MalDANKE - Mehr Biodiversität ohne Wenn - Dachverband für Natur- und ...

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MalDANKE - Mehr Biodiversität ohne Wenn - Dachverband für Natur- und ...
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      Italiane  SpA SpA / Spedizione
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                                                Postale         D.L. 353/2003
                                                        / D.L./ 353/2003 (conv.(conv.  in L. 27/02/2004
                                                                                 in L. 27/02/2004  n. 46) n.
                                                                                                          art.46) art. 1, comma
                                                                                                               1, comma    2, CNS 2, CNS Bolzano
                                                                                                                                  Bolzano           Tassa Pagata
                                                                                                                                          / Tassa /Pagata         / Taxe Percue
                                                                                                                                                           / Taxe Percue

                                                                                                                                                                                                                                              Nummer
                                                                                                                                                                                                                                              Nummer 3-4/2009
                                                                                                                                                                                                                                                     3/2020 - 37.
                                                                                                                                                                                                                                                               - 25.
                                                                                                                                                                                                                                                                  Jahrgang
                                                                                                                                                                                                                                                                     Jahrgang

                                                                                                                                                                                       Mitteilungen zum Natur- und Umweltschutz in Südtirol

   mal
                                                                                                            und Aber!
                                                                                                           ohne Wenn

149.262
DANKE
                                                                                                         Mehr Biodiversität
                                                                                                                                                                                      und Umweltschutz
                                                                                                                                                                                  Dachverband für Natur-
                                                                                                                                                                                    Herausgegeben vom
MalDANKE - Mehr Biodiversität ohne Wenn - Dachverband für Natur- und ...
TITEL Die globale Artenvielfalt ist bedroht und verschwindet mit
          unheimlicher Geschwindigkeit. Und wir Menschen sind
                                                                                                                      Respekt
                                                                                                                      und Verantwortung
    8               der Hauptgrund dafür. Nur - ohne Biodiversität ist auch
                    das Überleben der Menschheit bedroht. Wenn wir also                                                   Der neuerliche
                    weiter existieren wollen, müssen wir in weit stärkerem Ma-                                        Corona-Lockdown
                    ße den Schutz der Artenvielfalt in den Mittelpunkt der glo-                                       hat uns wohl allen vor
                    balen Anstrengungen stellen.                                                                      Augen geführt, wie
                     3     Die neue DVN-Satzung                                                                       wichtig Respekt und Verantwortungsbewusst-
                     4     Der Blick zurück auf 2020                                                                  sein eines jeden Einzelnen sind, um gemein-
                     6     Zukunftspakt für Südtirol                                                                  schaftliche Probleme zu lösen.
                     7     Netzwerk der Nachhaltigkeit
                     8     Bei der Biodiversität gescheitert                                                              Dies brauchen wir auch dringend für die
                     9     Bodenbündnis: Manifest von Bozen                                                           noch größeren Herausforderungen, die uns zur
                    10     Spritlücke und Luftreinerhaltung in Deutschland und Italien
                                                                                                                      Bewältigung der globalen Klimakrise und dem
                    11     Das Wort unseren Mitgliedsgruppen | Volksinitiativen
                                                                                                                      Verlust der Biodiversität bevorstehen. Sie sind
                           ausgebremst
                                                                                                                      nämlich nicht zeitlich begrenzt und gefährden
                    12     Unser Boden braucht achtsamen Umgang
                                                                                                                      das Überleben der menschlichen Spezies nach-
                    13     Buchtipp
                    14     Lebensmittelverschwendung reduzieren                                                       haltig. Nachdem sowohl die Klima- als auch
                    16     Artenreichtum in Planeil schützen                                                          die Biodiversitätskrise nicht so akut verläuft
                    17     Gemeinsame Verkehrspolitik der Alpenvereine                                                wie eine Viruserkrankung, wird die Heraus-
                    18     Dachverband und AVS in der Geschichte                                                      forderung für die Menschheit umso größer.
                    20     Au-Raum stellt sich vor
                    21     Haider See in Bedrängnis                                                                       Ich mache mir oft Gedanken, wie wir doch
                    22     Vogelkirsche: Kalterns Jahrgangsbaum 2019                                                  noch die Kurve schaffen können. Diesbezüg-
                    23     Repair Cafés in Südtirol                                                                   lich habe ich im Buch ÜBER LEBEN von
                    24     Refill-Stationen mehren sich                                                               Dirk Steffens und Fritz Haberkuß, das ich auf
                    25     Mendelradtag mit neuem Rekord                                                              Seite 13 als Buchtipp vorstelle, den für mich
                    26     Luft-Aria-Graffiti und die Sieger                                                          konkret möglichen Ausweg gefunden:
                    27     Lastenbike unterwegs | Termine | Impressum
                                                                                                                        DER NATUR MUSS EIN VETO-
             Wir danken der Autonomen Provinz Bozen, Abteilung 28.                                                     RECHT EINGERÄUMT WERDEN,
    Natur, Landschaft und Raumentwicklung für die freundliche Unterstützung!
                            www.provinz.bz.it/natur-raum
                                                                                                                      indem bei jeder Entscheidung die Folgen der
      AUTONOME PROVINZ BOZEN - SÜDTIROL                    PROVINCIA AUTONOMADI BOLZANO - ALTO ADIGE
                                                                                                                      Umwelt berücksichtigt werden müssen. Ihr
       Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung     Ripartizione Natura, paesaggio e sviluppo del territorio
                                                                                                                      Schutz hat immer Priorität. Das Ressort Um-
    Titelfoto: freepik.com                                                                                            welt muss in der Regierung ein Vetorecht ha-
                                                                                                                      ben, der Artenschutz gehört ins Grundgesetz,
                                                                                                                      umweltschädliche Subventionen müssen ab-
                                                         von Bruno Rubner
                                                                                                                      geschafft und die Umweltkosten internalisiert
                                                                                                                      werden.
                                                                                                                          Auch im kleinen Südtirol gilt es darum
                                                                                                                      zu kämpfen: Es darf nicht sein, dass immer
                                                                                                                      noch umweltschädigende Entscheidungen
                                                                                                                      getroffen werden, weil die Umweltvertre­
                                                                                                                      terInnen in den jeweiligen Gremien über-
                                                                                                                      stimmt werden. Hier gilt dasselbe wie bei der
                                                                                                                      Corona-Pandemie: Respekt und Verantwor-
                                                                                                                      tungsbewusstsein sind sowohl von der Bevöl-
                                                                                                                      kerung als auch vonseiten der Entscheidungs-
                                                                                                                      träger erforderlich.

                                                                                                                                           Klauspeter Dissinger
    Allerheilmittel

2                                                                                                                       naturschutzblatt 3/2020
MalDANKE - Mehr Biodiversität ohne Wenn - Dachverband für Natur- und ...
Anpassung der Satzung
                                                 Außerordentliche Delegiertenversammlung
                                                 Durch die gesetzliche Reform des sogenannten Dritten Sektors auf nationaler Ebene                             Situation und ihrer Stellung im Verband
                                                 war auch der Dachverband für Natur- und Umwelt gefordert, seine bisherige Satzung                             gar nichts, auch wenn wir sie in Zukunft
                                                 an die neuen normativen Bestimmungen anzupassen. Keine leichte Aufgabe bei einer                              offiziell als UnterstützerInnen führen wer-
                                                 organisch gewachsenen Satzung, an die das letzte Mal 1998 Hand angelegt wurde.                                den. Als Mitgliedsvereine können wir ab
                                                 Durch diese Aktualisierung sollten wir auch formell wieder zukunftsfit sein.                                  sofort nur mehr Organisationen führen,
                                                                                                                                                               die einen eigenen Organisationsstatus ha-
                                                    Aus diesem Grund berief der Dachver-                um schließlich in dieses Einheitsregister              ben. Dieser Umstand ist vor allem für man-
                                                 band für Natur- und Umweltschutz am                    aufgenommen zu werden und so in steuer­                che Umweltgruppen nicht leicht zu be-
                                                 23. September seine Delegierten zu einer               lichen Belangen und im Hinblick auf mög-               werkstelligen. Für diese haben wir eigene
                                                 außerordentlichen Delegiertenversamm-                  liche Beiträge weiterhin die Vorteile einer            Informationstreffen veranstaltet, auch un-
                                                 lung ein. Einziger Tagesordnungspunkt                  ehrenamtlich tätigen Organisation zu ha-               terstützt vom Dienstleistungszentrum für
                                                 war dabei die Anpassung der Satzung an                 ben.                                                   das Ehrenamt, um deren Umwandlung in
                                                 die seit dem Jahr 2017 geltenden norma-                                                                       eigene Vereine informell zu begleiten und
                                                 tiven Vorgaben und Notwendigkeiten.                    Herausforderungen                                      die Voraussetzungen dafür zu prüfen. Zu-
                                                 Leider ist die Reform des Dritten Sektors                 Neben vielen Anpassungen zumeist for-               dem müssen mindestens zwei Drittel der
                                                 – wie viele Initiativen zur gesetzlichen Re-           maler Natur haben uns vor allem zwei The-              dem Dachverband angeschlossenen Ve­
                                                 gelung vorher – sehr abstrakt, mit wenig               men gefordert: die Einzelmitglieder und                reine derselben Unterkategorie des Ein-
                                                 Bezug zur Realität.                                    die lokalen Umweltgruppen.                             heitsregisters (ehrenamtliche Organisa­
                                                                                                           Der Dachverband für Natur- und Um-                  tion) angehören.
                                                 Späte Umsetzung                                        weltschutz kann seine vielfältige Tätigkeit
                                                      Zum erlassenen Gesetz fehlen noch                 erst durch die Unterstützung der vielen                Einstimmigkeit
                                                 einige Durchführungsverordnungen. Auch                 Einzelmitglieder in Form des jährlichen                   Die neue Satzung des Dachverbandes
                                                 das Herzstück dieser Reform, das soge-                 Mitgliedsbeitrages bestreiten. Die Einzel-             für Natur- und Umweltschutz wurde bei
                                                 nannte Registro Unico Nazionale del Terzo              mitglieder gehören also zum unabdingba-                der außerordentlichen Delegiertenver-
                                                 Settore, also das Nationale Einheitsregis-             ren ‚Inventar‘. Mit der Anpassung der Sat-             sammlung von den anwesenden 28 Dele-
                                                 ter, lässt noch auf sich warten. Nichtsdes-            zung haben wir deren Status klarer defi-               gierten von 15 Mitgliedsvereinen und Um-
                                                 totrotz hat sich der Dachverband für Na-               niert und sie formell von den institutio-              weltgruppen einstimmig angenommen.
                                                 tur- und Umweltschutz zur Anpassung an                 nellen Mitgliedern getrennt. Für die Ein-              Sie tritt mit der Eintragung des Dachver-
                                                 die normativen Vorgaben durchgerungen,                 zelmitglieder ändert sich an der aktuellen             bandes für Natur- und Umweltschutz in
                                                                                                                                                               das genannte Nationale Einheitsregister
                                                                                                                                                               in Kraft. Laut letzten Informationen soll
                                                                                                                                                               dieses jedoch erst im April des kommen-
                                                                                                                                                               den Jahres operativ werden. Daher ändert
                                                                                                                                                               sich einstweilen nichts an der Organisa­
                                                                                                                                                               tion und der Struktur des Dachverbandes
                                                                                                                                                               sowie seiner Einzelmitglieder, Mitglieds-
Fotos: Dachverband für Natur- und Umweltschutz

                                                                                                                                                               vereine und Umweltgruppen.

