MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Chancenreich: Konstruktiver Journalismus - Bundesfachgruppe Medien Gewählt und neu aufgestellt
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mmm.verdi.de E 2814 Jahrgang 72 MENSCHEN MACHEN Bundesfachgruppe Medien MEDIEN Gewählt und neu aufgestellt Springer-Umbau Medienpolitisches ver.di-Magazin März 2023 Nr. 1 In Zukunft „Digital only“ Y WA THIS Chancenreich: Konstruktiver Journalismus
INHALT IM FOKUS: KONSTRUKTIVER JOURNALISMUS MEDIEN UND RECHT BERUF 4 WAS SIND TEXTE, FOTOS 24 EXPLOSIONSWELLE UND VIDEOS EIGENTLICH IN ZEITLUPE WERT? ChatGPT: Demokratisie- rung oder Fehlleitung der Massen? MEINUNG MEDIENWIRTSCHAFT Fotos: Kay Herschelmann 5 RECHT AUF GLEICHEN 35. Journalismustag zu LOHN MUSS BRINGSCHULD Konstruktivem Journalismus SEIN 25 BALD BEI SPRINGER „DIGITAL ONLY“ 6 GUTER JOURNALISMUS 13 DIE MACHT DER SPRACHE Umbau der Redaktionen IST KONSTRUKTIV Wie eine tendenziöse VER.DI UNTERWEGS und Verschiebung von Von Bärbel Röben Wortwahl die Leser*innen Personal und Kosten beeinflusst 9 BUCHTIPP: 18 MEDIEN, JOURNALISMUS 27 AUFRÄUMEN IM EILTEMPO KONSTRUKTIV ÜBER 13 UMGANG MIT GEWALT UND FILM Stellenabbau und Pro- KRIEGE BERICHTEN Angriffe auf Journalist*in- NEU AUFGESTELLT grammkürzungen im RBB nen erneut gestiegen Für eine freie Presse 9 FILMTIPP: und einen zukunftsfesten PROPAGANDASCHLACHT 14 TRAU DICH öffentlich-rechtlichen TARIFE UND HONORARE UM DIE UKRAINE ZU VERHANDELN! Rundfunk Konstruktiv mit finanziel- 10 KONSTRUKTIVES IM len Herausforderungen 20 MANFRED KLOIBER 28 GESETZ OHNE GOLDFISCHGLAS als Freiberufler umgehen Nimmt gern das Ruder RECHTSFOLGEN Unterschiede aushalten in die Hand Journalistin muss wegen und Gemeinsamkeiten 15 QUALITÄT WICHTIGER der Klage gegen das ZDF benennen ALS DAS LABEL 20 CARMEN SALAS nochmals vor das Arbeits- Diskussion mit Redakteur Respekt vor der gericht 12 VERMEIDEN SIE von „Perspective Daily“ Verantwortung FAKTENDISKUSSIONEN! über die Prinzipien des 29 STREIKS BEIM ZDF Verschwörungsmythen Magazins 21 PETER FREITAG Deutlich mehr Geld und Fake News kontern „Gesinnungskölner“ mit gefordert 16 JENSEITS BLOSSER Liebe zum Landleben PROBLEMSCHILDERUNG 30 AKTIVE GEWERKSCHAFTER Bereits bei den Themen 22 KREATIV SEIN, ABGESTRAFT Foto Cover: einen konstruktiven Fokus SICH EINMISCHEN Warnstreiks bei den Shutterstock/Patty Chan [M] setzen Jugend des neuen Fach- Yorck-Kinos in Berlin und bereiches geht mit vielen bei UCI bundesweit Vorhaben in die nächsten vier Jahre AKTUELLER PODCAST: INTERNATIONAL KONSTRUKTIV BERICHTEN 23 KONSTRUKTIV UND SELBSTBEWUSST Frauen wählten eigenen 31 AKTION FÜR FLORIANE Alle M-Podcast unter Vorstand und fassten IRANGABIYE, BURUNDI https://mmm.verdi.de/podcast/ konkrete Beschlüsse 31 IMPRESSUM 2 M 1.2023
Das Recht von Frauen auf gleichen Lohn wie für Männer muss eine Bringschuld sein, fordert Tina Groll, Vorsitzende des Bundesvorstandes der dju in ver.di (S. 5). Gegen Lohndiskriminierung wehrt sich seit Jahren Birte Meier mit einer Klage gegen das ZDF (S. 28/29). Karikatur: Thomas Plaßmann Chancenreich und lösungsorientiert Er geistert schon länger durch die Debattenwelt der Medienschaffenden, der „Konstruktive Jour nalismus“. Zunehmende Kritik an dem, was zum Lesen, Hören und Sehen über Politik und Gesell schaft angeboten wird, befeuert die Diskussion: zu viel Negatives, Einseitiges, Oberflächliches, Ver rschelmann Foto: Kay He lautbartes, … letztlich Depressives. Rezipienten verweigern sich und schalten ab. Somit war das Thema des 35. Journalismustages von ver.di Anfang März brandaktuell. Konstruktiven Journalismus als „Ein ladung“ zu verstehen, „neu über Journalismus nachzudenken“, wie es Keynote-Speakerin Sham Jaff for mulierte, wurde 200fach angenommen. Positiv besetztes Vokabular prägte die vielfältigen Diskussions formate: chancenreich, lösungsorientiert, verlässlich, gesprächsbereit, gemeinschaftlich, analytisch …. Das erkennbare Ziel: ein besserer Journalismus durch Konstruktivität. Zum Nachlesen für die Teilneh mer*innen und für alle, die nicht dabei sein konnten, gibt M in seiner aktuellen Ausgabe die Tagung nahezu dokumentarisch wieder (S. 6–17). Ergänzend lohnt es, den M Medienpodcast im Gespräch mit Sham Jaff auf mmm.verdi.de anzuhören. Die Delegierten der Medienschaffenden in ver.di haben ihren neuen Bundesfachgruppenvorstand und den Bundesvorstand der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) gewählt. Die Arbeitspakete der Gremien sind auch für die nächsten vier Jahre prall gefüllt. Dazu gehört eine gewerkschaftlich gestal tete Medienpolitik, die dazu beiträgt, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftsfest zu machen, auch indem Transparenz, Mitbestimmung und Gremienarbeit gestärkt werden. Weitere Stichpunkte sind Tarifpolitik, Redaktionsumbauten mit Stellenabbau, Pressefreiheit, Schutz von Journalist*innen, das Urheberrecht für Feste und Freie (S. 18/19). Konkret heißt es bereits bald bei Springer: „Digital only“ (S. 25/26) oder bei Gruner+Jahr: „Massive Einschnitte“ (ein Beitrag auf M Online und in der aktuellen Publik) sowie beim RBB: „Stellenabbau und Programmkürzungen“ (S. 27). Kurz porträtiert hat M den Vorsitzenden der Bundesfachgruppe „Medien Journalismus und Film“, Manfred Kloiber, und seine zwei Stellvertreter*innen Carmen Salas und Peter Freitag (S. 20/21). Weitere Mitglieder des Vorstandes sollen in den nächsten M-Ausgaben vorgestellt werden. Karin Wenk, verantwortliche Redakteurin 1.2023 M 3
