Mitgliedermagazin des BVF - HFE IM WANDEL - SCHNITTSTELLEN UND FBBE - Berufsverband ...
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Mitgliedermagazin des BVF NR. 103 – JANUAR 2021 SCHWERPUNKT HFE IM WANDEL – SCHNITTSTELLEN UND FBBE SEITE 8 FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
2 Inhaltsverzeichnis Was wir diesmal zum Thema machen: Editorial................................................................................................ 3 Aktuelles aus dem BVF....................................................................... 4 HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE Qualität in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung – was und wie kann man sie fördern?............................. 8 Das Zentrum für Frühförderung (ZFF) in den Quartiertreffpunkten................................................................ 13 Mütter- und Väterberaterin und Heilpädagogische Früherzieherin im Gespräch................................ 19 Die HFE in 5 Minuten erklären........................................................... 25 KITAplus – ein Erfolgsmodell erobert die Schweiz........................... 29 Blick in die Praxis................................................................................ 33 Autismus.............................................................................................. 36 Selbstreflexion..................................................................................... 41 Aktuelle Berufspolitik.......................................................................... 42 Rezension............................................................................................ 48 Abkürzungsverzeichnis....................................................................... 50 Ankündigungen................................................................................... 52 Vorstand............................................................................................... 53 Geschäftsstelle /Vorschau.................................................................. 54 Impressum........................................................................................... 56 FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
Editorial 3 Liebe Leserinnen und Leser Tanja Alther Das Jahr 2020 war ein enorm herausforderndes Region Aarau zwischen der Mütter- und Väter- Jahr für alle. Wir wurden mit Themen und Fra- beratung und der HFE bestehen und wie die gen konfrontiert, die ich nicht für möglich gehal- Zusammenarbeit aussehen kann. Weiter erfahren ten hätte. Ich frage mich immer wieder, in wel- wir die Geschichte zur Entstehung der Grafik cher Form dieses Jahr uns als Gesellschaft nach- «Aufgabenfelder und Schnittstellen» des BVF und haltig verändern wird. Müssen wir mit einer sehen, dass die HFE eben nicht so einfach in 5 langfristigen enormen Arbeitslosigkeit rechnen? Minuten erklärt werden kann. Zur Selbstreflexion Werden wir irgendwann zurück zu unseren Be- stellen wir euch in diesem Heft eine weitere Gra- grüssungsritualen finden? Oder halten wir nun fik zur Verfügung, in der ihr eure persönlichen lieber etwas mehr Abstand zueinander? Werden Hilfestellungen zur Sicherung der Gesundheit Hygienemasken zum neuen Accessoire im Win- und eures Wohlbefindens eintragen könnt. Ein ter? Und wird sich die Sicht auf Krankheit und Blick in die Praxis der FBBE gibt Auskunft über das Recht auf Leben verändern? Time will tell … das Erfolgsmodell «KITAplus» sowie über das Im Moment heisst es weiterhin ausharren, hoffen Projekt «Kita Inklusiv» aus dem Kanton Solo- und füreinander da sein. Ich wünsche allen von thurn. Auch diesmal begleitet uns das Thema Herzen ein gesundes, gutes und hoffnungsvolles ASS und Prof. Dr. Liesen berichtet über den ak- Jahr 2021! tuellen Stand des IFI Projektes und weist auf die Das Leben geht trotz Pandemie weiter und so tragende Rolle der HFE in der weiteren Umset- auch unsere Arbeit als HFE. In diesem Heft be- zung hin. Bevor die Rezension zum Buch «Unter- schäftigen wir uns mit den Schnittstellen der HFE wegs auf vier Füssen» das Heft abrundet, erhal- und der Frühkindlichen Bildung, Betreuung und ten wir zudem einen Einblick in einen aus der Erziehung, kurz FBBE. Die FBBE ist ein weites Not geborenen Onlinekurs während des Lock- Feld und umspannt viele verschiedene Diszipli- downs für Eltern von Kindern mit ASS. nen, Ämter, Verbände, Stiftungen und weiteres. Ich wünsche euch eine spannende Lektüre und Wer eine Übersicht darüber sucht, was alles zu weiterhin gute Gesundheit! FBBE gehört, findet auf der Website des Netz- werks Kinderbetreuung eine Auflistung der Ak- Mit herzlichen Grüssen teure der FBBE in der Schweiz. Auch dieses Mal erwartet uns wieder spannen- des. Im Leitartikel erhalten wir von Prof. Dr. Son- ja Perren einen Überblick über aktuelle For- schungsergebnisse im Feld der FBBE in der Schweiz und sie zeigt Optimierungspotentiale auf. Das Zentrum für Frühförderung in Ba- sel-Stadt führt mit Hilfe kurzer Fallbeispiele aus, wie eine gelungene und niederschwellige Zu- sammenarbeit der HFE mit den lokalen Quartier- zentren funktionieren kann. Daran anschliessend lesen wir in einem Interview mit einer Mütter- und Väterberaterin, welche Schnittstellen in der Tanja Alther FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
4 Aktuelles Aktuelles aus dem BVF Franziska Brüngger und Sarah Wabnitz Wir sagen danke! Mit einem kleinen Geschenk für den Alltag möchten wir dir für deine Mitgliedschaft im BVF und dein Engagement für das Berufsfeld der Heilpädagogischen Früherziehung danken. Als kleiner Begleiter in diesem Winter überreichen wir dir eine kleine Tasche, nicht für Spielzeug, sondern für den kleinen Begleiter in Coronazeiten, die Maske. Wir danken dir für deinen Einsatz. Bis Ende Januar kannst du dir unseren persönlichen Dank per Video auf unserer Homepage www.frueherziehung.ch abholen. Wir freuen uns auf dich! Wir starten ins neue Verbandsjahr! fen mit der Interessensgemeinschaft der frei- Ein gutes neues Jahr wünscht euch der Ver- beruflich tätigen Heilpädagogischen Früher- band und der Vorstand! Bevor wir den Blick zieherinnen und Früherzieher (IGFF) Bern und in das neue Verbandsjahr richten, freuen wir Zürich oder das Vernetzungstreffen mit diver- uns, euch noch die Aktualitäten aus dem sen Heilpädagogischen Verbänden. Herbst 2020 vorzustellen. Der BVF nutzt den Herbst in der Regel, um zahlreiche Hände zu schütteln und Netzwerke zu pflegen. Dies ha- ben wir auch im letzten Herbst beibehalten, mit neuen Begrüssungsritualen persönlich oder am Bildschirm online. Hier ein kleiner Einblick! Wir vernetzen uns! Miapas Austauschtreffen Der BVF ist neu Mitglied in dem Projekt Mi- Auch im Jahr von Corona haben diverse Ver- apas (aus dem Französischen «mes pas» oder netzungs- und Austauschtreffen stattgefunden «mes premiers pas» = meine ersten Schritte). – einfach virtuell. So auch das Austauschtref- Dies ist ein nationales und interdisziplinäres FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
