Medizinphysik und metrologische Informationstechnik - Abteilung 8

 
WEITER LESEN
Medizinphysik und metrologische Informationstechnik - Abteilung 8
Physikalisch-Technische Bundesanstalt
Nationales Metrologieinstitut

Abteilung 8
Medizinphysik und
metrologische
Informationstechnik
Abteilungsbericht 2020
Medizinphysik und metrologische Informationstechnik - Abteilung 8
Abteilung 8
Medizinphysik und
metrologische
Informationstechnik
Prof. Dr. T. Schäffter
Telefon: (030) 3481-7343
E-Mail: tobias.schaeffter@ptb.de

Fachbereich 8.1
Biomedizinische
Magnetresonanz
Dr. B. Ittermann
Telefon: (030) 3481-7318
E-Mail: bernd.ittermann@ptb.de

Fachbereich 8.2
Biosignale
*Prof. Dr. T. Schäffter
Telefon: (030) 3481-7343
E-Mail: tobias.schaeffter@ptb.de

Fachbereich 8.3
Biomedizinische Optik
Prof. Dr. R. Macdonald
Telefon: (030) 3481-7542
E-Mail: rainer.macdonald@ptb.de

Fachbereich 8.4
Mathematische
Modellierung und
Datenanalyse
Prof. Dr. M. Bär
Telefon: (030) 3481-7687
E-Mail: markus.baer@ptb.de

Fachbereich 8.5
Metrologische
Informationstechnik
Dr. F. Thiel
Telefon: (030) 3481-7529
E-Mail: florian.thiel@ptb.de

FB IB.T
Technisch-wissenschaftliche
Infrastruktur Berlin
Dr. F. Melchert
Telefon: (030) 3481-7446
E-Mail: frank.melchert@ptb.de

Nachwuchsgruppe 8.55
Sichere und vertrauenswürdige
Systeme                            Titelseite: Mikroskopische Aufnahme der Tröpfchen einer
Dr. J. Nordholz                    Wasser-in-Öl Emulsion für die digitale Droplet PCR (ddPCR).
Telefon: (030) 3481-7321           Der Durchmesser der Tröpfchen beträgt etwa 118 µm. Die
E-Mail: jan.nordholz@ptb.de        spezifische Verstärkung eines gesuchten Nukleinsäureab-
                                   schnitts durch die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) läuft in
*Leitung wahrgenommen durch        derartigen Tröpfchen ab, je nachdem, ob der Abschnitt darin
                                   vorhanden ist oder nicht. Entsprechend positive Tröpfchen
Auszug aus dem PTB-Organigramm     werden anhand eines Fluoreszenzsignals identifiziert und
(Dezember 2020)                    lassen sich sehr genau zählen.
Medizinphysik und metrologische Informationstechnik - Abteilung 8
Abteilungsbericht 2020 – Medizinphysik und metrolo­gische Informationstechnik

Ein vorrangiges Ziel der Abteilung ist die Entwick-      fristige Aktivität an der PTB war in diesem Jahr die
lung von quantitativen Mess- und Referenzverfahren       Entwicklung eines Referenzmessverfahrens für den
zur Unterstützung moderner medizinischer Diag-           Virusgenomnachweis von SARS-CoV-2, welcher in
nosen und Therapien. Die aktuelle Pandemie SARS-         Zusammenarbeit mit dem Konsiliarlaboratorium für
CoV-2 hat gezeigt, wie wichtig zuverlässige biomedi-     Coronaviren des Instituts für Virologie der Charité
zinische Messungen und labormedizinische Tests zur       (Prof. Drosten) durchgeführt wurde. Dies ermöglichte
erfolgreichen Bewältigung von sich schnellausbrei-       die Teilnahme an internationalen Vergleichsmessun-
tenden Infektionen sind. Gerade bei Epidemien ist        gen zu unterschiedlichen SARS-CoV-Genom-Nach-
die Qualität und Vergleichbarkeit der Messergebnisse     weisverfahren, die von der Gesellschaft zur Förderung
von großen Bevölkerungsgruppen von entscheidender        der Qualitätssicherung medizinischer Laboratorien
Bedeutung. Denn auf deren Grundlage müssen weit-         e. V. (INSTAND e. V.) organisiert wurde.
reichende Entscheidungen getroffen werden, z. B. zur
Vorhersage des Entwicklungsverlaufs der Epidemie         Ein weiteres wichtiges Themenfeld in der Abteilung
oder zum Immunitätsstatus der Gesamtbevölkerung.         ist die Metrologie magnetischer Nanopartikel, die seit
So kann sichergestellt werden, dass gesundheitspoliti-   vielen Jahren an der PTB bearbeitet wird und derzeit
sche Entscheidungen auf der Grundlage genauer, na-       in der Labormedizin eine wichtige Rolle einnimmt.
tional und international vergleichbarer Testergebnisse   Neben Forschung und Dienstleistung wurde in den
getroffen werden. Es hat sich in der Pandemie auch       letzten Jahren zusätzlich an der Entwicklung von
gezeigt, dass medizinische Daten digital vorliegen       international gültigen Standards für magnetische
sollten. So kann schnell auf eine Verbreitung von        Nanopartikel in der in-vitro Medizin gearbeitet. Hier
Infektionen reagiert werden. Einheitliche digitale       nimmt die PTB eine führende Rolle ein.
Daten helfen zudem, zukünftige Krankheiten besser
und früher zu erkennen. Eine Qualitätsinfrastruktur      Ein weiterer wichtiger Bereich der letzten Jahre ist
ist hier Schlüsselfaktor, um eine einheitliche Güte      die Untersuchung maschineller Lernverfahren zur
medizinischer Messdaten zu gewährleisten, die an         Beschleunigung von inversen Problemen: z. B. die
unterschiedlichen Zentren gemessen wurden. Dabei         Bildrekonstruktion oder Lösung des statistischen
sind metrologische Fragen nach Empfindlichkeit,          inversen Problems in der EUV Nanometrologie. Bei-
Vergleichbarkeit und Genauigkeit der Messungen von       spielsweise kommen in der Magnetresonanztomogra-
zentraler Bedeutung. Eine einheitliche Güte medizi-      fie verstärkt iterative Rekonstruktionsverfahren zum
nischer Messdaten hat erheblichen Einfluss auf die       Einsatz. Zur Stabilisierung solcher Verfahren wird im
Entwicklung innovativer digitaler Medizinprodukte,       Allgemeinen eine sogenannte Regularisierung ein-
welche Daten zum Trainieren von Verfahren des ma-        gesetzt, deren Parameter allerdings meist heuristisch
schinellen Lernens nutzen. Darüber hinaus müssen         bestimmt werden und daher zu fehlerhaften Ergeb-
gesetzlich schützenswerte Daten sicher übertragen,       nissen führen können. In der Abteilung wurde ein
verarbeitet und angezeigt werden.                        neues robustes Verfahren für die Bildrekonstruktion
                                                         in der Herzfunktions-MRT entwickelt, bei dem ein
Die Abteilung 8 der Medizinphysik und metrolo-           maschinelles Lernverfahren bei der Regularisierung
gischen Informationstechnik (IT) stellt sich diesen      zum Einsatz kommt, welches die Regularisierung au-
Herausforderungen und entwickelt neue empfind-           tomatisch bestimmt. Im Bereich der metrologischen
liche Messverfahren und Softwarelösungen. Auch           Informationstechnologie wurde an der Erweiterung
während der Corona-Pandemie konnten laufende             eines internationalen Softwareleitfadens gearbeitet,
Dienstleistungs- und Forschungsaufgaben größten-         um neue Themen wie Machine Learning und Remote
teils weitergeführt werden. Dazu wurde verstärkt im      Verification in der nächsten Revision aufzunehmen.
„Homeoffice“ bzw. in wechselnden Teams gearbeitet.       Parallel laufen in der PTB Arbeiten, die Themen des
Gerade während des ersten „Lockdowns“ wurden             Cloud Computing und Smartphones als Anzeigetech-
verstärkt Forschungsergebnisse als Publikationen         nologie adressieren. Diese gewinnen für viele Techno-
eingereicht und Forschungsanträge geschrieben.           logien des gesetzlichen Messwesens an Bedeutung.
Dazu soll in diesem Bericht auf einige ausgewählte
Bereiche eingegangen werden. Eine wichtige kurz-

