilens
             7 bis 10                             Autos, so intelligent wie Pferde:
                                                   Interview mit dem Technologie-
      „Die Megacity ist ein                            experten Arnulf Grübler
      Risikolebensraum“:                                      38 bis 40
   Interview mit der deutschen
    Soziologin Sigrun Kabisch                           Vom schönen Leben
            12 bis 15                              in der denkenden Wohnung:
                                                  Smart Living mit mobilen Möbeln
  Impulse für die nachhaltige                          für knappe Wohnflächen
      Stadt der Zukunft                                       42 bis 44
      16, 21, 32, 41, 45, 55
                                                  Grün ist die neue Bausubstanz:
     Frauen machen Stadt:                           Wie „Green Infrastructure“
 Der weibliche Blick auf Urbanität                   das Stadtklima verbessert
            17 bis 20                                         47 bis 49

   Die Lichter der Großstadt:                         Die Zukunft der Stadt –
     Beleuchtungsszenarien                             die Stadt der Zukunft:
     für die urbane Zukunft                          Eine Grafik mit Fakten über
             22 bis 25                                  die Stadtentwicklung
                                                              50 bis 51
Wohnen zwischen Hipster und
       Hausmeister:                                  Lernen von Kopenhagen:
   Die Gentrifizierung von                               Interview mit dem
   Wiener Arbeitergrätzeln                             dänischen Stadtplaner
         26 bis 27                                    Mikael Colville-Andersen
                                                              52 bis 54
  „Städte wurden erfunden,
um auf Migration zu reagieren“:                   Der Roboter an der Werkbank:
  Interview mit dem türkischen                        Industrie-4.0-Szenarien
      Soziologen Erol Yildiz                        für die Fabriken der Zukunft
            28 bis 31                                         56 bis 59

                                          4
                                       MAGAZ IN
                                     FORSCH UNG
Wie wir leben werden Stadt 4.0- der Standard Nr. 1 2016/2017
INHALT

 Was das Lächeln auf dem Selfie                     NATUR & TECHNIK
    über eine Stadt aussagt:
 Wie soziale Ungleichheit in einer                   Der Mensch als geologischer
 Metropole mit ihrer Social-Media-                    Faktor: Geologen diskutieren,
     Präsenz zusammenhängt                           ob ein eigenes Erdzeitalter nach
            60 bis 62                                dem Menschen benannt werden
                                                         sollte – das Anthropozän
 Der urbane Rhythmus braucht                                      79 bis 81
 einen Code: Gastkommentar der
 Stadtforscherin Katja Schechtner                       „Das Raumschiff Erde
            64 bis 65                                  hat keinen Notausgang“:
                                                           Interview mit dem
    Nach Metropolis kommt                          Wissenschaftsforscher Arno Bammé
          die Metastadt:                                        82 bis 83
   Urbane Zukunftsszenarien in
   der Science-Fiction-Literatur
             66 bis 69                                   RAUM & ZEIT
        Die Stadt im Buch:                            Wo Europas Reisen im All
   Aktuelle Wissenschaftsbücher                            gelenkt werden:
 zu Verstädterung und ihren Folgen                   Lokalaugenschein im Kontroll-
             70 bis 71                               zentrum der Esa in Darmstadt
                                                               85 bis 87

MENSCH & MASCHINE                                      Und sie existieren doch:
                                                    Gravitationswellen – Gastbeitrag
Wunderpillen und Designergene                       des Physikers Peter C. Aichelburg
    für ein längeres Leben:                                     88 bis 91
   Wie Wissenschafter an der
 Lebenszeitverlängerung arbeiten                           „Das Standardmodell
             73 bis 75                             ist nicht genug“: Interview mit dem
                                                        britischen Physiker John Ellis
   „Enorm positive Gefühle für                                    92 bis 94
      eine soziale Maschine“:
Interview mit der US-amerikanischen                    Was 2016 wichtig war:
    Robotikexpertin Kate Darling                   Wissenschaftshighlights des Jahres
              76 bis 77                                       96 bis 98

                                           5
                                        MAGAZ IN
                                      FORSCH UNG
Wie wir leben werden Stadt 4.0- der Standard Nr. 1 2016/2017
STADT 4.0

                                              Schon heute leben mehr Menschen in
                                              der Stadt als auf dem Land – Tendenz
                                                stark steigend. Das bedeutet auch:
                                               Es wird eng auf den Straßen. Damit
                                                die Städte von morgen lebenswert
                                                  sind, braucht es neue Impulse
                                                  für Nachhaltigkeit ebenso wie
                                                weibliche Visionen für Urbanität.
                                               Wie auch immer die Antworten auf
                                                  die großen Zukunftsfragen wie
                                                 Migration, Mobilität oder soziale
                                                Ungleichheit lauten – die Konzepte
                                                   dafür werden sich vor allem
                                               in den urbanen Regionen bewähren
                                                    müssen. Denn der Blick auf
                                                    die Statistik zeigt: Weltweit
                                                 drängen Menschen in die Stadt.
                                                 Lesen Sie auf den Seiten 7 bis 71,
                                                     welche Visionen es für die
                                                       Stadt der Zukunft gibt.
Illustration: Friesenbichler/Rawicka/Karner

                                                                                  6
                                                                               MAGAZ IN
                                                                             FORSCH UNG
Wie wir leben werden Stadt 4.0- der Standard Nr. 1 2016/2017
STADT 4.0

Im Zeitalter
des Teilens:
 Die Stadt
gehört allen
 Immer mehr Menschen leben in den Städten. Der Verkehr
   wird mehr, der Wohnraum wird knapper und teurer.
   Da könnte der simple Ausbau von partnerschaftlichen
          Netzwerken schon Abhilfe schaffen.

                 TEXT: PETER ILLETSCHKO

              E
                             s ist nur acht Jahre her, dass zum
                             ersten Mal genauso viele Men-
                             schen in Städten wie in länd-
                             lichen Regionen lebten. Aber es
                             wird nicht allzu lange dauern, bis
                             sich zwei Drittel der Weltbevöl-
              kerung im urbanen Raum niederlassen werden.
              Die Vereinten Nationen prognostizieren diesen
              Meilenstein in der Verschiebung der Bevöl-
              kerungsverhältnisse zwischen Stadt und Land
              schon für 2050. In Zahlen heißt das:
              9,7 Milliarden Menschen (heutiger Stand: 7,4
              Milliarden) sollen dann auf der Erde leben. →

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                               MAGAZ IN
                           FORSCH UNG
Wie wir leben werden Stadt 4.0- der Standard Nr. 1 2016/2017
STADT 4.0

               Blick auf die Park Avenue
               im Stadtteil Manhattan in
             New York City: sechsspuriger
             Straßenverkehr mit Bäumen.
                       Foto: iStock

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  MAGAZ IN
FORSCH UNG
Wie wir leben werden Stadt 4.0- der Standard Nr. 1 2016/2017
STADT 4.0

