N Bildu g. Weiter de ke ! - LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB ...

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68. Jahrgang

Zeitung „Erziehung und Wissenschaft im Saarland” des Landesverbandes der GEW im DGB

  LEHRKRAFT SEIN
  IM 21. JAHRHUNDERT

      Bildung. Weiter denken!
N Bildu g. Weiter de ke ! - LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB ...
INHALT                                                                                                                                                                                                                                                                                                        EDITORIAL

                                                                                                                                                                                                                                  auch wenn Teile der Gesellschaft diese Reali­      vor, denen sich die Bildungseinrichtungen
                                                                                                       Öffnungszeiten der                                                                                                         tät noch nicht anerkennen wollen. Der Lehrer­      widmen müssen, um Lernende fit für den
                                                                                                                                                                                                                                  beruf ist vielfältiger, bisweilen auch an­         Arbeitsmarkt der Zukunft zu machen. Über
                                                                                                         Geschäftsstelle                                                                                                          spruchsvoller geworden. Lehrkräfte sollen          Persönlichkeitsbildung in der Schule hat sich
                                                                                                  Mo. ­ Do.: 09.00 ­ 12.00 Uhr | 13.00 ­ 16.00 Uhr                                                                                Lernbegleiter:innen sein, statt zu instruieren.    Prof. Manfred Bönsch Gedanken gemacht. Er
                                                                                                    Fr.: 09.00 ­ 12.00 Uhr | 13.00 ­ 15.00 Uhr                                                                                    Darüber hinaus hat die Gestaltung von Lern­        geht in seinem Artikel besonders auf die Rolle
                                                                                                              Telefon: 0681 / 66830­0,                                                                                            anlässen, die Erarbeitung von Wochenplänen,        des Gewissens in der gegenwärtigen Bildung
                                                                                                              Telefax: 0681 / 66830­17                                                                                            die Erziehungs­ und Beziehungsarbeit, das          ein. Claudia Kilian erläutert in ihrem Beitrag
                                                                                                           E­Mail: info@gew­saarland.de                                                                                           Verfassen von Förderplänen, Verwaltungstä­         gegenwärtige Herausforderungen in der Leh­
                                                                                                                                                                                                                                  tigkeiten, Elternarbeit, Projektarbeit und vie­    rerbildung, bevor zwei Gesprächspartner:in­
                                                                                                        Internet: http://www.gew.saarland
                                                                                                                                                                                                                                  les mehr den traditionellen Frontalunterricht      nen ein Zwischenfazit zum Einsatz der digita­
                                                                                                                                                                                                                                  inzwischen ergänzt. Die aktuelle Euwis­Ausga­      len Endgeräte in der Schule ziehen. n
                                                                                                                                                                                  Liebe Kolleginnen,                              be stellt sich die Frage, wie der Lehrberuf im
                                                                                                                 GEW­Service                                                      liebe Kollegen,                                 21. Jahrhundert strukturiert ist und welchen         Das EuWiS­Team wünscht allen
                                                                                                                 Beratungszeiten für                                                                                              Herausforderungen er entgegensieht. Die              Leserinnen und Lesern viel Vergnügen!
                                                                                                              Mitglieder in Rechtsfragen                                           der aktuelle Lehrkräftemangel wirft die Fra­   Autor:innen dieser Ausgabe möchten in                Carsten Kohlberger
                                                                                                            Mo., Di. u. Do.: 09.00 ­ 16.00 Uhr,                                 ge auf, warum der Lehrberuf in den vergange­      Erfahrung bringen, wie die Zukunft des Lehr­
                                                                                                                 Mi.: 13.00 ­ 17.00 Uhr

  04
                                                                                                                                                                                nen Jahren an Attraktivität eingebüßt hat.        berufs aussieht, sinnvoller Unterricht gestaltet
                                                                                                                                                                                Laut OECD­Studie, die vor Kurzem veröffent­       sein muss, gute Fortbildung organisiert ist und
                                                                                                           Landesstelle für Rechtsschutz                                        licht wurde, ist hierbei nicht etwa die Bezah­    wie junge Menschen wieder stärker für den
Thema: Lehrkraft sein im 21. Jahrhundert
                                                                                                               Gabriele Melles­Müller,                                          lung der Hauptgrund. Vielmehr sind die ver­       Beruf begeistert werden können.
                                                                                                                Tel.: 0681 / 66830­13,                                          besserungsbedürftigen Arbeitsbedingungen
                                                                                                     E­Mail: g.melles­mueller@gew­saarland.de                                   wohl dafür verantwortlich, dass sich immer           Hierfür stellt sich Thomas Höchst zunächst
                                                                                                                 Fr.: 13.00 ­ 16.00 Uhr unter                                   weniger junge Menschen für den Lehrberuf          die Frage, was gute Fortbildungen ausmacht.
Editorial                                  03   Gewerkschaft                        18                              Tel.: 0152 / 01701173                                       entscheiden.                                      Danach sucht Sarah Becker nach den Gründen                     Bildung. Zukunft.
                                                                                                                                                                                                                                  für die Ablehnung des Lehrerberufs bei Stu­
                                                 18 Aus den Kreisverbänden                                       Beratung für                                                     „Morgens recht, mittags frei“ oder „A13:        dierenden und zeigt Ursachen für Unzufrie­
                                                     n KV Saarlouis                                    Referendarinnen und Referendare
Thema: Lehrkraft sein im                             n KV Saarpfalz                                                                                                             das beste Preis­Leistungsverhältnis“: Kli­        denheit von Lehrenden auf, die bis zum Aus­
21. Jahrhundert                            04                                                              Max Hewer, Tel.: 0176 / 30456396                                     schees über den Arbeitsalltag von Lehrkräften     stieg aus dem Beruf führen können. Im
                                                 19 „Bildung in der Migrations­                            E­Mail: m.hewer@gew­saarland.de                                      entbehren mehr denn je jeder Grundlage,           Anschluss daran stelle ich zentrale Kriterien
  04 Gute Fortbildungen –                            gesellschaft – Weiter denken und
          Dringend notwendig, aber was ist           gestalten!“                                            Beratungsdienst für
          der richtige Weg?                          Online­Tagung
                                                                                                     Auslandsaufenthalt von Lehrkräften
   08 Lehrer:in werden ist schwer –              20 GEW zu Spitzengespräch mit                                      Susanne Bleimehl                                            ANZEIGE
          Lehrer:in bleiben noch viel mehr           der Landesregierung                                           Tel.: 0170 / 9655772
                                                 20 GEW fordert Aktionsplan gegen                         E­Mail: susannebleimehl@gmail.com
   09 Lehrkraft sein – alte und neue
          Herausforderungen                          Lehrkräftemangel
   10 Gewissenserziehung                                                                                Redaktionsschluss
                                                Bücher & Medien                     21                                     10.11.2022
   12 Lehrkräfte ausbilden im                                                                                    (Dezember/Januar­Ausgabe)
          21. Jahrhundert                        21 Von schillernden Nächten
                                                     und dunklen Tagen                                                     06.01.2023
   14 Erfahrungen mit den digitalen                                                                                     (Februar­Ausgabe)
          Endgeräten                             21 In Memoriam: Das Sprachlabor
                                                                                                                                                                                 Wir drucken für unser Leben gern
                                                                                                            E­Mail: redaktion@gew­saarland.de

Berufliche Bildung &                            Geburtstage
Weiterbildung                              17   & Jubiläen                          23                             Impressum
 17 Wir brauchen einen zweiten                                                                                            Herausgeber
                                                 23 November 2022
          Regelweg für das Lehramt an                                                            Gewerkschaft Erziehung und                             Layout
          beruflichen Schulen                    23 Schlusswort                                  Wissenschaft (GEW) im DGB,
                                                                                          Landesverband Saarland, Geschäftsstelle:
                                                                                                                                                     Bärbel Detzen
                                                                                                                                               b.detzen@gew­saarland.de
                                                                                             Mainzer Str. 84, 66121 Saarbrücken
                                                                                           Tel.: 0681/66830­0, Fax: 0681/66830­17                         Druck
                                                                                                    info@gew­saarland.de                         COD Büroservice GmbH
                                                                                                                                           Bleichstraße 22, 66111 Saarbrücken
                                                                                                        Redaktion                          Telefon: 0681/393530, info@cod.de
                                                                                                    Carsten Kohlberger
                                                                                                redaktion@gew­saarland.de                              Bildnachweis
                                                                                                                                            u.a. stock.adobe.com, 123rf.com,
                                                                                                       Sarah Becker,
                                                                                                                                                    GEW­Archiv, privat
                                                                                                       Ilka Hofmann,
                                                                                                         Harald Ley,
                                                                                                                                                        Titelfoto
                                                                                                      Sarah Tschanun,
                                                                                                       Nadine Weber                             stock.adobe.com/©kasto

                                                                                                   Anzeigenverwaltung
                                                                                               Andreas Sánchez Haselberger
                                                                                               a.sanchez@gew­saarland.de