                                                                                                              1
Medizinphysik und metrologische Informationstechnik - Abteilung 8
Abteilungsbericht 2020 – Abteilung 8

Verbesserte und schnellere                              Pixeln. Ziel ist es nun, eine Bibliothek („Dictionary“)
Bildrekonstruktion mittels adaptiven                    aus den Daten zu lernen, mit deren Hilfe sich diese
Maschinellen Lernens                                    Blöcke darstellen lassen. Die Einträge in dem Dictio-
                                                        nary nennt man Atome. Da das Dictionary anhand
Die Magnetresonanztomografie (MRT) wird in vielen       der Bilder gelernt wird, ist es optimal an die verwen-
Bereichen der klinischen Diagnostik eingesetzt. Auf-    deten Daten angepasst.
grund ihres ausgezeichneten Weichteilkontrasts wird
auch die Funktion des Herzens vermehrt mittels MRT      In der Bildrekonstruktion wird die Regularisierung
untersucht. Dabei stellt die permanente Bewegung        des Bildes nun über die Regularisierung aller verschie-
des Zielorgans durch Herzschlag und Atembewe-           denen Blöcke des Bildes erlangt. Dazu nimmt man
gung eine große Herausforderung dar. Um dennoch         an, dass sich jeder dieser Blöcke durch eine geeignete
eine hohe Bildqualität zu gewährleisten, erfolgt die    Kombination einiger weniger Atome des Dictionary
Datenaufnahme typischerweise bei angehaltenem           darstellen lässt. Durch die Einschränkung, dass nur
Atem. Dies kann jedoch speziell für Patient*innen       eine geringe Anzahl solcher Atome verwendet werden
mit Herzkrankheiten schwierig sein, da sie Luft nicht   darf, wird das gesamte Bild regularisiert, weil Rau-
lange anhalten können. Ein wichtiges Forschungsziel     schen oder Artefakte nicht durch die wenigen Atome
ist es deshalb, die Dauer der MRT-Aufnahme zu           darstellbar sind und deshalb durch die verwendete
reduzieren, um damit eine verlässliche Diagnose auch    Darstellung verschwinden. Das Finden einer geeigne-
bei diesen Patient*innen zu ermöglichen.                ten Kombination aus Atomen des Dictionary nennt
                                                        sich Sparse Coding. Bildrekonstruktion mittels Dic-
Eine schnellere Aufnahme kann durch sogenanntes         tionary Learning und Sparse Coding bringt allerdings
Unterabtasten der Daten erzielt werden. Bilder, die     zwei wesentliche Schwierigkeiten mit sich: die Ge-
direkt aus diesen aufgenommenen Daten rekonstru-        samtanzahl der Atome des Dictionary (K) sowie die
iert werden, beinhalten jedoch Artefakte, die die Di-   Anzahl der verwendeten Atome pro Block (S) müssen
agnose erschweren können. Um dennoch Bilder mit         in der Regel vorab festgelegt werden. Typischerweise
diagnostischer Qualität rekonstruieren zu können,       werden diese Werte empirisch durch Wiederholung
müssen vielfach iterative Verfahren mit geeigneten      von teilweise sehr aufwendigen Experimenten be-
Regularisierungsmethoden verwendet werden. Eine         stimmt. Damit sind die Werte allerdings sehr stark
Methode zur Regularisierung des Bildrekonstruk-         an das Problem angepasst und für andere Probleme
tionsprozesses basiert auf sogenanntem Dictionary       womöglich suboptimal oder nicht möglich.
Learning und Sparse Coding. Um das Problem rechen-
technisch lösen zu können, zerlegt man das Bild in      In Zusammenarbeit mit dem Institut für Technische
kleinere überlappende Blöcke, z. B. Blöcke aus 8 × 8    Mathematik der Universität Innsbruck, wurde ein

                                                                                                Bild 1: Der vorge-
                                                                                                stellte Algorithmus
                                                                                                (aITKrM aOMP)
                                                                                                führt zu kürzeren
                                                                                                Rekonstruktions-
                                                                                                zeiten verglichen
                                                                                                mit anderen
                                                                                                Dictionary-Lear-
                                                                                                ning-Ansätzen

2
Medizinphysik und metrologische Informationstechnik - Abteilung 8
Abteilungsbericht 2020 – Medizinphysik und metrolo­gische Informationstechnik

                                                                                               Bild 2: Realteil und
                                                                                               Imaginärteil der
                                                                                               rekonstruierten
                                                                                               Bilder in der ers-
                                                                                               ten (links, A1) und
                                                                                               letzten (rechts,
                                                                                               A2) Iteration.
                                                                                               Durch Dictionary
                                                                                               Learning und
                                                                                               Sparse Coding re-
                                                                                               gularisierte Bilder
                                                                                               (B1 und B2). Die
                                                                                               für die Regulari-
                                                                                               sierung optimal
                                                                                               geschätzte Anzahl
                                                                                               von Atomen S
                                                                                               pro Bildblock (C1
                                                                                               und C2). Man
                                                                                               sieht, wie sich die
                                                                                               optimale Wahl
                                                                                               von S über die
                                                                                               verschiedenen
                                                                                               Iterationen ändert
                                                                                               (vgl. C1 und C2)
                                                                                               und dass S lokal
                                                                                               und abhängig
                                                                                               vom Bildbereich
                                                                                               geschätzt wird,
                                                                                               anstatt wie übli-
                                                                                               cherweise global
                                                                                               (d. h. ein Wert für
                                                                                               alle Pixel).

neues Verfahren für die Bildrekonstruktion in der        Metrologie für Magnetische
Herzfunktions-MRT entwickelt, bei dem diese Para-        Nanopartikel in der Biomedizin:
meter automatisch bestimmt und während der Bild-
rekonstruktion optimiert werden. Es konnte gezeigt
                                                         Wechselspiel zwischen Kontinuität
werden, dass der vorgestellte Ansatz bis zu zehn Mal     und Flexibilität
schneller ist als einer der verbreitetsten Dictionary
Learning Algorithmen namens K-SVD. Gleichzeitig          Seit mehr als 25 Jahren bearbeitet die PTB metrolo-
führt die adaptive Wahl von S zu einer verbesserten      gische Fragestellungen für biomedizinische Anwen-
Bildqualität und damit zu einer weiteren Verkürzung      dungen von magnetischen Nanopartikeln. Durch ihre
der Rekonstruktionszeiten.                               nanoskalige Größe werden neuartige magnetische
                                                         Eigenschaften hervorgerufen, die diese Klasse von
Im Gegensatz zu den meisten Deep-Learning-Verfah-        Nanomaterialien so interessant für zahlreiche vor al-
ren werden für diese Art von maschinellem Lernen         lem auch biomedizinische Anwendungen macht. Die
keine Trainingsdaten benötigt. Es wird nur die           PTB begann im Jahre 1993 mit der Entwicklung des
Regularisierung gelernt, nicht das diagnostische Bild.   Messverfahrens der Magnetrelaxometrie (MRX), um
Damit ist sichergestellt, dass das rekonstruierte Bild   den Einsatz magnetischer Nanopartikel als Biosenso-
immer konsistent mit den aufgenommenen Daten ist.        ren zu erforschen. Der große Erfolg der MRX-Metho-
Dieser Ansatz lässt sich auf viele weitere Rekonstruk-   de basiert auf der extrem hohen Empfindlichkeit der
tionsprobleme in der medizinischen Bildgebung über-      eingesetzten SQUID-Sensoren, die zeitgleich an der
tragen und könnte die weitere Entwicklung dieses         PTB entwickelt wurden. Mit diesen Detektoren kann
hochaktuellen Gebietes maßgeblich mitbeeinflussen.       die zeitlich abklingende Antwort der magnetischen
                                                         Nanopartikel auf einen kurzen Magnetfeldstimulus
                                                         präzise erfasst werden, um daraus spezifische Aus-
                                                         sagen über die Eigenschaften des untersuchten mag-
                                                         netischen Nanopartikelsystems abzuleiten. Nach der
                                                         spektroskopischen Etablierung des Verfahrens wurde