→ 6,4 Milliarden werden in Städten zu Hause sein.                                    Die Wahrheit entspricht aber nicht der Ideal-      Mexiko-Stadt, in Kapstadt in Südafrika und in
                           Es wird also eng in den Straßen der Städte und        vorstellung von Verkehr in der City: Stadt heißt       Karachi in Pakistan.
                           Megacitys. Kent Larson, Leiter der „Changing          nicht ohne Grund für Media-Lab-Forscher Kent                Die Geschichte zeigt, wie es zu dieser Ent-
                           Places“-Forschungsgruppe am Media Lab des             Larson auch Verstopfung, Stress, Dreck und oft         wicklung kam: In der Vorzeit haben Menschen
                           Massachusetts Institute of Technology (MIT) in        auch schlechte Luft. 80 Prozent des globalen           Siedlungen noch um Wasserquellen gebaut und
                           Boston, berichtete schon vor vier Jahren, dass es     CO2-Ausstoßes und 75 Prozent des Energiever-           bestellten in der Nähe ihre Felder. Das Zuhause
                           in der Großstadt Bengaluru, dem Silicon Valley        brauchs kommen aus den Großstädten. Trotz-             blieb der Mittelpunkt für Familie, Arbeit, Kran-
                           von Indien, doch ziemlich anstrengend war, sich       dem zieht es die Menschen vom Land in die Städ-        kenpflege oder Unterhaltung. Mit der Industria-
                           auf der Straße von A nach B zu bewegen. „Ich          te, denn dort gibt es mehr Jobmöglichkeiten,           lisierung, sagt Larson, entwickelten sich Netz-
                           brauchte Stunden, um dort einige wenige Kilo-         mehr soziale Vernetzung.                               werke – für Wasser und Abwasser, für Schienen
                           meter voranzukommen“, erzählte er auf der                 In China sollen laut Larson sogar 300 Millio-      und für Straßen. Das Credo lautete: „Gib jeder-
                           Bühne eines TED-Talks. Wahrscheinlich geht es         nen Menschen in den nächsten 15 Jahren in Städ-        mann ein Auto, baue Straßen überallhin und er-
                           vielen Menschen in der indischen Großstadt            te ziehen. „Das heißt, die gesamte Bausubstanz         richte einen Parkplatz, damit sie das Auto abstel-
                           ähnlich: 2011 lebten in Bengaluru laut einer          der USA in 15 Jahren noch einmal zu errichten“,        len können.“ In dieser Welt würden wir bis heu-
                           Volkszählung nicht weniger als 8,4 Millionen          sagt der Stadtforscher.                                te leben, sagt Larson. Und: „Städte werden bis
                           Einwohner. Die Stadt hat ein enormes Verkehrs-                                                               heutefürAutos,nichtfürMenschengebaut.“Für
                           problem, unzählige Autofahrer quälen sich täg-                  Mehr Slums-Bewohner                          den Wissenschafter ist das der entscheidende
                           lich durch endlose Staus.                                 Der Wohnraum in den Städten ist aber schon         Fehler in der Stadtplanung der vergangenen
                               In den USA ist die Situation nicht viel anders:   jetzt knapp, teuer und nicht mehr für jedermann        Jahrzehnte. So gebe es zu wenig Raum für sozia-
                           Die Vergeudung von Zeit und Benzin durch Stau         leistbar. Die Folge: Es gibt zahllose Viertel mit      le Innovationen, die Stadtbewohner dringend
                           wird laut World Economic Forum in den 83              Substandardwohnungen, Slums, in denen die              brauchen, um auf die künftigen Herausforde-
                           größten urbanen Regionen des Landes mit nicht         Gesundheitsversorgung, die Hygiene und die             rungen vorbereitet zu sein.
                           weniger als 60 Milliarden US-Dollar (54 Milliar-      Bildungsangebote weit entfernt sind vom ge-                 Ideen gäbe es ja: Die „Changing Places“-
                           denEuro)beziffert.DieWeltgesundheitsorgani-           wohnten westlichen Standard.                           Gruppe des Media Lab hat schon zu Beginn
                           sation WHO schätzt, dass etwa eine Million                Das World Economic Forum dokumentierte             dieses Jahrzehnts einen Kleinwagen gebaut, der
                           Todesfälle pro Jahr auf Luftverschmutzung             zum Thema „Cities and Urbanisation“, dass              sich beim Einparken auch noch zusammenklap-
                           zurückzuführen seien. Stadtregierungen sollten        nicht weniger als 25 Prozent der Weltbevölke-          pen lässt. Man könnte sagen: Autofahrer mit
                           es also besser wissen und ein dichtes Netz der        rung in derartigen Armenvierteln leben – Ten-          diesem Gefährt teilen den Parkplatz, den sie mit
                           öffentlichen Verkehrsmittel bauen, das die Be-        denz steigend. Die größten finden sich demnach         ihrem Privat-Pkw alleine brauchen würden, mit
                           völkerung auch noch gern nützt.                       in Nairobi in Kenia, in Mumbai in Indien, in           einem Zweiten.                                     →

                           NEUE PLATTFORM FÖRDERT INNOVATIONEN
                           open4innovation.at bringt neue          zugänglich macht, Projektberichte,          Wird der Zugang zu Wissen             in Zukunft auch im Rahmen von
                           Lösungen und beschleunigt den           Erfolgsgeschichten und Informa-             erleichtert, steigt die Chance auf    Wettbewerben und Konsultationen
                           Innovationsprozess.                     tionen zur Verfügung stellt sowie           neue Ideen und Technologien.          zur Mitgestaltung einladen. Die
                           Wo kluge Köpfe aus den Bereichen        Vernetzung und Kooperationen för-           Je einfacher Wissen zugänglich        Umsetzung von open4innovation.at
                           Gesellschaft, Forschung, Unterneh-      dert. Über die interaktive Plattform        gemacht wird, umso größer             ist ein erster wichtiger Schritt zur
                           men und Verwaltung zusammen-            können sich Interessierte online wie        sind die Chancen, dass darauf         Umsetzung der Open-Innovation-
                           treffen, entstehen neue Lösungen        offline vernetzen, sich gegenseitig          aufbauend neue Ideen geboren          Strategie der Bundesregierung, mit
                           und wird der Innovationsprozess         inspirieren und zusammenarbeiten.           und neue Technologien entwickelt      der Österreich weltweit eines der
                           beschleunigt. Das vorhandene            Das ist für erfolgreiche Forschung          werden. Daher werden mit „Open        führenden Länder ist.
                           Potenzial nutzt das Bundesminis-        und Entwicklung entscheidend und            Innovation“ die Resultate öffentli-
                           terium für Verkehr, Innovation und      diese wiederum bildet die Basis             cher Forschungsförderung einfach,
                           Technologie (bmvit), indem es unter     dafür, die großen gesellschaftlichen        zentral und themenübergreifend
                           open4innovation.at die Ergebnisse       Herausforderungen der Zukunft               zugänglich gemacht. Unternehmen       INNOVATIONEN AUS ACHT
                           zahlreicher geförderter Projekte frei   gemeinsam zu meistern.                      wird es so erleichtert, das Wissen    BEREICHEN
                                                                                                               von LieferantInnen, KundInnen oder    open4innovation.at macht Forschungs-
                                                                                                               externen PartnerInnen zu nutzen       ergebnisse aus bisher acht Kategorien
                                                                                                               und gleichzeitig selbst internes      frei zugänglich:
                                                                                                               Wissen zur Verfügung zu stellen.      ■ Mobilität und Luftfahrt
                                                                                                                                                     ■ Industrielle Technologien
                                                                                                               Forschungsergebnisse von              ■ Weltraumtechnologien
                                                                                                               automatisiertem Fahren bis hin zu     ■ Energie und Umwelt
                                                                                                               altersgerechtem Wohnen.               ■ Digitale Technologien
                                                                                                               Die bisher veröffentlichten Resul-    ■ Kooperation zwischen Wissen-
                                                                                                               tate decken Themen wie automati-
  FOTO: ISTOCK/WILDPIXEL

                                                                                                                                                       schaft und Wirtschaft
                                                                                                               siertes Fahren, die Stadt der Zu-     ■ Humanpotenzial
                                                                                                               kunft, Smartphone Security, Medi-     ■ Sicherheitsforschung
                                                                                                               kamentensicherheit und alters-
                                                                                                               gerechtes Wohnen ab. Dabei erwei-
                                                                                                               tert das bmvit die offene Innova-
                           Wissensweitergabe und Zusammenarbeit beschleunigen Forschung und Entwicklung.       tionsplattform laufend und wird

                                                                                                           9
                                                                                                    MAGAZ IN                                         ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG
                                                                                                FOR SCHUN G
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STADT 4.0

