Magazin 2 - Allianz für die Bodenfruchtbarkeit - BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS - Bodenfruchtbarkeitsfonds
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Magazin 2 | 2019 BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS Kann BIO die Welt ernähren? Seite 3 Bodenfruchtbarkeitsfonds und myclimate - eine klimawirksame Partnerschaft beginnt Seite 13 Wir brauchen eine neue Landwirtschaft Seite 24 Allianz für die Bodenfruchtbarkeit
Liebe Freunde und Interessierte des Bodenfruchtbarkeitsfonds der Bio-Stiftung «Bei wachsender Weltbevölkerung muss mehr Ertrag Mathias Forster, Geschäftsleiter Bio-Stiftung Schweiz und pro Hektar her, sonst werden viele Menschen in Zukunft Vorsitzender Projektleitung Bodenfruchtbarkeitsfonds Hunger leiden müssen. Da wir das nicht wollen, wird es nicht ohne künstlichen Stickstoffdünger, nicht ohne syn- thetische Pestizide und andere Werkzeuge aus dem Bau- kasten der modernen industriellen Landwirtschaft ge- «Trinkwasserinitiative» zielt darauf ab, dass in Zukunft nur hen. Bio wird die Welt jedenfalls nicht ernähren können.» noch diejenigen Landwirtschaftsbetriebe Subventionen Diese These ist weit verbreitet und hat viele Anhänger. erhalten, die auf den Einsatz von synthetischen Pestiziden Aber stimmt sie auch? Dr. Felix Prinz zu Löwenstein vertritt und prophylaktischen Antibiotikagaben verzichten. Die eine ganz andere These: «Wir werden uns ökologisch er- sogenannte «Pestizidinitiative» möchte erreichen, dass der nähren oder überhaupt nicht mehr.» Einsatz von synthetischen Pestiziden in der Schweiz gene- rell verboten wird, auch der Import von Lebens- und Fut- In dem vorliegenden Magazin zeigt er anhand nüchterner termitteln, die unter Einsatz von synthetischen Pestiziden Fakten auf, weshalb die von den Saatgut- und Agrarche- hergestellt wurden. Beide Initiativen sehen in ihren Kon- miemultis mit Milliardeneinsätzen propagierte Landwirt- zepten Übergangsfristen von acht bzw. zehn Jahren vor. schaft nicht nachhaltig ist und direkt und indirekt genau Wir geben beiden Initiativen in der vorliegenden Ausgabe diejenigen Ressourcen zerstört, die für eine wachsende die Gelegenheit, sich kurz vorzustellen. Das Thema syn- Weltbevölkerung nötig wären. Er macht auch darauf auf- thetische Pestizide beschäftigt uns als Bio-Stiftung Schweiz merksam, dass wir schon heute genug Lebensmittel pro- im Zusammenhang mit den beiden Volksinitiativen, aber duzieren, um 12 bis 14 Milliarden Menschen zu ernähren, auch darüber hinaus. Wir werden im nächsten Jahr eine während 850 Mio. Menschen trotzdem Hunger leiden ganze Reihe von Veranstaltungen durchführen, um zur Be- müssen und eine knappe weitere Milliarde Menschen un- wusstseinsbildung beizutragen, sowie auch ein Buch zum terernährt sind. Das ist tragisch und traurig. Die Gründe Thema synthetische Pestizide herausgeben. Über dreissig hierfür sind vielfältig, das ganze Thema Welternährung verschiedene renommierte AutorInnen beleuchten ökolo- komplex. Die Frage, ob Bio die Welt ernähren kann und gische, medizinische, rechtliche, wirtschaftliche Aspekte, wenn ja wie, wird uns wohl auch in den kommenden Aus- aber auch Transformationsstrategien und Zukunftsvisio- gaben unseres Magazins begleiten. nen. Verschiedene Praktiker berichten von ihren Erfahrun- gen mit einer Landwirtschaftspraxis, die ohne synthetische Ein wichtiges Instrument im Baukasten der modernen in- Pestizide auskommt. Im vorliegenden Magazin veröffentli- dustriellen Landwirtschaft sind synthetische Pestizide. Sie chen wir zudem vier gekürzte Beiträge im Voraus, auch um sind umstritten und nachdem Rückstände unterschied- Sie, liebe Leserinnen und Leser, zu motivieren, schon mal lichster sogenannter «Pflanzenschutzmittel», was für ein ein oder mehrere Exemplare zu erwerben oder sich mit verharmlosender Begriff, in der Arktis und in der mensch- einer Spende an unseren bewusstseinsbildenden Aktivitä- lichen Muttermilch gefunden werden und die enormen ten zu beteiligen und sie dadurch zu potenzieren. Erhalten ökologischen und gesundheitlichen Schäden immer deut- werden Sie die Lieferung im Frühjahr 2020, voraussichtlich licher werden, fragen sich viele Menschen, ob wir diese im April. im industriellen Massstab organisierte Vergiftung des Le- bens nicht so schnell wie möglich beenden sollten, nicht Mit freundlichem Gruss und den besten Wünschen für die zuletzt weil derzeit offenbar niemand die langfristigen Fol- kommende Weihnachtszeit gen für alles, was lebt, abschätzen kann. In der Schweiz, im Land der Direkten Demokratie, wo wir Bürgerinnen Mathias Forster und Bürger über wesentliche Fragen mitentscheiden kön- nen, haben zwei Initiativen genügend Unterschriften ge- sammelt, sodass es 2020 zur Volksabstimmung zu ihren Anliegen kommen wird. Die im Volksmund so genannte BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 2
Kann Bio die Welt ernähren? Felix Löwenstein «Wir werden uns Die Landwirte der Welt ernten so viel wie nie zuvor. Und zwar nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch pro Kopf. ökologisch ernähren Rein rechnerisch könnten 12 bis 14 Milliarden Menschen satt werden und sich gesund ernähren. Doch trotz dieser oder gar nicht mehr» gewaltigen Lebensmittelmengen kommt bei jedem ach- ten Erdenbürger nicht ausreichend Essen auf den Tisch. Fast 850 Millionen zählt das Heer der Hungernden auf der Welt, eine knappe weitere Milliarde Menschen sind unterernährt. termittel vom Acker geht, geht ein Vielfaches an Kalorien Die Ursachen für Hunger sind so vielfältig und komplex für die direkte Versorgung der Menschen verloren. Neben wie die Stellschrauben, an denen für seine Bekämpfung der Konkurrenz zwischen Futtermittel- und Nahrungsmit- gedreht werden muss. Es sind miserable Regierungen, telproduktion steigt der Bedarf nach nachwachsenden Kriege sowie ungerechte Verteilung von Land und Ein- Rohstoffen zur Energieversorgung. Das führt nicht nur kommen, die Menschen in Afrika und anderswo daran hin- dazu, dass weniger Fläche zur Nahrungsmittelerzeugung dern, Nahrungsmittel zu erwerben oder Vorräte für Dür- vorhanden ist, sondern treibt auch die Preise in die Höhe. rezeiten anzulegen. Auch durch Verschwendung gehen Allein zwischen 2003 und 2007 erhöhte der Abfluss von Massen von Nahrungsmittel unwiederbringlich verloren: Nahrungsmitteln zur Produktion von Biokraftstoffen in den Ländern des Westen landet die Hälfte aller Agrarer- die Nahrungsmittelpreise um rund 30%. zeugnisse im Müll; die Länder des Süden erleiden starke Nachernteverluste wegen mangelnder Lager-, Transport- All das scheint nur einen Schluss zuzulassen: Wir müssen und Verarbeitungsmöglichkeiten. Diese Grössenordnung noch mehr produzieren. Da die Anbauflächen kaum ver- zeigt, wo die wichtigen Reserven liegen. Besonders wir mehrbar sind, müssen die Flächenerträge gesteigert wer- Menschen in den Industrieländern verbrauchen oft sehr den. Diese so logisch erscheinende Überlegung führt zur viel mehr als uns zusteht. Das liegt vor allem an unserem Schlussfolgerung der Agrarindustrie: Die Landwirtschaft grossen Appetit nach Fleisch: zwischen 80 und 124 kg muss produktiver werden. Dazu braucht es Düngemittel pro Jahr verzehren Deutsche, Franzosen oder Amerikaner. und Pestizide und gentechnisch massgeschneiderte Pflan- Pro Jahr! Dazu steigt die Nachfrage nach Fleisch auch in zen. Das klingt zwar einleuchtend, ist aber falsch. Denn vielen aufstrebenden Volkswirtschaften. Ein Grossteil der kein noch so produktives System agrarischer Erzeugung Ernte wird dafür an Nutztiere verfüttert. Sofern es dabei könnte auf dieser Erde leisten, was nötig wäre, damit alle nicht um den Aufwuchs von Grünland, sondern um Fut- Menschen unseren westlichen Lebensstil leben. 3