                                                                                                                 3
Medizinphysik und metrologische Informationstechnik - Abteilung 8
Abteilungsbericht 2020 – Abteilung 8

es zu einem bildgebenden Verfahren für den quantita-    Als ein aktuelles Beispiel können die Aktivitäten
tiven Nachweis von MNP-Verteilungen für präklini-       im Bereich Standardisierung magnetischer Nanop-
sche Fragestellungen weiterentwickelt und in Studien    artikel genannt werden. Hier ist die PTB deutscher
eingesetzt. Hierfür war das 304-SQUID-System der        Vertreter bei der Entwicklung von ISO Standards im
PTB extrem hilfreich, das im magnetisch geschirmten     TC229 „Nanotechnologies“ und Mitglied im DIN-
Raum BMSR-2 der PTB betrieben wird.                     Arbeitsausschuss „Nanotechnologie“. Industrielle
                                                        Hersteller magnetischer Nanopartikel für die in-vitro
Parallel zu den Eigenentwicklungen hat die PTB          Diagnostik benötigen diese Standards dringend, um
eine umfassende Messinfrastruktur für die magne-        den wachsenden Markt mit Milliardenumsätzen zu
tische und die strukturelle Charakterisierung von       regulieren. Zeitgleich werden an der PTB die für die
MNP etabliert. Hierzu zählen sowohl magnetische         Normen zwingend erforderlichen Referenzmessver-
Messverfahren wie die DC-Magnetometrie, lineare         fahren entwickelt.
Wechselfeldsuszeptometrie oder die Magnet-Partikel-
spektroskopie als auch strukturelle Verfahren wie die   Mit der zunehmenden Bedeutung von magnetischen
Dynamische Lichtstreuung, Mößbauer Spektroskopie        Nanopartikeln im Gesundheitswesen treibt die PTB
und Röntgendiffraktometrie. Heute ist diese Mess-       auch die kontinuierliche Weiterentwicklung in allen
infrastruktur wichtiger und gefragter Bestandteil des   Bereichen der Messtechnik voran. Da zur aussage-
PTB-Gerätezentrums „Metrologie für ultra-niedrige       kräftigen Bewertung der Eigenschaftsverteilung von
Magnetfelder“, das seit 2017 betrieben wird. Das        magnetischen Nanopartikelproben etablierte Metho-
Gerätezentrum bietet Universitäten und Industrie        den an ihre Grenze stoßen, wurde eine mehrstufige
Zugriff auf diese einmalige Messinfrastruktur und die   leistungsfähige Analytik entwickelt. Bei dieser werden
damit verbundene Expertise der PTB.                     die Proben in einem vorgeschalteten Verfahren nach
                                                        Größenklassen fraktioniert und umfassend online
Wurden zunächst die Entwicklungen und Projekte          charakterisiert. Ein neu entwickelter Online-Detektor
fast ausschließlich über Drittmittel geförderte Ver-    übernimmt dabei die unverzichtbare magnetische
bundvorhaben mit universitären und industriellen        Charakterisierung der MNP. Mittlerweile wurde
Partnern finanziert, folgte im Jahr 2015 die Einrich-   ein markfähiger Demonstrator dieses Detektors
tung der eigenständigen PTB-Arbeitsgruppe 8.23          entwickelt. Es hat sich darüber hinaus gezeigt, dass
Metrologie für Magnetische Nanopartikel. Neben einer    diese Technologie hervorragend zur Online-Quali-
kontinuierlichen Verbesserung und Erweiterung der       tätskontrolle bei der Mikroreaktionssynthese geeignet
bestehenden Messinfrastruktur ist die Arbeitsgruppe     ist und damit auch die Herstellung von zertifizierten
sehr aktiv, um zu zukünftigen Entwicklungen magne-      Referenzmaterialien maßgeblich vorantreibt.
tischer Nanopartikel beizutragen.

                                                                                              Bild 3: Die typi-
                                                                                              schen Größen-
                                                                                              bereiche von
                                                                                              magnetischen
                                                                                              Nanopartikeln
                                                                                              im Vergleich zu
                                                                                              Viren, Antikörpern
                                                                                              oder Wirkstoffen
                                                                                              machen ihren
                                                                                              biomedizinischen
                                                                                              Einsatz in Analytik,
                                                                                              Diagnose und
                                                                                              Therapie so inter-
                                                                                              essant, erfordern
                                                                                              aber auch eine
                                                                                              maßgeschneiderte
                                                                                              Metrologie

4
Abteilungsbericht 2020 – Medizinphysik und metrolo­gische Informationstechnik

Die SARS-CoV-2-Pandemie hat deutlich gemacht,            se Weise können auch sehr kleine Menge viraler RNA
dass labormedizinischen Tests zum Nachweis der           zuverlässig nachgewiesen und quantifiziert werden.
Infektion eine immense Bedeutung zukommt. Der            Der Vorteil der Aufteilung auf die Tröpfchen liegt da-
Ausdruck PCR (engl. Polymerase Chain Reaction)           bei darin, dass das Messergebnis nicht davon abhängt,
ist seitdem vielen Menschen ein Begriff. Die dafür       ob in einem Tröpfen eine, zwei, oder auch mal mehr
eingesetzten Testverfahren beruhen auf dem Nach-         virale Nukleinsäurefragmente enthalten sind, son-
weis viraler RNA mithilfe von PCR-Methoden. Dabei        dern, dass dies durch einen statistischen Ansatz die
werden bestimmte Sequenzen des viralen Genoms            mittlere Zahl der Fragmente pro Tröpchen bestimmt
hochspezifisch mittels der Polymerase-Kettenreaktion     werden kann. Da andererseits die Tröpfchengröße
vervielfältigt, bis sie nachgewiesen werden können.      sehr gut reproduzierbar ist und auch genau gemessen
Ein positives Ergebnis kommt dabei nur dann zu-          werden kann, lässt sich durch Zählen der positiven
stande, wenn die gesuchte virale RNA tatsächlich         Ereignisse (RNA im Tröpfchen) aus dem Mittelwert
vorhanden ist. Wissenschaftlerinnen und Wissen-          und dem Tröpfchen-Volumen die Konzentration
schaftler der Abteilung 8 der PTB hatten in diesem       (Fragmente pro Volumen) der untersuchten Probe
Zusammenhang bereits mit einer neuen und innovati-       sehr genau bestimmen. Die digitale Tröpfchen-PCR
ven Methode, der tröpfchengestützten digitalen PCR       kommt somit als ein direkt zählendes Verfahren zur
(ddPCR), Erfahrungen beim quantitativen Nachweis         Quantifizierung der gesuchten RNA ohne Kalibrator
anderer Viren (etwa von HIV) gesammelt. Die dabei        (Referenzmaterial) aus.
gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen konnten
darauf aufbauend sehr schnell für den Nachweis von       Mit der Entwicklung von Referenzmessverfahren für
SARS-CoV-2 eingesetzt werden.                            den Virusgenomnachweis auf Grundlage der ddPCR
                                                         leistet die PTB einen wichtigen Beitrag zur Sicherung
Für die Tests sind Kenntnisse über die Zuverläs-         von Qualität und Vergleichbarkeit der Messergebnisse
sigkeit, Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit         sowie zur Bewertung der eingesetzten Testverfahren.
der Testergebnisse kritisch. Die PTB verfolgt zur
Sicherung der Qualität und Vergleichbarkeit der
                                                         Optimale Transportabbildungen zur
Testergebnisse u. a. die Entwicklung von Referenz-
messverfahren für den Virusgenomnachweis von
                                                         Lösung eines statistischen inversen
SARS-CoV-2. Diese Referenzmessverfahren wurden           Problems in der EUV Nanometrologie
im Rahmen internationaler Vergleichsmessungen
zwischen medizinischen Laboratorien untersucht.          Viele neue Anwendungen in der Informationstechnik
Mehr als 1000 medizinische Laboratorien beteiligten      und Systeme mit künstlicher Intelligenz erzeugen
sich an den Vergleichen, die von der Gesellschaft zur    immer mehr Daten, die in immer kürzerer Zeit
Förderung der Qualitätssicherung medizinischer La-       verarbeitet werden müssen. Um dieser enormen
boratorien e. V. (INSTAND e. V.) in Zusammenarbeit       Herausforderung zu begegnen, sind Mikrochips
mit dem Konsiliarlaboratorium für Coronaviren des        erforderlich, die über die Leistungsfähigkeit der
Instituts für Virologie der Charité durchgeführt wur-    bisherigen hinausgehen und sich nicht mehr mit der
de. Auch Labore der PTB sowie des NIST (USA) und         herkömmlichen Technik herstellen lassen. Durch die
des LGC-NML (UK) nahmen teil.                            EUV-Lithographie (Deutscher Zukunftspreis 2020)
                                                         können wesentlich kleinere Strukturen als bisher
Mit den von den drei nationalen Metrologie-              hergestellt und so die Leistungsfähigkeit erheblich
Instituten entwickelten Messverfahren wurden den         gesteigert werden.
verschickten Kontrollproben mit verschiedenen
RNA-Konzentrationen erstmals zuverlässige und ge-        Mit zunehmender Miniaturisierung wachsen dabei
naue Zielwerte zugewiesen. Bei der dafür eingesetzten    auch die Anforderungen an die Vermessung der
ddPCR wird die zu analysierende Probe mittels einer      durch EUV-Lithographie hergestellten Nanostruktu-
Öl-Wasser-Emulsion auf bis zu 20 000 Tröpfchen           ren. Dies motiviert die Entwicklung neuer Mess- und
aufgeteilt. In jedem davon wird der entsprechende        Auswertungsverfahren an der PTB. Zur zerstörungs-
Genomabschnitt vervielfältigt und analysiert. Auf die-   freien Messung nanostrukturierter Oberflächen wer-