Aktuelles 5 Vernetzungsprojekt zur Gesundheitsförderung dem Netzwerk beitreten. Gerne werden wir in in der frühen Kindheit. Es vernetzt Fachperso- unserem Newsletter auf den Infobrief des nen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich, Netzwerkes hinweisen und diesen verlinken, die gemeinsam nationale Empfehlungen zu sobald er erscheint. den Themen ausreichende Bewegung, ausge- wogene Ernährung und psychische Gesund- Wir treffen die Studis heit in der frühen Kindheit für Fachpersonen Auch in diesem Jahr durften wir an der HfH und Eltern bzw. Erziehungsberechtigte erar- unseren Verband vorstellen und mit den Stu- beiten und verbreiten. In Zusammenarbeit mit dierenden über Berufspolitik diskutieren. Es zahlreichen Verbänden trägt, steuert und fi- war wie immer ein spannender Austausch, mit nanziert Gesundheitsförderung Schweiz das bereichernden Sichtweisen und neuen Er- Projekt. Mehr Informationen zu dem Projekt kenntnissen für den Verband. Wir bedanken finden sich auf der Homepage: www.gesund- uns für die Einladung und die Offenheit der heitsfoerderung.ch. Studierenden. Netzwerktreffen «Elternschaft von Wir bilden uns weiter! Menschen mit einer geistigen Behinderung» Das Netzwerk zum Thema «Elternschaft von Fachtagung Heilpädagogische Menschen mit geistiger Behinderung» trifft Früherziehung sich jährlich einmal unter der Leitung von Si- Am 18.11.2020 hätte der gemeinsame Aus- mone Rychard, Fachstelle Lebensräume von und Weiterbildungstag der FHNW, der HfH Insieme Schweiz, zum Austausch und veröf- und des BVF zum Thema «Warum handle ich fentlicht ein bis zwei Infobriefe pro Jahr zu so, wie ich handle? Evidenzbasierung in pä- diesem Thema. Ziel des Netzwerkes ist es, das dagogischen und therapeutischen Zusam- Tabuthema «Elternschaft von Menschen mit menhängen» mit Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gild- geistiger Behinderung» anzusprechen und ins hoff in Olten stattfinden sollen. Aufgrund der Bewusstsein zu rufen. Auch in der Heilpäda- Corona Krise musste auch dieser Anlass in gogischen Früherziehung begegnen wir im- den virtuellen Raum verlegt werden. mer wieder Eltern, die mehr Unterstützung benötigen. Was brauchen diese Eltern an Hil- fen? Welche Angebote gibt es bereits und wo lassen sich unterstützende Netzwerke aufbau- en? Diesen und weiteren Fragen geht die Netzwerkgruppe nach. Das Berufsfeld der Heilpädagogischen Früherziehung wurde bis- her durch Christine Schmid-Maibach vertre- ten. Wir bedanken uns bei Christine für ihr Engagement! Neu wird ein Vorstandsmitglied Auf der Homepage des BVF ist der Vortrag für den Frühbereich und somit für das Berufs- von Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff im in- feld der Heilpädagogischen Früherziehung ternen Bereich aufgeschaltet. Reinhören lohnt FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
6 Aktuelles sich! Über die Homepage bieten wir auch ei- Wir hoffen, euch dieses Jahr persönlich be- ne Plattform, auf welcher Fragen und Gedan- grüssen zu dürfen und freuen uns auf euer ken zum Vortrag ausgetauscht werden kön- Kommen! nen. Teilt uns mit, was ihr denkt! Revisor*innen! Wir sind aktiv! Wir suchen weiterhin zwei Revisor*innen, die sich an der MV 2021 zur Wahl aufstellen las- AG praxisnahe Qualität sen. Wir freuen uns, wenn ihr euch engagie- Mit den Qualitätsstandards, den Qualitäts- ren möchtet, es handelt sich dabei um ein richtlinien und den berufsethischen Grundsät- Treffen pro Jahr. Ebenso, wenn ihr jemanden zen hat der BVF Grundlagen zur Sicherung der kennt, den ihr empfehlen möchtet. Kontaktiert Qualität in der Heilpädagogischen Früherzie- uns gerne über geschaeftsstelle@frueherzie- hung geschaffen. Wie an der letzten MV 2020 hung.ch informiert, wurde eine Arbeitsgruppe gegrün- det, welche sich dem Thema nun aus der Per- Wir starten ins neue Jahr! spektive der Fachperson Heilpädagogische Nun freuen wir uns, mit euch in das neue Ver- Früherziehung annimmt – Qualität ganz pra- bandsjahr 2021 zu starten und sind gespannt, xisnah. Mitglieder dieser Arbeitsgruppe «Pra- was uns erwarten wird. xisnahe Qualität» sind Petra Keller, Nadine Blumer, Judith Rupf und Tanja Alther. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, Qualität in der Praxis und im Berufsfeld sicht- und greifbar zu machen. Die Arbeitsgruppe hat ein Portfolio erarbeitet, welches eine Auseinandersetzung mit dem Thema Qualität im Alltag ermöglichen und dabei unterstützen soll, diese festzuhalten und sichtbar zu machen. Dabei werden ganz un- terschiedliche Aspekte der Qualität aufgegrif- fen. Ziel ist es, das Portfolio auf der Homepage zugänglich zu machen. Wir danken der Ar- beitsgruppe bereits jetzt für ihr grosses En- gagement! Mitgliederversammlung 2021 Die Mitgliederversammlung 2021 findet dieses Jahr in Zofingen statt. Wir freuen uns, dass wir Frau Waigand nochmals für einen Vortrag gewinnen konnten. Sie begleitet uns durch den Tag mit dem Thema UK und Modelling. FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
Aktuelles 7 Aus- und Weiterbildungstag «Warum handle ich so, wie ich handle? Evidenzbasierung in pädagogischen und therapeutischen Zusammenhängen» Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff Der Fachvortrag steht im internen Bereich des BVFs zur Verfügung. Schau rein und lass dich inspirieren für deine Praxis. Ein Angebot in Kooperation mit: FHWN, HfH und BVF Wegweisend im Feld der Heilpäda- gogischen Früh- erziehung FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
