MalDANKE - Mehr Biodiversität ohne Wenn - Dachverband für Natur- und ...
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Poste Poste Italiane Italiane SpA SpA / Spedizione / Spedizione in Abbonamento in Abbonamento Postale Postale D.L. 353/2003 / D.L./ 353/2003 (conv.(conv. in L. 27/02/2004 in L. 27/02/2004 n. 46) n. art.46) art. 1, comma 1, comma 2, CNS 2, CNS Bolzano Bolzano Tassa Pagata / Tassa /Pagata / Taxe Percue / Taxe Percue Nummer Nummer 3-4/2009 3/2020 - 37. - 25. Jahrgang Jahrgang Mitteilungen zum Natur- und Umweltschutz in Südtirol mal und Aber! ohne Wenn 149.262 DANKE Mehr Biodiversität und Umweltschutz Dachverband für Natur- Herausgegeben vom
TITEL Die globale Artenvielfalt ist bedroht und verschwindet mit unheimlicher Geschwindigkeit. Und wir Menschen sind Respekt und Verantwortung 8 der Hauptgrund dafür. Nur - ohne Biodiversität ist auch das Überleben der Menschheit bedroht. Wenn wir also Der neuerliche weiter existieren wollen, müssen wir in weit stärkerem Ma- Corona-Lockdown ße den Schutz der Artenvielfalt in den Mittelpunkt der glo- hat uns wohl allen vor balen Anstrengungen stellen. Augen geführt, wie 3 Die neue DVN-Satzung wichtig Respekt und Verantwortungsbewusst- 4 Der Blick zurück auf 2020 sein eines jeden Einzelnen sind, um gemein- 6 Zukunftspakt für Südtirol schaftliche Probleme zu lösen. 7 Netzwerk der Nachhaltigkeit 8 Bei der Biodiversität gescheitert Dies brauchen wir auch dringend für die 9 Bodenbündnis: Manifest von Bozen noch größeren Herausforderungen, die uns zur 10 Spritlücke und Luftreinerhaltung in Deutschland und Italien Bewältigung der globalen Klimakrise und dem 11 Das Wort unseren Mitgliedsgruppen | Volksinitiativen Verlust der Biodiversität bevorstehen. Sie sind ausgebremst nämlich nicht zeitlich begrenzt und gefährden 12 Unser Boden braucht achtsamen Umgang das Überleben der menschlichen Spezies nach- 13 Buchtipp 14 Lebensmittelverschwendung reduzieren haltig. Nachdem sowohl die Klima- als auch 16 Artenreichtum in Planeil schützen die Biodiversitätskrise nicht so akut verläuft 17 Gemeinsame Verkehrspolitik der Alpenvereine wie eine Viruserkrankung, wird die Heraus- 18 Dachverband und AVS in der Geschichte forderung für die Menschheit umso größer. 20 Au-Raum stellt sich vor 21 Haider See in Bedrängnis Ich mache mir oft Gedanken, wie wir doch 22 Vogelkirsche: Kalterns Jahrgangsbaum 2019 noch die Kurve schaffen können. Diesbezüg- 23 Repair Cafés in Südtirol lich habe ich im Buch ÜBER LEBEN von 24 Refill-Stationen mehren sich Dirk Steffens und Fritz Haberkuß, das ich auf 25 Mendelradtag mit neuem Rekord Seite 13 als Buchtipp vorstelle, den für mich 26 Luft-Aria-Graffiti und die Sieger konkret möglichen Ausweg gefunden: 27 Lastenbike unterwegs | Termine | Impressum DER NATUR MUSS EIN VETO- Wir danken der Autonomen Provinz Bozen, Abteilung 28. RECHT EINGERÄUMT WERDEN, Natur, Landschaft und Raumentwicklung für die freundliche Unterstützung! www.provinz.bz.it/natur-raum indem bei jeder Entscheidung die Folgen der AUTONOME PROVINZ BOZEN - SÜDTIROL PROVINCIA AUTONOMADI BOLZANO - ALTO ADIGE Umwelt berücksichtigt werden müssen. Ihr Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung Ripartizione Natura, paesaggio e sviluppo del territorio Schutz hat immer Priorität. Das Ressort Um- Titelfoto: freepik.com welt muss in der Regierung ein Vetorecht ha- ben, der Artenschutz gehört ins Grundgesetz, umweltschädliche Subventionen müssen ab- von Bruno Rubner geschafft und die Umweltkosten internalisiert werden. Auch im kleinen Südtirol gilt es darum zu kämpfen: Es darf nicht sein, dass immer noch umweltschädigende Entscheidungen getroffen werden, weil die Umweltvertre terInnen in den jeweiligen Gremien über- stimmt werden. Hier gilt dasselbe wie bei der Corona-Pandemie: Respekt und Verantwor- tungsbewusstsein sind sowohl von der Bevöl- kerung als auch vonseiten der Entscheidungs- träger erforderlich. Klauspeter Dissinger Allerheilmittel 2 naturschutzblatt 3/2020
Anpassung der Satzung Außerordentliche Delegiertenversammlung Durch die gesetzliche Reform des sogenannten Dritten Sektors auf nationaler Ebene Situation und ihrer Stellung im Verband war auch der Dachverband für Natur- und Umwelt gefordert, seine bisherige Satzung gar nichts, auch wenn wir sie in Zukunft an die neuen normativen Bestimmungen anzupassen. Keine leichte Aufgabe bei einer offiziell als UnterstützerInnen führen wer- organisch gewachsenen Satzung, an die das letzte Mal 1998 Hand angelegt wurde. den. Als Mitgliedsvereine können wir ab Durch diese Aktualisierung sollten wir auch formell wieder zukunftsfit sein. sofort nur mehr Organisationen führen, die einen eigenen Organisationsstatus ha- Aus diesem Grund berief der Dachver- um schließlich in dieses Einheitsregister ben. Dieser Umstand ist vor allem für man- band für Natur- und Umweltschutz am aufgenommen zu werden und so in steuer che Umweltgruppen nicht leicht zu be- 23. September seine Delegierten zu einer lichen Belangen und im Hinblick auf mög- werkstelligen. Für diese haben wir eigene außerordentlichen Delegiertenversamm- liche Beiträge weiterhin die Vorteile einer Informationstreffen veranstaltet, auch un- lung ein. Einziger Tagesordnungspunkt ehrenamtlich tätigen Organisation zu ha- terstützt vom Dienstleistungszentrum für war dabei die Anpassung der Satzung an ben. das Ehrenamt, um deren Umwandlung in die seit dem Jahr 2017 geltenden norma- eigene Vereine informell zu begleiten und tiven Vorgaben und Notwendigkeiten. Herausforderungen die Voraussetzungen dafür zu prüfen. Zu- Leider ist die Reform des Dritten Sektors Neben vielen Anpassungen zumeist for- dem müssen mindestens zwei Drittel der – wie viele Initiativen zur gesetzlichen Re- maler Natur haben uns vor allem zwei The- dem Dachverband angeschlossenen Ve gelung vorher – sehr abstrakt, mit wenig men gefordert: die Einzelmitglieder und reine derselben Unterkategorie des Ein- Bezug zur Realität. die lokalen Umweltgruppen. heitsregisters (ehrenamtliche Organisa Der Dachverband für Natur- und Um- tion) angehören. Späte Umsetzung weltschutz kann seine vielfältige Tätigkeit Zum erlassenen Gesetz fehlen noch erst durch die Unterstützung der vielen Einstimmigkeit einige Durchführungsverordnungen. Auch Einzelmitglieder in Form des jährlichen Die neue Satzung des Dachverbandes das Herzstück dieser Reform, das soge- Mitgliedsbeitrages bestreiten. Die Einzel- für Natur- und Umweltschutz wurde bei nannte Registro Unico Nazionale del Terzo mitglieder gehören also zum unabdingba- der außerordentlichen Delegiertenver- Settore, also das Nationale Einheitsregis- ren ‚Inventar‘. Mit der Anpassung der Sat- sammlung von den anwesenden 28 Dele- ter, lässt noch auf sich warten. Nichtsdes- zung haben wir deren Status klarer defi- gierten von 15 Mitgliedsvereinen und Um- totrotz hat sich der Dachverband für Na- niert und sie formell von den institutio- weltgruppen einstimmig angenommen. tur- und Umweltschutz zur Anpassung an nellen Mitgliedern getrennt. Für die Ein- Sie tritt mit der Eintragung des Dachver- die normativen Vorgaben durchgerungen, zelmitglieder ändert sich an der aktuellen bandes für Natur- und Umweltschutz in das genannte Nationale Einheitsregister in Kraft. Laut letzten Informationen soll dieses jedoch erst im April des kommen- den Jahres operativ werden. Daher ändert sich einstweilen nichts an der Organisa tion und der Struktur des Dachverbandes sowie seiner Einzelmitglieder, Mitglieds- Fotos: Dachverband für Natur- und Umweltschutz vereine und Umweltgruppen. Mit der Anpassung der Satzung haben wir aber alle Voraussetzungen geschaffen, dass wir auch zukünftig als anerkannt eh- renamtlich tätige Organisation auftreten und arbeiten können. Der Vorsitzende Klauspeter Dissinger unterzeichnet im Beisein der Notarin Federica Isotti die neue Satzung. Andreas Riedl naturschutzblatt 3/2020 3