                                                                                                                                                                  Mit der Anpassung der Satzung haben
                                                                                                                                                               wir aber alle Voraussetzungen geschaffen,
                                                                                                                                                               dass wir auch zukünftig als anerkannt eh-
                                                                                                                                                               renamtlich tätige Organisation auftreten
                                                                                                                                                               und arbeiten können.
                                                 Der Vorsitzende Klauspeter Dissinger unterzeichnet im Beisein der Notarin Federica Isotti die neue Satzung.                            Andreas Riedl

                                                 naturschutzblatt 3/2020                                                                                                                                     3
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                                                                                                                          heuer erstmals entlang der Autobahn zu
                                                                                                                          keiner Überschreitung kommen wird, aber
                                                                                                                          nicht, weil plötzlich die Verbrennungsmo-
                                                                                                                          toren der Autos und LKWs so sauber ge-
                                                                                                                          worden wären. Dennoch werden die Da-
                           Der Jahresrückblick 2020 bleibt hoffentlich einmalig in seiner Form. Nicht so sehr,            ten und Werte dieses einen Jahres herhal-
                           weil es für den Natur- und Umweltschutz in Südtirol ein besonders schlechtes Jahr              ten müssen als Ausrede, warum man kei-
                           gewesen wäre. Das liegt aber nicht an einem plötzlich erwachten nachhaltigen Be-               ne Regulierung von Verkehr und Transit
                           wusstsein. Wie in so vielen anderen Bereichen hat auch im Natur- und Umwelt-                   auf der Brennerautobahn braucht.
                           schutz die Corona-Pandemie weitestgehend die Regie übernommen.

                               Nur aus dieser Krise gelernt haben wir     Mobilität
                           nichts. Corona ist noch nicht überwunden           Diese Krise hatte und hat indirekte
                           und dabei befinden wir uns bereits mit-        Auswirkungen auf Natur und Umwelt.
                           tendrin in zwei weiteren, viel größeren Kri-   Eindrücklich im Frühjahr die Bilder der
                           sen, gegen die es keinen medizinischen         glasklaren Kanäle von Venedig, in denen
                           Impfstoff geben wird. Klima- und Biodi-        sich die Fische tummeln. Daran konnten
                           versitätskrise sind keine abstrakten und       sich sogar die älteren Einwohner der Stadt
                           theoretischen Bedrohungen mehr. Sie sind       nicht mehr erinnern. Auch bei uns waren
                           real und deutlich sichtbar.                    die Folgen der Pandemie sicht- und hör-

                                                                                                                                                                         Foto: Griseldis Dietl
                                                                          bar: Leere Straßen bedeuten weniger
                           Andere neue Arbeitsweise                       Schadstoffe und Lärm – eine durchaus po-
                               Das Thema Corona können auch wir           sitive Begleiterscheinung, ebenso wie die
                           bei unserem Blick zurück nicht ausklam-        Etablierung von Homeoffice. Ein Tag             Motorradlärm auf den Pässen
                           mern. Trotz aller Einschränkungen und          Heimarbeit pro Woche bedeutet 20 Pro-
                           Hürden, die der Lockdown erfordert hat,        zent weniger pendeln und damit weniger              Noch lange nicht besiegelt ist indes der
                           können wir dennoch behaupten, so gut wie       Verkehr. Mit den verminderten Belastun-         Ausbau des Bozner Flugplatzes. Auch
                           alle geplanten Tätigkeiten und Vorhaben        gen ist aber auch die Notwendigkeit ver-        wenn dieses Thema vom Dachverband für
                           unseres Jahresprogramms 2020 realisiert        schwunden, echte Lösungen für diese Pro-        Natur- und Umweltschutz heuer weniger
                                                                                                                          prominent in der Öffentlichkeit gespielt
                                                                                                                          wurde, war doch unser Vorstoß über die
                                                                                                                          nationale Anti-Korruptionsbehörde
                                                                                                                          ANAC ein großer Schritt in Richtung
                                                                                                                          Stopp der Zivil-Luftfahrt am Bozner
                                                                                                                          Flugplatz. Die durch die Corona-Krise arg
                                                                                                                          ins Straucheln geratene Luftfahrt-Indus-
                                                                                                                          trie wird sich insgesamt nicht so schnell
                                                                                                                          erholen können. Zudem gerät sie immer
                                                                                                                          stärker aus klimarelevanten Überlegun-
                                                                                                                          gen unter Druck, sodass der Bozner Flug-
    Foto: Albert Willeit

                                                                                                                          platz weder in dieser und schon gar nicht
                                                                                                                          in einer ausgebauten Variante eine Da-
                                                                                                                          seinsberechtigung hat. Der Dachverband
                           Hotelkomplex in die Natur gebaut                                                               setzt sich nach wie vor vehement mit al-
                                                                                                                          len Mitteln gegen den Ausbau des Boz-
                           zu haben. Manche Projekte mussten gleich       bleme zu finden und konkret umzusetzen.         ner Flugplatzes ein und wir hoffen, bereits
                           zwei Mal angegangen werden, wie etwa           Doch Corona und der Lockdown können             in Kürze neue Entwicklungen präsentie-
                           die Organisation der Tagung zu Spritlü-        nicht die Lösung unserer Verkehrsproble-        ren zu können.
                           cke und Emissionen mit der Deutschen           me sein. Gerade heuer hätte man die Zeit
                           Umwelthilfe (dazu Seite 10) – einmal im        nutzen können, ein sinnvolles und durch-        Raumordnung
                           Frühjahr als physische Tagung und dann         dachtes Verkehrskonzept für die Pass-           und Landschaftsschutz
                           mit neuem Zuschnitt im Herbst als On-          straßen zu erarbeiten. Passiert ist dazu lei-       2020 hätte auch das Jahr sein sollen, in
                           line-Webinar. Schlussendlich zählt, dass       der auch heuer nichts. Genauso wenig ist        dem das neue Gesetz für Raum und
                           die Veranstaltung erfolgreich über die         in Sachen Stickoxid-Belastung entlang           Landschaft endlich in Kraft treten soll.
                           Bühne ging und wir in der Geschäftsstel-       der Autobahn passiert. Es ist absehbar,         Zuerst im Jänner, dann im Juli. Seit der
                           le so – wenn auch notgedrungen – einiges       dass es seit der Einführung der verbindli-      Verabschiedung 2018 durch den Landtag
                           dazugelernt haben.                             chen Stickoxid-Jahresgrenzwerte 2010            hat der Dachverband in zahlreichen Pres-

4                                                                                                                         naturschutzblatt 3/2020
MalDANKE - Mehr Biodiversität ohne Wenn - Dachverband für Natur- und ...
semitteilungen, Pressekonferenzen, Stel-      von Rechtsstreitigkeiten zu verschiedenen           weltschutz hat sich in das Genehmigungs-
                                      lungnahmen, Offenen Briefen, Ausspra-         Skigebieten involviert. So z.B. die Beru-           verfahren eingebracht und verfolgt das
                                      chen, … auf eine ganze Reihe von Prob-        fung zur Talabfahrt Rosskopf beim                   weitere Procedere bis zur Beschlussfas-
                                      lemen inhaltlicher und formeller Natur zu     Staatsrat in Rom, ebenso wie die Beru-              sung sehr genau. Dies dürfte im heurigen
                                      diesem Gesetz aufmerksam gemacht.             fung beim Staatsrat zur Erschließung in             Jahr nicht mehr erfolgen, womit wir dann
                                      Mittlerweile wurden einige dieser Punk-       Klein-Gitsch, zu der es nicht nur ein um-           18 Jahre zu spät dran sind. Daher freut es
                                      te korrigiert, dies aber nur angesichts der   fangreiches und in all seinen Punkten ein-          uns umso mehr, dass wir in entscheiden-
                                      Anfechtung des Gesetzes durch die römi-       deutig negatives Gutachten des UVP-Bei-             dem Maße das Flussholz-Projekt mit ei-
                                      sche Regierung. Dafür wurde das Gesetz,       rates gibt, sondern ein für uns auch voll-          ner Reihe von Landesämtern umsetzen
                                      an dem jahrelang geschrieben wurde, in-       kommen unverständlich ausgefallenes Ur-
                                      nerhalb der ersten Monate schon zigmal        teil des Bozner Verwaltungsgerichtes. Aber
                                      abgeändert, angepasst und mit spontanen       auch bei gewonnenen Rekursen geniert
                                      Übergangsbestimmungen versehen. Ein           sich die Landesregierung nicht, das Pro-
                                      Gesetz, das schon gravierende Abstriche       jekt mit denselben Prämissen einfach
                                      im Vergleich zu den ursprünglichen Leit-      nochmals zu genehmigen, wie am Beispiel
                                      linien aufwies, wird durch diese Änderun-     Marinzen ersichtlich. Bei der grenzüber-
                                      gen nochmals aufgeweicht. Vom großen          schreitenden Skiverbindung Sexten-Sil-
                                      Vorhaben eines innovativen Raumord-           lian hat die Landesregierung auch bereits
                                      nungsgesetzes, welches auch den Land-         grünes Licht erteilt. Einzig das Projekt
                                      schaftsschutz mitregeln sollte und unter      Langtaufers-Kaunertal wurde vorerst ab-