8 HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE Qualität in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung – was und wie kann man sie fördern? Sonja Perren Der FBBE-Bereich hat zum Ziel, durch In den letzten Jahren wurden verschiedenste qualitativ hochstehende Angebote im fami- Initiativen lanciert, um den Stellenwert der lienunterstützenden und -ergänzenden frühen Kindheit und entsprechender Ange Bereich eine gesunde Entwicklung aller bote für Kinder und Familien zu stärken. Der Kinder zu ermöglichen. In frühkindlichen Orientierungsrahmen hat sich als wichtiges Bildungs- und Betreuungseinrichtungen Referenzdokument etabliert (Wustmann Seiler zeichnet sich eine hohe Qualität vor allem & Simoni, 2012). Die Wanderausstellung des durch unterstützende Fachpersonen-Kind- Vereins Stimme Q setzte sich für die Qualität Interaktion aus. in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) ein (stimmeq.ch). Die Frühkindliche Bildung, Betreuung und READY! Kampagne setzt sich für den Transfer Erziehung in der Schweiz in die Politik ein (ready.swiss). Das vor einem In den letzten Jahren war das Thema FBBE Jahr lancierte Arbeitspapier der UNESCO- – frühkindliche Bildung, Betreuung und Erzie- Kommission zur «Politik der frühen Kindheit» hung – in aller Munde. Der Begriff FBBE wird fordert neben zugänglicheren Angeboten, in der Schweiz sehr breit verwendet. Es wer- mehr Vernetzung und Koordination und stär- den unter diesem Fachbegriff alle Angebote kerer öffentliche Finanzierung, auch eine ver- und Rahmenbedingungen, die das Aufwach- besserte Qualität der frühkindlichen Bildung, sen von Kindern betreffen, subsummiert. Betreuung und Erziehung (Infras, 2019). Diese Nicht selten wird in der Schweiz hierfür syn- und weitere Initiativen wurden kürzlich in onym der Begriff «Frühe Förderung» verwen- der neu gegründeten Netzwerkorganisation det. Die Angebote reichen von familienunter- Alliance Enfance gebündelt (alliance-enfance. stützenden Angeboten wie gesundheitliche ch). Diese Organisation setzt sich für das Versorgung von Schwangeren, Elternberatung Recht aller Kinder auf eine bestmögliche Ent- oder Hausbesuchsprogramme bis hin zu wicklung ein. Sie fokussiert auf die Förderung familienergänzenden Angeboten wie Spiel- der Chancengerechtigkeit und engagiert sich gruppen, Tagesfamilien und Kindertages für die Verbesserung gesetzlicher und struk- stätten. Alle Angebote der FBBE haben zum tureller Rahmenbedingungen auf politischer Ziel, eine gesunde Entwicklung aller Kinder Ebene. zur ermöglichen. FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE 9 All diese Initiativen setzen sich – neben dem schiedene internationale Studien haben nach- Ausbau und der Finanzierbarkeit von FBBE- gewiesen, dass sich eine hohe pädagogische Angeboten – für die Qualität ein. Beispielwei- Qualität in familienergänzenden Einrichtungen se wollte die Ausstellung «Entdeckung der positiv auf die kindliche sozial-emotionale Welt», die von 2017–2019 in verschiedenen und kognitive Entwicklung auswirkt (Melhuish Schweizer Städten zu sehen war, die Diskus- et al., 2015). Neben strukturellen Merkmalen sion anregen, was Qualität der FBBE ist und wie Betreuungsschlüssel oder Gruppengrösse das Thema so in die Öffentlichkeit tragen hat sich insbesondere die Beziehungsqualität (www.entdeckungderwelt.ch). Auch das Ar- zwischen Fachperson und Kindern als wich- beitspapier der UNESCO-Kommission sowie tiger Faktor erwiesen. Besonders für kleine der Orientierungsrahmen betonen, dass die Kinder ist der feinfühlige und sensible Bezie- Qualität der Angebote für die Lern- und Ent- hungsaufbau die Basis für eine vertrauensvol- wicklungsprozesse der Kinder entscheidend le Beziehung und gelingende Exploration und ist. Der Orientierungsrahmen für frühkindliche Lernprozesse. Neben dem positiven Bezie- Bildung, Betreuung und Erziehung beschreibt hungsaufbau haben sich auch die Anregung ausführlich, welche pädagogischen Prinzipien der Kinder zum Denken und die Unterstützung für die frühe Kindheit angemessen sind. Die- des Lernens als bedeutsamer Qualitätsaspekt ses Grundlagendokument stellt dann auch die herauskristallisiert. Eine hohe Interaktions- Basis für die Qualitätsstandards für Kinderta- qualität zeichnet sich somit durch ein hohes gesstätten, wie etwa der «QualiKita» (quali- Ausmass an (a) emotionaler und verhaltens- kita.ch) und die «Qualitätsmerkmale für Spiel- bezogener Unterstützung sowie (b) aktiver gruppen» dar (sslv.ch/qualitaetsmerkmale). Lernunterstützung aus (La Paro et al., 2012; Perren et al., 2016). Auch wenn FBBE, wie oben ausgeführt wird, sehr breit definiert wird, stand in den letzten In unserer Arbeitsgruppe haben wir bereits Jahren in der Praxis und in der Forschung mehrere Studien in der Schweiz durchgeführt, insbesondere die Qualität von familienergän- welche sich mit der Interaktionsqualität in zenden Bildungs- und Betreuungsangeboten frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsein- im Vordergrund. Der vorliegende Artikel be- richtungen beschäftigten. In diesen Studien fasst sich im Folgenden mit der Qualität im beobachten wir die Fachpersonen-Kind-Inter- familienergänzenden Bereich und hier insbe- aktion mit einem standardisierten internatio- sondere mit Interaktionsqualität als Schlüssel- nal anerkannten Beobachtungsverfahren (La kompetenz von Fachpersonen. Paro et al., 2012, Perren et al., 2016). Qualitätsentwicklung in der FBBE – Diverse nationale und internationale Studien aber was und wie? kommen zu dem Ergebnis, dass es Fachkräf- Die Bedeutung einer qualitativ hochstehenden ten aus dem Frühbereich meist gut gelingt, frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erzie- einen wertschätzenden, sensitiven Umgang hung auf die Entwicklung und das Wohlbe- mit den Kindern zu pflegen und ein positives, finden der Kinder ist hinlänglich bekannt. Ver- vertrauensvolles Klima herzustellen. Im Ge- FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
10 HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE gensatz dazu fällt die Bewertung der kindli- chen Lernunterstützung durchweg eher nied- rig aus. Dieser internationale Befund bestätigt sich in unserer eigenen Forschung in der Schweiz (z.B. Perren et al., 2016): Den Fach- personen gelingt es im Durchschnitt sehr gut, ein positives Klima in den Kindergruppen her- zustellen. In den Gruppen bzw. Familien wur- de zudem eine grosse Sensibilität der Fach- personen beobachtet. Weiter zeigt sich, dass die Fachpersonen im Allgemeinen mehr Wert auf die Berücksichtigung der kindlichen Per- spektive legen, als auf die Führung des kind- lichen Verhaltens. Den Kindern situationsspe- zifisches Feedback zu geben, welches weiter- obachtete Variabilität zwischen den Einrich- führende Informationen enthält, scheint hin- tungen erklären können. Hier zeigten sich sehr gegen schwieriger zu sein – hier zeigen sich wenige systematische Zusammenhänge mit die niedrigsten Werte. Ebenso wurden im den Rahmenbedingungen, aber die situatio- Betreuungsalltag weniger Gelegenheiten be- nellen Bedingungen scheinen sehr relevant. obachtet, in denen die Kinder aktiv an eine Geführte Gruppenaktivitäten weisen mehr un- Lernmöglichkeit herangeführt oder das kind- terstützende Fachkraft-Kind-Interaktionen auf liche Verständnis über Zusammenhänge so- als andere Aktivitätssettings, insbesondere als wie das Wissen der Kinder aktiv erweitert Mahlzeiten und Routinen. Je mehr Kinder wurde (Perren et