Mitgliedermagazin des BVF - HFE IM WANDEL - SCHNITTSTELLEN UND FBBE - Berufsverband ...

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Mitgliedermagazin des BVF - HFE IM WANDEL - SCHNITTSTELLEN UND FBBE - Berufsverband ...
Mitgliedermagazin des BVF
                NR. 103 – JANUAR 2021

  SCHWERPUNKT

HFE IM WANDEL –
SCHNITTSTELLEN
   UND FBBE

     SEITE 8

                               FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
Mitgliedermagazin des BVF - HFE IM WANDEL - SCHNITTSTELLEN UND FBBE - Berufsverband ...
2      Inhaltsverzeichnis

Was wir diesmal zum
Thema machen:

Editorial................................................................................................   3
Aktuelles aus dem BVF....................................................................... 4

HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE

Qualität in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und
Erziehung – was und wie kann man sie fördern?............................. 8

Das Zentrum für Frühförderung (ZFF)
in den Quartiertreffpunkten................................................................ 13

Mütter- und Väterberaterin und
Heilpädagogische Früherzieherin im Gespräch................................ 19

Die HFE in 5 Minuten erklären........................................................... 25

KITAplus – ein Erfolgsmodell erobert die Schweiz........................... 29

Blick in die Praxis................................................................................ 33

Autismus.............................................................................................. 36

Selbstreflexion..................................................................................... 41

Aktuelle Berufspolitik.......................................................................... 42

Rezension............................................................................................     48
Abkürzungsverzeichnis.......................................................................              50
Ankündigungen...................................................................................          52
Vorstand...............................................................................................   53
Geschäftsstelle /Vorschau..................................................................               54
Impressum...........................................................................................      56

FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
Editorial    3

                Liebe Leserinnen und Leser
                                             Tanja Alther

Das Jahr 2020 war ein enorm herausforderndes          Region Aarau zwischen der Mütter- und Väter-
Jahr für alle. Wir wurden mit Themen und Fra-         beratung und der HFE bestehen und wie die
gen konfrontiert, die ich nicht für möglich gehal-    Zusammenarbeit aussehen kann. Weiter erfahren
ten hätte. Ich frage mich immer wieder, in wel-       wir die Geschichte zur Entstehung der Grafik
cher Form dieses Jahr uns als Gesellschaft nach-      «Aufgabenfelder und Schnittstellen» des BVF und
haltig verändern wird. Müssen wir mit einer           sehen, dass die HFE eben nicht so einfach in 5
langfristigen enormen Arbeitslosigkeit rechnen?       Minuten erklärt werden kann. Zur Selbstreflexion
Werden wir irgendwann zurück zu unseren Be-           stellen wir euch in diesem Heft eine weitere Gra-
grüssungsritualen finden? Oder halten wir nun         fik zur Verfügung, in der ihr eure persönlichen
lieber etwas mehr Abstand zueinander? Werden          Hilfestellungen zur Sicherung der Gesundheit
Hygienemasken zum neuen Accessoire im Win-            und eures Wohlbefindens eintragen könnt. Ein
ter? Und wird sich die Sicht auf Krankheit und        Blick in die Praxis der FBBE gibt Auskunft über
das Recht auf Leben verändern? Time will tell …       das Erfolgsmodell «KITAplus» sowie über das
Im Moment heisst es weiterhin ausharren, hoffen       Projekt «Kita Inklusiv» aus dem Kanton Solo-
und füreinander da sein. Ich wünsche allen von        thurn. Auch diesmal begleitet uns das Thema
Herzen ein gesundes, gutes und hoffnungsvolles        ASS und Prof. Dr. Liesen berichtet über den ak-
Jahr 2021!                                            tuellen Stand des IFI Projektes und weist auf die
Das Leben geht trotz Pandemie weiter und so           tragende Rolle der HFE in der weiteren Umset-
auch unsere Arbeit als HFE. In diesem Heft be-        zung hin. Bevor die Rezension zum Buch «Unter-
schäftigen wir uns mit den Schnittstellen der HFE     wegs auf vier Füssen» das Heft abrundet, erhal-
und der Frühkindlichen Bildung, Betreuung und         ten wir zudem einen Einblick in einen aus der
Erziehung, kurz FBBE. Die FBBE ist ein weites         Not geborenen Onlinekurs während des Lock-
Feld und umspannt viele verschiedene Diszipli-        downs für Eltern von Kindern mit ASS.
nen, Ämter, Verbände, Stiftungen und weiteres.        Ich wünsche euch eine spannende Lektüre und
Wer eine Übersicht darüber sucht, was alles zu        weiterhin gute Gesundheit!
FBBE gehört, findet auf der Website des Netz-
werks Kinderbetreuung eine Auflistung der Ak-         Mit herzlichen Grüssen
teure der FBBE in der Schweiz.
Auch dieses Mal erwartet uns wieder spannen-
des. Im Leitartikel erhalten wir von Prof. Dr. Son-
ja Perren einen Überblick über aktuelle For-
schungsergebnisse im Feld der FBBE in der
Schweiz und sie zeigt Optimierungspotentiale
auf. Das Zentrum für Frühförderung in Ba-
sel-Stadt führt mit Hilfe kurzer Fallbeispiele aus,
wie eine gelungene und niederschwellige Zu-
sammenarbeit der HFE mit den lokalen Quartier-
zentren funktionieren kann. Daran anschliessend
lesen wir in einem Interview mit einer Mütter-
und Väterberaterin, welche Schnittstellen in der            Tanja Alther

                                                          FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
4   Aktuelles

                     Aktuelles aus dem BVF
                          Franziska Brüngger und Sarah Wabnitz

                               Wir sagen danke!

    Mit einem kleinen Geschenk für den Alltag möchten wir dir für deine Mitgliedschaft
          im BVF und dein Engagement für das Berufsfeld der Heilpädagogischen
     Früherziehung danken. Als kleiner Begleiter in diesem Winter überreichen wir dir
        eine kleine Tasche, nicht für Spielzeug, sondern für den kleinen Begleiter in
                Coronazeiten, die Maske. Wir danken dir für deinen Einsatz.

      Bis Ende Januar kannst du dir unseren persönlichen Dank per Video auf unserer
           Homepage www.frueherziehung.ch abholen. Wir freuen uns auf dich!

Wir starten ins neue Verbandsjahr!               fen mit der Interessensgemeinschaft der frei-
Ein gutes neues Jahr wünscht euch der Ver-       beruflich tätigen Heilpädagogischen Früher-
band und der Vorstand! Bevor wir den Blick       zieherinnen und Früherzieher (IGFF) Bern und
in das neue Verbandsjahr richten, freuen wir     Zürich oder das Vernetzungstreffen mit diver-
uns, euch noch die Aktualitäten aus dem          sen Heilpädagogischen Verbänden.
Herbst 2020 vorzustellen. Der BVF nutzt den
Herbst in der Regel, um zahlreiche Hände zu
schütteln und Netzwerke zu pflegen. Dies ha-
ben wir auch im letzten Herbst beibehalten,
mit neuen Begrüssungsritualen persönlich
oder am Bildschirm online. Hier ein kleiner
Einblick!