MEDIEN UND RECHT Was sind Texte, Fotos und Videos eigentlich wert? W elche Vergütung für ein Werk ist an darf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des gemessen und wie hoch ist sie, wenn Einzelfalls, unter anderem Dauer, Häufigkeit, Aus das Urheberrecht verletzt wurde? maß und Zeitpunkt der Nutzung. Gegenüber einer Das Urheberrechtsgesetz (UrhG) einmaligen rechtfertigt eine langjährige oder wieder soll das Einkommen von Kreativen holte Verwendung somit eine höhere Vergütung. sichern, indem es verhindert, dass Werke wie Texte, Fotos oder Videos ohne Erlaubnis verwendet werden. Gibt es eine Vergütung, die in der jeweiligen Branche Denn bei geistigen Leistungen ist die Gefahr groß, dass üblicherweise gezahlt wird, ist dies zwar nicht ver sich andere einfach an ihnen bedienen und die Ur bindlich, kann aber als Ausgangspunkt für die Ver heber*innen leer ausgehen. Aber selbst wenn eine gütung im Einzelfall dienen. An dieser Stelle können Erlaubnis erteilt wurde, ein Werk zu nutzen, muss die beispielsweise die Bildhonorare der Mittelstands Vergütung „angemessen“ sein. Ist dies nicht der Fall, gemeinschaft Foto-Marketing (MFM) herangezogen können Urheber*innen verlangen, dass der Vertrag werden. Sie zählen zwar nicht zu den gemeinsamen dahingehend geändert wird, dass sie eine angemessene Vergütungsregeln, weil sie von den Urheber*innen Vergütung erhalten, selbst wenn im Vertrag etwas an einseitig vorgelegt werden. Dennoch bieten sie eine deres vereinbart wurde. Orientierung, eine Vergütung nach den MFM-Emp fehlungen ist in vielen Fällen insoweit auch ange messen. Vergütung muss angemessen sein § Die Gerichte schauen bei der Ermittlung einer ange messenen Vergütung aber auch darauf, welche Preise von Urheber*innen selbst durchgesetzt werden. Wer Jasper Prigge also als Fotograf wegen Urheberrechtsverletzung eine ist Rechtsanwalt für Vergütung verlangt, kann sich nicht darauf verlassen, Urheber- und Medienrecht dass er am Ende auch die Sätze der MFM erhält. Vor in Düsseldorf allem, wenn er seine Leistungen sonst zu deutlich Foto: Kay Herschelmann günstigeren Konditionen am Markt anbietet, z.B. in Stockfoto-Archiven, muss er gegebenenfalls Abschläge hinnehmen. Kann dauerhafte Nutzung für weniger als hundert Euro bei einer Agentur lizenziert werden, Die Gerichte schauen bei der Ermittlung einer würden sich vernünftige Nutzer*innen wohl kaum da rauf einlassen, wenn nach den MFM-Empfehlungen angemessenen Vergütung aber auch darauf, welche Preise nach einigen Jahren mehrere Tausend Euro fällig wer von Urheber*innen selbst durchgesetzt werden. den. Die „angemessene Vergütung“ ist also nicht schema Die Frage ist nur: Das Gesetz nennt hier eine Rang tisch zu berechnen, sondern immer auch abhängig von folge. Immer angemessen sind gemeinsame Ver der Person der Urheberin oder dem Urheber. Wer gute gütungsregeln, wie es sie beispielsweise für freie Preise am Markt durchsetzen und entsprechende hauptberufliche Journalist*innen gibt, die für Tages Rechnungen vorlegen kann, wird bei einer Urheber zeitungen arbeiten. Sie werden von den Gewerkschaf rechtsverletzung auch eine entsprechende Lizenz ten ausgehandelt und sind ein guter Grund, sich auch gebühr verlangen können. dann gewerkschaftlich zu organisieren, wenn man nicht fest in einer Redaktion angestellt ist. Übrigens: Auch wenn nach dem Urheberrechtsgesetz verpflichtend eine angemessene Vergütung zu zahlen Gibt es keine gemeinsame Vergütungsregel, kommt es ist, können Urheber*innen ihre Werke auch kosten darauf an, „was im Geschäftsverkehr nach Art und frei lizenzieren, etwa für gemeinnützige Organisatio Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, [...] nen oder im Sinne von Creative Commons. Gesetzlich üblicher- und redlicherweise zu leisten ist“ (§ 32 Abs. 2 ist dies aber nur in Bezug auf einfache Nutzungsrechte Satz 2 UrhG). Es ist dann zu ermitteln, worauf sich möglich. Ansonsten gilt der Grundsatz: Exklusiv vernünftige Vertragspartner geeinigt hätten. Dazu be rechte nur gegen Vergütung. Jasper Prigge ‹‹ 4 M 1.2023
MEINUNG Recht auf gleichen Lohn muss Bringschuld sein D as Bundesarbeitsgericht hat mit einem Doch nun hat das Bundesarbeitsgericht mit einem Paukenschlag das Recht von Frauen richtungsweisenden Urteil den Anspruch von Frauen auf gleichen Lohn wie für männliche auf gleiche Bezahlung gestärkt. Demnach müssen Ar Kollegen gestärkt – ein Gesetz wäre beitgeber, wenn sie höheren Lohnforderungen von aber noch besser als ein Urteil. Mitarbeitern nachgeben, diesen Lohnzuwachs auch den gleich qualifizierten Mitarbeiterinnen zugestehen Kürzlich war es wieder so weit: Einen Tag vor dem (Az: 8 AZR 450/21). Zwar ging es im konkreten Fall Internationalen Frauentag am 8. März wurde in um eine Vertriebsmitarbeiterin bei einem Metall Deutschland am 7. März der Equal Pay Day gefeiert. unternehmen – übertragbar ist das Urteil dennoch auf Gefeiert ist dabei das falsche Wort, denn der Tag mar andere Branchen, denn die höchsten Arbeitsrichterin kiert ja bekanntlich die Lohnlücke zwischen den Ge nen und -richter entschieden, dass ein angeblich bes schlechtern und damit die Zeit seit Jahresbeginn, in seres Verhandlungsgeschick eines Mitarbeiters keine der Frauen quasi unbezahlt arbeiten, vergleicht man Diskriminierung einer anderen Mitarbeiterin bedeu ihre Einkommen in Vollzeitjobs mit den Einkommen ten dürfe. der Männer. Es hat allerdings schon einige Verbesse rungen gegeben: Vor einigen Jahren noch fiel der Verhandlungsgeschick ist daher kein Argument mehr, Equal Pay Day auf einen Tag Ende März. Der Gender um Frauen schlechter zu vergüten als Männer – das Pay Gap ist kleiner geworden und betrug im vergan gilt für Festangestellte wie für Freie. Das Urteil ist genen Jahr 18 Prozent. richtig und wichtig. Aber es braucht noch mehr: ein Gesetz für gleichen Lohn zum Beispiel. Die bisherigen Frauen bekamen mit durchschnittlich 20,05 Euro ei gesetzlichen Grundlagen sind keineswegs ausreichend. nen um 4,31 Euro geringeren Bruttostundenverdienst Das Entgelttransparenzgesetz etwa, das vor einigen Foto: Stephanie von Becker als Männer mit 24,36 Euro. Jedoch taugt der Vergleich Jahren eingeführt wurde, gilt nur für große Unterneh Tina Groll, Redakteurin bei des sogenannten unbereinigten Gender Pay Gaps nicht men mit mehr als 200 Beschäftigten und gibt den Mit Zeit Online und Vorsitzende so viel – weil Frauen bekanntlich seltener in Füh arbeitenden auch nur einen Auskunftsanspruch, so des Bundesvorstandes der rungspositionen und häufiger in strukturell schlecht fern es eine größere Anzahl an Kolleginnen und Kol Deutschen Journalistinnen- bezahlten Berufen arbeiten. Und wenn man sich die legen mit vergleichbarer Tätigkeit gibt. Es ist un und Journalisten-Union (dju) Monatslöhne von Männern und Frauen ansieht, dann brauchbar für die meisten Redaktionen. in ver.di ist der Gender Pay Gap aufgrund der überwiegenden Teilzeitarbeit von Frauen noch viel höher. Das Ganze Besser mit Tariflöhnen setzt sich fort mit dem Gender Wealth Gap – Frauen haben weniger Vermögen als Männer, dem Gender Gäbe es ein Gesetz für gleichen Lohn, wären Arbeit Pension Gap – Frauen bekommen die niedrigere Rente geber zudem in der Bringschuld – sie müssten dann und