Schaut man genauer auf das Heer der Hungernden und Quellen menschengemachter Klimagas-Emissionen. Vor Unterversorgten, wird deutlich: Zwei Drittel der hungern- allem durch die Rodung von Wäldern und Umwandlung den Menschen leben auf dem Land. Insbesondere Frauen von Grünland in Ackerland, den Ausstoss von Lachgas aus in Entwicklungsländern sind benachteiligt. Denn sie ver- Mineraldüngung oder Methan durch Wiederkäuer und richten zwar einen Grossteil der landwirtschaftlichen Ar- Reisanbau wird die Lebensmittelproduktion zum Klimakil- beit, besitzen weltweit aber nur zwei Prozent des Landes ler. Die globale Erwärmung ihrerseits trägt zur Zerstörung und leben deshalb häufiger in extremer Armut. Die Kon- genau derjenigen Ressourcen bei, die zur Versorgung kurrenz um Flächen für die Nahrungsmittelproduktion, einer wachsenden Weltbevölkerung benötigt werden. Bereits heute gehen jährlich mehr als 10 Millionen Hekt- ar fruchtbarer Boden durch Übernutzung und die Folgen des Klimawandels verloren. Und gerade die Menschen, die nur wenig Land und keine anderen Einkommensmög- lichkeiten haben, spüren Ernteausfälle durch die Folgen des Klimawandels wie Überschwemmungen, Stürme oder Trockenheit besonders dramatisch. Was braucht es, damit nachhaltig alle satt werden? Die steigenden Kosten für Betriebsmittel zeigen, dass es in Zu- kunft wenig sinnvoll und vor allem unmöglich sein wird, den mit enormen Energiemengen hergestellten Stickstoff zur Grundlage des Pflanzenanbaus zu machen. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass der Teil des künstlich ge- wonnenen Minerals, der versickert oder als Stickoxide in die Luft aufsteigt, Gewässer verunreinigt und den Treib- hauseffekt verstärkt. Ähnlich sieht es mit Phosphat aus, das nicht synthetisiert, sondern aus Lagerstätten gewonnen wird, die in wenigen Jahrzehnten erschöpft sein werden. Aber auch die Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten, an Nah- rungspflanzen, Nutztier-Rassen und Pflanzensorten sind den Anbau für nachwachsende Rohstoffe und Tierfutter Ressourcen, deren dramatische Verringerung schlimme weckt Begehrlichkeiten. Land wird knapper und Acker- Folgen mit sich bringt. Auch hier ist eine Landwirtschaft als böden werden zum Anlageobjekt. In Industrieländern wie Verursacher beteiligt, die mit rationalisierten Produktions- Deutschland, den USA oder Frankreich steigen die Pacht- verfahren billig grosse Nahrungsmengen erzeugt. preise. Private Investoren aber auch Staaten entdecken den Wert von fruchtbarem Land und decken sich mit gros- Am weitesten über die Grenzen des nachhaltig Mög- sen Agrar-Flächen in den klammen Staaten Afrikas ein. Wo lichen ist die «Tierproduktion» geraten, die aus Mitge- Kleinbauern nicht durch offizielle Verträge geschützt sind, schöpfen Fabrikgüter für die Massenherstellung macht. wird ihnen das dringend benötigte Land einfach wegge- Sie verursacht Probleme für Umwelt und Tierschutz und nommen. Land Grabbing und die Spekulation mit Boden bedroht unsere Gesundheit nicht nur, weil billiges Fleisch oder Agrarrohstoffen verschärfen somit die Welternäh- zu übermässigem Konsum verführt. In der industriellen rungssituation zusätzlich. Tierhaltung kommen grosse Mengen an Antibiotika zum Einsatz, welche die Entstehung gesundheitsgefährdender So wenig wie mangelnde Produktivität die Hauptursache antibiotikaresistenter Keime fördern. Zudem funktioniert des Hungers ist, so wenig ist ein System industrieller Land- Agrarindustrie auch im Bereich der Tierproduktion nur auf wirtschaft, wie es die Vertreter grosser Saatgut- und Ag- Pump: auf Millionen von Hektaren einstigen Regenwaldes rarchemiemultis von BASF oder Monsanto im Sinn haben, in Südamerika wachsen Sojabohnen in Monokultur, die als zukunftsfähig. Denn dass gerade die Menschen auf dem Eiweissfuttermittel in europäischen Viehtrögen landen. Ur- Land durch extreme Armut am meisten Mangel leiden, wald für Schnitzel, sozusagen. zeigt: eine Landwirtschaft, die nur mit regelmässigen Inves- titionen in teure Betriebsmittel wie chemisch-synthetische Diese Diagnose führt zu einer unumgänglichen Thera- Pflanzenschutzmittel, Dünger, patentiertem Gentech-Saat- pie: Unsere Landwirtschaft muss ökologisch werden gut und kostenintensiven Maschinen funktioniert, ist kein und unsere Ernährungsweise auch. Das Gegenmodell zur Modell. Sie nutzt mehr Ressourcen als zur Verfügung ste- Agrarindustrie ist der Ökologische Landbau mit seinem hen. Und sie trägt erheblich zum Klimawandel bei. Be- umfangreichen Methodenrepertoire. Durch Ökologische reits heute gehört die Landwirtschaft zu den wichtigsten Intensivierung, also der intelligenten Nutzung der Natur BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 4
bei möglichst geringem Einsatz von zusätzlichen Betriebs- mitteln, können Landwirte Ertragssteigerungen erzielen und verbessern damit ihre Einkommenssituation. Die Grundlage der ökologischen Intensivierung bildet eine Kombination aus modernster wissenschaftlicher Erkennt- nis und dem reichen Erfahrungsschatz, der insbesondere in traditionellen Gesellschaften noch erhalten ist. Sie nutzt, erhält und fördert die ungeheure Vielfalt an Pflanzenarten, Sorten und Tierrassen, soweit sie in der industriellen Land- wirtschaft noch nicht untergegangen ist. Beispiele in Haiti oder auf den Philippinen, in Kenia oder Äthiopien zeigen, dass dort, wo heute Menschen Hunger leiden – in den ländlichen Regionen des Südens – Ertrags- steigerungen und Einkommenssicherung möglich sind. Und zwar ohne dass die Bauern ihre Einkünfte für den Kauf von Chemikalien aus den Industriestaaten verwen- den müssen und ohne dass sie in die Abhängigkeit jener Patente geraten, mit denen die Gentechnikindustrie ihre Saaten versieht. In den letzten Jahren wurden ausreichend Daten erhoben und ausgewertet, um die Effizienz dieses Systems zu belegen. So verwundert es nicht, dass