Wir vernetzen uns!
                                                 Miapas
Austauschtreffen                                 Der BVF ist neu Mitglied in dem Projekt Mi-
Auch im Jahr von Corona haben diverse Ver-       apas (aus dem Französischen «mes pas» oder
netzungs- und Austauschtreffen stattgefunden     «mes premiers pas» = meine ersten Schritte).
– einfach virtuell. So auch das Austauschtref-   Dies ist ein nationales und interdisziplinäres

FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
Aktuelles   5

Vernetzungsprojekt zur Gesundheitsförderung      dem Netzwerk beitreten. Gerne werden wir in
in der frühen Kindheit. Es vernetzt Fachperso-   unserem Newsletter auf den Infobrief des
nen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich,      Netzwerkes hinweisen und diesen verlinken,
die gemeinsam nationale Empfehlungen zu          sobald er erscheint.
den Themen ausreichende Bewegung, ausge-
wogene Ernährung und psychische Gesund-          Wir treffen die Studis
heit in der frühen Kindheit für Fachpersonen     Auch in diesem Jahr durften wir an der HfH
und Eltern bzw. Erziehungsberechtigte erar-      unseren Verband vorstellen und mit den Stu-
beiten und verbreiten. In Zusammenarbeit mit     dierenden über Berufspolitik diskutieren. Es
zahlreichen Verbänden trägt, steuert und fi-     war wie immer ein spannender Austausch, mit
nanziert Gesundheitsförderung Schweiz das        bereichernden Sichtweisen und neuen Er-
Projekt. Mehr Informationen zu dem Projekt       kenntnissen für den Verband. Wir bedanken
finden sich auf der Homepage: www.gesund-        uns für die Einladung und die Offenheit der
heitsfoerderung.ch.                              Studierenden.

Netzwerktreffen «Elternschaft von                Wir bilden uns weiter!
Menschen mit einer geistigen Behinderung»
Das Netzwerk zum Thema «Elternschaft von         Fachtagung Heilpädagogische
Menschen mit geistiger Behinderung» trifft       Früherziehung
sich jährlich einmal unter der Leitung von Si-   Am 18.11.2020 hätte der gemeinsame Aus-
mone Rychard, Fachstelle Lebensräume von         und Weiterbildungstag der FHNW, der HfH
Insieme Schweiz, zum Austausch und veröf-        und des BVF zum Thema «Warum handle ich
fentlicht ein bis zwei Infobriefe pro Jahr zu    so, wie ich handle? Evidenzbasierung in pä-
diesem Thema. Ziel des Netzwerkes ist es, das    dagogischen und therapeutischen Zusam-
Tabuthema «Elternschaft von Menschen mit         menhängen» mit Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gild-
geistiger Behinderung» anzusprechen und ins      hoff in Olten stattfinden sollen. Aufgrund der
Bewusstsein zu rufen. Auch in der Heilpäda-      Corona Krise musste auch dieser Anlass in
gogischen Früherziehung begegnen wir im-         den virtuellen Raum verlegt werden.
mer wieder Eltern, die mehr Unterstützung
benötigen. Was brauchen diese Eltern an Hil-
fen? Welche Angebote gibt es bereits und wo
lassen sich unterstützende Netzwerke aufbau-
en? Diesen und weiteren Fragen geht die
Netzwerkgruppe nach. Das Berufsfeld der
Heilpädagogischen Früherziehung wurde bis-
her durch Christine Schmid-Maibach vertre-
ten. Wir bedanken uns bei Christine für ihr
Engagement! Neu wird ein Vorstandsmitglied       Auf der Homepage des BVF ist der Vortrag
für den Frühbereich und somit für das Berufs-    von Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff im in-
feld der Heilpädagogischen Früherziehung         ternen Bereich aufgeschaltet. Reinhören lohnt

                                                    FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
6   Aktuelles

sich! Über die Homepage bieten wir auch ei-        Wir hoffen, euch dieses Jahr persönlich be-
ne Plattform, auf welcher Fragen und Gedan-        grüssen zu dürfen und freuen uns auf euer
ken zum Vortrag ausgetauscht werden kön-           Kommen!
nen. Teilt uns mit, was ihr denkt!
                                                   Revisor*innen!
Wir sind aktiv!                                    Wir suchen weiterhin zwei Revisor*innen, die
                                                   sich an der MV 2021 zur Wahl aufstellen las-
AG praxisnahe Qualität                             sen. Wir freuen uns, wenn ihr euch engagie-
Mit den Qualitätsstandards, den Qualitäts-         ren möchtet, es handelt sich dabei um ein
richtlinien und den berufsethischen Grundsät-      Treffen pro Jahr. Ebenso, wenn ihr jemanden
zen hat der BVF Grundlagen zur Sicherung der       kennt, den ihr empfehlen möchtet. Kontaktiert
Qualität in der Heilpädagogischen Früherzie-       uns gerne über geschaeftsstelle@frueherzie-
hung geschaffen. Wie an der letzten MV 2020        hung.ch
informiert, wurde eine Arbeitsgruppe gegrün-
det, welche sich dem Thema nun aus der Per-        Wir starten ins neue Jahr!
spektive der Fachperson Heilpädagogische           Nun freuen wir uns, mit euch in das neue Ver-
Früherziehung annimmt – Qualität ganz pra-         bandsjahr 2021 zu starten und sind gespannt,
xisnah. Mitglieder dieser Arbeitsgruppe «Pra-      was uns erwarten wird.
xisnahe Qualität» sind Petra Keller, Nadine
Blumer, Judith Rupf und Tanja Alther. Ziel der
Arbeitsgruppe ist es, Qualität in der Praxis und
im Berufsfeld sicht- und greifbar zu machen.
Die Arbeitsgruppe hat ein Portfolio erarbeitet,
welches eine Auseinandersetzung mit dem
Thema Qualität im Alltag ermöglichen und
dabei unterstützen soll, diese festzuhalten und
sichtbar zu machen. Dabei werden ganz un-
terschiedliche Aspekte der Qualität aufgegrif-
fen.
Ziel ist es, das Portfolio auf der Homepage
zugänglich zu machen. Wir danken der Ar-
beitsgruppe bereits jetzt für ihr grosses En-
gagement!

Mitgliederversammlung 2021
Die Mitgliederversammlung 2021 findet dieses
Jahr in Zofingen statt. Wir freuen uns, dass
wir Frau Waigand nochmals für einen Vortrag
gewinnen konnten. Sie begleitet uns durch
den Tag mit dem Thema UK und Modelling.

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Aktuelles   7

            Aus- und Weiterbildungstag
                 «Warum handle ich so, wie ich handle?
Evidenzbasierung in pädagogischen und therapeutischen Zusammenhängen»
                        Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff

     Der Fachvortrag steht im internen Bereich des BVFs zur Verfügung.
            Schau rein und lass dich inspirieren für deine Praxis.

                     Ein Angebot in Kooperation mit:
                          FHWN, HfH und BVF

                            Wegweisend im
                           Feld der Heilpäda-
                            gogischen Früh-
                               erziehung

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8   HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE

Qualität in der frühkindlichen Bildung,
      Betreuung und Erziehung –
 was und wie kann man sie fördern?
                                       Sonja Perren