sind häufiger von Altersarmut betroffen. Und erklären, warum eine Mitarbeiterin weniger Geld be nicht zu vergessen der Gender Care Gap – Männer kommen soll als ein Mitarbeiter mit dem gleichen Job. verrichten quasi nur in homöopathischen Dosen un Was es aber außerdem braucht, ist eine stärkere Tarif bezahlte Sorge- und Hausarbeit. bindung: Denn da wo Tariflöhne bezahlt werden, kommt es viel seltener zu Lohndiskriminierung. Tarife schüt Das ist auch im Journalismus nicht anders. Frauen feh zen Beschäftigte außerdem davor, dass ihr vermeint len an der Spitze der Redaktionen, arbeiten häufiger liches Verhandlungsgeschick maßgeblich für den Er Teilzeit und sind auch im Jahr 2023 häufiger in den folg in der Gehaltsverhandlung ist. Gut untersucht ist, vermeintlich “weichen” Ressorts und Medien zu fin dass Frauen sich in der Regel schlechtere Verhand den. Und sie haben aus all diesen Gründen auch die lungskompetenzen zuschreiben, ihren Marktwert ge geringeren Löhne. Im Journalismus kommt noch ringer einschätzen als Männer und ihnen zudem hohe hinzu: Frauen arbeiten häufiger als freie Journalistin Forderungen eher negativ ausgelegt werden – in der – und haben, auch weil die Honorare für Freie oft Regel aufgrund unbewusster tradierter Rollenmuster. nicht üppig sind, ein geringeres Einkommen. Das Ar beitsverhältnis als Freie war auch im Fall der Kollegin Gewerkschaften sollten sich daher neben der Tarif und Investigativjournalistin Birte Meier, die seit Jah arbeit auch für ein Recht auf gleiche Bezahlung stark ren einen aufsehenerregenden Prozess für Lohngleich machen und Frauen noch stärker empowern. Damit heit gegen das ZDF führt, immer wieder Argument wir den Equal Pay Day mit Silvester feiern oder ganz der Arbeitgeberseite, nicht den gleichen Lohn zahlen abschaffen können. Tina Groll ‹‹ zu müssen. 1.2023 M 5
IM FOKUS „Konstruktiver Journalismus ist guter Journalismus, nichts anderes!“ So Key- note-Sprecherin Sham Jaff auf dem 35. ver.di-Journalismustag am 4. März in Berlin, der danach fragte, wie wir „mit Constructive News durch die Krise“ kommen. Corona-Pandemie, Ukrainekrieg, Klimanotstand – angesichts ge ballter schlechter Nachrichten schalten viele Rezipient*innen ab und Medien setzen große Hoffnungen in konstruktiven Journalismus. Die Konzepte sind facettenreich. Guter Journalismus ist konstruktiv Von Bärbel Röben S eit 2014 schreibt Sham Jaff, freie Journalistin in Ber „Gesellschaften brauchen Journalist*innen, um ver lin, den Newsletter „what happened last week“ mit lässliche Informationen und den Bezugsrahmen für Nachrichten aus dem globalen Süden. Außerdem eine gemeinsame Realität zu schaffen“, sagte sie und moderiert, redigiert und produziert sie zahlreiche betonte die große Verantwortung, die damit verbun Podcasts. Für „190220 – Ein Jahr nach Hanau“ den ist – besonders in Krisenzeiten. Viele Menschen meiden die schlechten Nachrichten, weil sie sich da mit „schlecht fühlen“. „Wir können nicht dafür sor gen, dass der Krieg in der Ukraine aufhört oder dass die Erdbebenopfer in Syrien und der Türkei in den nächsten 15 Minuten alles bekommen, was sie brau chen. Aber eine Lösung liegt darin, wie wir weiterhin Nachrichten produzieren“, so Jaff. Der konstruktive Journalismus solle da „als Einladung verstanden werden, neu über Journalismus nachzu denken, über die veränderten Situationen und wie wir darauf reagieren könnten“. Wir hätten die Verantwor tung, Menschen so zu informieren, dass sie nicht „ihre mentale Gesundheit gefährden oder gar ihre Zeit ver schwenden.“ „Wir sind ja jeden Tag in der luxuriösen Situation, völlig frei zu entscheiden, über welches Thema wir berichten“ und „ob wir Konflikte verschär fen oder Menschen ins Gespräch bringen“. Wir könn ten über die Katastrophen dieser Welt berichten und gleichzeitig den Blick für Lösungen weiten, sagte Sham Jaff und fuhr fort: „Wir können unsere Perspektive für Sham Jaff (freie Journalistin, wurde sie 2021 mit dem Grimme Online Award aus die sogenannte normale halten oder Vielfalt wertschät Bonn Institute) hielt beim gezeichnet. Auf dem Journalismustag erläuterte Jaff, zen und neugierig suchen.“ Das gelte sowohl für Me Journalismustag „Bye bye welche Chancen konstruktiver Journalismus für Me dienprodukte als auch für die wenig diversen Redak bad news – mit Constructive dienschaffende bietet. Gleichzeitig distanzierte sie sich tionen. Konstruktiver Journalismus biete das Hand Journalism durch die Krise?“ von der „unnötigen Debatte“ über „Labels“ wie Wohl werkszeug, „zukunftsorientierte Debattenformate“ zu die Keynote fühljournalismus mit „nur guten Nachrichten“ oder entwickeln, etwa Talkshows mit mehr Vielfalt, die „Schönfärberei“ und räumte mit Aktivismusvorwür unterschiedliche Stimmen präsentieren und dadurch fen auf. zu mehr Erkenntnisgewinn beitragen. 6 M 1.2023
KONSTRUKTIVER JOURNALISMUS Fotos: Kay Herschelmann Impressionen vom 35. Journalismustag: zugehört, kommentiert, gefragt, diskutiert Wenn man Betroffenen zuhöre und ihre Forderungen Beim konstruktiven Journalismus gehe es nicht da an die Politik in den Vordergrund stelle, sei das nicht rum, Lösungen „zu verkaufen“, sondern sie zur Dis aktivistisch, sondern diene der Suche nach Lösungen, kussion zu stellen. Journalismus dürfe sich nicht von die genauso kritisch analysiert werden wie Probleme. Clickbaiting verleiten lassen, sondern müsse als vierte Für ihren „Hanau“-Podcast habe sie mit den Familien Gewalt Missstände aufdecken und dann „etwas bewir der Ermordeten gesprochen und eine Beziehung zu ih ken, aber dabei kann man was besser nen aufgebaut, die auf Vertrauen und Empathie ba machen“. Das sei auch ihr Motiv ge siert, erzählte sie. Die Betroffenen dürften sich nicht wesen, Journalistin zu werden. Wir viktimisiert oder ausgenutzt fühlen. Den Kontakt halte müssten uns unserer Verantwortung sie seit 2021 und verfolge, wie es den Menschen geht bewusst sein, Lösungsansätze recher und was aus ihren Forderungen an die Politik wird. chieren, „den Menschen Handlungs Ihr sei es dabei wichtig, die Betroffenenperspektive optionen zeigen und ihnen ein Gefühl auf eine strukturelle Ebene zu heben und zu zeigen, der Selbstwirksamkeit geben“. Viel wie sich die Hanau-Berichterstattung einreiht in den leicht kämen sie dann auf neue Ideen Umgang mit Rechtsextremismus und Gewalt. Die Ge und „wir können dem furchtbaren schichte möchte sie auch Menschen, die nicht von Trend der Nachrichtenvermeidung Rassismus betroffen sind, nahbar machen. entgegenwirken!