Mehr Klimaschutz mit der Raumentwicklung - Überlegungen zur Nutzung planerischer Instrumente für eine klimafreundlichere Landwirtschaft - ETH ...

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Mehr Klimaschutz mit der Raumentwicklung
Überlegungen zur Nutzung planerischer Instrumente für eine
klimafreundlichere Landwirtschaft
MAS in Raumplanung 2019/21
Autorin: Dr. Susanne Menzel, Geographin und Agrarökonomin
Referent: Prof. Dr. David Kaufmann
Ko-Referent: Dr. Daniel Kolb
Datum: 25.08.2021
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Danksagung

Ich danke an erster Stelle den Personen, die sich für ein Interview bereit erklärt und mit mir ihre Erfahrungen und
Einschätzungen geteilt haben. Die Interviews sind der spannendste Teil einer solchen Arbeit und was man im
persönlichen Austausch lernt auch wenn er über Zoom stattfindet kann kaum durch einen geschriebenen Text ersetzt
werden. Weiter danke ich David Kaufman und Daniel Kolb für den unterstützenden Austausch, ebenfalls per Zoom,
E-Mail und durch Kommentare und Hinweise zu einer früheren Version des Textes. Ebenso möchte ich meinen
Mitstudierenden Florian Inneman und Sara Künzli für die Austausche und das Einbringen ihrer Expertise danken.
Mein besonderer Dank gilt Anna Suter, die mich mit ihren redaktionellen sowie juristischen Kompetenzen
unterstützt hat. Insbesondere die Bereitschaft, den Text bereits in einer sehr rohen Fassung zu lesen und dazu
Rückmeldungen zu geben, war für mich auch eine wichtige emotionale Stütze. Alle verbleibenden Fehler
verantworte ich als Autorin.

Titelbild: Handlungsräume nach dem Raumkonzept Schweiz „Polyzentrisches Netz aus Städten und Gemeinden“ (BR ET AL.
2012: 38-39) überlagert mit Symbolen für pflanzliche und tierische landwirtschaftliche Produktion

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Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis…………………………………………………………………………………………….4
Tabellenverzeichnis………………………………………………………………………………………………..4
Abkürzungsverzeichnis……………………………………………………………………………………………4
Kurzfassung………………………………………………………………………………………………………..6
1. Einleitung .......................................................................................................................................................... 7
                Klimaschutz als ungelöste Jahrhundertaufgabe..................................................................................... 7
   1.2          Konnex zwischen Raumplanung, Klimaschutz und Landwirtschaft ..................................................... 7
   2.1          Einordnung in die Literatur und zentrale Fragen ................................................................................ 10
   2.2          Berücksichtigte Politikbereiche........................................................................................................... 11
2. Kontext: Die Klimaschutz- und Agrarpolitik sowie ihre Bezüge zur Raumentwicklung ......................... 13
                Klimaschutz in der Schweiz ................................................................................................................ 13
   2.2          Rolle der Raumplanung für den Klimaschutz – heute und in Zukunft ................................................ 14
   2.3          Zum Verhältnis von Landwirtschaft und Raumplanung ..................................................................... 14
   2.4          Die Landwirtschaft, ihre Treibhausgase und ihr Beitrag zum Klimaschutz ........................................ 14
3. Theorie ............................................................................................................................................................. 16
4. Forschungsdesign............................................................................................................................................ 20
5. Ergebnisse ....................................................................................................................................................... 25
   5.1          Zur Stellung von “Klima” in der Raumplanung auf Bundes- und Kantonsebene ............................... 25
   5.2          Potenziale der Raumplanung, zum Klimaschutz beizutragen ............................................................. 30
   5.3          Möglicher Beitrag der Raumplanung zu einer Positivplanung der Landwirtschaft ............................ 32
   5.4          Weitere Ergebnisse.............................................................................................................................. 34
6. Diskussion, Lösungsansätze und Empfehlungen ......................................................................................... 37
   6.1 Zusammenfassung der Erkenntnisse ........................................................................................................... 37
   6.2 Beantwortung der Fragen und Nützlichkeit der Theorie............................................................................. 37
   6.3 Lösungsansatz zur Anwendung raumplanerischer Instrumente auf die Landwirtschaft als Beitrag zum
   Klimaschutz ...................................................................................................................................................... 40
   6.4 Empfehlung an die Raumplanung: Prüfung des Ernährungssystemansatzes und Klimaschutz als Chance zur
   “Selbsterneuerung” ........................................................................................................................................... 42
   6.5 Zukünftige Forschung und Limitation ........................................................................................................ 44
7. Literatur .......................................................................................................................................................... 46
Anhang…………………………………………………………………………………………………………...52

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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Nahrungsmittelproduktion und Treibhausgasemissionen: Zielpfade und reale Entwicklungen ....... 8
Abbildung 2: Anforderungen an die Landnutzung oder "Trilemma der Landnutzung" ......................................... 9
Abbildung 3: Treibhausgasintensität verschiedener Lebensmittel ....................................................................... 11
Abbildung 4: THG-Emissionen der Schweizer Landwirtschaft im Jahr 2016...................................................... 15
Abbildung 5: Untersuchungsdesign mit Untersuchungsgegenständen, Methoden und Erkenntnisinteresse ........ 21
Abbildung 6: Stellung des Richtplans in der Systematik der Instrumente der Schweizer Raumplanung ............. 23
Abbildung 7: Aufgabenbereiche im Themenfeld Klimaschutz und Einflussmöglichkeiten von Gemeinden und
Kantonen............................................................................................................................................................... 35
Abbildung 8: Zusammenwirken von organisatorischen Veränderungen, Politiken und Prozessen ...................... 38

Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Unterschiedliche Konzeptualisierungen von Koordination, Kohärenz und Integration ...................... 17
Tabelle 2: Liste der Interviewpartner*innen mit Funktion, Organisation und Gesprächsdatum .......................... 22

Abkürzungsverzeichnis
AGR – Amt für Gemeinden und Raumordnung (Kanton Bern)
ALN – Amt für Landschaft und Natur (Kanton Zürich)
ARE – Bundesamt für Raumentwicklung sowie Kantonales Amt für Raumentwicklung des Kantons Zürich
AWEL – Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Kanton Zürich)
AUE – Amt für Umwelt und Energie (Kanton Bern)
BAFU – Bundesamt für Umwelt
BLW – Bundesamt für Landwirtschaft
BR – Schweizerischer Bundesrat
BUWD – Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement (Kanton Luzern)
BV – Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft
CO2 – Kohlendioxid
CO2eq – CO2-Äquivalent
FFF – Fruchtfolgefläche(n)
GSchG – Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer, Gewässerschutzgesetz; SR 814.20
I1–8 – Interviewpartner*in mit Nummer 1–8
KS – Klimaschutz
LANAT – Amt für Landwirtschaft und Natur (Kanton Bern)
Lawa – Dienststelle für Landwirtschaft und Wald (Kanton Luzern)
LW – Landwirtschaft
LwG – Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft, Landwirtschaftsgesetz; SR 910.1
NHG – Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz; SR 451
PI – policy integration = Politikintegration
rawi – Dienststelle für Raum und Wirtschaft (Kanton Luzern)
RP – Raumplanung
RPG –Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung, Raumplanungsgesetz; SR 700
RPV – Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 2000; SR700.1
THG – Treibhausgasemission(en)

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uwe – Dienststelle für Umwelt und Energie (Kanton Luzern)
WEU – Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion (Kanton Bern)
WOG – whole of government

