MBZ Stille Volkskrankheit Parodontitis - Modernes Versorgungskonzept - ZAHNÄRZTEKAMMER ...

Die Seite wird erstellt Damian Schütz
 
WEITER LESEN
MBZ Stille Volkskrankheit Parodontitis - Modernes Versorgungskonzept - ZAHNÄRZTEKAMMER ...
MBZ
                                      06 2017

Mitteilungsblatt Berliner Zahnärzte

Modernes
Versorgungskonzept

Stille
Volkskrankheit
Parodontitis
MBZ Stille Volkskrankheit Parodontitis - Modernes Versorgungskonzept - ZAHNÄRZTEKAMMER ...
Aus der Redaktion

                                                                                   10

Liebe Leserinnen, liebe Leser,                                        •   Der Zahnärzteschaft ist daran gelegen, den gesetzlich versi-
                                                                      cherten Patienten alternative, weitergehende Therapien zur Ver-
                                                                      fügung zu stellen. In seinem Leitartikel auf Seite 6 setzt sich Dr.
wie es um die Versorgung und Therapie der Patienten mit Paro-         Jörg-Peter Husemann mit den Änderungen in einem sich ständig
dontitis steht, zeigt der aktuelle Barmer-Zahnreport: Vermutlich      wandelnden GKV-System auseinander und zeigt auf, was diese für
wird die Parodontitis in vielen Fällen spät erkannt – jedenfalls zu   die Patienten bedeuten.
spät behandelt. Eine regelmäßige Vorsorge kann dazu beitragen,
Zähne zu retten.                                                      •   „Zahnärzte belehren nicht ordnungsgemäß über Kosten“, lau-
                                                                      tet das Ergebnis einer Umfrage der Verbraucherzentrale in Nord-
Der Zahnreport bestätigt ein steigendes Risiko, vor, während und      rhein-Westfalen. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung setzt
nach der Parodontitistherapie Zähne zu verlieren, wenn zahnärzt-      sich dagegen zur Wehr. In einem offenen Brief schreibt sie: „Die
liche Kontrolluntersuchungen nicht regelmäßig wahrgenommen            Ergebnisse sind nicht nachvollziehbar.“ Wir berichten auf Seite 21.
werden. Ein möglicher Grund für die Vernachlässigung der Prophy-
laxe: Viele Menschen wissen nicht, ob bei ihnen ein hohes Risiko
für eine Parodontitis vorliegt oder ob sie bereits darunter leiden.
                                                                      •Zahnmedizin
                                                                          Innerhalb der DGZMK hat sich 2016 die Arbeitsgemeinschaft
                                                                                    für Menschen mit Behinderung oder besonderem
Das Tückische ist, dass es sich um eine sog. „stille“ Erkrankung      medizinischen Unterstützungsbedarf gegründet. Zu ihrer zweiten
handelt. Der Betroffene verspürt oft über einen langen Zeitraum       Jahrestagung bietet sie in Berlin eine Fortbildung am Philipp-Pfaff-
keine Krankheitssymptome oder Schmerzen. Erst im fortgeschrit-        Institut zum Thema „Zahnmedizin barriereärmer“ an. Sie sind herz-
tenen Stadium der Erkrankung treten Beschwerden, Zahnlockerun-        lich willkommen! Lesen Sie die Informationen auf Seite 26.
gen und Zahnverluste auf.

Längst hat die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung erkannt,
                                                                      •   Es kommt immer mal wieder vor: Bei der Versorgung mit In-
                                                                      lays können die fertiggestellten Einlagefüllungen nicht eingeglie-
dass der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen im Be-       dert werden, weil aus unterschiedlichsten Gründen die Fortsetzung
reich der Prävention und Nachsorge völlig veraltet ist. Wesentliche   der Versorgung nicht mehr angezeigt ist. Auf Seite 30 informieren
Bausteine einer präventionsbasierten Versorgungsstrecke fehlen.       wir Sie, wie die Teilleistung berechnet werden kann.
Es bedarf eines modernen Versorgungskonzeptes auf der Höhe
der Zeit. Denn im Gegensatz zur Karies steht im Bereich der Paro-     Eine anregende Lektüre wünscht
dontitis der Turnaround zur präventionsorientierten Zahnheilkunde
noch bevor. Unser Titelthema ab Seite 10.                             Vanessa Hönighaus

                                                                                                                        MBZ 06 2017          3
MBZ Stille Volkskrankheit Parodontitis - Modernes Versorgungskonzept - ZAHNÄRZTEKAMMER ...
Inhalt

                                                                                                                                         Foto: KZV Berlin
                                                     Foto: ZÄK Berlin
                                                                             20

                                                                             Beruf & Politik
                                                                             AWMF-Positionen zur Bundestagswahl             14
              16                                                             Netzwerktreffen Junge Zahnärzte                16
                                                                             Frühjahrsfest der KZBV und BZÄK                17
                                                                             30 Jahre Hilfswerk Deutscher Zahnärzte         18
                                                                             Medizinethik im Nationalsozialismus            18
                                                                             GesundheitstagSin   Marzahn
                                                                                              T E U E R B E R AT E R        20
                                                                             Einführung der TENNERT
                                                                                             Telematikinfrastruktur
                                                                                                                 • S OMME R 20
                                                                             KZBV wehrt sich&gegen
                                                                                                PARTNER Pauschangriff       21

              Aus der Redaktion                                Pantone
                                                                  3 540      Zahnmedizin
                                                               Pantone 652   Keramik- und Kunststoff-Therapie                         22
              Leitartikel                                               6                      TENNERT S O MME
                                                                             DMS V: Mundgesundheit in Ost und West       •            23

              Meldungen                                                 8
                                                                                               & PARTNER
                                                                             Dienstagabend-Fortbildung der Zahnärztekammer 24
                                                                             Deutsch-Syrisches Ärzteforum                             24
                                                                             Fortbildungen der KZV                                    25
              Thema                                                                          W W W.T E N N E R T- S O M M E R - PA R T N E R . D E
                                                                             Zahnmedizin barriereärmer                                26
              Stille Volkskrankheit Parodontitis                             Kursangebot des Philipp-Pfaff-Instituts                  28
              Ruf nach modernem Versorgungskonzept                      10   Strukturierte Fortbildung Akupunktur                     50

    Anzeige

4   MBZ 06 2017
MBZ Stille Volkskrankheit Parodontitis - Modernes Versorgungskonzept - ZAHNÄRZTEKAMMER ...
Inhalt

                                                     Foto: rdnzl - fotolia.com

                                                                                                                                      Foto: ZÄK Berlin / axentis.de
33

                                                                                 34

                                                                                 Amtliches
                                                                                 Geschäftsverteilung des KZV-Vorstandes              40
GOZ & BEMA                                                                       Nachwahl eines KZV-Ausschussmitgliedes              40
Teilleistungsberechnung                       30                                 Vertreterversammlung der KZBV                       40
Korrektur zahntechnischer Leistungen          31                                 Neuzulassungen im Mai                               41
Zusatztermine für GOZ-Workshops               31                                 Sitzungstermine des Zulassungsausschusses           41
Häufige Fehler bei der PAR-Abrechnung         32
                                                                                 Panorama
Praxis & Team                                                                    Neu in der Leihbücherei                             42
Praxisbegehung durch das LAGetSi              33                                 KZV-Lauf 2017                                       43
KZBV-Kostenstrukturerhebung                   33
Neue Medizinprodukte-Betreiberverordnung      34                                 Kalender
                                                                                 Termine der Fraktionen Juni 2017                    50
Recht
Abhängige Beschäftigung in Gemeinschaftspraxis 38                                Rubrik-Anzeigen                                     44
Adressänderung an die Zahnärztekammer          38                                Impressum                                           47
EuGH-Urteil zum strikten Werbeverbot           39                                Ansprechpartner                                     49

                                                                                                                                   Anzeige

       MedConsult
       MedConsult
          Wirtschaftsberatung
        Wirtschaftsberatung        medizinischeBerufe
                            fürfürmedizinische  Berufe

   Praxisverkauf
 Praxisverkauf                                                                                      Burkhardt
                                                                                                     Burkhardt Otto
                                                                                                                 Otto
     Praxiswertermittlung
 Praxiswertermittlung                                                                             Olaf Steingräber
     Kauf-
 Kauf-  undund  Mietvertragsabwicklung
              Mietvertragsabwicklung
                                                                                                    Olaf Steingräber
     Vermittlung von Kaufinteressenten                                                            Volker Schorling
 Vermittlung von Kaufinteressenten
     Unterstützung bei Vertrags-
 Unterstützung bei Vertrags-
      Arztsitzausschreibungen
  Arztsitzausschreibungen
                                                                                                                      FAB
    Praxiskauf                                                                                                           FAB
 Praxiskauf                                                                                        Investitionsberatung
   Niederlassungsberatung                                                                           Investitionsberatung
 Niederlassungsberatung
     Finanzierungsvermittlung                                                                                 MedConsult
 Finanzierungsvermittlung
     Versicherungen                                                                                             MedConsult
                                                                                                  Wirtschaftsberatung  für
 Versicherungen                                                                                medizinische   Berufe oHG für
                                                                                                    Wirtschaftsberatung
    Praxiskooperation                                                                             medizinische
                                                                                        Giesebrechtstraße        Berufe
                                                                                                          6 • 10629      oHG
                                                                                                                    Berlin
 Praxiskooperation
   Job-Sharing Partnerschaften                                                            Tel.: 213 90 95 • Fax:
                                                                                         Giesebrechtstraße     6 • 213 94 94
                                                                                                                   10629  Berlin
     MVZ-Konzepte
 Job-Sharing Partnerschaften                                                               Tel.:E-mail:
                                                                                                   213 90info@fab-invest.de
                                                                                                            95 • Fax: 213 94 94
 MVZ-Konzepte                                                                                     E-mail: info@fab-invest.de

