Wie wir leben werden Stadt 4.0- der Standard Nr. 1 2016/2017
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Bezahlte Anzeige EINE STADT IST (NUR) STARK, WENN WIR SIE GEMEINSAM STÄRKEN. Eine Stadt wird immer nur so gut, wie man sie gemeinsam gestaltet. Sie ist die Summe aller Ideen und Bemühungen, sie noch besser und lebenswerter zu machen. Mit einem klaren Ziel für die Zukunft: Ressourcen auf smarte Art und Weise schonen. Indem städtische Daten zur Verfügung gestellt werden, können smarte digitale Anwendungen für alle Wienerinnen und Wiener entwickelt werden: www.open.wien.at. Smart ist aber auch, wenn man sich verantwortungsvoll um sozial Schwächere kümmert. Erkundigen Sie sich unter www.freiwillig.wien.at wie und wo Sie sich ehrenamtlich für Wien engagieren können. Denn nur wenn alle Wienerinnen und Wiener etwas von der Wiener Lebensqualität haben, werden wir auch in Zukunft alle gemeinsam eine friedliche und wunderschöne Stadt genießen können – und das, während Wien weiter wächst: www.wachsendestadt.wien.at. Smart, oder? DIE VOR (AUS) DENKENDE STADT.
EDITORIAL Zukunftsthemen, die unser aller Leben beeinflussen I m Jahr 2050 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten wohnen. Diese Prognose der Vereinten Nationen ist uns Anlass, die Stadt der Zukunft in den Mittelpunkt der ersten Ausgabe des Standard-Forschungsmagazins zu stellen. Was wird sich ändern auf den Straßen von Bejing, San Francisco, London, Paris, Tokio oder Wien? Werden wir irgendwann nur mehr mit autonomen Fahrzeugen unterwegs sein? Welche Rolle werden Roboter in der Arbeits- welt spielen? Einige der Fragen haben wir schon in Artikeln in Forschung Spezial, das jeden Mittwoch im Standard erscheint, aufgegriffen und für dieses Magazin neu aufbereitet. Wir haben uns aber auch weniger techniklastigen Themen angenom- men: Warum ist Migration für jede Stadt wichtig? Was sagen Smilies in Social Media über Städte aus? Können urbane Räume weiblicher gestaltet werden? Denn nach der Mega- kommt die Metacity. Im zweiten Teil des Magazins widmen wir uns den wichtigsten wissen- schaftlichen Errungenschaften des zu Ende gehenden Jahres. Ob es nun das Ausrufen des Anthropozäns als neues Zeitalter der Menschheitsgeschichte ist oder der sensationelle Nachweis der Gravitationswellen: Wir haben zusammengefasst, was 2016 wichtig war und Auswirkungen auf unsere Zukunft haben wird. Im Magazin eingestreut sind Impulse, kurze Schlag- lichter, die zum Nachdenken anregen sollen. Redaktionell wurde diese Ausgabe federführend von Peter Illetschko, Tanja Traxler und David Rennert gestaltet, optisch von Armin Karner und dem Standard-Grafik- und Bildbearbeitungsteam. Wir wollen mit dem neuen Forschungsmagazin, das in Zukunft zwei Mal jährlich erscheinen soll, vertiefenden Lesestoff bieten über Themen, die nicht nur Wissen- schafter beschäftigen, sondern unser aller Leben entscheidend beeinflussen. Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin Auf dem Cover ist eine Luftaufnahme von Miami, Florida, zu sehen. Sie stammt aus dem Bildband „Cities “ (Buchbesprechung Seite 70). Foto: Airbus DS 2016/eoVision IMPRESSUM UND OFFENLEGUNG Redaktion: Peter Illetschko (Leitung) Grafisches Konzept, Layout und Produktion: Armin Karner Bildbearbeitung: Otto Beigelbeck, Lukas Friesenbichler, Heidi Seywald Info-Grafik: Fatih Aydogdu Anzeigen: Gerhard W. Stöger Herausgeber: Oscar Bronner, Dr. Alexandra Föderl-Schmid Geschäftsführung: Mag. Wolfgang Bergmann, Mag. Alexander Mitteräcker Chefredaktion: Dr. Alexandra Föderl-Schmid Stellvertretung: Mag. Rainer Schüller Eigentümerin (100 %) / Medieninhaberin, Verlagsort, Redaktions- und Verwaltungsadresse: Standard Verlagsgesellschaft m.b.H., A- 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 13 Hersteller, Herstellungs- und Erscheinungsort: Leykam Druck GmbH & Co KG, 7201 Neudörfl, Bickfordstraße 21. FORSCHUNG berichtet über Wissenschaft und Forschung im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Trends, als Magazin der Tageszeitung der Standard. Offenlegung gem. § 25 Abs. 2 und 3 MedienG siehe: http://derStandard.at/Offenlegung 3 MAGAZ IN FORSCH UNG
INHALT STADT 4.0 Roboter auf vier Rädern: Sind wir fit für die Die Stadt gehört allen: autonome Mobilität? Strategien im Zeitalter 34 bis 37 des Teilens 7 bis 10 Autos, so intelligent wie Pferde: Interview mit dem Technologie- „Die Megacity ist ein experten Arnulf Grübler Risikolebensraum“: 38 bis 40 Interview mit der deutschen Soziologin Sigrun Kabisch Vom schönen Leben 12 bis 15 in der denkenden Wohnung: Smart Living mit mobilen Möbeln Impulse für die nachhaltige für knappe Wohnflächen Stadt der Zukunft 42 bis 44 16, 21, 32, 41, 45, 55 Grün ist die neue Bausubstanz: Frauen machen Stadt: Wie „Green Infrastructure“ Der weibliche Blick auf Urbanität das Stadtklima verbessert 17 bis 20 47 bis 49 Die Lichter der Großstadt: Die Zukunft der Stadt – Beleuchtungsszenarien die Stadt der Zukunft: für die urbane Zukunft Eine Grafik mit Fakten über 22 bis 25 die Stadtentwicklung 50 bis 51 Wohnen zwischen Hipster und Hausmeister: Lernen von Kopenhagen: Die Gentrifizierung von Interview mit dem Wiener Arbeitergrätzeln dänischen Stadtplaner 26 bis 27 Mikael Colville-Andersen 52 bis 54 „Städte wurden erfunden, um auf Migration zu reagieren“: Der Roboter an der Werkbank: Interview mit dem türkischen Industrie-4.0-Szenarien Soziologen Erol Yildiz für die Fabriken der Zukunft 28 bis 31 56 bis 59 4 MAGAZ IN FORSCH UNG
INHALT Was das Lächeln auf dem Selfie NATUR & TECHNIK über eine Stadt aussagt: Wie soziale Ungleichheit in einer Der Mensch als geologischer Metropole mit ihrer Social-Media- Faktor: Geologen diskutieren, Präsenz zusammenhängt ob ein eigenes Erdzeitalter nach 60 bis 62 dem Menschen benannt werden sollte – das Anthropozän Der urbane Rhythmus braucht 79 bis 81 einen Code: Gastkommentar der Stadtforscherin Katja Schechtner „Das Raumschiff Erde 64 bis 65 hat keinen Notausgang“: Interview mit dem Nach Metropolis kommt Wissenschaftsforscher Arno Bammé die Metastadt: 82 bis 83 Urbane Zukunftsszenarien in der Science-Fiction-Literatur 66 bis 69 RAUM & ZEIT Die Stadt im Buch: Wo Europas Reisen im All Aktuelle Wissenschaftsbücher gelenkt werden: zu Verstädterung und ihren Folgen Lokalaugenschein im Kontroll- 70 bis 71 zentrum der Esa in Darmstadt 85 bis 87 MENSCH & MASCHINE Und sie existieren doch: Gravitationswellen – Gastbeitrag Wunderpillen und Designergene des Physikers Peter C. Aichelburg für ein längeres Leben: 88 bis 91 Wie Wissenschafter an der Lebenszeitverlängerung arbeiten „Das Standardmodell 73 bis 75 ist nicht genug“: Interview mit dem britischen Physiker John Ellis „Enorm positive Gefühle für 92 bis 94 eine soziale Maschine“: Interview mit der US-amerikanischen Was 2016 wichtig war: Robotikexpertin Kate Darling Wissenschaftshighlights des Jahres 76 bis 77 96 bis 98 5 MAGAZ IN FORSCH UNG