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Kurzfassung
Mehr Klimaschutz mit der Raumentwicklung – Überlegungen zur Nutzung planerischer Instrumente für
eine klimafreundlichere Landwirtschaft
Die Arbeit widmet sich der Frage, inwieweit das Thema Klimaschutz im System der Raumplanung der Schweiz
verankert ist und wie Raumplanung eine grössere Rolle für den Klimaschutz spielen könnte. Dabei wird das
Zusammenspiel von Landwirtschaft und Raumplanung vertieft betrachtet. Aus theoretischer Sicht wird an dem
Konzept der administrativen Fragmentierung angesetzt, d.h. dem Phänomen, dass Staatsaufgaben auf
verschiedene Verwaltungseinheiten aufgeteilt werden, um Güter und Dienstleistungen für Bürgerinnen und
Bürger zu erstellen. In einer zunehmend komplexer werdenden Welt, in der Auswirkungen menschlicher
Tätigkeiten die planetaren Grenzen erreicht oder teilweise überschritten haben, gewinnt die Abstimmung von
Aktivitäten und so auch des Verwaltungshandelns zunehmend an Bedeutung. Fragmentierung kann, so die
Ansätze der Politikwissenschaft, durch Koordination, Integration und Kohärenz überwunden werden. Mit der
Arbeit werden diese Konzepte auf die Schnittstellen von Raumplanung, Klimaschutz und Landwirtschaft
angewendet. Methodisch wurde mit Textanalysen von Erlassen und raumplanerischen Strategien auf Stufe Bund
sowie drei Fallstudienkantonen, der Untersuchung des organisatorischen Aufbaus der drei Fallstudienkantone und
acht semi-strukturieren Interviews gearbeitet.
Die Ergebnisse zeigen, dass Klimaschutz bisher schwach in der Raumplanung auf Stufe Bund und Kantone
verankert ist, zumindest was die explizite Erwähnung des Themas betrifft. In jüngster Zeit geschaffene Stellen
meist in Umweltdirektionen im Bereich Klima, und damit organisatorische Veränderungen, wirken dabei
aktivierend auf Tätigkeiten von Raumplanungsfachleuten betreffend den Klimaschutz. Auch zeigt sich, dass die
Raumplanung mit ihren Kernthemen – wie der Abstimmung von Siedlung und Verkehr – Beiträge zur
Verringerung des THG-Ausstosses leisten kann. Zu den weiteren theoretischen Konzepten lassen die Ergebnisse
erkennen, dass die Stärken der Raumplanung vor allem in koordinierenden Aktivitäten in Prozessen gesehen
werden. Die Lernwirkung der Erarbeitung von Produkten wird dabei mindestens gleich hoch gewichtet wie die
resultierenden Strategien oder Richtpläne. Auffällig ist, dass fehlende gesetzlich verbindliche Klimaschutzziele
auf kantonaler Stufe von Vertreter*innen der Raumplanung nicht als Hindernis für Klimaschutzaktivitäten der
Raumplanung thematisiert wurden, obwohl dies aus einer Aussen- und theoretischen Sicht eine klare Erschwernis
auch für raumplanerische Aktivitäten in dem Themenfeld darstellt.
Mit der Arbeit wird ein möglicher raumplanerischer Ansatz zur Umsetzung der visionären Idee präsentiert, durch
die Landwirtschaft ackerbaulich nutzbare Flächen vornehmlich zum Anbau pflanzlicher Erzeugnisse zur direkten
menschlichen Ernährung zu nutzen. Er fusst darauf, im Raumplanungsgesetz eine neue Vorgabe für die
Richtplanung zu formulieren und somit Flächen mit obigen Eigenschaften als «Klimaschutzvorrangflächen»
festzulegen. Wie bzw. ob eine ausreichende Rechtsgrundlage für einen solchen Ansatz geschaffen werden könnte,
müsste in weiteren Arbeiten und Debatten geklärt werden. Auch Umsetzungsherausforderungen wären zu
überwinden. Auf Basis der Ergebnisse wird empfohlen zu prüfen, ob bei der Aktualisierung des Raumkonzepts
Schweiz ein Ernährungssystemansatz zur Anwendung kommen könnte. Die Herausforderung des Klimaschutzes
wird als Chance gesehen, dass Raumplanung sich vermehrt dem Nichtbaugebiet aus einer (öko)systemischen Sicht
widmet und eine Kultur der Beteiligung auch ausserhalb der Nichtbauzone fördert.

Schlagworte
Klimawandel, Klimaschutz, qualitative Aspekte          der   Bodennutzung,    Landwirtschaft,    Treibhausgase,
pflanzenbasierte Ernährung; Ernährungssystemansatz
Zitierungsvorschlag
Menzel, Susanne (2021). Mehr Klimaschutz mit der Raumentwicklung – Überlegungen zur Nutzung
planerischer Instrumente für eine klimafreundlichere Landwirtschaft; MAS Raumplanung 2019/21, ETH
Zürich, Zürich.

Zürich, im August 2021

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1. Einleitung
        Klimaschutz als ungelöste Jahrhundertaufgabe
Seit Ende des 19 Jahrhunderts wird vermutet, dass menschliche Aktivität – v.a. das Verbrennen von fossilen
Brennstoffen – den natürlichen Treibhauseffekt der Erde, welcher Voraussetzung für pflanzliches und tierisches
wie menschliches Leben ist, verstärkt. Bereits seit den 1950er-Jahren laufen Messungen, welche die sich
verändernde Zusammensetzung der Erdatmosphäre belegen. In den 1970er-Jahren bestand ein breiter
wissenschaftlicher Konsens über die Verstärkung des natürlichen Treibhauseffektes durch menschliche
Aktivitäten (IPCC 2007). 1988 wurde das Intergovernmental Panel in Climate Change (IPCC) gegründet. 1992
wurde auf dem Riogipfel die Klimarahmenkonvention der UN verabschiedet. Das erste internationale
Klimaabkommen wurde in Kyoto 1997 beschlossen. Parallel zu diesen Entwicklungen waren seit mindestens den
1970er-Jahren auch innerhalb der Ölindustrie die Wirkungen des Verbrennens von fossilen Brennstoffen
zweifelsfrei belegt und bekannt, was aber nicht nach aussen kommuniziert wurde. Vielmehr wurden Erkenntnisse
von Klimawissenschaftler*innen zum Beitrag menschlicher Aktivitäten zum Klimawandel (heute: Klimakrise)
durch milliardenschwere öffentliche Kommunikationsaktivitäten in Zweifel gezogen, wie Studien über fünf der
grössten US-amerikanischen Ölunternehmen in den Jahren 1986–2015 zeigten (BRULLE ET AL. 2020;
SUPRAN & OERSKES 2017). Die Zielgruppen der Erdöllobbying-Aktivitäten waren dabei neben der
Allgemeinheit insbesondere die Mitglieder des US-Parlaments. Lobbyaktivitäten sind zwar nicht Gegenstand
vorliegender Arbeit, nach Ansicht der Autorin sollte dieser wichtige Aspekt bei Betrachtungen zur Klimakrise
jedoch zumindest kurz angeschnitten werden. Doch blicken wir nun in die Schweiz.
1998 unterzeichnete auch die Schweiz das Kyotoprotokoll, woraufhin das CO2-Gesetz formuliert wurde, um die
THG-Reduktionsziele gemäss dem Protokoll (Phase I 2008–2012) zu erreichen. Das CO2-Gesetz trat am 1. Mai
2000 in Kraft. Seither sind 21 Jahre vergangen. Zwar werden im CO2-Gesetz mittlerweile auch die Treibhausgase
(THG) Methan und Lachgas berücksichtigt. Doch die Erde erhitzt sich weiter. Auch werden stets ambitioniertere
Reduktionsziele gesetzt, wie Netto-Null bis 2050. Doch diese sind oft nur Absichtserklärungen von Regierungen,
während kaum wirkungsvolle Massnahmen getroffen werden, wie sich aus dem Nicht-Erreichen vergangener
Reduktionsziele schliessen lässt. Es werden solche Massnahmen umgesetzt, die niemandem weh tun oder kaum
Kosten verursachen. So finden wir uns auf einem Pfad, der die Zielerreichung illusorisch erscheinen lässt. Vor
diesem Hintergrund gilt es für jeden Sektor und jede*n Akteur*in zu reflektieren, wie er/sie mehr zum
Klimaschutz beitragen könnte. Das gilt neben der Landwirtschaft auch für die Raumplanung.
Abgrenzung: Die vorliegende Arbeit grenzt sich von der Thematik der Anpassung an den Klimawandel ab und
konzentriert sich auf Massnahmen zu Klimaschonung und -schutz, was auch als Mitigation bezeichnet wird. Dies
wegen der Gefahr der Vermischung von Anpassungsanliegen – die oft einen klaren direkten Nutzen für jene
haben, die darin investieren – mit jenen zur Schonung oder zum Schutz des Klimas. Damit bleiben aber
Massnahmen mit Synergien zwischen Klimaanpassung und Klimaschonung aussen vor, die von grosser
Bedeutung sein können, wie beispielsweise Entsiegelung oder natürliche Beschattung durch Bäume, die
gleichzeitig als CO2-Speicher dienen.
             1.2 Konnex zwischen Raumplanung, Klimaschutz und Landwirtschaft
Insbesondere über die Klimagase Methan und Lachgas besteht ein klarer Bezug zwischen Klimaschutz und
Landwirtschaft. Mit der Klimastrategie Landwirtschaft (BLW 2011) hat man so auch vor zehn Jahren begonnen,
die Thematik Klima im Zusammenhang mit landwirtschafts(-politischen) Fragen zu behandeln. Jedoch sind
Beiträge zum Klimaschutz durch die Landwirtschaft bisher nicht gesetzlich verankert. Auch die Raumplanung
wirkt auf das Klima, wobei das Thema wenig explizit durch das System der Schweizer Raumplanung aufgegriffen
scheint; dies wird im Rahmen der Arbeit weiter untersucht. Wohl aber besteht ein Konnex zwischen
Landwirtschaftsgesetzgebung und jener zur Raumplanung. Allerdings betrifft diese Schnittstelle in der Praxis
meist nur die Errichtung von Bauten ausserhalb der Bauzonen. Solange die landwirtschaftliche Nutzfläche bzw.
Nichtbauzone nicht von Bauten betroffen ist, interveniert „die Raumplanung“ in die Nutzung der Flächen durch
die Landwirtschaft kaum. Ausnahmen stellen beispielsweise überlagernde Landschaftsschutzzonen dar, über die
Einfluss auf die Landwirtschaft genommen wird. Doch auch hier geht es oft um Fragen der Bebauung. Bei
überlagernden Gewässerschutzzonen wird, über eine Fachplanung, die in den Richtplan aufgenommen wird, mit
planerischen Mitteln einschränkend auf die Nutzung durch die Landwirtschaft eingewirkt. Dies geschieht
aufgrund stark örtlich gebundener Nutzungsüberlegungen (Trinkwasser). Anders gesagt, qualitative Aspekte der