                                                                                                                    MBZ 06 2017                                       5
MBZ Stille Volkskrankheit Parodontitis - Modernes Versorgungskonzept - ZAHNÄRZTEKAMMER ...
Leitartikel

    Gesetzliche Krankenversicherung

    Und sie bewegt sich doch

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    leistungsrechtliche Beschränkungen im System der gesetzlichen         nen grundlegend anderen strategischen Ansatz als die Ärzteschaft.
    Krankenversicherung (GKV) sind wir mittlerweile gewohnt. Umso         Während den Ärzten daran gelegen ist, möglichst jede wirksame
    erfreulicher ist es, dass dennoch die vertragszahnärztliche Versor-   neue Therapie in den GKV-Leistungskatalog aufzunehmen, haben
    gung in praxi zunehmend durchlässiger für Innovationen wird. Suk-     wir uns darauf konzentriert, im gesellschaftlichen Konsens Grund-
    zessive hat die Politik pragmatische Mechanismen eingeführt, die      leistungen zu definieren und unseren Patienten alternative weiter-
    das starre Sachleistungssystem aufgebrochen und dem Versicher-        gehende Therapien außerhalb der GKV zugänglich zu machen. Da-
    ten Wahlmöglichkeiten an die Hand gegeben haben. Der erste            bei hat uns sicherlich in die Hände gespielt, dass die Zahnmedizin,
    wichtige Schritt war die Einführung der Mehrkostenvereinbarung        anders als andere medizinische Disziplinen, für fast jeden Befund
    in der Füllungstherapie Mitte der 1990er-Jahre. Er war eine Reak-     tatsächlich verschiedene Therapiealternativen bereithält.
    tion auf die Diversifizierung der therapeutischen Angebotspalette,    Die Zahnärzteschaft hat diese Abgrenzung aktiv gesucht und damit
    die neben Amalgam und Gold nun auch Keramik und Komposit              den – bisher erfolgreichen – Versuch gestartet, den GKV-Versicher-
    enthielt. Gesetzlich Krankenversicherte konnten jetzt frei aus der    ten trotz aller Begrenzungen des Systems einen Zugang zum zahn-
    erweiterten Palette von Füllungstherapien wählen, ohne ihren Leis-    medizinischen Fortschritt zu geben. Und unser Praxisalltag zeigt,
    tungsanspruch zu verwirken. Ein sehr positiver Nebeneffekt: Kom-      dass sich viele GKV-Versicherte entscheiden, diesen Zugang auch
    posite wurden hinsichtlich ihrer Verarbeitbarkeit und Langlebigkeit   zu nutzen. Sie wählen Therapien jenseits der Regelversorgung, ob-
    weiterentwickelt.                                                     gleich sie dabei erhebliche Eigenanteile aufbringen müssen. Und
    Der zweite Meilenstein war 2005 die Einführung des befundbe-          immer öfter schließen Patienten die Lücke zwischen der GKV-Leis-
    zogenen Festzuschusssystems für Zahnersatz. Der Patient erhielt       tung und dem eigenen Versorgungsanspruch über Zusatzversiche-
                                                                                                                 rungen.
                                                                                                                 Summa summarum erle-
                                                       Richtig war es, Therapien                                 ben wir eine zumindest teil-
    Foto: KZV Berlin

                                                                                                                 weise Flexibilisierung des
                                                     nicht mehr auszuschließen,                                  GKV-Versorgungsrahmens,
                                                       sondern das GKV-System                                    in dem der Patient wach-
                                                                                                                 sende Entscheidungsräu-
                                                        dynamisch zu gestalten.                                  me für seine zahnmedizini-
                                                                                                                 sche Versorgung nutzt.
                                             u. a. erstmals die Möglich-  Zukünftig werden wir den gesetzlich versicherten und privat zu-
                                             keit, implantatgestützten    satzversicherten Patienten behandeln, der in einer älter werden-
                                             Zahnersatz in Anspruch zu    den Gesellschaft eine große Nachfrage nach lebenslanger Präven-
                                             nehmen, ohne seinen Kas-     tion und hochwertiger Versorgung hat, um bis ans Lebensende
                                             senzuschuss zu verlieren.    sein natürliches Gebiss zu erhalten. Diese Entwicklung wird die
                                             Hinzu kam, dass das Zuzah-   Versorgungswirklichkeit dominieren und die Innovationsfähigkeit
                                             lungsverbot in der Kieferor- der Zahnmedizin mehr herausfordern als jeder andere Faktor. Das
    Dr. Jörg-Peter Husemann,
    Vorsitzender des Vorstandes              thopädie faktisch gelockert  aber bedeutet für den Zahnarzt eine erhöhte Aufklärungspflicht
    der KZV Berlin                           wurde.                       und die gründliche Dokumentation dieser Gespräche.
                                             Allen diesen Schritten war
    gemeinsam, dass die GKV-Leistung in ihrer Höhe oder ihrem Um-         Ihr
    fang nicht ausgedehnt, sondern das System dynamischer gestal-
    tet wurde. Denn Therapien wurden nun nicht mehr ausgeschlos-
    sen. Damit erhielt der gesetzlich Versicherte Zugang zu Therapien,
    die sich jenseits von Gremienvorbehalten längst in der Praxis eta-
    bliert hatten. Allen Kritikern zum Trotz: Die GKV – sie bewegt sich
    eben doch.
    Zugegeben: Ganz schuldlos sind die zahnärztlichen Funktionäre an
    dieser Entwicklung nicht. Wir, also die Kassenzahnärztlichen Ver-
    einigungen, verfolgen gemeinsam mit der Kassenzahnärztlichen
    Bundesvereinigung bei der Gestaltung des Gesundheitswesens ei-        Jörg-Peter Husemann

6   MBZ 06 2017
MBZ Stille Volkskrankheit Parodontitis - Modernes Versorgungskonzept - ZAHNÄRZTEKAMMER ...
Meldungen

    Berliner Hilfswerk Zahnmedizin                                                  Europäischer Ländervergleich
    Große Hilfe für                                                                 Vergütung bei Zahnersatz
    Obdachlosenpraxis

    D                                                                               D

                                                                                                                             Foto: proDente
                                                                                                as Institut der Deutschen
               ie Zahnarztpraxis für                                                            Zahnärzte (IDZ) hat eine
               Obdachlose am Ost-                                                               empirische Studie „Zahn-
               bahnhof rief um Hilfe,                                               ärztliche und zahntechnische Vergü-
    das Berliner Hilfswerk Zahnme-                                                  tung beim Zahnersatz – Ergebnisse
    dizin (BHZ) kümmerte sich und                                                   aus einem europäischen Länderver-
    half. Eine generalüberholte Ka-                                                 gleich“ veröffentlicht.
    Vo-Einheit fand den Weg von Pul-                                                Das Ergebnis zeigt, dass Deutschland beim Preisniveau zahnprothe-
    heim nahe Köln nach Berlin als                                                  tischer Leistungen einen mittleren Rang einnimmt: Beim zahnärztli-
    Geschenk für den sozialen Träger                                                chen Honorar liegen Schweiz, Dänemark und die Niederlande zum
    der Einrichtung, die GEBEWOpro.                                                 Teil deutlich über den deutschen Preisen. Bei zahntechnischen Leis-

                                                                        Foto: BHZ
    Ein ganz besonders herzlicher                                                   tungen hingegen ist lediglich die Schweiz teurer, während in den
    Dank geht im Namen der Pati-                                                    Vergleichsländern zum Teil deutlich niedrigere Preisniveaus ermittelt
    enten, des BHZ und der GEBE-                                                    wurden. Auffällig ist, dass der durchschnittliche Anteil der Material-
    WOpro an den edlen Spender. Wenn wir in unseren Praxen hören,                   und Laborkosten am Gesamtpreis in Deutschland mit 61,3 Prozent
    es gäbe keine Ersatzteile mehr, sollten wir uns vergewissern, ob da             mehr als zehn Prozentpunkte über dem durchschnittlichen Anteils-
    nicht doch noch eine Reserve schlummert: www.rdv-dental.de.                     wert der europäischen Nachbarn liegt (50,7 Prozent).
    Wir freuen uns, dass wir als BHZ helfen konnten, eine derart groß-
    zügige Spende zu ermöglichen.                                                   IDZ

    Dr. Christian Bolstorff
    Vorsitzender des BHZ                                                            Wettbewerbsbeiträge jetzt einreichen
                                                                                    Zähne gut – alles gut