                                                                                         Die Redaktion behält sich bei Beiträgen und Leserbriefen Kürzungen vor. Namentlich
                                                                                         gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar und
                                                                                         stehen in der Verantwortlichkeit der Autorin/des Autors.
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                                                                                         Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen.
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                                                                                                                                                                                          offset und digital                                                                         Tel. 0681 39353-51 Fax 0681 6852301
EuWiS 10/2022 | 2                                                                                                                                                                                                                                                                                print@cod.de www.cod.de
N Bildu g. Weiter de ke ! - LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB ...
THEMA: LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT                                                                                                                                                                      THEMA: LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT

Gute Fortbildungen – Dringend notwendig,                                                                                                                 verschiedenste Fortbildungsaktivitäten nut­
                                                                                                                                                         zen: 72 % geben an, hierzu Fachliteratur offli­
                                                                                                                                                         ne mehrmals gelesen zu haben, 70% mehr­
                                                                                                                                                                                                           daktik sowie Kenntnis des Lehrplans, Grund­
                                                                                                                                                                                                           und Förderschullehrkräfte häufig zum Verhal­
                                                                                                                                                                                                           ten von Schülerinnen und Schülern und Klas­
                                                                                                                                                                                                                                                            volle Inhalte und praktische Umsetzung verin­
                                                                                                                                                                                                                                                            nerlicht werden können. Hinzu kommt die
                                                                                                                                                                                                                                                            Wichtigkeit, das Erlernte im eigenen Unter­

aber was ist der richtige Weg?                                                                                                                           mals online. 65% haben mehrmals Online­
                                                                                                                                                         Kurse besucht. (Robert Bosch Stiftung, S. 21)
                                                                                                                                                           Von den Lehrkräften, die seit weniger als
                                                                                                                                                                                                           senführung und Lehrkräfte an Förderschulen
                                                                                                                                                                                                           zu 75% Fortbildungen zum Unterrichten von
                                                                                                                                                                                                           Schülern mit sonderpädagogischem Förder­
                                                                                                                                                                                                                                                            richt anwenden und ausprobieren zu können.

                                                                                                                                                                                                                                                            Fazit
Ein Versuch der Problematisierung und konkreter Vorschläge                                                                                                                                                 bedarf. (Robert Bosch Stiftung 202, Seite 28)       Fortbildungen sind unabdingbar: Bildungs­
                                                                                                                                                         fünf Jahren unterrichten, geben rund zwei
                                                                                                                                                                                                                                                            politische Veränderungen, ein enges Zeitfens­
   Eine Forsa­Umfrage zum wichtigen Fortbil­          „Deutschland legt im internationalen Ver­                                                                                                                                                             ter in der Lehrerausbildung und gesellschaftli­
dungsthema „Inklusion“ ergab folgende Aus­        gleich sehr viel mehr Wert auf die Erstausbil­                                                                                                                                                            che und wissenschaftliche Veränderungen
wertung: Nur 6% finden das Angebot (sehr)         dung und leider deutlich weniger Wert auf die                                                                                                                                                             erfordern unabdingbar eine stetige gute Leh­
gut. 44% beurteilen das Angebot als mangel­       Fortbildung der 800.000 Lehrkräfte im                                                                                                                                                                     rerfortbildung, die die im folgenden Kapitel
haft oder ungenügend. Dies ist bedenklich         Dienst.“ (Deutsches Schulportal, Februar                                                                                                                                                                  aufgeführten Qualitätskriterien aufweisen
und führt auch dazu, dass nur 14 % der Regel­     2022)                                                                                                                                                                                                     muss.
schullehrerinnen und ­lehrer an Lehrerfortbil­
                                                     Wie viel Geld die Länder für die Fortbildung
dungen zu Inklusion teilnehmen, was aber          der Lehrerinnen und Lehrer bereitstellen,                                                                                                                                                                 Qualitätskriterien von Fortbildung
dringend notwendig wäre. (VBE Forsa Umfra­        lässt sich nur schwer feststellen. Die Pro­Kopf­                                                                                                                                                             Aus dieser Problematisierung heraus ergibt
ge 2020, S. 24)                                   Ausgaben schwanken je nach Bundesland zwi­                                                                                                                                                                sich die Frage: Was sind Qualtitätskriterien,
                                                  schen 92 Euro und 611 Euro, wie Zahlen aus                                                                                                                                                                die Fortbildungsinstitute heute bei der Pla­
   Kein gutes Ergebnis für Fortbildungsmaß­       dem Jahr 2014 zeigen. Die enormen Unter­                                                                                                                                                                  nung von Fortbildungen berücksichtigen müs­
nahmen und in vielen anderen Bereichen            schiede lassen sich zum Teil damit erklären,                                                                                                                                                              sen?
sieht es nicht besser aus. Deshalb muss darü­     dass die Länder solche Fortbildungen unter­
ber nachgedacht werden, warum Fortbildun­         schiedlich definieren. So rechnete das Bun­                                                                                                                                                               Ausgangslagen berücksichtigen
gen nicht immer zahlreich besucht werden,         desland mit dem höchsten Wert einfach die                                                                                                                                                                    „Auch in Bezug auf die Gestaltung von Leh­
immer wieder sogar aufgrund fehlenden Inte­       Ausgaben für das Referendariat hinzu. (vgl.                                                                                                                                                               rerfortbildung zeigen die Befunde, dass die
resses ausfallen und wie in dem Beispiel zur      Deutsches Schulportal, Februar 2022)                                                                                                                                                                      Berücksichtigung der spezifischen Ausgangs­
Inklusion aufgeführt, auch immer wieder                                                                                                                                                                                                                     lagen einer Schule wichtig ist, um ein bedarfs­
                                                    Aus den Daten des Statistischen Bundes­
schlechte Beurteilungen bekommen.                 amtes ergibt sich jedenfalls: Die Ausgaben für                                                                                                                                                            gerechtes Angebot zu planen“ (Kracke & Sasse
                                                  Fortbildungen sind zwischen 2002 und 2015                                                                                                                                                                 2019, S. 150).
Wie aber definiert man nun gute und damit         um 10 Prozent gesunken, während die Ausga­
wirksame Fortbildungen?                           ben für die Schulen insgesamt um 36 Prozent                                                                                                                                                                  Die Bertelsmann Studie bemängelt hierzu,
   Die Bertelsmann Stiftung sagt dazu: „Wirk­     gestiegen sind. Zu wenig finanziert sei diese                                                                                                                                                             dass der Fortbildungsbedarf in den einzelnen
sam bedeutet, dass die Fortbildungen wissen­      wichtige Aufgabe in Deutschland in jedem                                                                                                                                                                  Bundesländern kaum systematisch erfasst
schaftlich belegt zur Weiterentwicklung wich­     Fall, konstatieren die Autorinnen und Autoren                                                                                                                                                             wird. Wollen Fortbildungen wirklich wichtige
tiger Kompetenzen von Lehrpersonen beitra­        der Daschner Studie. (vgl. Deutsches Schul­                                                                                                                                                               Impulse für die Entwicklung von Schulen und
gen und/oder sich positiv auf die Weiterent­      portal, Februar 2022) Die Bertelsmann Stif­                                                                                                                                                               einzelnen Lehrkräften geben, so ist es sehr
wicklung des Unterrichts und auf das Lernen       tung spricht von einer „Unterfinanzierung des                                                                                                                                                             wichtig, die Fortbildungsbedarfe der Kollegen
von Schülerinnen und Schülern auswirken.“         Fortbildungsbereiches“. (Bertelsmann Stif­                                                                                                                                                                zu kennen und zu analysieren, um auf dieser
(Bertelsmann Stiftung, S. 12)                     tung, S. 14)                                                                                                                                                                                              Basis anschließend passgenaue Angebote
                                                                                                                                                                                                                                                            anbieten zu können, die das auch leisten kön­
  Von hohem Wert ist bei der Beantwortung         Vergleichbarkeit:                                                                                                                                                                                         nen. (vgl. Deutsches Schulportal, Februar
der Frage auch, dass ein:e gute Fortbildner:in       Es gibt wenig Austausch der Bundesländer                                                                                                                                                               2022)
wichtig ist, denn nicht jede gute Lehrkraft ist   untereinander, weshalb es an Transparenz
automatisch eine gute Fortbildungskraft in        und Vergleichbarkeit fehlt. Es gibt keine regel­                                                                                                                                                          Praxisbezug
der Erwachsenenbildung.                           mäßige und öffentliche Berichterstattung                                                                                                                                                                     Häufig verblasst die Wirkung einer Fortbil­
                                                  über Angebote, Nachfrage, Teilnehmende,
                                                                                                                                                                                                                                                            dungsveranstaltung allerdings, wenn der dort
                                                  Formate, Kosten und Effekte. Zudem tauschen
   Hier möchte ich zunächst ein paar Gründe                                                                                                                                                                                                                 gewonnene Inhalt auf die tägliche Umsetzung
                                                  sich die meisten Bundesländer fast gar nicht
zum Nachdenken im Sinne einer Problemati­         zum Thema Lehrkräftefortbildung aus. Eine              In allen Bundesländern existieren entspre­                                                           Jüngere Lehrkräfte geben wesentlich häufi­    im Schulalltag trifft und ein Transfer in der
                                                                                                                                                         Drittel an, dass sie in den vergangenen 24
sierung aufführen:                                verbindliche Zusammenarbeit findet nicht            chende Bestimmungen, die aber zumeist nur          Monaten ihren Unterricht durch Kolleginnen        ger als ältere Lehrerinnen und Lehrer an, dass   Realität, z. B. des Unterrichts, sich als nicht
                                                  statt.                                              als ein Recht auf Fortbildung, aber nicht als      und Kollegen beobachten ließen. (Robert           sie vermehrt Fortbildungen zu Fachinhalten       machbar herausstellt. So verwundert es nicht,
Zur Verfügung stehende Gelder:                                                                        Pflicht dazu formuliert ist. Überhaupt ist es                                                        oder Fachdidaktik und zum Verhalten von          dass die Lehrkräftefortbildung in Deutschland
                                                                                                                                                         Bosch Stiftung, S. 20)
   Obwohl sich die Lehrerbildung in drei Pha­     Verpflichtung:                                      nur in drei Bundesländern festgelegt, wie vie­                                                       Schülerinnen und Schülern besuchen.              in der 2019er Studie insgesamt schlechte
sen gliedert – Lehramtsstudium, Referendari­                                                          le Stunden pro Jahr die Lehrenden für die             Auch, wenn diese Befragungswerte sicher­                                                        Noten bekommen hat. Im Prinzip der Nach­
at und Lehrerfortbildung – „stehe die dritte         Auch Lehrkräfte lernen nie aus: Zahlreiche       Fortbildung aufwenden müssen (Hamburg,             lich unter Corona­Bedingungen erhoben wur­        Neue strukturelle Herausforderungen              haltigkeit ist es wichtig, dass das in einer Fort­
Phase im Schatten der ersten beiden“, sagt        Veränderungen (bildungspolitisch, fachdidak­        Bremen und Bayern). In den anderen Bundes­         den, sollte die Häufigkeit und die positiven         Wichtige immer wiederkehrende bildungs­       bildung Gelernte so viel Praxisbezug hatte,
Peter Daschner, der ehemalige Direktor des        tisch, pädagogisch, inhaltlich [Bildungs­ und       ländern gibt es eine „Soll­Verpflichtung“. (vgl.   Rückmeldungen dazu zum Nachdenken brin­           politische Neuerungen müssen oftmals relativ     dass das Gelernte möglichst sofort im eignen
Hamburger Landesinstituts für Lehrerbildung       Lehrpläne], verändernde Schüler und Gesell­         Kultusministerkonferenz)                           gen, diese Formate auch nach der Pandemie         schnell von den Fortbildungsinstituten umge­     Unterricht angewendet werden kann. (vgl.
und Schulentwicklung und Leiter der Studie,       schaft, eine sich stark verändernde digitale Bil­                                                      zu berücksichtigen.                               setzt werden und dies in oftmals kurzen Fort­    Deutsches Schulportal, Februar 2022)
die im Frühjahr 2019 unter dem Titel „Lehr­       dung, ...) fordern von Lehrerinnen und Lehrern,     Formate:                                           Fortbildungsbedürfnisse                           bildungen, wo Lehrerinnen und Lehrer für
kräftefortbildung in Deutschland. Bestands­       sich regelmäßig weiterzubilden. Lehrerinnen           In einer Befragung der Forsa Politik­ und          Unterschiedliche Altersgruppen und Lehr­        eine kurze Zeit in Präsenz zusammenkommen,       Formate der Fortbildung
aufnahme und Orientierung“ im Verlag Beltz        und Lehrer müssen sich immer wieder in ihrem        Sozialforschung GmbH mit 1.008 Lehrerinnen         ämter haben unterschiedliche Fortbildungs­        da eintägige Fortbildungen meist der Stan­          Bezüglich der gängigen Formate besteht
Juventa erschienen ist. (vgl. Peter Daschner      Berufsleben solchen neuen Herausforderun­           und Lehrern (Juni 2021) hat sich ergeben,          bedürfnisse. Gymnasiumslehrkräfte besuchen        dard sind. Wobei klar ist, dass nur in länger­   ebenfalls Veränderungsbedarf. Wenn Lehre­
2019)                                             gen stellen und fortlaufend weiterqualifizieren.    dass Lehrkräfte ihren eigenen Angaben nach         eher Fortbildungen zu Fachinhalten, Fachdi­       fristig angelegten Fortbildungen an­spruchs­     rinnen und Lehrer an Fortbildungen teilneh­