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Nutzung landwirtschaftlicher Flächen scheinen bisher marginal in die Zuständigkeit der Raumplanung zu fallen.
Flächen ausserhalb von Bauzonen wirken weitgehend in die Kategorien 1 und 0, weiss oder schwarz, unbebaut
oder bebaut sortiert; Grauzonen scheinen kaum existent. Zu diesen Flächen scheint aus raumplanerischer Sicht –
im Gegensatz zu Flächen in der Bauzone – kaum Regelungsbedarf zu bestehen. Es ist die Aufgabe der
Raumplanung die für die Landwirtschaft bzw. zur Sicherung der Landesversorgung in Krisenzeiten besonderes
wertvollen Flächen, die Fruchtfolgeflächen, zu schützen. Weitreichender ist die Interaktion kaum.
In welcher Art und Weise eine Fläche landwirtschaftlich genutzt wird, hat neben der Trinkwasserqualität und
Landschaftsästhetik jedoch enorme Auswirkungen auf eine Vielzahl raumrelevanter öffentlicher Güter, wie
Klimastabilität, Bodenfruchtbarkeit oder Biodiversität. So trägt die Landwirtschaft in der Schweiz momentan ca.
zu 13-161% des THG-Ausstosses der Schweiz bei. Für 2018 wurde im nationalen Treibhausgasinventar2 für die
Landwirtschaft der Ausstoss von 7,3 Mio. t CO2eq3 ermittelt (BAFU 2020). Die Aufgabe des Klimaschutzes
wurde mit dem CO2-Gesetz auch für die Landwirtschaft formuliert und wird seit 2011 versucht, über die
Klimastrategie des BLW (2011) zu erreichen. Allerdings konnten die angestrebten Reduktionsziele nicht erreicht
werden. Dass eine Reduktion der THG in der Landwirtschaft eine grosse Herausforderung darstellt, zeichnete sich
dabei bereits bei der Formulierung der Klimastrategie ab. Denn wie die folgende Abbildung 1 zeigt, konnte zwar
zwischen 1990 und 2010 eine Abnahme der THG-Emissionen aus der Landwirtschaft verbucht werden, dabei
widerspiegelt die Reduktion eine Verminderung des Rindviehbestandes und des Stickstoffdüngereinsatzes. Doch
bereits 2007 lag dieser THG-Ausstoss nicht mehr im Zielbereich der THG-Emissionensreduktion (rotes Feld).

                                                                                                Legende
                                                                                                blauer Bereich: Zielpfad
                                                                                                Nahrungsmittelproduktion
                                                                                                roter Bereich: Zielpfad
                                                                                                Treibhausgasemissionen
                                                                                                blaue Linie: Entwicklung
                                                                                                Nahrungsmittelproduktion
                                                                                                rote Linie: Entwicklung
                                                                                                Treibhausgasemissionen
                                                                                                Einheiten: Energie in Terajoule;
                                                                                                THG-Emissionen in Tonnen
                                                                                                Kohlenstoffdioxidäquivalenten

Abbildung 1: Nahrungsmittelproduktion und Treibhausgasemissionen: Zielpfade und reale Entwicklungen
(Quelle: BLW 2011: 18)

2004 wurde der tiefste Wert der THG-Emissionen aus der Landwirtschaft mit 5,96 Millionen Tonnen CO2eq
erzielt. Es sind also seit dem Tiefststand und dem momentanen Wert von 7,3 Mio. t CO2eq wieder steigende
Werte zu verzeichnen. Zudem hat der Bundesrat 2021 mit der langfristigen Klimastrategie 2050 ein ambitiöseres
als das bisherige THG-Reduktionsziel für die Landwirtschaft von 40% bis 2050 beschlossen (BR 2021).
Ähnliche THG-Entwicklungen aus der Landwirtschaft sind für die EU festzustellen, welche dort besonders in
der Kritik stehen, weil erhebliche finanzielle Mittel für die Reduktion deklariert wurden. Auditor*innen der EU
kommen zu dem Ergebnis, dass die 100 Milliarden Euro, die zwischen 2014 und 2020 im Rahmen der
Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) als Klimaschutzausgaben der Landwirtschaft bezeichnet wurden, kaum
Einfluss auf die THG-Emissionen aus der Landwirtschaft hatten. Die meisten Klimaschutzmassnahmen, die über
die GAP unterstützt würden, hätten ein schwaches Potenzial zur Reduktion der THG-Ausstösse. Zudem würden
über die GAP selten Massnahmen finanziert, die hohes THG-Reduktionspotenzial hätten. Dabei wird von den

1 Dies ist der Bereich, in dem der Wert in den Jahren 2017 – 2019 schwankte (BLW 2019; BAFU 2020).
2 Im Treibhausgasinventar der Schweiz werden gemäss internationalem Standard der Klimakonvention der Vereinten Nationen
nach dem Territorialprinzip alle im Inland entstandenen Emissionen aufgeführt.
3
  CO2-Äquivalent ist ein Mass für die Erwärmungspotenziale eines Gases.