                                                                                                             5
Abteilungsbericht 2020 – Abteilung 8

den optische Verfahren eingesetzt. Hierbei werden      größen berechnet. Der Mittelwert dieser Verteilung
die zu untersuchenden Proben mit Licht beleuchtet      (Posteriorverteilung) entspricht der Schätzung des
und deren Lichtstreuung (GISAXS, EUV-SAS, Scatte-      Messwerts und die Verteilungsbreite der Messun-
rometrie) oder auch Fluoreszenz Strahlung (GIXRF)      sicherheit. Zur Berechnung der Posteriorverteilung
detektiert. Aus dem Detektorsignal lässt sich die      muss der Messprozess für eine hinreichend gute
Nanogeometrie durch das Lösen eines statistischen      Statistik einige hunderttausendmal simuliert werden
inversen Problems rekonstruieren. Hierbei können       (z. B. mit der sogenannten Markov-Chain-Monte-
verschiedene Methoden zum Einsatz kommen (z. B.        Carlo-Methode-MCMC). Für viele Anwendungen in
Least Squares, Maximum-Likelihood, Maximum Pos-        der optischen Metrologie sind diese Berechnungen
terior, Bayes’sche Inversion). Wegen der hohen An-     sehr zeitaufwändig. Daher ist die Bayes’sche Metho-
forderungen an die Genauigkeit der rekonstruierten     de hier nur bedingt für die praktische Anwendung
Geometrie und der Bestimmung von zuverlässigen         einsetzbar. Für eine Beschleunigung der Auswertung
Unsicherheiten wird zunehmend die aufwändigere         gibt es im Wesentlichen zwei Ansätze. Entweder die
Bayes’sche Methode verwendet. Ein Beispiel für die     Simulation des Messprozesses wird beschleunigt z. B.
Bestimmung der kritischen Dimensionen einer EUV-       durch approximierte Modelle (Surrogatmodelle) oder
Lithographiemaske aus Scatterometrie-Messdaten         die Anzahl der Samples für die Bestimmung der Pos-
mit Hilfe einer Bayes´schen Inversion wird im Bild 4   terior wird reduziert.
gezeigt.
                                                       In der Zusammenarbeit der PTB-Arbeitsgruppe
Bei der Bayes’schen Methode wird eine Wahrschein-      Numerische Methoden mit den Arbeitsgruppen EUV-
lichkeitsverteilung für die zu bestimmenden Mess-      Nanometrologie in Abteilung 7 und Nichtlineare Opti-
                                                       mierung und inverse Probleme am Weierstrass-Institut
                                                       für Angewandte Analysis und Stochastik wird eine
                                                       Methode zur Approximation der Posteriorverteilung
                                                       basierend auf sogenannten Transportabbildungen
                                                       weiterentwickelt, um die Anzahl der benötigten
                                                       Samples signifikant zu reduzieren. Die Grundidee
                                                       ist einfach: Viele Posterior-Verteilungen sind nicht
                                                       Gauss-förmig und haben eine komplizierte Struktur,
                                                       die z. B. durch mehrere Maxima gekennzeichnet
                                                       sein oder eine komplexe Form haben können. Daher
                                                       versagen MCMC-Methoden oft oder benötigen einen
                                                       zu hohen Rechenaufwand. Bei der Methode der
                                                       Transportabbildungen wird hingegen eine einfache
                                                       Verteilung (Gauss) durch eine Abbildung (Transpor-
                                                       tabbildung) auf die Posteriorverteilung abgebildet.
                                                       Das heißt die Transportabbildung transformiert die
                                                       Gaussverteilung in die gesuchte Posteriorverteilung.
                                                       Auf diese Art wird das Problem von der direkten
                                                       Bestimmung der Posteriorverteilung auf die Bestim-
                                                       mung der Transportabbildung reduziert. Da es unter
                                                       Umständen viele Wege gibt, die Referenzverteilung in
                                                       die gesuchte Posteriorverteilung zu überführen, wer-
                                                       den Erkenntnisse aus der optimalen Transporttheorie
                                                       verwendet, um den optimalen Weg zu finden. Im Bild

                                                       Bild 4: Schema des Querschnitts einer EUV-Lithographiemaske
                                                       (oben) und zweidimensionale Projektionen der durch eine
                                                       Bayes´sche Inversion erhaltenen Posteriorverteilungen der kriti-
                                                       schen Dimensionen der Maske (Längenangaben in Nanometer)

6
Abteilungsbericht 2020 – Medizinphysik und metrolo­gische Informationstechnik

                                                                                  Bild 5: Iterative Transportabbildung von
                                                                                  einer Gauß-Verteilung zu einer nichtline-
                                                                                  aren, bananenförmigen Wahrscheinlich-
                                                                                  keitsdichte

5 ist dargestellt, wie die Gaussverteilung (Referenzver-   Légale = Internationale Organisation für Gesetzliches
teilung) iterativ durch zweimaliges Ausführen einer        Messwesen) verfolgt.
Transportabbildung in eine bananenförmige Vertei-
lung überführt wird.                                       Die von der OIML veröffentlichten Anforderungs-
                                                           dokumente (sogenannte Recommendations =
Die gesuchte Transportabbildung kann z. B. durch           Empfehlungen) werden von der EU als normative Do-
ein neuronales Netz gelernt werden. In einer ersten        kumente betrachtet und dienen dem Ziel technische
Anwendung dieser Methode auf die Auswertung von            Handelshemmnisse im Sinne der WTO (World Trade
GIXRF Messungen ergaben sich vergleichbare Resul-          Organization) abzubauen. Herr Dr. Marko Esche vom
tate zu herkömmlichen MCMC Berechnungen. Die               Fachbereich 8.5 Metrologische Informationstechnik
Berechnungen wurden aber in einer viel kürzeren Zeit       leitet in der OIML das für Software in Messgeräten
durchgeführt. Der Geschwindigkeitsvorteil liegt etwa       zuständige Subcommittee SC2 im Technical Commit-
bei einen Faktor 10. Die neue Methode hat einen wei-       tee TC5, dessen Hauptaufgabe die Formulierung von
teren Vorteil: Sollen weitere Messungen an ähnlichen       allgemeingültigen Softwareanforderungen ist.
Geometrien (wie z. B. in der Qualitätsüberwachung
in der Produktion) ausgewertet werden, würde die           Innerhalb der OIML nimmt das vom TC5/SC2
herkömmliche MCMC Methode für jede Auswertung              verantwortete Dokument D31 die Rolle eines Soft-
mehrere Stunden oder Tage benötigen. Die trainierte        wareleitfadens ein, der von OIML TCs und SCs bzw.
Transportabbildung benötigt hingegen nur Sekunden.         deren Projektgruppen genutzt wird, um einheitliche
Die Methode der Transportabbildungen ist nicht auf         Anforderungsdokumente für softwaregesteuerte
die optische Metrologie beschränkt und lässt sich          Messgeräte zu erarbeiten. Nach der Verabschiedung
auch in anderen Anwendungsgebieten einsetzen.              der derzeit gültigen Version des Dokuments durch
                                                           das Komitee für das gesetzliche Messwesen (CIML)
                                                           im Oktober 2019 wurde eine sofortige erneute Revi-
Erneute Überarbeitung des OIML D31
                                                           sion zur Aufnahme neuer Technologien beschlossen.
                                                           Im Januar 2020 wurde zunächst ein Fragebogen veröf-
Eines der Ziele der PTB ist die Gewährleistung der
                                                           fentlicht, um das breite Spektrum an vorgeschlagenen
internationalen Einheitlichkeit bei der Prüfung und
Bewertung von gesetzlich geregelten Messgeräten.
Weltweit wird dieses Ziel u. a. durch die Mitarbeit in     Bild 6: geplanter zeitlicher Ablauf der D31-Revision vom ersten
                                                           Working Draft (1WD) bis zum zweiten Committee Draft (2CD)
der OIML (Organisation Internationale de Métrologie