EuWiS 10/2022 | 4                                                                                                                                                                                                                                                                       EuWiS 10/2022 | 5
N Bildu g. Weiter de ke ! - LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB ...
THEMA: LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT                                                                                                                                                                       THEMA: LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT

men, dann handelt es sich meist um einmalig          Solche gute Fortbildnerinnen und Fortbild­      einzelnen Lehrperson, sondern im Sinne eines        n Maßnahmen zur Förderung selbstgesteu­               von Schülerinnen und Schülern sollte ein­    n die anfangen, länderübergreifend mitei­
stattfindende Kurse ohne Nachbearbeitung          ner zu finden bedeutet auch eine Anerken­          Schulentwicklungsprozesses weitergeführt              erten Lernens                                       gefordert werden.                              nander zu kooperieren: Warum sollte es
oder Fortsetzung. Um nachhaltig zu wirken,        nung ihrer Arbeit zu leisten, durch z.B. ange­     werden kann (Fortbildungskozept der Schule).                                                                                                             einer saarländischen Lehrerin nicht
                                                                                                                                                         n Arbeitsdokumente von Schülerinnen und            n Kollegialer (schulübergreifender) Austausch
müssten Fortbildungen jedoch sequenziell,         messene Entlastung und berufliche Perspekti­                                                                                                                                                                grundsätzlich möglich sein, an einer spe­
                                                                                                                                                           Schülern auswerten                                 zu Themen in z.B. Videokonferenzen.             ziellen Fortbildung in Schleswig­Holstein
also aufeinander aufbauend, angelegt sein –       ven. Somit ist Bildungspolitik gefordert, eine     5. machen digitale Bildung zu einem
                                                                                                                                                           Sinnvoll ist es in diesem Zusammenhang,          n Fortbildungen im Flipped­Classroom­For­         teilzunehmen. Wäre das nicht sogar die
mit Input­ und Erprobungsphase, Reflexion         systematische Qualifizierung von Fortbildne­           Thema jeder Fortbildung
                                                                                                                                                         das Vorwissen der Teilnehmer zu berücksichti­        mat: Diese lassen sich auch von zuhause         Chance, Gelder zu sparen, wenn nicht in
sowie Austausch mit Kolleginnen und Kolle­        rinnen und Fortbildnern herbeizuführen.               Lehrpersonen sollten nicht ausschließlich
                                                                                                                                                         gen, um einerseits niemanden zu unter­ oder          aus durchführen. Materialien können             allen 16 Bundesländern ähnliche Fortbil­
gen.                                                                                                 auf speziellen Fortbildungen in der Nutzung
                                                                                                                                                         zu überfordern und andererseits auch die             über eine Lernplattform flexibel abgeru­        dungen stattfinden, um zu beginnen,
                                                  2. kosten Geld                                     digitaler Medien geschult werden. Digitale Bil­
                                                                                                                                                         Chance zu nutzen, gutes Praxisvorwissen der          fen werden. Gemeinsame Phasen von               Synergien zu schaffen und Ressourcen zu
Inhalte von Fortbildungen                            Die Bedeutung der dritten Phase der Lehre­      dung muss zu einem festen Bestandteil jeder
                                                                                                                                                         Teilnehmer in der Fortbildung aufzunehmen.           Präsenztreffen, gerne auch per Videokon­        gewinnen?
   Die KWiK­Studie zeigt, dass sich die digita­   rinnen­ und Lehrerbildung ist durchaus in der      Fortbildung werden, um einen sinnvollen
len Kompetenzen von Lehrerinnen und Leh­          bildungspolitischen Aufmerksamkeit. Dies hat       Gleichklang von technischem Wissen und              7. müssen den Zusammenhang zwischen                  ferenz fließen mit ein.                       n die Netzwerkarbeit betreiben mit anderen
rern im Laufe der Corona­Pandemie deutlich        sich jedoch noch nicht in einer steigenden         didaktisch­pädagogischem Einsatz zu errei­             Lehrer:innen­ und Schüler:innenhandeln          n Schnupperfortbildungen anbieten, z. B.          Fortbildungsinstituten, dem Ministerium,
verbessert haben. Zurückzuführen ist das vor      Finanzierung für diesen Bereich ausgewirkt.        chen, damit Digitalität dazu beiträgt, dass sich       analysieren                                       zum Thema Inklusion, die Appetit machen         Gewerkschaften, Verbänden, ...
                                                                                                     Unterricht qualitativ weiterentwickelt und          Hierzu gehören Fragestellungen, wie:
allem auf eine gestiegene Teilnahme der Lehr­     Will man aber in ausreichendem Maße quan­
                                                                                                     heterogene Lernprozesse qualitativ weiterent­
                                                                                                                                                                                                              sich zur ausführlichen Fortbildung anzu­      n die sich als Kompetenzzentrum sehen. n
kräfte an entsprechenden Fortbildungen. In        titativ und qualitativ angemessene Fortbildun­                                                                                                              melden.
                                                                                                     wickeln. Konkrete Beispiele sind: Digitale          n Welche Schülerreaktion ist von meinem
der KWiK­Studie gaben demnach 477 von             gen, die auf oftmals schnell ändernde bil­                                                               Lehrerhandeln zu erwarten (Antizipation)?        n Coaching nach der Fortbildung: Die Fort­
                                                                                                     Pinnwände, Lern­Apps, digitale Lernplattfor­
befragten 1.026 Lehrkräften an, während der       dungspolitische Reformen (Bildungsstan­            men, Videokonferenzen, Erklärvideos, Flipped                                                             bildner:innen stehen nach der Fortbildung
Corona­Pandemie an Fortbildungen zur Inte­        dards, G8/G9, Demokratieerziehung, Inklusi­                                                            n Wie lernen Schülerinnen und Schüler den
                                                                                                     Classroom, ….                                                                                            mit Beratungsstunden zur Verfügung.
gration digitaler Medien in Lehr­ und Lernpro­    on, Migration, Digitalisierung, …) reagieren,                                                            Inhalt der Fortbildung?
zesse teilgenommen zu haben. Vor der Pande­       um diese erfolgreich umzusetzen, braucht es           Die Befähigung von Lehrkräften zu einem                                                             n Fachliteratur offline oder online lesen
                                                                                                                                                         n Wie kann kooperatives Lernen von Schü­
mie hatten dies lediglich 202 Lehrerinnen und     eine deutlich besseren Finanzierung im Fort­       digital unterstützten Unterricht erreicht man,        lerinnen und Schülern aktiviert werden?          n Online­Formate: Videokonferenzen
Lehrer getan. (vgl. KWik Studie)                  bildungsbereich.                                   wenn digitale Tools zum Standard jeder Fort­
                                                                                                     bildung werden. Dies entwickelt am konkre­          Hierzu kann Folgendes in der Fortbildung           n Digital gestützte Angebote im Blended­
   Kehrseite des Digitalisierungsschubs in der    3. sind für alle Lehrkräfte wichtig                ten Thema den Umgang mit digitalen Medien           getan werden:                                        Learning­Format                                                                 Thomas Höchst
                                                                                                                                                                                                                                                                                              Inklusionsreferent,
Lehrerfortbildung ist allerdings, dass andere        Fakt ist, dass die erste und zweite Ausbil­     und reduziert die Hemmschwelle: Ein integra­        n Konfrontation mit Schüleraufgaben                                                                                                  Buchautor
Themen in der Pandemie deutlich weniger           dungsphase nicht vollumfänglich leisten kann,      tiver, am Fortbildungsthema orientierter An­                                                              Solche verschiedene Formate sind auch
Zulauf hatten. Aus der KWiK­Studie geht her­      dass eine Lehrkraft ein Leben lang für die         satz zur digitalen Bildung.                         n Parallelen zwischen dem eigenen Lernen           deshalb wichtig, da verschiedene Formate           www.praxis­inklusion.de
                                                                                                                                                           und dem der Schülerinnen und Schüler
vor, dass zum Beispiel die Teilnahme an Fort­     erfolgreiche Ausübung ihres Berufes gerüstet                                                                                                              auch durch die Auswahlmöglichkeit besser auf
                                                                                                                                                           herstellen
bildungen für die Förderung leistungsschwä­       ist. Dagegen sprechen ja auch die vielen ange­     6. müssen praxisorientiert sein                                                                        die Heterogenität der Teilnehmer:innen pas­        Literatur
cherer Schülerinnen und Schüler, zum              sprochenen Veränderungen im Laufe der Jah­           Einer der Hauptkritikpunkte an Fortbildun­        n Lehrpersonen zur vergleichenden Analyse          sen und dann vermehrt gewählt werden.              Bertelsmann Stiftung: Fortbildungen für Lehrpersonen
Umgang mit sprachlicher Vielfalt in Lerngrup­     re in der Bildungslandschaft. Fortbildung ist      gen ist, dass sie zu theoretisch sind: Die Inhal­     von Bearbeitungs­ und Lösungswegen von                                                              wirksam gestalten – Ein praxisorientier und for­
                                                                                                                                                                                                                                                               schungsgestützter Leitfaden.