                                                                                                                                                                                     Foto: Griseldis Dietl
                                      dem Motto stand „innen flexibel, außen        gelehnt.
                                      penibel“, ist aktuell nur mehr ein Trauer-
                                      spiel. Der vorerst letzte Tiefpunkt ist die   Unsere Gewässer ohne Schutz
                                      offensichtliche Unfähigkeit, in den vom           Im heurigen Jahr sollte mit der Ge-              Totholz in der Talfer
                                      Gesetz vorgesehenen Kommissionen ei-          nehmigung des Gewässerschutzplans
                                      ne adäquate Vertretung der Frauen zu ga-      auch die Odyssee der lokalen Umsetzung              können. Trotz Corona wurden bereits an
                                      rantieren. Wohin die Abtretung der Pla-       der europäischen Wasserrahmenrichtlinie             zwei Standorten durch gezielte Einbrin-
                                      nungskompetenzen an die Gemeinden bei         enden. Mit einer beschämenden Verspä-               gung von Holzstrukturen neue Lebens-
                                      nunmehr gelockerten normativen Grund-         tung von 17 Jahren. Gerade für Südtirol,            räume in unseren Gewässern geschaffen.
                                      sätzen führen wird, kann man nur erah-        das immer und überall Schnellster, Schöns-          Im kommenden Jahr werden weitere zwei
                                      nen.                                          ter und Bester sein will. Auch an dieser            Standorte im Land folgen. Mittelfristig
                                                                                    politischen Verschleppungstaktik sieht              soll sich das Thema Flussholz beim Ge-
                                                                                    man, welchen Stellenwert der Schutz von             wässerunterhalt des Landes zum Standard
                                                                                    Lebensräumen, Arten und Biodiversität               etablieren.
                                                                                    hat. Der Dachverband für Natur- und Um-                                     Andreas Riedl
Foto: Josef Essl/Archiv Dachverband

                                      Bergwelt zum Sexten-Sillian-Skiprojekt

                                      Skigebiete: Koste es,
                                      was es wolle
                                          Skigebiete werden in Südtirol trotz
                                                                                                                                                                                     Foto: Dachverband für Natur- und Umweltschutz

                                      Klimawandel, seit Jahren stagnierender
                                      Nutzer-Zahlen und aktueller Corona-Kri-
                                      se politisch weiterhin protegiert und fi-
                                      nanziell subventioniert, als ob bei uns das
                                                                                       Seit nunmehr zehn Jahren ist Marion Auer in Teilzeit verantwortlich für die Verwaltung des
                                      Geld aus der Wand rinnen würde. Der              Dachverbandes, zuständig für Mitglieder und Bilanz. Der Vorsitzende Klauspeter Dissinger
                                      Dachverband für Natur- und Umwelt-               dankt ihr herzlich für den steten und korrekten Einsatz in diesen Jahren.
                                      schutz ist nach wie vor in einer Vielzahl

                                      naturschutzblatt 3/2020                                                                                                                                                                        5
MalDANKE - Mehr Biodiversität ohne Wenn - Dachverband für Natur- und ...
Zukunftspakt für Südtirol                                                                                  In allen Lebensbereichen
                                                                                                                                       Nutzen wir die weitreichenden Mög-

                         In eine nachhaltige Zukunft
                                                                                                                                    lichkeiten unserer politischen Autonomie,
                                                                                                                                    um in folgenden Bereichen gemeinsam
                                                                                                                                    die entscheidenden Schritte vom Wissen
                         In der aktuellen Corona-Krise erleben wir, wie schnell sich unser Leben in einem                           zum Wollen und vom Wollen zum Tun zu
                         bisher unvorstellbaren Ausmaß verändert hat, und wir sehen, dass die Politik in der                        gehen:
                         Lage ist, in einer Krisensituation die volle Entscheidungsmacht in die Hand zu neh-
                         men. Uns allen ist klar, dass jetzt dringend gehandelt werden muss.                                        – Ausbau einer regionalen Kreislauf-
                                                                                                                                      wirtschaft, welche die Grundversorgung
                             Es gilt, das wirtschaftliche und gesell-          und sozialen Entwicklung mit den ökolo-                der Bevölkerung und die Existenz-
                         schaftliche Leben neu aufzubauen, und                 gischen Erfordernissen abstimmt. Die                   grundlage der Betriebe sicherstellt – ins-
                         zwar wirklich krisenfest und zukunftsfähig.           Umsetzung muss kontinuierlich und trans-               besondere in den Bereichen Landwirt-
                         In unserer Verantwortung liegt es, jetzt die          parent begleitet, überwacht und entspre-               schaft und Ernährung, Bauen und Woh-
                         Weichen dafür zu stellen, dass unsere Kin-            chend den neuesten wissenschaftlichen                  nen sowie Energie;
                         der und Enkelkinder intakte Lebensräu-                Erkenntnissen, Erfahrungswerten, Mög-                – Erhalt der natürlichen Lebensgrund-
                         me, nachhaltige Versorgungssysteme und                lichkeiten und Bedürfnissen aktualisiert               lagen, mit klarem Blick auf Artenvielfalt,
                         leistungsfähige Infrastrukturen vorfinden,            werden.                                                Bodenfruchtbarkeit und Naturschön-­
                         ganz im Sinne der nachhaltigen Entwick-                                                                      heit;
                         lungsziele der Vereinten Nationen.                                                                         – Entwicklung eines nachhaltigen Nah-
                                                                                                                                      verkehrssystems sowie Förderung von
                         Dringend notwendig                                                                                           Logistiksystemen, die Menschen und
                            Mit diesem Manifest wollen wir auf die                                                                    Waren klimaneutral, sicher, schnell und
                         Dringlichkeit der gemeinsamen Anstren-                                                                       leise in der Region transportieren;
                         gungen hinweisen, die für die Planung und                                                                  – die Möglichkeit auf allen Ebenen aktiv
                         Umsetzung der entsprechenden Maßnah-                                                                         teilzunehmen an den Gestaltungs- und
                         men nötig sind. Aus dieser Sorge, aber auch              Die Entwicklung dieses Nachhaltig-                  Entscheidungsprozessen (Nachbar-
                         aus der damit verbundenen Hoffnung he-                keitsplanes soll öffentlich finanziert wer-            schaft, Gemeinde, Land, Arbeitswelt);
                         raus laden wir unsere gewählten politi-               den und WissenschaftlerInnen, Bürge-                 – Stärkung von Bildung, Kultur und
                         schen VertreterInnen und unsere Landes-               rInnen, VertreterInnen von Interessen-                 Wissenschaft als Voraussetzung für ein
                         regierung dazu ein, einen Zukunftspakt                gruppen und politische Entscheidungs-                  reges Geistesleben und eine kritische
                         mit den Bürgerinnen und Bürgern des                   trägerInnen gleichermaßen einbeziehen.                 Bürgergesellschaft;
                         Landes zu schließen.                                  Der Entwicklungsprozess soll von einem               – Erreichung der Klimaneutralität bis
                                                                               unabhängigen Zukunftsrat begleitet wer-                2035.
                         Zukunftsfähig                                         den. Dieser Rat arbeitet auf wissenschaft-
                           Kernpunkt dieses Paktes muss ein                    lichen Grundlagen und ist auch Garant                    Wir stehen dafür ein, dass dieser Zu-
                         Nachhaltigkeitsplan sein, mit einem Zeit-             dafür, dass sich die VertreterInnen der Zi-          kunftspakt und seine Vision für das Land
                         horizont von zehn bis 15 Jahren, der die              vilgesellschaft und der Interessensgrup-             Südtirol umgesetzt werden. Wir laden den
                         Weichenstellungen in der wirtschaftlichen             pen aktiv einbringen können.                         Landtag und die Landesregierung dazu
                                                                                                                                    ein, diesen Prozess einzuleiten, die For-
                                                                                                                                    men der Zusammenarbeit zwischen Bür-
                                                                                                                                    gergesellschaft, Wissenschaft und Politik
                                                                                                                                    auszuarbeiten und die nötigen Ressour-
                                                                                                                                    cen bereitzustellen. Schon vor der Fertig-
                                                                                                                                    stellung des Nachhaltigkeitsplanes sollen
                                                                                                                                    alle Maßnahmen, Investitionen und För-
                                                                                                                                    derungen des Landes an den oben formu-
                                                                                                                                    lierten Zielen ausgerichtet werden.
                                                                                                                                        Um der Forderung nach einem „Zu-
                                                                                                                                    kunftspakt für Südtirol“ die nötige Kraft
                                                                                                                                    zu verleihen, sind alle Bürgerinnen
                                                                                                                                    und Bürger eingeladen, die Initiative mit
    Foto: Zukunftspakt

                                                                                                                                    ihrem Namen auf der Internet-Seite
                                                                                                                                    www.zukunftspakt-pattofuturo.org zu
                                                                                                                                    unterstützen.
                         Bei der Pressekonferenz im September 2020 wurde der Zukunftspakt für Südtirol vorgestellt – v.li.
                         Sozialwissenschaftlerin Sabine Frei, Design-Professor Kris Krois, Klimaforscher Georg Kaser, Nachhaltig-
                         keitsberater Emilio Vettori und Unternehmer Johannes Engl.                                                            Zukunftspakt für Südtirol