immer gutes Fleisch zum doppelten Preis erhöht die Lebensmit- mehr Organisationen der Entwicklungshilfe oder der Ver- telausgaben nicht, ist gesünder und bildet einen Beitrag einten Nationen darauf drängen, auf eine ökologische zur Sicherung der Welternährung. Intensivierung der Landwirtschaft zu setzen und nicht auf Damit die Politik es wagt, Massnahmen zu ergreifen, muss eine Industrialisierung nach westlichem Vorbild. In Indien der Bewusstseinswandel bei uns Bürgerinnen und Bür- haben sich bereits drei Bundesstaaten auf den Weg zur gern, Wählerinnen und Wählern voranschreiten. Die Zeit Vollumstellung ihrer Landwirtschaft gemacht. dafür ist günstig! Die Zeit ist gekommen, nicht mehr das «ob», sondern das «wie» zu diskutieren. Wie schaffen wir die Transformation hin zu einer Ökologischen Landwirtschaft, die auch künftigen Generationen ihre Leben- Dr. Felix Prinz zu Löwenstein schancen lässt? Der Schlüssel dafür liegt in dem, was die Ökonomen «Kostenin- Dr. Felix Prinz zu Löwenstein ist ein deutscher Agrarwis- ternalisierung» nennen. Es muss Schluss senschaftler und Landwirt. Er gilt als bedeutender Kritiker damit gemacht werden, dass ein erhebli- der modernen industriellen Landwirtschaft. Felix Prinz zu cher Teil der Produktionskosten von der Löwenstein bekleidet verschiedene Ehrenämter in Orga- Umwelt gezahlt wird, statt damit den nisationen des Ökologischen Landbaus: Vorstandsvorsit- Preis der Produkte zu belasten. Wenn zender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft sich Kosten, wie sie durch die Ausschwem- (BÖLW) und Vorstandsmitglied des Forschungsinstituts für mung von Nährstoffen in Gewässer, durch biologischen Landbau (FiBL Deutschland). 2011 veröffent- Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt oder lichte er sein Buch ‹Food Crash›, das von Deutschlandradio dem Bienensterben verursacht werden, im Kultur als «beeindruckendes und überzeugendes Plädoyer Preis des Schnitzels wiederfinden würden, für eine ökologische Landwirtschaft» und von ‹Spektrum zöge das eine Reihe von Konsequenzen der Wissenschaft› als «Plädoyer für ein nachhaltigeres und nach sich: So wäre die Produktion mit den gerechteres Landwirtschaftssystem» bezeichnet wurde. geringsten Allgemeinkosten konkurrenzfä- 2016 erhielt er für sein vielseitiges Engagement im Öko- hig. Das ist der Ökologische Landbau auch landbau das Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundes- dann, wenn man berücksichtigt, dass er auf republik Deutschland. vielen Feldern noch weiterentwickelt wer- Dr. Felix Prinz zu Löwenstein ist zudem Botschafter des den muss, um dem Ziel einer vollkomme- Bodenfruchtbarkeitsfonds. nen Nachhaltigkeit näherzukommen. Und unser Ernährungsverhalten würde sich än- dern – zum Nutzen aller: Denn halb so viel 5
Herbstimpressionen Weidriethof, Liechtenstein Meter, der erste Bodenfrost und röhrende Rothirsche in der Nacht bei meinem Hof lassen keinen Zweifel. Gemäss Prognosen regnet es die nächste Woche jeden Tag. Ich bin heilfroh, dass ich meine 5 ha Kartoffeln und meine 2.5 ha Karotten im September schon geerntet habe … Insbeson- dere bei der Kartoffelernte hat sich gezeigt, dass der Bo- den von den Gründüngungen, die ich nun seit 5 Jahren anbaue, stark profitiert hat. Die Erträge waren super und auf der Erntemaschine hatten wir durch die gute Boden- struktur sehr wenig Arbeit mit dem Aussortieren von Erd- schollen. Nach der Ernte habe ich, sobald als möglich, Wickroggen angesät, der sich jetzt gut entwickelt. Meine 9 ha Winterweizen habe ich letzte Woche mit dem neuen Traktor pfluglos angesät, was auch Dank der super Bereifung (80 cm Breitreifen) gut gelungen ist. Unsere schweren Böden trocknen im Oktober schlecht ab. Bei den Landwirten, die jetzt noch Kartoffeln im Boden haben, ist die Stimmung angespannt. Es schmerzt alle Landwir- te, wenn wir bei zu nassen Bodenbedingungen mit den schweren Erntemaschinen den Boden befahren müssen. Als Biolandwirt ist mein Leben im Herbst stark vom Wet- Die Erntemaschinen sind einfach noch zu schwer und terablauf geprägt. Ernten und Ansäen geht einfach bei richten insbesondere bei nassen Bodenbedingungen trockenen Bedingungen viel besser und die sind in die- grossen Schaden an. Hier muss die Landtechnikbranche sem Herbst bei uns in Liechtenstein rar. Der Herbst ist bei unbedingt noch ihre Hausaufgaben machen! uns nach dem verregneten August und einem «normalen» September jetzt definitiv eingekehrt … Schnee bis auf 1200 Georg Frick Wickroggen 5 Tage nach der Saat BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 6
Eindrücke und Erlebnisse vom Patenhoftag 2019 bei SlowGrow in Mönchaltorf Das Wetter war schön, aber nicht zu heiss, als sich am 12. September ca. 50 Menschen bei SlowGrow, dem Hof von Matthias Hollenstein und Samuel Bähler, ein- fanden und vom Hofteam und einem kleinen Bauern- hof-Apéro mit pikanten Dips aus buntem Gemüse begrüsst wurden. SlowGrow, der zukunftsweisende Hof mit dem Ziel einer regenerativen Landwirtschaft, ist etwas Besonderes, das war schon bei der Ankunft spürbar. Den Einstieg in den Nachmittag machte Matthias Hollenstein mit einer kurzen Vorstellung ihres insge- samt gut 15 Hektar grossen Betriebs, auf dem mit in- novativen Anbaumethoden gesunde, schmackhafte Lebensmittel in Bioqualität angepflanzt werden. Der Strom an Gästen – in erster Linie Patinnen und Paten des BFF, für die der Anlass ja durchgeführt wurde — schien dabei nicht versiegen zu wollen. Mathias Fors- ter stellte anschliessend den Bodenfruchtbarkeits- fonds vor, in dem SlowGrow ein Partnerbetrieb ist, und verdeutlichte dabei die Wichtigkeit der Rolle der Landwirte zum Aufbau der Bodenfruchtbarkeit sowie Matthias Hollenstein die Notwendigkeit, ihnen die nötigen Freiräume da- für zu ermöglichen. Mit Dr. Ulrich Hampl ging es danach zur Bodenan- zen der Boden belebt wird. So lebendig und vielfältig sah sprache, um den Zustand des Bodens näher zu un- es dort vor einem Jahr jedoch noch nicht aus. Mit kon- tersuchen: An einem Gründüngungsfeld wurde kur- ventionellen Methoden wurde auf der Fläche zuvor Mais zerhand ein Spaten voll Erde ausgehoben, damit die angebaut, der Boden war an vielen Stellen verdichtet mit Besucher sehen konnten, wie durch vielfältige Pflan- einer Tendenz zur Plattenbildung. Mit einer vorgängigen 7