pen oder zum Umgang mit Schülerinnen und          somit für jede Lehrkraft wichtig und deshalb       te sind in der Praxis nicht anwendbar. Gute           Schülerinnen und Schülern anreden, …)            10. brauchen eine systematische Evaluation         Daschner Peter, Hanisch Rolf (Hrsg.): „Lehrkräftefort­
Schülern mit sonderpädagogischem Förder­          muss auch darüber nachgedacht werden, ob           Fortbildungen bedeuten für Kolleginnen und                                                               Jedes Bundesland bräuchte eine gezielte          bildung in Deutschland. Bestandsaufnahme und Orien­
                                                                                                     Kollegen, dass die durchaus wissenschaftlich        n Videoanalysen                                                                                       tierung“ 2019.
bedarf deutlich zurückgegangen ist.               diese freiwillig bleiben kann. Ca. 17 – 30 % der                                                                                                          Evaluation des Fortbildungsbereiches, was          Forsa: Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrkräfte in
                                                  Lehrkräfte haben in den letzten beiden Jahren      fundierten Themen der Fortbildung auf die           8. bieten die Möglichkeit zur Reflexion nach       dann insgesamt zu einem aussagekräftigen           Deutschland Meinungen, Einstellungen und Erfahrun­
                                                  keine Fortbildung besucht (vgl. Kuschel, Rich­     Praxis im Unterricht übertragen werden kön­            Anwendung der Fortbildungsinhalte               Gesamtmonitoring bundesweit führen würde.          gen Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von
Merkmale erfolgversprechender                                                                        nen und damit die Grundlage gelegt wird, „am                                                                                                              Lehrerinnen und Lehrern, 16. Oktober 2020
Fortbildungen                                     ter Lazarides, 2020). Eine Fortbildungspflicht                                                           Gute Fortbildungen ermöglichen es, das in                                                           Kracke. B., Sasse. A., Czempiel. S. & Sommer. S.: Die
                                                  würde somit ein Zeichen setzen, dass lebens­       nächsten Tag“ im Unterricht angewendet wer­         der Fortbildung Erarbeitete in der Praxis aus­       Hier möchte ich nur ein paar Beispiele not­      Qualität schulischer Inklusion ­ exemplarisch erläutert.
                                                                                                     den zu können. Dies kann auf verschiedensten                                                                                                              In: Sasse, A., Kracke, B., Czempiel, S. & Sommer, S.
Gute Fortbildungen                                lange Weiterentwicklung zum Lehrerberuf                                                                zuprobieren und danach nochmals gemein­            wendiger Evaluationsdaten aufführen:
                                                                                                     Wegen erreicht werden:                                                                                                                                    (Hrsg.): Schulische Inklusion in der Kommune. Münster
1. brauchen gute Fortbildnerinnen                 dazugehört. Soll die Freiwilligkeit jedoch so                                                          sam zu reflektieren. Dies könnte in einer                                                             2019, S. 117 – 156.
                                                                                                                                                                                                            n Zu welchen Themen und Inhalten werden
    und Fortbildner                               bleiben, muss die Beraterfunktion von Schul­       n Digitale Medien zur Umsetzung im                  Videokonferenz stattfinden, bei der alle Teil­                                                        Kuschel Jenny, Richter Dirk & Lazarides Rebecca: Wie
                                                                                                                                                                                                              Fortbildungen angeboten?                         relevant ist die gesetzliche Fortbildungsverpflichtung
   Ein guter Lehrer ist nicht automatisch ein     leitungen gestärkt werden auf Fortbildungen          Unterricht                                        nehmer:innen der Fortbildung nochmals                                                                 für Lehrkräfte? Eine empirische Untersuchung zur Fort­
guter Fortbildner. Hierzu gehören die Über­       für einzelne Lehrkräfte gezielt verpflichtend                                                          zusammenkommen und die Erfahrungen der             n Länge der Fortbildungen                          bildungsteilnahme in verschiedenen deutschen Bun­
                                                                                                     n Videosequenzen aus dem Unterricht                                                                                                                       desländern, Zeitschrift für Bildungsforschung 2020
zeugung zum Thema, Wertehaltungen, eine           hinweisen zu dürfen.                                                                                   Praxisanwendung gemeinsam analysieren.             n Zeitraum der Fortbildungen                       Robert Bosch Stiftung (2021): Befragung von Lehrkräf­
hohe Motivation, das entsprechende Fachwis­                                                          n Audioaufzeichnungen aus dem Unterricht                                                                                                                  ten allgemein­ und berufsbildender Schulen zu ihren
                                                                                                       mit gezielten Fragen und Impulsen zur                Diese Reflektion kann auch genutzt werden       n Anzahl der teilnehmenden Lehrpersonen
sen und das fachdidaktische und pädagogi­            Ebenso muss sichergestellt sein, dass Schu­                                                         Fragen, Wünsche und Bedürfnisse der Kolle­
                                                                                                                                                                                                                                                               Fortbildungsaktivitäten und –bedarfen. Durchgeführt
sche Wissen, die Sachinhalte auf die Praxis im    len genügend Reserven an Lehrerwochen­               Analyse                                                                                                                                                 von forsa Politik­ und Sozialforschung GmbH. Stuttgart:
                                                                                                                                                         ginnen und Kollegen aufzugreifen, die am           n Welche Formate werden wie häufig ange­           Robert Bosch Stiftung.
Unterricht an der Schule transferieren zu kön­    stunden haben, um Kolleginnen und Kollegen         n Materialien zum Einsatz im Unterricht             Ende der Fortbildung noch bestehen oder erst         boten?                                           Internetquellen
nen. Besonders der Praxisbezug erhöht die         vertreten zu können, die auf Fortbildung wol­                                                          in der Praxis aufkamen.                                                                               Deutsches Schulportal: https://deutsches­
Motivation und das Wirksamkeitserleben der        len.                                               n Fallbeispiele aus dem eigenen oder frem­                                                             n Anzahl der ausgefallenen Fortbildungen in        schulportal.de/bildungswesen/was­macht­gute­lehrer­
                                                                                                                                                                                                                                                               fortbildung­aus/ 15. Februar 2022, aktualisiert am 19.
Lehrkräfte. Die Kompetenzen der Fortbildne­                                                            den Unterricht                                    9. berücksichtigen verschiedene Formate              welchen Bereichen?                               Mai 2022
rinnen und Fortbilder spielen eine wichtige       4. enden nicht am Fortbildungstag                                                                        Die Zeit, in der sich Fortbildungen in der Re­                                                      Kultusministerkonferenz: Lehrkräftefortbildung in den
                                                                                                     n „Good Practice“ Beispiele zum                                                                        n Ausgaben für die Fortbildungen?                  Ländern: 2017­12­19_Lehrerfortbildung_in_den_Laen­
Rolle, sowohl, was das Fachwissen betrifft als       Fortbildungsthemen müssen in der Schule           Fortbildungsthema                                 gel fast ausschließlich durch eintägige Anwe­                                                         dern__003_.pdf (kmk.org)
auch Praxiserfahrungen, die zum Thema             vor Ort weitergeführt werden. Dazu benötigt                                                            senheit an fixen Fortbildungsorten abspielen,      n Wie viele Lehrpersonen nehmen an Fort­           KWik Studie: KWiK­Brochure_0.pdf (iea.nl)
bestehen und vermittelt werden können, wie        die Lehrperson, die auf Fortbildung war, die       n Hospitationen im Unterricht (Fortbildun­          muss vorbei sein. Hier müssen neue, vielfältige      bildungen teil oder nicht?                       Studie ­ Schlechte Noten für die Lehrkräftefortbildung ­
                                                                                                                                                                                                                                                               Das Deutsche Schulportal (deutsches­schulportal.de)
z.B. welche Merkmale von Unterricht das Ler­      Unterstützung der anderen Lehrkräfte und             gen an Schulen stattfinden lassen)                Formate genutzt werden. Hierzu gehören u.a.:       n Welche Evaluation der Fortbildung selbst
nen von Schülerinnen und Schülern positiv         der Schulleitung. Hierzu gehört ein verpflich­                                                                                                              findet statt?
beeinflussen. Dies wirkt sich auch automa­        tendes Denken an der Schule, wie Fortbil­          n die Rolle von Schülern einnehmen                  n Gegenseitige Hospitationen in der eige­
tisch auf die fortbildungsbezogenen Überzeu­      dungsinhalte an das Kollegium weitergegeben                                                              nen Schule und darüber hinausgehend              11. brauchen gute Fortbildungsinstitute,
                                                                                                     n Bereitstellung erprobter Konzepte und
gungen, den Enthusiasmus und die Authenzi­        werden und wie sie im Schulprogramm veran­                                                               mit Feedback durch andere Lehrpersonen           n die eine gute Kooperation mit den Uni­
                                                                                                       Materialien
tät der Fortbildner aus.                          kert werden können, damit der Fortbildungs­                                                              oder besonderen Experten, die angefor­              versitäten eingehen
                                                  inhalt nicht „nur“ zur Professionalisierung der    n Lernstrategien aufzeigen                            dert werden können. Auch das Feedback