al., 2016). Diese Studie zeigt oder mehr Säuglinge anwesend sind, desto auch, dass es eine grosse Variabilität bezüg- schlechter fällt die Interaktionsqualität aus lich der Interaktionsqualität bei den beobach- (Reyhing et al., 2019; Diebold & Perren, 2020). teten Gruppen/Familien gibt. Entgegen unse- Diese Studien verdeutlichen die Wichtigkeit ren Erwartungen fanden sich aber keine sys- der Alltagsgestaltung als Ansatzpunkt für wei- tematischen Unterschiede zwischen den Ins- tere Qualitätsentwicklungsmassnahmen. titutionsformen (Spielgruppen, Kindertages- stätten, Tagesfamilien). In allen drei Formen Wenn es nicht die strukturellen Rahmenbe- liessen sich Institutionen, Gruppen bzw. Fa- dingungen sind, welche die Variabilität in der milien finden, welche eine gute bis sehr gute Interaktionsqualität erklären, was ist es denn? Qualität in verschiedenen Bereichen aufwei- Möglicherweise sind es die individuellen sen, aber auch solche, die gemäss unseren Kompetenzen der Fachpersonen, die eine Standards eher im unteren oder mittleren Be- hohe Interaktionsqualität – auch in herausfor- reich der Qualität liegen (Perren et al., 2016). dernden Situationen – möglich machen. In einer aktuell laufenden Studie untersuchen wir In nachfolgenden Studien untersuchten wir, genau diese Frage: Können wir durch eine ob strukturelle Rahmenbedingungen die be- Weiterbildung das Wissen und die Kompe- FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE 11 tenzen der Fachpersonen erhöhen, so dass eigenen Rhythmus absolviert werden können diese später im Alltag eine höhere Interak und begleitende Video-Coaching-Sitzungen, tionsqualität zeigen? die live und individuell mit einem Coach durchgeführt werden. Ein web-mediiertes Die Meta-Analyse von Egert und KollegInnen Format eignet sich sehr gut, um das Intentio- (2017) hat aufgezeigt, dass Weiterbildungen in nal Teaching Model in den Lernkontext von frühpädagogischen Einrichtungen wirksam Fachkräften einzubauen. Die Weiterbil- Kompetenzen und Interaktionsqualität der dungsteilnehmenden eignen sich mit Texten, Fachkräfte verbessern können. Weiterbildun- Aufgaben und Videos Wissen über die früh- gen sind besonders wirksam, wenn sie indi- kindliche Entwicklung und unterstützende vidualisierte Lerngelegenheiten, Coaching und Handlungsstrategien in alltäglichen und her- einen direkten Anwendungsbezug beinhalten. ausfordernden Situationen an. Videos ermög- In Austausch mit der University of Virginia lichen sowohl die direkte Analyse des eigenen (Jennifer LoCasale-Crouch und Team) haben Interaktionsverhaltens sowie eine intensive wir in unserer Arbeitsgruppe eine Weiterbil- und persönliche Auseinandersetzung mit der dung zur Förderung der Interaktionsqualität Thematik, was zusätzlich zu einer erhöhten bei Fachpersonen im frühpädagogischen Feld Effektivität führen kann. Relevant sind zudem entwickelt. Der didaktische Aufbau dieser die Vorteile von Onlineformaten hinsichtlich Weiterbildung (iQuaKi) basiert auf dem Inten- ihrer individualisierten und flexiblen Lern- und tional Teaching Model (Hamre et al., 2012). In Zeiteinteilung. Hierdurch ist es möglich, der diesem Ansatz werden die unterschiedlichen Heterogenität der Teilnehmenden besser ge- Ebenen des Lernens einbezogen, welche in recht zu werden als dies bei Präsenzkursen effektiven Weiterbildungen integriert werden möglich ist. In Coaching Sitzungen werden die sollten. Das Wissen hinsichtlich der Fach- einzelnen Komponenten des Modells verbun- kraft-Kind Interaktionen und dessen prakti- den. Die Fachkräfte videografieren hierzu eine sche Umsetzung (KNOW) wie auch das Be- eigene Alltagssequenz (DO), welche gemein- obachten effektiver/positiver Beispielsitua sam mit dem Coach betrachtet, ausgewertet tionen (SEE) sind dabei relevante Faktoren. und reflektiert wird. Videosequenzen spielen Zusätzlich sollten die Weiterbildungen eine innerhalb des Kurses eine entscheidende Verknüpfung zur eigenen Praxis schaffen und Rolle. Sie werden sowohl für die Coaching- Möglichkeiten bieten, das Gelernte im Alltag einheiten (REFLECT), als auch in Form von umzusetzen (DO). Schließlich ist ein sehr re- Beispielvideos (KNOW und SEE) als Anschau- levanter Punkt die strukturierte und angelei- ungsmaterial eingesetzt. Ziel der aktuellen tete Analyse eigener Interaktionen und Prak- Studie ist die Wirkung der iQuaKi-Weiter tiken sowie die Planung möglicher Verände- bildung auf die Kompetenz und Interaktions- rungen (REFLECT). qualität zu überprüfen und damit neue Erkenntnisse für die Förderung und Weiter- Die iQuaKi-Weiterbildung wird in einem entwicklung von Qualität in der FBBE zu ge- web-mediierten Format umgesetzt und um- nerieren. fasst interaktive E-Learning Elemente, die im FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
12 HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE Literaturverzeichnis Diebold, T., & Perren, S. (2020). The impact of Perren, S., Frei, D., & Herrmann, S. (2016). childcare-group situational age composition on Pädagogische Qualität in frühkindlichen Bildungs- caregiver-child interactions. European Journal und Betreuungseinrichtungen in der Schweiz: Erste of Developmental Psychology, 17(4), 598–615. Erfahrungen und Befunde mit dem CLASS toddler https://doi.org/10.1080/17405629.2019.1699050 Beobachtungsverfahren. Frühe Bildung, 5(1), 3–12. https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000242 Egert, F., & Dederer, V. (2018). Metaanalyse zur Wirkung von Weiterbildungen für pädagogische Reyhing, Y., Frei, D., Burkhardt Bossi, C., & Perren, Fachkräfte zur Steigerung der Interaktionsqualität. S. (2019). Die Bedeutung situativer Charakteristiken Staatsinstitut für Frühpädagogik. https://www.ifp. und struktureller Rahmenbedingungen für die Qualität bayern.de/imperia/md/content/stmas/ifp/ der unterstützenden Fachkraft-Kind-Interaktion in metaanalyse_interaktionsqualitat_egert_dederer_ Kindertagesstätten. Zeitschrift für Pädagogische 2018_final.pdf Psychologie, 33(1), 33–47. https://doi.org/10.1024/ 1010-0652/a000233 Hamre, B. K., Pianta, R. C., Burchinal, M. R., Field, S., LoCasale-Crouch, J., Downer, J. T., Howes, C., Wustmann Seiler, C. & Simoni, H. (2012). Orientie- LaParo, K. M., & Scott-Little, C. (2012). A Course rungsrahmen für frühkindliche Bildung, Betreuung on Effective Teacher-Child Interactions: Effects on und Erziehung in der Schweiz. Erarbeitet vom Marie Teacher Beliefs, Knowledge, and Observed Practice. Meierhofer Institut für das Kind, erstellt im Auftrag American Educational Research Journal, 49(1), der Schweizerischen UNESCO-Kommission und des 88–123. https://doi.org/10.3102/0002831211434596 Netzwerks Kinderbetreuung