6                                                                                                                                   naturschutzblatt 3/2020
MalDANKE - Mehr Biodiversität ohne Wenn - Dachverband für Natur- und ...
Neu in Südtirol: Netzwerk für Nachhaltigkeit
                                    Am 19. August 2020 präsentierte sich Südtirols Netzwerk für Nachhaltigkeit der Öf-                    bündeln.“ Südtirols Netzwerk für Nach-
                                    fentlichkeit. Es bietet Vereinen, Verbänden, Organisationen und Gruppen die Mög-                      haltigkeit zielt genau darauf ab: Es schafft
                                    lichkeit, sich für eine zukunftsfähige Veränderung in Südtirol stark zu machen. Den                   eine Plattform, die es allen Engagierten
                                    gemeinsamen Rahmen für die Veränderung bilden die 17 Ziele für nachhaltige Ent-                       ermöglicht ihre Kräfte zu bündeln.
                                    wicklung der Vereinten Nationen.
                                                                                                                                          Gemeinsamer Online-Auftritt
                                       Gegründet wurde das Netzwerk, mit                     da 2030. Die Agenda 2030 und die 17 Zie-        Ein wichtiges Instrument dafür ist das
                                    einem Beitrag der Autonomen Provinz                      le – auch SDGs (Sustainable Develop-         kostenfreie Online-Portal www.future.
                                    Bozen, durch den Impuls von über 30 Or-                  ment Goals) genannt – sind ein Fahrplan      bz.it, das allen Interessierten, kleinen wie
                                    ganisationen, die seit Jahrzehnten zu den                für die Zukunft: Sie sollen weltweit ein     großen Vereinen, Verbänden, Organisatio­
                                    Bereichen Bewusstseinsbildung und Glo-                   menschenwürdiges Leben ermöglichen           nen und Gruppen ermöglicht, sich als
                                    bales Lernen in Südtirol aktiv sind. Stand               und dabei gleichsam die natürlichen Le-      PartnerInnen einzubringen. Der Online-
                                                                                                                                          Kalender ist als gemeinsamer Eventkalen-
                                                                                                                                          der offen für alle Veranstaltungen der
                                                                                                                                          NetzwerkpartnerInnen. Eine interaktive
                                                                                                                                          Südtirol-Karte zeigt, wer sich wo für wel-
                                                                                                                                          che Ziele engagiert und welche Events ver-
                                                                                                                                          anstaltet werden.
                                                                                                                                             Für das Jahr 2021 plant das Netzwerk
                                                                                                                                          173 Initiativen in ganz Südtirol, die inei­
Foto: Netzwerk für Nachhaltigkeit

                                                                                                                                          nandergreifen und das Netzwerk in ein ge-
                                                                                                                                          meinsames Wirkungsfeld holen. Die ge-
                                                                                                                                          naue Planung wird im Jänner 2021 vorge-
                                                                                                                                          stellt. NetzwerkpartnerInnen werden vor-
                                                                                                                                          ab bei einem Online-Treffen im Dezem-
                                    Südtirols Netzwerk für Nachhaltigkeit stellt sich vor.                                                ber, mit Anmeldung an info@future.bz.it,
                                                                                                                                          informiert.
                                    heute haben sich zu den InitiatorInnen                   bensgrundlagen dauerhaft bewahren. Die
                                    bereits 60 weitere Vereine und Organisa-                 17 SDGs decken eine Vielzahl von The-        Mit dabei sein
                                    tionen angeschlossen, Tendenz steigend.                  men ab: Klimaschutz, menschenwürdige           NetzwerkpartnerInnen können alle
                                       Südtirols Netzwerk für Nachhaltigkeit                 Arbeit, Geschlechtergleichheit, nachhal-     Südtiroler Organisationen, Vereine und
                                    sieht sich als freie, autonome, partei- und              tiger Konsum, qualitativ hochwertige Bil-    Gruppen werden, die ihren Beitrag zur
                                    interessensübergreifende Plattform mit                   dung, Schutz der Ökosysteme und Biodi-       Umsetzung der SDGs in Südtirol leisten
                                    einem klaren, dreifachen Auftrag:
                                    1. die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele
                                       der Vereinten Nationen in Südtirol be-
                                       kannt zu machen und deren Zusam-
                                       menspiel und Bedeutung – global und
                                       für Südtirol – aufzuzeigen;
                                    2. die Zivilbevölkerung, d.h. Vereine, Or-
                                       ganisationen und Gruppen, rund um
                                       diese Ziele zu vernetzen, im Sinne ei-                versität, Frieden und Partnerschaften. Da-   möchten und die Wertecharta des Netz-
                                       ner konstruktiven und wertschätzen-                   bei sind die Ziele keine Gruppe von Ein-     werks teilen. Diese Voraussetzungen er-
                                       den Auseinandersetzung;                               zelzielen, sondern ein ganzheitlicher, in-   füllend können sich Interessierte auf der
                                    3. die NetzwerkpartnerInnen sowie de-                    einander verflochtener Rahmen.               Website des Netzwerks www.future.bz.it
                                       ren Eigeninitiativen und Veranstaltun-                                                             eintragen und das Netzwerk mitgestalten.
                                       gen mit Bezug zu diesen Zielen auf der                Konkrete Zielsetzung
                                       Website www.future.bz.it sichtbar zu                     Koordinatorin Judith Hafner betont:          Ganz nach dem Motto: Jede/r kann da-
                                       machen.                                               „Corona hat uns gezeigt, wie schnell sich    zu beitragen, diese Welt lebenswerter, ge-
                                                                                             Spielräume verengen können. Das gilt auch    rechter und nachhaltiger zu machen.
                                    Das Fundament                                            für die nachhaltigen Entwicklungsziele:
                                      Die Basis der Vernetzung bilden die 17                 Noch können wir die Weichen für ein le-                               Tanya Deporta
                                    Ziele für nachhaltige Entwicklung der                    benswertes Morgen stellen. Doch dafür                           Südtirols Netzwerk
                                    Vereinten Nationen, Kernstück der Agen-                  müssen wir jetzt unsere Kompetenzen                              für Nachhaltigkeit

                                    naturschutzblatt 3/2020                                                                                                                              7
MalDANKE - Mehr Biodiversität ohne Wenn - Dachverband für Natur- und ...
Biodiversität                                                                                Weltklimagipfel, die Weltbio-
                                                                                                 diversitätskonferenz und der
                                                                                                 Weltnaturschutzgipfel einst-

    Auf ganzer Länge gescheitert                                                                 weilen auf das kommende Jahr
                                                                                                 verschoben. Einzig der UN-
                                                                                                 Gipfel zur Biologischen Viel-
    Die Vereinten Nationen haben das Jahrzehnt von 2011 bis 2020 zur UN-Dekade der               falt wurde am 30. September
    Biodiversität erklärt. Damit sollte nachdrücklich ein Bewusstsein zum weltweiten             dieses Jahres abgehalten – wenn
    Erhalt der biologischen Vielfalt geschaffen, der Weg für eine entsprechende Politik          auch nur als Online-Konferenz.
    geebnet werden. Dazu wurden Pläne und konkrete Ziele erarbeitet.                             Dieser war es wohl geschuldet,
                                                                                                 dass erstmals in der Geschich-
       Nun, nach zehn Jahren, wurde Resü-         genannten Aichi-Ziele, formuliert und          te der Vereinten Nationen über
    mee gezogen – und die Bilanz ist mehr als     verabschiedet.                                 100 Staats- und Regierungs-
    nur ernüchternd: Von den vorgegebenen                                                        chefs an der virtuellen Konfe-
    zwanzig Zielen wurde kein einziges er-                                                       renz teilnahmen und ein Groß-
    reicht! Das ist eine riesige Enttäuschung,                                                   teil von ihnen die Zusicherung
    macht aber auch unmissverständlich klar:                                                     gab, bei der nun 2021 stattfin-
    Es bedarf einer ganz anderen Qualität an          Global                                     denden Weltbiodiversitätskon-
    Engagement und Anstrengung. Ein wei-              Biodiversity                               ferenz Ziele unterstützen zu
    teres Scheitern dürfen und können wir uns         Outlook 5                                  wollen, die ehrgeizig genug wä-
    nicht mehr leisten.                                SUMMARY FOR POLICYMAKERS                  ren, um das weltweite Arten-
                                                                                                 sterben zu stoppen.
    Rasches Aussterben
       Bereits der Ende Mai 2019 veröffent-                                                      Das nächste
    lichte IPBES-Bericht zum Zustand der                                                         Versprechen
    weltweiten Biodiversität stellte alarmie-                                                       Bei diesem „Leader‘s pledge
    rend fest, dass Tier- und Pflanzenarten                                                      for nature“, zu Deutsch Verspre-
    durch das Zutun des Menschen nun bis                                                         chen an die Natur, verpflichten
    zu tausendmal schneller aussterben. Viel-                                                    sich die Staats- und Regierung-
    fach wurde der aktuelle Trend auch als das                                                   schefs nach der Coronakrise
    sechste Massenaussterben bezeichnet, wo-                                                     den Wiederaufbau nicht zu La-
    bei die ersten fünf geogener Art bzw. kos-                                                   sten der Umwelt zu forcieren,
    mischen Ursprungs waren. Hingegen ist         Die Bilanz                                     den ökologischen Umbau von
    das aktuelle Massenaussterben vor allem          Der nun Mitte September veröffentli-        Land- und Forstwirtschaft vor-
    auf den Menschen zurückzuführen. Auch         chte fünfte Globale Biodiversitätsausblick     anzutreiben, umweltschädliche
    der seit dem Jahr 1998 in zweijährigem        (Global Biodiversity Outlook 5) präsen-        Subventionen abzubauen und
    Rhythmus vom WWF herausgegebene               tiert eine bittere Bilanz: Von den zwanzig     die Überfischung der Welt-
    Living Planet Report dokumentiert seit        konkreten Kernzielen wurde kein einziges       meere und ihre Vermüllung mit
    geraumer Zeit den dramatischen Rück-          vollständig erreicht. Nur sechs Kernziele      Plastik bis 2050 zu beenden so-
    gang der weltweiten Artenvielfalt.            konnten teilweise erreicht werden. Im De-      wie anderes mehr. Das weitere
                                                  tail bestehen diese zwanzig Kernziele aus      Ziel, nicht weniger als 30 Pro-
    Der Ausgangspunkt                             insgesamt sechzig Einzelelementen und          zent der Landfläche und eben-
       2010 wurde von den Vereinten Natio-        auch hier schauen die Ergebnisse ähnlich       so 30 Prozent des Meeres bis
    nen das Internationale Jahr der Artenviel-    schlecht aus. Von allen sechzig Einzelele-     2030 als Schutzgebiete auszu-
    falt ausgerufen. Im selben Jahr wurde das     menten wurden gar nur sieben vollständig       weisen, findet sich auch in der
    Übereinkommen über die Biologische            erreicht. Dreizehn Elemente weisen gar         im Mai diesen Jahres präsen-
    Vielfalt (CBD) von der 10. Vertragsstaa-      keine Entwicklung auf oder veränderten         tierten Biodiversitätsstrategie
    tenkonferenz in Nagoya/Japan und ein          sich sogar negativ. Damit sind die Verein-     der Europäischen Union, die
    Strategischer Plan 2011-2020 für die Er-      ten Nationen und die über hundert Ver-         darüber hinaus noch weitere
    haltung der biologischen Vielfalt entwi-      tragsstaaten mit ihrer Strategie, durch kon-   konkrete Ziele – allesamt bis
    ckelt, mit dem der Verlust der biologischen   krete Ziele den Rückgang der Artenviel-        2030 – enthält: 50 Prozent we-
    Vielfalt auf lokaler, regionaler und natio-   falt zu begrenzen, klar gescheitert.           niger Pestizide einsetzen, die
    naler Ebene signifikant reduziert werden                                                     Landwirtschaft ökologisieren,
    sollte. Neben einer allgemeinen Vision und    Nach 2020 – wie weiter?                        20 Milliarden Euro im Jahr für
    einer konkreten Mission wurden fünf all-        Aufgrund der Corona-Pandemie wur-            Naturschutz aufwenden und die
    gemeine strategische Ziele sowie insge-       den die für 2020 geplanten Megaevents          Wiederherstellung zerstörter
    samt zwanzig konkrete Kernziele, die so-      zum Natur- und Klimaschutz wie der             Lebensräume vorantreiben.