“ Globale Zusammenhänge aufzeigen Sham Jaff gehört zum Kuratorium des Bonn Institute für Journalismus und Lösungsorientierter Journalismus zeige auf, was noch konstruktiven Dialog, das 2022 in nicht funktioniert und wie es funktionieren könnte, der deutschen Ex-Hauptstadt ge indem er in andere Länder, auf andere Kulturen blickt gründet wurde – von einer Allianz und globale Zusammenhänge aufzeigt. So frage sie, aus Deutscher Welle, Rheinischer was an den europäischen Grenzen schiefläuft, warum Post Mediengruppe, RTL Deutsch dort so viele Geflüchtete sterben und was Deutschland land und dem dänischen Constructive damit zu tun hat? Warum ist die Arbeitslosigkeit in Institute an der Universität Aarhus. „Gerade in Kri Tagesmoderatorin anderen Ländern niedriger und warum werden deren senzeiten sehen wir, wie wichtig es ist, dass Redakti Mirjam Kid (freie Journalistin, Lösungen hier nicht umgesetzt?“ Auf ihren News onen ihr Publikum mit den Problemen nicht allein las DLF) während einer Pause im letter „what happened last week“ angesprochen, be sen und den Menschen einen echten Mehrwert durch Gespräch kräftigte sie, dass es „absolut“ wichtig sei, den euro faktenbasierten und konstruktiven Journalismus bie zentristischen Blick auf Länder in Asien, Afrika und ten“, sagte Ellen Heinrichs, Geschäftsführerin des In Zentralamerika aufzubrechen, und damit Stereotype stituts (Buchrezension S. 9). Im Leitbild wird dieser abzubauen. definiert als „lösungsorientierter, perspektivenreicher 1.2023 M 7
IM FOKUS und dialogorientierter. Damit Menschen ihm ver trauen und gute Entscheidungen für ihr Leben treffen können.“ Das Institut wendet sich an verschiedene Zielgruppen und lässt Medienprofis zu Wort kommen, die ihre Er fahrungen teilen. Eine von ihnen ist die mehrfach aus gezeichnete Journalistin, Filmemacherin und Autorin Ronja von Wurmb-Seibel, die über den „Sonderfall Kriegsberichterstattung“ schreibt. Sie war Politik-Re dakteurin bei der „Zeit“, bevor sie ab 2013 zwei Jahre Fotos: Kay Herschelmann lang als Reporterin aus Kabul berichtete. Auf dem Journalismustag sagte sie im Gespräch mit Manfred Kloiber und Tagungsteilnehmenden: „Konstruktiver nen“, schwieriger sei es etwa beim innenpolitischen Journalismus ist bei jedem einzelnen Thema möglich!“ Umgang mit dem Krieg in der Ukraine. Da hätten die Während ihrer Zeit in Afghanistan habe sie viel Leid meisten nicht gelernt, wie sie sich einbringen und wie und Armut erlebt: „Ich wollte diesen ganzen Horror sie etwas fordern können“, so von Wurmb-Seibel. nicht so weitergeben, sondern Das hänge damit zusammen, dass politische Probleme Manfred Kloiber führte das schauen, wo gibt es einen in der Berichterstattung oft zum Dauerthema werden Interview mit Ronja von Hoffnungsschimmer, Pers und Lösungsperspektiven fehlen. Es gebe einen Wurmb-Seibel (Foto oben), pektiven, wie man es besser Schlagabtausch zwischen den streitenden Parteien und die dafür in den Journalis- machen kann und bin damit Bewältigungsstrategien würden als „nicht machbar“ mustag zugeschaltet wurde sehr gut gefahren“, erklärte oder „alternativlos“ präsentiert. Medien könnten in sie. Bei Recherchen für ihren dem Fall – etwa mit Verweis auf andere Länder – Dokumentarfilm über einen Druck auf Politiker*innen und andere Führungsper Terroranschlag in Kabul sei sonen ausüben. So sei konstruktiver Journalismus sie auf Studien zur gesund nicht nur gut für die mentale Gesundheit der Men heitsschädlichen Wirkung schen, sondern verbessere auch die demokratische von negativen Informationen Kontrollfunktion der Medien als vierte Gewalt. gestoßen und wollte zeigen, wie Medien Geschichten so erzählen können, dass sie Mut machen. Das thema Wenn es um die Gewichtung von Themen geht, galt tisiere sie in ihrem Buch „Wie wir die Welt sehen. Was bisher „Only bad news are good news“. Das bedeutet, negative Nachrichten mit unserem Denken machen nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten, und wie wir uns davon befreien“. weil sie mehr Aufmerksamkeit bei den Rezipient*in nen bekommen. Evolutionsbiologisch bedingt schätz Nach der Formel „Scheiße plus X“ ten Menschen negative Informationen als relevanter ein, erklärte von Wurmb-Seibel. So achteten sie eher Wenn Menschen angesichts der vielen Krisen im In auf den Tiger, der auf der Wiese steht, als auf die ternet exzessiv negative Nachrichten konsumieren, Schafsherde auf der anderen Seite. Da Menschen in Christoph Schmitz, Mitglied mache sie – besonders das Doomscrolling im Internet Deutschland und Europa heute nur noch selten solche im ver.di Bundesvorstand, – mental krank und führe zu Gefühlen von Ohnmacht lebensbedrohlichen Gefahren erlebten, stehe uns die eröffnete den 35. Journalis- und Hilflosigkeit. Sie wollten sich informieren, merk ses Reaktionsmuster „heute sehr oft im Weg“. Bei der mustag ten aber, dass der Nachrichtenkonsum „ihr ganzes Le Gewichtung von Themen solle man immer reflektie ben sprengt“ und vermieden ihn. Das wirke sich auf ren, „ist das jetzt so ein Tiger-Moment und kann ich die ganze Gesellschaft auf, „wenn so viele Menschen da noch mal gegensteuern“. keine Nachrichten mehr konsumieren, nicht mehr wählen gehen oder sich sozial engagieren“. Diesen Wie das geht, brachte sie auf die kernige Formel Trend könne konstruktiver Journalismus umkehren. „Scheiße plus X“ – das bedeutet, „dass wir bei jedem Problem, ob beruflich, journalistisch oder privat, nach Nach psychologischen Forschungserkenntnissen dem „X“ suchen“, das Handlungsoptionen aufzeigt. könnten „wir eigentlich sehr gut mit Krisen umge Wenn Rezipient*innen das nicht bekommen, sollten hen“, die „allermeisten Menschen halten zusammen, sie andere Medienangebote wählen oder seltener werden solidarisch, wachsen über sich hinaus und Nachrichten konsumieren, denn „Ohnmachtsgefühle werden erfinderisch“, so von Wurmb-Seibel. Das ein durchlöchern zu häufig unseren Alltag“ und verfes zige, „was wir nicht so gut können“, sei der Umgang tigten sich dann. Wenn Medien in Krisenzeiten auch Tip – Aktuell: mit Ohnmachtsgefühlen und Hilflosigkeit. Da sei es über einzelne positive Beispiele berichten, führe das „M Der Medienpodcast“ wichtig, in der Berichterstattung zu vermitteln, dass nicht dazu, dass Menschen sich weniger ohnmächtig mmm.verdi.de/podcast/ „wir immer noch Handlungsmöglichkeiten haben“. fühlten, so von Wurmb-Seibel. Journalist*innen soll Sham Jaff im Gespräch mit M ten das „X“ deshalb immer mitliefern – in jedem ein über die Notwendigkeit, Bei Katastrophen wie Erdbeben, „wurde uns beige zelnen Beitrag! Bärbel Röben ‹‹ konstruktiv zu berichten bracht, dass wir mit einer Spende etwas bewirken kön 8 M 1.2023