Schweiz. Infras (2019). Für eine Politik der frühen Kindheit: Eine Investition in die Zukunft, Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung / Frühe Förderung in der Schweiz. Erarbeitet von INFRAS, erstellt im Auftrag der Schweizerischen UNESCO-Kommission. La Paro, K. M., Hamre, B. K., & Pianta, R. C. (2012). Classroom assessment scoring system (CLASS) manual, toddler. Brookes Publishing Co, Inc. Melhuish, E., Ereky-Stevens, K., Petrogiannis, K., Ariescu, A., Penderi, E., Rentzou, K., Tawell, A., Leseman, P., & Broekhuisen, M. (2015). A review of research on the effects of early childhood Education Sonja Perren and Care (ECEC) upon child development. http:// Prof. Dr., Professorin für Entwicklung ecec-care.org/fileadmin/careproject/Publications/ und Bildung in der frühen Kindheit, reports/new_version_CARE_WP4_D4_1_Review_on_ Universität Konstanz und Pädagogische the_effects_of_ECEC.pdf Hochschule Thurgau Bärenstrasse 38, 8280 Kreuzlingen, sonja.perren@uni-konstanz.de www.fruehekindheit.ch FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE 13 Das Zentrum für Frühförderung (ZFF) in den Quartiertreffpunkten Tiziana Bonomo, Claudia Giordano, Judith Hilber Wenn Eltern unsicher über die Entwick- Entstehungsgeschichte des Projekts lung ihres Kindes sind, ist die Schwelle Der Kanton Basel-Stadt hat in seinem Legis- ziemlich hoch, eine Heilpädagogische laturplan (2011–2013) den Schwerpunkt Früh- Früherzieherin oder Ärztin zu dem Thema bereich und damit die Verbesserung und anzusprechen. Im Gegensatz dazu bietet Stärkung, dessen Vernetzung und deren An- das Projekt «ZFF in den Quartiertreffpunk- gebote zu fördern, aufgenommen. ten» eine niederschwellige Beratung rund um das Thema Entwicklung des Kindes. In Ziel des Projekts «ZFF in den Quartiertreff- diesem Artikel stellen wir dieses Angebot punkten» war und ist es, die Eltern-Kind-Treff- vor und bringen Beispiele aus der Praxis. punkte fachlich zu stützen, ergänzendes Wis- sen der frühen Entwicklung einzubringen und Zentrum für Frühförderung Eltern niederschwellig zu erreichen. Vier Das ZFF ist das Kompetenzzentrum für den Quartiertreffpunkte wurden aufgrund sozio- Frühbereich im Kanton Basel-Stadt. Das Zen- demographischer Kriterien ausgewählt. Im trum bietet für Säuglinge und Kleinkinder Sommer 2011 starteten zwei Heilpädagogische sowie für deren Eltern Unterstützung und För- Früherzieherinnen mit ihrer Arbeit in drei derung durch ein interdisziplinäres Team aus Quartiertreffpunkten. speziell für den Frühbereich qualifizierten Fachpersonen der Logopädie, Heilpädagogik, Ein gutes pädagogisches Wissen der Leitung Psychologie, Sozialarbeit, Erziehungswissen- im Eltern-Kind-Treff ist bereits vorhanden. Die schaften und durch sogenannte «Peers» (Mit- Heilpädagogischen Früherzieherinnen ergän- arbeiterinnen des standardisierten Spiel- und zen dieses Angebot mit ihrem fachlichen Wis- Lernprogramms schritt:weise und der Ge- sen und ihrer praktischen Erfahrung in der sprächsrunde femmesTische). Förderung von Kleinkindern mit besonderen Bedürfnissen und der Beratung von Eltern. Die diversen Angebote des ZFFs richten sich 2014 wurde das Projekt «ZFF in den Quartier- an Familien mit Kindern mit Wohnsitz im Kan- treffpunkten» in die bestehenden Angebote ton Basel-Stadt und können bis zum Zeitpunkt vom ZFF aufgenommen. des Kindergarteneintritts in Anspruch genom- men werden. FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
14 HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE Freizeitangebot Quartiertreffpunkt machen und Anregungen sowie Bestärkung In Basel gibt es 15 Quartiertreffpunkte. Sie öff- in ihren eigenen Eltern-Kind-Interaktionen nen ihre Türen für junge Familien sowie ältere erhalten. Das Lernen am Modell wirkt präven- Menschen, für Einheimische wie auch Neu- tiv. ankömmlinge. Die Treffpunkte unterscheiden sich in ihrer Grösse und ihren Angeboten. Bei Ausserdem bieten die Heilpädagogischen gewissen Quartiertreffpunkten sind z.B. Spiel- Früherzieherinnen je nach Bedürfnissen der gruppen einquartiert, einige geben Vorträge Zielgruppe Inputs und Diskussionsrunden zu zu Erziehungsthemen oder bieten Deutsch- Erziehungsthemen wie Sauberkeits-, Selbst- kurse an und andere stehen ein für Projekte ständigkeits-, Sprachentwicklung etc. an. Um wie «Urban Gardening». Im Allgemeinen geht die Selbstwirksamkeit zu stärken, legen sie es darum, den Menschen einen Ort zu bieten, den Fokus darauf, was und wie Eltern zum an dem sie sich begegnen und austauschen Gelingen beitragen können. können. Ein weiteres Aufgabenfeld ist das Planen und In vier dieser 15 Treffpunkte ist eine Heilpäd- Durchführen von Eltern-Kind-Aktivitäten. Bei agogische Früherzieherin vom ZFF wöchent- diesem Angebot geht es darum, Eltern Ideen lich oder 14-täglich anzutreffen: Kontaktstelle für Alltagsaktivitäten zu geben und so freudi- St. Johann, MaKly (Quartiertreffpunkt im ge Momente zusammen zu erleben. Ein Bei- Matthäusquartier), FAZ (Familienzentrum spiel dafür ist, Knete selber herzustellen und Gundeldingen) und Treffpunkt Breite. gemeinsam zu erkunden. Die Heilpädagogischen Früherzieherinnen Zusammenarbeit sind ein bis zwei Stunden vor Ort und stehen Nebst den direkten Beratungen mit den Eltern Besucherinnen und Besuchern für Fragen und und den präventiven Interaktions- und Spiel- Anliegen rund um die Entwicklung ihrer Kin- sequenzen mit den Kindern, tauschen sich die der zur Verfügung. Zentrale Aspekte der an- gebotenen frühen und präventiven Hilfe sind: Unterstützung der Erziehungskompetenzen und Sensibilisierung für die Bedürfnisse von Kleinkindern. Hierzu haben sie die Möglich- keit eines niederschwelligen Austauschs mit Eltern, die sich Sorgen bezüglich der Entwick- lung ihres Kleinkindes machen. Ein weiterer Ansatz ist das Modelllernen über die Interaktion mit dem Kind. Während die Heilpädagogische Früherzieherin mit dem Kind oder den Kindern in Kontakt kommt und spielt, können die Eltern Beobachtungen Räumlichkeiten Kontaktstelle St. Johann. FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE 15 Im Eltern-Kind-Treff stehen die Heilpädago- gischen Früherzieherinnen unter Schweige- pflicht. Nur mit Einverständnis der Eltern tau- schen sie sich mit der Elternberatung oder mit der Leitung der Quartiertreffpunkte aus. Jährlich bieten die Heilpädagogischen Früh erzieherinnen eine Fortbildung für die Mitar- beitenden der vier Treffpunkte an. Oft wird die Fortbildung auch von den anderen Quartier- treffpunkten genutzt. Die Themen der Fortbil- dungen beziehen sich auf aktuelle Situationen oder Fragestellungen aus dem Eltern-Kind- Treff wie z.B. aggressives Verhalten bei Klein- kindern, kindliches