STADT 4.0 Schon heute leben mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land – Tendenz stark steigend. Das bedeutet auch: Es wird eng auf den Straßen. Damit die Städte von morgen lebenswert sind, braucht es neue Impulse für Nachhaltigkeit ebenso wie weibliche Visionen für Urbanität. Wie auch immer die Antworten auf die großen Zukunftsfragen wie Migration, Mobilität oder soziale Ungleichheit lauten – die Konzepte dafür werden sich vor allem in den urbanen Regionen bewähren müssen. Denn der Blick auf die Statistik zeigt: Weltweit drängen Menschen in die Stadt. Lesen Sie auf den Seiten 7 bis 71, welche Visionen es für die Stadt der Zukunft gibt. Illustration: Friesenbichler/Rawicka/Karner 6 MAGAZ IN FORSCH UNG
STADT 4.0 Im Zeitalter des Teilens: Die Stadt gehört allen Immer mehr Menschen leben in den Städten. Der Verkehr wird mehr, der Wohnraum wird knapper und teurer. Da könnte der simple Ausbau von partnerschaftlichen Netzwerken schon Abhilfe schaffen. TEXT: PETER ILLETSCHKO E s ist nur acht Jahre her, dass zum ersten Mal genauso viele Men- schen in Städten wie in länd- lichen Regionen lebten. Aber es wird nicht allzu lange dauern, bis sich zwei Drittel der Weltbevöl- kerung im urbanen Raum niederlassen werden. Die Vereinten Nationen prognostizieren diesen Meilenstein in der Verschiebung der Bevöl- kerungsverhältnisse zwischen Stadt und Land schon für 2050. In Zahlen heißt das: 9,7 Milliarden Menschen (heutiger Stand: 7,4 Milliarden) sollen dann auf der Erde leben. → 7 MAGAZ IN FORSCH UNG
STADT 4.0 Blick auf die Park Avenue im Stadtteil Manhattan in New York City: sechsspuriger Straßenverkehr mit Bäumen. Foto: iStock 8 MAGAZ IN FORSCH UNG
STADT 4.0 → 6,4 Milliarden werden in Städten zu Hause sein. Die Wahrheit entspricht aber nicht der Ideal- Mexiko-Stadt, in Kapstadt in Südafrika und in Es wird also eng in den Straßen der Städte und vorstellung von Verkehr in der City: Stadt heißt Karachi in Pakistan. Megacitys. Kent Larson, Leiter der „Changing nicht ohne Grund für Media-Lab-Forscher Kent Die Geschichte zeigt, wie es zu dieser Ent- Places“-Forschungsgruppe am Media Lab des Larson auch Verstopfung, Stress, Dreck und oft wicklung kam: In der Vorzeit haben Menschen Massachusetts Institute of Technology (MIT) in auch schlechte Luft. 80 Prozent des globalen Siedlungen noch um Wasserquellen gebaut und Boston, berichtete schon vor vier Jahren, dass es CO2-Ausstoßes und 75 Prozent des Energiever- bestellten in der Nähe ihre Felder. Das Zuhause in der Großstadt Bengaluru, dem Silicon Valley brauchs kommen aus den Großstädten. Trotz- blieb der Mittelpunkt für Familie, Arbeit, Kran- von Indien, doch ziemlich anstrengend war, sich dem zieht es die Menschen vom Land in die Städ- kenpflege oder Unterhaltung. Mit der Industria- auf der Straße von A nach B zu bewegen. „Ich te, denn dort gibt es mehr Jobmöglichkeiten, lisierung, sagt Larson, entwickelten sich Netz- brauchte Stunden, um dort einige wenige Kilo- mehr soziale Vernetzung. werke – für Wasser und Abwasser, für Schienen meter voranzukommen“, erzählte er auf der In China sollen laut Larson sogar 300 Millio- und für Straßen. Das Credo lautete: „Gib jeder- Bühne eines TED-Talks. Wahrscheinlich geht es nen Menschen in den nächsten 15 Jahren in Städ- mann ein Auto, baue Straßen überallhin und er- vielen Menschen in der indischen Großstadt te ziehen. „Das heißt, die gesamte Bausubstanz richte einen Parkplatz, damit sie das Auto abstel- ähnlich: 2011 lebten in Bengaluru laut einer der USA in 15 Jahren noch einmal zu errichten“, len können.“ In dieser Welt würden wir bis heu- Volkszählung nicht weniger als 8,4 Millionen sagt der Stadtforscher. te leben, sagt Larson. Und: „Städte werden bis Einwohner. Die Stadt hat ein enormes Verkehrs- heutefürAutos,nichtfürMenschengebaut.“Für problem, unzählige Autofahrer quälen sich täg- Mehr Slums-Bewohner den Wissenschafter ist das der entscheidende lich durch endlose Staus. Der Wohnraum in den Städten ist aber schon Fehler in der Stadtplanung der vergangenen In den USA ist die Situation nicht viel anders: jetzt knapp, teuer und nicht mehr für jedermann Jahrzehnte. So gebe es zu wenig Raum für sozia- Die Vergeudung von Zeit und Benzin durch Stau leistbar. Die Folge: Es gibt zahllose Viertel mit le Innovationen, die Stadtbewohner dringend wird laut World Economic Forum in den 83 Substandardwohnungen, Slums, in denen die brauchen, um auf die künftigen Herausforde- größten urbanen Regionen des Landes mit nicht Gesundheitsversorgung, die Hygiene und die rungen vorbereitet zu sein. weniger als 60 Milliarden US-Dollar (54 Milliar- Bildungsangebote weit entfernt sind vom ge- Ideen gäbe es ja: Die „Changing Places“- denEuro)beziffert.DieWeltgesundheitsorgani- wohnten westlichen Standard. Gruppe des Media Lab hat schon zu Beginn sation WHO schätzt, dass etwa eine Million Das World Economic Forum dokumentierte dieses Jahrzehnts einen Kleinwagen gebaut, der Todesfälle pro Jahr auf Luftverschmutzung zum Thema „Cities and Urbanisation“, dass sich beim Einparken auch noch zusammenklap- zurückzuführen seien. Stadtregierungen sollten nicht weniger als 25 Prozent der Weltbevölke- pen lässt. Man könnte sagen: Autofahrer mit es also besser wissen und ein dichtes Netz der rung in derartigen Armenvierteln leben – Ten- diesem Gefährt teilen den Parkplatz, den sie mit öffentlichen Verkehrsmittel bauen, das die Be- denz steigend. Die größten finden sich demnach ihrem Privat-Pkw alleine brauchen würden, mit völkerung auch noch gern nützt. in Nairobi in Kenia, in Mumbai in Indien, in einem Zweiten. → NEUE PLATTFORM FÖRDERT INNOVATIONEN open4innovation.at bringt neue zugänglich macht, Projektberichte, Wird der Zugang zu Wissen in Zukunft auch im Rahmen von Lösungen und beschleunigt den Erfolgsgeschichten und Informa- erleichtert, steigt die Chance auf Wettbewerben und Konsultationen Innovationsprozess. tionen zur Verfügung stellt sowie neue Ideen und Technologien. zur Mitgestaltung einladen. Die Wo kluge Köpfe aus den Bereichen Vernetzung und Kooperationen för- Je einfacher Wissen zugänglich Umsetzung von open4innovation.at Gesellschaft, Forschung, Unterneh- dert. Über die interaktive Plattform gemacht wird, umso größer ist ein erster wichtiger Schritt zur men und Verwaltung zusammen- können sich Interessierte online wie sind die