Der FBBE-Bereich hat zum Ziel, durch             In den letzten Jahren wurden verschiedenste
qualitativ hochstehende Angebote im fami-       Initiativen lanciert, um den Stellenwert der
lienunterstützenden und -ergänzenden            frühen Kindheit und entsprechender Ange­
­Bereich eine gesunde Entwicklung aller         bote für Kinder und Familien zu stärken. Der
 Kinder zu ermöglichen. In frühkindlichen       Orientierungsrahmen hat sich als wichtiges
 Bildungs- und Betreuungseinrichtungen          Referenzdokument etabliert (Wustmann Seiler
 zeichnet sich eine hohe Qualität vor allem     & Simoni, 2012). Die Wanderausstellung des
 durch unterstützende Fachpersonen-Kind-        Vereins Stimme Q setzte sich für die Qualität
 Interaktion aus.                               in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und
                                                Erziehung (FBBE) ein (stimmeq.ch). Die
Frühkindliche Bildung, Betreuung und            ­READY! Kampagne setzt sich für den Transfer
Erziehung in der Schweiz                         in die Politik ein (ready.swiss). Das vor einem
In den letzten Jahren war das Thema FBBE         Jahr lancierte Arbeitspapier der UNESCO-
– frühkindliche Bildung, Betreuung und Erzie-    Kommission zur «Politik der frühen Kindheit»
hung – in aller Munde. Der Begriff FBBE wird     fordert neben zugänglicheren Angeboten,
in der Schweiz sehr breit verwendet. Es wer-     mehr Vernetzung und Koordination und stär-
den unter diesem Fachbegriff alle Angebote       kerer öffentliche Finanzierung, auch eine ver-
und Rahmenbedingungen, die das Aufwach-          besserte Qualität der frühkindlichen Bildung,
sen von Kindern betreffen, subsummiert.          Betreuung und Erziehung (Infras, 2019). Diese
Nicht selten wird in der Schweiz hierfür syn-    und weitere Initiativen wurden kürzlich in
onym der Begriff «Frühe Förderung» verwen-       der neu gegründeten Netzwerkorganisation
det. Die Angebote reichen von familienunter-     Alliance Enfance gebündelt (alliance-enfance.
stützenden Angeboten wie gesundheitliche         ch). Diese Organisation setzt sich für das
Versorgung von Schwangeren, Elternberatung       Recht aller Kinder auf eine bestmögliche Ent-
oder Hausbesuchsprogramme bis hin zu             wicklung ein. Sie fokussiert auf die Förderung
­familienergänzenden Angeboten wie Spiel-        der Chancengerechtigkeit und engagiert sich
 gruppen, Tagesfamilien und Kindertages­         für die Verbesserung gesetzlicher und struk-
 stätten. Alle Angebote der FBBE haben zum       tureller Rahmenbedingungen auf politischer
 Ziel, eine gesunde Entwicklung aller Kinder     Ebene.
 zur ermöglichen.

FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE     9

All diese Initiativen setzen sich – neben dem     schiedene internationale Studien haben nach-
Ausbau und der Finanzierbarkeit von FBBE-­        gewiesen, dass sich eine hohe pädagogische
Angeboten – für die Qualität ein. Beispielwei-    Qualität in familienergänzenden Einrichtungen
se wollte die Ausstellung «Entdeckung der         positiv auf die kindliche sozial-emotionale
Welt», die von 2017–2019 in verschiedenen         und kognitive Entwicklung auswirkt (Melhuish
Schweizer Städten zu sehen war, die Diskus-       et al., 2015). Neben strukturellen Merkmalen
sion anregen, was Qualität der FBBE ist und       wie Betreuungsschlüssel oder Gruppengrösse
das Thema so in die Öffentlichkeit tragen         hat sich insbesondere die Beziehungsqualität
(www.entdeckungderwelt.ch). Auch das Ar-          zwischen Fachperson und Kindern als wich-
beitspapier der UNESCO-Kommission sowie           tiger Faktor erwiesen. Besonders für kleine
der Orientierungsrahmen betonen, dass die         Kinder ist der feinfühlige und sensible Bezie-
Qualität der Angebote für die Lern- und Ent-      hungsaufbau die Basis für eine vertrauensvol-
wicklungsprozesse der Kinder entscheidend         le Beziehung und gelingende Exploration und
ist. Der Orientierungsrahmen für frühkindliche    Lernprozesse. Neben dem positiven Bezie-
Bildung, Betreuung und Erziehung beschreibt       hungsaufbau haben sich auch die Anregung
ausführlich, welche pädagogischen Prinzipien      der Kinder zum Denken und die Unterstützung
für die frühe Kindheit angemessen sind. Die-      des Lernens als bedeutsamer Qualitätsaspekt
ses Grundlagendokument stellt dann auch die       herauskristallisiert. Eine hohe Interaktions-
Basis für die Qualitätsstandards für Kinderta-    qualität zeichnet sich somit durch ein hohes
gesstätten, wie etwa der «QualiKita» (quali-­     Ausmass an (a) emotionaler und verhaltens-
kita.ch) und die «Qualitätsmerkmale für Spiel-    bezogener Unterstützung sowie (b) aktiver
gruppen» dar (sslv.ch/qualitaetsmerkmale).        Lernunterstützung aus (La Paro et al., 2012;
                                                  Perren et al., 2016).
Auch wenn FBBE, wie oben ausgeführt wird,
sehr breit definiert wird, stand in den letzten   In unserer Arbeitsgruppe haben wir bereits
Jahren in der Praxis und in der Forschung         mehrere Studien in der Schweiz durchgeführt,
insbesondere die Qualität von familienergän-      welche sich mit der Interaktionsqualität in
zenden Bildungs- und Betreuungsangeboten          frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsein-
im Vordergrund. Der vorliegende Artikel be-       richtungen beschäftigten. In diesen Studien
fasst sich im Folgenden mit der Qualität im       beobachten wir die Fachpersonen-Kind-Inter-
familienergänzenden Bereich und hier insbe-       aktion mit einem standardisierten internatio-
sondere mit Interaktionsqualität als Schlüssel-   nal anerkannten Beobachtungsverfahren (La
kompetenz von Fachpersonen.                       Paro et al., 2012, Perren et al., 2016).

Qualitätsentwicklung in der FBBE –                Diverse nationale und internationale Studien
aber was und wie?                                 kommen zu dem Ergebnis, dass es Fachkräf-
Die Bedeutung einer qualitativ hochstehenden      ten aus dem Frühbereich meist gut gelingt,
frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erzie-      einen wertschätzenden, sensitiven Umgang
hung auf die Entwicklung und das Wohlbe-          mit den Kindern zu pflegen und ein positives,
finden der Kinder ist hinlänglich bekannt. Ver-   vertrauensvolles Klima herzustellen. Im Ge-

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10   HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE

gensatz dazu fällt die Bewertung der kindli-
chen Lernunterstützung durchweg eher nied-
rig aus. Dieser internationale Befund bestätigt
sich in unserer eigenen Forschung in der
Schweiz (z.B. Perren et al., 2016): Den Fach-
personen gelingt es im Durchschnitt sehr gut,
ein positives Klima in den Kindergruppen her-
zustellen. In den Gruppen bzw. Familien wur-
de zudem eine grosse Sensibilität der Fach-
personen beobachtet. Weiter zeigt sich, dass
die Fachpersonen im Allgemeinen mehr Wert
auf die Berücksichtigung der kindlichen Per-
spektive legen, als auf die Führung des kind-
lichen Verhaltens. Den Kindern situationsspe-
zifisches Feedback zu geben, welches weiter-       obachtete Variabilität zwischen den Einrich-
führende Informationen enthält, scheint hin-       tungen erklären können. Hier zeigten sich sehr
gegen schwieriger zu sein – hier zeigen sich       wenige systematische Zusammenhänge mit
die niedrigsten Werte. Ebenso wurden im            den Rahmenbedingungen, aber die situatio-
Betreuungsalltag weniger Gelegenheiten be-         nellen Bedingungen scheinen sehr relevant.
obachtet, in denen die Kinder aktiv an eine        Geführte Gruppenaktivitäten weisen mehr un-
Lernmöglichkeit herangeführt oder das kind-        terstützende Fachkraft-Kind-Interaktionen auf
liche Verständnis über Zusammenhänge so-           als andere Aktivitätssettings, insbesondere als
wie das Wissen der Kinder aktiv erweitert          Mahlzeiten und Routinen. Je mehr Kinder
wurde (Perren et al., 2016). Diese Studie zeigt    oder mehr Säuglinge anwesend sind, desto
auch, dass es eine grosse Variabilität bezüg-      schlechter fällt die Interaktionsqualität aus
lich der Interaktionsqualität bei den beobach-     (Reyhing et al., 2019; Diebold & Perren, 2020).
teten Gruppen/Familien gibt. Entgegen unse-        Diese Studien verdeutlichen die Wichtigkeit
ren Erwartungen fanden sich aber keine sys-        der Alltagsgestaltung als Ansatzpunkt für wei-
tematischen Unterschiede zwischen den Ins-         tere Qualitätsentwicklungsmassnahmen.
titutionsformen (Spielgruppen, Kindertages-
stätten, Tagesfamilien). In allen drei Formen      Wenn es nicht die strukturellen Rahmenbe-
liessen sich Institutionen, Gruppen bzw. Fa-       dingungen sind, welche die Variabilität in der
milien finden, welche eine gute bis sehr gute      Interaktionsqualität erklären, was ist es denn?
Qualität in verschiedenen Bereichen aufwei-        Möglicherweise sind es die individuellen
sen, aber auch solche, die gemäss unseren          Kompetenzen der Fachpersonen, die eine
Standards eher im unteren oder mittleren Be-       ­hohe Interaktionsqualität – auch in herausfor-
reich der Qualität liegen (Perren et al., 2016).    dernden Situationen – möglich machen. In
                                                    einer aktuell laufenden Studie untersuchen wir
In nachfolgenden Studien untersuchten wir,          genau diese Frage: Können wir durch eine
ob strukturelle Rahmenbedingungen die be-           Weiterbildung das Wissen und die Kompe-

FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE       11

tenzen der Fachpersonen erhöhen, so dass         eigenen Rhythmus absolviert werden können
diese später im Alltag eine höhere Interak­      und begleitende Video-Coaching-Sitzungen,
tionsqualität zeigen?                            die live und individuell mit einem Coach
                                                 durchgeführt werden. Ein web-mediiertes
Die Meta-Analyse von Egert und KollegInnen       Format eignet sich sehr gut, um das Intentio-
(2017) hat aufgezeigt, dass Weiterbildungen in   nal Teaching Model in den Lernkontext von
frühpädagogischen Einrichtungen wirksam          Fachkräften einzubauen. Die Weiterbil-
Kompetenzen und Interaktionsqualität der         dungsteilnehmenden eignen sich mit Texten,
Fachkräfte verbessern können. Weiterbildun-      Aufgaben und Videos Wissen über die früh-
gen sind besonders wirksam, wenn sie indi-       kindliche Entwicklung und unterstützende
vidualisierte Lerngelegenheiten, Coaching und    Handlungsstrategien in alltäglichen und her-
einen direkten Anwendungsbezug beinhalten.       ausfordernden Situationen an. Videos ermög-
In Austausch mit der University of Virginia      lichen sowohl die direkte Analyse des eigenen
(Jennifer LoCasale-Crouch und Team) haben        Interaktionsverhaltens sowie eine intensive
wir in unserer Arbeitsgruppe eine Weiterbil-     und persönliche Auseinandersetzung mit der
dung zur Förderung der Interaktionsqualität      Thematik, was zusätzlich zu einer erhöhten
bei Fachpersonen im frühpädagogischen Feld       Effektivität führen kann. Relevant sind zudem
entwickelt. Der didaktische Aufbau dieser        die Vorteile von Onlineformaten hinsichtlich
Weiterbildung (iQuaKi) basiert auf dem Inten-    ihrer individualisierten und flexiblen Lern- und
tional Teaching Model (Hamre et al., 2012). In   Zeiteinteilung. Hierdurch ist es möglich, der
diesem Ansatz werden die unterschiedlichen       Heterogenität der Teilnehmenden besser ge-
Ebenen des Lernens einbezogen, welche in         recht zu werden als dies bei Präsenzkursen
effektiven Weiterbildungen integriert werden     möglich ist. In Coaching Sitzungen werden die
sollten. Das Wissen hinsichtlich der Fach-       einzelnen Komponenten des Modells verbun-
kraft-Kind Interaktionen und dessen prakti-      den. Die Fachkräfte videografieren hierzu eine
sche Umsetzung (KNOW) wie auch das Be-           eigene Alltagssequenz (DO), welche gemein-
obachten effektiver/positiver Beispielsitua­     sam mit dem Coach betrachtet, ausgewertet
tionen (SEE) sind dabei relevante Faktoren.      und reflektiert wird. Videosequenzen spielen
Zusätzlich sollten die Weiterbildungen eine      innerhalb des Kurses eine entscheidende
Verknüpfung zur eigenen Praxis schaffen und      ­Rolle. Sie werden sowohl für die Coaching-
Möglichkeiten bieten, das Gelernte im Alltag      einheiten (REFLECT), als auch in Form von
umzusetzen (DO). Schließlich ist ein sehr re-     Beispielvideos (KNOW und SEE) als Anschau-
levanter Punkt die strukturierte und angelei-     ungsmaterial eingesetzt. Ziel der aktuellen
tete Analyse eigener Interaktionen und Prak-      Studie ist die Wirkung der iQuaKi-Weiter­
tiken sowie die Planung möglicher Verände-        bildung auf die Kompetenz und Interaktions-
rungen (REFLECT).                                 qualität zu überprüfen und damit neue
                                                  ­Erkenntnisse für die Förderung und Weiter-
Die iQuaKi-Weiterbildung wird in einem             entwicklung von Qualität in der FBBE zu ge-
web-mediierten Format umgesetzt und um-            nerieren.
fasst interaktive E-Learning Elemente, die im

                                                     FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
12   HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE

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                                                                sonja.perren@uni-konstanz.de
                                                                www.fruehekindheit.ch

FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE     13

                      Das Zentrum
                für Frühförderung (ZFF)
              in den Quartiertreffpunkten
                    Tiziana Bonomo, Claudia Giordano, Judith Hilber

Wenn Eltern unsicher über die Entwick-           Entstehungsgeschichte des Projekts
lung ihres Kindes sind, ist die Schwelle         Der Kanton Basel-Stadt hat in seinem Legis-
ziemlich hoch, eine Heilpädagogische             laturplan (2011–2013) den Schwerpunkt Früh-
Früh­erzieherin oder Ärztin zu dem Thema         bereich und damit die Verbesserung und
anzusprechen. Im Gegensatz dazu bietet           ­Stärkung, dessen Vernetzung und deren An-
das Projekt «ZFF in den Quartiertreffpunk-        gebote zu fördern, aufgenommen.
ten» eine niederschwellige Beratung rund
um das Thema Entwicklung des Kindes. In          Ziel des Projekts «ZFF in den Quartiertreff-
diesem Artikel stellen wir dieses Angebot        punkten» war und ist es, die Eltern-Kind-Treff-
vor und bringen Beispiele aus der Praxis.        punkte fachlich zu stützen, ergänzendes Wis-
                                                 sen der frühen Entwicklung einzubringen und
Zentrum für Frühförderung                        Eltern niederschwellig zu erreichen. Vier
Das ZFF ist das Kompetenzzentrum für den         Quartiertreffpunkte wurden aufgrund sozio-
Frühbereich im Kanton Basel-Stadt. Das Zen-      demographischer Kriterien ausgewählt. Im
trum bietet für Säuglinge und Kleinkinder        Sommer 2011 starteten zwei Heilpädagogische
­sowie für deren Eltern Unterstützung und För-   Früherzieherinnen mit ihrer Arbeit in drei
 derung durch ein interdisziplinäres Team aus    Quartiertreffpunkten.
 speziell für den Frühbereich qualifizierten
 Fachpersonen der Logopädie, Heilpädagogik,      Ein gutes pädagogisches Wissen der Leitung
 Psychologie, Sozialarbeit, Erziehungswissen-    im Eltern-Kind-Treff ist bereits vorhanden. Die
 schaften und durch sogenannte «Peers» (Mit-     Heilpädagogischen Früherzieherinnen ergän-
 arbeiterinnen des standardisierten Spiel- und   zen dieses Angebot mit ihrem fachlichen Wis-
 Lernprogramms schritt:weise und der Ge-         sen und ihrer praktischen Erfahrung in der
 sprächsrunde femmesTische).                     Förderung von Kleinkindern mit besonderen
                                                 Bedürfnissen und der Beratung von Eltern.
Die diversen Angebote des ZFFs richten sich      2014 wurde das Projekt «ZFF in den Quartier-
an Familien mit Kindern mit Wohnsitz im Kan-     treffpunkten» in die bestehenden Angebote
ton Basel-Stadt und können bis zum Zeitpunkt     vom ZFF aufgenommen.
des Kindergarteneintritts in Anspruch genom-
men werden.

