NEUROVISION - Medios Apotheke
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NEUROVISION NEUROLOGIE VERSTEHEN OKTOBER 21 JAHRGANG 16 ZUM GREIFEN NAH? Ehrgeizige Ziele in der Parkinsonforschung geben Anlass zur Hoffnung ©iStockphoto/SiberianArt MS WELT> BDigitaler MS-Begleiter in der Testphase: Wie eine App unterstützen kann NEURO WELT> Neue Antikörpertherapie bei Neuromyelitis optica Spektrum Erkrankungen (NMOSD)
Der Patient im Fokus Bereits seit 2010 konzentrieren wir uns als spezialisierte Apotheke auf die pharmazeutische Betreuung und Versorgung von Patienten mit neurologischen Erkrankungen. Folgende Indikationen zählen zu unseren Schwerpunkten Zu unseren vielfältigen Serviceleistungen gehören • Amyotrophe Lateralsklerose, • spezialisierte Ansprechpartner Spinale Muskelatrophie u. a. Motoneuronenerkrankungen • fachkompetente pharmazeutische Beratung • Migräne und weitere Kopfschmerzarten • Beratung zu Cannabis und Cannabinoiden • Multiple Sklerose • umfangreiches Medikationsmanagement • neurologische Tumorerkrankungen • Beratung zu möglichen Therapieergänzungen • neuropathische Schmerzen • regelmäßige Patientenveranstaltungen • Parkinson • diskreter & kostenloser Versand deutschlandweit • Beratung zur richtigen Anwendung von Durch unsere jahrelange Erfahrung und die vielen Gespräche Applikationssystemen mit Betroffenen sind wir mit den speziellen Bedürfnissen • Herstellung individueller Rezepturen unserer Patienten vertraut und gehen kompetent und • Bevorratung zahlreicher neurologischer Präparate lösungsorientiert auf Ihre persönliche Situation ein. • Einführung in Meditation und Achtsamkeit Unser 22-köpfiges Team der Abteilung Neurologie hat es sich Wir gehen gerne auf Sie und Ihre Bedürfnisse zur Aufgabe gemacht, Ihnen als persönlicher Ansprechpartner flexibel und individuell ein – kontaktieren Sie uns! in allen Fragen zu Ihren Medikamenten beratend und tatkräftig zur Seite zu stehen. Ihr Wohlbefinden steht für uns im Vordergrund. Luisenstraße Campus Charité Mitte Friedrichstr TXL/147 Charité Campus Mitte aße e straß mann Schu 147 Schumannstraße traße ardts Reinh MediosApotheke an der Charité FachApotheke Neurologie Anike Oleski e. Kfr. Luisenstraße 54/55, 10117 Berlin T (030) 257 620 583 00, F (030) 257 620 583 13 neurologie@mediosapotheke.de mediosapotheke.de v.l. Luisa Scholz, Nilab Wali, Nele Teepens, Sabrina Bülau, Lara Fürtges, Sarah Junghans, Sie erreichen uns Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr. Claudia Reimers, Dr. Dennis Stracke, Sonja-Katharina Wilkening, Franziska Dörendahl, Steffi Lindstaedt, Claudio Santoro, Sabine Paulo Nicht auf dem Bild: Liesa Burock, Jenny Koch, Susanne Knappe, Bahar Sarpkaya, Julia Herzog, Anna Brauer, Vanessa Kulak, Olga Marcuk, Lilia Brauer
Inhaltsverzeichnis < Optimismus in der Parkinson-Forschung 06 – 17 Titelthema »Die Vision der Parkinson Stiftung ist eine Welt ohne Können die Ursachen von Parkinson bald behandelt Parkinson. Wir sind eine engagierte Gruppe von Ärzten, werden? Wissenschaftlern und Unterstützern, die glauben, Um diesen Prozess voranzutreiben, hat die Fachgesell- dass durch intensivierte Forschung eine Heilung der schaft die Initiative „Parkinson-Agenda 2030“ ins Leben Parkinson-Krankheit möglich ist.« gerufen. Hintergründe, Fragen und Antworten. Das Mission Statement der Parkinson-Stiftung ist stark. Ob sich die ambitionierten Ziele in die Tat umsetzen »Wir werden bis 2030 unglaublich viel für lassen, wird die Zukunft zeigen – die Zuversicht ist groß unsere Patienten erreicht haben« und die Redaktion der Neurovision wird die Arbeit und Interview mit Prof. Alexander Storch,Direktor der Klinik und das Vorhaben der Stiftung nicht nur verfolgen, wir werden Poliklinik für Neurologie an der Universitätsmedizin Rostock auch berichten. Hoffentlich bald und hoffentlich nur über