Chancen, dass darauf Umsetzung der Open-Innovation- treffen, entstehen neue Lösungen offline vernetzen, sich gegenseitig aufbauend neue Ideen geboren Strategie der Bundesregierung, mit und wird der Innovationsprozess inspirieren und zusammenarbeiten. und neue Technologien entwickelt der Österreich weltweit eines der beschleunigt. Das vorhandene Das ist für erfolgreiche Forschung werden. Daher werden mit „Open führenden Länder ist. Potenzial nutzt das Bundesminis- und Entwicklung entscheidend und Innovation“ die Resultate öffentli- terium für Verkehr, Innovation und diese wiederum bildet die Basis cher Forschungsförderung einfach, Technologie (bmvit), indem es unter dafür, die großen gesellschaftlichen zentral und themenübergreifend open4innovation.at die Ergebnisse Herausforderungen der Zukunft zugänglich gemacht. Unternehmen INNOVATIONEN AUS ACHT zahlreicher geförderter Projekte frei gemeinsam zu meistern. wird es so erleichtert, das Wissen BEREICHEN von LieferantInnen, KundInnen oder open4innovation.at macht Forschungs- externen PartnerInnen zu nutzen ergebnisse aus bisher acht Kategorien und gleichzeitig selbst internes frei zugänglich: Wissen zur Verfügung zu stellen. ■ Mobilität und Luftfahrt ■ Industrielle Technologien Forschungsergebnisse von ■ Weltraumtechnologien automatisiertem Fahren bis hin zu ■ Energie und Umwelt altersgerechtem Wohnen. ■ Digitale Technologien Die bisher veröffentlichten Resul- ■ Kooperation zwischen Wissen- tate decken Themen wie automati- FOTO: ISTOCK/WILDPIXEL schaft und Wirtschaft siertes Fahren, die Stadt der Zu- ■ Humanpotenzial kunft, Smartphone Security, Medi- ■ Sicherheitsforschung kamentensicherheit und alters- gerechtes Wohnen ab. Dabei erwei- tert das bmvit die offene Innova- Wissensweitergabe und Zusammenarbeit beschleunigen Forschung und Entwicklung. tionsplattform laufend und wird 9 MAGAZ IN ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG FOR SCHUN G
STADT 4.0 → Die Forscher entwickelten aber auch ein spe- ten ihren Besitzer ins Büro fahren und dann – ehe zielles E-Bike, das Persuasive Electric Vehicle sie nutzlos bis am Abend auf dem Parkplatz her- (PEV), mit dem man auch bei Regen teils elek- umstehen – auch Familienmitglieder, Freunde, trisch und teils mit Beinmuskelkraft deutlich Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft schneller und sicherer als mit herkömmlichen oder sogar Mitglieder einer Social-Media-Grup- Fahrrädern ans Ziel kommen könnte. Der Name pe chauffieren. des „Fahrzeugs“ sagt ja schon aus, worum es Das Prinzip der gemeinsamen Nutzung von geht: die Bürger zum Radfahren überreden. Infrastruktur ist freilich nicht nur auf Autos Natürlich soll das auch mit Bikes gelingen, die beschränkt: Über den 2008 gegründeten Com- heute übliche Handelsware sind. Zu diesem munity-Marktplatz Airbnb lässt sich Wohnraum Zweck gibt es eine ganz besondere Sharing-Idee: vermieten. Mittlerweile steht die Plattform in Eine Art „Vielradfahrer-Community“ wird an- der Kritik, weil permanenter Wohnraum durch gedacht. Wer am häufigsten mit dem Rad fährt, die kurzfristigen Vermietungen verlorengeht. erhält die meisten Punkte und könnte die dann Streetbank ermöglicht, mit Nachbarn, die man in Form von Gutscheinen für Reparaturservices in Großstädten vielleicht gar nicht wirklich an Vielradfahrer-Anfänger verschenken. kennenlernen würde, Haushaltsgeräte aus- So viel ist sicher: Radfahrer sind schneller als zutauschen. Auf der Website kann man auch Autofahrer – in den Stoßzeiten sparen sie bis zu Talente anbieten oder suchen. Die Londoner 40 Prozent Zeit. Erwiesen ist auch, dass verbes- Times schrieb über Streetbank: „Eine der 50 Web- serte Sicherheitsmaßnahmen für Fußgänger sites, ohne die man nicht leben kann.“ In den und nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer zu kommenden Jahren, sagen Prognosen, wird die mehr Nutzung der Radwege und der öffent- Nachfrage nach derartigen Tauschbörsen im- lichen Verkehrsmittel führen. Schon Bäume an mer größer. Die Co-Generation verlangt es. den Straßenrändern können bewirken, dass In der Stadt der Zukunft geht es letztlich Autofahrer langsamer als vorher fahren. darum, keine Ressourcen zu verschwenden: Die Ellen McArthur Foundation ermittelte, dass Taxifahrten einsparen 45 Prozent des geernteten Gemüses in den Müll Carsharing gilt als eine der vielver- kommen, ehe es von Menschen verzehrt werden sprechendsten Strategien, um Metropolen könnte. Seit einigen Jahren schon gibt es in insgesamt lebenswerter zu machen: Carlo Ratti, Städten daher die Gegenbewegung: Die Bürger Direktor des Senseable City Lab am MIT, und ein bauen ihr Gemüse selbst an. Verfechter von Forscherteam haben schon vor zwei Jahren im Urban Gardening meinen, es gebe noch deutlich Fachmagazin PNAS das Teilen von Taxifahrten mehr Flächen auf Dächern oder in Hinterhöfen, als alternatives Transportkonzept für Groß- die dafür gemeinschaftlich genützt werden städte vorgeschlagen. Nun wurde auf Basis von könnten. Daten zahlreicher Fahrten für ein zweites Paper Fast doppelt so groß wie bisher wird in nur errechnet, was ein solches Sharing-Konzept für wenigen Jahren – wegen des anhaltenden Städte wie Singapur oder Wien bringen könnte. Wachstums der Stadtbevölkerung – der Bedarf Ergebnis: etwa 40 Prozent Ersparnis von Taxis. nach neuen Räumen und den dazugehörenden In Singapur ist das aufgrund von mindestens Infrastrukturen sein. Der Fokus muss dabei laut 26.000 Autos, die als Droschken unterwegs Studien von Stadtplanern und Ökonomen auf sind, doch eine erkleckliche Anzahl. In Wien der effizienteren Nutzung bestehender Flächen hatten die Forscher Daten von nur 1000 Taxis. liegen, weil die Expansion zu teuer und in der Auch hier wäre Teilen der Fahrten möglich. Kürze der Zeit nicht im erforderlichen Umfang Der österreichische Komplexitätsforscher umsetzbar wäre. Die Schlagwörter heißen: Michael Szell, Co-Autor bei beiden Arbeiten, er- Revitalisierung und Umwidmung, wie das zum zählt, dass der Fahrtendienst Uber, inspiriert von Beispiel Melbourne praktiziert hat. Die australi- der ersten Publikation, das Sharing-Tool „Uber sche Metropole gab kaum genützte Straßen für Pool“ aufgesetzt habe. Uber-Kunden können neue Wohnbauten frei. nun zwischen einer Einzelfahrt oder einer Fahrt, Dass die Stadtbewohner der Zukunft ge- die man mit anderen Kunden teilt, wählen. Letz- meinschaftliche Entwicklungen brauchen, ist tere dauert zwar länger, kostet aber weniger – für den US-amerikanischen Ökonomen Edward und reduziert insgesamt den ökologischen Fuß- Glaeser von der Harvard University eine Selbst- abdruck. Derzeit ist Szell Researcher in Residen- verständlichkeit: Der Autor von Büchern wie ce beim Mobilität-App-Hersteller Moovel in Triumph of the City (Penguin, 2012) sieht die Deutschland. Hier wird er mit Datenanalysen Geschichte der Städte als Geschichte bemer- und Visualisierungen darstellen, wie viel mehr kenswerter „kollaborativer Kreationen“, die uns Platz in einer Stadt wäre, wenn es keine privaten reicher, gesünder, grüner, klüger und glückli- Pkws mehr gäbe, sondern nur mehr Carsharing- cher machten. In einem Interview mit Market- Modelle zur Verfügung wären. Ergebnis gibt place.org meinte er: „Wir sind eine soziale es dazu noch keines. Doch die Vermutung Spezies. Städte ermöglichen uns, von anderen zu liegt nahe: Da würde nicht wenig Raum frei lernen und dadurch im Wettbewerb zu be- werden. stehen.