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14   HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE

Freizeitangebot Quartiertreffpunkt                  machen und Anregungen sowie Bestärkung
In Basel gibt es 15 Quartiertreffpunkte. Sie öff-   in ihren eigenen Eltern-Kind-Interaktionen
nen ihre Türen für junge Familien sowie ältere      ­erhalten. Das Lernen am Modell wirkt präven-
Menschen, für Einheimische wie auch Neu-             tiv.
ankömmlinge. Die Treffpunkte unterscheiden
sich in ihrer Grösse und ihren Angeboten. Bei       Ausserdem bieten die Heilpädagogischen
gewissen Quartiertreffpunkten sind z.B. Spiel-      Früherzieherinnen je nach Bedürfnissen der
gruppen einquartiert, einige geben Vorträge         Zielgruppe Inputs und Diskussionsrunden zu
zu Erziehungsthemen oder bieten Deutsch-            Erziehungsthemen wie Sauberkeits-, Selbst-
kurse an und andere stehen ein für Projekte         ständigkeits-, Sprachentwicklung etc. an. Um
wie «Urban Gardening». Im Allgemeinen geht          die Selbstwirksamkeit zu stärken, legen sie
es darum, den Menschen einen Ort zu bieten,         den Fokus darauf, was und wie Eltern zum
an dem sie sich begegnen und austauschen            Gelingen beitragen können.
können.
                                                    Ein weiteres Aufgabenfeld ist das Planen und
In vier dieser 15 Treffpunkte ist eine Heilpäd-     Durchführen von Eltern-Kind-Aktivitäten. Bei
agogische Früherzieherin vom ZFF wöchent-           diesem Angebot geht es darum, Eltern Ideen
lich oder 14-täglich anzutreffen: Kontaktstelle     für Alltagsaktivitäten zu geben und so freudi-
St. Johann, MaKly (Quartiertreffpunkt im            ge Momente zusammen zu erleben. Ein Bei-
Matthäusquartier), FAZ (Familienzentrum             spiel dafür ist, Knete selber herzustellen und
Gundeldingen) und Treffpunkt Breite.                gemeinsam zu erkunden.

Die Heilpädagogischen Früherzieherinnen             Zusammenarbeit
sind ein bis zwei Stunden vor Ort und stehen        Nebst den direkten Beratungen mit den Eltern
Besucherinnen und Besuchern für Fragen und          und den präventiven Interaktions- und Spiel-
Anliegen rund um die Entwicklung ihrer Kin-         sequenzen mit den Kindern, tauschen sich die
der zur Verfügung. Zentrale Aspekte der an-
gebotenen frühen und präventiven Hilfe sind:
Unterstützung der Erziehungskompetenzen
und Sensibilisierung für die Bedürfnisse von
Kleinkindern. Hierzu haben sie die Möglich-
keit eines niederschwelligen Austauschs mit
Eltern, die sich Sorgen bezüglich der Entwick-
lung ihres Kleinkindes machen.

Ein weiterer Ansatz ist das Modelllernen über
die Interaktion mit dem Kind. Während die
Heilpädagogische Früherzieherin mit dem
Kind oder den Kindern in Kontakt kommt
und spielt, können die Eltern Beobachtungen         Räumlichkeiten Kontaktstelle St. Johann.

FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE     15

                                                 Im Eltern-Kind-Treff stehen die Heilpädago-
                                                 gischen Früherzieherinnen unter Schweige-
                                                 pflicht. Nur mit Einverständnis der Eltern tau-
                                                 schen sie sich mit der Elternberatung oder mit
                                                 der Leitung der Quartiertreffpunkte aus.

                                                 Jährlich bieten die Heilpädagogischen Früh­
                                                 erzieherinnen eine Fortbildung für die Mitar-
                                                 beitenden der vier Treffpunkte an. Oft wird die
                                                 Fortbildung auch von den anderen Quartier-
                                                 treffpunkten genutzt. Die Themen der Fortbil-
                                                 dungen beziehen sich auf aktuelle Situationen
                                                 oder Fragestellungen aus dem Eltern-Kind-
                                                 Treff wie z.B. aggressives Verhalten bei Klein-
                                                 kindern, kindliches Spiel, Autismus-Spekt-
                                                 rum-Störung etc.

                                                 Veränderungen durch die Kooperation
                                                 mit den Quartiertreffpunkten
                                                 Neben dem präventiven Ansatz durch das nie-
Eltern-Kind-Aktivität mit selbstgemachter        derschwellige Angebot im Eltern-Kind-Treff
Knete im FAZ.                                    liegt der Fokus auch auf der Früherkennung
                                                 von Kindern und Familien, welche Unterstüt-
                                                 zung benötigen. In der Regel werden Eltern
Heilpädagogischen Früherzieherinnen mit der      auf das Angebot des ZFFs durch Kinderärzte,
Leitung der Quartiertreffpunkte aus. In den      Elternberaterinnen, Spielgruppen oder Kitas
Quartiertreffpunkten sind auch Fachpersonen      aufmerksam gemacht. Die Arbeit in den Quar-
der Elternberatung Basel-Stadt integriert. Mit   tiertreffpunkten eröffnet dem ZFF neue Mög-
ihnen arbeiten die Heilpädagogischen Früher-     lichkeiten, Familien und Kleinkinder zu errei-
zieherinnen ebenfalls regelmässig zusammen.      chen und somit bei Bedarf frühzeitig beim
Eine gute Zusammenarbeit mit den verschie-       ZFF anzumelden. Wie dies konkret aussieht,
denen Fachpersonen ist wichtig und hilfreich     wird nachstehend in Form eines Fallbeispiels
in der Unterstützung von Familien mit kleinen    erläutert.
Kindern.
                                                 Durch die engere Zusammenarbeit mit den
Familien und ihre Kinder können durch den        Quartiertreffpunkten sind deren vielfältige An-
regelmässigen Kontakt im Eltern-Kind-Treff       gebote den Mitarbeitenden des ZFFs stärker
oder in der Beratung mit der Elternberatung      im Bewusstsein. Am ZFF fliesst diese Ange-
gut begleitet und mit anderen Angeboten ver-     botspalette somit vermehrt in die Elternbera-
netzt werden.                                    tung mit ein. Es kommt auch immer wieder

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vor, dass die Heilpädagogischen Früherzie-         Töchtern Samira (vierjährig) und Elisa (zwei-
herinnen, anstatt einer Förderstunde zu Hau-       jährig). Sie sei sehr eingespannt mit der Kin-
se oder am ZFF, gemeinsam mit den Eltern           dererziehung, dem Haushalt und erlebe kaum
den Quartiertreffpunkt besuchen. Vor allem         Unterstützung. Insbesondere Elisa sei sehr
für Eltern von Kindern mit besonderen Be-          anhänglich und suche stets den Körperkontakt
dürfnissen ist dieser erste Schritt herausfor-     der Mutter. Alleine eine Dusche zu nehmen
dernd. Ein begleiteter Erstbesuch im Eltern-       sei momentan nicht möglich, meint die Mut-
Kind-Treff hilft, Kontakt zu knüpfen, Vertrauen    ter. Auch die Eingewöhnung in die Kita muss-
aufzubauen und anzukommen.                         ten sie verlangsamen. Geplant sei nun ein
                                                   Start beim standardisierten Spiel- und Lern-
Beispiele aus der Praxis (Name von                 programm «schritt:weise», was auch vom ZFF
Kindern und Familie sind geändert)                 angeboten wird.