→       Die Forscher entwickelten aber auch ein spe-                    ten ihren Besitzer ins Büro fahren und dann – ehe
    zielles E-Bike, das Persuasive Electric Vehicle                     sie nutzlos bis am Abend auf dem Parkplatz her-
    (PEV), mit dem man auch bei Regen teils elek-                       umstehen – auch Familienmitglieder, Freunde,
    trisch und teils mit Beinmuskelkraft deutlich                       Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft
    schneller und sicherer als mit herkömmlichen                        oder sogar Mitglieder einer Social-Media-Grup-
    Fahrrädern ans Ziel kommen könnte. Der Name                         pe chauffieren.
    des „Fahrzeugs“ sagt ja schon aus, worum es                             Das Prinzip der gemeinsamen Nutzung von
    geht: die Bürger zum Radfahren überreden.                           Infrastruktur ist freilich nicht nur auf Autos
    Natürlich soll das auch mit Bikes gelingen, die                     beschränkt: Über den 2008 gegründeten Com-
    heute übliche Handelsware sind. Zu diesem                           munity-Marktplatz Airbnb lässt sich Wohnraum
    Zweck gibt es eine ganz besondere Sharing-Idee:                     vermieten. Mittlerweile steht die Plattform in
    Eine Art „Vielradfahrer-Community“ wird an-                         der Kritik, weil permanenter Wohnraum durch
    gedacht. Wer am häufigsten mit dem Rad fährt,                       die kurzfristigen Vermietungen verlorengeht.
    erhält die meisten Punkte und könnte die dann                       Streetbank ermöglicht, mit Nachbarn, die man
    in Form von Gutscheinen für Reparaturservices                       in Großstädten vielleicht gar nicht wirklich
    an Vielradfahrer-Anfänger verschenken.                              kennenlernen würde, Haushaltsgeräte aus-
        So viel ist sicher: Radfahrer sind schneller als                zutauschen. Auf der Website kann man auch
    Autofahrer – in den Stoßzeiten sparen sie bis zu                    Talente anbieten oder suchen. Die Londoner
    40 Prozent Zeit. Erwiesen ist auch, dass verbes-                    Times schrieb über Streetbank: „Eine der 50 Web-
    serte Sicherheitsmaßnahmen für Fußgänger                            sites, ohne die man nicht leben kann.“ In den
    und nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer zu                         kommenden Jahren, sagen Prognosen, wird die
    mehr Nutzung der Radwege und der öffent-                            Nachfrage nach derartigen Tauschbörsen im-
    lichen Verkehrsmittel führen. Schon Bäume an                        mer größer. Die Co-Generation verlangt es.
    den Straßenrändern können bewirken, dass                                In der Stadt der Zukunft geht es letztlich
    Autofahrer langsamer als vorher fahren.                             darum, keine Ressourcen zu verschwenden:
                                                                        Die Ellen McArthur Foundation ermittelte, dass
               Taxifahrten einsparen                                    45 Prozent des geernteten Gemüses in den Müll
        Carsharing gilt als eine der vielver-                           kommen, ehe es von Menschen verzehrt werden
    sprechendsten Strategien, um Metropolen                             könnte. Seit einigen Jahren schon gibt es in
    insgesamt lebenswerter zu machen: Carlo Ratti,                      Städten daher die Gegenbewegung: Die Bürger
    Direktor des Senseable City Lab am MIT, und ein                     bauen ihr Gemüse selbst an. Verfechter von
    Forscherteam haben schon vor zwei Jahren im                         Urban Gardening meinen, es gebe noch deutlich
    Fachmagazin PNAS das Teilen von Taxifahrten                         mehr Flächen auf Dächern oder in Hinterhöfen,
    als alternatives Transportkonzept für Groß-                         die dafür gemeinschaftlich genützt werden
    städte vorgeschlagen. Nun wurde auf Basis von                       könnten.
    Daten zahlreicher Fahrten für ein zweites Paper                         Fast doppelt so groß wie bisher wird in nur
    errechnet, was ein solches Sharing-Konzept für                      wenigen Jahren – wegen des anhaltenden
    Städte wie Singapur oder Wien bringen könnte.                       Wachstums der Stadtbevölkerung – der Bedarf
    Ergebnis: etwa 40 Prozent Ersparnis von Taxis.                      nach neuen Räumen und den dazugehörenden
    In Singapur ist das aufgrund von mindestens                         Infrastrukturen sein. Der Fokus muss dabei laut
    26.000 Autos, die als Droschken unterwegs                           Studien von Stadtplanern und Ökonomen auf
    sind, doch eine erkleckliche Anzahl. In Wien                        der effizienteren Nutzung bestehender Flächen
    hatten die Forscher Daten von nur 1000 Taxis.                       liegen, weil die Expansion zu teuer und in der
    Auch hier wäre Teilen der Fahrten möglich.                          Kürze der Zeit nicht im erforderlichen Umfang
        Der österreichische Komplexitätsforscher                        umsetzbar wäre. Die Schlagwörter heißen:
    Michael Szell, Co-Autor bei beiden Arbeiten, er-                    Revitalisierung und Umwidmung, wie das zum
    zählt, dass der Fahrtendienst Uber, inspiriert von                  Beispiel Melbourne praktiziert hat. Die australi-
    der ersten Publikation, das Sharing-Tool „Uber                      sche Metropole gab kaum genützte Straßen für
    Pool“ aufgesetzt habe. Uber-Kunden können                           neue Wohnbauten frei.
    nun zwischen einer Einzelfahrt oder einer Fahrt,                        Dass die Stadtbewohner der Zukunft ge-
    die man mit anderen Kunden teilt, wählen. Letz-                     meinschaftliche Entwicklungen brauchen, ist
    tere dauert zwar länger, kostet aber weniger –                      für den US-amerikanischen Ökonomen Edward
    und reduziert insgesamt den ökologischen Fuß-                       Glaeser von der Harvard University eine Selbst-
    abdruck. Derzeit ist Szell Researcher in Residen-                   verständlichkeit: Der Autor von Büchern wie
    ce beim Mobilität-App-Hersteller Moovel in                          Triumph of the City (Penguin, 2012) sieht die
    Deutschland. Hier wird er mit Datenanalysen                         Geschichte der Städte als Geschichte bemer-
    und Visualisierungen darstellen, wie viel mehr                      kenswerter „kollaborativer Kreationen“, die uns
    Platz in einer Stadt wäre, wenn es keine privaten                   reicher, gesünder, grüner, klüger und glückli-
    Pkws mehr gäbe, sondern nur mehr Carsharing-                        cher machten. In einem Interview mit Market-
    Modelle zur Verfügung wären. Ergebnis gibt                          place.org meinte er: „Wir sind eine soziale
    es dazu noch keines. Doch die Vermutung                             Spezies. Städte ermöglichen uns, von anderen zu
    liegt nahe: Da würde nicht wenig Raum frei                          lernen und dadurch im Wettbewerb zu be-
    werden.                                                             stehen.“ Glaeser plädiert also für ein Mitein-
        Natürlich ist ein Teilmodell auch mit priva-                    ander, um überleben zu können. Eigentlich ein
    ten Fahrzeugen vorstellbar. Vielleicht sind der-                    logischer Ansatz, man muss es sich vermutlich
    artige Autos ja künftig selbstfahrend. Sie könn-                    nur immer wieder in Erinnerung rufen.

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                                                           FORSCH UNG
FOTO: BMW iPERFORMANCE
ELEKTRISIEREND                                                                                                                      MEHR VORTEILE.
                                                                                                                                    WENIGER KOSTEN.

EFFIZIENT.
Mit seinen Plug-in-Hybrid-Modellen bietet BMW schon heute die
passende Antwort für die Ansprüche von morgen. Sie vereinen
emissionsarmes Fahren und uneingeschränkte Fahrfreude unter
einem Namen: iPerformance.

Als Wegbereiter der Plug-in-Hy-                              Nachhaltigkeit und Fahrspaß        Lithium-Ionen-Dichte auch durch     ■ Hohe Reichweite
brid-Technologie gilt der BMW i8.                            BMW zeigt mit den Plug-in-         eine lange Lebensdauer bei          Mit bis zu 48 km rein elektrischer
Mit diesem revolutionären Fahr-                              Hybrid-Modellen auch, dass sich    gleichbleibend hoher Leistung.      Reichweite können die im Durch-
zeug wurde das heutige Herzstück                             Nachhaltigkeit und Fahrspaß        Was das konkret für Sie bedeutet?   schnitt täglich gefahrenen Strecken
aller BMW-Plug-in-Hybrid-Modelle                             nicht ausschließen müssen. Das     Extra Schubkraft aus dem Stand      problemlos zurückgelegt werden.
entwickelt: die perfekte Kombi-                              Mehr an Fahrfreude kommt von       bei stufenloser Beschleunigung      Dank dem Verbrennungsmotor ist
nation aus Verbrennungsmotor                                 einem besonders leistungsstarken   kombiniert mit lautloser, emissi-   die Reichweite auf Langstrecken
und Elektroantrieb. Der effiziente                            Lithium-Ionen-Akku. Die flüssig-    onsloser Fahrfreude.                garantiert.
BMW-TwinPower-Turbo-Motor                                    keitsgekühlte Hochvoltbatterie
bietet alles, was man von einem                              braucht nicht nur wenig Platz,     Mehr Informationen finden Sie        ■ Niedrige Kosten
modernen Verbrennungsmotor                                   sondern besticht mit ihrer hohen   unter www.bmw.at/iperformance       Durch den Entfall der Normver-
erwartet, und der Elektroantrieb                                                                                                    brauchsabgabe zahlen Sie deutlich
eDrive sorgt für mehr Nach-                                                                                                         weniger Steuern bei der Anschaffung
haltigkeit und ein einmaliges                                                                                                       von Fahrzeug und Zubehör. Zusätz-
Drehmoment. Dabei entscheidet                                                                                                       lich senkt der Elektroantrieb die
intelligentes Energiemanagement,                                                                                                    motorbezogene Versicherungssteuer
wann und wie die Motoren optimal                                                                                                    und den Sachbezug bei Firmenfahr-
genutzt werden.                                                                                                                     zeugen.