                                                                                    F
    Erfahrungsberichte gesucht
                                                                                             ilm ab für eine
    Gewalt gegen Zahnärzte                                                                   neue Runde von

                                                   P
                                                                                             „Zähne gut – al-
                                   ädagogen, Behörden und Polizei                   les gut“. Mit dem Kurz-
                                   sprechen bereits seit einiger Zeit von           filmwettbewerb möchte
                                   einer Verrohung und erhöhter Ge-                 die Initiative proDente
                          waltbereitschaft in der Gesellschaft. Aus inter-          e.V. wieder einen krea-
                   Foto: kmiragaya - fotolia.com

                          nationalen Studien geht hervor, dass auch Ärz-            tiven Blick auf das The-
                          te und Praxisteams, die in der primärärztlichen           ma Mundgesundheit
                          Versorgung tätig sind, zunehmend von verba-               werfen und ruft Studenten, Schüler und freie Filmschaffende dazu
                          len und körperlichen Angriffen betroffen sind.            auf, Kurzfilme in diesem Jahr rund um das Thema „Schöne und
                          Drogen, psychische Erkrankungen, Alkohol                  gesunde Zähne“ zu drehen und bis Ende August 2017 einzurei-
                          oder eine Kombination von zwei beziehungs-                chen. Der Preis ist mit insgesamt 6.000 Euro für die ersten drei
                          weise allen drei Faktoren spielen oft eine Rolle.         Plätze dotiert.
    Auch Zahnärzte sollten sich darauf vorbereiten, dass sie im Verlauf             Der Spot soll unterhaltsam und zeitgemäß den Wert der Zähne dar-
    ihrer Tätigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit Formen von Aggressi-               stellen. Inhaltlich kann die Pflege der Zähne, die Funktion der Zäh-
    on gegenüberstehen werden. Während zum Beispiel in Australi-                    ne oder die Herstellung von Zahnersatz im Mittelpunkt stehen. Ei-
    en bereits 2009 ein Sicherheitsprogramm für Allgemeinärzte ein-                 nen Punkt in der gesamten Bandbreite des Themas herauszugreifen
    geführt wurde, scheint die Problematik in Deutschland bislang in                und dazu einen kreativen Ansatz zu entwickeln, ist die Herausforde-
    der (Fach-)Öffentlichkeit eher nicht wahrgenommen zu werden.                    rung für die Teilnehmer. Der Beitrag soll originell sein und über eine
    Die Zahnärztlichen Mitteilungen (zm), herausgegeben von der                     moderne Bildsprache verfügen. Der Film kann appellativ aufgebaut
    Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Bundes-                      sein, mit Witz arbeiten oder musikalisch aufbereitet sein – dem Ide-
    vereinigung, sind an Ihren persönlichen Erlebnissen interessiert.               enreichtum der Filmkünstler sind keine Grenzen gesetzt.
    Haben auch Sie oder Ihr Praxisteam Erfahrungen mit aggressi-
    vem Verhalten von Patienten gemacht? Dann schreiben Sie an:                     Mehr Informationen und die Teilnahmebedingungen finden Sie
    zm@zm-online.de                                                                 online: www.kurzfilmwettbewerb.prodente.de

    zm                                                                              proDente

8   MBZ 06 2017
MBZ Stille Volkskrankheit Parodontitis - Modernes Versorgungskonzept - ZAHNÄRZTEKAMMER ...
Thema

   Ruf nach modernem Versorgungskonzept

   Stille Volkskrankheit Parodontitis

   U           nter einer Parodontitis leidet laut der Fünften Deutschen
               Mundgesundheitsstudie (DMS V) mehr als die Hälfte aller
               jüngeren Erwachsenen (35- bis 44-Jährige) in Deutsch-
   land. Das sind mindestens fünf Millionen Patienten. Davon weisen
   43,4 Prozent eine moderate Parodontitis auf, rund zehn Prozent lei-
                                                                            Regelmäßige Nachsorge erforderlich

                                                                            Weitere Ergebnisse des Reports: Eine größere Häufigkeit von Zahn-
                                                                            verlust zeigt sich am stärksten vor und während der Parodontitis-
                                                                            therapie. Studienautor Professor Dr. Michael Walter, Direktor der
   den an einer schweren Parodontitis. Unter den jüngeren Senioren          Dresdener Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik am Universitätsklini-
   (65- bis 74-Jährigen) sind nahezu zwei Drittel von einer Parodonti-      kum Carl Gustav Carus, erklärt, dass „nicht erhaltungswürdige Zäh-
   tis betroffen. Das entspricht weiteren etwa fünf Millionen Personen.     ne selbstverständlich extrahiert wurden.“ Darüber hinaus sei es ein
   Auch wenn die Prävalenz der Parodontitis in Deutschland gegen-           Hinweis, dass die Parodontitistherapie für viele Patienten spät oder
   über der Vorgängerstudie DMS IV aus dem Jahre 2005 zurückge-             zu spät komme.
   gangen ist, ist die Prävalenz sowohl bei Erwachsenen als auch bei        Zudem zeigt sich, dass nach der Parodontitistherapie die Häu-
   Senioren nach wie vor relativ hoch. Längst gilt die Parodontitis als     figkeit von Zahnverlust erhöht bleibt. Bei etwa einem Drittel von
   Volkskrankheit und hat Studien zufolge die Karies als Hauptfeind         415.718 behandelten Patienten geht nach der Parodontitisthera-
   Nummer eins abgelöst. Somit drängt sich die Frage auf, wie es um         pie innerhalb von vier Jahren mindestens ein Zahn verloren. Bei
   die Versorgung und Therapie dieser Patienten bestellt ist.               einer Vergleichsgruppe ohne Therapie war hingegen im gleichen

   Regionale Unterschiede bei Diagnose und Therapie

   Derzeit bezahlen die Krankenkassen jedes halbe Jahr eine allgemei-
   ne Kontrolluntersuchung beim Zahnarzt, einmal im Jahr die Entfer-
   nung des Zahnsteines und alle zwei Jahre eine Parodontitis-Unter-
   suchung, den sogenannten Parodontalen Screening Index (PSI). Die
   jährliche Untersuchung sei nach Aussage der Krankenkassen gut ge-
   eignet, eine heraufziehende Parodontitis zu erkennen, und biete da-
   mit die Chance, frühzeitig weitergehende Behandlungen einzulei-
   ten. Dem diesjährigen Barmer-Zahnreport zufolge lassen zwar etwa
   die Hälfte der erwachsenen Versicherten, also 34 Millionen Perso-
   nen, in einem Zeitraum von zwei Jahren eine Parodontitis-Unter-
   suchung vornehmen. Aber nur weniger als zwei Prozent der Versi-
   cherten (also rund 1,2 Millionen) haben 2015 auch tatsächlich eine
   Therapie durchlaufen. Für den Barmer-Vorstandsvorsitzenden, Pro-
   fessor Dr. Christoph Straub, ein eindeutiges Zeichen, dass viele Bun-
   desbürger das Risiko einer Parodontitis unterschätzen. Es gibt aber
   auch bemerkenswerte regionale Unterschiede bei Diagnostik und
   Therapie der Parodontitis (siehe Grafik 1). Die höchste Inanspruch-
   nahmerate von Screeninguntersuchungen findet sich in Bayern mit
   30 Prozent der Versicherten, während das Saarland mit knapp 20
   Prozent am unteren Ende der Skala steht. Spitzenreiter bei der Par-
   odontitistherapie ist Nordrhein-Westfalen mit einer Inanspruchnah-
   merate von 2,1 Prozent, während im Saarland nur 0,9 Prozent der
   Versicherten eine solche Behandlung durchlaufen. Folglich gibt es
   eine deutliche Diskrepanz zwischen den an Parodontitis Erkrankten
   und den Behandelten. Die Ursachen dieser Unterschiede dürften
   vielfältig sein, lassen sich aber mit den Reportdaten nicht aufklären.
   In Berlin erhalten 1,6 Prozent der Versicherten eine Therapie, wäh-
   rend die Inanspruchnahmerate von Screeninguntersuchungen bei
   26,6 Prozent liegt.                                                      Grafik 1