Der Blick zurück heuer erstmals entlang der Autobahn zu keiner Überschreitung kommen wird, aber nicht, weil plötzlich die Verbrennungsmo- toren der Autos und LKWs so sauber ge- worden wären. Dennoch werden die Da- Der Jahresrückblick 2020 bleibt hoffentlich einmalig in seiner Form. Nicht so sehr, ten und Werte dieses einen Jahres herhal- weil es für den Natur- und Umweltschutz in Südtirol ein besonders schlechtes Jahr ten müssen als Ausrede, warum man kei- gewesen wäre. Das liegt aber nicht an einem plötzlich erwachten nachhaltigen Be- ne Regulierung von Verkehr und Transit wusstsein. Wie in so vielen anderen Bereichen hat auch im Natur- und Umwelt- auf der Brennerautobahn braucht. schutz die Corona-Pandemie weitestgehend die Regie übernommen. Nur aus dieser Krise gelernt haben wir Mobilität nichts. Corona ist noch nicht überwunden Diese Krise hatte und hat indirekte und dabei befinden wir uns bereits mit- Auswirkungen auf Natur und Umwelt. tendrin in zwei weiteren, viel größeren Kri- Eindrücklich im Frühjahr die Bilder der sen, gegen die es keinen medizinischen glasklaren Kanäle von Venedig, in denen Impfstoff geben wird. Klima- und Biodi- sich die Fische tummeln. Daran konnten versitätskrise sind keine abstrakten und sich sogar die älteren Einwohner der Stadt theoretischen Bedrohungen mehr. Sie sind nicht mehr erinnern. Auch bei uns waren real und deutlich sichtbar. die Folgen der Pandemie sicht- und hör- Foto: Griseldis Dietl bar: Leere Straßen bedeuten weniger Andere neue Arbeitsweise Schadstoffe und Lärm – eine durchaus po- Das Thema Corona können auch wir sitive Begleiterscheinung, ebenso wie die bei unserem Blick zurück nicht ausklam- Etablierung von Homeoffice. Ein Tag Motorradlärm auf den Pässen mern. Trotz aller Einschränkungen und Heimarbeit pro Woche bedeutet 20 Pro- Hürden, die der Lockdown erfordert hat, zent weniger pendeln und damit weniger Noch lange nicht besiegelt ist indes der können wir dennoch behaupten, so gut wie Verkehr. Mit den verminderten Belastun- Ausbau des Bozner Flugplatzes. Auch alle geplanten Tätigkeiten und Vorhaben gen ist aber auch die Notwendigkeit ver- wenn dieses Thema vom Dachverband für unseres Jahresprogramms 2020 realisiert schwunden, echte Lösungen für diese Pro- Natur- und Umweltschutz heuer weniger prominent in der Öffentlichkeit gespielt wurde, war doch unser Vorstoß über die nationale Anti-Korruptionsbehörde ANAC ein großer Schritt in Richtung Stopp der Zivil-Luftfahrt am Bozner Flugplatz. Die durch die Corona-Krise arg ins Straucheln geratene Luftfahrt-Indus- trie wird sich insgesamt nicht so schnell erholen können. Zudem gerät sie immer stärker aus klimarelevanten Überlegun- gen unter Druck, sodass der Bozner Flug- Foto: Albert Willeit platz weder in dieser und schon gar nicht in einer ausgebauten Variante eine Da- seinsberechtigung hat. Der Dachverband Hotelkomplex in die Natur gebaut setzt sich nach wie vor vehement mit al- len Mitteln gegen den Ausbau des Boz- zu haben. Manche Projekte mussten gleich bleme zu finden und konkret umzusetzen. ner Flugplatzes ein und wir hoffen, bereits zwei Mal angegangen werden, wie etwa Doch Corona und der Lockdown können in Kürze neue Entwicklungen präsentie- die Organisation der Tagung zu Spritlü- nicht die Lösung unserer Verkehrsproble- ren zu können. cke und Emissionen mit der Deutschen me sein. Gerade heuer hätte man die Zeit Umwelthilfe (dazu Seite 10) – einmal im nutzen können, ein sinnvolles und durch- Raumordnung Frühjahr als physische Tagung und dann dachtes Verkehrskonzept für die Pass- und Landschaftsschutz mit neuem Zuschnitt im Herbst als On- straßen zu erarbeiten. Passiert ist dazu lei- 2020 hätte auch das Jahr sein sollen, in line-Webinar. Schlussendlich zählt, dass der auch heuer nichts. Genauso wenig ist dem das neue Gesetz für Raum und die Veranstaltung erfolgreich über die in Sachen Stickoxid-Belastung entlang Landschaft endlich in Kraft treten soll. Bühne ging und wir in der Geschäftsstel- der Autobahn passiert. Es ist absehbar, Zuerst im Jänner, dann im Juli. Seit der le so – wenn auch notgedrungen – einiges dass es seit der Einführung der verbindli- Verabschiedung 2018 durch den Landtag dazugelernt haben. chen Stickoxid-Jahresgrenzwerte 2010 hat der Dachverband in zahlreichen Pres- 4 naturschutzblatt 3/2020
semitteilungen, Pressekonferenzen, Stel- von Rechtsstreitigkeiten zu verschiedenen weltschutz hat sich in das Genehmigungs- lungnahmen, Offenen Briefen, Ausspra- Skigebieten involviert. So z.B. die Beru- verfahren eingebracht und verfolgt das chen, … auf eine ganze Reihe von Prob- fung zur Talabfahrt Rosskopf beim weitere Procedere bis zur Beschlussfas- lemen inhaltlicher und formeller Natur zu Staatsrat in Rom, ebenso wie die Beru- sung sehr genau. Dies dürfte im heurigen diesem Gesetz aufmerksam gemacht. fung beim Staatsrat zur Erschließung in Jahr nicht mehr erfolgen, womit wir dann Mittlerweile wurden einige dieser Punk- Klein-Gitsch, zu der es nicht nur ein um- 18 Jahre zu spät dran sind. Daher freut es te korrigiert, dies aber nur angesichts der fangreiches und in all seinen Punkten ein- uns umso mehr, dass wir in entscheiden- Anfechtung des Gesetzes durch die römi- deutig negatives Gutachten des UVP-Bei- dem Maße das Flussholz-Projekt mit ei- sche Regierung. Dafür wurde das Gesetz, rates gibt, sondern ein für uns auch voll- ner Reihe von Landesämtern umsetzen an dem jahrelang geschrieben wurde, in- kommen unverständlich ausgefallenes Ur- nerhalb der ersten Monate schon zigmal teil des Bozner Verwaltungsgerichtes. Aber abgeändert, angepasst und mit spontanen auch bei gewonnenen Rekursen geniert Übergangsbestimmungen versehen. Ein sich die Landesregierung nicht, das Pro- Gesetz, das schon gravierende Abstriche jekt mit denselben Prämissen einfach im Vergleich zu den ursprünglichen Leit- nochmals zu genehmigen, wie am Beispiel linien aufwies, wird durch diese Änderun- Marinzen ersichtlich. Bei der grenzüber- gen nochmals aufgeweicht. Vom großen schreitenden Skiverbindung Sexten-Sil- Vorhaben eines innovativen Raumord- lian hat die Landesregierung auch bereits nungsgesetzes, welches auch den Land- grünes Licht erteilt. Einzig das Projekt schaftsschutz mitregeln sollte und unter Langtaufers-Kaunertal wurde vorerst ab- Foto: Griseldis Dietl dem Motto stand „innen flexibel, außen