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Auditor*innen insbesondere kritisiert, dass keine Massnahmen an den Tierzahlen ansetzten, obwohl von Rindern
die Hälfte aller THG-Emissionen der Landwirtschaft ausgingen (ECA 2021).
Es wird hier mit Verweis auf die OECD (2021a) die Ansicht vertreten, dass der Klimaschutzbeitrag der
Landwirtschaft nicht alleine durch die Instrumente der Agrarpolitik erreicht werden kann. Die
Landwirtschaftspolitik ist mit der Vielfalt von Herausforderungen, die mit der Landnutzung zusammenhängen,
überfordert.
        “Food systems around the world face a formidable “triple challenge”. First, they are
        expected to deliver food security and nutrition for a growing world population. Second,
        they have an essential role to play in providing incomes and livelihoods for hundreds of
        millions of people involved in farming and other segments of the food chain. And third,
        they must do so in a sustainable manner, without depleting land, water and biodiversity
        resources, while contributing to reductions in greenhouse gas (GHG) emissions. On
        balance, the agricultural policies covered in this report – across developed and emerging
        economies – do not address these three dimensions effectively.” (OECD 2021a: 21;
        Hervorhebung durch die Autorin).
Unabdingbar scheint so, vor dem Hintergrund der Notwendigkeit von Klimaschutz, Biodiversitätserhalt und
Ernährungssicherung, eine gemeinsame Betrachtung von Raumplanung, Landwirtschafts(-politik) und
Klimaanliegen. Die Berücksichtigung verschiedenster Güter in der Raumnutzung – auch solche mit globaler
Dimension – wird durch neueste Publikationen, wie die des wissenschaftlichen Beirats für Globale Umweltfragen
der deutschen Bundesregierung (WBGU, 2020) und die gemeinsame Analyse von IPCC und IPBES (2021)
gestützt. Durch den WBGU ist diese integrale Sichtweise auf die Landnutzung schön illustriert4.

Abbildung 2: Anforderungen an die Landnutzung oder "Trilemma der Landnutzung"
Quelle: WBGU 2020: 24

Diese Perspektive ist mit jener kohärent, die in der Bodenstrategie vertreten wird, und im Sinne eines breiten
Verständnis der haushälterischen Bodennutzung, die den qualitativen Bodenschutz einschliesst (BR 2020a).
Danach sollen jene Formen der Bewirtschaftung gewählt werden, die verschiedene Güter im Zusammenhang mit
der Bodennutzung bestmöglich berücksichtigen. Durch den WBGU werden dabei auch ganz explizit Aktivitäten
der Landwirtschaft angesprochen. Spezifisch wird vorgeschlagen “die Tierhaltung oder das Ausmaß der
Tierhaltung wieder verstärkt an den Pflanzenbau zu koppeln, also eine Flächenbindung der Landwirtschaft zu
realisieren.” (WGBU 2020: 175).
Raumplanung bzw. spatial planning wird auch ein einem jüngsten IPCC-Bericht als eine von verschiedenen
“enabeling response options” aufgeführt, um einen Beitrag sowohl zum Sparen von Ressourcen, Vergrössern der
sozialen Resilienz, Unterstützung der ökologischen Restaurierung und Förderung des Engagements und der
Zusammenarbeit zwischen verschiedenen (multiple) Stakeholdern zu leisten (IPCC 2020: C; C.1.1: 29).

4 In der vorliegenden Arbeit wird eine weniger umfassende Perspektive eingenommen und auf das Zusammenspiel von

Raumplanung und Landwirtschaft zum Zwecke des Klimaschutzes fokussiert.

                                                                                                             9
Mehr Klimaschutz mit der Raumentwicklung - Überlegungen zur Nutzung planerischer Instrumente für eine klimafreundlichere Landwirtschaft - ETH ...
Allerdings bleiben Statements in solcher Art Berichte sehr generell und oberflächlich. Daher sollen mit dieser
Arbeit konkretere Vorschläge erarbeitet werden.
Vor dem Hintergrund der bisher bescheidenen Erfolge beim Erreichen von THG-Reduktionszielen durch die
Landwirtschaft, dem 2021 durch den Bundesrat angehobene Ambitionsniveau für die Reduktion von THG dieses
Sektors (BR 2021) und den Potenzialen der Raumplanung (enabeling response options) zum Sparen von
Ressourcen widmet sich die Arbeit den Potenzialen raumplanerischer Instrumente, die landwirtschaftlichen
Reduktionsziele zu unterstützten. Die oben angedeuteten Potenziale der Raumplanung können zusätzliche
Möglichkeiten eröffnen, so die Annahme hinter dieser Arbeit, die drängende Herausforderung der Reduktion
von Klimagasen aus der Landwirtschaft zu unterstützen. Durch den Einbezug von Instrumenten, die in einer
Kaskade zunächst auf Behörden und schliesslich auf Eigentümer*innen von Flächen wirken, sollten
Klimaschutzziele erfolgreicher erreicht werden können als durch die bestehenden Instrumente der Agrarpolitik
alleine. Die Arbeit widmet sich somit der folgenden Frage: «Welche Instrumente der Raumplanung, wie
beispielsweise Sachpläne oder der kantonale Richtplan, könnten [komplementär zu Ansätzen der
Agrarpolitik] angewendet, adaptiert oder neu geschaffen werden, um auf eine stärkere Berücksichtigung
des Klimaschutzes durch die Landwirtschaft bzw. in der Landwirtschaftszone hinzuwirken?»
    2.1 Einordnung in die Literatur und zentrale Fragen
Das Zusammenspiel von Raumplanung, Klimaschutz und Landwirtschaft wird hier als Thema der
Politikintegration in die politikwissenschaftliche Literatur eingeordnet. In diesem Themenfeld wurde bisher u.a.
die Integration von Umweltanliegen in andere Politikfelder untersucht. Es geht dabei darum, zu verstehen, welche
Reichweite und Wirksamkeit Politikveränderungen betreffend einen neuen Politikinhalt entfalten (JORDAN &
LESCHNOW 2010). Es wird gleichzeitig eine sogenannte „whole of government“-Perspektive (CHRISTENSEN
& LÆGREID 2007) eingenommen, welche einer anderen politischen Praxis und Untersuchungsperspektive
entsprechend, verschiedene Politiksektoren unter dem Blickwinkel der Erfüllung einer (neuen) staatlichen
Aufgabe zusammen denkt. Weitere Ausführungen hierzu finden sich im Theorie-Kapitel. Vereinfacht gesagt, geht
es darum zu verstehen, wie die Thematik des Klimaschutzes in das Politikfeld der Raumplanung aufgenommen
wird. Dabei wird dem Zusammenwirken der Raumplanung mit der Landwirtschaftspolitik und damit der
Interaktion zwischen diesen beiden Politikfeldern besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
In der Arbeit wird der Frage nachgegangen, wie Klimathemen zurzeit in der Raumplanung verankert oder
integriert sind und wie über das System der Raumplanung, d.h. Gesetze, Verwaltung, Prozesse und Instrumente
der Raumplanung ein grösserer Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden könnte. Im Speziellen wird der Frage
nachgegangen, wie das System der Raumplanung die Erreichung der Klimaschutzziele der Landwirtschaft
unterstützen könnte. Ins Zentrum bzw. an den Beginn der Betrachtung wird dabei die kantonale Richtplanung
gestellt, weil diese das zentrale Instrument der Raumplanung auf kantonaler Stufe darstellt (BRP 1996: 4). Sie
setzt damit bei den Kantonen als Hauptakteure der Raumplanung an (Art. 75 BV).
Es wird dabei davon ausgegangen, dass eine wenig differenzierte Nutzungsplanung in der Landwirtschaftszone
zu Fehlallokationen oder “unrationeller” und somit wenig nachhaltiger Nutzung des landwirtschaftlichen Bodens
führt. “Unrationell” wird dabei hier in einem weiten d.h. im volkswirtschaftlichen Sinne verstanden als Nutzung,
die nicht in der Produktion der maximalen Menge von Gütern resultiert, die in öffentlichem Interesse sind.
Volkswirtschaftlich optimal ist, wenn man eine Langfristperspektive einnimmt, die (soziale) und ökologische
Güter einschliesst; diese Definition hat enge Verwandtschaft mit derjenigen der Nachhaltigkeit. Aus
betriebswirtschaftlicher Sicht hingegen wird auf Basis der bestehenden Anreize von Marktseite und Politik für
den persönlichen Nutzen bzw. Betrieb optimiert. Was betriebs- und volkswirtschaftlich rationell oder optimal ist,
kann dabei stark voneinander abweichen (s.u.). Die theoretische Annahme, dass fehlende Nutzungsplanung aus
einer Gesamtsicht zu Fehlallokation führt, wird dabei durch zwei Beobachtungen gestützt: (1) In der Botschaft
zum Raumplanungsgesetz 1972 wurde für die Bauzonen, die damals vor allem in der Verantwortung der
Gemeinden lagen, festgestellt, dass sie aufgrund fehlender übergeordneter Planung unrationell genutzt wurden.
Vor der Einführung des Raumplanungsgesetzes wurde aufgrund unzureichender Richtpläne, so die damalige
Diagnose, die Siedlungsentwicklung zu wenig mit anderen raumrelevanten Aktivitäten koordiniert (BR 1972;
Botschaft zum RPG 1972, p. 1460). D.h. aus einer engen Sicht der Gemeindegrenzen resultierten Raumstrukturen,
die aus einer breiteren räumlichen Perspektive nicht rationell waren. (2) Verschiedene Studien zur Schweizer
Landwirtschaft zeigen, dass landwirtschaftliche Nutzung auf Basis einzelbetrieblicher Kalkulation zu hohen
Umweltkosten führen (VISIONLANDWIRTSCHAFT 2020), Übernutzungen von Umweltgütern stellen also ein