KONSTRUKTIVER JOURNALISMUS Konstruktiv über Kriege berichten S eit dem russischen Angriff auf die Uk- warnungen, während andere möchten, dass die Gräuel raine ist die Zahl der Nachrichtenver- zur Abschreckung möglichst konkret gezeigt werden. meider*innen in Deutschland sprung- haft auf über ein Drittel des Publikums In einem zweiten Schritt wurden Medienschaffende von Buchtipp gestiegen – vor allem wegen der psy- ARD bis „Zeit“ befragt – unter ihnen feste und freie Jour- chischen Belastung durch den Medienkonsum. In der nalist*innen, die entweder in deutschen Redaktionen ansprechend gestalteten Publikation des Bonn Institute arbeiten oder als Reporterinnen und Reporter prakti- für konstruktiven Journalismus werden die Hintergründe sche Erfahrung in der Krisen- und Kriegsberichterstat- dieser „News Avoidance“ analysiert und Medienschaf- tung haben. Die meisten halten eine stärker auf Pers- fende erhalten Praxis-Tipps, wie sie Menschen so über pektivenvielfalt und Lösungsorientierung ausgerichtete den Krieg informieren können, dass diese Kriegsberichterstattung für möglich, doch sehen Prob- sich nicht hilflos fühlen. leme bei der praktischen Umsetzung. Sie nennen den ständigen Zeitdruck, hierarchisch geprägte Redaktions- Ellen Heinrichs, Gründerin und Geschäfts- kulturen oder ein tradiertes journalistisches Selbst führerin des Bonn Institutes, hat zusammen verständnis vom „neutralen Beobachter“. Wenn sie mit Katja Ehrenberg, Pauline Tillmann und lösungsorientiert berichten, werde ihnen Aktivismus vor- Chiara Swenson in einer qualitativen Studie geworfen oder: es sei „zynisch“, konstruktiv über das erforscht, wie konstruktive Ansätze im Jour- Thema Krieg zu schreiben. Andere halten dagegen, es nalismus „einer unangemessen negativen sei „konstruktiv“, über erfolgreiche Friedensdiplomatie, Weltsicht und Nachrichtenvermeidung“ ent- historische Vergleichsfälle und ziviles Engagement zu gegenwirken können. Sie führten zwischen berichten. Mai und Juli 2022 Leitfaden-Interviews mit 16 Mediennutzenden und 12 Journalist* Führungskräfte der Medienhäuser müssten mehr Raum innen. und Zeit bereitstellen, um alte Berichterstattungsmus- ter zu reflektieren und in konstruktive Ansätze zu verän- Die Rezipient*innen wählten sie möglichst divers nach dern, sind sich die meisten Befragten einig. Dafür brau- Ellen Heinrichs u.a.: Alter, Geschlecht, Region sowie Lebensumständen aus che man mehr Fortbildungsangebote und Vernetzung. Zwischen Wunsch und und bezogen auch Menschen mit ein, die selbst Krieg Dass es bereits zahlreiche Good-Practice-Beispiele für Wirklichkeit. und Flucht erlebt haben. Die meisten Befragten wün- eine konstruktive Berichterstattung gibt, die den Infor- Konstruktiver Journalismus schen sich außer Berichten über das Kriegsgeschehen mationsbedürfnissen der Mediennutzenden gerecht in Kriegszeiten. auch mehr Mut machende, persönliche Geschichten – wird, zeigen die Autorinnen im Anhang mit kommentier- Studie des Bonn Institute etwa von Menschen, die sich für den Frieden einsetzen ten Beiträgen aus Print, Audio, Video und Multimedia. www.bonn-institute.org – und ungefilterte Einsichten in die Lebensrealität der Sie sind allerdings nicht alle barrierefrei im Internet ab- Dezember 2022, 70 Seiten Betroffenen. Wichtig sind den Mediennutzenden vor al- rufbar. lem vielfältige Perspektiven und konstruktive Lösungen: Kostenloser Download: „Wie können wir diesen Krieg am schnellsten beenden?“ Die Studie ist gut lesbar, übersichtlich in neun Abschnitte https://kurzelinks.de/ Außerdem solle ausreichend Kontext und Hintergrund- gegliedert, locker gestaltet mit Grafiken, Bildern, einem bonn-inst-kj information vermittelt werden, etwa durch weiterfüh- Quellen- und Abbildungsnachweis sowie Informationen rende Links. Alle wünschen sich eine leicht verständliche zu den Autorinnen. Sie bietet eine gute Einführung in Sprache. Zur Verwendung von Kriegsbildern gibt es un- den konstruktiven Journalismus – am Beispiel eines terschiedliche Meinungen. Einige befürworten Trigger- brandaktuellen Themas! Bärbel Röben ‹‹ Filmtipp ker*innen, die von der Front berichten, stoßen auf rus- sische Trollarmeen, die auf Instagram posten. Diese Propagandaschlacht wird in der WDR-ARTE-Dokumen- tation mit viel Video- und Informationsmaterial aus dem Netz analysiert – anschaulich und erkenntnisreich, doch trotz der bunten Bilder inhaltlich etwas schwarz-weiß. br ‹‹ Bild: WDR/berlin producers Media GmbH https://mmm.verdi.de/aktuelle-meldungen/filmtipp- propagandaschlacht-um-die-ukraine-86951 Der Krieg um die Ukraine wird nicht nur militärisch mit Panzern, sondern auch medial mit Propaganda geführt. Verfügbar in den Mediatheken von ARTE, ARD sowie Er ist der erste, der in Echtzeit in den Medien ausgetra- den YouTube-Channels von DW Documentaries, z. Bsp: gen wird – vor allem im Internet. Ukrainische WarTo- https://kurzelinks.de/ard-prop-ua 1.2023 M 9
IM FOKUS Fishbowl im ver.di Atrium mit Moderatorin Tina Fritsche (links), Kommunikations expertin und Gewerkschafts- sekretärin „Medien, Journa- lismus und Film“ bei ver.di Hamburg Fotos: Kay Herschelmann Konstruktives im Goldfischglas Unterschiede aushalten und Gemeinsamkeiten benennen Z ur Auflockerung mal stehen: Die Fish was da zum Weitererzählen zurückgekommen ist.“ bowl-Diskussion „Stärken der Debat Mit Instagram beispielsweise seien junge Menschen tenkultur durch konstruktiven Jour konstruktiv zu erreichen. nalismus“ lud zum offenen Debat tierkreis ins ver.di Atrium ein. Ins Menschen zusammenbringen „Goldfischglas“ der „Fishbowl“ mit Laura und Offenheit schaffen Goudkamp, Hanna Israel und Tina Fritsche auf der Bühne durfte jeder springen, der Fra Elisabeth Knetsch, angehende Journalistin, sprang als gen oder Meinungen zum Thema beisteuern erste aus dem Publikum ins „Goldfischglas“. Sie be wollte. schäftigt die Notwendigkeit, gesellschaftliche Prob leme zu lösen und Verständigung zwischen Menschen Hanna Israels Plattform „My Country Talks“ herzustellen. Wie können sich Menschen austauschen, hat weltweit bereits eine viertel Million Men die das sonst nicht tun. Ist Journalismus dazu bereit? schen zu Vier-Augen-Gesprächen zusammen Kanäle dafür, meint Laura Gouldkamp, „müssen gebracht mit der Absicht, Unterschiede aus divers sein.