10 MBZ 06 2017
MBZ Stille Volkskrankheit Parodontitis - Modernes Versorgungskonzept - ZAHNÄRZTEKAMMER ...
Thema

Zeitraum nur etwa ein Viertel (27 Prozent)
betroffen. „Diese Ergebnisse mögen zu-
nächst enttäuschen“, erklärt Walter. „Sie
können aber nicht ursächlich auf Qualitäts-
defizite in der Parodontitistherapie zurück-
geführt werden.“ An den vielfältigen The-
rapiekonzepten gebe es keinen Zweifel.
Wer nicht jährlich zur Kontrolluntersuchung
gehe, verdopple sein Risiko, im zeitlichen
Umfeld der Parodontitistherapie Zähne zu
verlieren. Wichtig sei daher eine regelmä-
ßige Nachsorge, da der am Zahnhalteap-
parat Erkrankte auch nach der Behand-
lung ein „Risikopatient“ bleibe. Schließlich
handle es sich bei der Parodontitis um
eine chronische Erkrankung. Die Betrof-
fenen müssten zudem auch eigenverant-
wortlich mitarbeiten und dürften in ihren
Bemühungen um die bestmögliche Mund-
hygiene nicht nachlassen. Folglich lautet
auch sein Appell an alle Bürger, schon bei       Grafik 2
den ersten Warnsignalen wie Zahnfleisch-
bluten sowie geschwollenem und gerötetem Zahnfleisch zum Zahn-         auch die Therapie schlechter an. Als Konsequenz fordert die Barmer,
arzt zu gehen. Eine Zahnfleischentzündung oder eine beginnende         die Zahnvorsorge bei Diabetikern als Bestandteil in das Disease-Ma-
Parodontitis seien noch leicht und schmerzarm zu behandeln. Kom-       nagement-Programm (DMP) der Krankenkassen aufzunehmen. Das
plizierter werde es, wenn die Erkrankung schon weit fortgeschrit-      Programm wurde entwickelt, um chronisch kranke Menschen best-
ten ist. „Wir können den Betroffenen nur raten, frühzeitig zum Zahn-   möglich zu behandeln und zu unterstützen. Darin sind bereits heute
arzt zu gehen und dessen Therapieempfehlungen auch konsequent          regelmäßige Augenuntersuchungen oder die Kontrolle der Füße ent-
umzusetzen“, ergänzt der Barmer-Vorsitzende.                           halten, um frühzeitig Folge- oder Begleiterkrankungen zu erkennen.
Besonders wichtig sind Früherkennungs- und Nachsorgeuntersu-           Der drohende Zahnverlust bei Diabetikern sollte bei der Versorgung
chungen zu Parodontitis bei „Zuckerkranken“. Der Studie nach er-       denselben Stellenwert erhalten, betont Straub. Die Zahnvorsorge als
folgen Zahnentfernungen nach einer Parodontitistherapie bei Diabe-     DMP-Bestandteil könnte einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass
tikern deutlich häufiger. Bei jungen Diabetikern ist das Risiko mehr   die Zahnärzte bei der Behandlung von zuckerkranken Menschen ein
als doppelt so hoch wie bei gleichaltrigen Nicht-Diabetikern (sie-     stärkeres Augenmerk auf die Zahngesundheit der Patienten legen
he Grafik 2). Bei zuckerkranken Menschen ist die Gefahr einer Par-     und damit Krankheiten wie die Parodontitis früh erkennen.
odontitis also nicht nur besonders groß, bei ihnen schlägt offenbar
                                                                                     PZR als primärpräventive
                                                                                     Maßnahme bewährt

 Parodontitis kann durch regelmäßige                                                 Dass sich bereits die Professionelle Zahnreinigung
     Prophylaxe beim Zahnarzt und                                                    (PZR) als primärpräventive Maßnahme in der zeitli-
                                                                                     chen Verlängerung der Individualprophylaxe für Kin-
mundgesundes Verhalten in den meisten                                                der und Jugendliche bewährt hat, zeigen ebenfalls
 Fällen vermieden und eine bestehende                                                die Ergebnisse der DMS V: Jüngere Erwachsene, die
                                                                                     regelmäßig eine PZR in Anspruch nehmen, zeigen
   Erkrankung in ihrer Verlaufsform                                                  weniger Karieserfahrung und bessere parodontale
    wesentlich abgemildert werden.                                                   Zustände. Die Karieserfahrung – also die Gesamtheit

                                                                                                                        MBZ 06 2017 11
MBZ Stille Volkskrankheit Parodontitis - Modernes Versorgungskonzept - ZAHNÄRZTEKAMMER ...
Thema

   der durch Karies oder Kariesfolgen (Füllungen oder                   Die Leistungen der gesetzlichen
   andere Restaurationen, Zahnverluste) betroffenen
   Zähne eines Gebisses – liegt in dieser Altersgruppe                Krankenkassen für Prävention und
   bei regelmäßiger PZR bei 10,7 Zähnen, während sie                   Nachsorge sind unvollständig und
   in der Gruppe von Personen, die keine regelmäßige
   PZR in Anspruch nehmen, bei 11,4 Zähnen liegt. Bei
                                                                      veraltet. Zudem ist die „Sprechende
   den jüngeren Senioren stellen sich die Unterschiede              Zahnmedizin“ nicht adäquat abgebildet.
   noch deutlicher dar.                                               Es fehlt das „Ärztliche Gespräch“ als
   Defizite im GKV-Leistungskatalog                                       gesonderte Leistungsposition.

   Da die PZR eine Präventivmaßnahme ist, also keine                                         Dr. Wolfgang Eßer,
   Maßnahme der Parodontitistherapie, haben gesetzlich                             Vorsitzender des Vorstandes der KZBV
   Krankenversicherte auch bei Vorliegen einer Parodonti-
   tis nach gängiger Rechtsprechung keinen Anspruch auf
   Durchführung einer PZR zulasten der gesetzlichen Krankenversiche-       wesentlichen Bausteinen einer präventionsbasierten Versorgungs-
   rung (GKV).                                                             strecke zählen für die KZBV u. a.:
   Im Hinblick auf Prävention und Nachsorge von parodontalen Er-           • Möglichkeit des Zahnarztes zur individuellen Aufklärung
   krankungen sieht die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung              • Motivation und Remotivation der Patienten
   (KZBV) daher nicht nur deutliche Defizite im GKV-Leistungskata-         • regelmäßige Verlaufskontrolle im Sinne einer qualitätsgesicher-
   log. Dieser ist sowohl unvollständig als auch veraltet und entspricht     ten Evaluation
   somit nicht mehr dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse.         • strukturiertes Nachsorgeprogramm im Sinne der unterstützen-
   Bei der aktuell in den Verträgen abgebildeten Parodontitistherapie        den Parodontitistherapie (UPT)
   fehlten wichtige Eckpfeiler für ein modernes und dauerhaft Erfolg
   versprechendes Behandlungskonzept.                                      Um den Behandlungserfolg nach der aktiven Phase der Behand-
   Benötigt werde folglich ein neues, modernes Versorgungskonzept          lung einer chronischen Erkrankung zu stabilisieren, ist sowohl nach
   im Bereich der Parodontitistherapie auf der Höhe der Zeit. Zu den       ausschließlicher antiinfektiöser Therapie (AIT) im geschlossenen
                                                                           Vorgehen als auch bei Patienten mit zusätzlich durchgeführter wei-
                                                                           terführender chirurgischer Parodontitistherapie (CPT) der Über-
      Aus meiner Sicht
                                                                           gang in die strukturierte Nachsorge erforderlich.
                                                                           Die UPT hat zum Ziel, sowohl nicht befallenes gingivales und pa-
                                  Der aktuelle Zahnreport weist zu         rodontales Gewebe gesund zu erhalten als auch Neu- oder Re-
     Foto: KZV Berlin

                                  Recht darauf hin, dass Parodontitis      infektionen in behandelten Bereichen zu erkennen und bestehen-
                                  bereits im Frühstadium vermieden         de Erkrankungen einzudämmen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind
                                  werden muss, damit der Patient kei-      regelmäßige UPT-Sitzungen notwendig. Die UPT besteht aus:
                                  nen Zahnverlust erleidet. Bislang bil-   • Kontrolle der individuellen Mundhygiene (Plaque- und Entzün-
                                  det aber der GKV-Leistungskatalog          dungsindex)
                                  die notwendigen Maßnahmen wie            • Mundhygienemotivation und -instruktion
                                  Prävention und die UPT nicht ab.         • mindestens einmal pro Jahr PAR-Status
                                  Ein modernes Versorgungskonzept          • erneute vollständige supra- und subgingivale Reinigung aller
                                  ist daher unerlässlich. Das wird Geld      Zähne von anhaftenden Biofilmen und Belägen
                                  kosten, da sich die UPT über Jahre       • subgingivale Instrumentierung an Zähnen mit ST = 4 mm und
                                  hinziehen kann. Doch Geld allein ist       Bluten auf Sondieren (BOP) und alle Stellen mit ST ≥ 5 mm
    Dr. Jörg-Peter Husemann,
    Vorsitzender des Vorstandes   nicht alles. Denn ohne die Compli-
    der KZV Berlin                ance unserer Patienten hilft auch das    Die in der UPT enthaltenen Therapiemaßnahmen sind aktuell
                                  beste Versorgungskonzept nichts.         nicht im GKV-Leistungskatalog enthalten. Die starke Formalisie-
                                                                           rung bei der Einführung neuer Behandlungsmethoden auf Basis