gelehnt. penibel“, ist aktuell nur mehr ein Trauer- spiel. Der vorerst letzte Tiefpunkt ist die Unsere Gewässer ohne Schutz offensichtliche Unfähigkeit, in den vom Im heurigen Jahr sollte mit der Ge- Totholz in der Talfer Gesetz vorgesehenen Kommissionen ei- nehmigung des Gewässerschutzplans ne adäquate Vertretung der Frauen zu ga- auch die Odyssee der lokalen Umsetzung können. Trotz Corona wurden bereits an rantieren. Wohin die Abtretung der Pla- der europäischen Wasserrahmenrichtlinie zwei Standorten durch gezielte Einbrin- nungskompetenzen an die Gemeinden bei enden. Mit einer beschämenden Verspä- gung von Holzstrukturen neue Lebens- nunmehr gelockerten normativen Grund- tung von 17 Jahren. Gerade für Südtirol, räume in unseren Gewässern geschaffen. sätzen führen wird, kann man nur erah- das immer und überall Schnellster, Schöns- Im kommenden Jahr werden weitere zwei nen. ter und Bester sein will. Auch an dieser Standorte im Land folgen. Mittelfristig politischen Verschleppungstaktik sieht soll sich das Thema Flussholz beim Ge- man, welchen Stellenwert der Schutz von wässerunterhalt des Landes zum Standard Lebensräumen, Arten und Biodiversität etablieren. hat. Der Dachverband für Natur- und Um- Andreas Riedl Foto: Josef Essl/Archiv Dachverband Bergwelt zum Sexten-Sillian-Skiprojekt Skigebiete: Koste es, was es wolle Skigebiete werden in Südtirol trotz Foto: Dachverband für Natur- und Umweltschutz Klimawandel, seit Jahren stagnierender Nutzer-Zahlen und aktueller Corona-Kri- se politisch weiterhin protegiert und fi- nanziell subventioniert, als ob bei uns das Seit nunmehr zehn Jahren ist Marion Auer in Teilzeit verantwortlich für die Verwaltung des Geld aus der Wand rinnen würde. Der Dachverbandes, zuständig für Mitglieder und Bilanz. Der Vorsitzende Klauspeter Dissinger Dachverband für Natur- und Umwelt- dankt ihr herzlich für den steten und korrekten Einsatz in diesen Jahren. schutz ist nach wie vor in einer Vielzahl naturschutzblatt 3/2020 5
Zukunftspakt für Südtirol In allen Lebensbereichen Nutzen wir die weitreichenden Mög- In eine nachhaltige Zukunft lichkeiten unserer politischen Autonomie, um in folgenden Bereichen gemeinsam die entscheidenden Schritte vom Wissen In der aktuellen Corona-Krise erleben wir, wie schnell sich unser Leben in einem zum Wollen und vom Wollen zum Tun zu bisher unvorstellbaren Ausmaß verändert hat, und wir sehen, dass die Politik in der gehen: Lage ist, in einer Krisensituation die volle Entscheidungsmacht in die Hand zu neh- men. Uns allen ist klar, dass jetzt dringend gehandelt werden muss. – Ausbau einer regionalen Kreislauf- wirtschaft, welche die Grundversorgung Es gilt, das wirtschaftliche und gesell- und sozialen Entwicklung mit den ökolo- der Bevölkerung und die Existenz- schaftliche Leben neu aufzubauen, und gischen Erfordernissen abstimmt. Die grundlage der Betriebe sicherstellt – ins- zwar wirklich krisenfest und zukunftsfähig. Umsetzung muss kontinuierlich und trans- besondere in den Bereichen Landwirt- In unserer Verantwortung liegt es, jetzt die parent begleitet, überwacht und entspre- schaft und Ernährung, Bauen und Woh- Weichen dafür zu stellen, dass unsere Kin- chend den neuesten wissenschaftlichen nen sowie Energie; der und Enkelkinder intakte Lebensräu- Erkenntnissen, Erfahrungswerten, Mög- – Erhalt der natürlichen Lebensgrund- me, nachhaltige Versorgungssysteme und lichkeiten und Bedürfnissen aktualisiert lagen, mit klarem Blick auf Artenvielfalt, leistungsfähige Infrastrukturen vorfinden, werden. Bodenfruchtbarkeit und Naturschön- ganz im Sinne der nachhaltigen Entwick- heit; lungsziele der Vereinten Nationen. – Entwicklung eines nachhaltigen Nah- verkehrssystems sowie Förderung von Dringend notwendig Logistiksystemen, die Menschen und Mit diesem Manifest wollen wir auf die Waren klimaneutral, sicher, schnell und Dringlichkeit der gemeinsamen Anstren- leise in der Region transportieren; gungen hinweisen, die für die Planung und – die Möglichkeit auf allen Ebenen aktiv Umsetzung der entsprechenden Maßnah- teilzunehmen an den Gestaltungs- und men nötig sind. Aus dieser Sorge, aber auch Die Entwicklung dieses Nachhaltig- Entscheidungsprozessen (Nachbar- aus der damit verbundenen Hoffnung he- keitsplanes soll öffentlich finanziert wer- schaft, Gemeinde, Land, Arbeitswelt); raus laden wir unsere gewählten politi- den und WissenschaftlerInnen, Bürge- – Stärkung von Bildung, Kultur und schen VertreterInnen und unsere Landes- rInnen, VertreterInnen von Interessen- Wissenschaft als Voraussetzung für ein regierung dazu ein, einen Zukunftspakt gruppen und politische Entscheidungs- reges Geistesleben und eine kritische mit den Bürgerinnen und Bürgern des trägerInnen gleichermaßen einbeziehen. Bürgergesellschaft; Landes zu schließen. Der Entwicklungsprozess soll von einem – Erreichung der Klimaneutralität bis unabhängigen Zukunftsrat begleitet wer- 2035. Zukunftsfähig den. Dieser Rat arbeitet auf wissenschaft- Kernpunkt dieses Paktes muss ein lichen Grundlagen und ist auch Garant Wir stehen dafür ein, dass dieser Zu- Nachhaltigkeitsplan sein, mit einem Zeit- dafür, dass sich die VertreterInnen der Zi- kunftspakt und seine Vision für das Land horizont von zehn bis 15 Jahren, der die vilgesellschaft und der Interessensgrup- Südtirol umgesetzt werden. Wir laden den Weichenstellungen in der wirtschaftlichen pen aktiv einbringen können. Landtag und die Landesregierung dazu ein, diesen Prozess einzuleiten, die For- men der Zusammenarbeit zwischen Bür- gergesellschaft, Wissenschaft und Politik auszuarbeiten und die nötigen Ressour- cen bereitzustellen. Schon vor der Fertig- stellung des Nachhaltigkeitsplanes sollen alle Maßnahmen, Investitionen und För- derungen des Landes an den oben formu- lierten Zielen ausgerichtet werden. Um der Forderung nach einem „Zu- kunftspakt für Südtirol“ die nötige Kraft zu verleihen, sind alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen, die Initiative mit Foto: Zukunftspakt ihrem Namen auf der Internet-Seite www.zukunftspakt-pattofuturo.org zu unterstützen. Bei der Pressekonferenz im September 2020 wurde der Zukunftspakt für Südtirol vorgestellt – v.li. Sozialwissenschaftlerin Sabine Frei, Design-Professor Kris Krois, Klimaforscher Georg Kaser, Nachhaltig- keitsberater Emilio Vettori und Unternehmer Johannes Engl. Zukunftspakt für Südtirol 6 naturschutzblatt 3/2020