“ Glaeser plädiert also für ein Mitein- Natürlich ist ein Teilmodell auch mit priva- ander, um überleben zu können. Eigentlich ein ten Fahrzeugen vorstellbar. Vielleicht sind der- logischer Ansatz, man muss es sich vermutlich artige Autos ja künftig selbstfahrend. Sie könn- nur immer wieder in Erinnerung rufen. 10 MAGAZ IN FORSCH UNG
FOTO: BMW iPERFORMANCE ELEKTRISIEREND MEHR VORTEILE. WENIGER KOSTEN. EFFIZIENT. Mit seinen Plug-in-Hybrid-Modellen bietet BMW schon heute die passende Antwort für die Ansprüche von morgen. Sie vereinen emissionsarmes Fahren und uneingeschränkte Fahrfreude unter einem Namen: iPerformance. Als Wegbereiter der Plug-in-Hy- Nachhaltigkeit und Fahrspaß Lithium-Ionen-Dichte auch durch ■ Hohe Reichweite brid-Technologie gilt der BMW i8. BMW zeigt mit den Plug-in- eine lange Lebensdauer bei Mit bis zu 48 km rein elektrischer Mit diesem revolutionären Fahr- Hybrid-Modellen auch, dass sich gleichbleibend hoher Leistung. Reichweite können die im Durch- zeug wurde das heutige Herzstück Nachhaltigkeit und Fahrspaß Was das konkret für Sie bedeutet? schnitt täglich gefahrenen Strecken aller BMW-Plug-in-Hybrid-Modelle nicht ausschließen müssen. Das Extra Schubkraft aus dem Stand problemlos zurückgelegt werden. entwickelt: die perfekte Kombi- Mehr an Fahrfreude kommt von bei stufenloser Beschleunigung Dank dem Verbrennungsmotor ist nation aus Verbrennungsmotor einem besonders leistungsstarken kombiniert mit lautloser, emissi- die Reichweite auf Langstrecken und Elektroantrieb. Der effiziente Lithium-Ionen-Akku. Die flüssig- onsloser Fahrfreude. garantiert. BMW-TwinPower-Turbo-Motor keitsgekühlte Hochvoltbatterie bietet alles, was man von einem braucht nicht nur wenig Platz, Mehr Informationen finden Sie ■ Niedrige Kosten modernen Verbrennungsmotor sondern besticht mit ihrer hohen unter www.bmw.at/iperformance Durch den Entfall der Normver- erwartet, und der Elektroantrieb brauchsabgabe zahlen Sie deutlich eDrive sorgt für mehr Nach- weniger Steuern bei der Anschaffung haltigkeit und ein einmaliges von Fahrzeug und Zubehör. Zusätz- Drehmoment. Dabei entscheidet lich senkt der Elektroantrieb die intelligentes Energiemanagement, motorbezogene Versicherungssteuer wann und wie die Motoren optimal und den Sachbezug bei Firmenfahr- genutzt werden. zeugen. Modelle für jeden Anspruch ■ Einfaches Aufladen So kompromisslos wie der Antrieb Mit der Plug-in-Hybrid-Technologie FOTO: BMW iPERFORMANCE ist auch das Angebot. Mit dem wird Aufladen einfach: an der BMW 2er Active Tourer, der herkömmlichen Steckdose, über die BMW 3er Limousine, dem BMW BMW Wallbox / Wallbox Pro oder X5 und dem BMW 7er gibt es über die wachsende öffentliche iPerformance-Modelle für jeden Lade-Infrastruktur. Anspruch. ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG
STADT 4.0 „Die Mega Risiko Diese Luftaufnahmen von Mexiko-Stadt (Seite 28), Tim- buktu (Seite 29) und Barcelona (Seiten 30 und 31) sind aus dem Bildband „Cities – Brennpunkte der Menschheit“ (siehe Buchbesprechung Seite 70). 12 MAGAZ IN FORSCH UNG
STADT 4.0 city ist ein lebensraum“ Wie sich der Klimawandel auf die Urbanisierung auswirkt, was Megacitys „sexy“ macht und worin ihre Risiken liegen, sind Themen, zu denen die deutsche Stadtsoziologin Sigrun Kabisch forscht. Fotos: eoVision / Airbus DS, eoVision / CNES / Distribution Airbus DS (2), www. eovision.at INTERVIEW: TANJA TRAXLER Städte gewinnen als Lebensraum zunehmend an Bedeutung – welche Herausforderungen sind damit verbunden? Kabisch: Wir leben im sogenannten urbanen Zeitalter. Mehr als 50 Prozent der Menschen le- ben in Städten, bis 2050 rechnet man damit, dass es mehr als zwei Drittel sein werden. Eine große Herausforderung besteht darin, die Städte menschlich, sicher, mit Zugang zu Bildung und Gesundheitsinfrastruktur zu organisieren – und geschützt vor Umweltkatastrophen. Der Klima- wandel spielt dabei eine entscheidende Rolle. 75 Prozent der urbanen Bevölkerung leben in Städ- → 13 MAGAZ IN FORSCH UNG
STADT 4.0 → ten, die in Küstenregionen liegen. Doch durch gungen schlechter werden und eine Abwärtsbe- den Klimawandel wird der Meeresspiegel an- wegung in Gang gesetzt wird, wenn keine Alter- steigen, und Extremwetterereignisse werden nativen sichtbar sind. Bei aller Euphorie für das zunehmen. Wachstum der Großstädte müssen wir beden- ken, dass es immer große Regionen in der Welt Bietet der Klimawandel auch Chancen für die geben wird, wo Schrumpfung stattfindet. Städte? Kabisch: Das kommt auf die Perspektive an. Sie forschen auch zu Megacitys – was interes- Wenn man kältere Regionen betrachtet, kann siert Sie daran? der Klimawandel mit Chancen verbunden sein, Kabisch: Die Megacity ist ein vielzitiertes und beispielsweise damit, dass man nicht mehr so gerne aufgegriffenes Thema. Es gibt verschiede- viel heizen muss. Generell werden sich durch ne Definitionen von Megacity, meist versteht den Klimawandel Extremereignisse häufen und man darunter große städtische Agglomeratio- intensiver auftreten. Das beeinträchtigt auch die nen mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. Nahrungsmittelproduktion, die in Städten eine Die Megacitys stehen im Zentrum der Aufmerk- große Rolle spielt. In Entwicklungsländern wie samkeit aufgrund ihrer schieren Größe, Einwoh- in Afrika kommt ein großer Teil der Nahrungs- nerzahl, Inanspruchnahme von Ressourcen, und mittel nicht vom Land, sondern wird direkt in viele dieser Städte sind auch internationale Hubs den Städten produziert, es gibt dort eine urbane von Wirtschaft, Kultur und politischer Entschei- Landwirtschaft. dungsmacht. Auf der anderen Seite ist nicht jede Megacity ein wirtschaftlicher Schwerpunkt. Vie- Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung mit le afrikanische Städte, die riesengroß sind, spie- dem Konzept