“ Freie Presse sollte immer mit anderen zuhalten und Gemeinsamkeiten zu benennen, Medienpartnern arbeiten. Um Offenheit zu schaffen, zu fragen, „was vereint und nicht nur, was so Hanna Israel, sollte eine fragende und nicht eine trennt“. Das Bedürfnis, sich auszutauschen endgültig fordernde Haltung eingenommen und Stim Hanna Israel, Projektleiterin sei riesig, wie tausende Bewerbungen zeigten. men zu unterschiedlichen Perspektiven wiedergege von „My Country Talks“ Nach einem Fragebogen werden Gesprächspaare „ge ben werden. bei Zeit Online matcht“ – Jung, Alt, Frau, Mann, Divers mit unter schiedlichen Biografien, Erfahrungen, Positionen. Felix Huesmann vom Redaktionsnetzwerk Deutsch Diese internationale land zeigte sich besorgt, wie in Projekten ein Bild ent Plattform bringt weltweit Laura Gouldkamp, die sich seit vier Jahren mit kon steht. Sind Meinungen gleich viel wert? Wie war bei Menschen zu kontroversen struktivem Journalismus beschäftigt und die digitale spielsweise mit wissenschaftsfeindlichen Ansichten in Vieraugengesprächen zu- Transformation beim Bayrischen Rundfunk begleitet, der Corona-Zeit umzugehen? Gibt es rote Linien? sammen. Zuvor arbeitete sucht für ihre Formate immer neue Ideen. Gezielt sei Alle, die sich bei ihrer Plattform anmeldeten, konsta Israel als Redakteurin bei sie auf die Korrespondenten von 30 ARD-Studios tiert Israel, würden überprüft, wer sich menschenver Anne Will. Sie gründete weltweit zugegangen mit der Frage, welche guten Bei achtend zeige, könne kein Gespräch führen. Natür das Online Magazin „InPer- spiele und Lösungsansätze es neben den „harten Fak lich gäbe es Graubereiche, aber „wir wollen Menschen spective“. ten“ – die oft als negative Beispiele das Denken beein zusammenbringen.“ Und natürlich könne man bei flussen – aus den Ländern gäbe. „Ich war überrascht, spielsweise über die Angst vor Impfungen sprechen. 10 M 1.2023
KONSTRUKTIVER JOURNALISMUS Philipp Neumaier, Journalismusstudent, fragte, wie Sarra Chaouch-Simsek, Lernende an der deutschen mit Opferschutz und Traumareaktionen umgegangen Journalistenschule, fragte, wenn konstruktiver Jour werde. Und wie die Meinung zu Influencern sei, die nalismus in sozialen Medien stattfinde – wie es dann ohne journalistische Ausbildung Fehler machten? Das in den öffentlich-rechtlichen Medien sei. Ja, meint Screening für ihre Gesprächsplattform soll sichern, Gouldkamp, auch im Fernsehen müsse das geschafft dass es nicht zu solchen Reaktionen kommt, berichtet werden. Positive Effekte zeigten sich beispielweise im Israel. Bisher seien das Einzelfälle. Rückmeldungen Weltspiegel. Redaktionen müssten Perspektivenviel wären in der Regel positiv. Wobei auch ein Gespräch falt in der Strategie festschreiben und Strukturen än abgebrochen werde, wenn es sich als Zeitverschwen dern. Noch seien Führungsetagen weiß und männlich dung erweise. Dass Influencer Erfahrungen nicht fil geprägt. Zudem sei Aufklärung nötig, findet Israel. tern, sondern zusammenwerfen, sei nicht zu verhin Viele Journalistinnen und Journalisten wüssten noch dern. Wichtig sei, so Gouldkamp, dass Qualitätsme nicht, was konstruktiver Journalismus ist. dien präsent sind. „Wir können moderieren und jour nalistisch einordnen. Über Social Media machen wir auch einen guten Job.“ Laura Goudkamp, Reporterin und Digitalexpertin beim Gefährlich: Schnelle Automatismen Bayrischen Rundfunk und niedrige Toleranzschwellen Sie entwickelt u.a. Formate Negative Nachrichten beeinflussen das Denken. Wie, für junge Zielgruppen. so eine Frage der Moderatorin Fritsche, wirkt konst Sammelte über Weltspiegel ruktiver Journalismus? Sie persönlich könne etwas Digital und den gemeinsam verändern, meint Gouldkamp. „Ich kann gute Bei aufgebauten Kanal@Welt- spiele suchen, bin offen für Hinweise und sehe, dass spiegel erste Erfahrungen viel zurückkommt.“ So käme man weg von Ohn mit konstruktivem Journa machtsgefühlen. Gefährlich seien, so Israel, schnelle lismus. Automatismen und niedrige Toleranzschwellen. Lö sungsorientierung zu finden, sei wichtig. „Ohnmacht ist für niemanden förderlich.“ Noch mal nach Beispielen für konstruktiven Journa lismus befragt, verwies Gouldkamp auf amerikanische Noelia Sanchez-Barón, Redakteurin für den „Stern“, Plattform „Jubilee“, wo Formate in vielen Nuancen interessierte, wie die Verbindungen zu Instagram, Tik zusammenkommen und „Menschen willkommen“ Tok und anderen sozialen Medien aufgebaut seien. Es sind. Israel sieht Chancen, sich aus unterschiedlichen gäbe beispielsweise ARD Accounts, erklärt Gould Perspektiven anzunähern. Ganz verschiedene Men kamp, die von den Sendern mit wöchentlich wechseln schen in Interviews zusammenzubringen, sich dabei den Chefs vom Dienst betreut würden. Aber insgesamt auch höchst kritischen Fragen zu widmen und be gäbe es zu derartigen Verbindungen noch manches zu dachtsam damit umzugehen, brächte „unfassbare besprechen. Expertise“. Bettina Erdmann ‹‹ Anzeige Weil Intelligenz immer häufiger künstlich ist. Auch im Journalismus. Gut ausformulierte Texte, eigens erdacht Was dagegen sicher ist: Ihre Zukunft bei uns. und in kürzester Zeit niedergeschrieben von Mit maßgeschneiderten Vorsorgekonzepten für Maschinen: ChatGPT, Neuroflash, Jasper Medienschaffende. Damit für Sie später alles und Co. werden den Journalismus verändern. passt – egal, was noch passiert. Wie genau das aussehen wird – ungewiss. Ihre www.presse-versorgung.de PV_22_029 - AZ Halbjahr1_187x85_Menschen.indd 1 08.03.23 11:47 1.2023 M 11