Neu in Südtirol: Netzwerk für Nachhaltigkeit Am 19. August 2020 präsentierte sich Südtirols Netzwerk für Nachhaltigkeit der Öf- bündeln.“ Südtirols Netzwerk für Nach- fentlichkeit. Es bietet Vereinen, Verbänden, Organisationen und Gruppen die Mög- haltigkeit zielt genau darauf ab: Es schafft lichkeit, sich für eine zukunftsfähige Veränderung in Südtirol stark zu machen. Den eine Plattform, die es allen Engagierten gemeinsamen Rahmen für die Veränderung bilden die 17 Ziele für nachhaltige Ent- ermöglicht ihre Kräfte zu bündeln. wicklung der Vereinten Nationen. Gemeinsamer Online-Auftritt Gegründet wurde das Netzwerk, mit da 2030. Die Agenda 2030 und die 17 Zie- Ein wichtiges Instrument dafür ist das einem Beitrag der Autonomen Provinz le – auch SDGs (Sustainable Develop- kostenfreie Online-Portal www.future. Bozen, durch den Impuls von über 30 Or- ment Goals) genannt – sind ein Fahrplan bz.it, das allen Interessierten, kleinen wie ganisationen, die seit Jahrzehnten zu den für die Zukunft: Sie sollen weltweit ein großen Vereinen, Verbänden, Organisatio Bereichen Bewusstseinsbildung und Glo- menschenwürdiges Leben ermöglichen nen und Gruppen ermöglicht, sich als bales Lernen in Südtirol aktiv sind. Stand und dabei gleichsam die natürlichen Le- PartnerInnen einzubringen. Der Online- Kalender ist als gemeinsamer Eventkalen- der offen für alle Veranstaltungen der NetzwerkpartnerInnen. Eine interaktive Südtirol-Karte zeigt, wer sich wo für wel- che Ziele engagiert und welche Events ver- anstaltet werden. Für das Jahr 2021 plant das Netzwerk 173 Initiativen in ganz Südtirol, die inei Foto: Netzwerk für Nachhaltigkeit nandergreifen und das Netzwerk in ein ge- meinsames Wirkungsfeld holen. Die ge- naue Planung wird im Jänner 2021 vorge- stellt. NetzwerkpartnerInnen werden vor- ab bei einem Online-Treffen im Dezem- Südtirols Netzwerk für Nachhaltigkeit stellt sich vor. ber, mit Anmeldung an info@future.bz.it, informiert. heute haben sich zu den InitiatorInnen bensgrundlagen dauerhaft bewahren. Die bereits 60 weitere Vereine und Organisa- 17 SDGs decken eine Vielzahl von The- Mit dabei sein tionen angeschlossen, Tendenz steigend. men ab: Klimaschutz, menschenwürdige NetzwerkpartnerInnen können alle Südtirols Netzwerk für Nachhaltigkeit Arbeit, Geschlechtergleichheit, nachhal- Südtiroler Organisationen, Vereine und sieht sich als freie, autonome, partei- und tiger Konsum, qualitativ hochwertige Bil- Gruppen werden, die ihren Beitrag zur interessensübergreifende Plattform mit dung, Schutz der Ökosysteme und Biodi- Umsetzung der SDGs in Südtirol leisten einem klaren, dreifachen Auftrag: 1. die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen in Südtirol be- kannt zu machen und deren Zusam- menspiel und Bedeutung – global und für Südtirol – aufzuzeigen; 2. die Zivilbevölkerung, d.h. Vereine, Or- ganisationen und Gruppen, rund um diese Ziele zu vernetzen, im Sinne ei- versität, Frieden und Partnerschaften. Da- möchten und die Wertecharta des Netz- ner konstruktiven und wertschätzen- bei sind die Ziele keine Gruppe von Ein- werks teilen. Diese Voraussetzungen er- den Auseinandersetzung; zelzielen, sondern ein ganzheitlicher, in- füllend können sich Interessierte auf der 3. die NetzwerkpartnerInnen sowie de- einander verflochtener Rahmen. Website des Netzwerks www.future.bz.it ren Eigeninitiativen und Veranstaltun- eintragen und das Netzwerk mitgestalten. gen mit Bezug zu diesen Zielen auf der Konkrete Zielsetzung Website www.future.bz.it sichtbar zu Koordinatorin Judith Hafner betont: Ganz nach dem Motto: Jede/r kann da- machen. „Corona hat uns gezeigt, wie schnell sich zu beitragen, diese Welt lebenswerter, ge- Spielräume verengen können. Das gilt auch rechter und nachhaltiger zu machen. Das Fundament für die nachhaltigen Entwicklungsziele: Die Basis der Vernetzung bilden die 17 Noch können wir die Weichen für ein le- Tanya Deporta Ziele für nachhaltige Entwicklung der benswertes Morgen stellen. Doch dafür Südtirols Netzwerk Vereinten Nationen, Kernstück der Agen- müssen wir jetzt unsere Kompetenzen für Nachhaltigkeit naturschutzblatt 3/2020 7
Biodiversität Weltklimagipfel, die Weltbio- diversitätskonferenz und der Weltnaturschutzgipfel einst- Auf ganzer Länge gescheitert weilen auf das kommende Jahr verschoben. Einzig der UN- Gipfel zur Biologischen Viel- Die Vereinten Nationen haben das Jahrzehnt von 2011 bis 2020 zur UN-Dekade der falt wurde am 30. September Biodiversität erklärt. Damit sollte nachdrücklich ein Bewusstsein zum weltweiten dieses Jahres abgehalten – wenn Erhalt der biologischen Vielfalt geschaffen, der Weg für eine entsprechende Politik auch nur als Online-Konferenz. geebnet werden. Dazu wurden Pläne und konkrete Ziele erarbeitet. Dieser war es wohl geschuldet, dass erstmals in der Geschich- Nun, nach zehn Jahren, wurde Resü- genannten Aichi-Ziele, formuliert und te der Vereinten Nationen über mee gezogen – und die Bilanz ist mehr als verabschiedet. 100 Staats- und Regierungs- nur ernüchternd: Von den vorgegebenen chefs an der virtuellen Konfe- zwanzig Zielen wurde kein einziges er- renz teilnahmen und ein Groß- reicht! Das ist eine riesige Enttäuschung, teil von ihnen die Zusicherung macht aber auch unmissverständlich klar: gab, bei der nun 2021 stattfin- Es bedarf einer ganz anderen Qualität an Global denden Weltbiodiversitätskon- Engagement und Anstrengung. Ein wei- Biodiversity ferenz Ziele unterstützen zu teres Scheitern dürfen und können wir uns Outlook 5 wollen, die ehrgeizig genug wä- nicht mehr leisten. SUMMARY FOR POLICYMAKERS ren, um das weltweite Arten- sterben zu stoppen. Rasches Aussterben Bereits der Ende Mai 2019 veröffent- Das nächste lichte IPBES-Bericht zum Zustand der Versprechen weltweiten Biodiversität stellte alarmie- Bei diesem „Leader‘s pledge rend fest, dass Tier- und Pflanzenarten for nature“, zu Deutsch Verspre- durch das Zutun des Menschen nun bis chen an die Natur, verpflichten zu tausendmal schneller aussterben. Viel- sich die Staats- und Regierung- fach wurde der aktuelle Trend auch als das schefs nach der Coronakrise sechste Massenaussterben bezeichnet, wo- den Wiederaufbau nicht zu La- bei die ersten fünf geogener Art bzw. kos- sten der Umwelt zu forcieren, mischen Ursprungs waren. Hingegen ist Die Bilanz den ökologischen Umbau von das aktuelle Massenaussterben vor allem Der nun Mitte September veröffentli- Land- und Forstwirtschaft vor- auf den Menschen zurückzuführen. Auch chte fünfte Globale Biodiversitätsausblick anzutreiben, umweltschädliche der seit dem Jahr 1998 in zweijährigem (Global Biodiversity Outlook 5) präsen- Subventionen abzubauen und Rhythmus vom WWF herausgegebene tiert eine bittere Bilanz: Von den zwanzig die Überfischung der Welt- Living Planet Report dokumentiert seit konkreten Kernzielen wurde kein einziges meere und ihre Vermüllung mit geraumer Zeit den dramatischen Rück- vollständig erreicht. Nur sechs Kernziele Plastik bis 2050 zu beenden so- gang der weltweiten Artenvielfalt. konnten teilweise erreicht werden. Im De- wie anderes mehr. Das weitere tail bestehen diese zwanzig Kernziele aus Ziel, nicht weniger als 30 Pro- Der Ausgangspunkt insgesamt sechzig Einzelelementen und zent der Landfläche und eben- 2010 wurde von den Vereinten Natio- auch hier schauen die Ergebnisse ähnlich so 30 Prozent des Meeres bis nen das Internationale Jahr der Artenviel- schlecht aus. Von allen sechzig Einzelele- 2030 als Schutzgebiete auszu- falt ausgerufen. Im selben Jahr wurde das menten wurden gar nur sieben vollständig weisen, findet sich auch in der Übereinkommen über die Biologische erreicht. Dreizehn Elemente weisen gar im Mai diesen Jahres präsen- Vielfalt (CBD) von der 10. Vertragsstaa- keine Entwicklung auf oder veränderten tierten Biodiversitätsstrategie tenkonferenz in Nagoya/Japan und ein sich sogar negativ. Damit sind die Verein- der Europäischen Union, die Strategischer Plan 2011-2020 für die Er- ten Nationen und die über hundert Ver- darüber hinaus noch weitere haltung der biologischen Vielfalt entwi- tragsstaaten mit ihrer Strategie, durch kon- konkrete Ziele – allesamt bis ckelt, mit dem der Verlust der biologischen krete Ziele den Rückgang der Artenviel- 2030 – enthält: 50 Prozent we- Vielfalt auf lokaler, regionaler und natio- falt zu begrenzen, klar gescheitert. niger Pestizide einsetzen, die naler Ebene signifikant reduziert werden Landwirtschaft ökologisieren, sollte. Neben einer allgemeinen Vision und Nach 2020 – wie weiter? 20 Milliarden Euro im Jahr für einer konkreten Mission wurden fünf all- Aufgrund der Corona-Pandemie wur- Naturschutz aufwenden und die gemeine strategische Ziele sowie insge- den die für 2020 geplanten Megaevents Wiederherstellung zerstörter samt zwanzig konkrete Kernziele, die so- zum Natur- und Klimaschutz wie der Lebensräume vorantreiben. 8 naturschutzblatt 3/2020