Bodenlockerung und der Ansaat einer intensiv wurzeln- es ist, den Boden möglichst intakt zu halten. Dabei war den – und essbaren – Pflanzenmischung konnten jedoch sehr gut spürbar, dass Matthias seiner Arbeit mit Herz und bereits nach einem Jahr «eine intensive Durchwurzelung Seele nachgeht und sich dabei ein enormes Wissen auf- des Bodens bis zur Bearbeitungstiefe (ca. 30 cm) und eine gebaut hat. Auf mich hat er gewirkt wie ein überlaufendes bereits deutlich sichtbare Krümelstruktur im gesamten Fass an Gedanken und Ideen, die nur darauf warten, aus- Spaten-Profil» erreicht werden, wie der Bodenexperte Dr. probiert und umgesetzt zu werden. Ich fand das so faszi- Ulrich Hampl betonte. nierend, dass ich am liebsten gleich dageblieben wäre! Doch es wartete bereits ein weiterer Posten auf die Gäs- Als Laie ist mir jedoch vor allem im Gedächtnis geblieben, te. Samuel Bähler zeige uns den unglaublich vielfältigen wie anschaulich Ulrich Hampl vermitteln konnte, wie die Gemüsegarten von SlowGrow, bei dem die Flächen mit Pflanzen mithilfe der Photosynthese und durch ihre Wur- Mulch (Holzschnitzel oder Wiesenschnitt) abdeckt wur- zeln den Boden und seine Lebewesen mit Nahrung ver- den, wodurch viel weniger gejätet werden muss, die sorgen, dass die Wurzeln hierbei zentral sind, um eine ge- Feuchtigkeit sich im Boden halten kann und der Boden sunde Bodenstruktur aufzubauen, dass die Pflanzen der gleichzeitig mit Humus versorgt wird. Beim Rundgang Schlüssel für einen lebendigen, intakten Boden sind. Auch durften wir Fenchel-Blüten und kleine Babyfenchel pro- habe ich gelernt, dass es in der Natur, sofern Klima und bieren. Wussten Sie, dass Kohlrabi, Fenchel und andere Geografie es zulassen, keinen unbedeckten Boden gibt, Gemüse mehrmals nachwachsen, wenn sie knapp ober- dass Gründüngungen den Boden ernähren, sodass dieser halb der Wurzeln abgeschnitten werden? – Ich wusste das anschliessend die Kulturpflanzen ernähren kann und wir jedenfalls nicht! erst, wenn dieses Gleichgewicht gestört ist, mit Düngemit- teln nachhelfen müssen. Das fand sogar mein 1.5-jähriger Als Abschluss des Tages wurde den Gästen am offenen Sohn spannend – oder waren es doch die Krähen im Baum Feuer zubereitetes Fladenbrot und eine grosse Gemüse- über uns? pfanne serviert. Bei den dabei entstandenen Gesprächen wurde noch lange und angeregt über den Tag, den Boden Beim nächsten Programmpunkt teilten sich die Gäste in und die wertvolle Arbeit der Landwirte sowie des Boden- zwei Gruppen. Ich durfte zuerst mit Matthias Hollenstein fruchtbarkeitsfonds philosophiert. Alles in allem fand ich mitgehen, der uns über die Felder und durch seine Ge- den Patenhoftag bei SlowGrow äussert gelungen und ich danken führte. Matthias sprach dabei unter anderem da- habe mir fest vorgenommen, den Hof baldmöglichst wie- von, wie wir das riesige Netzwerk aus Wurzeln und Pilzen der zu besuchen – das nächste Mal aber mit mehr Zeit und im Boden, das Soil Wide Web, durch die Bearbeitung mit einem Notizblock. Boden-wendenden Maschinen zerstören und wie wichtig Urs Handschin -> Kurzfilm zum Patenhoftag 2019 BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 8
Warum ich Patin beim Bodenfruchtbarkeitsfonds geworden bin Sina Henne Setzt man sich als Laie für einen Moment, um sich die auf den ersten Blick so offensichtliche Frage zu stellen, «was ist Boden?», dann mag man den Eindruck gewinnen, es wurde von Experten schon so vieles darüber gesagt. Für mich persönlich ist der Boden ein guter Freund. Wobei Freund ein sehr kleines Wort für ein solch grundlegen- des Wesen des Bodenorganismus ist. Denn ohne Boden – kein Leben. Für mich ist er wie ein eigenständiges We- sen, das Leben hervorbringt, erhält – und am Ende der «Party» eines blühenden Lebens alles «aufräumt». Wenn er «arbeitet», erschafft er mit seiner Kraft unglaubliche Ge- birgslandschaften, säubert unser Wasser, reinigt und regu- liert die Bestandteile unserer Atemluft, baut unsere «Hin- terlassenschaften» ab und schafft auf vielfältigste Weisen Freunde beutet man nicht aus. Für Freunde wünscht man ein Zuhause für viele weitere Mitbewohner – in jeder Art nur das Beste und unterstützt, um dem anderen seine und Grösse. Die Charaktere des Terroire der Landschaf- bestmögliche Entfaltung ermöglichen zu können. In ei- ten, die er prägt, sind so vielfältig und unterschiedlich wie ner Freundschaft herrschen Gleichgewichte. die Menschen, die auf ihm leben – aus dem wir gemacht sind und von dem wir uns ernähren. Und ob man es nun Zwar werden wir in der Freundschaft mit dem Boden auf Aminosäuren, Spurenelemente, Hefen, Bakterien oder und dem Wesen der Erde wohl nie all das zurückgeben andere «kleinste Nenner» herunterbrechen will: Wir alle können, was wir von ihr bekommen –doch wir können sind ein Teil dieses Bodens. Teil unserer Mitwelt. Er ist das mindestens achtsam, dankbar und vorsichtig miteinan- Alpha und das Omega des grossen Kreislaufes auf Erden. der umgehen und mithelfen, wo wir können. Eine «Pa- tenschaft» für Bodenfruchtbarkeit im Bodenfruchtbar- Was also gäbe es wichtigeres, als diese einmalige Bezie- keitsfonds ist daher wohl nur ein erster, kleiner Schritt hung und so besondere Freundschaft zu pflegen? Uns um auf dem Weg zu mehr gemeinsamer Verantwortung und den Schutz seiner Gesundheit und ein gesundes Gleich- mehr Wertschätzung. gewicht zu bemühen, damit wir ihn guten Gewissens in die Hände nachkommender Generationen legen kön- Sina Henne ist Gründerin der fairnESSkultur und Heraus- nen? Dieser Boden ist ein unglaublich wertvoller Freund. geberin des Magazins fairzückt! Um Freunde kümmert man sich. Für Freunde sorgt man. blog.fairzueckt.de 9
Unsere Partnerhöfe stellen sich vor «Im Herzen bin ich ein Ackerbauer» PARTNERHOF VOGEL-KAPPELER Andy Vogel-Kappeler bewirtschaftet seinen Betrieb auf als Angestellter gearbeitet, zuletzt jahrelang als Leiter 590 Metern Höhe im kleinen Ort Wäldi (CH), auf dem See- der Informatik-Abteilung im Treuhandbüro in Weinfelden. rücken im Thurgau, etwa eine Viertelstunde südlich von Konstanz. Allerdings war ihm schon als Schüler in der Oberstufe klar, dass er einmal den Hof seiner Eltern übernehmen und wei- Mittlerweile betreibt er den Bauernhof mit etwa 12 Hektar ter bewirtschaften würde. Damals war es noch ein Betrieb im Haupterwerb und seine Frau Simone hat eine halbe Stel- mit 16 Milchkühen, Ackerbau und Streuobst, wie dies im le als Lehrerin. Früher hatte er zusätzlich zur Landwirtschaft Thurgau so üblich war. Andy hatte aber «nie grosse Freud» Betrachtung eines Bodenprofiles BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 10