Modelle für jeden Anspruch                                                                                                          ■ Einfaches Aufladen
So kompromisslos wie der Antrieb                                                                                                    Mit der Plug-in-Hybrid-Technologie
                                    FOTO: BMW iPERFORMANCE

ist auch das Angebot. Mit dem                                                                                                       wird Aufladen einfach: an der
BMW 2er Active Tourer, der                                                                                                          herkömmlichen Steckdose, über die
BMW 3er Limousine, dem BMW                                                                                                          BMW Wallbox / Wallbox Pro oder
X5 und dem BMW 7er gibt es                                                                                                          über die wachsende öffentliche
iPerformance-Modelle für jeden                                                                                                      Lade-Infrastruktur.
Anspruch.

                                                                                                                                    ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG
STADT 4.0

                          „Die Mega
                              Risiko

   Diese Luftaufnahmen von
 Mexiko-Stadt (Seite 28), Tim-
buktu (Seite 29) und Barcelona
(Seiten 30 und 31) sind aus dem
Bildband „Cities – Brennpunkte
    der Menschheit“ (siehe
  Buchbesprechung Seite 70).

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STADT 4.0

city ist ein
lebensraum“
                                                                                                Wie sich der Klimawandel auf die Urbanisierung
                                                                                              auswirkt, was Megacitys „sexy“ macht und worin ihre
                                                                                               Risiken liegen, sind Themen, zu denen die deutsche
                                                                                                     Stadtsoziologin Sigrun Kabisch forscht.
Fotos: eoVision / Airbus DS, eoVision / CNES / Distribution Airbus DS (2), www. eovision.at

                                                                                                           INTERVIEW: TANJA TRAXLER

                                                                                                         Städte gewinnen als Lebensraum zunehmend
                                                                                                         an Bedeutung – welche Herausforderungen
                                                                                                         sind damit verbunden?
                                                                                                         Kabisch: Wir leben im sogenannten urbanen
                                                                                                         Zeitalter. Mehr als 50 Prozent der Menschen le-
                                                                                                         ben in Städten, bis 2050 rechnet man damit, dass
                                                                                                         es mehr als zwei Drittel sein werden. Eine große
                                                                                                         Herausforderung besteht darin, die Städte
                                                                                                         menschlich, sicher, mit Zugang zu Bildung und
                                                                                                         Gesundheitsinfrastruktur zu organisieren – und
                                                                                                         geschützt vor Umweltkatastrophen. Der Klima-
                                                                                                         wandel spielt dabei eine entscheidende Rolle. 75
                                                                                                         Prozent der urbanen Bevölkerung leben in Städ-     →

                                                                                                                               13
                                                                                                                            MAGAZ IN
                                                                                                                        FORSCH UNG
STADT 4.0

→ ten, die in Küstenregionen liegen. Doch durch                        gungen schlechter werden und eine Abwärtsbe-
    den Klimawandel wird der Meeresspiegel an-                         wegung in Gang gesetzt wird, wenn keine Alter-
    steigen, und Extremwetterereignisse werden                         nativen sichtbar sind. Bei aller Euphorie für das
    zunehmen.                                                          Wachstum der Großstädte müssen wir beden-
                                                                       ken, dass es immer große Regionen in der Welt
    Bietet der Klimawandel auch Chancen für die                        geben wird, wo Schrumpfung stattfindet.
    Städte?
    Kabisch: Das kommt auf die Perspektive an.                         Sie forschen auch zu Megacitys – was interes-
    Wenn man kältere Regionen betrachtet, kann                         siert Sie daran?
    der Klimawandel mit Chancen verbunden sein,                        Kabisch: Die Megacity ist ein vielzitiertes und
    beispielsweise damit, dass man nicht mehr so                       gerne aufgegriffenes Thema. Es gibt verschiede-
    viel heizen muss. Generell werden sich durch                       ne Definitionen von Megacity, meist versteht
    den Klimawandel Extremereignisse häufen und                        man darunter große städtische Agglomeratio-
    intensiver auftreten. Das beeinträchtigt auch die                  nen mit mehr als zehn Millionen Einwohnern.
    Nahrungsmittelproduktion, die in Städten eine                      Die Megacitys stehen im Zentrum der Aufmerk-
    große Rolle spielt. In Entwicklungsländern wie                     samkeit aufgrund ihrer schieren Größe, Einwoh-
    in Afrika kommt ein großer Teil der Nahrungs-                      nerzahl, Inanspruchnahme von Ressourcen, und
    mittel nicht vom Land, sondern wird direkt in                      viele dieser Städte sind auch internationale Hubs
    den Städten produziert, es gibt dort eine urbane                   von Wirtschaft, Kultur und politischer Entschei-
    Landwirtschaft.                                                    dungsmacht. Auf der anderen Seite ist nicht jede
                                                                       Megacity ein wirtschaftlicher Schwerpunkt. Vie-
    Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung mit                       le afrikanische Städte, die riesengroß sind, spie-
    dem Konzept der resilienten Stadt – was ver-                       len in der Wirtschaft international so gut wie kei-
    steht man darunter?                                                ne Rolle.
    Kabisch: Resilienz bedeutet Widerstandsfähig-
    keit gegenüber Einflüssen, die unerwartet sind.                    In einer Publikation haben Sie die Megacity als
    Das reicht von Klimaextremereignissen bis zu                       Risikolebensraum bezeichnet – warum?
    den jetzigen Flüchtlingsströmen. All das hat man                   Kabisch: Eine Megacity ist oft eine Primecity,
    in der normalen Stadtplanung nicht auf der Ta-                     das ist eine Stadt, die viele Ressourcen eines Lan-
    gesordnung. Es braucht Leitplanken für das Er-                     des konzentriert, andere Städte im Land spielen
    reichen der Stadtentwicklungsziele, die es zu-                     neben der Primecity nur eine marginale Rolle.
    gleich ermöglichen, auf solche Extremereignis-                     Ich selbst habe in einem Projekt über fünf Jahre
    se reagieren zu können, ohne das gesamte Stadt-                    zu Santiago de Chile geforscht. Dort leben rund
    handeln außer Kraft zu setzen.                                     sechs Millionen Menschen, und die Stadt hat vie-
                                                                       le Merkmale einer Megacity. Die Megacity ist ein
    Mit dem stetigen Zuzug in die Städte kommt es                      Risikolebensraum, weil unterschiedlichste He-
    zu einem Bevölkerungsrückgang in anderen Re-                       rausforderungen der Stadtentwicklung nur ge-
    gionen. Welche Gegenden sind besonders davon                       meinsam betrachtet in den Griff bekommen
    betroffen?                                                         werden können. Das reicht von der Trinkwasser-
    Kabisch: Oft sind ländliche Regionen von                           versorgung bis zur Terrorprävention.
    Schrumpfungsprozessen betroffen, manchmal
    aber auch Städte. Die am schnellsten schrump-                      Welche Rollen spielen Megacitys gesamtgesell-
    fende Stadt in Österreich ist Eisenerz. Weiters                    schaftlich?
    sind die Steiermark und Kärnten von Abwande-                       Kabisch: Wir haben immer sehr gerne die Mega-
    rung betroffen. Die Ursache von Schrumpfungs-                      cityentwicklung im Blick, denn die Megacity ist
    prozessen ist oft der Verlust oder Zerfall der öko-                irgendwie sexy. Aber in diesen großen Städten
    nomischen Basis der jeweiligen Region. Wenn                        mit mehr als zehn Millionen Einwohnern leben
    keine Arbeitsplätze mehr vorhanden sind, gehen                     weltweit nur zehn Prozent der städtischen Be-
    Menschen an andere Orte.                                           völkerung. Mehr als die Hälfte der Menschen,
                                                                       die in Städten leben, wohnen in Städten mit
    Welche Gruppen wandern ab, wer bleibt zu-                          500.000 bis einer Million Einwohnern. Deswe-
    rück?                                                              gen sollte der Blick viel stärker auf solche klei-
    Kabisch: Es wandert nicht der normale Durch-                       neren Stadtstrukturen gerichtet werden, weil
    schnitt der Bevölkerung ab, sondern es gehen                       dort noch eine Steuerung möglich ist. Das Zu-
    die, die mobil sind, sozial stark, gut ausgebildet                 sammenspiel aus politischem Handeln, Wirt-
    und sich gute Chancen an anderen Orten aus-                        schaft, Infrastruktur, Governance und Zivilge-
    rechnen. In Ostdeutschland stellen wir fest, dass                  sellschaft kann dort noch gelenkt werden. Die
    in den ländlichen Regionen, die sehr stark                         Städte mit 500.000 bis einer Million Einwoh-
    schrumpfen, vor allem viele Männer zurückblei-                     nern sind auch die am schnellsten wachsenden
    ben. Frauen sind mobiler und finden etwa im                        Städte weltweit.
    Servicebereich schneller einen Job. Damit sind
    die zurückbleibenden Männer die Verlierer auf                      In welcher Hinsicht werden sich Städte in 50
    dem Arbeits- und Heiratsmarkt. Das fördert mit-                    Jahren wesentlich von den Städten unterschei-
    unter bestimmte Entwicklungen wie politischen                      den, in denen wir heute leben?
    Extremismus. Es werden dann zu einfache Er-                        Kabisch: Wenn es gelingt, die New Urban Agen-
    klärungen dafür gesucht, dass die Lebensbedin-                     da, die auf der UN-Habitat III Konferenz im