Fallbeispiel Präventive Interaktion                Die Heilpädagogische Früherzieherin hört
Mia (2;3) und Robert (1;6) wollen ein Bil­         aufmerksam zu. Als die Mutter eine Pause
derbuch anschauen. Die Heilpädagogische            einlegt, macht die Heilpädagogische Früher-
­Früh­erzieherin setzt sich auf den Teppich und    zieherin auf Elisa aufmerksam, welche sich
 zeigt den Kindern, wo sie sich rechts und links   während der Erzählung frei im Raum bewegt,
 von ihr setzen dürfen. Sie öffnet das Bilder-     kurz zur Mutter schaut und danach mit den
 buch. Die Kinder zeigen auf verschiedene          anderen Kindern weiterspielt. Die Mutter
 Stellen.                                          ­lächelt und sagt, wie erstaunt sie sei, Elisa so
                                                    zu sehen. Das mache ihr Mut, weitere Situa-
Die Heilpädagogische Früherzieherin wieder-         tionen zu gestalten, die das gezeigte Verhalten
holt, was die Kinder sagen und ergänzt die          von Elisa stärken könnten.
Äusserungen, indem sie auf weitere Stellen
zeigt. Die Mütter von Mia und Robert sitzen        Fallbeispiele Anmeldung beim ZFF
vis-à-vis und beobachten diese Interaktions-       Wie sich eine Familie aus dem Quartiertreff-
sequenz.                                           punkt für eine Abklärung, Beratung oder In-
                                                   tervention am ZFF entscheidet und wie sich
Nach der Sequenz erklärt Mias Mutter, dass         der vorangegangene Beratungsprozess gestal-
sie von Mias Interaktionsverhalten überrascht      tet, ist sehr individuell und in jeder Begegnung
sei. Sie habe gemerkt, wie gross ihr Wort-         anders. Fällt der Heilpädagogischen Früher-
schatz geworden sei. Sie wolle Mia zu Hause        zieherin im Eltern-Kind-Treff ein Kind in seiner
bei der Bilderbuchbetrachtung mehr Zeit las-       Entwicklung auf, sucht sie das Gespräch mit
sen, damit Mia ihre Beobachtungen mitteilen        den Eltern und interagiert vermehrt mit dem
könne.                                             Kind, um sich ein Bild zu verschaffen. Im Ge-
                                                   spräch mit den Eltern tastet sie sich behutsam
Fallbeispiel Psychoedukation                       an die Thematik heran. Erfragt, wie die Eltern
Eine Mutter berichtet der Heilpädagogischen        ihr Kind erleben: – bestehen bereits gewisse
Früherzieherin vom Alltag mit ihren zwei           Sorgen um die kindliche Entwicklung oder

FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE      17

stellen sich für die Eltern noch gar keine Fra-     altersentsprechend. Er selbst hätte auch spät
gen. Untenstehend zwei Beispiele dazu.              angefangen zu sprechen und bei der Jahres-
                                                    kontrolle beim Kinderarzt sei auch alles nor-
Fallbeispiel Jamil                                 mal gewesen. Es braucht mehrere intensive
Eine Mutter kommt mit ihrem zweiein-               Gespräche, wobei die Heilpädagogische
halb-jährigen Sohn Jamil erstmals in den           Früh­erzieherin dem Vater unter anderem auch
Quartiertreffpunkt. Sie hat erfahren, dass eine    vorschlägt, gemeinsam zu schauen, was ein
Heilpädagogische Früherzieherin im Treff-          Kind in diesem Alter normalerweise für kom-
punkt anwesend ist. Der Junge zeigt beson-         munikative Fähigkeiten zeigt. Dafür schauen
dere Verhaltensweisen – er dreht sich im           sie sich gemeinsam den Flyer «Wie spricht
Kreis, wedelt mit der Hand vor dem Gesicht,        mein Kind?» des Deutschschweizer Logopä-
äussert Laute, aber keine Worte. Die Mutter        dinnen- und Logopädenverbandes an. Da sich
fragt die Heilpädagogische Früherzieherin, ob      zwischen dem Vater und ihr ein Vertrauens-
alles gut sei mit ihrem Kind. Ihr Mann meine,      verhältnis entwickelt hat, teilt sie ihm ihre
es sei alles gut und die Sprache werde schon       ­Sorge mit und empfiehlt ihm, Paul am ZFF
noch kommen. Der Kinderarzt hätte auch              vorzustellen. Obwohl aus ihrer Sicht eine ent-
noch nichts gesagt. Da die Heilpädagogische         wicklungspsychologische Abklärung indiziert
Früherzieherin nicht weiss, ob sie die Mutter       gewesen wäre, ist dieser Schritt noch nicht
erneut sehen wird, entschliesst sie sich dazu,      möglich für den Vater. Das Thema der Sprach-
ihre Sorge, die sie spürt, zu verbalisieren. Sie    verzögerung beschäftigt ihn nun vermehrt und
schildert der Mutter ihre Verhaltensbeobach-        so gelingt eine Anmeldung zu einer logopädi-
tungen und stellt das Angebot des ZFFs vor.         schen Abklärung. Aufgrund der logopädi-
Einerseits kommt bei der Mutter Trauer auf,         schen Abklärung und Rückmeldung erfolgte
anderseits fühlt sie sich mit ihren Sorgen ernst    eine entwicklungspsychologische Abklärung
genommen. Anschliessend füllen sie den An-          und Paul erhielt bis zum Kindergarteneintritt
meldebogen des ZFFs gemeinsam aus. Die              Heilpädagogische Früherziehung.
Abklärungen ergaben einen Förderbedarf und
Jamil erhält nun Heilpädagogische Früherzie-       So verschieden die Wege zu einer Anmeldung
hung am ZFF.                                       auch sind, es bedarf ein grosses Mass an
                                                   Feinfühligkeit, die Eltern in ihren Schritten zu
Fallbeispiel Paul                                  begleiten, ihr eigenes Tempo anzuerkennen
Die Heilpädagogische Früherzieherin kennt          und zu respektieren. Nicht immer gelingt dies.
Paul bereits seit er ein Säugling ist. In dieser
Zeit hat er häufig geschrien und wirkte un­        Die Arbeit in den Quartiertreffpunkten ist so
ruhig. Als Paul älter wird, zeigt er eine Verzö-   bunt wie die Familien, die diese besuchen. Für
gerung in der Interaktion und Kommunikation        die Heilpädagogischen Früherzieherinnen ist
sowie ein besonderes Spielverhalten. Sie           die Arbeit im Eltern-Kind-Treff eine grosse
macht sich Sorgen, um seine Entwicklung und        Bereicherung, Abwechslung und Herausfor-
sucht das Gespräch mit dem Vater. Der Vater        derung. Durch die Präsenz des ZFFs können
empfindet die Entwicklung seines Sohnes als        Familien beraten, begleitet und auch gestärkt

                                                       FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
18   HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE

werden. Die Vernetzung und der Austausch        www.zff.bs.ch
mit verschiedenen Fachpersonen wie z.B. den
Elternberaterinnen, den Spielgruppen vor Ort    Quelle:
oder der Leitung vom Quartiertreffpunkt sind    Homepage Quartiertreffpunkte Basel:
sehr wichtig und schätzen sie sehr. All diese   https://www.qtp-basel.ch/
Facetten machen die Arbeit in den Quartier-
treffpunkten aussergewöhnlich.