                                                                                                                              7
Abteilungsbericht 2020 – Abteilung 8

Themen für die laufende Revision priorisieren zu         toptischen Messwerterfassung für Haushaltszähler
können. Basierend auf Rückmeldungen aus 19 OIML-         (E-, Gas-, Wärmezähler) untersucht werden. Die
Mitgliedsstaaten wurden Schwerpunkte der Revision        Messwerterfassung unterliegt dabei den wesentlichen
festgelegt und drei Untergruppen zu den Themen           Anforderungen der Anlage 2 MessEV. Ziele des
Machine Learning, Remote Verification und Termi-         Projekts sind: Das regelmäßige und abrechnungs-
nologie eingerichtet. Diese haben ihre Arbeit im Mai     konforme Auslesen von bereits installierten Elektri-
2020 aufgenommen und inzwischen erste Vorschläge         zitätszählern zur Messung des Wirkverbrauchs von
erarbeitet. Parallel laufen in der PTB Arbeiten an ei-   Privathaushalten zu ermöglichen. Außerdem die
nem ersten Working Draft, der zusätzlich die Themen      Digitalisierung der Energiewende voranzutreiben,
Cloud Computing und Smartphones als Anzeigetech-         ohne dass dafür zwingend fernauslesbare sogenannte
nologie adressieren wird und Ende November 2020          Smart Meter verwendet werden. Die im Rahmen
veröffentlicht wird. Das Ziel ist es, die Revision des   des Projekts zu entwickelnde und zu untersuchende
D31 bis Ende 2022 abzuschließen und 2023 die neue        Technologie soll dabei als Übergangslösung bis zur
Version des Softwareleitfadens zu veröffentlichen.       flächendeckenden Verfügbarkeit von MsbG-konfor-
                                                         men modernen Messeinrichtungen und Smart Meter
                                                         Gateways dienen. Projektpartner sind das Kölner
BMWi-gefördertes Projekt zur
                                                         Startup pixolus, die STRABAG AG sowie die PTB.
beweissicheren fotooptischen                             Innerhalb des PTB-Arbeitspakets „Beweissicherheit“
Messwerterfassung                                        ist dazu eine prototypische Implementierung des Sys-
                                                         tems bestehend aus Backendserver, Smartphone-App
Der vom MsbG geforderte Einsatz intelligenter Mess-      und Kommunikationskanal realisiert worden. Mit
systeme bestehend aus modernen Messeinrichtungen         Hilfe der Implementierung soll dann die Anwend-
und Smart Meter Gateways wird sich aufgrund von          barkeit der generischen Anforderungen der Anlage 2
Verzögerungen bei der Zertifizierung und des zu          validiert werden. Aufgabe der PTB ist es dabei die
erwartenden Aufwands beim flächendeckenden               Beweissicherheit einer smartphonebasierten Messwer-
Zählertausch noch über einige Jahre hinziehen. Um        terfassung zu untersuchen, generische Anforderungen
für die Übergangszeit bereits verbaute herkömmliche      für die Technologie aus dem Rechtsrahmen (MessEG
Haushaltszähler an Kommunikationsnetze zu Ab-            und MEssEV) abzuleiten und diese entsprechend
rechnungszwecken anbinden zu können, werden neue         zu validieren. Bislang wurden dazu ein Lastenheft
Technologien zur beweissicheren Messwerterfassung        und ein zugehöriges Pflichtenheft erarbeitet sowie
benötigt.                                                die prototypische virtualisierte Implementierung zu
                                                         Validierungszwecken erstellt. Letztere soll nun ausgie-
Im Rahmen des Verbundvorhabens eVIDENCE soll             big getestet werden. Die Gesamtlaufzeit des Projekts
die Machbarkeit einer solchen beweissicheren pho-        beträgt drei Jahre.

Bild 7: Antizipierter Ablauf der Kom-
munikation zwischen Smartphone-
App und Backend zur Erfassung
eines beweissicheren Zählerfotos auf
mobilen Endgeräten.

8
Abteilungsbericht 2020 – Medizinphysik und metrolo­gische Informationstechnik

In Schlagzeilen: Nachrichten aus der Abteilung
Grundlagen der Metrologie                                Untersuchung der temperaturabhängigen
                                                         Aufzeichnung von MPI-Systemfunktionen und
Projekt zur Entwicklung eines Managementsystems          deren Rekonstruktion
für die Qualitätskontrolle bei der Charakterisierung     Die Bildrekonstruktion bei der Magnetpartikelbildge-
magnetischer Nanopartikel                                bung (MPI) ist von vielen Einflussgrößen abhängig.
Für die Qualitätskontrolle von magnetischen Nano-        In einem Forschungsprojekt soll der Einfluss der
partikeln ist ein Managementsystem unabdingbar,          Temperatur auf den Prozess der MPI-Scanner-Kalib-
um eine geordnete und zuverlässige Dokumentation         rierung (sog. Systemfunktionsaufnahme) untersucht
verschiedener Proben und deren Messwerte zu              werden. Dies soll in einem speziellen Versuchsaufbau
ermöglichen. Das stetig wachsende Interesse an mag-      realisiert werden, die die Probentemperatur der MNP
netischen Nanopartikeln und die damit verbundenen        über die gesamte Aufnahmezeit der Systemfunktion
zahlreichen Anfragen an die PTB zur magnetischen         thermisch überwacht und regelt. Die Auswirkung des
Charakterisierung führen zu einem hohen Probenauf-       Temperatureffekts auf die Systemfunktion und die
kommen. Dies stellt derzeit eine große Herausfor-        damit verbundene Bildrekonstruktion wird qualitativ
derung für die Qualitätssicherung dar. Aus diesem        und quantitativ evaluiert. (P. Kyri, FB 8.2, phillip.
Grund soll ein neues Produktdokumentationssystem         kyri@ptb.de)
entwickelt werden, das sowohl für die Nutzer intuitiv
anwendbar, als auch konform mit der ISO Norm             Neue Röntgenstreuanlage zur Vermessung
17025:2018 und den allgemein geltenden GLP (Good         magnetischer Nanopartikel
Laboratory Practice) -Regeln ist. Bisher wurde ein       Für die Charakterisierung von magnetischen Na-
Konzept entwickelt, auf dessen Grundlage dann das        noteilchen werden an der PTB eine Vielzahl von
Produktdokumentationssystem zur Verbesserung der         Messmethoden entwickelt und verwendet. Mit der
internen Qualitätssicherung erstellt werden soll. Es     neu beschafften Röntgenstreuanlage zur Messung
wird angestrebt, das neue Produktdokumentations-         der Klein- und Weitwinkelstreuung (sog. SAXS und
system in Zukunft auch anderen Laboreinrichtungen        WAXS Verfahren) können nun auch Nanoteilchen
für magnetische Nanopartikel zur Verfügung zu stel-      mit Größen kleiner als 20 nm mit hoher Genauigkeit
len. (A. Krasniqi, FB 8.2, arlind.krasniqi@ptb.de)       vermessen werden. Darüber hinaus sind damit auch
                                                         Informationen über die Kristallstruktur und die Dich-
Simulationsumgebung für die thermische                   te der Teilchenkerne erhältlich, letzteres ist für die
Rauschmagnetometrie                                      Untersuchung sogenannter Multikern-Nanopartikel
Derzeit wird in einem DFG-Forschungsprojekt in           von großer Bedeutung. Für hochpräzise Untersu-
Zusammenarbeit mit der Universität Gent in Belgien       chungen der physischen Struktur von Nanoteilchen
das Verfahren der thermischen Rauschmagnetometrie        kann die Anlage mit einer vorhandenen Fluss-
entwickelt. Dabei erlaubt die Messung thermischer        Feldfluss-Fraktionieranlage zur größenabhängigen
Fluktuationen eines Ensembles magnetischer Na-           Auftrennung von Nanopartikelverteilungen gekoppelt
nopartikel Aussagen über die Eigenschaften des zu        werden. (D. Eberbeck, FB 8.2, dietmar.eberbeck@ptb.
untersuchenden Nanopartikelsystems. Vorteilhaft bei      de)
dieser Methode ist dabei der Verzicht auf zusätzliche
Magnetfelder, die die Eigenschaften der magnetischen     Laborvergleich mit Slowenien zur Messung der
Nanopartikel negativ verändern könnten. Um das           statischen Magnetisierung von magnetischen
Verfahren zu etablieren, ist eine Simulationsplattform   Nanopartikeln
entwickelt worden, um die Experimente effektiver         Im Rahmen eines DAAD-Projektes mit der Uni-
gestalten zu können. Anhand von Simulationsrech-         versität Ljubljana (Slowenien) wurden von der PTB
nungen konnten bereits geometrische Einflüsse wie        Vergleichsmessungen der statischen Magnetisierung
Abstandsabhängigkeiten, Probenvolumina und Kon-          mit zwei typengleichen Magnetometern vorgenom-
zentrationsbereiche untersucht und optimiert werden,     men. Die erzielten Ergebnisse belegen, wie wichtig die
die anschließend experimentell validiert wurden.         Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Laboren
(K. Everaert, FB 8.2, katrijn.everaert@ptb.de)           ist, die mit denselben magnetischen Messgeräten ar-
                                                         beiten und tragen zur Harmonisierung magnetischer
                                                         Messtechniken für die Charakterisierung magneti-