12 MBZ 06 2017
MBZ Stille Volkskrankheit Parodontitis - Modernes Versorgungskonzept - ZAHNÄRZTEKAMMER ...
Thema

der evidenzbasierten Medizin sieht im Gemeinsamen Bundesaus-                Die Kassen sollten daher die Vorschläge der Selbstverwaltung für
schuss (G-BA) zur Einführung neuer präventiver und therapeuti-              konkrete Versorgungsverbesserungen im Interesse der Patienten
scher Maßnahmen das Verfahren der Methodenbewertung nach                    mittragen, besonders im G-BA, mahnt Eßer. Er fordert Politik und
§ 135 SGB V vor. Hierbei wird weltweit nach der bestmöglichen               Kostenträger auf, die Zahnärzteschaft beim präventionsorientierten
Evidenz für eine Behandlungsmethode in Form von wissenschaft-               Turnaround in der Parodontitistherapie zu unterstützen, der bei der
lichen Studien gesucht. Dies sind zum einen der Einstieg in die             Karies-Bekämpfung bereits gelungen ist.
Beratungen und zum anderen der Stand der Aktualisierung der                 Auch die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) spricht sich für mehr
PAR-Leistungen in der Behandlungsrichtlinie.                                Prävention aus: Parodontitis bleibe eine Volkskrankheit, die stark
Anfang 2015 wurde das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit          vom Mundgesundheitsverhalten der Patienten abhängig ist. Auf
im Gesundheitswesen (IQWiG) mit einer wissenschaftlichen Ex-                Grund ihres chronischen Verlaufs und ihrer Wechselwirkungen ins-
pertise beauftragt, die bestehenden Regelungen in der Behand-               besondere zum Diabetes dürfe sie nicht verharmlost werden. Das
lungsrichtlinie hinsichtlich der Parodontitistherapie systematisch zu       Wissen um diese Erkrankung sei in der Bevölkerung unzureichend.
überprüfen. Dieser Vorbericht wurde im Januar 2017 veröffentlicht           „Aufklärung und Prävention müssen unbedingt verstärkt werden“,
(wir berichteten im MBZ 03/2017). Das IQWiG weist darin für die             fordert Professor Dr. Dietmar Oesterreich, BZÄK-Vizepräsident.
Zahnärztesachaft völlig unverständlich nahezu keine positiven Be-           Zusätzliche Bedeutung erhält das Thema durch die seit Jahren im-
lege zum Nutzen der Parodontalbehandlung aus. Aufgrund seiner               mer dringlicheren Hinweise aus der Wissenschaft, dass parodonta-
starren Methodik schließt das IQWiG hinsichtlich der Parodontal-            le Erkrankungen keineswegs nur ein Problem der Mundhöhle sind,
behandlung zahlreiche international anerkannte Studienergebnis-             sondern weit darüber hinausreichend schwere Allgemeinerkran-
se bei der Bewertung aus und lässt sie gänzlich unberücksichtigt.           kungen wie beispielsweise Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankun-
Somit wird Versorgungsformen, die weltweit auf wissenschaftlicher           gen befördern, wenn nicht sogar auslösen können.
Erkenntnislage angewendet werden, der Nutzen für Deutschland                Hier kommt der Standespolitik die verpflichtende Aufgabe zu, der
abgesprochen. Dies wirft die grundsätzliche Frage auf, ob die Me-           Politik praktikable Lösungsvorschläge zu unterbreiten, zugleich
thoden des IQWiG zur Nutzenbewertung von Arzneimitteln über-                aber auch mögliche Alternativen aufzuzeigen. Die KZBV bezieht
haupt auf nicht medikamentöse Therapieformen in Human- und                  deshalb nicht nur die fachlichen Gesichtspunkte in ihre Überlegun-
Zahnmedizin angewendet werden können.                                       gen für die Neugestaltung der Richtlinien mit ein, sondern befasst
                                                                            sich auch mit der Frage, ob künftig etwa durch spezielle Anreiz-
Versorgungskonzept angekündigt                                              systeme sowohl die Mitarbeit der Patienten als auch die Finanzier-
                                                                            barkeit gefördert werden können.
Die KZBV hat bereits 2014 begonnen, zusammen mit der Deutschen
Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro) und unter Beteiligung der         Vanessa Hönighaus
Bundeszahnärztekammer (BZÄK) die bisher in der Behandlungs-
richtlinie des G-BA und die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für
zahnärztliche Leistungen (BEMA) abgebildete PAR-Therapiestrecke zu            Zuschuss zur Professionellen Zahnreinigung
hinterfragen und insbesondere die mögliche Einbindung dringend er-
forderlicher Präventionskonzepte einschließlich der UPT in den GKV-          Die KZBV hat die Angebotsvielfalt bei der PZR zum Anlass genom-
Leistungskatalog zu prüfen. Die Expertenrunde hat die Problemfelder          men, im April 2017 eine Umfrage bei den 113 gesetzlichen Kran-
der aktuellen Regelungen und Richtlinien der vertragszahnärztlichen          kenkassen durchzuführen, 36 haben geantwortet. Etliche befragte
Versorgung identifiziert und erstellt derzeit unter Federführung der         Kassen gewähren ihren Versicherten einen Zuschuss zur PZR pro
KZBV ein umfassendes Versorgungskonzept zur Parodontitistherapie             Jahr oder pro Termin. Eini-
in der GKV. Das Konzept soll zeitnah veröffentlicht werden. „Dann            ge Kostenträger bieten Ver-
wird sich zeigen, ob die Kassen darin enthaltene, substanzielle Ver-         günstigungen jedoch nur in
sorgungsverbesserungen mittragen oder aus Kostengründen blockie-             Zusammenarbeit mit aus-
ren“, stellt Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstandes der KZBV,        gewählten Zahnärzten an.
fest. Natürlich gehe es auch hier nicht ohne zusätzliche finanzielle Mit-    Die Umfrage-Ergebnisse
tel, die durch die Politik und Kassen freizugeben seien. Dieser Prozess      für die Verwendung in Ih-
der Neugestaltung einer zeitgemäßen PAR-Therapie sei ein Prozess,            rer Praxis finden Sie online:
bei dem dicke Bretter gebohrt werden müssten.

                                                                                                                             MBZ 06 2017 13
Beruf & Politik

   Positionen zur Bundestagswahl 2017

   Evidenzbasierte Medizin –
   Basis guter Gesundheitspolitik

   I     m Mittelpunkt der patientenorientierten Gesundheitspolitik
         steht die Verbesserung der Qualität der medizinischen Ver-
         sorgung für alle Menschen in Deutschland. Die Gesundheits-
   politik muss sich an empirisch belegten Fakten orientieren, denn
   nur eine evidenzbasierte Medizin kann die Qualität der Versorgung
                                                                                 Arbeitsgemeinschaft der
                                                                                 Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.

   sichern und nur eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik kann da-
   für die Rahmenbedingungen setzen. Eine gute medizinische Ver-         des Antibiotikaeinsatzes zugunsten weniger schädlicher Hygien-
   sorgung setzt eine qualitativ hochwertige Aus-, Weiter- und Fort-     emaßnahmen und die Entwicklung neuer Antiinfektiva mit staat-
   bildung sowie eine medizinische Forschung auf international           licher Förderung sind dringend erforderlich.
   kompetitivem Niveau voraus. Für ein zukunftsorientiertes, nach-
   haltiges und effektives Gesundheitssystem für Deutschland fordert     • Verbesserung der Rahmenbedingungen
   die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen            für die Gesundheitsforschung
   Fachgesellschaften e.V. (AWMF):
                                                                         Die Arzneimittel- und die Medizinproduktegesetzgebung haben in
   • Intensive Kooperation der Gesundheitspolitik                        den letzten Jahren zunehmend höhere Hürden für die akademi-
     mit der wissenschaftlichen Medizin                                  sche klinische Forschung aufgebaut. Damit drängende Forschungs-
                                                                         fragen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung wieder
   Bei gesundheitspolitischen Entscheidungen ist darauf zu achten,       ohne Verzögerung bearbeitet werden können, benötigt die akade-
   dass die Entscheidungsbefugnis jeweils der Ebene (Bund, Länder,       mische klinische Forschung erleichterte Rahmenbedingen.
   Selbstverwaltung) mit der größten fachlichen Kompetenz zugeord-
   net wird. Dabei sollten die AMWF und die in ihr organisierten Wis-    • Personalentwicklung und Nachwuchsförderung
   senschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, die das me-           in der Medizin
   dizinische Wissen in Deutschland vertreten, mehr und zu einem
   früheren Zeitpunkt als bisher einbezogen werden. In der AMWF          Die Approbationsordnungen für Ärzte und für Zahnärzte stehen zur
   sind alle medizinischen Fächer, die meisten interdisziplinären The-   Revision an. Zu einer Reform mit Augenmaß anhand erprobter Mo-
   menbereiche und neben Ärzten auch viele weitere Gesundheits-          delle gehören ein gemeinsames Grundstudium beider Berufsgrup-
   berufe vertreten.                                                     pen, die Qualitätssicherung durch Staatsprüfungen nach Grund- und
                                                                         Hauptstudium sowie definierte Schnittstellen vom Studium zur Wei-
   • Unabhängige Finanzierung der Entwicklung                            terbildung. Dabei sind einerseits eine intensivere Ausbildung in der
     und Implementierung von Leitlinien                                  ambulanten Medizin in Lehrpraxen und Hochschulambulanzen und
                                                                         andererseits der Aufbau von Karrierepfaden für (Zahn-)Ärzte und me-
   Leitlinien fassen das medizinische Wissen auf dem jeweils aktu-       dizinische Wissenschaftler durch ausreichende finanzielle Mittel si-
   ellen Stand zusammen und liefern damit die Basis für ärztliche        cherzustellen. Weiterhin müssen die Zahl der Studienplätze sowie die
   Entscheidungen zum Wohl des einzelnen Patienten. Ihre Inhalte         Personalschlüssel in der Pflege und dem Hebammenwesen an die
   werden von den in der AWMF organisierten Fachgesellschaften ge-       steigenden Anforderungen im Gesundheitswesen angepasst werden.
   liefert. Die Erstellung von Leitlinien und deren Umsetzung in die
   Praxis bedürfen einer nachhaltigen unabhängigen Finanzierung.         Für die Gesundheitsgesetzgebung sollten ähnlich hohe Maßstäbe
                                                                         gelten wie für die medizinische Versorgung. Bevor neue Wege zur
   • Koordination des Infektionsschutzes                                 Verbesserung der medizinischen Versorgung eingeschlagen wer-
     zwischen Humanmedizin und Tiermedizin                               den, ist anhand überprüfbarer Fakten nachzuweisen, dass die ge-
                                                                         setzgeberischen Maßnahmen ausreichend, notwendig und zweck-
   Der unkritische Einsatz von Antibiotika in Medizin und Landwirt-      mäßig sind. Die AWMF bietet hierzu gern ihre Unterstützung an.
   schaft hat Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen zu einem
   Gesundheitsproblem ersten Ranges gemacht. Die Eingrenzung             AWMF