8                                                                                                naturschutzblatt 3/2020
MalDANKE - Mehr Biodiversität ohne Wenn - Dachverband für Natur- und ...
Die bittere Realität
    Wie viel all diese Versprechen und Ab-
sichtserklärungen Wert sind, selbst wenn
sie als Abkommen oder Verpflichtung for-
muliert werden, erkennt man nicht nur an
den gescheiterten Zielsetzungen der UN-
Dekade für Biodiversität. Nur drei Wo-
chen nach dem UN-Gipfel zur Biolo-
gischen Vielfalt hat in Brüssel das EU-

                                                                                                                                           Foto: pixabay
Parlament über die Gemeinsame Agrar-
politik (GAP) der EU für die kommen-
den sieben Jahre abgestimmt und dabei
beschlossen, die Agrarpolitik bis 2027 im
Wesentlichen unverändert zu belassen.         Europäisches Bodenbündnis
                                              20 Jahre Manifest von Bozen
Dabei ist längst klar, welch negativen Ein-
fluss die Agrarindustrie auf Artenvielfalt
und Klima hat. Diese Entscheidung des
EU-Parlaments widerspricht somit allem,       Am 24. Oktober 2000, also bereits vor 20 Jahren, wurde mit der Verabschiedung des
was im New Green Deal von Kommis­             Manifests von Bozen der Grundstein für das europäische Bodenbündnis gelegt. In Süd-
sionspräsidentin Ursula von der Leyen bei     tirols Alltag angekommen sind dessen Inhalte aber nie so wirklich. Dabei spielt die
ihrem Amtsantritt angekündigt wurde.          Ressource Boden sowohl in der Raumordnung als auch im Klimaschutz eine wirklich
Beugt sich die EU-Kommission dem Par-         entscheidende Rolle.
lament, fließt weiterhin ein Drittel des
EU-Haushaltes in erster Linie in eine na-        Im Mai des Jahres 2000 wurde wäh-           Manifests von Bozen heute aktueller denn
tur- und klimaschädigende Landwirt-           rend der Jahrestagung des Europäischen         je sind. Bereits vor 20 Jahren bestand die
schaftspolitik. Dabei müssten die Steuer-     Klima-Bündnisses in Bozen die Idee ei-         eindeutige Notwendigkeit des sparsamen
Milliarden endlich für die Natur einge-       nes kommunalen Bündnisses für den Bo-          und sorgsamen Umgangs mit der Ressour-
setzt werden und nicht gegen sie.             den vorgestellt. Noch im selben Jahr wur-      ce Boden und zwar nicht nur was die raum-
                                              de das Manifest von Bozen verabschiedet        ordnerischen Themen anbelangt. Gerade
Alle Nachhaltigkeitsziele                     und somit der Grundstein für das Boden-        in Bezug auf den Klimaschutz kommen
bedroht                                       bündnis europäischer Städte, Kreise und        in den nächsten Jahren gewaltige Heraus-
   Der fünfte Biodiversitätsausblick stellt   Gemeinden gelegt (www.bodenbuend-              forderungen auf uns zu. Den Boden als
auch klar, dass mit dem Scheitern der         nis.org).                                      unseren Verbündeten klammern wir hier
Kernziele zur Biodiversität nicht nur al-                                                    leider noch viel zu oft aus, obwohl dessen
lein dieser Bereich gefährdet ist. Die kom-   Klimabündnis in Südtirol                       zentrale Rolle schon vor Jahrzehnten er-
plexen Zusammenhänge von Artenviel-              Das länger bestehende europäische           kannt wurde.
falt, Nahrungsmittelproduktion und Ver-       Klimabündnis war zeitweise stark in der
sorgungssicherheit, Bewältigung von Hun-      Südtiroler Gemeinden-Landschaft ver-
ger und anderem mehr gefährden ganz de-       treten. Über 80 der 116 waren in den Spit-
zidiert auch die Erreichung der siebzehn      zenzeiten Mitglied dieses Zusammen-
Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Deve-       schlusses, Gemeinden ganzer Talschaften
lopment Goals/SDG – Seite 7) der Ver-         waren im Klimabündnis vertreten. Offi-
einten Nationen.                              ziell sind immer noch 66 Gemeinden Süd-
   Die Trendwende zur Erreichung der          tirols dort Mitglied. Inwieweit aber die
Biodiversitäts-, der Nachhaltigkeits- so-     heutigen Gemeindeverwalter überhaupt
wie der Klimaziele sind zu fundamental        wissen, wozu sich ihre Gemeinde mit dem        Es bleibt viel zu tun
für die Weltgemeinschaft, als dass wir uns    Beitritt bekannt hat, ist ebenso fraglich         An den Inhalten und Zielen des Ma-
weiter nur auf Lippenbekenntnisse und         wie die Maßnahmen, die diese Gemein-           nifests von Bozen zeigt sich, dass zwischen
ambitionierte Ziele der globalen Entschei-    den noch setzen.                               Anspruch und Wirklichkeit eine nicht zu
dungsträger verlassen sollten.                                                               übersehende Lücke klafft. Das Jubiläum
   Werden wir selbst aktiv, und „seien wir    … und das Bodenbündnis                         nunmehr kann eine gute Gelegenheit sein,
selbst die Veränderung, die wir in der Welt      Noch viel weniger sichtbar ist in Süd-      die aktuellen politischen Weichenstellun-
sehen wollen!“ Gelegenheit dazu bieten        tirol das Bodenbündnis. Gerade mal zwei        gen, vor allem in Sachen Raumordnung
der Zukunftspakt Südtirol (Seite 6) oder      Gemeinden und die Autonome Provinz             und Klimaschutz, kritisch zu hinterfragen
das Netzwerk Nachhaltigkeit (Seite 7).        Bozen als Sitz der Vertretung für Italien      und an jene Zielsetzungen anzupassen, zu
                                              sind aktuell als Mitglied geführt. Und dies,   denen man sich bereits vor mittlerweile
                          Andreas Riedl       obwohl die Inhalte und Zielsetzungen des       zwei Jahrzehnten bekannt hat.

naturschutzblatt 3/2020                                                                                                                                    9
MalDANKE - Mehr Biodiversität ohne Wenn - Dachverband für Natur- und ...
Spritlücke und Emissionen
                                                Die Deutsche Umwelthilfe hat in Deutschland dutzende Prozesse angestrengt, um die                           endlich konnten wir 24 Teilnehmer begrü-
                                                öffentliche Verwaltung zu zwingen, endlich die Grenzwerte im Verkehr einzuhalten, und                       ßen, die von Experten der DUH zu Ver-
                                                ist damit bislang durchaus erfolgreich. Kern des Übels sind aber die Tricksereien der Au-                   braucherrechten, falschen Verbrauchsan-
                                                tomobilhersteller bei der Angabe der Emissionsdaten der Fahrzeuge. In einer gemein-                         gaben der Automobilhersteller und Klima-
                                                samen Online-Tagung wurde das Thema nun auch bei uns präsentiert und diskutiert.                            folgen, kollektivem Rechtschutz in den EU-
                                                                                                                                                            Mitgliedstaaten, juristische Klagen und
                                                   Seit Jahren zeigt der Dachverband für              Rechtsfälle in Deutschland und Italien                Prozessen für Luftreinhaltung und deren
                                                Natur- und Umweltschutz die ständigen                 ausgesucht hat. Diese Tagung ist dabei Teil           Erfolge in Deutschland informiert wurden.
                                                Grenzwert-Überschreitungen von Stick-                 eines größeren von der Europäischen                   Die aktuelle Situation der Luftqualität in
                                                oxiden entlang der Brennerautobahn und                Kommission im Rahmen des LIFE-Pro-                    Südtirol und die erste Klage in Italien durch
                                                in den Ballungszentren Südtirols auf. Auch            grammes geförderten Projekts “Get Real –              den Dachverband für Natur- und Umwelt-
                                                ein Urteil des Verwaltungsgerichts Lati-              Demand fuel figures you can trust”.                   schutz waren weitere Themen. Dabei zeig-
                                                um gibt uns Recht.                                                                                          te sich, dass die Probleme der Luftreinhal-
                                                                                                      Als Webinar durchgeführt                              tung hier wie dort vor allem auf die vorsätz-
                                                In Deutschland erfolgreich                               Ursprünglich hätte die Tagung Anfang               lichen Manipulationen der Automobilher-
                                                   Auch hierzulande ist über die Medien               März in der Sparkassen-Academy in Bo-                 steller zurückzuführen sind und die Fahr-
                                                das erfolgreiche Arbeiten der Deutschen               zen als Ganztages-Veranstaltung über die              zeuge im Alltagsgebrauch deutlich höhere
                                                Umwelthilfe (DUH – www.duh.de) be-                    Bühne gehen sollen. Covid hat auch uns                Emissionswerte aufweisen als auf den Prüf-
                                                kannt geworden, ihre zahlreich geführten              hier im letzten Moment einen Strich durch             ständen.
                                                Prozesse gegen Städte und Kommunen in                 die Rechnung gemacht, sodass wir die Ta-                  Wir hoffen, dass wir mit dieser Tagung
                                                Deutschland, welche zu wenig Maßnah-                  gung kurzfristig absagen mussten. Am 22.              dazu beitragen konnten, das Thema in Süd-
                                                men gegen die Schadstoff-Emissionen un-               September wurde diese als Webinar mit ei-             tirol und darüber hinaus aktuell zu halten
                                                ternehmen. Umso mehr hat sich der Dach-               nem adaptierten Programm-Ablauf nach-                 und aufzuzeigen, dass es durchaus juristi-
                                                verband für Natur- und Umweltschutz                   geholt, nachdem mit der Rechtsanwalts-                sche Mittel und Möglichkeiten gibt, sau-
                                                Ende letzten Jahres gefreut, dass die DUH             kammer Bozen abgeklärt werden konnte,                 bere Luft einzuklagen und die Verursacher
                                                gerade ihn als lokalen Partner für eine Ta-           dass die Veranstaltung auch in diesem di-             in die Verantwortung zu nehmen.
                                                gung zum Thema Spritlücke und Luft-                   gitalen Format als Weiterbildung für
                                                reinhaltung: Rechtsinstrumente und                    Rechtsanwälte anerkannt wird. Schluss-                                              Andreas Riedl
     Fotocollage: Griseldis Dietl/Dachverband