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– aus volkswirtschaftlicher Sicht – kostspieliges Problem der (Schweizer) Landwirtschaft dar (AVENIRSUISSE
2018).
Basierend auf diesen Beobachtungen wird weiter vermutet, dass eine Positivplanung für landwirtschaftlich
genutzte Flächen einen Beitrag zu einer rationelleren Landnutzung leisten kann. Wichtiger Aspekt einer
Positivplanung ist, die Potenziale d.h. Eignung von Flächen für verschiedene Nutzungen und deren negativen
Effekte zu berücksichtigen. In der Konsequenz sind die Flächen für jene Nutzungen zu kennzeichnen oder zu
bestimmen, für die die Summe aus positiven wie negativen Effekten im Vergleich zu alternativen Nutzungen am
höchsten oder zumindest hoch ist. In Bezug auf landwirtschaftliche Flächen sind als Nutzen der
ernährungsphysiologische Wert der Erzeugnisse und – als negative Effekte – die Umweltwirkungen der
Produktion zu berücksichtigen, wobei hier der THG-Ausstoss im Zentrum steht5. Durch verschiedene Studien
konnte gezeigt werden, dass zwischen einer gesünderen Ernährung6 und deren Umweltfussabdruck klare
Synergien bestehen (z.B. ZIMMERMANN ET AL. 2017). Der THG-Fussabdruck tierischer Lebensmittel ist pro
konsumierter Einheit und in der Summe deutlich grösser als derjenige pflanzlicher Lebensmittel (siehe folgende
Abbildung). Diese Überlegungen flossen in die Formulierung der Vision ein (siehe Kapitel 4. Forschungsdesign),
zu denen die Interviewpartner*innen befragt wurden.

Abbildung 3: Treibhausgasintensität verschiedener Lebensmittel
(Quelle: BLW 2015)

    2.2 Berücksichtigte Politikbereiche
Zentraler Betrachtungsgegenstand ist das “System der Raumplanung”. Hierzu zählen die gesetzlichen
Grundlagen auf Ebene des Bundes, wie das Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung,
Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700 und die Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 2000, RPV; SR 700.1, die
öffentliche Verwaltung auf Stufe Bund mit dem Bundesamt für Raumentwicklung (ARE), aber auch strategische
Dokumente wie das Raumkonzept Schweiz (BR ET AL. 2012) oder die Agglomerationspolitik des Bundes 2016+
(BR 2015a). Auch die Kantonalen Bau- und Planungsgesetze, die kantonale Administration im Bereich
Raumplanung und die Richtpläne und Richtplanung – als Prozess – sind Gegenstand der Arbeit. Neben dem

5
 Natürlich sollten bei den Wirkungen auch die Einkommen der Bewirtschafter*innen berücksichtigt werden und die Einflüsse
auf die biologische Vielfalt, Trinkwasserqualität sowie Bodenqualität. Aus Gründen der Überschaubarkeit erfolgt hier ein
Fokus auf die Thematik des THG-Ausstosses der Produktion und den Nährwert der Erzeugnisse.
6 Die nationale Ernährungserhebung menuCH zeigt, dass die 18- bis 75-Jährigen in der Schweiz pro Tag mit durchschnittlich

111 Gramm Fleisch mehr als das Dreifache der empfohlenen Menge von 2–3 Portionen a 100–120 g pro Woche verspeisen.
Männer essen dabei durchschnittlich deutlich häufiger und mehr Fleisch als Frauen (BLV 2017).

                                                                                                                      11
Instrument des Richtplans werden Sachpläne und Konzepte (gemäss Art. 13 RPG) und die Nutzungsplanung der
Gemeinden als Teil des “Systems der Raumplanung” definiert. Aus Ressourcengründen wurde letztere zumindest
zu Beginn der Arbeiten nur marginal in die Betrachtung mit einbezogen. D.h. untersucht wurden die Bundes- und
die Kantonsebene; die Gemeindeebene konnte leider nur am Rande berücksichtigt werden.
Als zentrale Aufgabe der staatlichen Raumplanung wird folgendes angenommen: (1) Das Vertreten von
öffentlichen gegenüber privaten Interessen bei Fragen der Nutzung des Raumes. Denn gemäss Bundesverfassung
muss ein öffentliches Interesse als Voraussetzung für staatliches Handeln vorliegen (Art. 5 Abs. 2 BV). Zudem
hat die Raumplanung, wie unten weiter ausgeführt (2) für die Koordination verschiedener Ansprüche an den Raum
und die korrekte Interessensabwägung zu sorgen (RPG). Es wird auch davon ausgegangen, dass mit der
Raumplanung ein wesentlicher Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung geleistet werden kann, bzw. dass dies
zumindest der Anspruch ist, der an sie herangetragen wird und der durch ihre Akteure auch vertreten wird.
           “Die räumliche Entwicklung orientiert sich am Grundsatz der Nachhaltigkeit. Sie strebt
           nach einem auf Dauer ausgewogenen Verhältnis zwischen der Natur und ihrer
           Erneuerungsfähigkeit einerseits und ihrer Beanspruchung durch den Menschen
           andererseits. Der Raumplanung fällt eine Schlüsselrolle zu.” (Leitlinie 5 des Kantons
           Zürich für die zünftige Raumentwicklung; Raumplanung | Kanton Zürich (zh.ch)
Die Raumplanung hat eigene Ziele, wie beispielsweise die haushälterische Nutzung des Bodens. Die
Raumplanung verfolgt aber auch Koordinationsziele. In diesem Sinne ist ihre Aufgabe, die Ansprüche
verschiedener raumwirksamer Tätigkeiten bzw. Sektoren zu koordinieren. “Wegen der Gleichrangigkeit aller
Verfassungssätze stehen [diese beiden Arten von Zielen] in der Raumplanung auf gleicher Stufe. Art. 1 RPG
unterscheidet daher zwei Gruppen von Zielen. Abs. 1 nennt abschliessend die Ziele, die den Verfassungsauftrag
der Raumplanung ausmachen. In Abs. 2 folgen die Ziele aus dem Verantwortungsbereich jener Sachpolitiken,
welche die Raumplanung unterstützen soll (AEMISEGGER et al. 2019: N. 7f. zu Art. 1).” (KÜNZLI 2020: 17).
Fazit aus der Einleitung
Die Perspektive der Arbeit besteht darin, die Raumplanung als mögliche Unterstützerin der Landwirtschaft zu
sehen in deren Bestrebungen, das durch den Bundesrat gesetzte ambitiöse THG-Reduktionsziel (BR 2021) zu
erreichen. Es wird dabei der Ansatz einer Positivplanung für den Klimaschutz betreffend die Aktivitäten der
Landwirtschaft verfolgt. D.h. es wird auf Basis der Nutzungspotenziale von Flächen und negativen Effekten
alternativer Nutzungen nach raumplanerischen Ansätzen gesucht, die einen Beitrag zur Reduktion der THG durch
die Landwirtschaft leisten könnten.
Vor dem Hintergrund unterschiedlich starker Klimawirkung verschiedener landwirtschaftlicher Nutzungen wird
der Frage nachgegangen, inwiefern durch veränderte raumplanerische gesetzliche Vorgaben und Strategien
(policies), Veränderungen in der Organisation der Verwaltung und/oder in raumplanerischen Prozessen sowie der
Anwendung raumplanerischer Instrumente ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden kann.
Aktivitäten der Raumplanung für den Klimaschutz werden dabei als Element eines policy-mixes gesehen. D.h.
ihre Beiträge werden als komplementär zu bestehenden staatlichen Instrumenten, wie finanzielle Anreize oder
Auflagen zu Subventionen, gesehen.