Die bittere Realität Wie viel all diese Versprechen und Ab- sichtserklärungen Wert sind, selbst wenn sie als Abkommen oder Verpflichtung for- muliert werden, erkennt man nicht nur an den gescheiterten Zielsetzungen der UN- Dekade für Biodiversität. Nur drei Wo- chen nach dem UN-Gipfel zur Biolo- gischen Vielfalt hat in Brüssel das EU- Foto: pixabay Parlament über die Gemeinsame Agrar- politik (GAP) der EU für die kommen- den sieben Jahre abgestimmt und dabei beschlossen, die Agrarpolitik bis 2027 im Wesentlichen unverändert zu belassen. Europäisches Bodenbündnis 20 Jahre Manifest von Bozen Dabei ist längst klar, welch negativen Ein- fluss die Agrarindustrie auf Artenvielfalt und Klima hat. Diese Entscheidung des EU-Parlaments widerspricht somit allem, Am 24. Oktober 2000, also bereits vor 20 Jahren, wurde mit der Verabschiedung des was im New Green Deal von Kommis Manifests von Bozen der Grundstein für das europäische Bodenbündnis gelegt. In Süd- sionspräsidentin Ursula von der Leyen bei tirols Alltag angekommen sind dessen Inhalte aber nie so wirklich. Dabei spielt die ihrem Amtsantritt angekündigt wurde. Ressource Boden sowohl in der Raumordnung als auch im Klimaschutz eine wirklich Beugt sich die EU-Kommission dem Par- entscheidende Rolle. lament, fließt weiterhin ein Drittel des EU-Haushaltes in erster Linie in eine na- Im Mai des Jahres 2000 wurde wäh- Manifests von Bozen heute aktueller denn tur- und klimaschädigende Landwirt- rend der Jahrestagung des Europäischen je sind. Bereits vor 20 Jahren bestand die schaftspolitik. Dabei müssten die Steuer- Klima-Bündnisses in Bozen die Idee ei- eindeutige Notwendigkeit des sparsamen Milliarden endlich für die Natur einge- nes kommunalen Bündnisses für den Bo- und sorgsamen Umgangs mit der Ressour- setzt werden und nicht gegen sie. den vorgestellt. Noch im selben Jahr wur- ce Boden und zwar nicht nur was die raum- de das Manifest von Bozen verabschiedet ordnerischen Themen anbelangt. Gerade Alle Nachhaltigkeitsziele und somit der Grundstein für das Boden- in Bezug auf den Klimaschutz kommen bedroht bündnis europäischer Städte, Kreise und in den nächsten Jahren gewaltige Heraus- Der fünfte Biodiversitätsausblick stellt Gemeinden gelegt (www.bodenbuend- forderungen auf uns zu. Den Boden als auch klar, dass mit dem Scheitern der nis.org). unseren Verbündeten klammern wir hier Kernziele zur Biodiversität nicht nur al- leider noch viel zu oft aus, obwohl dessen lein dieser Bereich gefährdet ist. Die kom- Klimabündnis in Südtirol zentrale Rolle schon vor Jahrzehnten er- plexen Zusammenhänge von Artenviel- Das länger bestehende europäische kannt wurde. falt, Nahrungsmittelproduktion und Ver- Klimabündnis war zeitweise stark in der sorgungssicherheit, Bewältigung von Hun- Südtiroler Gemeinden-Landschaft ver- ger und anderem mehr gefährden ganz de- treten. Über 80 der 116 waren in den Spit- zidiert auch die Erreichung der siebzehn zenzeiten Mitglied dieses Zusammen- Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Deve- schlusses, Gemeinden ganzer Talschaften lopment Goals/SDG – Seite 7) der Ver- waren im Klimabündnis vertreten. Offi- einten Nationen. ziell sind immer noch 66 Gemeinden Süd- Die Trendwende zur Erreichung der tirols dort Mitglied. Inwieweit aber die Biodiversitäts-, der Nachhaltigkeits- so- heutigen Gemeindeverwalter überhaupt wie der Klimaziele sind zu fundamental wissen, wozu sich ihre Gemeinde mit dem Es bleibt viel zu tun für die Weltgemeinschaft, als dass wir uns Beitritt bekannt hat, ist ebenso fraglich An den Inhalten und Zielen des Ma- weiter nur auf Lippenbekenntnisse und wie die Maßnahmen, die diese Gemein- nifests von Bozen zeigt sich, dass zwischen ambitionierte Ziele der globalen Entschei- den noch setzen. Anspruch und Wirklichkeit eine nicht zu dungsträger verlassen sollten. übersehende Lücke klafft. Das Jubiläum Werden wir selbst aktiv, und „seien wir … und das Bodenbündnis nunmehr kann eine gute Gelegenheit sein, selbst die Veränderung, die wir in der Welt Noch viel weniger sichtbar ist in Süd- die aktuellen politischen Weichenstellun- sehen wollen!“ Gelegenheit dazu bieten tirol das Bodenbündnis. Gerade mal zwei gen, vor allem in Sachen Raumordnung der Zukunftspakt Südtirol (Seite 6) oder Gemeinden und die Autonome Provinz und Klimaschutz, kritisch zu hinterfragen das Netzwerk Nachhaltigkeit (Seite 7). Bozen als Sitz der Vertretung für Italien und an jene Zielsetzungen anzupassen, zu sind aktuell als Mitglied geführt. Und dies, denen man sich bereits vor mittlerweile Andreas Riedl obwohl die Inhalte und Zielsetzungen des zwei Jahrzehnten bekannt hat. naturschutzblatt 3/2020 9
Spritlücke und Emissionen Die Deutsche Umwelthilfe hat in Deutschland dutzende Prozesse angestrengt, um die endlich konnten wir 24 Teilnehmer begrü- öffentliche Verwaltung zu zwingen, endlich die Grenzwerte im Verkehr einzuhalten, und ßen, die von Experten der DUH zu Ver- ist damit bislang durchaus erfolgreich. Kern des Übels sind aber die Tricksereien der Au- braucherrechten, falschen Verbrauchsan- tomobilhersteller bei der Angabe der Emissionsdaten der Fahrzeuge. In einer gemein- gaben der Automobilhersteller und Klima- samen Online-Tagung wurde das Thema nun auch bei uns präsentiert und diskutiert. folgen, kollektivem Rechtschutz in den EU- Mitgliedstaaten, juristische Klagen und Seit Jahren zeigt der Dachverband für Rechtsfälle in Deutschland und Italien Prozessen für Luftreinhaltung und deren Natur- und Umweltschutz die ständigen ausgesucht hat. Diese Tagung ist dabei Teil Erfolge in Deutschland informiert wurden. Grenzwert-Überschreitungen von Stick- eines größeren von der Europäischen Die aktuelle Situation der Luftqualität in oxiden entlang der Brennerautobahn und Kommission im Rahmen des LIFE-Pro- Südtirol und die erste Klage in Italien durch in den Ballungszentren Südtirols auf. Auch grammes geförderten Projekts “Get Real – den Dachverband für Natur- und Umwelt- ein Urteil des Verwaltungsgerichts Lati- Demand fuel figures you can trust”. schutz waren weitere Themen. Dabei