Betriebsspiegel Flächen Acker: 10 ha Grünland: 1.5 ha Gesamt LN: 11.5 ha Tiere Junghennen-Aufzucht: 4000 Plätze Energieerzeugung mit Holzhackschnitzeln, Wärme für 35 Haushalte im Dorf Anbauverband: Bio Suisse seit 2007 Simone und Andy an den Kühen, sodass er, als er mit seiner Frau Simone Seitdem ist Andy zwei- bis dreimal im Jahr aufgeregt, auf den Hof zog und ihn übernahm, die Kühe abschaffte. wenn 4000 neue «Damen», wie er die Hühnchen nennt, Seine grosse Leidenschaft ist der Ackerbau mit der ent- auf den Hof kommen. Nach 18 Wochen fürsorglicher Pfle- sprechenden Technik – ein Jugendtraum war einmal ge- ge verlassen die Küken den Hof dann als elegante legerei- wesen, nach Kanada zu gehen «und grosse Traktoren zu fe Junghennen und gehen in Bio-Legebetriebe. Seit die- fahren». Das kam jedoch nicht zustande und so experi- se Tiere nun den Hof beleben, hat er die zuletzt nur noch mentierte er zuhause – zum Beispiel in der noch konventio- geringfügige Nebenbeschäftigung als Computerspezia- nellen Bewirtschaftungszeit mit dem pfluglosen Ackerbau. list ganz aufgegeben. Denn dass sich die verschiedenen Betriebszweige des Hofes rechnen, ist ihm von Anfang an Nicht zuletzt durch den Einfluss seiner Frau reifte zuneh- wichtig gewesen – so kann er nun wirklich ausschliesslich mend die Überlegung, den Hof auf ökologische Bewirt- Bauer sein und den Hof im Haupterwerb betreiben. schaftung umzustellen, was dann Anfang der 2000er Jahre auch vollzogen wurde. Um den Betrieb auf weitere Stand- Allerdings ist er weiterhin nebenbei als zweifacher Prä- beine zu stellen, wurde 2009 eine Hackschnitzel-Heizanla- sident tätig: Einerseits als Kommissionspräsident für er- ge gebaut, über die mittlerweile 35 Gebäude im Dorf mit neuerbare Energie im kantonalen Bauernverband, ande- Wärme versorgt werden. Dabei sind das Schulhaus, einige rerseits als Präsident von Swiss Green Protein. Dies ist ein Mehrfamilienhäuser sowie der eigene Hühnerstall. Der Ein- Verein, der sich darum bemüht, heimisches Eiweiss aus satz erneuerbarer Energie ist Andy ein grosses Anliegen – Grünpflanzen wie Klee und Luzerne zu gewinnen und zu zurzeit überlegt er, wie er auch die Stromerzeugung autark vermarkten. Der Kontakt dazu kam über entsprechende gestalten könnte. Da ist vor allem die umweltfreundliche Versuche an der Fachschule Arenenberg. Andy hat sich und effektive Speicherung noch eine ungelöste Aufgabe. daran früh beteiligt und produziert seitdem Klee und Lu- zerne für Eiweiss-Pellets, die hauptsächlich in der Milch- Flächenmässiges Wachstum des Hofs ist auf dem Stand- viehfütterung eingesetzt werden. Tüftler wie er ist, probiert ort kaum möglich, da freiwerdende Flächen in der Regel er nun Verfahren aus, wie dieses Futter auch für Hühner von grösseren Gemüsebauern übernommen werden, die eingesetzt werden könnte. Seine gefiederten «Damen» eine höhere Pacht zahlen können. Deshalb setzte Andy waren jedenfalls von getrockneten Kurzhalm-Proben, die 2016 noch einmal auf eine weitere Investition zur Inten- er ihnen auf Tellern dargereicht hat, absolut begeistert. sivierung des Betriebes: Er wagte sich an den Bau eines Aufzucht-Stalles für 4000 Junghennen. Bio-Junghennen- Eine andere Leidenschaft ist für ihn der Anbau von Soja- aufzucht ist eine gefragte Nische, da die Biogeflügelhal- bohnen, den er schon viele Jahre betreibt und mittlerweile tung auch in der Schweiz boomt. für die Verwendung als Speise-Soja, Tofu u.a. vermarkten 11
kann – «im Herzen bin ich ein Ackerbauer», sagt er. Das So arbeitet er jetzt weiter daran, zunehmend auf den Pflug spürt man auch, wenn man mit ihm über seine Felder geht verzichten zu können, den er durchaus nach der Umstel- und ihm zuhört, wie er über seine Pflanzen spricht. lung auf Ökolandbau zur Unkrautregulierung wieder öfter eingesetzt hatte. Eine nicht wendende Bodenbearbeitung Gefragt, was ihm am Bauer-Sein am meisten gefällt, ant- auf seinen sehr tonhaltigen Böden braucht allerdings eine wortet er: Die Herausforderung, mit Hilfe von Technik und hohe Geistesgegenwart und flexible Bearbeitungs-Ent- geeigneten Bewirtschaftungsabläufen jeweils das Opti- scheidungen. Im Moment ist er dabei, die Fruchtfolge mit mum für das Leben von Pflanzen und Tieren bereitzustel- verschiedenen Gründüngungsgemengen zu optimieren len. Auch, dass man als Bauer sein eigener Chef ist und und nach einem geeigneten, nicht wendenden Locke- einen unglaublich abwechslungsreichen Beruf hat, liebt rungsgerät zu suchen. Andy sehr. Und natürlich auch, wenn die Ernte gut ist – «wenn`s en rechte Wage voll git!» Eigentlich will er schon seit zwei Jahren eine Betriebs- Homepage aufbauen, auf der auch der Boden als Basis Nachteil ist höchstens manchmal das Ausgeliefertsein z.B. des Ökolandbaus ins Zentrum gerückt wird. Aber seit er an ungünstige Wetterverhältnisse oder wenn etwa die seine gefiederten «Damen» hat, findet er einfach die nöti- Wildschweine im Mais die mühevolle Pflegearbeit in kur- ge Ruhe und Zeit noch nicht dafür … Deshalb hält er ge- zer Zeit zunichtemachen. rade Ausschau nach einer zuverlässigen Vertretung für die Betreuung der Hühner. Denn es ist ihm ein Anliegen, mit Begeistert stellt er sich aber schon immer der Herausfor- der Umgebung zum Thema Erhaltung der Bodenfrucht- derung, seine sehr schweren Böden nachhaltig zu bewirt- barkeit in Kontakt zu treten. Und dafür sollen sowohl die schaften. In der konventionellen Zeit habe er auch viele geplante Internetseite als auch Infotafeln auf Hof und Fel- Sünden begangen, wie er sagt, z.B. bei der Ernte der Zu- dern dienen. ckerrüben, wo mit schweren Achslasten auf nassen Böden herumgefahren worden sei. Jetzt ist es absolut vorrangig, Tochter und Sohn sind gerade erwachsen geworden und keine solchen Sünden mehr zu begehen, sondern im Ge- es ist noch völlig offen, ob der Hof einmal von ihnen wei- genteil alles daran zu setzen, dem Boden Gutes zu tun. tergeführt werden wird. Aber als Jahrgang 1967 ist Andy Hierbei kam die Teilnahme am Projekt Bodenfruchtbar- jung genug, um noch viele seiner weiterhin sprudelnden keitsfonds gerade recht, auf dessen Ausschreibung er Ideen auf dem Hof umzusetzen. sich vor drei Jahren bewarb. An dem Projekt BFF schätzt er besonders die fachliche Begleitung. Die Optimierung Wir wünschen ihm und seiner Frau dabei gutes Gelingen! von Bodenbearbeitung und Fruchtfolge in Abstimmung mit Ulrich Hampl ist ihm dabei ein besonderes Anliegen. Ulrich Hampl BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 12
der Bodenfruchtbarkeitsfonds und myclimate – eine klimawirksame Partnerschaft beginnt Der Bodenfruchtbarkeitsfonds der Bio-Stiftung Schweiz und die Stiftung myclimate Schweiz bieten einen neuen, zusammen mit Soil and More Impacts entwickelten Typ von Klimaschutzprogramm an: Koh- lenstoffspeicherung in Ackerböden. Bodenerosion und Humusverlust sind weltweit, aber auch in der Schweiz und in den Nachbarländern leider ein Trend. Dank dem Bodenfruchtbarkeitsfonds erhalten Bio-Bauern in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Liechten- auf landwirtschaftlichen Flächen um den Faktor 10 – 100 stein, Förderbeiträge und betriebsspezifische Bera- schneller ist als die Bodenbildungsrate. tungen, um ihre Bodenentwicklung voranzubringen und humusaufbauende Massnahmen umzusetzen. So Es ist ein Teufelskreis: Durch den Preisdruck von Billigim- tragen sie zu einer klimapositiven, ernährungssicheren porten müssen Bäuerinnen und Bauern ihre Böden inten- und zukunftsfähigen Landwirtschaft bei. siver bewirtschaften und sind gezwungen, ökologische Massnahmen zu vernachlässigen. Dadurch trägt vor allem die industrielle Landwirtschaft insgesamt einen immer re- Die landwirtschaftlichen Flächen verlieren durch inten- levanteren Anteil zum Klimawandel bei. Der neueste IPCC- sive Bewirtschaftung konstant an Humus und somit ihre Sonderbericht (2019) schätzt, dass die Land- und Forst- Fruchtbarkeit. Sogar der Nährstoffgehalt von Bioböden wirtschaft (inkl. deren veränderten Landnutzung) zu 23% ist tendenziell abnehmend, weil die zeitintensiven Mass- der anthropogenen Treibhausgasemissionen beitragen. nahmen für Humuserhalt und langfristigen Humusaufbau Gleichzeitig sind die Bäuerinnen und Bauern aber direkt nicht wirklich entlöhnt werden. Neueste Schätzungen vom vom Klimawandel betroffen, wie zum Beispiel durch län- IPCC Sonderbericht (2019) zeigen, dass die Bodenerosion gere Trockenperioden oder Starkregenereignisse. 13