                                                Die Referenten bei ihren Online-Ausführungen: oben v.li. Karoline Borwieck (Geulen & Klinger/D), Axel Friedrich (DUH), Isabell Merkle (DUH); unten v.li. Robin
                                                Kulpa (DUH), Luca Verdi (Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz/BZ), Remo Klinger (Geulen & Klinger/D), Alex Telser (RA-Sozietät Trebo Zojer Telser/BZ)

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Das Wort unseren Mitgliedsgruppen
   Verbindung                                                                                  Politischen Rechte
 Monte Pana – Saltria                                                                          gelten immer,
 Seit rund 40 Jahren kämpfen prominente Akteure, verschiedenste Gruppie-
 rungen und Verbände auf Talschafts- und Landesebene und über die Regio-
                                                                                               auch in schwierigen
 nalgrenzen hinaus für den Erhalt der Cunfinböden. Nun soll eine Zahnrad-                      Zeiten!
 bahn oder Umlaufbahn Monte Pana mit der Seiser Alm verbinden und dieses
 Schutzgebiet durchqueren.                                                                        Anfang November sollte die Unter-
                                                                                               schriftensammlung zu den zwei
                                       Um die       allen Ernstes, dass sie durch die An-      Volksinitiativen „Für eine vereinfach-
                                 Cunfinböden        bindung der beiden Ortschaften das         te Unterstützung direktdemokratischer
                                  vor der Zerstö-   Verkehrsproblem im Tal lösen können.       Initiativen“ und „Einführung des aus-
                                  rung zu retten,   Die Verbindung würde zu weiteren           gelosten Großen Landesbürgerrates“
                                  werden wir Um-    Pistenerweiterungen und zur Poten-         beginnen. Die Entwicklung der Pan-
 ng
                                weltschützerIn-     zierung der Aufstiegsanlagen führen.       demie macht dies unmöglich. Zu allem
 E

    e lb                    r nen  keine Mühe       Die negativen Folgen für Tier und          Überfluss ist die Initiative für mehr De-
         e r t M a u ro n e
                          scheuen und gegebenen-    Mensch durch die Zerstörung dieses         mokratie aber auch mit einer Kommis-
  falls bis nach Brüssel gehen.                     Gebietes sind für Lobbyisten zweit-        sion konfrontiert, die die Gegenstände
       Dieses Feuchtgebiet ist ein Para-            rangig. Eine 10-prozentige Investition     dieser Volksinitiativen dem Landtag
  dies für Tier und Mensch und muss                 in Renaturierung und Gemeinwohl-           vorbehalten wissen will und die Anträ-
  verschont bleiben. Wir fühlen uns ge-             projekte statt einer weiteren Ausbeu-      ge unterschiedslos abgelehnt hat.
  radezu verpflichtet, dieses unberühr-             tung naturbelassener Ruhezonen sind
  te Naturreservat und Naherholungs-                dringend erforderlich.                       Wir klagen die Anwendbarkeit
  gebiet zu erhalten. Das schulden wir                                                           unserer politischen Rechte ein.
  unseren Vorfahren ... und vor allem               Gemeinderatsbeschlüsse
  unseren Nachkommen.                                  Die Gemeinden St. Christina und             Zu einem Zeitpunkt, wo sich alles
                                                    Kastelruth haben sich für die Einlei-      auf Distanz einstellt, denken nur We-
 Masterplan Vijion Gherdëina                        tung des Verfahrens zwecks Verbin-         nige an das Wichtigste in unserer De-
    Im Masterplan ist von der Errich-               dung Monte Pana – Saltria ausgespro-       mokratie, an unsere politischen Rech-
 tung einer Arbeitsgruppe die Rede,                 chen. Personen, die solche Entschei-       te. Diese müssen immer ausgeübt wer-
 welche „die Bevölkerung des gesam-                 dungen treffen, haben keine Visionen.      den können. Darum klagt die Initiati-
 ten Tales in die Entscheidung zur Ver-                Die Gemeinde St. Ulrich, die ihr        ve für mehr Demokratie die Ausübbar-
 netzung der Skigebiete in Gröden mit               Trinkwasser aus dieser Schutzzone be-      keit der politischen Rechte ein durch:
 jenen der Seiser Alm einzubeziehen“                zieht, muss unbedingt mit einbezogen       1. die Einführung der elektronischen
 hat. Die Empfehlungen gehen noch                   werden und mitreden können.                    Unterschriftensammlung, damit die
 einen Schritt weiter: Angedacht ist ei-               Gefordert sind doch letzten Endes           BürgerInnen auch dann noch eine
 ne „autofreie Verbindung zwischen                  wir alle, auch die Zivilgesellschaft und       Stimme haben, wenn die Umstän-
 den Talstationen“ sowie „die Planung               insbesondere die neuen politischen             de es erschweren davon Gebrauch
 der Grödner Bahn mit ihren Halte-                  MachtträgerInnen und agilen Wirt-              zu machen;
 punkten“.                                          schaftstreibenden, die sich die Frage      2. das Einreichen einer Bürgerklage an
                                                    gefallen lassen müssen, welchen Bei-           das Landesgericht, um die Aufhe-
 Lobbyisten mit ihren                               trag sie in Krisenzeiten nicht nur leis-       bung der Unzulässigkeitserklärung
 Wirtschaftsinteressen                              ten wollen und können, sondern gera-           der Kommission zu erreichen, die
    Die Hauptverantwortlichen der jet-              dezu müssen. Andernfalls bleibt den            einer rechtlichen Grundlage ent-
 zigen Landesregierung unternehmen                  Einheimischen nur eine Verteuerung             behrt und auf unzulässige Weise nur
 wenig gegen den skrupellosen Raub-                 der Lebenshaltungskosten.                      interpretatorisch abgeleitet ist.
 bau an der Natur. Die drei von den
 Grünen eingebrachten Anträge zum                               Lia per Natura y Usanzes                             Stephan Lausch
 Schutz und Erhalt der Feuchtgebiete                                                                 Initiative für mehr Demokratie
 auf Cunfin wurden mehrheitlich tor-                  https://liapernaturayusanzes.it/
 pediert. Wirtschaftstreibende glauben                                                           www.dirdemdi.org

naturschutzblatt 3/2020                                                                                                                    11
Foto: Bioland Südtirol

                                                  Achtsamer Umgang mit dem Boden
                                                  Der Boden ist nicht nur ein Substrat, in dem sich verschiedene lose Elemente zur Pflan-    flexionen und Fragen zu einer bodenscho-
                                                  zenernährung ansammeln, sondern es handelt sich um einen lebendigen Organismus,            nenden Bewirtschaftung auf. Den Boden
                                                  bei dem alles zusammenhängt und nichts isoliert betrachtet werden kann.                    zu schützen ist Voraussetzung, um die Sta-
                                                                                                                                             bilität und Resilienz (Widerstandsfähig-
                                                     Im Boden geschieht alles – über die         Pflanzenschutzmittel, Pflanzenhormone       keit) des ökologischen Systems zu garan-
                                                  Symbiose zwischen Pilzen, Pflanzen, Mi-        oder Luftverschmutzung, beeinflussen das    tieren sowie Nahrung und Lebenshabitat-
                                                  kroorganismen, Regenwürmern und an-            gesamte System unvorhersehbar.              für viele Lebewesen, inklusive Mensch, zu
                                                  dere Bodenlebewesen, von der Bodenbil-                                                     bewahren.
                                                  dung, die über Jahrtausende erfolgt, bis hin   Komplexität erkennen
                                                  zu Nährstoffkreisläufen und Ton-Humus-            Erschließt sich einem die Vielfalt und
                                                  Komplexen. Jeder maschinelle Eingriff und      die Zusammenhänge dieses verzahnten                 Dieses Bewusstsein muss
                                                  jeder Eintrag wie mineralische Düngung,        Organismus, tauchen wie von selbst Re-          Grundregel unseres Handelns sein.