Tiziana Bonomo                    Claudia Giordano		                    Judith Hilber
MA Sonderpädagogik                MA Sonderpädagogik                    MA Sonderpädagogik
Vertiefungsrichtung HFE           Vertiefungsrichtung HFE               Vertiefungsrichtung HFE
tiziana.bonomo@bs.ch              claudia.giordano@bs.ch                judith.hilber@bs.ch

FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE     19

                 Gemeinsamkeiten und Zusammenarbeit

   Mütter- und Väterberaterin und
  Heilpädagogische Früherzieherin
            im Gespräch
                       Ruth Kirsch und Carina Speck

                                      Carina Speck: Vielen Dank haben Sie sich
                                      bereit erklärt, mit uns ein Fachgespräch
                                      zu führen. Ich freue mich sehr auf den
                                      Austausch mit Ihnen.
                                      In diesem Gespräch geht es um den Aus-
                                      tausch zwischen Ihrem und unserem Be-
                                      rufsfeld. Über die Gemeinsamkeiten, die
                                      Unterschiede und über die Zusammen­
Ruth Kirsch                           arbeit zwischen den beiden Berufsfeldern.
Mütter- und Väterberaterin NDS
Mütter- und Väterberatung             Kurze Vorstellung
Region Aarau Plus                     Carina Speck: Als Heilpädagogische Früher-
Gemeindehaus, Postfach 91,            zieher*innen arbeiten wir mit Familien und
5042 Hirschthal                       deren Kindern im Alter von 0 bis meistens
                                      4 Jahren, die in ihrer Entwicklung gefährdet
                                      oder verzögert sind oder eine Behinderung
                                      haben. Wir arbeiten mit den Familien in der
                                      Regel bis zum Kindergarteneintritt.
                                      Ruth Kirsch: Das ist bei uns hier in der Region
                                      auch so. Die Heilpädagog*innen hier in der
                                      Region machen es auch so wie ihr. Auch wir
                                      beraten Familien mit Kindern von 0–5 Jahren
                                      zu Themen wie Ernährung, Pflege, Entwick-
Carina Speck                          lung und Erziehung. Im Zentrum steht das
Dipl. Heilpädagogische                Wohl des Kindes. Das Ziel aller Unterstüt-
Früherzieherin                        zungsleistungen ist es, die Betreuungs- und
Pädagogisch-Therapeutische            Erziehungskompetenzen der Eltern zu stärken,
Zentrum Baselland (ptz)               damit Kinder in einem Umfeld aufwachsen,
Benzburgweg 22, Liestal               das ihrer Entwicklung förderlich ist.

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Angebot der Mütter- und                            K: Das ist ziemlich offen, es muss mit unserem
Väterberater*innen                                 Pensum stimmen und wird mit unserer Ge-
S: Ihr geht zu den Familien nach Hause. In         schäftsstellenleiterin abgesprochen. Das An-
diesem Bereich bestehen Ähnlichkeiten zu           gebot der MVB ist für alle Familien freiwillig
unserem Arbeitsfeld.                               und kostenlos. Das heisst, es gibt auch immer
K: Ja. Einerseits gehen wir sie besuchen, vor      wieder Familien, die sagen: «Nein, vielen
allem am Anfang nach der Geburt. So können         Dank, wir brauchen das nicht», wenn wir sie
wir den Kontakt mit den Familien aufbauen,         telefonisch kontaktieren oder sie anschreiben.
damit sie uns kennen lernen. Das ist für uns       Dafür gibt es andere Familien, bei denen wir
sehr wichtig. Anderseits besteht die Möglich-      merken, dass sie mehr Unterstützung brau-
keit zu einer Beratungsstelle zu kommen, wel-      chen.
che wir in jeder Gemeinde anbieten. Bei einer
grösseren Gemeinde ist das vielleicht zwei         S: Sie sprechen zwei wichtige Aspekte an. Ei-
Mal im Monat oder sogar mehr. Wir bieten           nerseits geht es um die Familien, die mehr
ebenfalls die Möglichkeit einer Kommunika-         Unterstützung benötigen. Anderseits erwäh-
tion per Chat. Wir haben eine eigene Home-         nen Sie den telefonischen Kontakt zu den Fa-
page und sie können mit uns über den Chat          milien. Wie findet dieser statt?
eine schnelle Anfrage starten.                     K: Wir bekommen eine Geburtsmeldung von
                                                   der Gemeinde und meist auch einen Austritts-
S: Wie gestaltet sich die erste Kontaktaufnah-     bericht vom Spital. Sie kontaktieren die Fami-
me mit den Familien?                               lien per Telefon oder wir schreiben ihnen ei-
K: Die erste Kontaktaufnahme geht immer von        nen Brief mit den nötigen Angaben. Das erste
uns aus. Danach melden sich die Familien           Mal bieten wir immer einen Hausbesuch an.
individuell (Telefon, Mail, Chat, Beratungsstel-   Familien mit kleinen Babys sind eigentlich
le). Bei einzelnen Gemeinden, wo ein zusätz-       froh, wenn sie nicht irgendwo das erste Mal
liches Pensum finanziert wird, sind regelmäs-      hingehen müssen. Dahinter steckt ebenfalls
sige Hausbesuche möglich. Diese Gemeinden          die Idee, dass die Familien ein Gesicht von der
haben einen zusätzlichen Leistungsvertrag mit      Mütter- und Väterberater*in bekommen, uns
der Mütter-Väter-Beratung (MVB) abgeschlos-        als Person kennen und danach ist es auch
sen. Das heisst, ich habe noch mehr Kapazität      einfacher, selber zu uns in die Beratungsstel-
für weitere Hausbesuche damit ich die Fami-        le zu kommen oder uns per Telefon zu kon-
lien mit besonderen oder schwierigen Situa-        taktieren.
tionen und/oder Bedürfnissen länger betreuen
kann.                                              S: Die erste Hemmschwelle ist somit bereits
                                                   abgebaut.
S: Das ist sehr spannend. Da geht es um die        K: Ja.
Ressourcen, die ihr im Kontakt mit den Fami-
lien habt. Habt ihr eine Auflage, wie viele Ma-    Interdisziplinäre Zusammenarbeit
le ihr die Familie besuchen dürft oder habt ihr    S: Jetzt komme ich wieder zurück zu den Fa-
quasi ein offenes Kontingent?                      milien, die mehr Unterstützung benötigen.

FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE    21

Welche sind die wichtigen Fachpersonen, die      Gewicht nicht stimmt oder wenn ganz viel
für euren Arbeitsalltag relevant sind? Kommt     Fragen rund um die Ernährung vorhanden
es vor, dass ihr den Familien andere Fachstel-   sind.
len empfehlt?
K: Am Anfang ist die Zusammenarbeit mit          S: Wenn ihr zu den Familien nach Hause geht,
den Hebammen sehr wichtig. Wir haben             auf was achtet ihr, um festzustellen, dass es
eine gute Zusammenarbeit mit den Hebam-          der Familie und dem Kind gut geht? Habt ihr
men. Sie schicken ein Übergabeprotokoll          Anhaltspunkte, die euch wichtig sind?
mit der Meldung, dass sie bei einer Familie      K: Wenn wir auf Hausbesuch gehen, dann
ihre Arbeit abgeschlossen haben. Sie             stellen wir unser Angebot vor. Gibt es gerade
schreiben ebenfalls, wenn eine Mutter sehr       eine aktuelle Frage, ein Anliegen der Eltern?
froh ist um einen schnellen Kontakt unser-       Wie geht es dem Kind? Wie gedeiht das
seits. Auch bei schwierigen Situationen be-      Kind? Wie geht es den Eltern in ihrer neuen
ziehen sie uns ein, so dass wir das erste        Rolle, den Geschwistern? Wer kann die Fami-
Mal mit der Hebamme die Familie besu-            lie unterstützen? Grosseltern, Freunde, Nach-
chen, damit die Betreuung weiter besteht.        barn? Wir besprechen das aktuelle Anliegen,
Die Hebammen sind ganz wichtige und na-          kontrollieren, wenn gewünscht, das Gewicht
he Bezugspersonen, die gerade nach der           vom Kind. Je nach Situation wird ein Folge-
Geburt mit den Familien im Kontakt sind.         besuch oder ein Beratungstermin auf der Be-
Sobald sie bei der Familie abschliessen, ist     ratungsstelle vereinbart.
es manchmal schwierig für die Mütter je-
mand neues anzusprechen. Gerade in einer         S: Wenn ihr seht, dass eventuell mit der Ent-
schwierigen Situation beziehen sie uns mit       wicklung des Kindes etwas nicht stimmt oder
ein, damit wir zusammen auf Hausbesuch           dass sehr grosse Unsicherheiten von Seiten
gehen und die Familien uns kennenlernen.         der Eltern vorhanden sind, die nicht aufgefan-
Auf diese Weise übergibt die Hebamme uns         gen werden können, die eventuell mehr Un-
die Familie.                                     terstützung benötigen, empfehlt ihr in so ei-
                                                 nem Fall den Eltern, dass sie mit dem Kinder-
S: Das ist sehr schön. So ist es gewährleis-     arzt sprechen?
tet, dass die Zusammenarbeit nahtlos weiter-     K: Ja, wir müssen das immer ganz vorsichtig
geht.                                            sagen, um die Eltern nicht zu verunsichern.
K: Ja genau. Das ist die eine Zusammenarbeit.    Aber das ist unsere Aufgabe, auf Auffälligkei-
Zusätzlich gibt es die Zusammenarbeit mit        ten hinzuweisen und weiter zu leiten.
den Kinderärzten. Je nach Kinderarzt gestaltet
sich diese unterschiedlich. Es gibt die Zusam-   Zusammenarbeit mit der Heilpädago­
menarbeit in dem Sinne, dass wir, wenn uns       gischen Früherzieherin oder dem Heilpäda-
etwas auffällt, den Familien sagen, dass sie     gogischen Früherzieher
sich beim Kinderarzt melden sollen. Es gibt      S: Kommt es bei euch im Arbeitsalltag vor,
auch den Fall, dass der Kinderarzt uns           dass ihr den Familien direkt Heilpädagogische
die Familie zuweist, wenn zum Beispiel das       Früherziehung empfehlt oder den Familien

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22   HFE im Wandel – Schnittstellen und FBBE

das Angebot der Heilpädagogischen Früher-        die Gleiche in dieser Gemeinde. Hinzu habe
ziehung erklärt? Oder geschieht das eventuell    ich die Möglichkeit, nach der Krabbelgruppe,
einfach über den Kinderarzt oder die Kinder-     mich mit ihr auszutauschen. Habe ich in der
ärztin?                                          Beratung Fragen über ein schwieriges Verhal-
K: Doch, das passiert schon, dass wir Früher-    ten eines Kindes oder über die Entwicklung,
ziehung empfehlen. Sicher nicht beim ersten      kann ich das mit ihr besprechen. Natürlich
Mal, wo wir die Familie kennenlernen. Wir        schauen wir dabei auf die Schweigepflicht.
müssen die Familie mindestens zwei oder drei     Diesen Austausch schätzen wir beide sehr.
Mal gesehen haben. Damit wir einen guten         Umgekehrt beobachtet sie vielleicht Eltern,
Eindruck bekommen, damit wir ebenfalls die       wie sie mit ihren Kindern umgehen, wir be-
Eltern kennenlernen. Was ich vor allem auch      sprechen die Beobachtungen. Wir können
betonen möchte, ist, dass in der Gemeinde,       uns austauschen und gegenseitig viel profitie-
in der ich auch mehr Kapazitäten habe, seit      ren.
ungefähr fünf Jahren eine Krabbelgruppe be-
steht, ein Treffpunkt für Mutter und Kind. Am    S: Miteinander könnt ihr voneinander profitie-
gleichen Ort, nebenan, ist die Mütter- und       ren. Jede hat ihr spezifisches Wissen und ihr
Väterberaterin anwesend. Die Krabbelgruppe       könnt euch austauschen.
wird hinzu von einer Person betreut, die wie     K: Ja, das stimmt. Ernährung, Schlafrhythmus
eine Gastgeberin die Mütter willkommen           finden, Regulation, Bindung usw. das sind un-
heisst, ihnen zeigt, was wo ist usw. In dieser   sere Themen … Manchmal vereinbaren wir
Krabbelgruppe ist ebenfalls regelmässig eine     gerade einen gemeinsamen Termin. Das ist so
Fachperson der Stiftung Netz, eine Heilpäda-     wertvoll. Ich merke, wie die Eltern dann nicht
gogische Früherzieherin, dabei. In dieser Ge-    mehr so eine grosse Hemmschwelle haben.
meinde, wo ich bin, haben wir drei Standorte,    Das Gespräch findet in den Örtlichkeiten, die
also drei Krabbelgruppen und drei Mal habe       sie bereits kennen, statt und die Fachperson
ich gleichzeitig Mütter-Väterberatung. Die El-   ist bei uns und wir führen gemeinsam das Ge-
tern können ohne Anmeldung in die Krabbel-       spräch. Je nachdem führt die Fachperson
gruppe kommen, können so lange bleiben,          ebenfalls das Gespräch alleine.
wie sie möchten und haben die Möglichkeit
diese Fachperson bei Entwicklungsfragen          S: Wie ist es bei euch? Wenn es zu einer An-
oder erzieherische Fragen anzusprechen. Sie      meldung beim Früherziehungsdienst kommt,
ist einfach da und unterstützt manchmal beim     wer meldet die Familie an? Dürft ihr dies
Spielen mit den Kindern und macht etwas mit      tun oder muss der Kinderarzt diese vornehmen?
ihnen.                                           K: Wir dürfen die Anmeldung mit den Eltern
                                                 ausfüllen, es braucht keinen Arzt. Die Eltern
S: Das ist sehr schön. Somit ist das Angebot     müssen beide unterschreiben. Ich unter-
der Heilpädagogischen Früherziehung und          schreibe auch, dass ich dies empfohlen habe
MVB vernetzt und niederschwellig.                und dass wir es zusammen besprochen ha-
K: Ja genau! Sehr niederschwellig und sie ler-   ben. Danach schicken die Eltern die Anmel-
nen die Früherzieherin kennen. Es ist immer      dung ab.

FORUM Mitgliedermagazin des BVF, 1/2021
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