der resilienten Stadt – was ver- len in der Wirtschaft international so gut wie kei- steht man darunter? ne Rolle. Kabisch: Resilienz bedeutet Widerstandsfähig- keit gegenüber Einflüssen, die unerwartet sind. In einer Publikation haben Sie die Megacity als Das reicht von Klimaextremereignissen bis zu Risikolebensraum bezeichnet – warum? den jetzigen Flüchtlingsströmen. All das hat man Kabisch: Eine Megacity ist oft eine Primecity, in der normalen Stadtplanung nicht auf der Ta- das ist eine Stadt, die viele Ressourcen eines Lan- gesordnung. Es braucht Leitplanken für das Er- des konzentriert, andere Städte im Land spielen reichen der Stadtentwicklungsziele, die es zu- neben der Primecity nur eine marginale Rolle. gleich ermöglichen, auf solche Extremereignis- Ich selbst habe in einem Projekt über fünf Jahre se reagieren zu können, ohne das gesamte Stadt- zu Santiago de Chile geforscht. Dort leben rund handeln außer Kraft zu setzen. sechs Millionen Menschen, und die Stadt hat vie- le Merkmale einer Megacity. Die Megacity ist ein Mit dem stetigen Zuzug in die Städte kommt es Risikolebensraum, weil unterschiedlichste He- zu einem Bevölkerungsrückgang in anderen Re- rausforderungen der Stadtentwicklung nur ge- gionen. Welche Gegenden sind besonders davon meinsam betrachtet in den Griff bekommen betroffen? werden können. Das reicht von der Trinkwasser- Kabisch: Oft sind ländliche Regionen von versorgung bis zur Terrorprävention. Schrumpfungsprozessen betroffen, manchmal aber auch Städte. Die am schnellsten schrump- Welche Rollen spielen Megacitys gesamtgesell- fende Stadt in Österreich ist Eisenerz. Weiters schaftlich? sind die Steiermark und Kärnten von Abwande- Kabisch: Wir haben immer sehr gerne die Mega- rung betroffen. Die Ursache von Schrumpfungs- cityentwicklung im Blick, denn die Megacity ist prozessen ist oft der Verlust oder Zerfall der öko- irgendwie sexy. Aber in diesen großen Städten nomischen Basis der jeweiligen Region. Wenn mit mehr als zehn Millionen Einwohnern leben keine Arbeitsplätze mehr vorhanden sind, gehen weltweit nur zehn Prozent der städtischen Be- Menschen an andere Orte. völkerung. Mehr als die Hälfte der Menschen, die in Städten leben, wohnen in Städten mit Welche Gruppen wandern ab, wer bleibt zu- 500.000 bis einer Million Einwohnern. Deswe- rück? gen sollte der Blick viel stärker auf solche klei- Kabisch: Es wandert nicht der normale Durch- neren Stadtstrukturen gerichtet werden, weil schnitt der Bevölkerung ab, sondern es gehen dort noch eine Steuerung möglich ist. Das Zu- die, die mobil sind, sozial stark, gut ausgebildet sammenspiel aus politischem Handeln, Wirt- und sich gute Chancen an anderen Orten aus- schaft, Infrastruktur, Governance und Zivilge- rechnen. In Ostdeutschland stellen wir fest, dass sellschaft kann dort noch gelenkt werden. Die in den ländlichen Regionen, die sehr stark Städte mit 500.000 bis einer Million Einwoh- schrumpfen, vor allem viele Männer zurückblei- nern sind auch die am schnellsten wachsenden ben. Frauen sind mobiler und finden etwa im Städte weltweit. Servicebereich schneller einen Job. Damit sind die zurückbleibenden Männer die Verlierer auf In welcher Hinsicht werden sich Städte in 50 dem Arbeits- und Heiratsmarkt. Das fördert mit- Jahren wesentlich von den Städten unterschei- unter bestimmte Entwicklungen wie politischen den, in denen wir heute leben? Extremismus. Es werden dann zu einfache Er- Kabisch: Wenn es gelingt, die New Urban Agen- klärungen dafür gesucht, dass die Lebensbedin- da, die auf der UN-Habitat III Konferenz im 14 MAGAZ IN FORSCH UNG
STADT 4.0 Oktober 2016 verabschiedet wurde, zügig umzu- setzen, bestehen gute Chancen, die urbane Le- bensqualität global zu verbessern. Dabei geht es nicht um eine Gleichmacherei, sondern um die jeweils kontextbezogene Verbesserung. Im ZentrumstehteinegerechteundfaireVerteilung von Ressourcen, um ein Leben in Würde zu füh- ren. Dabei ist eine Perspektive auf dem Arbeits- markt für Jugendliche entscheidend. Werden keine spürbaren Veränderungen sichtbar, dann wird es zu weiteren Migrationsströmen kom- men, die die Städte herausfordern und überfor- dern werden. Wir würden dann in sozial-räum- lich gespaltenen Städten leben und uns selbst in unserer Freizügigkeit, die wir mit städtischem Leben verbinden, beschneiden müssen. Ist ein Zenit der Urbanisierung in Sicht – wer- den Menschen im Laufe des Jahrhunderts wie- der vermehrt aufs Land ziehen? Kabisch: Ein Zenit der Urbanisierung ist inso- SIGRUN KABISCH (60) fern nicht in Sicht, als dass die Grenzen zwischen ist Leiterin des Departments Stadt- und Stadt und Land immer mehr verschwimmen. Umweltsoziologie am Helmholtz-Zentrum für Vielmehr wird sich urbane Lebensweise ver- Umweltforschung in Leipzig. Seit 2009 ist sie stärkt im städtischen Umland ausbreiten, soweit Honorarprofessorin für Sozialwissenschaft- Foto: Heribert Corn es räumliche und zeitliche Pendlerdistanzen so- liche Stadtgeographie an der Universität Leip- wie Infrastrukturangebote erlauben. Unser tra- zig. Kabisch ist Mitglied des Scientific Advisory ditionelles Verständnis vom Gegensatz von Boards der Joint Programming Initiative Urban Stadt und Land bedarf der Veränderung. Europe, die von Österreich koordiniert wird. FORSCHUNG MIT PRAXISBEZUG sind nur ein kleiner Teil der vielfälti- gen Forschung in diesem Bereich. Neben dem Studienangebot hat sich auch die Forschung an der FH Salzburg Forschung für den Schutz der stetig weiterentwickelt. Diese zeichnet sich besonders durch ihre Anwendungs- Privatsphäre Das 2012 gegründete „Josef Ressel orientiertheit und intensive Kontakte zu Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft aus. Zentrum für anwenderorientierte Smart Grid Privacy, Sicherheit und Forschungsschwerpunkte setzt Bereich Design, Medien und Kunst sichtigung ökologischer Aspekte, Steuerung“ beschäftigt sich mit die FH Salzburg in den Bereichen und den F&E-Aktivitäten in den der Untersuchung, Weiterentwick- intelligenten Stromnetzen – so ge- Informationstechnologien, Gesundheitswissenschaften. lung und Optimierung von Eigen- nannten Smart Grids. Der Fokus in Holz & Biogene Technologien, schaften bestehender Holzwerk- der Forschungsarbeit liegt darin, Smart Building und Smart City, Neue Materialien & Werkstoffe stoffe sowie auf Projekten im einen Einklang zwischen den An- aber auch mit F&E-Projekten Im Kernkompetenzbereich „Holz & Bereich intelligenter Ressourcen- forderungen des Umweltschutzes in Betriebswirtschaft, KMU- Biogene Technologien“ liegt der nutzung. Projekte wie die Lederfa- mittels intelligenten Stromnetzen Management & Entrepreneurship, Schwerpunkt auf der Neuentwick- ser-/Holzfaserkombinationen oder und jenen des Datenschutzes der Tourismusforschung sowie im lung von Werkstoffen unter Berück- Schäume auf Basis von Tanninen herzustellen. Die entwickelten Ver- schlüsselungsmethoden schützen so die Privatsphäre der Nutzer und dienen der Sicherung vor Eingriffen von außen. Energieeffizientes, nachhaltiges Bauen Auch die Forschung in den Bereichen „Smart Building“ und „Smart City“ hat sich an der FH Salzburg etab- liert. In einem ganzheitlichen An- satz steht das Zusammenspiel von FOTO: FH SALZBURG technischer Gebäudeausrüstung und gebauter Umwelt im Fokus sowie die Interaktion zwischen Mensch, Energie und Umwelt. Die FH Salzburg ist ein innovativer Forschungs- und Kooperationspartner für regionale, nationale und internationale Unternehmen. www.fh-salzburg.ac.at/forschung 15 MAGAZ IN ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG FOR SCHUN G