zeig- um gibt uns Recht. te sich, dass die Probleme der Luftreinhal- Als Webinar durchgeführt tung hier wie dort vor allem auf die vorsätz- In Deutschland erfolgreich Ursprünglich hätte die Tagung Anfang lichen Manipulationen der Automobilher- Auch hierzulande ist über die Medien März in der Sparkassen-Academy in Bo- steller zurückzuführen sind und die Fahr- das erfolgreiche Arbeiten der Deutschen zen als Ganztages-Veranstaltung über die zeuge im Alltagsgebrauch deutlich höhere Umwelthilfe (DUH – www.duh.de) be- Bühne gehen sollen. Covid hat auch uns Emissionswerte aufweisen als auf den Prüf- kannt geworden, ihre zahlreich geführten hier im letzten Moment einen Strich durch ständen. Prozesse gegen Städte und Kommunen in die Rechnung gemacht, sodass wir die Ta- Wir hoffen, dass wir mit dieser Tagung Deutschland, welche zu wenig Maßnah- gung kurzfristig absagen mussten. Am 22. dazu beitragen konnten, das Thema in Süd- men gegen die Schadstoff-Emissionen un- September wurde diese als Webinar mit ei- tirol und darüber hinaus aktuell zu halten ternehmen. Umso mehr hat sich der Dach- nem adaptierten Programm-Ablauf nach- und aufzuzeigen, dass es durchaus juristi- verband für Natur- und Umweltschutz geholt, nachdem mit der Rechtsanwalts- sche Mittel und Möglichkeiten gibt, sau- Ende letzten Jahres gefreut, dass die DUH kammer Bozen abgeklärt werden konnte, bere Luft einzuklagen und die Verursacher gerade ihn als lokalen Partner für eine Ta- dass die Veranstaltung auch in diesem di- in die Verantwortung zu nehmen. gung zum Thema Spritlücke und Luft- gitalen Format als Weiterbildung für reinhaltung: Rechtsinstrumente und Rechtsanwälte anerkannt wird. Schluss- Andreas Riedl Fotocollage: Griseldis Dietl/Dachverband Die Referenten bei ihren Online-Ausführungen: oben v.li. Karoline Borwieck (Geulen & Klinger/D), Axel Friedrich (DUH), Isabell Merkle (DUH); unten v.li. Robin Kulpa (DUH), Luca Verdi (Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz/BZ), Remo Klinger (Geulen & Klinger/D), Alex Telser (RA-Sozietät Trebo Zojer Telser/BZ) 10 naturschutzblatt 3/2020
Das Wort unseren Mitgliedsgruppen Verbindung Politischen Rechte Monte Pana – Saltria gelten immer, Seit rund 40 Jahren kämpfen prominente Akteure, verschiedenste Gruppie- rungen und Verbände auf Talschafts- und Landesebene und über die Regio- auch in schwierigen nalgrenzen hinaus für den Erhalt der Cunfinböden. Nun soll eine Zahnrad- Zeiten! bahn oder Umlaufbahn Monte Pana mit der Seiser Alm verbinden und dieses Schutzgebiet durchqueren. Anfang November sollte die Unter- schriftensammlung zu den zwei Um die allen Ernstes, dass sie durch die An- Volksinitiativen „Für eine vereinfach- Cunfinböden bindung der beiden Ortschaften das te Unterstützung direktdemokratischer vor der Zerstö- Verkehrsproblem im Tal lösen können. Initiativen“ und „Einführung des aus- rung zu retten, Die Verbindung würde zu weiteren gelosten Großen Landesbürgerrates“ werden wir Um- Pistenerweiterungen und zur Poten- beginnen. Die Entwicklung der Pan- ng weltschützerIn- zierung der Aufstiegsanlagen führen. demie macht dies unmöglich. Zu allem E e lb r nen keine Mühe Die negativen Folgen für Tier und Überfluss ist die Initiative für mehr De- e r t M a u ro n e scheuen und gegebenen- Mensch durch die Zerstörung dieses mokratie aber auch mit einer Kommis- falls bis nach Brüssel gehen. Gebietes sind für Lobbyisten zweit- sion konfrontiert, die die Gegenstände Dieses Feuchtgebiet ist ein Para- rangig. Eine 10-prozentige Investition dieser Volksinitiativen dem Landtag dies für Tier und Mensch und muss in Renaturierung und Gemeinwohl- vorbehalten wissen will und die Anträ- verschont bleiben. Wir fühlen uns ge- projekte statt einer weiteren Ausbeu- ge unterschiedslos abgelehnt hat. radezu verpflichtet, dieses unberühr- tung naturbelassener Ruhezonen sind te Naturreservat und Naherholungs- dringend erforderlich. Wir klagen die Anwendbarkeit gebiet zu erhalten. Das schulden wir unserer politischen Rechte ein. unseren Vorfahren ... und vor allem Gemeinderatsbeschlüsse unseren Nachkommen. Die Gemeinden St. Christina und Zu einem Zeitpunkt, wo sich alles Kastelruth haben sich für die Einlei- auf Distanz einstellt, denken nur We- Masterplan Vijion Gherdëina tung des Verfahrens zwecks Verbin- nige an das Wichtigste in unserer De- Im Masterplan ist von der Errich- dung Monte Pana – Saltria ausgespro- mokratie, an unsere politischen Rech- tung einer Arbeitsgruppe die Rede, chen. Personen, die solche Entschei- te. Diese müssen immer ausgeübt wer- welche „die Bevölkerung des gesam- dungen treffen, haben keine Visionen. den können. Darum klagt die Initiati- ten Tales in die Entscheidung zur Ver- Die Gemeinde St. Ulrich, die ihr ve für mehr Demokratie die Ausübbar- netzung der Skigebiete in Gröden mit Trinkwasser aus dieser Schutzzone be- keit der politischen Rechte ein durch: jenen der Seiser Alm einzubeziehen“ zieht, muss unbedingt mit einbezogen 1. die Einführung der elektronischen hat. Die Empfehlungen gehen noch werden und mitreden können. Unterschriftensammlung, damit die einen Schritt weiter: Angedacht ist ei- Gefordert sind doch letzten Endes BürgerInnen auch dann noch eine ne „autofreie Verbindung zwischen wir alle, auch die Zivilgesellschaft und Stimme haben, wenn die Umstän- den Talstationen“ sowie „die Planung insbesondere die neuen politischen de es erschweren davon Gebrauch der Grödner Bahn mit ihren Halte- MachtträgerInnen und agilen Wirt- zu machen; punkten“. schaftstreibenden, die sich die Frage 2. das Einreichen einer Bürgerklage an gefallen lassen müssen, welchen Bei- das Landesgericht, um die Aufhe- Lobbyisten mit ihren trag sie in Krisenzeiten nicht nur leis- bung der Unzulässigkeitserklärung Wirtschaftsinteressen ten wollen und können, sondern gera- der Kommission zu erreichen, die Die Hauptverantwortlichen der jet- dezu müssen. Andernfalls bleibt den einer rechtlichen Grundlage ent- zigen Landesregierung unternehmen Einheimischen nur eine Verteuerung behrt und auf unzulässige Weise nur wenig gegen den skrupellosen Raub- der Lebenshaltungskosten. interpretatorisch abgeleitet ist. bau an der Natur. Die drei von den Grünen eingebrachten Anträge zum Lia per Natura y Usanzes Stephan Lausch Schutz und Erhalt der Feuchtgebiete Initiative für mehr Demokratie auf Cunfin wurden mehrheitlich tor- https://liapernaturayusanzes.it/ pediert. Wirtschaftstreibende glauben www.dirdemdi.org naturschutzblatt 3/2020 11