EuWiS 10/2022 | 6                                                                                                                                                                                                                                                                           EuWiS 10/2022 | 7
N Bildu g. Weiter de ke ! - LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB ...
THEMA: LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT                                                                                                                                                                   THEMA: LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT

Lehrer:in werden ist schwer –                                                                                                                                                                              Betroffene Lehrkräfte fühlen sich in ihrer
                                                                                                                                                                                                        Frustration und ihren Ängsten ernst genom­
                                                                                                                                                                                                        men, können sich mit Gleichgesinnten austau­
                                                                                                                                                                                                                                                         sollten dabei priorisiert werden. Es gilt zu
                                                                                                                                                                                                                                                         überlegen, wie es zu schaffen ist, den Lehrbe­
                                                                                                                                                                                                                                                         ruf und den Weg dorthin, so zu gestalten, dass

Lehrer:in bleiben noch viel mehr                                                                                                                                                                        schen und finden Hilfe bei einer eventuellen
                                                                                                                                                                                                        beruflichen Neuorientierung. In Ihrem Blog
                                                                                                                                                                                                        und Podcast „Life after Lehramt“ präsentiert
                                                                                                                                                                                                                                                         die Bedürfnisse der Schüler:innen über das
                                                                                                                                                                                                                                                         Bildungsangebot hinaus gedeckt werden und
                                                                                                                                                                                                                                                         der Lehrberuf langfristig attraktiv bleibt. Denn
Lehrerbildung und Lehrkraft sein im 21. Jahrhundert                                                                                                                                                     sie zudem weitere Impulse von Bildungsfor­       nur gesunde und zufriedene Lehrer:innen
                                                                                                                                                                                                        schern und Aussteigern. Erfahrungsberichte       können ihrem Bildungsauftrag, mit all seinen
   Die Lehramtsausbildung an den deutschen       nen. In den Lehrproben sollen sie dann einer        Lehrer sein kann, ob man seinen Beamtensta­                                                        ihrer Klient:innen sind zu finden und sollen     Anforderungen des 21. Jahrhunderts, erfolg­
Universitäten wird von Bildungsexperten stets    Kommission beweisen, dass sie lehren können         tus aufgeben möchte und welche Alternativen                                                        betroffenen Lehrkräften Mut machen. Außer­       reich nachgehen. Gerade in Zeiten akuten
kritisiert – sie sei nicht mehr zeitgemäß und    – auch hier weichen die Kriterien der jeweili­      es überhaupt zum Lehrberuf gibt. Dabei                                                             dem gibt es dort Rückmeldungen von Päda­         Lehrermangels wäre es zu wünschen, dass
nicht an die Lebenswelt der Schüler:innen        gen Bundesländer und Schulformen stark von­         bewirbt Unruh keineswegs den Ausstieg aus                                                          gog:innen aller Altersklassen und Schulfor­      eine Neustrukturierung der Lehrerausbildung
angepasst. Die Lehrinhalte seien oft zu wis­     einander ab, sind aber doch insgesamt so,           dem Lehrberuf, sondern er bietet Denkanstö­                                                        men, die den Berufswechsel gewagt haben.         und des Lehrerseins im 21. Jahrhundert moti­
senschaftlich und nicht praxistauglich genug –   dass diese 45 Minuten oft als „Schauunter­          ße, macht Mut für Veränderung, gibt Erfah­                                                                                                          vierte und engagierte Lehrkräfte „zum Blei­
so sieht das auch eine Vielzahl von Lehramts­    richt“ und kaum der Realität entsprechend           rungen Betroffener wieder. Aber er signali­                                                           Unruh und Probst machen auf einen Miss­       ben“ ausbildet, ganz nach dem Motto: „Leh­
studenten. Germanistikstudenten:innen ana­       empfunden werden. Die angehenden Lehr­              siert auch, dass ein erneutes JA zum Lehrbe­                                                       stand des Lehrberufs aufmerksam, der bereits     rer werden ist nicht schwer, Lehrer bleiben
lysieren beispielsweise mittelhochdeutsche       kräfte müssen den Spagat zwischen Unter­            ruf nicht ausgeschlossen ist.                                                                      in der Konzeption der Studiengänge verwur­       auch nicht mehr“. n
Texte des Minnesangs, schreiben darüber wis­     richtgestaltung, Korrekturen und ihrer eige­                                                                                                           zelt ist und zeigen mit ihren Ratgebern, wie
senschaftliche Hausarbeiten, wälzen Sekun­       nen Bewertung unter ständiger Beobachtung                                                                                                              akut die Problematik tatsächlich ist. Dass das
därliteratur und werden u.a. Experten der ger­   meistern. Dazu kommt der stetige Austausch                                                                                                             Thema Berufsausstieg im Lehramt aktueller
manistischen Linguistik. Diese Inhalte, wenn­    und damit einhergehend auch die Konfronta­                                                                                                             denn je ist, zeigen u.a. die zurückgehenden
gleich sie interessant sein mögen und das        tionen mit Kollegen, Vorgesetzten, Eltern und                                                                                                          Zahlen von Studienanfängern und die zuneh­
nötige Hintergrundwissen liefern, haben          natürlich den wichtigsten Akteuren – den                                                              sche Impulse und Informationen, die Betroffe­    menden Zahlen von Studien­ und Berufsab­
wenig mit den Lehrplänen der Schulen zu tun,     Schülern. Diesem Druck halten nicht alle Refe­                                                        ne bei der Abwägung ihrer Entscheidung           brecher:innen deutschlandweit. Bund und
vor allem wenn es darum geht, dieses Wissen      rendare stand; bundesweit fallen ca. 7 Prozent                                                        unterstützen und beleuchtet mithilfe eines       Länder sollten deshalb dringend eine Reform