STADT 4.0 Impuls 1 Invasion der urbanen Seilbahnen Eine Seilbahngondel erwartet man für Gondelroute im Südwesten der gewöhnlich über schneebedeckten Metropole. Die sogenannte Téléval Alpenhängen baumelnd, auf dem soll bis zu 14.000 Passagiere pro Weg zum jauchzenden „Gemma, Tag transportieren. Denn auch gemma“ auf der Piste. Doch schon die Banlieue von Paris mit ihren seit längerem bahnt sich dieses luftige Brachflächen, Industriegebieten und Verkehrsmittel seinen Weg in die verstopften Stadtautobahnen ist eine Großstadt. Eine stille Revolution Landschaft voller Hindernisse, die des öffentlichen Verkehrs, die ihren sich in luftiger Höhe ausgezeichnet Anfang in Südamerika nahm. Dort überwinden lassen. In Österreich waren es die Slumbewohner von schließlich ist es wie so oft das Medellín, La Paz oder Caracas, die fortschrittsfreudige Ländle, das gemeinsam mit engagierten Planern hier die Nase vorn hat. Im August und fortschrittlichen Beamten ihre wurde der visionäre Plan für eine bislang isolierten und an Steilhängen Wälderbahn vorgestellt, die die Orte gelegenen Viertel an die Infrastruktur des Bregenzerwalds an das Rheintal der Stadt anknüpften – und das, ohne anbinden soll. Das Besondere daran: mehrspurige Straßen durch die dichte Auf der elf Kilometer langen Strecke Bebauung zu pflügen. Hightech meets von Bersbuch bis zum Bahnhof Favela, eine ungewöhnliche, aber Dornbirn wechselt die Kabine von erfolgreiche Kombination. Doch auch der Schiene aufs Seil. Entwickelt auf der Nordhalbkugel entdeckt man wird dieses „City Cable Car“ vom die Vorteile des Schwebens. So plant Seilbahnhersteller Doppelmayr. Paris eine 4,4 Kilometer lange Maik Novotny 16 MAGAZ IN FORSCH UNG
STADT 4.0 machen Frauen Stadt Ob als Aktivistinnen, Planerinnen oder Analytikerinnen: Auch der weibliche Blick auf die Stadt ist in die Zukunft gerichtet. Aber gibt es überhaupt eine weibliche Stadt, und wenn ja, wie sieht sie aus? TEXT: MAIK NOVOTNY S ie sah auf den ersten Blick gar nicht aus wie eine Kämpferin, die freundliche Mittvierzigerin mit der dickrandigen Brille, wie sie auf dem Washington Square stand. Und doch nahm sie es mit dem mächtigsten Mann der Stadt auf – und gewann. Jane Jacobs war keine Planerin und keine Archi- tektin, sie war eine Bürgerin von Greenwich Vil- lage, und sie wusste, wie eine Stadt funktioniert. Ihr Gegner, Chefplaner Robert Moses, war da- mals, Anfang der 1960er-Jahre, der mächtigste Mann New Yorks. Für ihn war Greenwich Village ein Hindernis, das er mit dem Lower Manhattan Expressway(Lomex)zuüberwindenplante,eine Schnellstraße quer durch Manhattan. Doch die Zeiten hatten sich geändert, die Ära des selbstbewussten, engagierten Bürgertums mit Protestkultur dämmerte herauf, Jane Jacobs war seine furchtlose Leitfigur. Mit Erfolg: Der Lomex blieb in der Schublade, Greenwich Vil- lage gedieh, und Jacobs’ 1961 veröffentlichtes Werk Death and Life of American Cities wurde zu einer Bibel der Stadtplanung. Ihre Forderungen nacheinerlebenswertenStadtfürdieMenschen, nicht für Autos, wurden von den Nachkriegs- technokraten noch als naiv belächelt, setzten sich aber spätestens in den 1970ern durch. Foto: iStock 50 Jahre später: Die Nachfolgerin von Robert Moses ist eine Frau und plant ganz im Sinne von → 17 MAGAZ IN FOR SCHUN G
STADT 4.0 → Jane Jacobs. Jeanette Sadik-Khan, Planungs- stadträtin von 2007 bis 2013, machte den Times SquarezurFußgängerzoneundließrund400Ki- lometer Radwege in New York City anlegen, einer der ersten Schritte in der Umsetzung des ambitionierten, 2007 veröffentlichten PlaNYC, der die wachsende Millionenstadt zukunftsfähig machen soll. Im Jahr 2016 werden Paris, Rom, Barcelona, Bukarest und Washington von Bürgermeisterin- nen geführt. „Wir können nicht die Hälfte der Menschheit von politischen Entscheidungen ausschließen“, sagt Anne Hidalgo, Bürgermeis- terin von Paris. Doch immer noch sind weltweit nur 20 Prozent der Stadträte und fünf Prozent der Bürgermeister Frauen. Das Ziel für die Stadt der Zukunft ist hier also keines, das sich mit dem Bau verspiegelter Türme und Hightech-Infra- struktur lösen lässt, sondern mit einer anderen Politik. Dies war der einstimmige Tenor beim Kongress des Netzwerks United Cities and Local Governments im Oktober 2016 in Bogotá. Fließende Formen Hat sich die Rolle von Frauen in der Stadtpla- nung also gar nicht geändert? Gibt es überhaupt eine weibliche Planung, eine speziell feminine Sicht auf die Stadt? Benutzen Frauen Städte an- ders als Männer? Manch einer wird als Erstes an die fließenden Formen der Bauten und Visionen von Zaha Hadid denken, der bisher einzigen weiblichen Pritzker-Preisträgerin, doch die in diesem Jahr verstorbene britisch-irakische Star- architektin hat sich eine geschlechtsspezifische Deutung ihres Werks stets augenrollend verbe- ten. Stimmt ja auch: Runde und weiche Formen gleich weiblich, dieser simple gedankliche Kurz- schluss ist doch eher im Reich der Küchentisch- psychologie anzusiedeln. Wie Frauen städtische Räume benützen, ist jedoch ein Thema, über das sich viele Planer und Theoretiker beiderlei Geschlechts seit langem Gedanken machen. Dabei geht es selten um Äs- thetik, sondern meist um Fragen der Sicherheit, Flexibilität und Offenheit. Schon 1980 forderte die amerikanische Urbanistin Dolores Hayden in ihrem Essay What Would a Non-Sexist City Be Like? eine neue Art von Stadt, in der die traditio- nelle Aufteilung in Wohnung, Stadtviertel und Arbeitsplatz aufgehoben wäre. Schluss mit dem archetypischen Bild der einsamen Hausfrau in der Villa im Speckgürtel, ohne jegliche urbane Ablenkung,währendderGatteimBüroimStadt- zentrum arbeitet – ein Bild, das durch die Retro- Serie Mad Men in seiner stereotypen Starrheit wieder plakativ illustriert wurde. Nein, statt Ge- schlechterrollen so ausweglos festzuzementie- ren, sollte die Stadt poröser werden, die Grenzen zwischen Heim und Arbeit durchlässiger. Keine Maschine, die nur für Pendler in Achtstunden- jobs funktioniert, sondern ein Raum für unter- schiedliche Tagesrhythmen. Heute sind zwar noch längst nicht alle diese Wünsche in Erfüllung gegangen, doch einige Städte sind schon auf dem guten Weg dahin und haben Programme wie gendersensible Verkehrs- 18 MAGAZ IN FOR SCHUN G