                                                              14
                                                            MAGAZ IN
                                                          FORSCH UNG
STADT 4.0

                                   Oktober 2016 verabschiedet wurde, zügig umzu-
                                   setzen, bestehen gute Chancen, die urbane Le-
                                   bensqualität global zu verbessern. Dabei geht es
                                   nicht um eine Gleichmacherei, sondern um die
                                   jeweils kontextbezogene Verbesserung. Im
                                   ZentrumstehteinegerechteundfaireVerteilung
                                   von Ressourcen, um ein Leben in Würde zu füh-
                                   ren. Dabei ist eine Perspektive auf dem Arbeits-
                                   markt für Jugendliche entscheidend. Werden
                                   keine spürbaren Veränderungen sichtbar, dann
                                   wird es zu weiteren Migrationsströmen kom-
                                   men, die die Städte herausfordern und überfor-
                                   dern werden. Wir würden dann in sozial-räum-
                                   lich gespaltenen Städten leben und uns selbst in
                                   unserer Freizügigkeit, die wir mit städtischem
                                   Leben verbinden, beschneiden müssen.

                                   Ist ein Zenit der Urbanisierung in Sicht – wer-
                                   den Menschen im Laufe des Jahrhunderts wie-
                                   der vermehrt aufs Land ziehen?
                                   Kabisch: Ein Zenit der Urbanisierung ist inso-                                                                                      SIGRUN KABISCH (60)
                                   fern nicht in Sicht, als dass die Grenzen zwischen                                                                        ist Leiterin des Departments Stadt- und
                                   Stadt und Land immer mehr verschwimmen.                                                                              Umweltsoziologie am Helmholtz-Zentrum für
                                   Vielmehr wird sich urbane Lebensweise ver-                                                                            Umweltforschung in Leipzig. Seit 2009 ist sie
                                   stärkt im städtischen Umland ausbreiten, soweit                                                                        Honorarprofessorin für Sozialwissenschaft-
Foto: Heribert Corn

                                   es räumliche und zeitliche Pendlerdistanzen so-                                                                      liche Stadtgeographie an der Universität Leip-
                                   wie Infrastrukturangebote erlauben. Unser tra-                                                                       zig. Kabisch ist Mitglied des Scientific Advisory
                                   ditionelles Verständnis vom Gegensatz von                                                                            Boards der Joint Programming Initiative Urban
                                   Stadt und Land bedarf der Veränderung.                                                                                Europe, die von Österreich koordiniert wird.

                                   FORSCHUNG MIT PRAXISBEZUG                                                                                                          sind nur ein kleiner Teil der vielfälti-
                                                                                                                                                                      gen Forschung in diesem Bereich.

                                   Neben dem Studienangebot hat sich auch die Forschung an der FH Salzburg                                                            Forschung für den Schutz der
                                   stetig weiterentwickelt. Diese zeichnet sich besonders durch ihre Anwendungs-                                                      Privatsphäre
                                                                                                                                                                      Das 2012 gegründete „Josef Ressel
                                   orientiertheit und intensive Kontakte zu Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft aus.                                               Zentrum für anwenderorientierte
                                                                                                                                                                      Smart Grid Privacy, Sicherheit und
                                   Forschungsschwerpunkte setzt               Bereich Design, Medien und Kunst              sichtigung ökologischer Aspekte,          Steuerung“ beschäftigt sich mit
                                   die FH Salzburg in den Bereichen           und den F&E-Aktivitäten in den                der Untersuchung, Weiterentwick-          intelligenten Stromnetzen – so ge-
                                   Informationstechnologien,                  Gesundheitswissenschaften.                    lung und Optimierung von Eigen-           nannten Smart Grids. Der Fokus in
                                   Holz & Biogene Technologien,                                                             schaften bestehender Holzwerk-            der Forschungsarbeit liegt darin,
                                   Smart Building und Smart City,             Neue Materialien & Werkstoffe                 stoffe sowie auf Projekten im             einen Einklang zwischen den An-
                                   aber auch mit F&E-Projekten                Im Kernkompetenzbereich „Holz &               Bereich intelligenter Ressourcen-         forderungen des Umweltschutzes
                                   in Betriebswirtschaft, KMU-                Biogene Technologien“ liegt der               nutzung. Projekte wie die Lederfa-        mittels intelligenten Stromnetzen
                                   Management & Entrepreneurship,             Schwerpunkt auf der Neuentwick-               ser-/Holzfaserkombinationen oder          und jenen des Datenschutzes
                                   der Tourismusforschung sowie im            lung von Werkstoffen unter Berück-            Schäume auf Basis von Tanninen            herzustellen. Die entwickelten Ver-
                                                                                                                                                                      schlüsselungsmethoden schützen
                                                                                                                                                                      so die Privatsphäre der Nutzer und
                                                                                                                                                                      dienen der Sicherung vor Eingriffen
                                                                                                                                                                      von außen.

                                                                                                                                                                      Energieeffizientes,
                                                                                                                                                                      nachhaltiges Bauen
                                                                                                                                                                      Auch die Forschung in den Bereichen
                                                                                                                                                                      „Smart Building“ und „Smart City“
                                                                                                                                                                      hat sich an der FH Salzburg etab-
                                                                                                                                                                      liert. In einem ganzheitlichen An-
                                                                                                                                                                      satz steht das Zusammenspiel von
               FOTO: FH SALZBURG

                                                                                                                                                                      technischer Gebäudeausrüstung
                                                                                                                                                                      und gebauter Umwelt im Fokus
                                                                                                                                                                      sowie die Interaktion zwischen
                                                                                                                                                                      Mensch, Energie und Umwelt.
                                   Die FH Salzburg ist ein innovativer Forschungs- und Kooperationspartner für regionale, nationale und internationale Unternehmen.   www.fh-salzburg.ac.at/forschung

                                                                                                                       15
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                                                                                                              FOR SCHUN G
STADT 4.0