                                                                                                          12
2. Kontext: Die Klimaschutz- und Agrarpolitik sowie ihre Bezüge
             zur Raumentwicklung
Bevor im nächsten Kapitel die theoretischen Grundlagen vertieft erläutert werden, folgen hier kurze Ausführungen
zu den berücksichtigten Politikbereichen Klimaschutz und Agrarpolitik sowie deren Verhältnis zur Raumplanung
und ihren Bezügen untereinander. Diese Erläuterungen sind aus Gründen der für die Arbeit begrenzten Seitenzahl
bewusst skizzenhaft und im Anhang 1 zusammengefasst.
         Klimaschutz in der Schweiz
Es besteht kein Bundesverfassungsartikel zum Klimaschutz, aber ratifizierte Abkommen, wie das Kyoto-Protokoll
(BR 2002) und das Klimaabkommen von Paris7. Mit dem Bundesgesetz vom 8. Oktober 1999 über die Reduktion
der CO2-Emissionen (CO2-Gesetz; SR 641.71) wurde versucht, die Klimaziele gemäss des Kyoto-Protokolls zu
erreichen. In einer ersten Phase des Kyoto-Protokolls bis 2012 wurden mit dem CO2-Gesetz nur für die Reduktion
von energetisch-fossilen CO2-Quellen Ziele formuliert. Mit dem Bundesgesetz vom 23. Dezember 2011 über die
Reduktion der CO2-Emissionen wurde der Wirkungsbereich des Gesetzes auf weitere Treibhausgase ausgeweitet
(BR 2009), so dass über die Verordnung seitdem auch Methan und Lachgas eingeschlossen sind. Massnahmen
für die Landwirtschaft zur Reduktion ihrer THG-Ausstösse wurden im CO2-Gesetz jedoch nicht festgelegt.
Vielmehr wurde es dem BLW überlassen, die oben erwähnte Klimastrategie zu erarbeiten (Botschaft zum CO2-
Gesetz 2009; BBl 2009 7433). Diese wurde 2011 veröffentlicht (BLW 2011).
Die nach 2020 geltenden Ziele, d.h. die Reduktion der Treibhausgase auf 2030 um mindestens 30 Prozent
gegenüber 1990, sollten mit einer Totalrevision des CO2-Gesetzes erreicht werden (BR 2017: 248). Fortschritte
bei der Reduktion von THG sollten wie folgt erreicht werden: Reduktion der CO2-Emissionen durch weitere
moderate Verteuerung von CO2-ausstossenden Aktivitäten; zu den bestehenden Abgaben war eine
Flugticketabgabe und eine Erhöhung der bestehenden Abgabe auf Benzin geplant, was u.a. das Autofahren
verteuert hätte. Die Abgaben werden teilweise durch eine Verbilligung der Krankenversicherungsprämie an die
Bevölkerung zurückerstattet; ein weiterer Teil fliesst über staatliche Förderungen im Energiebereich zurück; dies
ist auf Verordnungsstufe geregelt. Zusätzlich sollte mit der Gesetzesänderung ein Klimafonds geschaffen werden,
über den Projekte zur THG-Reduktion gefördert werden sollten. Am 13. Juni 2021 stimmte das Volk gegen die
Einführung des Gesetzes, das zuvor in einer verwässerten Form von der Bundesversammlung verabschiedet
worden war und gegen das daraufhin von zwei Seiten das Referendum ergriffen wurde. Damit wird das Gesetz
nicht in Kraft treten. Komplementär zum CO2-Gesetz besteht das Energiegesetz vom 26. Juni 1998 bzw. vom 30.
September 2016 (EnG; SR 730.0) zur Erreichung der Klimaziele. Über dieses werden v.a. nachhaltige und
einheimische Energien (u.a. Wasserkraft) gefördert und die Ausnutzung von Energieeffizienzpotenzialen
verbessert.
Behördenverbindlich auf Bundesstufe sind der Bundesratsbeschluss vom August 2019, nach dem ein Netto-Null-
THG-Ausstoss bis 2050 anzustreben ist und die langfristige Klimastrategie 2050 des Bundesrates von Januar
2021 (BR 2021), welche das gleiche Ziel formuliert und zusätzlich die Verantwortlichkeit, d.h. Reduktionsziele
verschiedener Sektoren wie Energie, Gebäude und Verkehr definiert. Dort sind auch die Reduktionsziele für den
Sektor Landwirtschaft und Ernährung festgehalten. Danach besteht für die Landwirtschaft erstmals ein zumindest
behördenverbindliches Ziel und zwar, die THG-Emissionen bis 2050 im Vergleich mit 1990 um 40% zu
reduzieren.
Klimaschutz wird jedoch nicht nur als Bundesaufgabe verstanden. Auch zahlreiche Kantone haben jüngst
Klimastrategien oder Klimapläne formuliert, beispielsweise den Klimaplan des Kantons Freiburg (2020), den
Massnahmenplan zur Verminderung von Treibhausgasen des Kantons Zürich (2017) oder den Planungsbericht
zur Klima- und Energiepolitik des Kantons Luzern (2021), welcher noch nicht verabschiedet ist. In diesen
Kantonen wird Klimaschutz also durchaus auch als Aufgabe der Kantone betrachtet. Klimaschutz wird jedoch
gerade auf Stufe der Kantone teilweise noch stark als Energiethema wahrgenommen. So verstehen die Kantone
ihren Beitrag vielfach als einen, der über die Energiepolitik geleistet wird (KANTON BE 2020). Dies fusst auf
dem Energiegesetz auf Stufe Bund (siehe oben).