Fruchtbare Böden als wertvolle Kohlenstoff-Speicher Die Landwirtschaft mit ihren Böden bietet aber ein gros- ses Kohlenstoff-Speicherpotenzial, denn Böden speichern dreimal mehr Kohlenstoff als die Atmosphäre. Der Kohlen- stoff in Böden stammt unter anderem aus dem atmosphä- rischen Kohlendioxid (CO2), den Pflanzen durch Photosyn- these entnehmen und im Boden durch die Pflanzenwurzeln und Mikroorganismen speichern. Je intakter ein Boden, desto mehr Kohlenstoff wird im Ackerboden gespeichert. Durch bodenschonende und humusaufbauende Mass- nahmen wird die Humusanreicherung erhöht, und so dienen fruchtbare Ackerböden als Kohlenstoff-Senken — diese binden aktiv die menschengemachten CO2-Emissi- Klimaschutz durch regionale und onen aus der Atmosphäre (sog. Negativemissionen). internationale Bodenfruchtbarkeits-Pflege Der Bodenfruchtbarkeitsfonds lehnt sich an die 4-Pro- Im Zentrum des Bodenfruchtbarkeitsfonds stehen die För- mille-Initiative der UN an, welche Böden als relevante derung von Humus aufbauenden Massnahmen auf Acker- CO2-Senken sieht. Die Initiative geht davon aus, dass eine flächen in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der jährliche, weltweite Steigerung des Humusgehaltes um Schweiz. 30 ausgewählte Partner-Betriebe, allesamt bio- 0.4% im Oberboden (0-40cm) die weltweiten, anthropo- logisch oder biologisch-dynamisch produzierend, verein- genen CO2-Emissionen ausgleichen könnte. Eine weltwei- baren mit dem Bodenfruchtbarkeitsfonds der Bio-Stiftung te Ökologisierung der Landwirtschaft wäre also einer der Schweiz jährlich standort- und betriebsoptimierte Akti- grössten Hebel zur Reduktion der Treibhausgase. vitäten um die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen und ihre Böden zu entwickeln. Dazu gehört z.B. der Aufbau und Eintrag von Kompost, veränderte Fruchtfolgen, nichtwenden- de Bodenbearbeitung, Mischkulturen oder Gründüngungen. Als zusätzliche «Mit diesem Klimaschutzprogramm zeigen und wichtige Massnahmen werden die wir, dass die Bio-Bäuerinnen und -Bauern die Bäuerinnen und Bauern mit individuel- eigentlichen Stars auf der Klimabühne wer- ler Beratung durch Bodenexperten vor Ort und einer Austausch- und Wissens- den könnten. Durch ihr umsichtiges Tun und transfer-Plattform des Bodenfruchtbar- Wirken - insbesondere im schonenden Um- keitsfonds unterstützt. Dieser moderier- te Austausch untereinander, wo sich die gang mit ihren Böden und einer nachhaltigen Bauern als Partner im Ringen um den Bodenentwicklung - werden sie zum Teil der Erhalt und Aufbau der Bodenfruchtbar- keit, anstatt als Konkurrenten erleben, Lösung und gehen das Problem gemeinsam stellt einen wesentlichen Bestandteil an der Wurzel an.» dar und wird sehr geschätzt. Mathias Forster, Geschäftsführer und Stiftungsrat, Bio-Stiftung Schweiz BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 14
12 600 Tonnen CO2e und mehr Humusaufbau geschieht nicht von heute auf morgen, es ist ein längerer Prozess. Das Programm ist vorerst auf sie- ben Jahre angelegt und hat das Ziel mindestens 12 600 Tonnen CO2e in diesem Zeitraum zu speichern. Weiter- hin wird durch einen humusreicheren Boden auch die Wasserspeicherkapazität verbessert und so die Resilienz bei Wetterextremen erhöht. Die technische Berechnung der CO2-Reduktionen wird durch Soil and More Impacts durchgeführt, einem Unternehmen, das auch an der Ent- wicklung der Berechnungs- grundlagen und der Sys- temgrenzen mit beteiligt war. Die Kooperation vom «Dank diesem Pionierprojekt rücken wir die Bedeu- Bodenfruchtbarkeitsfonds tung des Bodens und der Ökolandwirtschaft in den und myclimate Schweiz stellt somit nachhaltig si- Fokus unseres Engagements für den Klimaschutz. cher, dass sich eine stress- Mit dem Bodenfruchtbarkeitsfonds wurde ein Gefäss resistente, gesunde und er- nährungssichere Landwirt- geschaffen, in dem Bäuerinnen und Bauern eine kli- schaft entwickeln kann. Im mapositive Landwirtschaft lernen, betreiben und als Rahmen der internationalen Solidarität mit Bäuerinnen Vorbilder agieren können» und Bauern in Entwick- lungsländern und der von Silvana Comino, Programmleiterin Klimaschutzprojekte, Stiftung myclimate Schweiz der UNO und FAO ausge- rufenen Dekade «Family Farming» werden von mycli- mate zusätzlich für alle erzielten Emissionsreduktionen aus dem Bodenfruchtbarkeitsfonds-Projekt die gleichen Men- gen an Emissionsreduktionen mit einem internationalen, zertifizierten Kompensationsprogramm mit Kleinbauern in Nicaragua stillgelegt. Wenn Sie also an einer regionalen Wertschöpfungsbil- dung durch eine Förderung der Bio-Landwirtschaft durch freiwillige CO2-Kompensation Interesse haben, so zögern Sie nicht, unseren Partner myclimate zu kontaktieren. Mathias Forster und myclimate myclimate ist Partner für wirksamen Klimaschutz – global und lokal. Die internatio- nale Initiative mit Schweizer Wurzeln gehört weltweit zu den Qualitätsführern von freiwilligen CO2-Kompensationsmassnahmen. Mit Projekten höchster Qualität treibt myclimate weltweit messbaren Klimaschutz und eine nachhaltige Entwicklung vor- an. Emissionen werden reduziert, indem fossile Energiequellen durch erneuerbare Energien ersetzt, lokale Aufforstungsmassnahmen mit Kleinbauern umgesetzt, energieeffiziente Technologien implementiert und nun neu CO2 in Bio-Ackerböden gespeichert werden. info@myclimate.org • www.myclimate.org 15