                                Impuls 1

                Invasion der
             urbanen Seilbahnen
Eine Seilbahngondel erwartet man für           Gondelroute im Südwesten der
gewöhnlich über schneebedeckten                Metropole. Die sogenannte Téléval
Alpenhängen baumelnd, auf dem                  soll bis zu 14.000 Passagiere pro
Weg zum jauchzenden „Gemma,                    Tag transportieren. Denn auch
gemma“ auf der Piste. Doch schon               die Banlieue von Paris mit ihren
seit längerem bahnt sich dieses luftige        Brachflächen, Industriegebieten und
Verkehrsmittel seinen Weg in die               verstopften Stadtautobahnen ist eine
Großstadt. Eine stille Revolution              Landschaft voller Hindernisse, die
des öffentlichen Verkehrs, die ihren           sich in luftiger Höhe ausgezeichnet
Anfang in Südamerika nahm. Dort                überwinden lassen. In Österreich
waren es die Slumbewohner von                  schließlich ist es wie so oft das
Medellín, La Paz oder Caracas, die             fortschrittsfreudige Ländle, das
gemeinsam mit engagierten Planern              hier die Nase vorn hat. Im August
und fortschrittlichen Beamten ihre             wurde der visionäre Plan für eine
bislang isolierten und an Steilhängen          Wälderbahn vorgestellt, die die Orte
gelegenen Viertel an die Infrastruktur         des Bregenzerwalds an das Rheintal
der Stadt anknüpften – und das, ohne           anbinden soll. Das Besondere daran:
mehrspurige Straßen durch die dichte           Auf der elf Kilometer langen Strecke
Bebauung zu pflügen. Hightech meets            von Bersbuch bis zum Bahnhof
Favela, eine ungewöhnliche, aber               Dornbirn wechselt die Kabine von
erfolgreiche Kombination. Doch auch            der Schiene aufs Seil. Entwickelt
auf der Nordhalbkugel entdeckt man             wird dieses „City Cable Car“ vom
die Vorteile des Schwebens. So plant           Seilbahnhersteller Doppelmayr.
Paris eine 4,4 Kilometer lange                                            Maik Novotny

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                                     MAGAZ IN
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STADT 4.0

                  machen
               Frauen   Stadt
                              Ob als Aktivistinnen,
                                 Planerinnen oder
                                 Analytikerinnen:
                             Auch der weibliche Blick
                              auf die Stadt ist in die
                                Zukunft gerichtet.
                            Aber gibt es überhaupt eine
                            weibliche Stadt, und wenn
                               ja, wie sieht sie aus?
                                  TEXT: MAIK NOVOTNY

                           S
                                          ie sah auf den ersten Blick gar
                                          nicht aus wie eine Kämpferin, die
                                          freundliche Mittvierzigerin mit
                                          der dickrandigen Brille, wie sie auf
                                          dem Washington Square stand.
                                          Und doch nahm sie es mit dem
                           mächtigsten Mann der Stadt auf – und gewann.
                           Jane Jacobs war keine Planerin und keine Archi-
                           tektin, sie war eine Bürgerin von Greenwich Vil-
                           lage, und sie wusste, wie eine Stadt funktioniert.
                           Ihr Gegner, Chefplaner Robert Moses, war da-
                           mals, Anfang der 1960er-Jahre, der mächtigste
                           Mann New Yorks. Für ihn war Greenwich Village
                           ein Hindernis, das er mit dem Lower Manhattan
                           Expressway(Lomex)zuüberwindenplante,eine
                           Schnellstraße quer durch Manhattan.
                               Doch die Zeiten hatten sich geändert, die Ära
                           des selbstbewussten, engagierten Bürgertums
                           mit Protestkultur dämmerte herauf, Jane Jacobs
                           war seine furchtlose Leitfigur. Mit Erfolg: Der
                           Lomex blieb in der Schublade, Greenwich Vil-
                           lage gedieh, und Jacobs’ 1961 veröffentlichtes
                           Werk Death and Life of American Cities wurde zu
                           einer Bibel der Stadtplanung. Ihre Forderungen
                           nacheinerlebenswertenStadtfürdieMenschen,
                           nicht für Autos, wurden von den Nachkriegs-
                           technokraten noch als naiv belächelt, setzten
                           sich aber spätestens in den 1970ern durch.
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                               50 Jahre später: Die Nachfolgerin von Robert
                           Moses ist eine Frau und plant ganz im Sinne von       →

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STADT 4.0

→   Jane Jacobs. Jeanette Sadik-Khan, Planungs-
    stadträtin von 2007 bis 2013, machte den Times
    SquarezurFußgängerzoneundließrund400Ki-
    lometer Radwege in New York City anlegen,
    einer der ersten Schritte in der Umsetzung des
    ambitionierten, 2007 veröffentlichten PlaNYC,
    der die wachsende Millionenstadt zukunftsfähig
    machen soll.
        Im Jahr 2016 werden Paris, Rom, Barcelona,
    Bukarest und Washington von Bürgermeisterin-
    nen geführt. „Wir können nicht die Hälfte der
    Menschheit von politischen Entscheidungen
    ausschließen“, sagt Anne Hidalgo, Bürgermeis-
    terin von Paris. Doch immer noch sind weltweit
    nur 20 Prozent der Stadträte und fünf Prozent
    der Bürgermeister Frauen. Das Ziel für die Stadt
    der Zukunft ist hier also keines, das sich mit dem
    Bau verspiegelter Türme und Hightech-Infra-
    struktur lösen lässt, sondern mit einer anderen
    Politik. Dies war der einstimmige Tenor beim
    Kongress des Netzwerks United Cities and Local
    Governments im Oktober 2016 in Bogotá.

                 Fließende Formen
        Hat sich die Rolle von Frauen in der Stadtpla-
    nung also gar nicht geändert? Gibt es überhaupt
    eine weibliche Planung, eine speziell feminine
    Sicht auf die Stadt? Benutzen Frauen Städte an-
    ders als Männer? Manch einer wird als Erstes an
    die fließenden Formen der Bauten und Visionen
    von Zaha Hadid denken, der bisher einzigen
    weiblichen Pritzker-Preisträgerin, doch die in
    diesem Jahr verstorbene britisch-irakische Star-
    architektin hat sich eine geschlechtsspezifische
    Deutung ihres Werks stets augenrollend verbe-
    ten. Stimmt ja auch: Runde und weiche Formen
    gleich weiblich, dieser simple gedankliche Kurz-
    schluss ist doch eher im Reich der Küchentisch-
    psychologie anzusiedeln.
        Wie Frauen städtische Räume benützen, ist
    jedoch ein Thema, über das sich viele Planer und
    Theoretiker beiderlei Geschlechts seit langem
    Gedanken machen. Dabei geht es selten um Äs-
    thetik, sondern meist um Fragen der Sicherheit,
    Flexibilität und Offenheit. Schon 1980 forderte
    die amerikanische Urbanistin Dolores Hayden
    in ihrem Essay What Would a Non-Sexist City Be
    Like? eine neue Art von Stadt, in der die traditio-
    nelle Aufteilung in Wohnung, Stadtviertel und
    Arbeitsplatz aufgehoben wäre. Schluss mit dem
    archetypischen Bild der einsamen Hausfrau in
    der Villa im Speckgürtel, ohne jegliche urbane
    Ablenkung,währendderGatteimBüroimStadt-
    zentrum arbeitet – ein Bild, das durch die Retro-
    Serie Mad Men in seiner stereotypen Starrheit
    wieder plakativ illustriert wurde. Nein, statt Ge-
    schlechterrollen so ausweglos festzuzementie-
    ren, sollte die Stadt poröser werden, die Grenzen
    zwischen Heim und Arbeit durchlässiger. Keine
    Maschine, die nur für Pendler in Achtstunden-
    jobs funktioniert, sondern ein Raum für unter-
    schiedliche Tagesrhythmen.
        Heute sind zwar noch längst nicht alle diese
    Wünsche in Erfüllung gegangen, doch einige
    Städte sind schon auf dem guten Weg dahin und
    haben Programme wie gendersensible Verkehrs-