14 MBZ 06 2017
Beruf & Politik

   6. Netzwerktreffen Junge Zahnärzte

   Erfahrungsaustausch und viele
   neue Kontakte

   D           ie Veranstaltung hilft uns, Kontakte zu knüpfen, und verbes-
               sert den Erfahrungsaustausch“, charakterisierte die Teilneh-
               merin Adela Rusu das 6. Netzwerktreffen Junge Zahnärz-
   te der Zahnärztekammer Berlin (ZÄK Berlin), das am 11. Mai 2017 in
   der Bar am Steinplatz stattfand. Rund 40 Teilnehmer trafen sich in der
   „Hotelbar des Jahres 2017“ in Berlin-Charlottenburg.
   Eingeladen hatte der Vorstand der ZÄK Berlin, an dem Abend vertre-
   ten durch Präsident Dr. Karsten Heegewaldt, Vizepräsident Dr. Micha-
   el Dreyer sowie Vorstandsmitglieder Juliane von Hoyningen-Huene.
   Sie standen dem zahnärztlichen Nachwuchs als Ansprechpartner zur
   Verfügung: „Das Netzwerktreffen soll Ihnen ermöglichen, sowohl mit
   Ihren Kolleginnen und Kollegen als auch mit uns in lockerer Atmo-
   sphäre ins Gespräch zu kommen“, so Dr. Heegewaldt bei der Begrü-
   ßung der Gäste. „Nutzen Sie die Gelegenheit, wir freuen uns auf ei-
   nen regen Austausch mit Ihnen und beantworten Ihnen gern all Ihre
   Fragen.“ Der Präsident verwies dabei auf die vielfältige praktische Ex-
   pertise der anwesenden Vorstandsmitglieder sowie des Kammer-Ge-
   schäftsführers Dr. Jan Fischdick etwa zu den Themen Praxisführung,
   Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Vertragsrecht. Das Angebot
   und die Präsenz des Vorstandes kam bei den jungen Zahnärzten sehr
   gut an: „Ich freue mich immer, wenn ich dabei sein kann. Ich bin total
   begeistert von der Organisation und den immer gut gewählten Loca-
   tions dieser Abende. Meinen Dank an die Zahnärztekammer, dass sie
   für uns immer da ist“, sagte Zahnärztin Rusu.
   Wie auch die vorausgegangenen Netzwerktreffen wurde die Veran-
   staltung unterstützt durch die Deutsche Apotheker- und Ärztebank.
   Monika Mohri, stellvertretende Direktorin der Filiale Berlin und Lei-
   terin Selbstständige Heilberufe, Lisa-Marie Menzel, Beraterin An-
   gestellte Heilberufe, und Diplom-Bankbetriebswirt Stefan Schmidt,
   Berater Selbständige Heilberufe, waren für die Gäste gefragte Kon-
   takte und bereicherten die Veranstaltung durch ihr umfangreiches
   Know-how in Finanzthemen rund um Praxisgründung, -suche oder
   -übernahme. Stefan Schmidt, der den Impulsvortrag „So wollen
   Heilberufler leben und arbeiten“ hielt, sah in seinen zahlreichen
   Gesprächen an diesem Abend den allgemeinen Trend widerge-
   spiegelt: Junge Zahnärztinnen und Zahnärzte sehen die Nieder-
   lassung weiterhin als sehr attraktiv an und tendieren eher zur Ge-
   meinschafts- als zu einer Einzelpraxis.“
   Die Teilnehmer der Veranstaltungsreihe bestätigen, dass regelmä-
   ßiger kollegialer Anschluss vieles einfacher macht: „Es ist beruhi-
   gend und auch sehr inspirierend, sich mit Zahnärzten unterschied-
   licher Spezialisierung über Behandlungskonzepte auszutauschen“,
   meinte Zahnärztin Maxie Schenk. „Darüber hinaus wurde heute
   Abend mit Vortrag und Gesprächen intensiv auf meine Fragen zur
   Selbstständigkeit eingegangen. Man fühlt sich wohl, informiert und
   geht gestärkt und mit neuen Zielen nach Hause.“
   Das nächste Netzwerktreffen Junge Zahnärzte findet am 14. Sep-
                                                                              Fotos: ZÄK Berlin

   tember 2017 statt.

   Kornelia Kostetzko

16 MBZ 06 2017
Beruf & Politik

Frühjahrsfest der Zahnärzteschaft

Positionen und Ziele klargestellt

M             itte Mai fand das traditionelle

                                                                                                                                        Fotos: KZBV/axentis.de
              Frühjahrsfest von Kassenzahn-
              ärztlicher Bundesvereinigung
(KZBV) und Bundeszahnärztekammer
(BZÄK) statt. Bereits zum fünften Mal tra-
fen sich Gäste aus Politik, Zahnärzteschaft,
Selbstverwaltung, Medien und Gesund-
heitswirtschaft in der Britischen Botschaft
in Berlin.
Der Vorsitzende des Vorstandes der KZBV,
Dr. Wolfgang Eßer, stellte in seiner Rede
anlässlich des Festakts die Positionen und
Ziele der KZBV für die Gestaltung der zu-
künftigen vertragszahnärztlichen Versor-
gung vor. „Wir müssen den demografi-
schen Wandel bewältigen, die Chancen
der Digitalisierung konsequent nutzen und
dabei Datenschutz und Datensicherheit für
Patientinnen und Patienten sowie Zahnärz-
tinnen und Zahnärzte gewährleisten“, so
Eßer. Als größte Herausforderung für die        zu bewahren und den mündigen
zahnmedizinische Versorgung bezeichne-          Bürger zu fördern. Auch die Stär-
te er den Kampf gegen die Volkskrankheit        kung der Mundgesundheitskom-
Parodontitis. Hier sei eine gemeinsame          petenz sei ein entscheidender
Anstrengung von Zahnärzten, Politik und         Beitrag zur Förderung von Eigen-
Selbstverwaltung unter Einbindung der           verantwortung, führte Eßer aus.
Wissenschaft notwendig, um Versorgung           Abschließend lud er dazu ein, ge-
zielgerichtet zu verbessern. Erklärtes Ziel     meinsam mit dem Vorstand der
der Zahnärzteschaft sei es, so Eßer weiter,     KZBV die Perspektiven für die
dass die Menschen in Deutschland unab-          zahnmedizinische Versorgung
hängig von ihrem Wohnort und ihrem so-          der nächsten Jahre zu diskutie-
zialen Status einen gleichberechtigten Zu-      ren. Die Positionen und Ziele der
gang zur zahnmedizinischen Versorgung           Vertragszahnärzteschaft werden
und Teilhabe am medizinischen Fortschritt       in Kürze in der Agenda Mundge-
haben. Um dieses Ziel auch im ländlichen        sundheit 2017-2021 vorgestellt.                 Bei der Novelle der Approbationsordnung
Raum zu erreichen, müssten Steuerungs-          Bundesminister für Gesundheit Hermann           Zahnmedizin wolle das Bundesministe-
fehler korrigiert werden und dürften her-       Gröhe (CDU) bezeichnete in seinem Gruß-         rium für Gesundheit den Zeitplan halten
kömmliche Zahnarztpraxen nicht länger           wort die sehr guten Ergebnisse im Kampf         und die über 60 Jahre alte Approbations-
gegenüber reinen Zahnarzt-MVZ benach-           gegen Karies als Erfolgsgeschichte. Auch        ordnung noch in dieser Legislaturperiode
teiligt werden.                                 er sehe aufgrund der Ergebnisse der Fünf-       novellieren. Davon könne sie nichts abhal-
Als innovativer Berufsstand nehme die           ten Deutschen Mundgesundheitsstudie die         ten.
Zahnärzteschaft auch die Entwicklung der        Versorgung von Parodontalerkrankungen           BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel appellier-
Digitalisierung im Gesundheitswesen po-         als große Herausforderung und stellte fest:     te deshalb noch einmal an die Vertreter
sitiv auf. „Wir begreifen die Digitalisierung   „Hier gibt es Entwicklungsbedarf.“ Die Be-      der Bundesländer, die Verabschiedung der
als Chance, Versorgung effizienter zu ge-       wältigung der Volkskrankheit Parodontitis sei   neuen Approbationsordnung Zahnmedizin
stalten“, betonte Eßer. Vorschlägen zum         für ihn ein wichtiges Thema und er sei ge-      in dieser Legislaturperiode zu unterstüt-
Umbau des dualen Gesundheitssystems             spannt auf die Vorschläge für eine besse-       zen. Zudem überreichte Engel dem Minis-
zu einer Einheitsversicherung erteilte Eßer     re Prävention und Therapie von Parodonta-       ter das BZÄK-Papier „Gesundheitspoliti-
aus Sicht der KZBV eine Absage. In einem        lerkrankungen, die die KZBV in Form eines       sche Perspektiven für die Legislaturperiode
eindringlichen Appell forderte er die an-       Versorgungskonzeptes vorlegen wird. Positiv     2017-2021“.
wesenden Politiker auf, die Eigenverant-        griff der Minister auch das Gesprächsange-
wortung und Wahlfreiheit der Patienten          bot des Vorstands der KZBV auf.                 KZBV | BZÄK