Neue EU-Bio-Verordnung und der Umgang mit Pestiziden Dr. sc.agr. Manon Haccius Ich habe die Ausführungen von Hanspeter Schmidt und von Alexan- der Gerber in den beiden vorigen Ausgaben dieses Magazins zur neuen EU-Bio-Verordnung mit Interesse ge- lesen. Ich möchte hier Bezug nehmen zu einigen Aspekten, die Alexander Gerber im Interview der letzten Aus- Erfahrungen beruhen die Sorgen, die Mein Eindruck ist, dass Bio-Unterneh- gabe gesagt hat. Vorab ist mir wichtig, einige Akteure der Branche, auch ich, men solche Dokumentationen bis- zweierlei zu betonen: mit Blick auf die Umsetzung der An- her zu wenig vornehmen und dass forderungen der neuen EU-Bio-Ver- die Kontrollstellen dies derzeit noch 1. Nachdrücklich möchte ich die deut- ordnung haben. Ich meine daher, dass nicht systematisch prüfen. Dadurch schen Bio-Verbände in ihrem Bemü- man nach innen, also zu den Bio-Un- sind Bio-Unternehmen für den Fall, hen bestärken, sich mit den zustän- ternehmen hin, mit Blick auf deren an- dass PSM-Kontaminationen in ihren digen Behörden in Deutschland auf gemessene Vorbereitung auf die neue Produkten festgestellt werden, ei- eine sinnvolle Handhabung der neuen EU-Bio-Verordnung keine verharmlo- nem erheblichen Risiko ausgesetzt. gesetzlichen Regeln zu verständigen. sende und abwiegelnde Linie vertre- Sie sollten daher schon jetzt entspre- ten sollte. Meines Erachtens müssen chende Dienstleistungen von ihren 2. Ich spreche aus der Perspektive der sich die Bio-Unternehmen sehr sorg- Bio-Kontrollstellen bei der Kontrolle Wirtschaftsbeteiligten, die tagtäglich fältig auf ein «Worst-Case-Szenario» einfordern. Es sollte bei der nächsten Entscheidungen treffen und für kon- vorbreiten; und wenn es dann nicht so Bio-Kontrolle geklärt werden, ob die kret auftretende Herausforderungen schlimm kommt, oder nicht in jedem Anforderungen an Risikobeurteilung, Lösungen finden müssen. Ich möch- einzelnen Fall so schlimm kommt, Vorsorgemassnahmen und Dokumen- te dazu beitragen, dass bereits heute dann umso besser. tation ausreichend erfüllt werden. bestehende und neu aufkommende Risiken richtig eingeschätzt werden Nun etwas mehr ins Detail gehend: Wie Herr Gerber im Interview sagt, können. Wie Herr Gerber im Interview sagt, müssen nun auch die Bio-Bauern muss der Bio-Unternehmer Vorsorge (nicht nur die Verarbeiter) solche sys- Schon heute beobachten wir das Phä- gegen Kontamination mit PSM-Spuren tematischen Vorsorgemassnahmen nomen, dass in Deutschland einige treffen. Er muss systematisch schauen, ergreifen. Damit betreten die Bauern Öko-Kontrollbehörden im Falle eines wo Risiken einer Kontamination beste- Neuland, und dazu erhalten sie im Mo- Spurenfundes von chemischen Pflan- hen. Dann muss er überlegen, wie er ment noch zu wenig Hilfestellung. Das zenschutzmitteln (PSM) in Öko-Pro- das steuern kann. Sodann muss er ent- gilt im Prinzip überall auf der Erde, wo dukten sehr kleinteilig, zuweilen will- sprechend handeln. Vor allem muss er Bio-Produkte angebaut werden, die kürlich, über etliche Stufen zurück in gut dokumentieren, was er tut. Denn nach Europa verkauft werden. Auf die der Wertschöpfungskette Nachfor- sonst gilt der «Grundsatz des Quali- dokumentierten Vorsorgemassnah- schungen anstellen (lassen). Ähnliches tätsmanagements»: wo nichts aufge- men kommt es im Fall eines Befundes wurde mir auch aus anderen EU-Län- schrieben, nichts dokumentiert ist, da von PSM-Spuren durch hiesige Behör- dern berichtet. Auf diesen konkreten hat auch nichts stattgefunden. den entscheidend an. BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 16
«Pestizidspurenfunde in Bioprodukten sind kein ganz so seltenes Problem … die in einem Analysebericht informiert Das ist nicht verwunderlich, wenn man wird und die ihr zur Kenntnis gelangt, löst die Amtsuntersuchung und die bedenkt, dass Rückstände von Pestizi- Sistierung der Produkte aus. Die Frage den mittlerweile überall zu finden sind, für das Bio-Unternehmen ist in dem Fall, mit welchen Dokumenten, mit sogar schon im Eis der Arktis.» welchen Nachweisen und wie schnell er zur Zufriedenheit der Behörde be- legen kann, dass keine illegale An- wendung durch ein Bio-Unternehmen vorlag und - weit schwieriger - dass auf allen Stufen der Erzeugung, des Die Vorsorgemassnahmen sollen laut gemeinsame Nutzung von Maschinen Transports, der Verarbeitung, des Han- neuer Bio-Verordnung verhältnis- (z.B. zum Ernten), Transportgeräten dels angemessene und verhältnismäs- mässig und angemessen sein. Jeder und Lagereinrichtungen ist bezüglich sige Vorsorgemassnahmen getroffen Bio-Unternehmer muss schriftlich fest- Kontamination mit PSM-Spuren ein worden sind. Hier können erhebli- halten, wie er zu seinen Massnahmen reales Risiko, zudem schwer zu steu- cher Aufwand und hohe Kosten für gekommen ist. Herr Gerber meinte, ern, weil es ja jeweils die ersten oder die Bio-Unternehmen entstehen. Und dass die Vorsorgemassnahmen nur Randpartien sind, die betroffen sind. es kann zu behördlicher Willkür kom- solche zu sein brauchten, die dem Eine Homogenisierung, also eine men. Produkte, die schon im Handel Einfluss des Bio-Unternehmers unter- gleichmässige Durchmischung gros- sind und die gesperrt werden müssen, liegen. Das findet sich zwar in Erwä- ser Rohwarenpartien zur Verdünnung werden in aller Regel direkt entsorgt, gungsgrund 24 im Vorspruch (Präam- solcher möglichen Spuren nimmt bis- weil die grossen Handelshäuser keine bel) der neuen EU-Bio-Verordnung, her praktisch keiner vor. Sie könnte für Sperrlager haben und sich die Zusatz- aber nicht im regelnden Text. Das einige Arten von Produkten hilfreich mühe nicht machen, erst Ware aus führt zu rechtlichen Unsicherheiten in sein. den Regalen zu nehmen und sie ggf. der Praxis. Dieses Risiko sollte meines später wieder einzuräumen oder aber Erachtens klar benannt werden. Ich Einen Spurenfund von PSM in der Pro- dann doch entsorgen zu müssen. teile im übrigen nicht die Auffassung, zesskette, den der Bio-Unternehmer dass es dem EU-Gesetzgeber vorran- selber findet, prüft und bewertet er Wichtig ist meines Erachtens auch gig um Kontamination mit PSM-Spu- selbst. Wenn sämtliche Bio-Zertifikate Definition 50, «Stufe der Produktion, ren aus Parallelproduktion im eigenen der Vorstufen der Prozesskette vorlie- der Aufbereitung und des Vertriebs»: Betrieb geht. Das steht nirgends im gen, wird er sagen können: ich erken- eine Stufe, angefangen bei der Pri- Gesetz. ne kein Problem, es handelt sich um märproduktion eines ökologischen/ eine zufällige und nicht vermeidbare biologischen Erzeugnisses bis zu sei- Im Interview führte Herr Gerber aus- Verunreinigung. Das braucht dann ner Lagerung, seiner Verarbeitung, führlich aus, dass wir ubiquitäres Vor- nicht der Bio-Kontrollstelle gemeldet seiner Beförderung, seinem Verkauf kommen von PSM-Spuren aus Abdrift zu werden. oder seiner Abgabe an den Endver- im erweiterten Sinne haben und dass braucher und gegebenenfalls der zudem immer feinere Analysemetho- Für die Kontrollstellen (und -behör- Kennzeichnung, der Werbung, der den dies immer besser detektieren, den) gilt nicht Artikel 28 der neuen Einfuhr, der Ausfuhr und der im Rah- was für den Verbraucherschutz gut ist, Bio-VO, sondern Art. 29. Dort heisst es: men von Unteraufträgen ausgeführten die Wirtschaftsbeteiligten aber vor be- Eine PSM-Spur, die die Bio-Kontroll- Tätigkeiten (DE L 150/20 Amtsblatt sondere Herausforderungen stellt. Die stelle oder -behörde findet, d.h. über der Europäischen Union 14.6.2018). 17