Spiel, Autismus-Spekt- rum-Störung etc. Veränderungen durch die Kooperation mit den Quartiertreffpunkten Neben dem präventiven Ansatz durch das nie- Eltern-Kind-Aktivität mit selbstgemachter derschwellige Angebot im Eltern-Kind-Treff Knete im FAZ. liegt der Fokus auch auf der Früherkennung von Kindern und Familien, welche Unterstüt- zung benötigen. In der Regel werden Eltern Heilpädagogischen Früherzieherinnen mit der auf das Angebot des ZFFs durch Kinderärzte, Leitung der Quartiertreffpunkte aus. In den Elternberaterinnen, Spielgruppen oder Kitas Quartiertreffpunkten sind auch Fachpersonen aufmerksam gemacht. Die Arbeit in den Quar- der Elternberatung Basel-Stadt integriert. Mit tiertreffpunkten eröffnet dem ZFF neue Mög- ihnen arbeiten die Heilpädagogischen Früher- lichkeiten, Familien und Kleinkinder zu errei- zieherinnen ebenfalls regelmässig zusammen. chen und somit bei Bedarf frühzeitig beim Eine gute Zusammenarbeit mit den verschie- ZFF anzumelden. Wie dies konkret aussieht, denen Fachpersonen ist wichtig und hilfreich wird nachstehend in Form eines Fallbeispiels in der Unterstützung von Familien mit kleinen erläutert. Kindern. Durch die engere Zusammenarbeit mit den Familien und ihre Kinder können durch den Quartiertreffpunkten sind deren vielfältige An- regelmässigen Kontakt im Eltern-Kind-Treff gebote den Mitarbeitenden des ZFFs stärker oder in der Beratung mit der Elternberatung im Bewusstsein. Am ZFF fliesst diese Ange- gut begleitet und mit anderen Angeboten ver- botspalette somit vermehrt in die Elternbera- netzt werden. tung mit ein. Es kommt auch immer wieder FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
16 HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE vor, dass die Heilpädagogischen Früherzie- Töchtern Samira (vierjährig) und Elisa (zwei- herinnen, anstatt einer Förderstunde zu Hau- jährig). Sie sei sehr eingespannt mit der Kin- se oder am ZFF, gemeinsam mit den Eltern dererziehung, dem Haushalt und erlebe kaum den Quartiertreffpunkt besuchen. Vor allem Unterstützung. Insbesondere Elisa sei sehr für Eltern von Kindern mit besonderen Be- anhänglich und suche stets den Körperkontakt dürfnissen ist dieser erste Schritt herausfor- der Mutter. Alleine eine Dusche zu nehmen dernd. Ein begleiteter Erstbesuch im Eltern- sei momentan nicht möglich, meint die Mut- Kind-Treff hilft, Kontakt zu knüpfen, Vertrauen ter. Auch die Eingewöhnung in die Kita muss- aufzubauen und anzukommen. ten sie verlangsamen. Geplant sei nun ein Start beim standardisierten Spiel- und Lern- Beispiele aus der Praxis (Name von programm «schritt:weise», was auch vom ZFF Kindern und Familie sind geändert) angeboten wird. Fallbeispiel Präventive Interaktion Die Heilpädagogische Früherzieherin hört Mia (2;3) und Robert (1;6) wollen ein Bil aufmerksam zu. Als die Mutter eine Pause derbuch anschauen. Die Heilpädagogische einlegt, macht die Heilpädagogische Früher- Früherzieherin setzt sich auf den Teppich und zieherin auf Elisa aufmerksam, welche sich zeigt den Kindern, wo sie sich rechts und links während der Erzählung frei im Raum bewegt, von ihr setzen dürfen. Sie öffnet das Bilder- kurz zur Mutter schaut und danach mit den buch. Die Kinder zeigen auf verschiedene anderen Kindern weiterspielt. Die Mutter Stellen. lächelt und sagt, wie erstaunt sie sei, Elisa so zu sehen. Das mache ihr Mut, weitere Situa- Die Heilpädagogische Früherzieherin wieder- tionen zu gestalten, die das gezeigte Verhalten holt, was die Kinder sagen und ergänzt die von Elisa stärken könnten. Äusserungen, indem sie auf weitere Stellen zeigt. Die Mütter von Mia und Robert sitzen Fallbeispiele Anmeldung beim ZFF vis-à-vis und beobachten diese Interaktions- Wie sich eine Familie aus dem Quartiertreff- sequenz. punkt für eine Abklärung, Beratung oder In- tervention am ZFF entscheidet und wie sich Nach der Sequenz erklärt Mias Mutter, dass der vorangegangene Beratungsprozess gestal- sie von Mias Interaktionsverhalten überrascht tet, ist sehr individuell und in jeder Begegnung sei. Sie habe gemerkt, wie gross ihr Wort- anders. Fällt der Heilpädagogischen Früher- schatz geworden sei. Sie wolle Mia zu Hause zieherin im Eltern-Kind-Treff ein Kind in seiner bei der Bilderbuchbetrachtung mehr Zeit las- Entwicklung auf, sucht sie das Gespräch mit sen, damit Mia ihre Beobachtungen mitteilen den Eltern und interagiert vermehrt mit dem könne. Kind, um sich ein Bild zu verschaffen. Im Ge- spräch mit den Eltern tastet sie sich behutsam Fallbeispiel Psychoedukation an die Thematik heran. Erfragt, wie die Eltern Eine Mutter berichtet der Heilpädagogischen ihr Kind erleben: – bestehen bereits gewisse Früherzieherin vom Alltag mit ihren zwei Sorgen um die kindliche Entwicklung oder FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE 17 stellen sich für die Eltern noch gar keine Fra- altersentsprechend. Er selbst hätte auch spät gen. Untenstehend zwei Beispiele dazu. angefangen zu sprechen und bei der Jahres- kontrolle beim Kinderarzt sei auch alles nor- Fallbeispiel Jamil mal gewesen. Es braucht mehrere intensive Eine Mutter kommt mit ihrem zweiein- Gespräche, wobei die Heilpädagogische halb-jährigen Sohn Jamil erstmals in den Früherzieherin dem Vater unter anderem auch Quartiertreffpunkt. Sie hat erfahren, dass eine vorschlägt, gemeinsam zu schauen, was ein Heilpädagogische Früherzieherin im Treff- Kind in diesem Alter normalerweise für kom- punkt anwesend ist. Der Junge zeigt beson- munikative Fähigkeiten zeigt. Dafür schauen dere Verhaltensweisen – er dreht sich im sie sich gemeinsam den Flyer «Wie spricht Kreis, wedelt mit der Hand vor dem Gesicht, mein Kind?» des Deutschschweizer Logopä- äussert Laute, aber keine Worte. Die Mutter dinnen- und Logopädenverbandes an. Da sich fragt die Heilpädagogische Früherzieherin, ob zwischen dem Vater und ihr ein Vertrauens- alles gut sei mit ihrem Kind. Ihr Mann meine, verhältnis entwickelt hat, teilt sie ihm ihre es sei alles gut und die Sprache werde schon Sorge mit und empfiehlt ihm, Paul am ZFF noch kommen. Der Kinderarzt hätte auch vorzustellen. Obwohl aus ihrer Sicht eine ent- noch nichts gesagt. Da die Heilpädagogische wicklungspsychologische Abklärung indiziert Früherzieherin nicht weiss, ob sie die Mutter gewesen wäre, ist dieser Schritt noch nicht erneut sehen wird, entschliesst sie sich dazu, möglich für den Vater. Das Thema der Sprach- ihre Sorge, die sie spürt, zu verbalisieren. Sie verzögerung beschäftigt ihn nun vermehrt und schildert der Mutter ihre Verhaltensbeobach- so gelingt eine Anmeldung zu einer logopädi- tungen und stellt das Angebot des ZFFs vor. schen Abklärung. Aufgrund der logopädi- Einerseits kommt bei