STADT 4.0 planung, etwa mit besserer Beleuchtung von Straßen und Wegen zur Vermeidung dunkler Angsträume, etabliert, beispielsweise Wien mit seinem Programm für Gender-Mainstreaming in derStadtplanung.WoandershabenFrauenNetz- werke für die Stadt der Zukunft etabliert, wie das von der indischen Stadtplanerin Nithya V. Ra- man gegründeten Projekt Transparent Chennai, das sich mithilfe der Visualisierung städtischer Daten der Verbesserung der Lebensumstände der Armen widmet, oder das britische Netzwerk Urbanistas, eine offene Plattform für Frauen in Planerberufen. „Obwohl es eine Fülle großarti- ger Frauen gibt, sind wir als Innovatorinnen und Vorbilder immer noch unterrepräsentiert. Es ist unserer Aufgabe, das zu ändern“, so Urbanistas- Gründerin Liane Hartley. Viele weibliche Planerinnen haben diese Än- derung schon bewerkstelligt und Städten ihren Stempel aufgedrückt. Die amerikanische Archi- tektin Elizabeth Diller, die mit ihren beiden Part- nern das Büro Diller Scofidio + Renfro leitet, ist für die vielleicht erfolgreichste stadtplanerische Verwandlungsaktion der letzten Jahre verant- wortlich: der von 2006 bis 2014 angelegte New Yorker High Line Park, der sich auf der Strecke einer ehemaligen Industriebahn über 2,3 Kilo- meter Länge zwischen den Häusern durch- schlängelt. Eine bislang unbekannte Art des öf- fentlichen Raums, ein urbaner Laufsteg, der so- → MOBILITÄT DER ZUKUNFT PASSIERT AUTONOM: EINSTEIGEN UND RELAXEN Autofahren ohne an einer Ampel rungsfreien Austausch von ver- ausgestattet sind, die Effizienz des lich erhöhen, indem ein dichter Takt, warten zu müssen, Zugfahren kehrsbezogenen Informationen Straßenverkehrs steigern kann. ähnlich wie bei S-Bahnen, angebo- ohne einen Schaffner!? Diese zwischen Fahrzeugen sowie Fahr- So könnten ampelgesteuerte ten und gleichzeitig die Wirtschaft- Worte klingen noch nach Zukunfts- zeugen und Verkehrsinfrastruktur Kreuzungen in Zukunft der Ver- lichkeit verbessert werden kann. musik, werden aber, wenn auch ermöglichen. Forscher der FH OÖ gangenheit angehören, da sich bisweilen nur zu Testzwecken, am Campus Hagenberg beschäf- Fahrzeuge vor Durchquerung der Forschung an der FH OÖ bereits umgesetzt. tigen sich mit der Frage, wie der Kreuzung untereinander auf einen Die FH OÖ ist mit 14,28 Mio. Euro Einsatz von Fahrzeugen, die mit optimalen Ablaufplan einigen. F&E-Umsatz im Jahr 2015 die Die FH OÖ setzt sich im Bereich entsprechenden Technologien Dadurch würden nicht nur die forschungsstärkste Fachhoch- Mobilität das Ziel, Lösungen zu Wartezeiten an der Kreuzung mini- schule in Österreich. Geforscht finden, um Menschen und Güter miert, sondern auch die Sicherheit wird von mehr als 400 Forschern möglichst effizient, sicher und durchquerender Fahrzeuge wäre in 16 Themenschwerpunkten: von umweltschonend von A nach B gewährleistet. IT in Hagenberg über Medizintech- zu bringen. Die Themenfelder für nik & Sozialwissenschaften in Linz Forschungsprojekte reichen von Autonom fahrende Züge sowie Management in Steyr bis zu neuen Antriebstechnologien über Das Projekt autoBAHN2020 zielt Technik & Naturwissenschaften in Fahrzeugkommunikation bis hin zu auf autonom fahrende Nahver- Wels – praxisorientiert mit und für neuen Verbundwerkstoffen. kehrszüge ab. Geforscht wird am rund 630 Partner aus Wirtschaft Campus Wels der FH OÖ an einem und Gesellschaft. aDrive – The automated car FOTO: HTTPWWW.ITS.DOT.GOVPRESSITS Experimentierzug mit zugehöriger Die effiziente Nutzung vorhan- Simulationsumgebung. Ziel ist es, dener Verkehrsinfrastruktur kleinere, selbstfahrende Züge mit nimmt in Zeiten stetig steigenden Hinderniserkennung auszustatten, www.fh-ooe.at/forschung Verkehrsaufkommens eine immer informationstechnisch zu ver- wichtigere Rolle ein. Eigens für knüpfen und auf frei zugänglichen den Automobilbereich konzipierte Strecken fahren zu lassen. Kommunikationstechnologien autoBAHN2020 wird die Attraktivi- werden künftig einen verzöge- tät von Nahverkehrszügen wesent- 19 MAGAZ IN ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG FOR SCHUN G
STADT 4.0 → fort nach seiner Eröffnung zum Publikumsmag- net wurde. „Ich glaube, wir haben da einen Nerv getroffen, nicht nur lokal, sondern global. Ich glaube, es gibt einen großen Wunsch nach mehr öffentlichem Raum, gerade in einer von digita- lenWelten dominierten Zeit“, sagt LizDiller und betont, dass es hier um weit mehr als eine Behüb- schung des Stadtraums geht. „Wir bemühen uns um nachhaltige Strategien, um neue Konzepte für die Reste, die wir hinterlassen.“ Nachhaltigkeit ist auch ein Ziel, das die japa- nische Pritzker-Preisträgerin Kazuyo Sejima vom Büro Sanaa verfolgt, wenn es um die Stadt der Zukunft geht. Dabei würde man ihre stets leicht und feingliedrig wirkenden Bauten, die sich in der Umgebung geradezu aufzulösen scheinen, nicht unbedingt mit Öko-Hightech as- soziieren. Aber das ist auch nicht ihr Ziel. „Wir sollten über Technologien nachdenken, aber uns dabei immer der Zeit bewusst sein, in der wir leben“, sagt Sejima. „Was wir heute Hightech nennen, ist in ein paar Jahren vielleicht wieder veraltet. In Japan gibt es schon immer ein Gleich- gewicht zwischen einem Haus und seinen Res- sourcen. Wir benützen leichte Materialien, die einfach zu transportieren sind. Wenn die Le- bensspanne eines Hauses endet, lassen sie sich gut recyclen. Das heißt: Wir denken auf ganz an- dere Weise über Umwelt und Energie nach.“ Der Körper im Raum Auf die Frage, ob diese Art der nachhaltigen SorgfaltetwasspeziellWeiblichessei,lassensich die Planerinnen selten ein. Doch eine besondere Sensibilität lässt sich zweifellos diagnostizieren – so denkt Sejima ihre Gebäude auch aus der un- mittelbaren persönlichen Erfahrung: „Ich finde es wichtig, Nachhaltigkeit aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, nicht nur ökolo- gisch und kulturell, sondern auch, was das Ver- hältnis des eigenen Körpers zum Raum betrifft“. Die Stadt der Zukunft: ein Spannungsfeld, dessen sich auch weibliche Stadttheoretikerin- nen angenommen haben. Eine der prominentes- ten ist die Soziologin Saskia Sassen, die 1992 in ihrem gleichnamigen Standardwerk den Begriff „Global Cities“ prägte. Stets neugierig, unruhig, scharfsinnig, schnell, spürt sie den Verwandlun- gen der Großstädte nach, die durch das Finanz- kapital, politische Umwälzungen oder den Kli- mawandel erzeugt werden. Zurzeit erforscht sie unter dem Titel „Wem gehört die Stadt?