7
  Klimaübereinkommen von Paris, abgeschlossen in Paris am 12. Dezember 2015, in Kraft getreten für die Schweiz am 5.
November 2017; SR 0.814.012

                                                                                                                 13
2.2 Rolle der Raumplanung für den Klimaschutz – heute und in Zukunft
Auf Basis der langfristigen Klimastrategie des Bundesrates (BR 2021) wird vermutet, dass die Raumplanung für
den Klimaschutz bisher nur eine moderate oder gar untergeordnete Rolle spielt. Denn in dieser Strategie ist die
Raumplanung nur zweimal erwähnt. Einerseits wird ihr Beitrag in der Abstimmung von Verkehr und Siedlung
gesehen, d.h. in CO2-Reduktionen als Folge von Verkehrsvermeidung bei guter Abstimmung. Zweitens sollen
über die Raumplanung Orte für THG-Senken bestimmt werden. Eine dritte Aufgabe besteht in der Ausweisung
von Orten für die Produktion von erneuerbaren Energien im Rahmen der Richtplanung, welche bereits in Art. 8a
RPG verankert ist.
Im Gegensatz zu dieser eher schwachen Rolle, welche die Raumplanung momentan für den Klimaschutz
einnimmt, wird – bezugnehmend auf Berichte des WGBU, der OECD, des IPCC und des IPBES – in dieser Arbeit
von einem erheblichen Potenzial der Raumplanung und damit raumplanerischen Instrumenten für den
Klimaschutz ausgegangen. Zurfluh formuliert den Gedanken treffend: “Die Klimaschutzaufgabe hat in vielen
Teilelementen einen mehr oder weniger stark ausgeprägten Raumbezug, was der wesentliche Grund für die
zentrale Rolle der Raumordnung in der Klimaschutzthematik ist. Auf der einen Seite setzt eine ausreichende
planerische Vorsorge die räumliche Voraussetzung für klimaschützende Aktivitäten. Auf der anderen Seite
begrenzt sie klimaschädigende Raumnutzungen steuernd (Wagner, 2018).” (ZURFLUH 2020: 35).
        2.3 Zum Verhältnis von Landwirtschaft und Raumplanung
“Die Raumplanung hat den Auftrag, die räumlichen Voraussetzungen für eine ausreichende Versorgungsbasis des
Landes zu schaffen. [...] Massnahmen der Raumplanung haben dafür zu sorgen, dass die Landwirtschaft vom
Siedlungsdruck dauerhaft entlastet wird.” (BRP 1996: 39). Der Leitfaden des Bundesamtes für Raumentwicklung
(ARE) bzw. des damaligen Bundesamtes für Raumplanung (BRP) für die Richtplanung fasst das Verhältnis der
Raumplanung zur Landwirtschaft gut zusammen. Die Raumplanung folgt dem Grundsatz, dass die Landschaft zu
schonen ist und der Landwirtschaft genügend Flächen geeigneten Kulturlandes (Art. 3 Abs. 2 RPG), insbesondere
Fruchtfolgeflächen (FFF) erhalten bleiben sollen (Bst. a). Der Auftrag an die Raumplanung betreffend die
Kulturlandflächen geht jedoch weiter und bezieht sich auch auf die Inhalte der Richtpläne (Art. 6 Abs. 2 RPG),
in denen festzustellen ist, welche Gebiete sich für die Landwirtschaft eignen (Bst. a). “Entsprechend ihren
verschiedenen Funktionen sollen die Landwirtschaftszonen gemäss Art. 16 Abs. 1 RPG ‘von Überbauungen
weitgehend freigehalten werden’.” (STALDER 2017: 10).
Der gesetzliche Flächensicherungsauftrag der Raumplanung bezieht sich allerdings nur auf die
Fruchtfolgeflächen. Diese sind über den 1992 verabschiedeten Sachplan FFF gesichert (ARE 2020) bzw. über
diesen versucht man mit einer Verpflichtung zur Sicherung von kantonalen Kontingenten einen Mindestumfang
von FFF zu erhalten (siehe auch Sachpläne generell: Art. 13 RPG; Sachplan FFF: Art. 26–30 RPV). Mit diesem
Sachplan werden die besonders wertvollen, weil für den Ackerbau geeigneten und damit für die Landesversorgung
in Krisenzeiten sehr bedeutenden, Kulturlandflächen gesichert (ARE 2020; BRP 1996: 49). So gesehen steht die
Raumplanung in den Diensten der Landwirtschaft oder vielmehr in denen der Landesversorgung, deren Aufgabe
sich auf Krisenzeiten bezieht. Aufgaben der Agrarpolitik und jene der Landesversorgung werden in der
Alltagssprache und im politischen Diskurs kaum unterschieden.
        2.4 Die Landwirtschaft, ihre Treibhausgase und ihr Beitrag zum Klimaschutz
Wie oben ausgeführt, betrug der Anteil der Landwirtschaft an den THG-Emissionen der Schweiz 2018 ca. 16%.
Als landwirtschaftliche Emissionen im engeren Sinn (Sektor Landwirtschaft) für das Jahr 2017 wurde eine Menge
von 6,08 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Inland ausgewiesen. Ein grosser Teil dieser Emissionen
resultiert aus der Tierhaltung (siehe folgende Abbildung). So entstehen Methanemissionen (CH4) aus der
Verdauung der Nutztiere (3,29 Mio. t CO2eq), und zudem werden Methan und Lachgas (N2O) aus der
Hofdüngerlagerung (0,75 bzw. 0,41 Mio. t CO2eq) freigesetzt (BAFU 2020). Rund 80 Prozent der
schweizerischen Methan- und Lachgasemissionen stammen aus der Landwirtschaft (BR 2017). THG, die im
Treibhausgasinventar anderen Sektoren zugerechnet werden und durch die Landwirtschaft verursacht werden,
fallen demgegenüber kaum ins Gewicht (0,63 Mio. t CO2eq). Diese setzen sich aus CO2-Emissionen aus
Treibstoffverbräuchen für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge und Gebäude, aus Brennstoffverbräuchen von
Trocknungsanlagen plus geschätzten 0,20 Mio. t CO2eq von Gewächshäusern zusammen (BLW 2019).

                                                                                                            14
Medial und in der öffentlichen Wahrnehmung finden Solaranlagen auf Stalldächern viel Aufmerksamkeit und
suggerieren, dass die Landwirtschaft ihren Beitrag zum Klimaschutz leistet. Hauptverursacher der THG sind
jedoch die Tiere bzw. deren Anzahl und natürlich unser (oft übermässiger) Konsum von tierischen Lebensmitteln
(WWF 2012).

                                                                                     Legende:
                                                                                     links: THG-Emissionen
                                                                                     nach Tierkategorien
                                                                                     (Prozentangaben ohne
                                                                                     Pflanzenbau)
                                                                                     rechts: THG-
                                                                                     Emissionskategorien
                                                                                     Einheit: Kilotonnen CO2-
                                                                                     Äquivalent

Abbildung 4: THG-Emissionen der Schweizer Landwirtschaft im Jahr 2016
Quelle: BRETSCHER ET AL. 2018: 380

Wie erwähnt soll die Landwirtschaft gemäss langfristiger Klimastrategie 2050 des Bundesrates eine Reduktion
der THG um mindestens 40% bis 2050 gegenüber 1990 erreichen (BR 2021). Das vorherige Ziel, das gemäss der
Klimastrategie 2011 (BLW 2011) erreicht werden sollte, bestand in einer Reduktion der landwirtschaftlich
bedingten THG um ein Drittel bis 2050 gegenüber 1990. Der Klimastrategie des BLW von 2011 und der
langfristigen Klimastrategie des Bundesrates ist der Ansatz gemeinsam, dass diese Ziele primär mit Massnahmen
der Landwirtschaftsgesetzgebung erreicht werden sollen. Dies ist in der Botschaft zur Totalrevision des CO2-
Gesetzes nach 2020 konkret wie folgt formuliert:
         “Die Sektoren Gebäude, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft sollen entsprechend ihrer
         Verminderungspotenziale und Vermeidungskosten einen Beitrag zur Zielerreichung leisten. Die
         Massnahmen in den Sektoren Gebäude, Industrie und Verkehr sind im CO2-Gesetz geregelt,
         jene in der Landwirtschaft hingegen sind Sache der Agrarpolitik und sollen in der
         Landwirtschaftsgesetzgebung festgelegt werden.” Bundesrat 2017 Botschaft zur Totalrevision
         des CO2-Gesetzes nach 2020 p. 248 (BBI 2018 247; Parlamentsnummer 17.0171)
Die bisherige Performance der Landwirtschaft betreffend diese Ziele stimmt wenig optimistisch (siehe oben).
Auch das bestehende agrarpolitische Fördersystem wird wegen seiner Umwelt- und Klimawirkung kritisiert.
Dabei wird beispielsweise argumentiert, dass eine überproportionale Förderung tierischer Produkte zu
beachtlichen Umweltkosten führe (VISIONLANDWIRTSCHAFT 2020) und die Absatzförderung von Fleisch
im Widerspruch zu den Klimaschutzzielen der Schweiz stehe (Motion 19.3354).
Zu erwähnen bleibt, dass es eine Reihe von pilotartigen Projekten auf Initiative landwirtschaftlicher Akteure gibt,
die das Ziel verfolgen, den THG-Ausstoss der Landwirtschaft zu reduzieren. So läuft beispielsweise im Zürcher
Flaachtal ein auch mit Mitteln des Bundes aus dem Agrarbudget mitfinanziertes Projekt namens AgroCO2ncept,
in dem die beteiligten Betriebe eine substanzielle Reduktion ihrer THG-Emissionen begleitet durch Beratung
anstreben. Auch die Produzenten- und Vertriebsorganisation IP-Suisse hat ein ebenso mitfinanziertes Projekt
lanciert und mittlerweile abgeschlossen, das zum Ziel hatte, die THG-Emissionen der beteiligten Pilotbetriebe
beachtlich zu senken; aus den Erfahrungen wurde ein Programm für alle IP-Suisse-Betriebe entwickelt. Durch
dessen Umsetzung sollen über alle IP-Suisse-Betriebe gerechnet die Treibhausgas-Emissionen bis 2025 um 10
Prozent gegenüber dem Stand von 2016 gesenkt werden (BauernZeitung vom 09.06.2021). Das ursprüngliche
Ziel bei Projektbeginn bestand darin, die Emissionen bis 2022 um 10 Prozent zu senken (BLW 2019). (Für weitere
Projekte und Initiativen siehe BRETSCHER & KOSTER 2021).