methodisch und didaktisch entsprechend und       der Referendare durch. Dazu kommt die Zahl                                                            Experten die beamtenrechtliche Seite der         der Berufsausbildung und des Berufs Lehramt
ansprechend für Schüler:innen aufzubereiten.     derjenigen, die merken, dass das Berufsbild                                                           Thematik. Auf ihrer Webseite https://isabell­    ausarbeiten. Eine Neustrukturierung des Stu­
Dies mag mitunter ein Grund dafür sein, dass     des Lehrers nicht ihren Erwartungen ent­                                                              probst.de/blog stellt Probst die Frage:          diums, eine praxisnahe Ausbildung, eine
die Quote der Lehramtsstudenten, die ihr Stu­    spricht.                                                                                              „Gestrandet im Lehrberuf?“ und versichert:       Implementierung gleichwertiger Bildungs­                                     Sarah Becker
dium abbrechen, immer weiter zunimmt – so                                                                                                              „Dein Leben ohne Kreidestaub und Korrektu­       standards deutschlandweit und die Integrati­
haben zum Beispiel 2021 in Mecklenburg Vor­         Diejenigen, die das Referendariat geschafft                                                        ren muss NICHT bis 67 warten“.                   on multiprofessioneller Teams an Schulen
pommern 83 % der Lehramtsstudenten ihr           haben, werden dann in vollem Umfang mit
Studium nicht beendet (Quelle: https://www.      durchschnittlich 25 Unterrichtsstunden und
nordkurier.de/mecklenburg­vorpommern/83­         mit allem, was den Schulalltag tatsächlich aus­
prozent­der­studenten­brechen­lehramts­stu­      macht, konfrontiert. Im 21. Jahrhundert sind
dium­ab­1942109401.html).                        dies vor allem: Inklusion, Integration, Digitali­
                                                 sierung sowie die damit einhergehende Büro­
  Bedingt durch den Bildungsföderalismus in
Deutschland unterscheiden sich die Anforde­
rungen, Kriterien und Studieninhalte von Bun­
                                                 kratie. Unterrichtsvor­ und Nachbereitung
                                                 werden dabei zur Nebensache. Der Umgang
                                                 mit verhaltensauffälligen und aggressiven
                                                                                                                                                       Lehrkraft sein –
desland zu Bundesland. So sind nicht in jedem
Bundesland Abbruchquoten von Lehramtsstu­
denten so hoch wie in Mecklenburg­Vorpom­
                                                 Schüler:innen, nicht kooperierenden Kolle­
                                                 g:innen und fordernden Vorgesetzten sorgt
                                                 neben all der zeitlichen auch für eine psy­
                                                                                                        Auch Isabell Probst thematisiert den
                                                                                                     Berufswechsel von Lehrkräften in ihrem Buch
                                                                                                     „Ausgelehrt – Ab morgen läuft die Schule
                                                                                                                                                       alte und neue Herausforderungen
mern, jedoch ist deutschlandweit ein Trend       chische Belastung. Oftmals sind Langzeiter­         ohne mich!“. 2015 hat sie selbst ihre Beam­
zum Abbruch des Lehramtsstudiums zu beob­        krankungen, Burnout und sogar Depressionen          tenstelle als Studienrätin an den Nagel              Wie die Gesellschaft wird auch die Arbeits­   bigkeit und technischen Fortschritt gekenn­      und an den Hochschulen um wenige Bewer­
achten – und dies in Zeiten akuten Lehrer­       die Konsequenz dieser stetig wachsenden             gehängt und dem öffentlichen Bildungssys­         welt immer diversifizierter. Das zeigt sich an   zeichnet ist. Eine Vielzahl der (Ausbildungs­)   ber:innen. Eigentlich eine attraktive Aus­
mangels.                                         Anforderungen an die Lehrkräfte des 21. Jahr­       tem den Rücken gekehrt. Sie war die Erste, die    dem immer schneller werdenden technischen        Berufe, die über Generationen attraktiv für      gangsposition für Schulabgänger, die sich die­
                                                 hunderts. Dies führt dazu, dass immer mehr          ihren Ausstieg aus dem Lehramt und ihre           Fortschritt, der eine Transformation ganzer      zahlreiche Schulabgänger:innen waren, wird       sen Realitäten bewusst werden sollten.
   Nach erfolgreichem Abschluss des Studi­       Lehrpersonen ausgelaugt und unzufrieden             Umorientierung offen thematisierte und so         Branchen und Berufszweige zur Folge hat. Die     es in wenigen Jahren aufgrund der Digitalisie­   Darauf muss die Schule des 21. Jahrhunderts
ums warten schon die nächsten Hürden auf         ihre Berufswahl hinterfragen. Das immer noch        viel Zuspruch und Anfragen von gleichgesinn­      Transformation macht auch vor dem Bildungs­      rung und der Automatisierung in dieser Form      vorbereiten. Nicht alle der zentralen Anforde­
die, noch optimistischen, Berufsanfänger:in­     existierende gesellschaftliche Vorurteil gegen­     ten und zweifelnden Pädagogen erhielt. Als        wesen nicht Halt. Sie muss deshalb aktiv         nicht mehr geben. Andere Berufsbilder wer­       rungen an diese Schule sind neu. Die folgen­
nen – die Zusage, das Referendariat absolvie­    über Lehrern, vormittags Recht und nachmit­         Selbständige leitet sie mittlerweile zwei         gestaltet werden.                                den immer komplexer, sie erfordern von den       den Kernkompetenzen muss das Bildungswe­
ren zu dürfen. Denn nur mit abgeschlosse­        tags frei haben, bestätigt sich für die meisten     Unternehmen und ist nach intensiver                                                                Bewerber:innen gutes Vorwissen und zahlrei­      sen besonders in den Blickpunkt nehmen:
nem Referendariat gilt die Lehramtsausbil­       Lehrpersonen eben nicht. Thomas Unruh,              Beschäftigung mit dem Ausstieg aus dem               Verschiedenartige soziale Prozesse haben      che Kompetenzen, immer mehr auch im digi­
dung als abgeschlossen. Das Referendariat ist    Hauptseminarleiter am Landesinstitut für            Lehramt zur Expertin im deutschsprachigen         bildungspolitische Entwicklungen wie Ganz­       talen Bereich. Diese Entwicklung schlägt sich
die praktische Phase der Lehrerausbildung;       Lehrerbildung und Schulentwicklung in Ham­          Raum avanciert.                                   tag, Inklusion und Umgang mit Heterogenität      auch an den Hochschulen nieder: Dort ist eine    Breite Allgemeinbildung:
die angehenden Lehrkräfte werden theore­         burg, hat sich mit dieser Thematik beschäftigt                                                        oder Digitalisierung bereits in Gang gesetzt,    zunehmende Differenzierung bzw. Spezialisie­       Gerade aufgrund der zunehmenden Diffe­
tisch an Studienseminaren und praktisch an       und zeigt den Betroffenen in seinem Buch               Als Laufbahnberaterin, Neuorientierung­        die das Konzept Schule in Deutschland seit       rung der Studiengänge erkennbar, teilweise       renzierung und Spezialisierung an den Hoch­
Schulen ausgebildet. In dieser Zeit, auch hier   „Lebenslang Lehrer? Alternativen zum Lehr­          scoach und Mentorin hilft sie Lehrkräften auf     einigen Jahren verändern. In diesem Zusam­       auch auf interdisziplinärer Ebene. Firmen ver­   schulen und am Ausbildungsmarkt sollten
variiert die Dauer von Bundesland zu Bundes­     beruf“ andere berufliche Möglichkeiten auf.         dem Weg zu neuen Anstellungen oder in die         menhang geraten immer mehr solche Kompe­         langen von Absolvent:innen immer mehr Spe­       Absolvent:innen die Schule mit einer fundier­
land, lernen die Referendar:innen die Bil­       Der Ratgeber enthält neben praktischen Tipps        Selbstständigkeit. Probst reflektiert nicht nur   tenzen in den Blickpunkt, welche die künftige    zialwissen. Auch hier spielen digitale Kompe­    ten Allgemeinbildung verlassen. Dazu gehö­
dungsgesetze, Rechte und Pflichten von Leh­      auch Hilfen zur Selbsterkundung und beschäf­        ihren eigenen Ausstieg, sondern thematisiert      berufliche Realität der Lernenden fokussieren,   tenzen eine immer größere Rolle. Zusätzlich      ren neben hinreichenden Kenntnissen der
rern und Methoden der Stoffvermittlung ken­      tigt sich u.a. mit den Fragen, ob man ein guter     den Lehrerausstieg differenziert, gibt prakti­    die durch zunehmende Flexibilität, Schnellle­    entbrennt ein Wettbewerb in den Betrieben        deutschen Sprache und solchen aus dem