Foto: Bioland Südtirol Achtsamer Umgang mit dem Boden Der Boden ist nicht nur ein Substrat, in dem sich verschiedene lose Elemente zur Pflan- flexionen und Fragen zu einer bodenscho- zenernährung ansammeln, sondern es handelt sich um einen lebendigen Organismus, nenden Bewirtschaftung auf. Den Boden bei dem alles zusammenhängt und nichts isoliert betrachtet werden kann. zu schützen ist Voraussetzung, um die Sta- bilität und Resilienz (Widerstandsfähig- Im Boden geschieht alles – über die Pflanzenschutzmittel, Pflanzenhormone keit) des ökologischen Systems zu garan- Symbiose zwischen Pilzen, Pflanzen, Mi- oder Luftverschmutzung, beeinflussen das tieren sowie Nahrung und Lebenshabitat- kroorganismen, Regenwürmern und an- gesamte System unvorhersehbar. für viele Lebewesen, inklusive Mensch, zu dere Bodenlebewesen, von der Bodenbil- bewahren. dung, die über Jahrtausende erfolgt, bis hin Komplexität erkennen zu Nährstoffkreisläufen und Ton-Humus- Erschließt sich einem die Vielfalt und Komplexen. Jeder maschinelle Eingriff und die Zusammenhänge dieses verzahnten Dieses Bewusstsein muss jeder Eintrag wie mineralische Düngung, Organismus, tauchen wie von selbst Re- Grundregel unseres Handelns sein. Andreas Zuegg, Obmann der Arbeits- gemeinschaft (Arge) für biologisch-dyna- mische Wirtschaftsweise, schildert das so: „Wir definieren einseitig einen Kompro- miss mit einem System, das eigentlich Kompromisse nicht kennt, sondern nur Konsequenzen, einem System, das nur durch seine Vollkommenheit und Schön- heit zu uns spricht. Wir haben die Frei- heit, unter uns fruchtbaren bzw. gesunden, aktiven oder kranken Boden zu haben. Mein Leitmotiv im Handeln mit dem Bo- den ist es, durch Lebendverbauung Struk- tur zu bilden und dem Bodenleben stän- Foto: Bioland Südtirol dig vielfältige „Nahrung“ durch Zwischen- fruchtanbau, organische Nährstoffe und leicht bis schwer abbaubare organische 12 naturschutzblatt 3/2020
Dirk Steffens und Fritz Habekuß ÜBER LEBEN Zukunftsfrage Artensterben: Foto: Sonja Herpich Wie wir die Ökokrise überwinden 2020 Penguin Verlag ISBN: 978-3-328-60131-9 Kohlenstoffverbindungen einzubringen; len. Als Bauer muss ich nur den Kühl- weiters auch hochwertigen Kompost, Ein- schrank gefüllt halten, sei es mit Pflanzen- saaten von Blühstreifen u.v.m. Immer in resten oder organischem Dünger.“ Das Buch ÜBER LEBEN des Au- Kombination mit den biodynamischen torenduos Steffens und Habekuß hat Präparaten, welche den Boden ordnen und Und weiter meint er: „Meine ökologi- mich förmlich begeistert. aktivieren.“ sche Sichtweise hat sich mit der Zeit ge- ändert, denn jetzt betrachte ich den Bo- Dirk Steffens ist Wissenschafts- den als aktives Lebewesen. Natürlich journalist und Moderator der bekann- macht das den Umgang mit dem Boden ten Dokumentationsreihe Terra X, ei- aufwendiger. Aber schließlich spart uns ner der bekanntesten Artenschützer ein lebendiger Boden viel Arbeit, da er sich und Botschafter von WWF. Für sei- einigermaßen selbständig reguliert und als ne Verdienste erhielt er die Ehrendok- Puffer funktioniert.“ torwürde der Universität Bayreuth. Fritz Habekuß hingegen ist ein jun- Weltweite Aufmerksamkeit ger Redakteur der ZEIT. Er berich- Der Internationale Tag des Bodenschut- tet weltweit von der Zerstörung der Foto: Sonja Herpich zes jeweils am 5. Dezember bietet sich als natürlichen Vielfalt und von denjeni- gute Gelegenheit, um zu hinterfragen, wel- gen, die dagegen ankämpfen. 2018 er- chen Stellenwert wir dem „Lebendigen“ hielt er die Auszeichnung Journalist und den „Organismen“ in unserem Alltag des Jahres für seine wirtschaftsjour- Wertvolle Erfahrung geben. Die Frage Was kann ich machen, nalistische Tätigkeit. „Meine Etsch-Schwemmböden hatten um die Vielfalt in meinen Böden zu för- am Anfang meiner Umstellung einen nied- dern? sollte sich jeder von uns stellen. Das Buch bringt klar zum Aus- rigen Humusgehalt und eine schwach aus- druck, dass sowohl die Klimakrise als geprägte Wasserhaltkapazität,“ sagt Tho- Martina Frapporti auch der Verlust der Biodiversität die mas Hafner, Pionier von Bioland Südti- Ökologieberatung größten Herausforderungen für die rol, der seit 30 Jahren nach der biologisch- Bioland Südtirol Zukunft darstellen. Sie bedrohen un- organischen Anbauweise arbeitet. „Im seren Wohlstand, unsere Sicherheit, Lauf der Jahre habe ich jedoch beobach- unsere Gesundheit, sie gefährden un- tet, dass sich die Strukturlosigkeit meiner sere Existenz. Die beiden Autoren be- Böden durch die Einfuhr organischer Sub- schreiben, was die Wissenschaft über stanz mit aufbereitetem Mist und Einsaa- die Krise weiß, und zeigen auch We- ten ausgeglichen hat. Der Boden ist wie ge auf, um sie zu beenden. ein gefüllter Kühlschrank, aus dem die https://www.bioland.de/suedtirol Pflanzen herausholen können, was sie wol- Klauspeter Dissinger naturschutzblatt 3/2020 13
Foto: https://commons.wikimedia.org Lebensmittelverschwendung „Nur“ eine Frage der Ethik? Berge an Nahrungsmitteln landen jedes Jahr in der Tonne statt auf unseren Tellern. unserem Magen, dann wurden alle Res- Angesichts des Hungers in der Welt ist das ein ethisches Problem. Die Verschwen- sourcen vergebens verbraucht und Emis- dung belastet jedoch auch die Umwelt. sionen unnötig verursacht. Schätzungen der FAO zufolge geht weltweit jedes Jahr Wäre die weltweite Lebensmittelver- den, werden Boden, Wasser und Energie ein Drittel aller für den menschlichen schwendung ein Land, dann würde sie im verbraucht sowie Treibhausgase erzeugt. Konsum erzeugten Lebensmittel verloren Ranking der Staaten, die die größten Men- 250 Gramm CO2-Äquivalente sind es im oder wird verschwendet.3 Um in Zukunft gen an Treibhausgasen ausstoßen, an drit- Durchschnitt für ein Kilo Äpfel, 600 zehn Milliarden Menschen gesund zu er- ter Stelle rangieren – hinter China und Gramm für ein Kilo Weißbrot und 5.800 nähren, ohne dafür den Planeten zu zerstö- den USA.1 Denn auch für die Produktion Gramm für ein Kilo Käse.2 Landen Äpfel, ren, wird es notwendig sein, den Fleisch- von Lebensmitteln, die später im Müll en- Brot, Käse und Co. in der Tonne statt in konsum sowie die Lebensmittelverschwen- Grafik: Silke Raffeiner, Datenquelle und Copyright: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Grafik: Silke Raffeiner, Datenquelle und Copyright: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung/ Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Grafik: Silke Raffeiner, Datenquelle: FAO: Food wastage footprint - Impacts on natural resources. Summary Report, 2013 Angaben in % der vermeidbaren Lebensmittel- LMVV = Lebensmittelverschwendung und -ver- abfälle in den privaten Haushalten in Deutsch- luste, Angaben in Gigatonnen (= Milliarden Ton- Wasser-Fußabdruck und CO2-Fußabdruck für 1 land. Obst und Gemüse machen rund ein Drittel nen) CO2-Äquivalenten pro Jahr. Die weltweite kg Äpfel, 1 kg Weißbrot, 1 kg Käse. Die Produktion der vermeidbaren Lebensmittelabfälle der Haus- Lebensmittelverschwendung verursacht große von Nahrungsmitteln verbraucht Wasser und halte aus, gefolgt von zubereiteten Speisen so- Mengen an Treibhausgasemissionen. verursacht Treibhausgasemissionen. wie Brot- und Backwaren. 14 naturschutzblatt 3/2020