IM FOKUS rung. Auf keinen Fall sollten Verschwö rungserzählungen und ihre Details wie derholt werden, weil sie sich so festsetz ten. Und: „Interessieren Sie sich für die sozialen Bedürfnisse und Gefühle Ihres Gesprächspartners.“ Im Gespräch mit Verschwörungsgläubi gen sollten zunächst immer Ziel – will ich Dritte schützen oder mich selbst? –, Funktion und Setting definiert werden. Meilickes Appell hier: „Vermeiden Sie Faktendiskussionen und Debunking! Das bringt nichts, weil das Gegenüber das als Angriff auf die eigene Person wahr nimmt.“ Er riet zu konkreten Fragen und Fotos: Kay Herschelmann klaren Grenzen. „Setzen Sie Grenzen in Ich-Botschaften! Nicht: Du bist blöd“, Tobias Meilicke (li.) von der Beratungsstelle „veritas“ sondern „Da kommen wir inhaltlich nicht zusammen. Das überfordert mich gerade. Vermeiden Sie Bleiben Sie immer auf Augenhöhe und verzichten Sie auf Beleidigungen!“ Die Gespräche sollten nicht auf der Sach Faktendiskussionen! ebene, sondern emotionsbasiert geführt werden. Etwa bei Corona: „Ich höre ge rade ganz schön viel Angst heraus.“ Sinn mache es, gemeinsame Themen zu finden, zum Beispiel über Fotos oder Hobbies. Verschwörungsmythen und Fake News kontern Von den Medien wünschte er sich hin und W ie umgehen mit Verschwö schwörungsgläubigen, sei das schon pas wieder einen Perspektivwechsel. So soll rungsgläubigen? Erfah siert. Die Verschwörungsideologen profi ten auch Journalist*innen mitdenken, was rungen aus dem Alltag tierten davon und nutzen das für den ei mit Verschwörungsgläubigen passiere, seiner Beratungsstelle genen Aufstieg aus. wenn sich etwa Angehörige abwendeten. veritas teilte Mitgründer Tobias Meilicke mit einem großen Kreis Im Umgang mit der ersten Gruppe geht Zugleich warnt Meilicke: Das Stresslevel Interessierter im Workshop „Konstruk es laut Meilicke vor allem darum, gut zu von Verschwörungsgläubigen sei perma tiv kontern: Verschwörungsmythen und zuhören und Fakten zu hinterfragen, gern nent erhöht, daraus folgten gesteigerte Fake News entlarven und entgegnen“. Die mit Faktenchecks. Hilfreich sei eine ge Aggressionen. Journalist*innen riet er vom Land Berlin geförderte Anlaufstelle meinsame Liste zu seriösen Quellen. Das dazu, auf sich selbst zu achten. Er verglei (www.veritas-berlin.de) hat seit Mai 2021 könnte auch die Scham des Gegenübers che das gern mit der Ansage im Flugzeug: über 1.000 Anfragen erhalten, wobei senken, auf unseriöse Quellen hereinge Wenn der Druck abfalle, zuerst sich selbst 90 Prozent aus dem familiären Umfeld fallen zu sein. Meilicke warnte vor zu vie die Sauerstoffmaske aufsetzen und dann kamen. len, letztlich schwächer werdenden Argu dem Nachbarn. Bei Recherchen im Mi menten. Es reichten drei gute. Und er riet lieu könnten „Tut-mir-gut!“-Listen am „Einsteiger“ erhofften sich, dass ihnen von Statistiken ab: „Bringen Sie emotio Kühlschrank helfen. Und der Austausch Verschwörungserzählungen helfen wür nale Geschichten!“, so die veritas-Erfah mit Kollegen: „Lass es raus!“ den, persönliche Krisen zu überwinden. Grace Pönitz ‹‹ Meist träfe es Menschen mit einem gerin gen Selbstwertgefühl, auch Angst und Fünf Workshops fanden zeitgleich in verschiedenen Räumen statt Ohnmachtsgefühle spielten hier hinein. Das „Zuwendungsmotiv“ sei in den meis ten Fällen Langeweile, das „Bindungsmo tiv“ Geborgenheit und Halt, Identität und Anerkennung. Meilicke unterschied drei Gruppen: Da seien zum einen die Verschwörungsinte ressierten, die diese Erzählungen noch nicht in ihr Welt- und Selbstbild integriert hätten. Bei der zweiten Gruppe, den Ver 12 M 1.2023
KONSTRUKTIVER JOURNALISMUS Die Macht der Sprache „Massenzustrom“ oder „Flüchtlings welle“ untermauert. Solche Metaphern, die die Ankunft von Menschen in die Nähe einer Naturkatastrophe rücken, Wie eine tendenziöse Wortwahl die Leser*innen beeinflusst hätten das Bild einer Gesellschaft impli ziert, die einem Phänomen ohnmächtig E igentlich sollte es für jede abgebildeten, mehrheitlich dunkelhaari und machtlos ausgeliefert ist, so Bax. Er Journalistin, für jeden gen Männer abzielen. Bax deckte auf, dass stellte fest, dass heute anders, weitaus Journalisten eine Selbst das Foto im Rahmen einer Preisverleihung nüchterner darüber gesprochen werde. verständlichkeit sein: Im entstand, bei der die Männer im Rahmen Die Sprache im politischen Raum komme Hinblick auf die Reakti einer Essener Initiative für ihr soziales nicht drum herum, Phänomene zu benen onen unserer Rezipient*innen geht es Engagement ausgezeichnet wurden. „Die nen, ohne sie zu dramatisieren oder zu nicht nur darum, über was wir berichten. Wahl der Bildunterschrift prägt, wie man verharmlosen. Ein „richtig“ oder „falsch“ Ganz entscheidend ist auch ein Bewusst ein Foto sieht“, so Bax. Je nachdem, welchen gebe es nicht, so Bax. Er selbst würde je sein dafür, wie wir berichten, also welche Aspekt man hervorhebt, werden Vorstel doch einen Begriff wie „Flüchtlingskrise“ Worte wir wählen. In diesem Sinne führte lungen oder Wertungen erzeugt, werde stets in Anführungszeichen setzen – an Daniel Bax in seinem Workshop „Sieh´s die Wahrnehmung in eine eher positive ders als es beispielsweise 2015 bei der „Ta doch mal anders! Wie wir Klischees und oder eher negative Richtung gelenkt. gesschau“ der Fall war. gängige Narrative durchbrechen können“ ein engagiertes Plädoyer dafür, mit Spra Anhand von vielen weiteren Beispielen che sensibel umzugehen. Bax hat lange für wie „Dönermorde“, „Hassprediger“, die „taz“ gearbeitet, ist heute am Deut „Integrationsverweigerer“ oder „Parallel schen Zentrum für Integrations- und Mi gesellschaft“ wird im weiteren Verlauf grationsforschung tätig und engagiert sich deutlich, wie wichtig es ist, sich als Jour bei den „Neuen deutschen Medienma nalist*in immer wieder über die eigene cher*innen“. Im Workshop demonst Wortwahl und ihre mögliche Wirkung rierte er, wie eine tendenziöse Wortwahl Gedanken zu machen. Um zu vermeiden, Leser*innen gezielt oder unbeabsichtigt dass man Rechtspopulisten in die Falle beeinflusst. geht, sei es nützlich, sich mit Leuten zu unterhalten, die einen „anderen“ Blick Er machte dies zunächst an einem Foto haben. So ließen sich andere Narrative in deutlich, das mehrere junge Männer ab die eigene Wahrnehmung integrieren. Daniel Bax, u.a. engagiert bei den bildet. Auf Bax Frage, welche Bildunter Bax verwies schließlich auf das NdM- „Neuen deutsche Medienmacher*innen“ schrift dazu passen würde, bot das Audi Glossar. Das „Wörterverzeichnis der torium eine Fülle von Vorschlägen an, die Neuen deutschen Medienmacher*innen Bax noch um einige ergänzte: Im Angebot Genauso funktioniere es bei den Über mit Formulierungshilfen, Erläuterungen waren unter anderem „Ausländer“, „Tür schriften. Bax erläuterte dies am Thema und alternativen Begriffen für die Bericht ken und Araber“, „Muslimische Jugend der Migration, für