EuWiS 10/2022 | 8                                                                                                                                                                                                                                                                   EuWiS 10/2022 | 9
N Bildu g. Weiter de ke ! - LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB ...
THEMA: LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT                                                                                                                                                                        THEMA: LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT

mathematischen und naturwissenschaftli­           Rahmen vorgeben.                                      Beurteilungskompetenz und                         Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Die           Wege der Gewissenserziehung                       Gewissen daraus feste „Korsettstangen“
chen Bereich insbesondere Fremdsprachen                                                                 kritisches Denken:                                Schulgesetze der Bundesländer formulieren             Wenn der Zielbereich der Gewissenserzie­       gewinnen. Chaos und Orientierungslosigkeit
sowie weitere geistes­ und gesellschaftswis­                                                               In diesem Zusammenhang ist auch das kri­       dann, dass die Schülerinnen und Schüler fähig      hung geklärt ist, kommt die spannende Frage       können Charakterfestigkeit jedenfalls nicht
senschaftliche Inhalte, eine hinreichende poli­   Kooperatives Lernen und Arbeiten:                     tische Denken zu nennen, das nicht nur im         werden sollen, die Grundrechte für sich und        auf, auf welchen Wegen ein Gewissen stark         befördern und führen eher zu Gewissenlosig­
tische und (kultur­)historische Bildung sowie        Ob auf der Baustelle, im Büro oder im Bil­         Bereich der politischen Bildung eine zentrale     jeden Anderen wirksam werden zu lassen,            gemacht werden kann. Wieder kann man eine         keit. Gut gelebtes Leben gibt Halt und kann
Kompetenzen aus musischen bzw. künstleri­         dungswesen: Die Arbeitswelt wird immer                Kulturtechnik der Zukunft sein wird. Nur wer      ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach          Trias entwickeln.                                 damit Charakterstärke befördern.
schen Disziplinen. Vernetztes Wissen ist hier     multiprofessioneller und teamorientierter.            kritisch hinterfragt (z. B. sich selbst, andere   den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Soli­
die Voraussetzung für künftige Urteilsfähigkeit   Flache Hierarchien und kooperative Arbeits­           Personen, Medien, Politiker), ist in der Lage,    darität und der Toleranz zu gestalten. Damit       1. Interaktionen und beispielhafte                4. Gelegenheiten des Wagens und Sich­
und Kreativität innerhalb der jeweiligen Fach­    formen sind in vielen Betrieben bereits heute         Dinge neu zu denken.                              ist der Ausgangspunkt aller weiteren Konkre­       Situationen                                       Bewährens und Grenzsituationen
disziplinen. Ein:e Absolvent:in sollte in der     gelebte Realität. Einzelgängertum und Elfen­                                                            tionen gegeben: das eigene Selbstverständnis          Am wirksamsten sind auf Dauer Interaktio­         In aufsteigender Linie ist Gewissenserzie­
Lage sein, über den Tellerrand seines oder        beinturm gehören in den meisten Berufen der                                                             und das Verhältnis zu anderen Menschen             nen mit Personen, die mit ihrem Verhalten         hung schließlich bis zu Gelegenheiten des
ihres eigenen Fachbereichs zu blicken, ob im      Vergangenheit an. Lernen und Arbeiten in              Kreatives Denken und Arbeiten:                    bekommen eine Grundorientierung.                   gute Beispiele für gutes und verantwortliches     Wagens und Sich­Bewährens und sogar bis zu
Rahmen einer dualen Ausbildung oder auf           einem heterogenen bzw. inklusiven sowie von              Daran anknüpfend muss die Kreativität ein                                                         Menschsein sind. Konkret werden sich die          Grenzsituationen zu bedenken. Wenn sich
akademischer Ebene. Kulturelles Kapital kann      Internationalität geprägten Umfeld ist in den         zentrales Paradigma der Schule von morgen         2. Soziale Tugenden                                guten Beispiele in konsistenten Verhaltenssti­    langsam handlungsrelevante Werte und Nor­
für Absolvent:innen im Sinne der Bildungsge­      meisten Branchen bereits heute Realität.              sein. Weiterentwicklung entsteht meist durch         Das Gewissen bekommt eine weitere „Kor­         len, im Sprachverhalten, in nachahmenswer­        men verfestigen, benötigt das individuelle
rechtigkeit zudem von großem Wert sein.           Schule muss hierbei die Basis schaffen, sich          kreatives Denken. Schule muss entsprechend        settstange“ mit den sog. Sozialen Tugenden.        ten Ich­Du­Beziehungen und in Metainterak­        Gewissen Herausforderungen, die zu Bewäh­
                                                  durch kooperative und inklusive Lernformen            für Kreativität Anlässe und vor allem Platz       Achtung und Respekt vor dem Anderen zeigen         tionen zeigen. Wenn man Menschen erleben          rungen im Handeln führen. Zu denken ist hier
Methoden­ und Problemlösungskompetenz,            in einem solchen Umfeld zurecht zu finden.            schaffen. Die bereits aufgelisteten Kriterien     sich in dem ständigen Bemühen, Gerechtig­          kann, die gewissenshafte Verhaltensweisen in      an Situationen, die Verantwortungsübernah­
lebenslanges Lernen:                              Hierzu gehört auch die Kompetenz zur Selbst­          sind hierfür Voraussetzung. n                     keit, Fairness, Toleranz, Hilfsbereitschaft zu     problematischen Situationen des Alltags zei­      me verlangen, die also Ernstsituationen sind.
   Technischer Fortschritt, Digitalisierung so­   reflexion und zum konstruktiven Feedback.                                                               praktizieren, aber auch Konfliktfähigkeit und      gen, die in ihrem Sprachverhalten Respekt         Die Sammelaktion für Flüchtlingskinder, das
wie eine vernetzte und globalisierte Arbeits­                                                                                                             Zivilcourage zu entwickeln. Die Balance von        und Achtung repräsentieren, die helfende und      Verteidigen eines gemobbten Mitschülers, die
welt erfordern eine zunehmende räumliche          Kommunikation und Medienkompetenz:                                                                      Rechten und Pflichten kann immer wieder            Mut machende Ich­Du­Beziehungen aufbau­           Betreuung alter Menschen können als Bespie­
und geistige Flexibilität. Gerade in techni­         Die Transformation der Arbeitswelt kann                                                              gewonnen werden. Das individuelle Verhalten        en und durch eine selbstreflexive Haltung sich    le dienen. Grenzsituationen muss man gut
schen Berufen, aber auch etwa Bereiche wie        nur positiv gestaltet werden, wenn Lernende                                                             zeigt sich in zwei Maximen: Das biete ich dir      auch immer wieder hinterfragen können,            kalkulieren, aber die Kanufahrt auf der Oker
Logistik, Landwirtschaft, IT, Ingenieurwesen      in die Lage versetzt werden, digitale Medien                                                            an und so sehe ich dich und ist getränkt von       kann sich eine sehr stabile Verhaltensorientie­   (Mutprobe), das Mitmachen bei der Jugend­
oder nicht zuletzt Bildung und Erziehung          anzuwenden und Nutzen über diese zu gene­                                                               dem Menschenbild, das sich entwickelt hat          rung ergeben.                                     feuerwehr (Engagement in Notsituationen),
erfordern eine geistige und teilweise körperli­   rieren. Jugendliche müssen auch zu einer kri­                                                           (siehe oben). Empathie, aber auch Härte bei                                                          die erste Hilfe bei einem Unfall (verantworte­
che Flexibilität von den Arbeitnehmer:innen.      tischen Nutzung von Medien befähigt werden.                                                             menschenverachtendem Verhalten sind gege­          2. Überzeugungs­ und Moralarbeit (Philoso­        tes Eingreifen) können auch wieder als Bei­
Es ist zunehmend erforderlich, sich an neue       Auch spielt die „digital literacy“, also die inter­                                                     ben.                                               phieren mit Kindern und Jugendlichen)             spiele genannt werden. Die Grundidee ist,
Technologien und neue, ungewohnte berufli­        disziplinäre Kompetenz, mit digitalen Medien                                      Carsten                                                                     Aber notwendig ist im Alltag auch explizite    aus der Reflektion in konkretes Handeln zu
che Situationen eigenständig anzupassen.          umzugehen, eine zunehmende Rolle, auch                                            Kohlberger            3. Umgangs­ und operative Kompetenzen              Moralarbeit. Das Besprechen von problemati­       kommen Dabei heißt Gewissenserziehung
Ständige Fort­ und Weiterbildung ist in allen     hinsichtlich der digitalen Selbstbestimmung                                                                Das ethische Niveau eines Menschen zeigt        schem Verhalten und von bedenkenswerten           auch, gut abzuschätzen, was leistbar ist und