                                                                                                             9
Abteilungsbericht 2020 – Abteilung 8

scher Nanopartikel bei. Diese Untersuchungen stellen    magnetischen und elektrischen Dipolmomenten
einen wichtigen Baustein für die Bereitstellung eines   von Atomkernen über die Spinpräzession in sehr
Referenzmessplatzes an der PTB für die Messung der      niedrigen Magnetfeldern“ bei der DFG eingereicht.
statischen Magnetisierung von magnetischen Nano-        Der Gutachter beurteilte im Abschlussbericht das
partikeln dar. (P. Radon, FB 8.2, patricia.radon@ptb.   Vorhaben als „exzellent“ und betonte die sehr struk-
de)                                                     turierte und professionell durchgeführte Arbeit. Eine
                                                        in diesem Jahr an der PTB entwickelte und evaluierte
Multimodale Charakterisierung von magnetischen          Auswertemethode wurde auf die bereits erhobenen
Nanopartikeln                                           Daten angewendet und führte zu einer nochmaligen
Neben dem magnetischen Verhalten magnetischer           Reduktion der statistischen Unsicherheit um den Fak-
Nanopartikel (MNP) ist die Bindung von Antikör-         tor zwei. Dieses Ergebnis ist als weitere Publikation
pern oder anderen Proteinen an MNP entscheidend         eingereicht. (W. Kilian, FB 8.2, wolfgang.kilian@ptb.
für neue biomedizinische Anwendungen, wie z. B.         de)
der magnetischen Hyperthermie im Patienten. Zur
Sicherung der Qualität der MNP für solche medizini-     Projektstart ANGIS (Axion Noble Gas Interaction
schen Anwendungen ist daher die Charakterisierung       in the Short-range)
der Hüllschicht (z. B. Polymere, Silica) der MNP von    Mit der Universität von Indiana (USA) wurde ein
großer Bedeutung. Geeignete integrale Messverfahren     neuer Kooperationsvertrag unterzeichnet. In dem
zur Bestimmung der Dicke der Hüllschicht sind z. B.     darin beschriebenen Forschungsvorhaben wird un-
die dynamische Lichtstreuung und die Wechselfeld-       tersucht, ob eine neuartige, kurzreichweitige Wechsel-
suszeptibilität, sowie die Kleinwinkelstreuung von      wirkung zwischen Masse und Kernspins vermittelt
Röntgenstrahlen (SAXS) und Neutronen (SANS).            durch sogenannte „Axione“ existiert. Derartige
SANS hat dabei den immensen Vorteil, mittels der        Phänomene werden in Theorien jenseits des Stan-
Kontrastvariation auch auf die Dichte der Hülle mit     dardmodells der Kern- und Teilchenphysik postuliert,
hoher Empfindlichkeit zu reagieren. Diese Verfahren     um u. a. kosmologische Beobachtungen zu erklären,
sind jedoch indirekte Messverfahren, so dass die        die zur Vorhersage der „dunklen Materie“ führten.
Analyse der Daten inverse Verfahren erfordert. Es       So wurde ein neuer Aufbau konstruiert und aus un-
wurde ein modellbasiertes Verfahren gewählt, um die     magnetischen Materialien in der Kunststoffwerkstatt
Beschreibung der Daten an die, nach Bindung der         gefertigt. Ein Doktorand der Universität von Indiana,
MNP an das Protein, komplizierten Gesamtstruktur        mit einem halbjährigen DAAD-Stipendium, wird die
zu ermöglichen. Um trotzdem ein hohes Maß an            am Ende des Jahres beginnenden Experimente im
Robustheit bei der Auswertung bzw. eine geringe Un-     Berliner magnetisch geschirmten Raum (BMSR2.1)
sicherheit der zu bestimmenden Strukturparameter        begleiten. (S. Knappe-Grüneberg, FB 8.2, silvia.
zu erreichen, etablierte die PTB ein Verfahren, das     knappe-grueneberg@ptb.de)
es erlaubt, das Modell an die Datensätze mehrerer
Messverfahren und mehrerer Proben gleichzeitig zu       Erfolgreicher Abschluss des DFG-Projektes
fitten. In Kooperation mit dem Jülicher Zentrum für     Gerätezentrum „Metrologie für ultra-niedrige
Forschung mit Neutronen (JCNS), welches die SANS-       Magnetfelder“
Messungen durchführte, konnten so die Dicke und         Die Infrastruktur der Abteilung 8 zur Messung
die Dichte von gebunden MNP-Schichten ermittelt         niedrigster Magnetfelder ist weltweit einzigartig
werden (D. Eberbeck, FB 8.2, dietmar.eberbeck@ptb.      und wird kontinuierlich weiterentwickelt. Um die
de)                                                     außerordentlichen Messmöglichkeiten außerhalb der
                                                        PTB bekannt und verfügbar zu machen, finanzierte
Erfolgreicher Abschluss des DFG-Projektes               die DFG (seit 2017) das Gerätezentrum „Metrologie
„Xe-EDM“                                                für ultra-niedrige Magnetfelder“. Während der Finan-
Nach der erfolgreichen Publikation im Jahr 2019         zierungsperiode konnten mehr als 190 Experimente
(Sachdeva et al., Phys. Rev. Let. 143003, 2019)         externer Forschungseinrichtungen, Universitäten und
wurde zu Beginn des Jahres der Abschlussbericht         der Industrie durch das Gerätezentrum erfolgreich
zum Vorhaben „Hochauflösende Messungen von              durchgeführt werden. Dabei lag die Anzahl der Mes-

10
Abteilungsbericht 2020 – Medizinphysik und metrolo­gische Informationstechnik

sungen für Industriekunden bei etwa 10 %. Durch die      dung. Durch die Kombination dieser Verfahren sollen
Messkampagnen konnten neue Kooperationspartner           die pathologische Schlüsselparameter bei von Nie-
in verschiedensten Forschungsrichtungen gewonnen         renerkrankungen umfassend charakterisiert werden
werden, wie z. B. eine Kooperation mit der Univer-       und MR-Verfahren validiert werden. (D. Grosenick,
sität UMIT, Österreich und Universität Warschau,         FB 8.3, dirk.grosenick@ptb.de)
Polen, die auch nach dem Ende des DFG-Projektes
fortgeführt werden. Ebenso konnte das Gerätezent-        Vergleichende Untersuchungen zur Tomosynthese
rum als feste Institution in der PTB Berlin etabliert    und zur 3D-Rekonstruktion in der diffusen
werden, um weiterhin Messungen in ultra-niedrige         optischen Bildgebung
Magnetfelder für externe Nutzer anbieten zu können.      Eine in der diffusen optischen Bildgebung häufig
Dieses Fazit wurde durch die DFG-Begutachter des         verwendete Methode für die Visualisierung von
Abschlussberichts mit der Bestnote bewertet und die      Inhomogenitäten im Gewebe ist die dreidimensionale
Förderung als „herausragend erfolgreich“ bezeichnet.     Rekonstruktion der optischen Eigenschaften. Der
(K. Rolfs, FB 8.2, katharina.rolfs@ptb.de)               damit verbundene große Rechenaufwand lässt sich
                                                         mit dem alternativen Verfahren der Tomosynthese
Bildgebende Durchflusszytometer für                      vermeiden. Die PTB hat jetzt zusammen mit Wissen-
Fluoreszenzbilder und Streulichtmuster                   schaftlern von der Universität Tandil (Argentinien)
Ein optisches Durchflusszytometer wurde mit zwei         beide Verfahren miteinander verglichen. Dabei wurde
kostengünstigen CMOS-Kameras erweitert, um das           die Tomosynthese mit Hilfe eines Störungsansatzes
an Zellen und Partikeln gestreute Licht und das von      so erweitert, dass auch diese Methode quantitative Er-
ihnen emittierte Fluoreszenzlicht räumlich aufgelöst     gebnisse zur Absorption liefert. Die Untersuchungen
detektieren zu können. Erste Messungen an biologi-       wurden sowohl an Hand von Monte Carlo-Simulati-
schen Zellen sowie Polymer-Mikropartikeln zeigen         onen zur Lichtausbreitung in Gewebe, als auch von
eine große Vielfalt an winkelaufgelösten Intensitäts-    Messungen an gewebeähnlichen Phantomen durch-
verteilungen des Streulichts in Vorwärtsrichtung.        geführt. Dabei zeigte sich, dass die Tomosynthese zu
Durch Vergleich mit numerischen Simulationen,            einer besseren Lokalisierung der Inhomogenitäten
wie der Methode gekoppelter Dipole (DDA) oder            führt. Die Arbeit wurde in der Fachzeitschrift „Bio-
T-Matrix-Verfahren können Aggregate und Koinzi-          medical Physics & Engineering Express“ veröffent-
denzen bei der Partikelzählung identifiziert werden,     licht. (D. Grosenick, FB 8.3, dirk.grosenick@ptb.de)
so dass perspektivisch die Genauigkeit der Zellzäh-
lung verbessert werden kann. (J. Gienger, A. Hoppe,      Tiefenselektivität von Verfahren der
M. Hussels, FB 8.3, jonas.gienger@ptb.de, alexander.     zeitlaufgelösten funktionellen
hoppe@ptb.de, martin.hussels@ptb.de)                     Nahinfrarospektroskopie (fNIRS) des Gehirns
                                                         Die Messung von Photonen-Laufzeitverteilungen mit
Multimodale präklinische Studie zu                       Pikosekunden-Zeitauflösung ermöglicht die Unter-
Nierenerkrankungen                                       scheidung der relevanten Absorptionsänderungen im
Die PTB führt zusammen mit ihren Kooperations-           Gehirn von extrazerebralen, systemischen Effekten.
partnern Max-Delbrück-Centrum für molekulare             Die Analyse der gemessenen Laufzeitverteilungen
Medizin und Charité-Universitätsmedizin Berlin,          basiert auf Momenten (Integral, mittlere Laufzeit,
präklinische Untersuchungen zu den Mechanismen           Varianz) oder Photonenzahlen in verschiedenen
akuter und chronischer Nierenerkrankungen durch.         Zeitfenstern. Anhand von Simulationen wurde unter-
Zu diesem Zweck werden pathophysiologisch re-            sucht, mit welchen dieser Analysemethoden die beste
levante Testreize eingesetzt, um deren Einfluss auf      Tiefenselektivität erzielt werden kann und wie diese
die Oxygenierung und Hämodynamik der Niere zu            von wesentlichen experimentellen Faktoren abhängt.
untersuchen. Als Messmethoden kommen Ultrahoch-          In einer zweiten Arbeit wurden Messungen an Zwei-
feld-Magnetresonanzbildgebung (MR), quantitative         schichtphantomen einbezogen und eine Bewertung
invasive physiologische Methoden und die von der         anhand des Produktes von Tiefenselektivität und
PTB entwickelte quantitative Nahinfrarotspektrosko-      Kontrast-zu-Rausch-Verhältnis vorgenommen. Die
pie in einem integrierten Hybridaufbau zur Anwen-        Varianz der Laufzeit erwies sich als geeignetste der