                                                                                                                                                Andreas Zuegg, Obmann der Arbeits-
                                                                                                                                             gemeinschaft (Arge) für biologisch-dyna-
                                                                                                                                             mische Wirtschaftsweise, schildert das so:
                                                                                                                                             „Wir definieren einseitig einen Kompro-
                                                                                                                                             miss mit einem System, das eigentlich
                                                                                                                                             Kompromisse nicht kennt, sondern nur
                                                                                                                                             Konsequenzen, einem System, das nur
                                                                                                                                             durch seine Vollkommenheit und Schön-
                                                                                                                                             heit zu uns spricht. Wir haben die Frei-
                                                                                                                                             heit, unter uns fruchtbaren bzw. gesunden,
                                                                                                                                             aktiven oder kranken Boden zu haben.
                                                                                                                                             Mein Leitmotiv im Handeln mit dem Bo-
                                                                                                                                             den ist es, durch Lebendverbauung Struk-
                                                                                                                                             tur zu bilden und dem Bodenleben stän-
                         Foto: Bioland Südtirol

                                                                                                                                             dig vielfältige „Nahrung“ durch Zwischen-
                                                                                                                                             fruchtanbau, organische Nährstoffe und
                                                                                                                                             leicht bis schwer abbaubare organische

12                                                                                                                                           naturschutzblatt 3/2020
Dirk Steffens und Fritz Habekuß
                                                                                                                                                   ÜBER LEBEN
                                                                                                                                           Zukunftsfrage Artensterben:

                                                                                                                    Foto: Sonja Herpich
                                                                                                                                          Wie wir die Ökokrise überwinden

                                                                                                                                                 2020 Penguin Verlag
                                                                                                                                               ISBN: 978-3-328-60131-9
                      Kohlenstoffverbindungen einzubringen;          len. Als Bauer muss ich nur den Kühl-
                      weiters auch hochwertigen Kompost, Ein-        schrank gefüllt halten, sei es mit Pflanzen-
                      saaten von Blühstreifen u.v.m. Immer in        resten oder organischem Dünger.“                                         Das Buch ÜBER LEBEN des Au-
                      Kombination mit den biodynamischen                                                                                  torenduos Steffens und Habekuß hat
                      Präparaten, welche den Boden ordnen und           Und weiter meint er: „Meine ökologi-                              mich förmlich begeistert.
                      aktivieren.“                                   sche Sichtweise hat sich mit der Zeit ge-
                                                                     ändert, denn jetzt betrachte ich den Bo-                                 Dirk Steffens ist Wissenschafts-
                                                                     den als aktives Lebewesen. Natürlich                                 journalist und Moderator der bekann-
                                                                     macht das den Umgang mit dem Boden                                   ten Dokumentationsreihe Terra X, ei-
                                                                     aufwendiger. Aber schließlich spart uns                              ner der bekanntesten Artenschützer
                                                                     ein lebendiger Boden viel Arbeit, da er sich                         und Botschafter von WWF. Für sei-
                                                                     einigermaßen selbständig reguliert und als                           ne Verdienste erhielt er die Ehrendok-
                                                                     Puffer funktioniert.“                                                torwürde der Universität Bayreuth.
                                                                                                                                          Fritz Habekuß hingegen ist ein jun-
                                                                     Weltweite Aufmerksamkeit                                             ger Redakteur der ZEIT. Er berich-
                                                                        Der Internationale Tag des Bodenschut-                            tet weltweit von der Zerstörung der
Foto: Sonja Herpich

                                                                     zes jeweils am 5. Dezember bietet sich als                           natürlichen Vielfalt und von denjeni-
                                                                     gute Gelegenheit, um zu hinterfragen, wel-                           gen, die dagegen ankämpfen. 2018 er-
                                                                     chen Stellenwert wir dem „Lebendigen“                                hielt er die Auszeichnung Journalist
                                                                     und den „Organismen“ in unserem Alltag                               des Jahres für seine wirtschaftsjour-
                      Wertvolle Erfahrung                            geben. Die Frage Was kann ich machen,                                nalistische Tätigkeit.
                         „Meine Etsch-Schwemmböden hatten            um die Vielfalt in meinen Böden zu för-
                      am Anfang meiner Umstellung einen nied-        dern? sollte sich jeder von uns stellen.                                 Das Buch bringt klar zum Aus-
                      rigen Humusgehalt und eine schwach aus-                                                                             druck, dass sowohl die Klimakrise als
                      geprägte Wasserhaltkapazität,“ sagt Tho-                            Martina Frapporti                               auch der Verlust der Biodiversität die
                      mas Hafner, Pionier von Bioland Südti-                              Ökologieberatung                                größten Herausforderungen für die
                      rol, der seit 30 Jahren nach der biologisch-                         Bioland Südtirol                               Zukunft darstellen. Sie bedrohen un-
                      organischen Anbauweise arbeitet. „Im                                                                                seren Wohlstand, unsere Sicherheit,
                      Lauf der Jahre habe ich jedoch beobach-                                                                             unsere Gesundheit, sie gefährden un-
                      tet, dass sich die Strukturlosigkeit meiner                                                                         sere Existenz. Die beiden Autoren be-
                      Böden durch die Einfuhr organischer Sub-                                                                            schreiben, was die Wissenschaft über
                      stanz mit aufbereitetem Mist und Einsaa-                                                                            die Krise weiß, und zeigen auch We-
                      ten ausgeglichen hat. Der Boden ist wie                                                                             ge auf, um sie zu beenden.
                      ein gefüllter Kühlschrank, aus dem die           https://www.bioland.de/suedtirol
                      Pflanzen herausholen können, was sie wol-                                                                                        Klauspeter Dissinger

                      naturschutzblatt 3/2020                                                                                                                                      13
Foto: https://commons.wikimedia.org
                                                                           Lebensmittelverschwendung
                                                                           „Nur“ eine Frage der Ethik?
                                                                           Berge an Nahrungsmitteln landen jedes Jahr in der Tonne statt auf unseren Tellern.                                                                                                            unserem Magen, dann wurden alle Res-
                                                                           Angesichts des Hungers in der Welt ist das ein ethisches Problem. Die Verschwen-                                                                                                              sourcen vergebens verbraucht und Emis-
                                                                           dung belastet jedoch auch die Umwelt.                                                                                                                                                         sionen unnötig verursacht. Schätzungen
                                                                                                                                                                                                                                                                         der FAO zufolge geht weltweit jedes Jahr
                                                                              Wäre die weltweite Lebensmittelver-                                                                                                   den, werden Boden, Wasser und Energie                ein Drittel aller für den menschlichen
                                                                           schwendung ein Land, dann würde sie im                                                                                                   verbraucht sowie Treibhausgase erzeugt.              Konsum erzeugten Lebensmittel verloren
                                                                           Ranking der Staaten, die die größten Men-                                                                                                250 Gramm CO2-Äquivalente sind es im                 oder wird verschwendet.3 Um in Zukunft
                                                                           gen an Treibhausgasen ausstoßen, an drit-                                                                                                Durchschnitt für ein Kilo Äpfel, 600                 zehn Milliarden Menschen gesund zu er-
                                                                           ter Stelle rangieren – hinter China und                                                                                                  Gramm für ein Kilo Weißbrot und 5.800                nähren, ohne dafür den Planeten zu zerstö-
                                                                           den USA.1 Denn auch für die Produktion                                                                                                   Gramm für ein Kilo Käse.2 Landen Äpfel,              ren, wird es notwendig sein, den Fleisch-
                                                                           von Lebensmitteln, die später im Müll en-                                                                                                Brot, Käse und Co. in der Tonne statt in             konsum sowie die Lebensmittelverschwen-

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Grafik: Silke Raffeiner, Datenquelle und Copyright: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
                                                                                                                             Grafik: Silke Raffeiner, Datenquelle und Copyright: Bundesanstalt für Landwirtschaft
                                                                                                                             und Ernährung/ Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
     Grafik: Silke Raffeiner, Datenquelle: FAO: Food wastage footprint -
     Impacts on natural resources. Summary Report, 2013

                                                                                                                                                                                                                                                                         Angaben in % der vermeidbaren Lebensmittel-
                                                                           LMVV = Lebensmittelverschwendung und -ver-                                                                                                                                                    abfälle in den privaten Haushalten in Deutsch-
                                                                           luste, Angaben in Gigatonnen (= Milliarden Ton-                                                                                          Wasser-Fußabdruck und CO2-Fußabdruck für 1           land. Obst und Gemüse machen rund ein Drittel
                                                                           nen) CO2-Äquivalenten pro Jahr. Die weltweite                                                                                            kg Äpfel, 1 kg Weißbrot, 1 kg Käse. Die Produktion   der vermeidbaren Lebensmittelabfälle der Haus-
                                                                           Lebensmittelverschwendung verursacht große                                                                                               von Nahrungsmitteln verbraucht Wasser und            halte aus, gefolgt von zubereiteten Speisen so-
                                                                           Mengen an Treibhausgasemissionen.                                                                                                        verursacht Treibhausgasemissionen.                   wie Brot- und Backwaren.

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                                                                                                                                                                                                                                    Die Lebensmittelabfälle in den Haus-
Grafik: Silke Raffeiner, Datenquelle: FAO: Food wastage footprint - Impacts on natural resources. Summary Report, 2013

                                                                                                                                                                                                                                halten zu verringern, ist das Ziel einer ge-
                                                                                                                                                                                                                                meinsamen Initiative der Regionen Pie-
                                                                                                                                                                                                                                mont und Aostatal und der Verbraucher-
                                                                                                                                                                                                                                zentrale Südtirol. Die UBO-App „Eine
                                                                                                                                                                                                                                gute Gelegenheit – Una Buona Occasio-
                                                                                                                                                                                                                                ne“ informiert unter anderem darüber, wie,
                                                                                                                                                                                                                                wo und wie lange Lebensmittel aufbewahrt
                                                                                                                                                                                                                                werden können, und enthält zahlreiche
                                                                                                                                                                                                                                Resteverwertungs-Rezepte, darunter vie-
                                                                                                                                                                                                                                le von Slow Food.
                                                                                                                                                                                                                                    Die mobile Anwendung ist auf Deutsch
                                                                                                                                                                                                                                und Italienisch über App Store und Goog-
                                                                                                                                                                                                                                le Play kostenlos verfügbar. Damit gelingt
                                                                                                                                                                                                                                es Verbrauchern und Verbraucherinnen
                                                                                                                                                                                                                                leichter, den Einkauf zu planen, eine Ein-
                                                                                                                                                                                                                                kaufsliste zu erstellen und bedarfsgerecht
                                                                                                                                                                                                                                einzukaufen, Lebensmittel sachgerecht zu
                                                                                                                                                                                                                                lagern und rechtzeitig zu verbrauchen so-
                                                                                                                         Angaben in % der gesamten Lebensmittelverschwendung und -verluste in Europa. Lebensmittel wer-
                                                                                                                         den entlang der gesamten Versorgungskette verschwendet bzw. gehen verloren.
                                                                                                                                                                                                                                wie überschüssige Lebensmittel und Spei-
                                                                                                                                                                                                                                sereste zu verwerten.