der Mutter Trauer auf, schen Abklärung und Rückmeldung erfolgte anderseits fühlt sie sich mit ihren Sorgen ernst eine entwicklungspsychologische Abklärung genommen. Anschliessend füllen sie den An- und Paul erhielt bis zum Kindergarteneintritt meldebogen des ZFFs gemeinsam aus. Die Heilpädagogische Früherziehung. Abklärungen ergaben einen Förderbedarf und Jamil erhält nun Heilpädagogische Früherzie- So verschieden die Wege zu einer Anmeldung hung am ZFF. auch sind, es bedarf ein grosses Mass an Feinfühligkeit, die Eltern in ihren Schritten zu Fallbeispiel Paul begleiten, ihr eigenes Tempo anzuerkennen Die Heilpädagogische Früherzieherin kennt und zu respektieren. Nicht immer gelingt dies. Paul bereits seit er ein Säugling ist. In dieser Zeit hat er häufig geschrien und wirkte un Die Arbeit in den Quartiertreffpunkten ist so ruhig. Als Paul älter wird, zeigt er eine Verzö- bunt wie die Familien, die diese besuchen. Für gerung in der Interaktion und Kommunikation die Heilpädagogischen Früherzieherinnen ist sowie ein besonderes Spielverhalten. Sie die Arbeit im Eltern-Kind-Treff eine grosse macht sich Sorgen, um seine Entwicklung und Bereicherung, Abwechslung und Herausfor- sucht das Gespräch mit dem Vater. Der Vater derung. Durch die Präsenz des ZFFs können empfindet die Entwicklung seines Sohnes als Familien beraten, begleitet und auch gestärkt FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
18 HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE werden. Die Vernetzung und der Austausch www.zff.bs.ch mit verschiedenen Fachpersonen wie z.B. den Elternberaterinnen, den Spielgruppen vor Ort Quelle: oder der Leitung vom Quartiertreffpunkt sind Homepage Quartiertreffpunkte Basel: sehr wichtig und schätzen sie sehr. All diese https://www.qtp-basel.ch/ Facetten machen die Arbeit in den Quartier- treffpunkten aussergewöhnlich. Tiziana Bonomo Claudia Giordano Judith Hilber MA Sonderpädagogik MA Sonderpädagogik MA Sonderpädagogik Vertiefungsrichtung HFE Vertiefungsrichtung HFE Vertiefungsrichtung HFE tiziana.bonomo@bs.ch claudia.giordano@bs.ch judith.hilber@bs.ch FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE 19 Gemeinsamkeiten und Zusammenarbeit Mütter- und Väterberaterin und Heilpädagogische Früherzieherin im Gespräch Ruth Kirsch und Carina Speck Carina Speck: Vielen Dank haben Sie sich bereit erklärt, mit uns ein Fachgespräch zu führen. Ich freue mich sehr auf den Austausch mit Ihnen. In diesem Gespräch geht es um den Aus- tausch zwischen Ihrem und unserem Be- rufsfeld. Über die Gemeinsamkeiten, die Unterschiede und über die Zusammen Ruth Kirsch arbeit zwischen den beiden Berufsfeldern. Mütter- und Väterberaterin NDS Mütter- und Väterberatung Kurze Vorstellung Region Aarau Plus Carina Speck: Als Heilpädagogische Früher- Gemeindehaus, Postfach 91, zieher*innen arbeiten wir mit Familien und 5042 Hirschthal deren Kindern im Alter von 0 bis meistens 4 Jahren, die in ihrer Entwicklung gefährdet oder verzögert sind oder eine Behinderung haben. Wir arbeiten mit den Familien in der Regel bis zum Kindergarteneintritt. Ruth Kirsch: Das ist bei uns hier in der Region auch so. Die Heilpädagog*innen hier in der Region machen es auch so wie ihr. Auch wir beraten Familien mit Kindern von 0–5 Jahren zu Themen wie Ernährung, Pflege, Entwick- Carina Speck lung und Erziehung. Im Zentrum steht das Dipl. Heilpädagogische Wohl des Kindes. Das Ziel aller Unterstüt- Früherzieherin zungsleistungen ist es, die Betreuungs- und Pädagogisch-Therapeutische Erziehungskompetenzen der Eltern zu stärken, Zentrum Baselland (ptz) damit Kinder in einem Umfeld aufwachsen, Benzburgweg 22, Liestal das ihrer Entwicklung förderlich ist. FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
20 HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE Angebot der Mütter- und K: Das ist ziemlich offen, es muss mit unserem Väterberater*innen Pensum stimmen und wird mit unserer Ge- S: Ihr geht zu den Familien nach Hause. In schäftsstellenleiterin abgesprochen. Das An- diesem Bereich bestehen Ähnlichkeiten zu gebot der MVB ist für alle Familien freiwillig unserem Arbeitsfeld. und kostenlos. Das heisst, es gibt auch immer K: Ja. Einerseits gehen wir sie besuchen, vor wieder Familien, die sagen: «Nein, vielen allem am Anfang nach der Geburt. So können Dank, wir brauchen das nicht», wenn wir sie wir den Kontakt mit den Familien aufbauen, telefonisch kontaktieren oder sie anschreiben. damit sie uns kennen lernen. Das ist für uns Dafür gibt es andere Familien, bei denen wir sehr wichtig. Anderseits besteht die Möglich- merken, dass sie mehr Unterstützung brau- keit zu einer Beratungsstelle zu kommen, wel- chen. che wir in jeder Gemeinde anbieten. Bei einer grösseren Gemeinde ist das vielleicht zwei S: Sie sprechen zwei wichtige Aspekte an. Ei- Mal im Monat oder sogar mehr. Wir bieten nerseits geht es um die Familien, die mehr ebenfalls die Möglichkeit einer Kommunika- Unterstützung benötigen. Anderseits erwäh- tion per Chat. Wir haben eine eigene Home- nen Sie den telefonischen Kontakt zu den Fa- page und sie können mit uns über den Chat milien. Wie findet dieser statt? eine schnelle Anfrage starten. K: Wir bekommen eine Geburtsmeldung von der Gemeinde und meist auch einen Austritts- S: Wie gestaltet sich die erste Kontaktaufnah- bericht vom Spital. Sie kontaktieren die Fami- me mit den Familien? lien per Telefon oder wir schreiben ihnen ei- K: Die erste Kontaktaufnahme geht immer von nen Brief mit den nötigen Angaben. Das erste uns aus. Danach melden sich die Familien Mal bieten wir immer einen Hausbesuch an. individuell (Telefon, Mail, Chat, Beratungsstel- Familien mit kleinen Babys sind eigentlich le). Bei einzelnen Gemeinden, wo ein zusätz- froh, wenn sie nicht irgendwo das erste Mal liches Pensum finanziert wird, sind regelmäs- hingehen müssen. Dahinter steckt ebenfalls sige Hausbesuche möglich. Diese Gemeinden die Idee, dass die Familien ein Gesicht von der haben einen zusätzlichen Leistungsvertrag mit Mütter- und Väterberater*in bekommen, uns der Mütter-Väter-Beratung (MVB) abgeschlos- als Person kennen und danach ist es auch sen. Das heisst, ich habe noch mehr Kapazität einfacher, selber zu uns in die Beratungsstel- für weitere Hausbesuche damit ich die Fami- le zu kommen oder uns per Telefon zu kon- lien mit besonderen oder schwierigen Situa- taktieren. tionen und/oder Bedürfnissen länger betreuen kann. S: Die erste Hemmschwelle ist somit bereits abgebaut. S: Das ist sehr spannend. Da geht es um die K: Ja. Ressourcen, die ihr im Kontakt mit den Fami- lien habt. Habt ihr eine Auflage, wie viele Ma- Interdisziplinäre Zusammenarbeit le ihr die Familie besuchen