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                        MAGAZ IN
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                                                                                    planung, etwa mit besserer Beleuchtung von
                                                                                    Straßen und Wegen zur Vermeidung dunkler
                                                                                    Angsträume, etabliert, beispielsweise Wien mit
                                                                                    seinem Programm für Gender-Mainstreaming in
                                                                                    derStadtplanung.WoandershabenFrauenNetz-
                                                                                    werke für die Stadt der Zukunft etabliert, wie das
                                                                                    von der indischen Stadtplanerin Nithya V. Ra-
                                                                                    man gegründeten Projekt Transparent Chennai,
                                                                                    das sich mithilfe der Visualisierung städtischer
                                                                                    Daten der Verbesserung der Lebensumstände
                                                                                    der Armen widmet, oder das britische Netzwerk
                                                                                    Urbanistas, eine offene Plattform für Frauen in
                                                                                    Planerberufen. „Obwohl es eine Fülle großarti-
                                                                                    ger Frauen gibt, sind wir als Innovatorinnen und
                                                                                    Vorbilder immer noch unterrepräsentiert. Es ist
                                                                                    unserer Aufgabe, das zu ändern“, so Urbanistas-
                                                                                    Gründerin Liane Hartley.
                                                                                        Viele weibliche Planerinnen haben diese Än-
                                                                                    derung schon bewerkstelligt und Städten ihren
                                                                                    Stempel aufgedrückt. Die amerikanische Archi-
                                                                                    tektin Elizabeth Diller, die mit ihren beiden Part-
                                                                                    nern das Büro Diller Scofidio + Renfro leitet, ist
                                                                                    für die vielleicht erfolgreichste stadtplanerische
                                                                                    Verwandlungsaktion der letzten Jahre verant-
                                                                                    wortlich: der von 2006 bis 2014 angelegte New
                                                                                    Yorker High Line Park, der sich auf der Strecke
                                                                                    einer ehemaligen Industriebahn über 2,3 Kilo-
                                                                                    meter Länge zwischen den Häusern durch-
                                                                                    schlängelt. Eine bislang unbekannte Art des öf-
                                                                                    fentlichen Raums, ein urbaner Laufsteg, der so-                                                            →

MOBILITÄT DER ZUKUNFT PASSIERT AUTONOM:
EINSTEIGEN UND RELAXEN
Autofahren ohne an einer Ampel                                          rungsfreien Austausch von ver-           ausgestattet sind, die Effizienz des   lich erhöhen, indem ein dichter Takt,
warten zu müssen, Zugfahren                                             kehrsbezogenen Informationen             Straßenverkehrs steigern kann.        ähnlich wie bei S-Bahnen, angebo-
ohne einen Schaffner!? Diese                                            zwischen Fahrzeugen sowie Fahr-          So könnten ampelgesteuerte            ten und gleichzeitig die Wirtschaft-
Worte klingen noch nach Zukunfts-                                       zeugen und Verkehrsinfrastruktur         Kreuzungen in Zukunft der Ver-        lichkeit verbessert werden kann.
musik, werden aber, wenn auch                                           ermöglichen. Forscher der FH OÖ          gangenheit angehören, da sich
bisweilen nur zu Testzwecken,                                           am Campus Hagenberg beschäf-             Fahrzeuge vor Durchquerung der        Forschung an der FH OÖ
bereits umgesetzt.                                                      tigen sich mit der Frage, wie der        Kreuzung untereinander auf einen      Die FH OÖ ist mit 14,28 Mio. Euro
                                                                        Einsatz von Fahrzeugen, die mit          optimalen Ablaufplan einigen.         F&E-Umsatz im Jahr 2015 die
Die FH OÖ setzt sich im Bereich                                         entsprechenden Technologien              Dadurch würden nicht nur die          forschungsstärkste Fachhoch-
Mobilität das Ziel, Lösungen zu                                                                                  Wartezeiten an der Kreuzung mini-     schule in Österreich. Geforscht
finden, um Menschen und Güter                                                                                     miert, sondern auch die Sicherheit    wird von mehr als 400 Forschern
möglichst effizient, sicher und                                                                                   durchquerender Fahrzeuge wäre         in 16 Themenschwerpunkten: von
umweltschonend von A nach B                                                                                      gewährleistet.                        IT in Hagenberg über Medizintech-
zu bringen. Die Themenfelder für                                                                                                                       nik & Sozialwissenschaften in Linz
Forschungsprojekte reichen von                                                                                   Autonom fahrende Züge                 sowie Management in Steyr bis zu
neuen Antriebstechnologien über                                                                                  Das Projekt autoBAHN2020 zielt        Technik & Naturwissenschaften in
Fahrzeugkommunikation bis hin zu                                                                                 auf autonom fahrende Nahver-          Wels – praxisorientiert mit und für
neuen Verbundwerkstoffen.                                                                                        kehrszüge ab. Geforscht wird am       rund 630 Partner aus Wirtschaft
                                                                                                                 Campus Wels der FH OÖ an einem        und Gesellschaft.
aDrive – The automated car
                                    FOTO: HTTPWWW.ITS.DOT.GOVPRESSITS

                                                                                                                 Experimentierzug mit zugehöriger
Die effiziente Nutzung vorhan-                                                                                    Simulationsumgebung. Ziel ist es,
dener Verkehrsinfrastruktur                                                                                      kleinere, selbstfahrende Züge mit
nimmt in Zeiten stetig steigenden                                                                                Hinderniserkennung auszustatten,      www.fh-ooe.at/forschung
Verkehrsaufkommens eine immer                                                                                    informationstechnisch zu ver-
wichtigere Rolle ein. Eigens für                                                                                 knüpfen und auf frei zugänglichen
den Automobilbereich konzipierte                                                                                 Strecken fahren zu lassen.
Kommunikationstechnologien                                                                                       autoBAHN2020 wird die Attraktivi-
werden künftig einen verzöge-                                                                                    tät von Nahverkehrszügen wesent-

                                                                                                            19
                                                                                                        MAGAZ IN                                       ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG
                                                                                                   FOR SCHUN G
STADT 4.0

→   fort nach seiner Eröffnung zum Publikumsmag-
    net wurde. „Ich glaube, wir haben da einen Nerv
    getroffen, nicht nur lokal, sondern global. Ich
    glaube, es gibt einen großen Wunsch nach mehr
    öffentlichem Raum, gerade in einer von digita-
    lenWelten dominierten Zeit“, sagt LizDiller und
    betont, dass es hier um weit mehr als eine Behüb-
    schung des Stadtraums geht. „Wir bemühen uns
    um nachhaltige Strategien, um neue Konzepte
    für die Reste, die wir hinterlassen.“
        Nachhaltigkeit ist auch ein Ziel, das die japa-
    nische Pritzker-Preisträgerin Kazuyo Sejima
    vom Büro Sanaa verfolgt, wenn es um die Stadt
    der Zukunft geht. Dabei würde man ihre stets
    leicht und feingliedrig wirkenden Bauten, die
    sich in der Umgebung geradezu aufzulösen
    scheinen, nicht unbedingt mit Öko-Hightech as-
    soziieren. Aber das ist auch nicht ihr Ziel. „Wir
    sollten über Technologien nachdenken, aber
    uns dabei immer der Zeit bewusst sein, in der wir
    leben“, sagt Sejima. „Was wir heute Hightech
    nennen, ist in ein paar Jahren vielleicht wieder
    veraltet. In Japan gibt es schon immer ein Gleich-
    gewicht zwischen einem Haus und seinen Res-
    sourcen. Wir benützen leichte Materialien, die
    einfach zu transportieren sind. Wenn die Le-
    bensspanne eines Hauses endet, lassen sie sich
    gut recyclen. Das heißt: Wir denken auf ganz an-
    dere Weise über Umwelt und Energie nach.“

                Der Körper im Raum
        Auf die Frage, ob diese Art der nachhaltigen
    SorgfaltetwasspeziellWeiblichessei,lassensich
    die Planerinnen selten ein. Doch eine besondere
    Sensibilität lässt sich zweifellos diagnostizieren
    – so denkt Sejima ihre Gebäude auch aus der un-
    mittelbaren persönlichen Erfahrung: „Ich finde
    es wichtig, Nachhaltigkeit aus verschiedenen
    Blickwinkeln zu betrachten, nicht nur ökolo-
    gisch und kulturell, sondern auch, was das Ver-
    hältnis des eigenen Körpers zum Raum betrifft“.
        Die Stadt der Zukunft: ein Spannungsfeld,
    dessen sich auch weibliche Stadttheoretikerin-
    nen angenommen haben. Eine der prominentes-
    ten ist die Soziologin Saskia Sassen, die 1992 in
    ihrem gleichnamigen Standardwerk den Begriff
    „Global Cities“ prägte. Stets neugierig, unruhig,
    scharfsinnig, schnell, spürt sie den Verwandlun-
    gen der Großstädte nach, die durch das Finanz-
    kapital, politische Umwälzungen oder den Kli-
    mawandel erzeugt werden. Zurzeit erforscht sie
    unter dem Titel „Wem gehört die Stadt?“ den
    urbanen Ausverkauf. „Die heutigen Maßstäbe
    haben eine neue Dimension“, sagt Sassen. „Was
    früher klein und öffentlich war, ist heute groß
    und privat. Ganze Stadtviertel mit kleinen Stra-
    ßen werden von Megaprojekten verschluckt, die
    Stadt wird privatisiert und enturbanisiert. Dabei
    waren Städte immer Orte, in denen auch die
    Machtlosen die Chance haben, Geschichte, Kul-
    tur und Wirtschaft zu gestalten.“
        Die Stadt nicht aus einer Machtposition von
    obenzusehen,sondernalsFreiraumundSchutz-
    raum für die Machtlosen: Ob dies eine speziell
    weibliche Denkweise ist, mögen andere ent-
    scheiden. Jane Jacobs hätte sie sicher gefallen.