                                                                                                                         dung deutlich zu verringern, die Landwirt-          gekauft als benötigt und mehr gekocht als                                   Silke Raffeiner
                                                                                                                         schaft zu ökologisieren und die vorhande-           gegessen wird, weil Produkte nicht kor-                               Verbraucherzentrale
                                                                                                                         nen Ressourcen effizienter zu nutzen.4 Ei-          rekt gelagert werden und vorzeitig verder-                                         Südtirol
                                                                                                                         ne Halbierung der weltweiten Nahrungs-              ben oder einfach nicht mehr ganz frisch
                                                                                                                         mittelverschwendung bis 2030 wird auch              sind. Obst und Gemüse machen rund ein
                                                                                                                         in den 17 nachhaltigen Entwicklungszielen           Drittel der vermeidbaren Lebensmittel-
                                                                                                                         der Vereinten Nationen angestrebt.5                 abfälle der Haushalte aus, zubereitete Spei-          https://www.consumer.bz.it/de
                                                                                                                                                                             sen 16%, Brot- und Backwaren 14%.6
                                                                                                                         Vom Feld bis auf den Teller
                                                                                                                            Lebensmittelverschwendung hat viele
                                                                                                                         Ursachen: Mangel an Maschinen, Arbeits-
                                                                                                                         kräften und Transportmöglichkeiten;
                                                                                                                         Überproduktion und mangelhafte Pro-
                                                                                                                         duktionsplanung; fehlende Lagerkapazi-
                                                                                                                         täten und nicht adäquate Lagerbedingun-
                                                                                                                         gen; Schädlingsbefall und vorzeitiger Ver-
                                                                                                                         derb; optische „Mängel“ der Produkte und
                                                                                                                         absurde „Qualitäts“vorgaben; mangelnde
                                                                                                                         Wertschätzung; fehlendes Bewusstsein.
                                                                                                                         Und so werden Nahrungsmittel entlang
                                                                                                                         der gesamten Lebensmittelversorgungs-
                                                                                                                         kette verschwendet oder gehen verloren:
                                                                                                                                                                                                                                                                               Foto: https://commons.wikimedia.org

                                                                                                                         auf dem Feld, während Lagerung und
                                                                                                                         Transport, bei der Weiterverarbeitung, im
                                                                                                                         Groß- und Einzelhandel, in der Außer-
                                                                                                                         Haus-Verpflegung und in den privaten
                                                                                                                         Haushalten. Letztere haben einen be-
                                                                                                                         trächtlichen Anteil daran – weil mehr ein-

                                                                                                                         1   FAO: Food wastage footprint – Impacts on natural resources. Summary Report, 2013.
                                                                                                                         2   Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: www.zugutfuerdietonne.de, auf der Grundlage von Daten aus 2016 des ifeu-CO2-Rechners.
                                                                                                                         3   FAO: Global food losses and food waste – Extent, causes and prevention. Rome, 2011.
                                                                                                                         4   EAT Lancet Commission: Healthy Diets FromSustainable Food Systems – Food Planet Health. Summary Report, 2019.
                                                                                                                         5   UN-Generalversammlung: Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Resolution, 2015.
                                                                                                                         6   GfK: Systematische Erfassung von Lebensmittelabfällen der privaten Haushalte in Deutschland. Schlussbericht, 2017.

                                                                                                                         naturschutzblatt 3/2020                                                                                                                                                                     15
Foto: Johannes Ortner
                              Drachenkopf, Heilglöckchen,
                              Kugel-Orchis...
                              Artenreiche Planeiler Bergwiesen brauchen extensive Bewirtschaftung
                              Die Sicht aufs Petasettes-Moos

                              Unter der fachkundigen Führung des Biologen Joachim Winkler organisierte die Um-                                     les für die Biodiversität der Bergwiesen
                              weltschutzgruppe Vinschgau im Juli 2020 eine Exkursion zu botanischen Besonder-                                      von großem Vorteil, so stellen nun gerade
                              heiten in den Planeiler Bergwiesen.                                                                                  Vernachlässigung, die Aufforstungen von
                                                                                                                                                   Trockenweiden und in Einzelfällen die In-
                                  Bei strahlendem Sonnenschein be-                                   er in Südtirol nur mehr in Matsch, Graun,     tensivierung (Gülle-Ausbringung, Planie-
                              staunte ein gutes Dutzend botanisch In-                                im Pfossental sowie in den Pfunderer Ber-     rung) eine Bedrohung dar. „Die Fortfüh-
                              teressierter die Vielfalt an Blumen und In-                            gen vor. Auf Wunsch des Naturmuseums          rung der extensiven Bewirtschaftungsform
                              sekten in den mahdreifen Wiesen und ent-                               Südtirol hat Joachim Winkler zusammen         durch einmalige Mahd pro Jahr wäre ide-
                              deckte an einem Hangquellmoor, im                                      mit Johannes Ruepp die Planeiler Stand-       al, um diese einmaligen Naturschätze zu
                              Schatten von Grünerle und Weide, das auf                               orte des Drachenkopfs kartiert.               erhalten“, erklärt Winkler, denn artenrei-
                              das Rätische Dreieck beschränkte Heil-                                     Direkt am Standort wartet Winkler mit     che Bergwiesen sind Zeugen jahrhunder-
                              glöckchen (Primula matthioli) sowie die                                weiterem Wissenswerten auf: „Der Dra-         telangen Wirtschaftens mit der Natur. Vie-
                              farbenprächtige Breitblättrige Fingerwurz                              chenkopf liebt es sonnig, warm und trocken.   le Generationen haben mit Sense und Si-
                              (Dactylorhiza majalis).                                                Ursprünglich stammt er aus dem asiatischen    chel in den Händen diese wertvollen Le-
                                                                                                     Altai-Gebirge, ist mit der Eiszeit von dort   bensräume geschaffen und weitergetragen.
                                                                                                     ausgewandert und gelangte schließlich in      Winkler klagt: „Heute zählen diese Berg-
                                                                                                     die Alpen, wo er heute als bedroht gilt. An   wiesen zu den gefährdeten Lebensräumen.
                                                                                                     diesem steilen Standort wurde vor 15 Jah-     Eine gezielte Förderung der extensiven Be-
                                                                                                     ren das letzte Mal gemäht, die Zitterpap-     wirtschaftung durch die Planeiler Neben-
                                                                                                     peln nehmen nun überhand. Werden sie          erwerbsbauern ist von öffentlichem Inte-
                                                                                                     nicht zurückgedrängt, überwachsen sie bald    resse, dabei ist es einerlei, ob die Förder-
     Foto: Gerhard Kapeller

                                                                                                     den Drachenkopf!“ Die Stiftung Landschaft     mittel von der öffentlichen Hand (Land,
                                                                                                     Südtirol möchte nun die Grundparzelle er-     Gemeinde, Eigenverwaltung), Verbänden
                                                                                                     werben, die Pappelschößlinge entfernen und    oder Stiftungen stammen.“
                              Der Breitblättrige Fingerwurz                                          somit dieses botanische Kleinod retten.
                                                                                                                                                   Wertvolle Bergwiesen
                              Der Nordische Drachenkopf                                              Planeil strukturschwach,                      brauchen Schutz!
                                   Vom Pranonkreuz ging ’s den Gaschit-                              aber stark an Biodiversität!                      Im Vorjahr haben die Vinschgauer
                              sches-Weg bergan bis zu einem einmali-                                     In Planeil und anderen Seitentälern       UmweltschützerInnen auf die Problema-
                              gen Ökotop. Die Ouvertüre dafür bilden                                 des Obervinschgaus haben sich botani-         tik der Gülleausbringung in einer der Ar-
                              Türkenbund und die seltene Kugel-Or-                                   sche Besonderheiten erhalten. An der Son-     luiwiesen medial aufmerksam gemacht. Im
                              chis (Traunsteinera globosa), welche hier                              nenseite wurde bisher kaum planiert und       heurigen Jahr möchten sie für die Bedeu-
                              gedeiht, obwohl sie ansonsten Kalk bevor-                              auch keine Gülle ausgebracht. War bisher      tung der Bergwiesen sensibilisieren. Es
                              zugt. Im Gänsemarsch bewegen sich die                                  eine gewisse Weltvergessenheit dieses Ta-     braucht Wissen über ökologische Zusam-
                              ExkursionsteilnehmerInnen auf eine Ge-                                                                               menhänge und konkretes Handeln, um
                              ländekante mit Zitterpappeln zu, wo auf                                                                              Biodiversität zu erhalten. Wenn es gelingt,
                              einem abschüssigen Mahdflecken der sel-                                                                              das Bewusstsein dafür zu schärfen, dann
                              tene Drachenkopf (Dracocephalum ruy-                                                                                 hat die Exkursion zu den artenreichen
                              schiana) in blauer Blüte steht. „Anfang Ju-                                                                          Planeiler Bergwiesen ihr Ziel erreicht.
                              li stehen hier sicher 1000 Exemplare die-
                              ser Art, die in Österreich selten geworden                                                                               Umweltschutzgruppe Vinschgau
                                                                            Foto: Gerhard Kapeller

                              und in Deutschland gar nicht mehr zu fin-
                              den ist“, so Winkler. Der Nordische Dra-                                                                               umweltvinschgau.wpcomstaging.
                              chenkopf wird in der Roten Liste als stark                                                                             com
                              bedroht angeführt. Neben Planeil kommt                                 Der Türkenbund

16                                                                                                                                                 naturschutzblatt 3/2020
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