dürft oder habt ihr S: Jetzt komme ich wieder zurück zu den Fa- quasi ein offenes Kontingent? milien, die mehr Unterstützung benötigen. FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE 21 Welche sind die wichtigen Fachpersonen, die Gewicht nicht stimmt oder wenn ganz viel für euren Arbeitsalltag relevant sind? Kommt Fragen rund um die Ernährung vorhanden es vor, dass ihr den Familien andere Fachstel- sind. len empfehlt? K: Am Anfang ist die Zusammenarbeit mit S: Wenn ihr zu den Familien nach Hause geht, den Hebammen sehr wichtig. Wir haben auf was achtet ihr, um festzustellen, dass es eine gute Zusammenarbeit mit den Hebam- der Familie und dem Kind gut geht? Habt ihr men. Sie schicken ein Übergabeprotokoll Anhaltspunkte, die euch wichtig sind? mit der Meldung, dass sie bei einer Familie K: Wenn wir auf Hausbesuch gehen, dann ihre Arbeit abgeschlossen haben. Sie stellen wir unser Angebot vor. Gibt es gerade schreiben ebenfalls, wenn eine Mutter sehr eine aktuelle Frage, ein Anliegen der Eltern? froh ist um einen schnellen Kontakt unser- Wie geht es dem Kind? Wie gedeiht das seits. Auch bei schwierigen Situationen be- Kind? Wie geht es den Eltern in ihrer neuen ziehen sie uns ein, so dass wir das erste Rolle, den Geschwistern? Wer kann die Fami- Mal mit der Hebamme die Familie besu- lie unterstützen? Grosseltern, Freunde, Nach- chen, damit die Betreuung weiter besteht. barn? Wir besprechen das aktuelle Anliegen, Die Hebammen sind ganz wichtige und na- kontrollieren, wenn gewünscht, das Gewicht he Bezugspersonen, die gerade nach der vom Kind. Je nach Situation wird ein Folge- Geburt mit den Familien im Kontakt sind. besuch oder ein Beratungstermin auf der Be- Sobald sie bei der Familie abschliessen, ist ratungsstelle vereinbart. es manchmal schwierig für die Mütter je- mand neues anzusprechen. Gerade in einer S: Wenn ihr seht, dass eventuell mit der Ent- schwierigen Situation beziehen sie uns mit wicklung des Kindes etwas nicht stimmt oder ein, damit wir zusammen auf Hausbesuch dass sehr grosse Unsicherheiten von Seiten gehen und die Familien uns kennenlernen. der Eltern vorhanden sind, die nicht aufgefan- Auf diese Weise übergibt die Hebamme uns gen werden können, die eventuell mehr Un- die Familie. terstützung benötigen, empfehlt ihr in so ei- nem Fall den Eltern, dass sie mit dem Kinder- S: Das ist sehr schön. So ist es gewährleis- arzt sprechen? tet, dass die Zusammenarbeit nahtlos weiter- K: Ja, wir müssen das immer ganz vorsichtig geht. sagen, um die Eltern nicht zu verunsichern. K: Ja genau. Das ist die eine Zusammenarbeit. Aber das ist unsere Aufgabe, auf Auffälligkei- Zusätzlich gibt es die Zusammenarbeit mit ten hinzuweisen und weiter zu leiten. den Kinderärzten. Je nach Kinderarzt gestaltet sich diese unterschiedlich. Es gibt die Zusam- Zusammenarbeit mit der Heilpädago menarbeit in dem Sinne, dass wir, wenn uns gischen Früherzieherin oder dem Heilpäda- etwas auffällt, den Familien sagen, dass sie gogischen Früherzieher sich beim Kinderarzt melden sollen. Es gibt S: Kommt es bei euch im Arbeitsalltag vor, auch den Fall, dass der Kinderarzt uns dass ihr den Familien direkt Heilpädagogische die Familie zuweist, wenn zum Beispiel das Früherziehung empfehlt oder den Familien FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
22 HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE das Angebot der Heilpädagogischen Früher- die Gleiche in dieser Gemeinde. Hinzu habe ziehung erklärt? Oder geschieht das eventuell ich die Möglichkeit, nach der Krabbelgruppe, einfach über den Kinderarzt oder die Kinder- mich mit ihr auszutauschen. Habe ich in der ärztin? Beratung Fragen über ein schwieriges Verhal- K: Doch, das passiert schon, dass wir Früher- ten eines Kindes oder über die Entwicklung, ziehung empfehlen. Sicher nicht beim ersten kann ich das mit ihr besprechen. Natürlich Mal, wo wir die Familie kennenlernen. Wir schauen wir dabei auf die Schweigepflicht. müssen die Familie mindestens zwei oder drei Diesen Austausch schätzen wir beide sehr. Mal gesehen haben. Damit wir einen guten Umgekehrt beobachtet sie vielleicht Eltern, Eindruck bekommen, damit wir ebenfalls die wie sie mit ihren Kindern umgehen, wir be- Eltern kennenlernen. Was ich vor allem auch sprechen die Beobachtungen. Wir können betonen möchte, ist, dass in der Gemeinde, uns austauschen und gegenseitig viel profitie- in der ich auch mehr Kapazitäten habe, seit ren. ungefähr fünf Jahren eine Krabbelgruppe be- steht, ein Treffpunkt für Mutter und Kind. Am S: Miteinander könnt ihr voneinander profitie- gleichen Ort, nebenan, ist die Mütter- und ren. Jede hat ihr spezifisches Wissen und ihr Väterberaterin anwesend. Die Krabbelgruppe könnt euch austauschen. wird hinzu von einer Person betreut, die wie K: Ja, das stimmt. Ernährung, Schlafrhythmus eine Gastgeberin die Mütter willkommen finden, Regulation, Bindung usw. das sind un- heisst, ihnen zeigt, was wo ist usw. In dieser sere Themen … Manchmal vereinbaren wir Krabbelgruppe ist ebenfalls regelmässig eine gerade einen gemeinsamen Termin. Das ist so Fachperson der Stiftung Netz, eine Heilpäda- wertvoll. Ich merke, wie die Eltern dann nicht gogische Früherzieherin, dabei. In dieser Ge- mehr so eine grosse Hemmschwelle haben. meinde, wo ich bin, haben wir drei Standorte, Das Gespräch findet in den Örtlichkeiten, die also drei Krabbelgruppen und drei Mal habe sie bereits kennen, statt und die Fachperson ich gleichzeitig Mütter-Väterberatung. Die El- ist bei uns und wir führen gemeinsam das Ge- tern können ohne Anmeldung in die Krabbel- spräch. Je nachdem führt die Fachperson gruppe kommen, können so lange bleiben, ebenfalls das Gespräch alleine. wie sie möchten und haben die Möglichkeit diese Fachperson bei Entwicklungsfragen S: Wie ist es bei euch? Wenn es zu einer An- oder erzieherische Fragen anzusprechen. Sie meldung beim Früherziehungsdienst kommt, ist einfach da und unterstützt manchmal beim wer meldet die Familie an? Dürft ihr dies Spielen mit den Kindern und macht etwas mit tun oder muss der Kinderarzt diese vornehmen? ihnen. K: Wir dürfen die Anmeldung mit den Eltern ausfüllen, es braucht keinen Arzt. Die Eltern S: Das ist sehr schön. Somit ist das Angebot müssen beide unterschreiben. Ich unter- der Heilpädagogischen Früherziehung und schreibe auch, dass ich dies empfohlen habe MVB vernetzt und niederschwellig. und dass wir es zusammen besprochen ha- K: Ja genau! Sehr niederschwellig und sie ler- ben. Danach schicken die Eltern die Anmel- nen die Früherzieherin kennen. Es ist immer dung ab. FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
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