                                                                                                                          MBZ 06 2017 17
Beruf & Politik

   HDZ-Jubiläum
   Hilfsprojekte mit 33 Millionen Euro unterstützt

   S        eit dreißig Jahren engagiert sich die Stiftung Hilfswerk
            Deutscher Zahnärzte (HDZ) weltweit, um in akuten Kata-
            strophen aber auch langfristig Not zu lindern. In den ver-
   gangenen drei Jahrzehnten konnten Hilfsprojekte mit insgesamt
   33 Millionen Euro unterstützt werden.
                                                                             Sürmann. Engel dankte allen Mitstreitern des zahnärztlichen Hilfs-
                                                                             werks sowie allen ehrenamtlich tätigen Zahnärzten. Ihr Einsatz sei
                                                                             nicht hoch genug zu achten.
                                                                             Auch Dr. Rudolf Seiters, Präsident des Deutschen Roten Kreuzes
                                                                             und Vizepräsident des Deutschen Bundestages a. D., stellte in sei-
   Das Hilfswerk wurde am 18. Mai 1987 gegründet. Anlässlich des             ner Festansprache das Engagement der Stiftung heraus.
   30-jährigen Bestehens lud die Stiftung zu einer Feierstunde in Ber-       Das HDZ ist die größte zahnärztliche Hilfsorganisation, es finan-
   lin ein.                                                                  ziert sich ausschließlich aus Spenden und koordiniert die Hilfe vieler
                                                     Die Bundeszahn-         Zahnmediziner. Es hilft in Krisen- und Kriegsgebieten, bei Naturkata-
                                                     ärztekammer             strophen und humanitären Notlagen mit Soforthilfemaßnahmen so-
                                                     (BZÄK), seit 2010       wie Infrastrukturaufbau und mit Hilfe zur Selbsthilfe. Auch der Kampf
                                                     Schirmherrin der        gegen HIV, AIDS und Lepra zählt zu den Aufgaben des HDZ.
                                                     Stiftung HDZ, dankt
                                                     dem Hilfswerk für       BZÄK
   sein verlässliches Engagement. „Die Projekte des HDZ sind so viel-
   fältig wie die Länder, in denen es hilft. Das HDZ ist schnell, bürokra-
   tiearm und hat in den dreißig Jahren viel Not gelindert: zum Beispiel       Projekte des HDZ
   Soforthilfe nach der Tsunamikatastrophe geleistet oder langfristig Kli-
   niken aufgebaut“, so BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel.                      Nähere Informationen zur Arbeitsweise und den Projekten des
   Er würdigte die jahrzehntelange Arbeit des HDZ-Vorstehers Dr.             Hilfswerks Deutscher Zahnärzte finden Sie auf der Homepage:
   Klaus Winter. Seit 1996 hat Winter den Vorsitz der Stiftung inne          www.stiftung-hdz.de
   und übergibt diesen nun an seinen Nachfolger Dr. Klaus-Achim

   Medizinethik im Nationalsozialismus
   Lektionen der Unmenschlichkeit

   H            aben sich Ärzte im Nationalsozialismus mit medizinischer
                Ethik beschäftigt? Ist die ärztliche Ethik unabhängig vom
                politischen System? Diese Fragestellungen haben Dr. Flo-
   rian Bruns von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Dr. Tes-
   sa Chelouche von der israelischen Universität Haifa untersucht.
                                                                             Ausrichtung nicht selbstverständlich ist, sondern stets neu verhan-
                                                                             delt und verteidigt werden muss“, sagt Dr. Florian Bruns vom Insti-
                                                                             tut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin der Charité.
   Aus heutiger Perspektive erscheint es kaum vorstellbar, dass sich         Das Projekt „GeDenkOrt.Charité – Wissenschaft in Verantwortung“ stellt
   Ärzte im Nationalsozialismus mit medizinethischen Fragen be-              sich dieser Herausforderung: Ziel ist es, Studierende und Ärzte darin
   schäftigt haben. Doch genau dies konnten die beiden Forscher              zu bestärken, sich den ethischen Gefährdungen der Human-, Technik-,
   bestätigen und anhand von Archivmaterial belegen: Im Jahr 1939            und Biowissenschaften stets bewusst zu sein und dabei zuallererst ei-
   wurden an allen medizinischen Fakultäten im Deutschen Reich               nem verantwortungsbewussten Handeln in medizinischer Praxis, For-
   Pflichtvorlesungen über ärztliche Ethik eingeführt – so auch an der       schung und Lehre verpflichtet zu sein. Zudem gibt es seit 2015 an der
   Medizinischen Fakultät der Berliner Universität.                          Charité die bundesweit erste Professur für Medical Humanities.
   Ziel der Vorlesungen war es, den angehenden Ärzten die moralischen
   Grundsätze nationalsozialistischer Medizin nahezubringen. Dazu ge-        PM Charité
   hörte die Annahme, dass Menschen einen ungleichen „Wert“ besä-
   ßen und die Gesundheit des sogenannten „Volkskörpers“ stets wich-
                                                                               Studie „Lectures on lnhumanity“
   tiger sei als die des einzelnen Patienten. Auch die Anerkennung der
   autoritären Rolle des Arztes, die Exklusion fremder „Rassen“ sowie die
   persönliche Pflicht zur Gesunderhaltung zählten zu den moralischen        Die Studie von Dr. Florian Bruns und Dr. Tessa Chelouche er-
   Imperativen, die in den Vorlesungen vermittelt wurden. Als Dozenten       schien unter dem Titel „Lectures on lnhumanity: Teaching Me-
   wurden Ärzte ausgewählt, die früh der NSDAP beigetreten waren und         dical Ethics in German Medical Schools under Nazism“ in
   daher als ideologisch zuverlässig galten.                                 der Fachzeitschrift „Annals of Internal Medicine“: 2017 Apr
   „Unsere Forschungen zeigen, dass auch die ärztliche Ethik letztlich       18;166(8):591-595
   nur den gesellschaftlichen Zeitgeist widerspiegelt und ihre humane

18 MBZ 06 2017
Beruf & Politik

   Gesundheitstag in Marzahn

   Gemeinsame Patientenberatung vor Ort

   D          as Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf orga-

                                                                                                                      Fotos: KZV Berlin
              nisierte dieses Jahr wieder seinen bereits
              traditionellen Gesundheitstag. Wieder mit
   dabei war die Gemeinsame Patientenberatung der
   Berliner Zahnärzte.
   Mitarbeiterinnen und Zahnärzte nutzen die Gele-
   genheit, das Service-Angebot von Kassenzahnärzt-
   licher Vereinigung Berlin und Zahnärztekammer
   Berlin weiter bekannt zu machen. Sie standen den
   Teilnehmern für alle Fragen rund um die Zahnpfle-
   ge und Mundgesundheit zur Verfügung. Das Frage-
   spektrum reichte von allgemeinen Fragen wie z. B.
   nach der richtigen Zahnbürste oder Zahnpasta bis
   hin zu speziellen Fragen nach Zahnersatz. Welche verschiedenen           Teilnehmer kosten-
   Möglichkeiten an Zahnersatz sich einem Patienten bieten, konnte          los einen Sehtest ma-
   direkt an Modellen erklärt werden. Viele Teilnehmer ließen sich          chen, ihren Blutzu-
   Alternativen für eine bevorstehende Zahnersatzbehandlung auf-            ckerwert messen oder
   zeigen, andere berichteten von bereits durchgeführten Behand-            ihren Fettanteil im Kör-
   lungen. Ein weiteres großes Thema bei den Teilnehmern: die Fül-          per bestimmen lassen.
   lungstherapie. Ist Amalgam als Füllungsmaterial empfehlenswert           Wer Informationen
   oder sollte aus gesundheitlichen Gründen lieber eine Alternati-          rund um die gesetzli-
   ve gewählt werden? Alle Fragen wurden kompetent und gedul-               che Krankenversicherung bekommen wollte, war hier ebenfalls rich-
   dig beantwortet.                                                         tig. Begleitet wurden die Gesundheitstage von einem breitgefächer-
   Ebenfalls mit einem Infostand vertreten waren Krankenkassen, Kli-        ten Vortragsprogramm und verschiedenen Workshops.
   nik-Gruppen, Körperschaften, Fitness-Center. Jeder Kooperations-
   partner präsentierte sein individuelles Angebot. So konnten die          Vanessa Hönighaus