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3. Theorie
Der theoretische Ausgangspunkt der Arbeit ist, was vielfach als Fragmentierungsproblem bezeichnet wird
(CEJUDO & MICHEL 2017). Der Staat, respektive die in der Verfassung definierten Staatsebenen, müssen die
Staatsaufgaben definieren und voneinander abgrenzen, um sie erfüllen zu können, d.h. um ihren Bürger*innen
Dienstleistungen und Güter im weitesten Sinne bereitstellen zu können (von Gesundheitsversorgung bis
Velowege). Dies bedingt Handlungseinheiten, wie Departemente und Ämter mit ihren jeweiligen Aufgaben, aber
auch Friktionen, weil Aufgaben sich oft nicht klar abgrenzen lassen und so Überschneidungsbereiche von
Aufgabengebieten bestehen. Überschneidungen nehmen mit neuen Aufgaben und der zunehmenden Komplexität
realweltlicher Phänomene zu. So nehmen auch trade-offs zwischen Aufgabenerfüllungen zu und intensivieren
sich – insbesondere dann, wenn Politikbereiche nicht gut aufeinander abgestimmt sind.
In der Politikwissenschaft beschäftigt man sich seit längerem damit, wie die Fragmentierung zwischen
Aufgabenbereichen und Staatsebenen überwunden werden kann, d.h. wie man Widersprüchlichkeiten vermeiden
und Aufgabenlücken zwischen Politikfeldern und Ebenen schliessen könnte. Eine gewisse Aufgabenteilung
braucht es, um handlungsfähig zu sein – eine totale Integration von allem mit allem ist also kein Weg und kann
so auch nicht das Ziel sein (JORDAN & LENSCHOW 2010; JORDAN & HALPIN 2006). Aus Perspektive des
Interesses dieser Arbeit, ist die aus theoretischer Sicht zentrale Frage somit, wie man neue Aufgaben wie den
Klimaschutz in bestehende rechtliche, organisatorische und prozeduale Strukturen wirkungsvoll integriert; bzw.
wie man zusätzliche Fragmentierung vor dem Hintergrund einer neuen Aufgabe wie Klimaschutz vermeiden kann.
Realweltlich-sachlicher Auslöser für die Beschäftigung mit dem Themenfeld von Koordination, Integration und
Kohärenz waren u.a. aufkommende bzw. stärker ins öffentliche Bewusstsein tretende Umweltprobleme aber auch
gesellschaftliche Themen wie die gleichberechtigte Behandlung der Geschlechter. Beim Umweltthema kam man
zur Erkenntnis, dass der environmental policy integration (EPI) klare Grenzen gesetzt sind – u.a. durch die
etablierten Staatsaufgaben bzw. Departemente (JORDAN & LENSCHOW 2010). Untersuchungen zu EPI kamen
zum Schluss, man solle nicht das Ziel verfolgen, die Politik von jeglichen Inkohärenzen zu befreien (NORDBECK
& STEURER 2016). Dies sei ein unrealistisches Unterfangen. Mangelnde Koordination könne das Resultat
schlechter Politikgestaltung sein, aber es bestünden auch praktische Grenzen darin, Politiken zu harmonisieren.
Als Beispiel werden Politiken für ländliche Räume aufgeführt. Hier verfolgten verschiedene Akteure einfach zu
unterschiedliche Aktivitäten aufgrund von zu stark voneinander abweichenden Zielen verschiedener Politikfelder,
als dass es sinnvoll wäre, diese Felder zu harmonisieren (JORDAN & HALPIN 2006).
Der Ansatz des mainstreamings, d.h. der breiten Durchdringung bestehender Politiken und Ämter mit einer
bestimmten Thematik wie Biodiversität, Gender (BACCHI & EVELINE 2010) oder Nachhaltigkeit wurde u.a.
am Beispiel des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung vertieft wissenschaftlich untersucht. Dabei kam man
ebenfalls aber spezifisch betreffend Strategien zum Ergebnis, dass umfangreiche Politikintegration zumindest mit
einer einzigen multisektoralen Strategie nicht erreichbar ist – egal wie gut diese gestaltet ist (NORDBECK &
STEURER 2016: 749). D.h. man kam zur Erkenntnis, dass es wenig vielversprechend ist, mit ein und
demselben Instrument (wie z.B. einer Nachhaltigkeitsstrategie) alle Sektoren zu adressieren. Zudem sei es
vielversprechender, in einen konstruktiven Dialog mit sektoralen Politikformulierungsaktivitäten zu treten,
als Sektoralpolitiken ganz überwinden zu wollen. Effektiver als eine umfassende Strategie sei es, für ausgewählte
Sektoren fokussierte Strategien auf der Basis von klaren Prioritäten zu formulieren (BAUER & STEURER
2015 zitiert nach NORDBECK & STEURER 2016). Gemäss NORDBECK & STEURER (2016) ist es dabei
wichtig, dass die Sektoren jeweils “ownership”/Verantwortlichkeiten für die Ziele und Aufgaben im eigenen
Zuständigkeitsbereich haben. Weitere Erkenntnis ist, dass Politikintegration über Strategie
(-formulierungen) zwar nicht die gewünschte Wirkung auf die Inhalte bestehender Sektoralpolitiken hatte, wohl
aber andere erwünschte Effekte durch den Strategieformulierungsprozess entstehen. Multisektorale Strategien
wurden so als bedeutsam in ihrer kommunikativen und kapazitätsbildenden Funktion erkannt und von der
koordinierenden Funktion, für die sie ursprünglich gedacht waren, abgegrenzt. Das kommunikative Potenzial wird
weiterhin stark betont, ebenso die Lerneffekte im Strategieformulierungsprozess (NORDBECK & STEURER
2016; NILSSON & ECKERBERG 2013). Lerneffekte spielen auch in verwandter Literatur beispielsweise im
Kontext von Land- oder Gewässermanagementthemen eine wichtige Rolle (u.a. ARMITAGE ET AL. 2008,
MENZEL & BUCHECKER 2013).
In der bisher erwähnten Literatur geht es um die Integration von (neuen) Politikinhalten – wie Umwelt oder
Nachhaltigkeit – in bestehende (Sektoral-)politiken, wie Landwirtschaft oder Energie. Dabei setzt man

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