das es viele Metaphern erstattung in der Einwanderungsgesell liche“, Geduldete Asylbewerber“, „Ge gebe. 2015 habe eine angstbesetzte Kon schaft“ könne bei der Suche nach den flüchtete“, „Streetgang“ oder „Migrati notation im Vordergrund gestanden. Die richtigen Worten Unterstützung leisten. onshintergrund“ – allesamt Labels, die sogenannte „Flüchtlingskrise“ wurde mit https://neuemedienmacher.de einseitig auf die vermutete Herkunft der Schlagworten wie „Flüchtlingsstrom“, Ute Christina Bauer ‹‹ Umgang mit Gewalt Eine kurze Abfrage unter den Teilneh menden des Workshops genügt, und schon wird klar: Es betrifft alle. Nicht alle anwesenden Journalist*innen machen die Angriffe auf Journalist*innen erneut gestiegen gleichen Erfahrungen mit Hass im Netz, Anfeindungen auf der Straße oder sogar J ournalist*innen und Me von einer hohen Dunkelziffer aus. Heike Bedrohungen am Wohnort. Aber alle ken dienschaffende sind in Kleffner vom Verband der Beratungsstel nen das Gefühl der Unsicherheit. ihrem Beruf besonderen len für Betroffene rechter, rassistischer Gefahren ausgesetzt. Im und antisemitischer Gewalt e.V. erklärte Insbesondere medienschaffende Frauen, vergangenen Jahr ist die in ihrem Workshop auf dem Journalis People of Color, Jüd*innen und LGBTIQ Zahl der digitalen, verbalen und physi mustag, wie Medienschaffende sich vor seien Anfeindungen ausgesetzt, betonte schen Angriffe auf Journalistinnen und Angriffen und Bedrohungen im Netz und Kleffner. Aber auch Journalist*innen, die Journalisten in Deutschland abermals ge auf der Straße schützen können und wo zu bestimmten Themen berichten (z.B. stiegen. Expert*innen gehen außerdem es Unterstützung für Betroffene gibt. Geflüchtete, Migration, AfD, Rechtspo 1.2023 M 13
IM FOKUS pulismus und Sexis-mus) sind von Hass ung oder eine Traumaambulanz der rich rede betroffen. Darüber hinaus macht es tige Anlaufpunkt sein. einen Unterschied, ob Journalist*innen vorwiegend in Nachrichtenredaktionen Auf der Website www.schutzkodex.de arbeiten oder als Reporter*innen rausge finden Journalist*innen und andere Me hen. Dennoch betont Kleffer, dass Täter* dienschaffende zum Beispiel Unterstüt innen meist nicht die Individuen meinten, zung, wenn sie Gewalt und Hetze erleben. Angriffe gelten einem abstrakten Feind Sie erfahren dort auch, ob ihr Arbeit- oder bild. Medienschaffende würden als Reprä Auftraggeber dem „Schutzkodex für Heike Kleffner vom Verband der Beratungs sentant*innen einer verhassten Gruppe Medienschaffende in Bedrohungslagen“ stellen für Betroffene rechter, rassistischer wahrgenommen. Rechte und Populisten beigetreten ist. Für betroffene Journa Gewalt e.V.. trügen mit dem Lügenpressenarrativ mas list*innen werden über die Website ge siv zu einer aggressiven Stimmung bei. schützte Online-Stammtische angeboten, damit sie Erfahrungen austauschen kön Immer mehr Journalist*innen wollen Viele Betroffene berichteten Kleffner zu nen. Auch staatliche und zivilgesellschaft auch ihren Eintrag beim Einwohnermel folge von psychischen Belastungen durch liche Meldestellen (z.B. „Meldestelle ge deamt sperren lassen, weil sie bedroht Hasskampagnen im Netz und von Angrif gen Hass im Netz“ oder „Keine Macht werden. Das sei derzeit in vielen Bundes fen in der realen Welt. Kleffner riet, Be dem Hass“) bieten Unterstützung bei Be ländern jedoch nicht einfach, räumte drohungen und Angriffe zu melden und drohungen im Internet. Bei Onlinewa Kleffner ein. Doch die Sensibilität der Be sich Hilfe bei Arbeitgebern und im sozia chen der Polizei und Staatsanwaltschaften hörden für mögliche Gefahren sei ge len Umfeld zu suchen. Je nach Situation können Vorfälle zur Anzeige gebracht wachsen und auch rechtlich wurde nach könne auch eine psychologische Betreu werden. gebessert. Julia Hoffmann ‹‹ Trau Dich zu verhandeln! Konstruktiv mit finanziellen Herausforderungen als Freiberufler umgehen P ascale Müller recherchiert rungsmodalitäten für Journalismus als das u.a. zur Arbeitsausbeu klassische Verlegermodell würden ge tung für Print, TV und braucht. Radio und erhielt für ihre 2018 bei bei BuzzFeed Trotzdem gibt es Wege, eine Mischung und Correctiv publizierte Sozialreportage fürs freiberufliche Arbeiten zu finden. zu sexualisierter Gewalt gegenüber Ern Müller hält eine Checkliste bereit. Freie tehelferinnen in Spanien, Marokko und sollten realistische Erwartungen an den Italien den Nannen-Preis. Die freie Inves Auftrag haben und Mehrfachverwendun tigativjournalistin lud zum Erfahrungs gen absprechen. Nebenjobs seien in Er austausch. Wie können Freie die finan wägung ziehen – die KSK akzeptiere auch ziellen Herausforderungen ihrer Arbeit 520-Euro-Jobs in anderen Metiers. Cor bewältigen? porate Jobs und Vernetzungen seien hilf Pascale Müller, Investigativreporterin reich. Und nicht zuletzt Verhandlungs Seit zehn Jahren ist Müller Freie und wird geschick. „Trau dich, zu verhandeln!“ Oft oft gefragt, wie sie das macht. Angesichts sei bei Honoraren mehr drin. Es ist gut, ihres errechneten Nettoeinkommens von sche Medien – und hier vor allem Print – dafür Infos – beispielsweise bei den monatlich 1.145 Euro – die Armutsgrenze schlecht bezahlen, geben Freie zusätzlich Freischreibern unter www.wasjournalis- liegt in Deutschland bei 1.251 Euro für Al Seminare, betreiben PR als zweites Stand tenverdienen.de – einzuholen. Eine leinlebende – sei sie „stolz auf die Aus bein (was durchaus zu Interessenkonflik Schmerzgrenze sei zu ziehen, unter der dauer, das durchzuhalten.“ Privat hat sie ten führen kann), arbeiten in Projekten man den Auftrag ablehnt. Dieses Selbst ihren Wohnort nach Brandenburg ver bis zu 80 Stunden in der Woche oder wertgefühl ist wichtig, so Müller. „Sonst legt, der niedrigeren Mieten und Kosten gründen eigene kleine Unternehmen. machen sie mit dir, was sie wollen.“ wegen. Kurz: Sie betreiben weniger Journalismus, um zu überleben. Prekäres Einkommen Bei größeren Recherchen – auch das be Freie Tätigkeit ist nicht einfach zu finan dränge nicht wenige aus dem Beruf. „Es wegte im Workshop – sollte man eine zieren. Davon berichtete auch die Runde liegt nicht an euch“, ermutigt Müller, das Kostenaufstellung vorlegen. Was wird in lebhafter Diskussion. Da journalisti sei Marktversagen. Andere Finanzie gebraucht, um das Thema gut zu recher 14 M 1.2023
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