“ den urbanen Ausverkauf. „Die heutigen Maßstäbe haben eine neue Dimension“, sagt Sassen. „Was früher klein und öffentlich war, ist heute groß und privat. Ganze Stadtviertel mit kleinen Stra- ßen werden von Megaprojekten verschluckt, die Stadt wird privatisiert und enturbanisiert. Dabei waren Städte immer Orte, in denen auch die Machtlosen die Chance haben, Geschichte, Kul- tur und Wirtschaft zu gestalten.“ Die Stadt nicht aus einer Machtposition von obenzusehen,sondernalsFreiraumundSchutz- raum für die Machtlosen: Ob dies eine speziell weibliche Denkweise ist, mögen andere ent- scheiden. Jane Jacobs hätte sie sicher gefallen. 20 MAGAZ IN FOR SCHUN G
STADT 4.0 Impuls 2 Telefonzelle 2.0: Neue Möbel für morgen Für die, die sich überhaupt noch Informationen über die Stadt erinnern, mutete es heute prä- abrufen, mit ihr über Social historisch an: Kabinen zum Media interagieren können und Telefonieren, überall in der den so informativ angerei- Stadt? Braucht heute niemand cherten öffentlichen Raum mehr! Doch kaum sind die bevölkern sollen. Ein ähnliches Telefonzellen verschwunden, Konzept verfolgt das Stadtmöbel tauchen langsam schon ihre der US-Firma Intellistreets: Auf digitalen Nachfolger auf. Sie den ersten Blick eine Straßen- sehen nur anders aus. Zum laterne, ist es gespickt mit Beispiel wie eine Sitzbank: 2014 Hightech – Wi-Fi, Lautsprecher, wurde in Boston erstmals der digitales Straßenschild, Internet, von Sandra Richter entwickelte Notrufsäulen und Sensoren für Protoyp Soofa aufgestellt, eine Umweltdaten aus der Sitzbank mit Steckdose, direkt Umgebung. Wie so oft hat auch gespeist aus Solarstrom. Heute hier die Utopie eine kleine ist das freundliche Möbel bereits Schattenseite: Die Möbel sind in 20 verschiedenen US-Staaten zwar kleine Genies im Sammeln installiert. Im September 2016 von Informationen, aber genau folgte das Soofa Sign: eine das macht sie auch zu idealen Infosäule als digitales Straßen- Werkzeugen der Überwachung. schild, mit dem die Passanten Maik Novotny 21 MAGAZ IN FORSCH UNG
STADT 4.0 Die Lichter der Großstadt Neue Lichttechnologien machen aus Straßenlampen ansteuerbare Computer: Einzelne Viertel können so jederzeit mit unterschiedlichem Licht versorgt werden. Die Anwendungen künstlicher Beleuchtung werden vielfältiger und für Mensch und Natur angenehmer. TEXT: PETER ILLETSCHKO M an muss kein Psychologe sein, um zu wissen: Licht weckt Gefühle und hat Einfluss auf das körper- liche Wohlbefinden. Son- nenstrahlen stimulieren, grelles, künstliches Licht ist unangenehm. Diffu- se Beleuchtung kann anstrengend sein und müde machen. Licht macht uns morgens mun- ter, in der Nacht ist es uns eine willkommene Orientierungshilfe. „Licht wird Menschen nie kaltlassen“, sagt Susanne Seitinger von Philips → 22 MAGAZ IN FORSCH UNG
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STADT 4.0 → Lighting Professional Systems. Und ergänzt: sind.“ Gemeinsam mit Dietmar Offenhuber, der den Projekt hat Philips Lighting in den Straßen- „Licht geht buchstäblich unter die Haut, be- an der Northeastern University in Boston zu The- lichtern eines Wolkenkratzer-Stadtviertels Re- einflusst uns, zieht uns an, wie ein Herd, wo man men wie Information Design forscht, hat man peater für Handynetze versteckt, weil diese an- sich versammeln möchte. Wir sind dabei nicht auch Geräuschmuster durch die in der Nähe ge- gesichts der hohen Häuser an ihre Grenzen sto- viel anders als Insekten, die nachts zur Straßen- legenen Schulen sichtbar gemacht. Der Grund? ßen. Die Funkleistung konnte damit deutlich laterne fliegen.“ „In Los Angeles gehen Schüler in den Pausen ins verstärkt werden. Die Wienerin hat schon ihre Dissertation am Freie.“ Schließlich könne man anhand der Auch daran hätte man wohl beim Stichwort MIT Media Lab dem Thema Licht in der Stadt ge- Daten sogar feststellen, wo Schall reflektiert „Straßenbeleuchtung“ nie gedacht. Wie aber widmet (Titel: Liberated Pixels: Alternative Nar- wird und sich dadurch noch verstärkt. Am Ende könnte man die zentrale Aufgabe des Straßen- ratives for Lighting Future Cities). Nun beschäf- wird eine dreidimensionale Akustikstadtkarte lichts, Sicherheit zu geben, effizienter als bisher tigt sie sich auch beruflich mit Straßenlicht, ak- vorliegen, mit deren Hilfe die Umweltbelastung lösen, um also die Mensch und Natur belastende tuell heißt das: mit der Frage, wie diese doch durch Lärm reduziert werden könnte: mittels Lichtverschmutzung zu reduzieren? Seitinger, recht dicht vernetzte Infrastruktur in den Citys Verkehrsumleitung oder anderen schalldäm- meint, Städte mit Licht-Managementsystem für zusätzliche Dienstleistungen genützt werden mende Maßnahmen. Auch Bäume wären dafür können jede Straßenlampe so dimmen, wie sie es könnte. Das jüngste Projekt: Im Auftrag des Los geeignet. für richtig halten – und die Helligkeit der Straßen Angeles Bureau of Street Lighting wird der und Plätze, aber auch die Lichttemperatur belie- Sound der Großstadt aufgezeichnet. Für die seit Digital und ansteuerbar big programmieren. kurzem laufende Pilotphase wurden deshalb 30 Die Basis für derartige Analysen wurde mit Die technischen Voraussetzungen für eine Fotos: James Ewing (2), Chris Pfaff Straßenbeleuchtungen mit Mikrofonen ausge- den vergangenen Entwicklungsschritten der Abkehr von Zeiten der Energieverschwendung stattet, die den ganzen Tag über alle 15 Sekunden Lichttechnologie geschaffen. Seitinger: „Das di- sind also gegeben. Seitinger: „Wichtig ist jetzt, sehr hohe und sehr niedrige Frequenzen gital ansteuerbare Straßenlicht hat Standard- dass die Städte sich damit auseinandersetzen aufnehmen. schnittstellen, die man durch zusätzliche Tech- und die automatischen Regelsysteme von Licht Schon jetzt seien Muster erkennbar, freut nologien wie dieses Mikrofonsystem jederzeit nutzen, dann wird eine Lösung dieses Problems sich Seitinger. „Wir sehen, wann die Leute zur ergänzen kann.“ Ideen für die Nutzung gibt es langfristig möglich sein.“ Noch sei der Umgang Arbeit fahren, wann sie nach Hause unterwegs reichlich: In einem schon etwas länger laufen- mit dem Thema sehr unterschiedlich: In Groß- 24 MAGAZ IN FORSCH UNG
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