Eine App als Helferlein Die Lebensmittelabfälle in den Haus- Grafik: Silke Raffeiner, Datenquelle: FAO: Food wastage footprint - Impacts on natural resources. Summary Report, 2013 halten zu verringern, ist das Ziel einer ge- meinsamen Initiative der Regionen Pie- mont und Aostatal und der Verbraucher- zentrale Südtirol. Die UBO-App „Eine gute Gelegenheit – Una Buona Occasio- ne“ informiert unter anderem darüber, wie, wo und wie lange Lebensmittel aufbewahrt werden können, und enthält zahlreiche Resteverwertungs-Rezepte, darunter vie- le von Slow Food. Die mobile Anwendung ist auf Deutsch und Italienisch über App Store und Goog- le Play kostenlos verfügbar. Damit gelingt es Verbrauchern und Verbraucherinnen leichter, den Einkauf zu planen, eine Ein- kaufsliste zu erstellen und bedarfsgerecht einzukaufen, Lebensmittel sachgerecht zu lagern und rechtzeitig zu verbrauchen so- Angaben in % der gesamten Lebensmittelverschwendung und -verluste in Europa. Lebensmittel wer- den entlang der gesamten Versorgungskette verschwendet bzw. gehen verloren. wie überschüssige Lebensmittel und Spei- sereste zu verwerten. dung deutlich zu verringern, die Landwirt- gekauft als benötigt und mehr gekocht als Silke Raffeiner schaft zu ökologisieren und die vorhande- gegessen wird, weil Produkte nicht kor- Verbraucherzentrale nen Ressourcen effizienter zu nutzen.4 Ei- rekt gelagert werden und vorzeitig verder- Südtirol ne Halbierung der weltweiten Nahrungs- ben oder einfach nicht mehr ganz frisch mittelverschwendung bis 2030 wird auch sind. Obst und Gemüse machen rund ein in den 17 nachhaltigen Entwicklungszielen Drittel der vermeidbaren Lebensmittel- der Vereinten Nationen angestrebt.5 abfälle der Haushalte aus, zubereitete Spei- https://www.consumer.bz.it/de sen 16%, Brot- und Backwaren 14%.6 Vom Feld bis auf den Teller Lebensmittelverschwendung hat viele Ursachen: Mangel an Maschinen, Arbeits- kräften und Transportmöglichkeiten; Überproduktion und mangelhafte Pro- duktionsplanung; fehlende Lagerkapazi- täten und nicht adäquate Lagerbedingun- gen; Schädlingsbefall und vorzeitiger Ver- derb; optische „Mängel“ der Produkte und absurde „Qualitäts“vorgaben; mangelnde Wertschätzung; fehlendes Bewusstsein. Und so werden Nahrungsmittel entlang der gesamten Lebensmittelversorgungs- kette verschwendet oder gehen verloren: Foto: https://commons.wikimedia.org auf dem Feld, während Lagerung und Transport, bei der Weiterverarbeitung, im Groß- und Einzelhandel, in der Außer- Haus-Verpflegung und in den privaten Haushalten. Letztere haben einen be- trächtlichen Anteil daran – weil mehr ein- 1 FAO: Food wastage footprint – Impacts on natural resources. Summary Report, 2013. 2 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: www.zugutfuerdietonne.de, auf der Grundlage von Daten aus 2016 des ifeu-CO2-Rechners. 3 FAO: Global food losses and food waste – Extent, causes and prevention. Rome, 2011. 4 EAT Lancet Commission: Healthy Diets FromSustainable Food Systems – Food Planet Health. Summary Report, 2019. 5 UN-Generalversammlung: Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Resolution, 2015. 6 GfK: Systematische Erfassung von Lebensmittelabfällen der privaten Haushalte in Deutschland. Schlussbericht, 2017. naturschutzblatt 3/2020 15
Foto: Johannes Ortner Drachenkopf, Heilglöckchen, Kugel-Orchis... Artenreiche Planeiler Bergwiesen brauchen extensive Bewirtschaftung Die Sicht aufs Petasettes-Moos Unter der fachkundigen Führung des Biologen Joachim Winkler organisierte die Um- les für die Biodiversität der Bergwiesen weltschutzgruppe Vinschgau im Juli 2020 eine Exkursion zu botanischen Besonder- von großem Vorteil, so stellen nun gerade heiten in den Planeiler Bergwiesen. Vernachlässigung, die Aufforstungen von Trockenweiden und in Einzelfällen die In- Bei strahlendem Sonnenschein be- er in Südtirol nur mehr in Matsch, Graun, tensivierung (Gülle-Ausbringung, Planie- staunte ein gutes Dutzend botanisch In- im Pfossental sowie in den Pfunderer Ber- rung) eine Bedrohung dar. „Die Fortfüh- teressierter die Vielfalt an Blumen und In- gen vor. Auf Wunsch des Naturmuseums rung der extensiven Bewirtschaftungsform sekten in den mahdreifen Wiesen und ent- Südtirol hat Joachim Winkler zusammen durch einmalige Mahd pro Jahr wäre ide- deckte an einem Hangquellmoor, im mit Johannes Ruepp die Planeiler Stand- al, um diese einmaligen Naturschätze zu Schatten von Grünerle und Weide, das auf orte des Drachenkopfs kartiert. erhalten“, erklärt Winkler, denn artenrei- das Rätische Dreieck beschränkte Heil- Direkt am Standort wartet Winkler mit che Bergwiesen sind Zeugen jahrhunder- glöckchen (Primula matthioli) sowie die weiterem Wissenswerten auf: „Der Dra- telangen Wirtschaftens mit der Natur. Vie- farbenprächtige Breitblättrige Fingerwurz chenkopf liebt es sonnig, warm und trocken. le Generationen haben mit Sense und Si- (Dactylorhiza majalis). Ursprünglich stammt er aus dem asiatischen chel in den Händen diese wertvollen Le- Altai-Gebirge, ist mit der Eiszeit von dort bensräume geschaffen und weitergetragen. ausgewandert und gelangte schließlich in Winkler klagt: „Heute zählen diese Berg- die Alpen, wo er heute als bedroht gilt. An wiesen zu den gefährdeten Lebensräumen. diesem steilen Standort wurde vor 15 Jah- Eine gezielte Förderung der extensiven Be- ren das letzte Mal gemäht, die Zitterpap- wirtschaftung durch die Planeiler Neben- peln nehmen nun überhand. Werden sie erwerbsbauern ist von öffentlichem Inte- nicht zurückgedrängt, überwachsen sie bald resse, dabei ist es einerlei, ob die Förder- Foto: Gerhard Kapeller den Drachenkopf!“ Die Stiftung Landschaft mittel von der öffentlichen Hand (Land, Südtirol möchte nun die Grundparzelle er- Gemeinde, Eigenverwaltung), Verbänden werben, die Pappelschößlinge entfernen und oder Stiftungen stammen.“ Der Breitblättrige Fingerwurz somit dieses botanische Kleinod retten. Wertvolle Bergwiesen Der Nordische Drachenkopf Planeil strukturschwach, brauchen Schutz! Vom Pranonkreuz ging ’s den Gaschit- aber stark an Biodiversität! Im Vorjahr haben die Vinschgauer sches-Weg bergan bis zu einem einmali- In Planeil und anderen Seitentälern UmweltschützerInnen auf die Problema- gen Ökotop. Die Ouvertüre dafür bilden des Obervinschgaus haben sich botani- tik der Gülleausbringung in einer der Ar- Türkenbund und die seltene Kugel-Or- sche Besonderheiten erhalten. An der Son- luiwiesen medial aufmerksam gemacht. Im chis (Traunsteinera globosa), welche hier nenseite wurde bisher kaum planiert und heurigen Jahr möchten sie für die Bedeu- gedeiht, obwohl sie ansonsten Kalk bevor- auch keine Gülle ausgebracht. War bisher tung der Bergwiesen sensibilisieren. Es zugt. Im Gänsemarsch bewegen sich die eine gewisse Weltvergessenheit dieses Ta- braucht Wissen über ökologische Zusam- ExkursionsteilnehmerInnen auf eine Ge- menhänge und konkretes Handeln, um ländekante mit Zitterpappeln zu, wo auf Biodiversität zu erhalten. Wenn es gelingt, einem abschüssigen Mahdflecken der sel- das Bewusstsein dafür zu schärfen, dann tene Drachenkopf (Dracocephalum ruy- hat die Exkursion zu den artenreichen schiana) in blauer Blüte steht. „Anfang Ju- Planeiler Bergwiesen ihr Ziel erreicht. li stehen hier sicher 1000 Exemplare die- ser Art, die in Österreich selten geworden Umweltschutzgruppe Vinschgau Foto: Gerhard Kapeller und in Deutschland gar nicht mehr zu fin- den ist“, so Winkler. Der Nordische Dra- umweltvinschgau.wpcomstaging. chenkopf wird in der Roten Liste als stark com bedroht angeführt. Neben Planeil kommt Der Türkenbund 16 naturschutzblatt 3/2020
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