                                                                                                             11
Abteilungsbericht 2020 – Abteilung 8

betrachteten Größen. Beide Arbeiten sind Teil lang-      ben dem gegenseitigen Austausch von Probenmaterial
jähriger Zusammenarbeit der PTB mit dem Akade-           soll die Expertise auf Seiten des NIST bei Untersu-
mie-Institut für Biokybernetik und biomedizinische       chungen zur Struktur und Dynamik von Proteinen
Technik in Warschau (Polen) und der Universität          mit den Methoden zur Erzeugung und zum hoch
Politecnico di Milano (Italien) in EU-Projekten, u. a.   empfindlichen Nachweis von Xenon in der kernma-
dem Europäischen Netzwerk (ITN) „Brain injury and        gnetischen Resonanz bei der PTB verknüpft werden.
trauma monitoring using advanced photonics“ (Bit-        (L. Mitschang, FB 8.3, lorenz.mitschang@ptb.de)
Map, 2016–2019). Beide gemeinsamen Publikationen
erschienen in der Fachzeitschrift „Biomedical Optics     Entwicklung eines virtuellen Durchflussmessgeräts
Express“. (H. Wabnitz, 8.3, heidrun.wabnitz@ptb.de)      Einbauelemente in Rohrleitungen verursachen
                                                         Strömungseffekte, welche die Messgenauigkeit von
Genauere Bestimmung der optischen Eigenschaften          Durchflussmessgeräten verschlechtern. Die am
in einem turbiden Zweischichtmedium durch                häufigsten vorgefundenen Einbauelemente in Rohr-
Kombination räumlicher und zeitlicher Messungen          leitungssystemen sind Rohrbögen. Um den Messwert
Vor dem Hintergrund der Quantifizierung in der           eines Durchflussmessgeräts, welches hinter einem
zerebralen Oximetrie ist die genaue Bestimmung des       Rohrbogen eingebaut ist, korrigieren zu können,
optischen Absorptionskoeffizienten in der unteren        muss das Strömungsprofil an der Einbaustelle be-
Schicht eines Zweischichtmediums von besonderer          kannt sein. Zur möglichst genauen Simulation eines
Bedeutung, wird jedoch durch den diffusen Charak-        solchen Profils wurden hybride Turbulenzmodelle
ter der Lichtausbreitung in Gewebe erschwert. Im         mit dem Open-Source-Strömungslöser OpenFOAM
Rahmen seiner Promotionsarbeit entwickelte der           anhand der Strömung hinter einem Standard-
PTB-Doktorand im Europäischen Netzwerk (ITN)             Rohrbogen validiert. Da in Rohrleitungssystemen
„Brain injury and trauma monitoring using advanced       Rohrbögen mit diversen Krümmungsradien verbaut
photonics“ (BitMap, 2016–2019) ein neues Verfahren       sind und die Berechnung mit numerischen Strö-
zur Lösung dieses inversen Problems für Messungen        mungssimulationen relativ zeitaufwändig ist, wird ein
bei verschiedenen Abständen von Quelle und Detek-        mathematisches Modell basierend auf Simulations-
tor und mit Pikosekunden-Zeitauflösung und wandte        daten und Messwerten hergeleitet. Dadurch wird die
es bei der Auswertung von Zweischicht-Phantom-           Vorhersage des Strömungsprofils in Echtzeit möglich.
Messungen unter Einsatz eines Monte-Carlo-Modells        Durch Anwendung der Wirkungsweise eines Durch-
an. Das neue Verfahren nutzt aus, dass die Effekte       flusszählers wird dann eine Fehlervorhersage und
von Absorption und Streuung in der zeitlichen und        damit eine Korrektur des Messwerts möglich sein.
räumlichen Domäne unterschiedlich korreliert sind.       Die Arbeiten sind in das PTB-Kompetenzzentrum
Durch Kombination der Information aus beiden             Virtuelle Metrologie (VirtMet) eingebettet. (A. Weis-
Domänen gelang eine genauere Bestimmung der              senbrunner, FB 7.5/8.4, andreas.weissenbrunner@ptb.
optischen Eigenschaften der unteren Schicht als in       de; S. Schmelter, FB 8.4, sonja.schmelter@ptb.de)
jeder der beiden Domänen allein. Die Arbeit wurde
in der Fachzeitschrift „Biomedical Optics Express“       Rekonstruktion von reduzierten Infrarot-
veröffentlicht. (L. Yang, H. Wabnitz, FB 8.3, heidrun.   Messungen mittels Low-Rank Verfahren
wabnitz@ptb.de)                                          Das hochaufgelöste Messen mittels scan-basierter
                                                         Verfahren ermöglicht detaillierte Aufnahmen der
Projektkooperation zur Charakterisierung                 chemischen Zusammensetzungen von Oberflächen.
biologischer Makromoleküle mit dem NIST                  Um diese zeitintensiven Messverfahren zu beschleu-
Das National Institute of Standards and Technolo-        nigen, wurde in der Arbeitsgruppe „Datenanalyse und
gy, das nationale Metrologieinstitut der USA und         Messunsicherheit“ im Rahmen des DFG-Projektes
die PTB haben sich zu einer Projektkooperation           „Bayesian Compressed Sensing“, zusammen mit
zusammengeschlossen. Im Mittelpunkt stehen               der FU Berlin (Prof. Rühl) und der Arbeitsgruppe
die Entwicklung und Anwendung metrologischer             Infrarot-Spektrometrie, eine neue „Low-Rank“
Messverfahren der kernmagnetischen Resonanz zur          Methode zur Datenrekonstruktion entwickelt. Mit
Charakterisierung biologischer Makromoleküle. Ne-        der Methode konnte ein komplexer biologischer