Manon Haccius Sämtliche Stufen der Produktion, der hindeuten: Die Aufklärungspflicht Dieser Text ist die gekürzte Fassung ei- Aufbereitung, des Vertriebs werden lässt sich aus dem deutschen Nach- ner längeren Mail, die ich im Anschluss an diversen Stellen in der Verordnung barrecht ableiten (das gilt ja weiter- an das Interview mit Alexander Gerber angesprochen, so in den Erwägungs- hin). Ein Grundstückeigner kann von persönlich an ihn gesendet hatte. Der gründen 24, 82, 91. Ausserdem bei der seinem Nachbarn bis zur Grenze des Grund, weshalb der Text im vorliegen- Benennung des Geltungsbereichs, in wirtschaftlich Zumutbaren (also bis zu den Magazin abgedruckt wird, liegt Art. 37 bezüglich der Kontrollen und Null Ertrag) Massnahmen verlangen, darin, dass im Gespräch mit Mathias Art. 42, wo es um Massnahmen bei damit es nicht zu Emissionen in sein Forster der Eindruck entstanden ist, Verstössen geht (kein Anspruch auf Grundstück kommt. dass die darin angesprochenen As- Vollständigkeit). Ich erwähne das, um pekte nicht nur für Landwirtschaftsbe- auf den möglicherweise beträchtli- Herr Gerber spricht im Interview die triebe, sondern auch für andere Unter- chen Aufwand bei allfälligen Klärun- Frage an, wer die Vorschriften ausle- nehmen der Bio-Branche interessant gen hinzuweisen. gen wird. Nun, gewiss nicht die und relevant sein könnten. EU-Kommission. Sie ist der Gesetzge- Hinzu kommt: Pestizidspurenfunde in ber, nicht der Anwender des Gesetzes Bioprodukten sind kein ganz so sel- und auch nicht die Recht sprechen- Manon Haccius, Jahrgang 1959, tenes Problem, wie Herr Gerber es im de Instanz. Die Vorschriften werden studierte Agrarwissenschaften Interview darstellt. Im Öko-Monitoring von den zuständigen Behörden bei an den Universitäten Göttin- der CVUA Stuttgart (jährlich vorge- uns, also den Öko-Kontrollbehörden, gen, TU Berlin, Fort Collins legter Bericht über einige Tausend angewendet und zu diesem Zwecke (Colorado, USA) und Kiel. Nach Laboruntersuchungen auf Kontami- ausgelegt. Und wenn deren Entschei- ihrer Promotion im Fachgebiet nanten in Bio- und konventionellen dungen angegriffen werden, werden Tierzucht 1986 arbeitete sie Lebensmitteln) finden sich in 29% der hiesige Gerichte eine weitere Ausle- zunächst für die Verbände untersuchten Bio-Proben Spuren. gung durchführen. Das dauert dann des ökologischen Landbaus in einige Zeit. Die sistierten Produkte Deutschland, ab 1988 war sie Das ist nicht verwunderlich, wenn man sind damit in aller Regel nicht zu retten. Geschäftsführerin der Arbeitsge- bedenkt, dass Rückstände von Pesti- meinschaft Ökologischer Land- ziden mittlerweile überall zu finden Mein Fazit lautet daher: Die Bio-Un- bau e.V. (Vorläuferorganisation sind, sogar schon im Eis der Arktis. ternehmen müssen alles daran setzen, des heutigen BÖLW). Im Rahmen Es ist also ein sehr reales Risiko, dass dass sie zum einen sämtliche Bio-Zer- der IFOAM EU-Gruppe (Inter- man in Proben von Bio-Produkten, die tifikate über die Prozesskette hin zur national Federation of Organic dem Handel entnommen werden und Hand haben und dass sie sachge- Agriculture Movements) machte die von den Lebensmittelbehörden recht die Vorsorgemassnahmen er- sie sich stark für die Verordnung im Rahmen ihrer Stichprobenanalysen mitteln, einrichten und kontinuierlich über die Öko-Tierhaltung, ab untersucht werden, mit Befunden und anwenden, alles dokumentieren und 1998 war sie für fünf Jahre der Kette der dann folgenden aufwän- die Dokumentation für den Fall eines als Mitglied des Beratenden digen und zeitraubenden Schritte der Spurenfundes in ihren Produkten pa- Ausschusses Öko-Landbau bei Amtsuntersuchung und Produktsper- rat halten. Eine solche Dokumentation der Europäischen Kommission in rung rechnen muss. für die gesamte Wertschöpfungsket- Brüssel berufen. Seit April 2000 te, ggf. sogar über die ganze Erde ist sie bei Alnatura zuständig Hinsichtlich der Aufklärungspflicht hin zur Verfügung zu haben, ist eine für Qualitätsmanagement und des Bio-Bauern gegenüber seinen anspruchsvolle Aufgabe für jeden Im- Verbraucherservice. Nachbarn möchte ich auf Folgendes porteur, Verarbeiter und Händler. BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 18
Synthetische Pestizide – Fluch oder Segen? Veranstaltungsreihe Eine der zentralen Aufgaben 7 Städte, 7 Referenten der Bio-Stiftung Schweiz ist die Bewusstseinsbildung in der Öf- fentlichkeit hin zu einer nach- haltigen, zukunftsfähigen Land- wirtschaft. Aus diesem Grund geben wir zwei Initiativen, über die wir in der Schweiz im wie zum Beispiel Martin Ott (Stiftungsratspräsident FiBL nächsten Jahr abstimmen können, in dieser Ausgabe die Schweiz), Dr. Felix Prinz zu Löwenstein (Präsident BÖLW), Gelegenheit, sich vorzustellen; Die Initiative «Für eine Prof. Dr. Johann Zaller (Boku Wien), Dr. Hans Rudolf Herren Schweiz ohne synthetische Pestizide» sowie die «Initiative (Präsident Biovision), Tobias Bandel (Soil and More Impacts für sauberes Trinkwasser». Unabhängig von den zwei Initi- B.V.) u.a. Als zweiter Programmpunkt ist ein Podiumsge- ativen möchten wir dazu beitragen, dass die BürgerInnen spräch mit der/m Hauptreferierenden und lokalen Persön- bezogen auf das Thema sachlich urteilsfähig sind. lichkeiten vorgesehen. Dafür führen wir unter anderem in sieben Deutschschwei- Dem Publikum wird im Anschluss die Möglichkeit gege- zer Städten je eine Abendveranstaltung zum Thema «Syn- ben, den ReferentInnen Fragen zu stellen. Alle Veranstal- thetische Pestizide, Fluch oder Segen?» durch. Die Ver- tungen werden professionell gefilmt und der Öffentlichkeit anstaltungen sind für das Publikum kostenlos und finden über die Website der Bio‑Stiftung Schweiz kostenlos und zwischen April und September 2020 in den Städten Bern, langfristig zur Verfügung gestellt. Damit wollen wir ge- Zürich, Basel, Luzern, St. Gallen, Schaffhausen und Chur währleisten, dass die Informationen über die Events hinaus statt. Dabei sollen unterschiedliche Aspekte wie Biodiver- erhalten bleiben, von Interessierten und anderen Kampag- sität, Gesundheit, Klima, nachhaltige Wirtschaft, zukünftige nen der weltweiten Antipestizidbewegung genutzt werden Generationen, Landwirtschaft etc. thematisiert werden, um können und als Grundlage zur Bewusstseinsbildung in an- der Bevölkerung ein möglichst umfassendes Bild vermit- deren Ländern dient. teln zu können. Die genauen Daten, Veranstaltungsorte und Referierenden Jede Veranstaltung beginnt mit einem Vortrag von ei- werden Anfang 2020 auf der Website www.bio‑stiftung.ch nem/r ExpertIn aus Politik, Landwirtschaft, Forschung usw. publiziert. 19
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