   Grundsatzfinanzierungsvereinbarung

   Einführung der Telematikinfrastruktur

   V
                                                                                                                                          Foto: gematik

             or dem Hintergrund der getroffenen Einigung zwischen
             der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem
             Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzen-
   verband) über die Finanzierung der Telematik-Infrastruktur stellt
   die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) fest:
   Die von der KZBV mit dem GKV-Spitzenverband ausgehandelte
   Grundsatzfinanzierungsvereinbarung Online-Rollout Stufe 1 sieht
   entsprechend den gesetzlichen Vorgaben vor, dass in jedem Fall
   die kostengünstigste Variante zur Anbindung einer Praxis an die Te-
   lematikinfrastruktur von den gesetzlichen Krankenkassen vollstän-
   dig übernommen wird. Das ist unabhängig von den in der Grund-
   satzfinanzierungsvereinbarung genannten Beträgen für einzelne
   Komponenten sichergestellt.
   Der in der Vereinbarung bezifferte Betrag von 1.000 Euro für einen       GKV-Spitzenverband bedeuten, dass die gleiche Erstattung erzielt
   Konnektor, der in die Pauschale für die Erstausstattung der Praxen       werden würde, wie sie die Einigung zwischen KBV und GKV-Spit-
   einfließen soll, ist als vorläufiger Preis zu verstehen, bis eine qua-   zenverband vorsieht.
   litative Marktpreisermittlung abgeschlossen ist. Nach derzeitigem
   Marktstand würde das für die Vereinbarung zwischen KZBV und              KZBV

20 MBZ 06 2017
Beruf & Politik

Kostenpflichtige Zusatzleistungen

KZBV wehrt sich gegen Pauschalangriff

O            b Professionelle Zahnreinigung, Zahnersatz oder
             Bleaching: Bei vielen zahnärztlichen Leistungen müssen
             gesetzlich Krankenversicherte selbst zahlen. Einer Um-
frage zufolge, die im Auftrag der Verbraucherzentrale Nordrhein-
Westfalen (NRW) durchgeführt wurde, fühlen sich Patienten von
                                                                              einer solchen Vielzahl von Behandlungen mitunter vereinzelt auch
                                                                              zu Beschwerden kommt, sei bedauerlich und – in ausgewähl-
                                                                              ten und nachweislich begründeten Einzelfällen – sicher auch be-
                                                                              rechtigt. „Allerdings sollte die tatsächliche Zahl solcher Fälle in den
                                                                              Kontext der Gesamtzahl aller Behandlungen gestellt werden, be-
ihren Zahnärzten nicht ausreichend aufgeklärt, wenn es um die                 vor Pauschalurteile über einen angesehenen Berufsstand gefällt
Kosten für Zusatzleistungen geht. So nachzulesen auf dem On-                  werden“, so Eßer. Zudem gelte auch, dass nicht jede Beschwer-
line-Portal „Kostenfalle-Zahn“. Bei der repräsentativen Online-Be-            de eines Patienten, die bei der Verbraucherzentrale oder bei ver-
fragung von 1.000 gesetzlich Krankenversicherten habe sich ge-                gleichbaren Institutionen und Portalen über einen Zahnarzt selbst
zeigt, dass viele Zahnärzte offenbar                                                                       oder über das Ergebnis einer Behand-
ihren gesetzlichen Aufklärungspflichten                                                                    lung vorgebracht werde, auch automa-
über Zusatzkosten und gesetzliche Kas-                                                                     tisch berechtigt sei. „Hier bedarf es im-
senleistungen nicht nachkämen, heißt                                                                       mer der Überprüfung im Einzelfall, die
es dazu. „Kassenpatienten werden hier-                                                                     nicht zwangsläufig zu Gunsten des Pati-
durch mit unnötigen Mehrkosten belas-                                                                      enten ausgehen muss.“
tet und in ihrer Wahlfreiheit beschränkt“,
kritisiert die Verbraucherzentrale NRW.                                                                    Wissenschaftliche Grundlage
Die Zahnärzteschaft müsse diese Fehl-                                                                      der Studie zweifelhaft
entwicklung dringend korrigieren. Vier
von zehn Befragten hätten angegeben,                                                                       Eßer zweifelt auch die wissenschaftliche
vor Beginn der Behandlung nicht schrift-                                                                   Grundlage der Studie an. Es finde sich
lich über die Kosten der Zusatzleistung                                                                    kein Hinweis auf ein Verfahren der Zu-
informiert worden zu sein. Fast jeder                                                                      fallsauswahl der Teilnehmer. Informati-
Zweite habe nicht wie vorgeschrieben                                                                       onen über Größe und Zusammenset-
eine schriftliche Kostenübernahme be-              Der Wortlaut des gesamten Schreibens der                zung der Bruttostichprobe fehlten völlig.
stätigt. „Gut ein Drittel der Interviewten         KZBV an die Verbraucherzentrale NRW kann                „Leider haben wir in der Vergangenheit
                                                   nachgelesen werden unter: http://www.kzbv.de/
beklagte, nicht über mögliche Risiken              auklarung-uber-zusatzleistungen.1139.de.html
                                                                                                           mit der Belastbarkeit solcher und ähn-
der Zusatzleistung informiert worden zu                                                                    licher Erhebungen sehr negative Erfah-
sein. Und mehr als ein Viertel kritisierte,                                                                rungen machen müssen“, betont Eßer.
vor Behandlungsbeginn keine Information über die mögliche Kas-                Nicht selten komme es zu erheblichen Verzerrungen bei den Er-
senleistung bekommen zu haben“, berichtet die Verbraucherzent-                gebnissen im Hinblick auf das Ausmaß von – vermeintlichen oder
rale NRW. Das mache deutlich, dass Zahnärzte in vielen Fällen ge-             tatsächlichen – Problemen bei der Aufklärung von Patienten. So
gen ihre Pflichten verstießen.                                                wurden bei vergleichbaren Befragungen in der Vergangenheit mit-
                                                                              unter Antworten ohne konkrete Behandlungsfälle gegeben, Ant-
Offener Brief an Verbraucherzentrale NRW                                      worten erfolgten aus der weit zurückliegenden Erinnerung oder
                                                                              es wurden Angaben gemacht, die lediglich auf Hörensagen und
Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahn-                nicht auf tatsächlichem, eigenem Erleben beruhten, so Eßer. Sol-
ärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), will das so nicht hinneh-                che Umfragen ließen also eine fundierte wissenschaftliche Grund-
men. „Die Ergebnisse der Befragung können wir in weiten Teilen                lage vermissen. „Eine sachgerechte Auseinandersetzung oder gar
nicht nachvollziehen, decken diese sich doch nicht oder allenfalls            eine Positionierung der Zahnärzteschaft zu den Ergebnissen war
nur sehr bedingt mit vergleichbaren, aktuellen Daten, die uns vor-            darüber hinaus nicht möglich.“
liegen“, heißt es in einem Brief der KZBV an die Verbraucherzen-              Eßer zeigt sich offen für ein gemeinsames Gespräch mit den Verant-
trale NRW. Dass Vertragszahnärzte regelhaft und flächendeckend                wortlichen der Verbraucherzentrale NRW. Dabei könne der Komplex
in dem genannten Zusammenhang gegen ihre gesetzlich vorge-                    „Zuzahlungen“ an sich und auch die Möglichkeiten einer gemeinsa-
schriebenen Pflichten verstoßen, „halten wir für ebenso unzutref-             men Befragung durch die Verbraucherzentrale NRW und die Zahn-
fend und diffamierend wie die Feststellung, dass es angeblich ‚De-            ärzteschaft diskutiert werden. „Eine solche Untersuchung hätte den
fizite im Behandlungsprozedere‘ gibt“, betont Eßer. In Deutschland            Vorteil eines wissenschaftlich akkuraten, von allen Seiten akzeptier-
würden Jahr für Jahr Millionen von vertragszahnärztlichen Behand-             ten empirischen Fundaments und einer dementsprechenden sach-
lungen in den Praxen erbracht und zugleich auch vielfach Privat-              gerechten Evaluation als Grundlage für weitere Gespräche.“
leistungen durch Patienten ganz bewusst und aktiv nachgefragt,
mit denen dann Zuzahlungen verbunden sind. Dass es angesichts                 Vanessa Hönighaus

                                                                                                                                  MBZ 06 2017 21
Sie können auch lesen