12
Abteilungsbericht 2020 – Medizinphysik und metrolo­gische Informationstechnik

Datensatz auf Basis von nur 5 % der ursprünglichen         Statistische Versuchsplanung mithilfe Bayesscher
Infrarotmessungen erfolgreich rekonstruiert werden.        Statistik
Eine Open-Source Python Bibliothek ermöglicht die          Bei der Planung von Experimenten kommt insbeson-
einfache Anwendung des Verfahrens. (M. Marschall,          dere der Länge einer Messreihe eine besondere Bedeu-
FB 8.4, manuel.marschall@ptb.de, G. Wübbeler,              tung zu. Eine zu lange Messreihe ist mit finanziellem
FB 8.4, gerd.wuebbeler@ptb.de, B. Kästner, FB 7.1,         bzw. zeitlichen Aufwand verbunden, während eine
bernd.kaestner@ptb.de, C. Elster, FB 8.4, clemens.         zu kleine Zahl von Messungen zu einem unbrauch-
elster@ptb.de)                                             baren Ergebnis führen kann. In der Arbeitsgruppe
                                                           Datenanalyse und Messunsicherheit wurde mithilfe
Thermische Ausdehnung von einkristallinem                  Bayesscher Statistik hierfür ein Verfahren entwickelt,
Silizium                                                   welches darauf abzielt, dass die Unsicherheit der
In Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen Datenana-             Messgröße unter einer gewünschten Maximalunsi-
lyse und Messunsicherheit und Interferometrie an           cherheit liegt. (J. Martin FB 8.4, joerg.martin@ptb.de,
Endmaßen wurde ein neues statistisches Verfahren           C. Elster FB 8.4, clemens.elster@ptb.de)
angewendet, um die Abhängigkeit des thermischen
Ausdehnungskoeffizienten von einkristallinem Sili-         Maschinelles Lernen für Anwendungen in der
zium von Temperatur und Luftdruck zu bestimmen.            optischen Mestechnik
Das statistische Verfahren benutzt die Technik des         In einer Zusammenarbeit der PTB-Arbeitsgruppen
„Bayesian Model Averaging“, die eine zuverlässige Er-      Datenanalyse und Messunsicherheit und Asphären-
mittlung von Unsicherheiten auch im Falle möglicher        metrologie wurden Techniken des Deep-Learning im
Fehler bei der Wahl des zugrundeliegenden Modells          Hinblick auf ihre Eignung für die Rekonstruktion
erlaubt. Die ermittelten Ergebnisse stimmen mit            optischer Oberflächen untersucht. Die Untersu-
denen in der Literatur überein, haben aber kleinere        chungen basieren auf einer Datenbank, die mit dem
Unsicherheiten als die CODATA-Referenzdaten.               PTB-Simulationstool SimOptDevice erstellt wurde.
Außerdem konnte keine nennenswerte Abhängigkeit            Erste Ergebnisse sind vielversprechend und wurden
des Ausdehnungskoeffizienten vom Luftdruck festge-         publiziert. (L. Hoffmann, FB 8.4/4.2, lara.hoffmann@
stellt werden. (J. Martin, FB 8.4, joerg.martin@ptb.de,    ptb.de; I. Fortmeier, FB 4.2, ines.fortmeier@ptb.de;
G. Bartl, FB 5.4, guido.bartl@ptb.de, C. Elster, FB 8.4,   C. Elster, FB 8.4, clemens.elster@ptb.de)
clemens.elster@ptb.de)
                                                           Entwicklung eines einfachen Verfahrens zur
Aufspüren von unerwartetem Verhalten von                   Bayesschen Messunsicherheitsberechung für lineare
neuronalen Netzen                                          Modelle
Neuronale Netze sind ein Verfahren des maschinellen        In der Metrologie liegt oft Vorwissen über eine
Lernens und fähig, anhand von Daten komplexe               Messgröße vor, welches jedoch im Rahmen von GUM
Zusammenhänge zu erlernen. Wenn nach diesem                Messunsicherheitsberechnungen nicht berücksichtig
Training neue Datenpunkte in den Algorithmus ein-          werden kann. Bayessche Methoden erlauben die
gegeben werden, produziert das neuronale Netz eine         Berücksichtigung von Vorwissen, die entsprechenden
Vorhersage. Unterscheidet sich die Eingabe aber zu         Berechnungen sind allerdings oft aufwendig und er-
sehr von dem Datensatz, der zum Training des Netzes        fordern statistische Kenntnisse. In der Arbeitsgruppe
verwendet wurde, kann dies jedoch zu unerwartetem          Datenanalyse und Messunsicherheit wurde daher ein
Verhalten führen. In der Arbeitsgruppe Datenanalyse        einfaches Monte-Carlo Verfahren zur Bayesschen
und Messunsicherheit wurde ein Verfahren entwickelt,       Messunsicherheitsberechung für die in der Metrologie
dass eine statistische Größe, die sog. Fisher Informati-   häufig auftretenden linearen Modelle entwickelt. Das
on benutzt, um derartiges Fehlverhalten zu erkennen.       Verfahren wurde in einer Veröffentlichung in der
(J. Martin FB 8.4, joerg.martin@ptb.de, C. Elster          Zeitschrift Metrologia beschrieben und als Open-
FB 8.4, clemens.elster@ptb.de)                             Source Python-Software bereitgestellt. (G. Wübbeler,
                                                           FB 8.4, gerd.wuebbeler@ptb.de, M. Marschall, FB 8.4,
                                                           manuel.marschall@ptb.de, C. Elster, FB 8.4, clemens.
                                                           elster@ptb.de)

                                                                                                               13
Abteilungsbericht 2020 – Abteilung 8

PTB-LNE Kooperation zur Bayesschen                        Magnetische Referenzkörper aus dem 3D-Druck
Messunsicherheitsermittlung                               Additive Fertigungsverfahren gelten als Schlüssel-
In einer Kooperation der PTB mit dem französischen        technologie für die industrielle Produktion und
Metrologieinstitut LNE wurde eine neue Methode zur        Wertschöpfung der Zukunft. Darüber hinaus besitzt
Bayesschen Unsicherheitsermittlung entwickelt und         diese neue Fertigungstechnologie das Potential, auf
publiziert. Das Verfahren lässt sich in einfacher Weise   metrologische Herausforderungen noch effizienter
auf eine große Klasse von Modellen in der Metrologie      und flexibler reagieren zu können. In den letzten
anwenden. Im Gegensatz zum Standardverfahren für          Jahren konnten in der PTB die AG 8.23 Metrologie für
die Messunsicherheitsermittlung („GUM“) erlaubt die       magnetische Nanopartikel zusammen mit dem Geräte-
entwickelte Methode vorhandenes Vorwissen über die        bau Berlin erhebliche Fortschritte bei der Erstellung
Messgröße zu berücksichtigen, was zu deutlich klei-       von Referenzproben und -modellen für die Verteilung
neren Unsicherheiten führen kann. Die Anwendung           magnetischer Nanopartikel machen. Diese basieren
des Verfahrens wird durch „open source software“          auf einem einzigartigen Verfahren zur gezielten mag-
unterstützt. (C. Elster, FB 8.4, clemens.elster@ptb.de)   netischen Manipulation von Ausgangsmaterialien für
                                                          die additive Fertigung. Im Rahmen einer Masterarbeit
                                                          war es nun möglich, modulare Phantome mit defi-
Metrologie für die Wirtschaft
                                                          nierten magnetischen und optischen Eigenschaften
                                                          für die flexible Qualitätssicherung und Kalibrierung
Innovative magnetische Messtechnik der PTB
                                                          von medizinischen Bildgebungsverfahren zu erstellen.
unterstützt die Nanopartikelanalytik
                                                          Ein daraus entstandenes Metrologie-Kit für eine neue
Die Arbeitsgruppe 8.23 Metrologie für magnetische
                                                          Bildgebungsmodalität (Magnetpartikelbildgebung),
Nanopartikel hat einen Technologietransfer im
                                                          um die Qualität der Ergebnisse zu sichern. (N. Löwa,
Rahmen des TransMeT-Programms erfolgreich
                                                          FB 8.2, norbert.loewa@ptb.de)
abgeschlossen. Projektpartner war dabei die Post-
nova Analytics GmbH, ein Hersteller von Systemen
                                                          Verlängerung des Netzwerks NetPhaSol
zur Fluss-Fraktionierung mit gekoppelter Online-
                                                          Das im September diesen Jahres ausgelaufene Netz-
Analytik für die Charakterisierung von Makromo-
                                                          werk für Wirkstoffentwicklung „NetPhaSol“, welches
lekülen und Nanopartikeln. Mit Hilfe der hohen
                                                          durch das Bundesministerium für Wirtschaft und
Fertigungspräzision im Gerätebau Berlin und dem
                                                          Energie im Rahmen des Förderprogramms „Zentrales
Einsatz neuer Technologien (z. B. 3D-Druck) ist ein
                                                          Innovationsprogramm Mittelstand“ (ZIM) über drei
hochleistungsfähiges Tischgerät entstanden, welches
                                                          Jahre lang gefördert wurde, wird weiter fortgeführt.
sich als Durchfluss-Detektor für die Quantifizierung
                                                          NetPhaSol dient als Plattform für die Forschung, Ent-
und Charakterisierung von Mikro- und Nanoparti-
                                                          wicklung und Vermarktung von neuen Produkten,
keln eignet. Dieses wurde in die Geräteplattform von
                                                          Verfahren und Dienstleistungen in der Arzneimittel-
Postnova eingegliedert. Im Vergleich mit dem an
                                                          entwicklung. Der Fokus liegt primär auf den ersten
der PTB vorhandenen Referenzsystem beeindruckt
                                                          Stufen der Wertschöpfung eines Drug Discovery Zyk-
der seriennahe Prototyp mit einer Steigerung der
                                                          lus. Über 50 Unternehmen und Wissenschaftseinrich-
Nachweisempfindlichkeit (20 ng(Fe)/mL) bei gleich-
                                                          tungen haben sich bereits im Netzwerk zusammenge-
zeitig deutlich verkürzten Messzeiten (20 ms). Die
                                                          schlossen, darunter das Max-Delbrück-Centrum für
Leistungsfähigkeit des Detektors wurde erfolgreich in
                                                          Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft
zwei Anwendungsbereichen demonstriert: als Chro-
                                                          (MDC), das Leibniz-Forschungsinstitut für Molekula-
matographie-Detektor für die Partikel-Fraktionierung
                                                          re Pharmakologie (FMP) und Unternehmen wie EPO
bei Postnova sowie als Monitoring-System während
                                                          Berlin-Buch, InnoRa und 3B Pharmaceuticals. Die
der kontinuierlichen Nanopartikelsynthese am Fraun-
                                                          PTB wird auch weiterhin den Verbundpartnern des
hofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme
                                                          Netzwerks seine Infrastruktur zur Charakterisierung
IMM Mainz. (N. Löwa, FB 8.2, norbert.loewa@ptb.de)
                                                          von magnetischen Nanopartikeln anbieten. (F. Wiek-
                                                          horst, FB 8.2, frank.wiekhorst@ptb.de)

14
Sie können auch lesen