                            20
                        MAGAZ IN
                   FOR SCHUN G
STADT 4.0

                          Impuls 2

      Telefonzelle 2.0:
   Neue Möbel für morgen
Für die, die sich überhaupt noch       Informationen über die Stadt
erinnern, mutete es heute prä-         abrufen, mit ihr über Social
historisch an: Kabinen zum             Media interagieren können und
Telefonieren, überall in der           den so informativ angerei-
Stadt? Braucht heute niemand           cherten öffentlichen Raum
mehr! Doch kaum sind die               bevölkern sollen. Ein ähnliches
Telefonzellen verschwunden,            Konzept verfolgt das Stadtmöbel
tauchen langsam schon ihre             der US-Firma Intellistreets: Auf
digitalen Nachfolger auf. Sie          den ersten Blick eine Straßen-
sehen nur anders aus. Zum              laterne, ist es gespickt mit
Beispiel wie eine Sitzbank: 2014       Hightech – Wi-Fi, Lautsprecher,
wurde in Boston erstmals der           digitales Straßenschild, Internet,
von Sandra Richter entwickelte         Notrufsäulen und Sensoren für
Protoyp Soofa aufgestellt, eine        Umweltdaten aus der
Sitzbank mit Steckdose, direkt         Umgebung. Wie so oft hat auch
gespeist aus Solarstrom. Heute         hier die Utopie eine kleine
ist das freundliche Möbel bereits      Schattenseite: Die Möbel sind
in 20 verschiedenen US-Staaten         zwar kleine Genies im Sammeln
installiert. Im September 2016         von Informationen, aber genau
folgte das Soofa Sign: eine            das macht sie auch zu idealen
Infosäule als digitales Straßen-       Werkzeugen der Überwachung.
schild, mit dem die Passanten                                Maik Novotny

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                                    MAGAZ IN
                               FORSCH UNG
STADT 4.0

   Die
 Lichter
   der
Großstadt
   Neue Lichttechnologien machen aus Straßenlampen
   ansteuerbare Computer: Einzelne Viertel können so
 jederzeit mit unterschiedlichem Licht versorgt werden.
   Die Anwendungen künstlicher Beleuchtung werden
   vielfältiger und für Mensch und Natur angenehmer.

                 TEXT: PETER ILLETSCHKO

             M
                                    an muss kein Psychologe
                                    sein, um zu wissen: Licht
                                    weckt Gefühle und hat
                                    Einfluss auf das körper-
                                    liche Wohlbefinden. Son-
                                    nenstrahlen stimulieren,
             grelles, künstliches Licht ist unangenehm. Diffu-
             se Beleuchtung kann anstrengend sein und
             müde machen. Licht macht uns morgens mun-
             ter, in der Nacht ist es uns eine willkommene
             Orientierungshilfe. „Licht wird Menschen nie
             kaltlassen“, sagt Susanne Seitinger von Philips     →

                                    22
                                MAGAZ IN
                            FORSCH UNG
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„Co-Create
   2017“
     ab
 28.11.2016
STADT 4.0

→ Lighting Professional Systems. Und ergänzt:            sind.“ Gemeinsam mit Dietmar Offenhuber, der       den Projekt hat Philips Lighting in den Straßen-
    „Licht geht buchstäblich unter die Haut, be-         an der Northeastern University in Boston zu The-   lichtern eines Wolkenkratzer-Stadtviertels Re-
    einflusst uns, zieht uns an, wie ein Herd, wo man    men wie Information Design forscht, hat man        peater für Handynetze versteckt, weil diese an-
    sich versammeln möchte. Wir sind dabei nicht         auch Geräuschmuster durch die in der Nähe ge-      gesichts der hohen Häuser an ihre Grenzen sto-
    viel anders als Insekten, die nachts zur Straßen-    legenen Schulen sichtbar gemacht. Der Grund?       ßen. Die Funkleistung konnte damit deutlich
    laterne fliegen.“                                    „In Los Angeles gehen Schüler in den Pausen ins    verstärkt werden.
         Die Wienerin hat schon ihre Dissertation am     Freie.“ Schließlich könne man anhand der               Auch daran hätte man wohl beim Stichwort
    MIT Media Lab dem Thema Licht in der Stadt ge-       Daten sogar feststellen, wo Schall reflektiert     „Straßenbeleuchtung“ nie gedacht. Wie aber
    widmet (Titel: Liberated Pixels: Alternative Nar-    wird und sich dadurch noch verstärkt. Am Ende      könnte man die zentrale Aufgabe des Straßen-
    ratives for Lighting Future Cities). Nun beschäf-    wird eine dreidimensionale Akustikstadtkarte       lichts, Sicherheit zu geben, effizienter als bisher
    tigt sie sich auch beruflich mit Straßenlicht, ak-   vorliegen, mit deren Hilfe die Umweltbelastung     lösen, um also die Mensch und Natur belastende
    tuell heißt das: mit der Frage, wie diese doch       durch Lärm reduziert werden könnte: mittels        Lichtverschmutzung zu reduzieren? Seitinger,
    recht dicht vernetzte Infrastruktur in den Citys     Verkehrsumleitung oder anderen schalldäm-          meint, Städte mit Licht-Managementsystem
    für zusätzliche Dienstleistungen genützt werden      mende Maßnahmen. Auch Bäume wären dafür            können jede Straßenlampe so dimmen, wie sie es
    könnte. Das jüngste Projekt: Im Auftrag des Los      geeignet.                                          für richtig halten – und die Helligkeit der Straßen
    Angeles Bureau of Street Lighting wird der                                                              und Plätze, aber auch die Lichttemperatur belie-
    Sound der Großstadt aufgezeichnet. Für die seit               Digital und ansteuerbar                   big programmieren.
    kurzem laufende Pilotphase wurden deshalb 30             Die Basis für derartige Analysen wurde mit         Die technischen Voraussetzungen für eine
                                                                                                                                                                  Fotos: James Ewing (2), Chris Pfaff

    Straßenbeleuchtungen mit Mikrofonen ausge-           den vergangenen Entwicklungsschritten der          Abkehr von Zeiten der Energieverschwendung
    stattet, die den ganzen Tag über alle 15 Sekunden    Lichttechnologie geschaffen. Seitinger: „Das di-   sind also gegeben. Seitinger: „Wichtig ist jetzt,
    sehr hohe und sehr niedrige Frequenzen               gital ansteuerbare Straßenlicht hat Standard-      dass die Städte sich damit auseinandersetzen
    aufnehmen.                                           schnittstellen, die man durch zusätzliche Tech-    und die automatischen Regelsysteme von Licht
         Schon jetzt seien Muster erkennbar, freut       nologien wie dieses Mikrofonsystem jederzeit       nutzen, dann wird eine Lösung dieses Problems
    sich Seitinger. „Wir sehen, wann die Leute zur       ergänzen kann.“ Ideen für die Nutzung gibt es      langfristig möglich sein.“ Noch sei der Umgang
    Arbeit fahren, wann sie nach Hause unterwegs         reichlich: In einem schon etwas länger laufen-     mit dem Thema sehr unterschiedlich: In Groß-

                                                                               24
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                                                                        FORSCH UNG
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