Berufen immer wichtiger. Hierfür muss Schule      der Lernenden.                                                                                          sich auch in den Umgangsqualitäten, die er         Alternativen, das Nachdenken über das Gute        wo man sich schnell überfordern könnte.
zugunsten der Ungewissheitsorientierung den                                                                                                               praktizieren kann, Sind durchgehende               und Richtige und das Aushalten von morali­
                                                                                                                                                          Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Empathie als    schen Dilemmata sind ständige Herausforde­
                                                                                                                                                          Einfühlungsvermögen grundlegende Eigen­            rungen. Wie gehe ich mit absurden Auffassun­      Kleines Fazit
                                                                                                                                                          schaften, die eine Persönlichkeit ausmachen?       gen um, wie lange toleriere ich verletzendes        Das Gewissen – die immaterielle Steue­
                                                                                                                                                          Kann sie aber auch Engagement, Regelorien­         Verhalten, wann ist entschiedener und muti­       rungsinstanz des Menschen – ist für jedes
                                                                                                                                                          tierung und Kompromissbereitschaft zeigen?         ger Widerstand angesagt? Fast täglich findet      Individuum existentiell wichtig. Es kann
Gewissenserziehung                                                                                                                                        Die Hilfe für den Schwächeren, die Einsatzbe­
                                                                                                                                                          reitschaft in der Nachbarschaft, das Beharren
                                                                                                                                                                                                             man Situationen, die diese Fragen aufwerfen.
                                                                                                                                                                                                             Die wöchentliche Denk­Bar als halbstündiges
                                                                                                                                                                                                                                                               schwach ausgebildet sein – dann ist der
                                                                                                                                                                                                                                                               Mensch schnell gewissenlos –, es kann falsch
                                                                                                                                                          auf verabredeten Regeln, die Aufmerksamkeit        Gespräch am Wochenanfang oder ­ende soll­         gepolt sein – der Ehrenmord, um die verletz­
   Zu einer selbstständigen und selbstverant­     man die alte Trias von Freud zu Hilfe nimmt,          dreistufigen Zielkomplex entwickeln.              gegenüber dem Nächsten zeigen eine starke          te eine Regeleinrichtung sein.                    te Ehre der Familie zu rächen –, es kann
wortlichen Persönlichkeit gehört ein das Ver­     dann ist der Mensch mit einem ES (triebhaftes                                                           Persönlichkeit. Insofern ist der Alltag in allen                                                     ethisch verantwortbares Verhalten bestim­
halten regulierende Gewissen. Dies wird           Bedürfnis), einem Ich (die unverwechselbare           1. Das Menschenbild, das ein Individuum           Lebensbereichen durch gewissenhafte Ver­           3. Indirekte Gewissenserziehung durch             men. Es braucht aber Zeit und Chancen der
unbestritten sein. Aber wie prägt sich dieses     Individualität) und einem Über­Ich (ein Wer­          braucht.                                          haltensweisen bestimmt oder eben auch              strukturierte Situationen und verdichtete         Entwicklung. Ziele und Wege können diese –
Gewissen aus? Entsteht es im Zuge des Auf­        te­ und Normenkomplex) ausgestattet. Das                 Früher mag es aus dem Glauben heraus           nicht. Egoismus, Desinteresse, gar Aggressivi­     Beziehungen                                       wie oben beschrieben – bestimmen. n
wachsens wie von selbst? Das wird man             Über­Ich reguliert das Denken und Handeln             gebildet worden sein. Heute wird man es aus       tät sind meistens Symptome von Menschen,              Indirekte Gewissenserziehung erfolgt auch
bezweifeln können angesichts fast täglich         des Individuums, gibt ihm Halt und Orientie­          der Allgemeinen Erklärung der Menschen­           denen die grundlegenen Gewissheiten fehlen.        über strukturierte Situationen und verdichte­
erscheinende Meldungen über Fehlverhalten,        rung und bewahrt ihn vor unüberlegten oder            rechte von 1948 und von den Grundrechtsar­        Dies gilt auch für entwickelte kommunikative       te Beziehungen. Wenn der Alltag bestimmt ist
gar kriminelles Verhalten. Gewissenlose Taten     gar kriminellen Taten. Ist es schwach entwi­          tikeln des Grundgesetzes der Bundesrepublik       und kooperative Kompetenzen. Bei öffentli­         durch Regeln, Rituale und Routinen, ergeben
sind fast täglich in den Medien zu lesen, zu      ckelt, kann das Ich sehr willkürlich und orien­       Deutschland entwickeln: Alle Menschen sind        chen Aktivitäten (strategisches Denken, Pla­       sich Sicherheiten für das, was gut und richtig
hören oder zu sehen. Zu einer guten Erzie­        tierungslos handeln, seine triebhaften Bedürf­        frei und gleich an Würde und Recht geboren.       nen, Geschäftsordnungen handhaben u.a.m.)          ist. Ein Geflecht aus Regeln, Routinen und
hung gehört wohl die besondere Aufgabe der        nisse sind dann eher bestimmend. Es kommt             Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Frei­       zeigt sich die Gewissenhaftigkeit oder die         Ritualen kann Ausdruck von Lebensweisen,
Gewissenserziehung. Aber wie könnte sie aus­      also wohl darauf an, dass eine gute Erziehung         heit und Sicherheit der Person. Jeder Mensch      Gewissenlosigkeit ebenfalls sehr schnell.          Lebensstilen und Lebensformen sein, dass
sehen? In Publikationen der Erziehungswis­        das Über­Ich als Steuerungsinstrument stark           hat das Recht auf freie Meinungsäußerung,                                                            den Einzelnen sehr in seinen Auffassungen,
senschaft ist erstaunlich wenig zu finden. Im     macht. Zuerst müssen dafür die Ziele markiert         hat Anspruch auf Gedanken­, Gewissens­ und           Diese kurz beschriebene Dreistufigkeit von      Normen und Werten prägt. Das ist uns wichtig
Folgenden wird der Versuch einer näheren          werden.                                               Religionsfreiheit. Jeder Mensch hat Pflichten     Gewissensorientierung mag die Bedeutung            und so wollen wir leben! Verdichtete Bezie­
Beschreibung gewagt.                                                                                    gegenüber der Gemeinschaft, in der allein die     einer Gewissenserziehung deutlich machen.          hungen in Gestalt von Feiern und Festen, Rei­                                Manfred Bönsch
                                                                                                        freie und volle Entwicklung seiner Persönlich­    Sie prägt den Menschen in elementarer Wei­         sen und andere Unternehmungen wirken auf
Das Gewissen – die unbekannte Instanz             Dreistufiger Zielkomplex                              keit möglich ist. Entsprechende Formulierun­      se. Wird sie vernachlässigt, kommt es wie in       ihre Weise. Natürlich ist da immer die Ambi­
  Wo hat der Mensch sein Gewissen? Anato­            Gewissenserziehung ist eine anspruchsvol­          gen enthält das Grundgesetz wie z. B.: Die        der Gegenwart fast jeden Tag zu Nachrichten,       valenz von gutem Beispiel und Indoktrination.
misch ist es sicher nicht zu verorten. Wenn       le Erziehungsaufgabe. Man kann dafür einen            Würde des Menschen ist unantastbar. Alle          die erschrecken müssen.                            Aber im positiven Fall kann ein individuelles

EuWiS 10/2022 | 10                                                                                                                                                                                                                                                                      EuWiS 10/2022 | 11
N Bildu g. Weiter de ke ! - LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB ... N Bildu g. Weiter de ke ! - LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB ... N Bildu g. Weiter de ke ! - LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB ... N Bildu g. Weiter de ke ! - LEHRKRAFT SEIN IM 21. JAHRHUNDERT Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB ...
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