Erfolge. Mehr zu den Hintergründen der Parkinson 18 –21 Agenda 2030, den Möglichkeiten, die es heute bereits gibt und den Ansätzen, die derzeit erforscht werden, Neurowelt lesen Sie in unserem Titelthema und im Interview mit Update: Was gab‘ s Neues auf dem siebten Prof. Alexander Storch. EAN-Kongress? Ein kleiner Ausschnitt aus den Themenschwerpunkten Viel Hoffnungsvolles gibt es auch in anderen neuro- der European Academy of Neurology (EAN) im Juni 2021. logischen Bereichen: So etwa zur Trigeminusneuralgie. Die blitzartig einschießenden Schmerzen lassen sich in- 22 – 26 zwischen gut behandeln, sagt Prof. Uwe Kehler und erläu- Trigeminusneuralgie tert ab Seite 22 die unterschiedlichen Möglichkeiten. Die Angst vor der nächsten Schmerzattacke macht Noch eine gute Neuigkeit: Für Menschen mit Neuro- Menschen mit Trigeminusneuralgie das Leben schwer. myelitis-Optica-Spectrum-Erkrankungen (NMOSD) steht In vielen Fällen kann die Ursache behoben und die eine neue Behandlungsoption zur Verfügung. Während Trigeminusneuralgie geheilt werden. es noch vor wenigen Jahren nur Off-label-Therapien gab, ist kürzlich die zweite Antikörper-Therapie zugelassen 32 – 39 worden: Satralizumab. Darüber sprachen wir mit der NMOSD – Neuromyelitis-optica-Spektrum- Apothekerin Sarah Junghans. Erkrankungen Zweite Antikörpertherapie zugelassen. Und damit sind wir bereits wieder bei der letzten Ausgabe des Jahres 2021 angelangt. Bis wir uns im Januar 22 mit neuen Themen zurückmelden (siehe Seite 44), wünsche MS-Welt ich Ihnen einen schönen Herbst, eine hoffentlich fried- liche Weihnachtszeit und einen guten Start ins neue Jahr! 28 – 31 Emendia MS Ihre Tanja Fuchs Eine neue App, die Menschen mit MS begleitet, wird derzeit getestet. 01 Editorial und Inhaltsverzeichnis 02 – 04 News 40 Gehirnjogging 41 Glossar 44 Vorschau, Impressum und Rätselauflösung NEUROVISION < 1
News < Herzlich willkommen aus Berlin! Persistente neurologische Symptome SEHR GEEHRTE LESERIN, nach einer durchgemachten Corona- SEHR GEEHRTER LESER, Infektion – Das Long-COVID-Syndrom auch wenn das Thema COVID-19 aus neurologischer Sicht für viele von uns inzwischen sehr ermüdend und oft frustrierend ist – es wird uns wohl noch eine Weile begleiten. Während wir uns in der letzten Aus- gabe an dieser Stelle mit der COVID- Impfung beschäftigt haben, wollen wir diesmal einen Blick auf die neu- rologischen Folgen werfen, die nach durchgemachter Infektion auftreten können. Immer häufiger hört und liest man vom sogenannten Long- COVID-Syndrom. Was ist darunter zu verstehen, welche Symptome können auftreten? Wer ist betroffen und was kann man dagegen tun? Auf den folgenden Seiten geben wir einen Überblick aus neurologischer Sicht und nach heutigem Erkenntnisstand. Eine interessante Lektüre wünschen, Dr. Rainer Götze Das Coronavirus COVID 19 hat sich onsphase, in der sich zumeist Symp- Facharzt für Neurologie, in den letzten 2 Jahren zu einer tome einer banalen Erkältungs- MBA Health Care Management Pandemie entwickelt, in deren Folge krankheit zeigen. Charakteristisch, Millionen von Menschen weltweit aber nicht spezifisch ist eine Geruchs- erkrankt sind. Die meisten genesen und Geschmacksstörung, welche rela- folgenlos, einige von ihnen aber lei- tiv früh in der Infektion auftreten und den unter dem sogenannten Long- sehr lange anhalten kann, weshalb COVID-Syndrom. Erkältungssymptome verbunden mit dem Auftreten einer Geruchs- und Was ist das? Long COVID ist ein in- Geschmacksstörung den Verdacht auf Dr. Dennis Stracke homogener Symptomkomplex aus eine COVID-19-Infektion erhärten. Apotheker, langanhaltenden Beschwerden nach In einigen Fällen eskaliert die Infek- Leitung Neurologie MediosApotheke einer durchgemachten Infektion. tion, indem das Virus auf die unteren Verschiedene Publikationen gehen Atemwege übergeht und im Rahmen von bis zu 10 Prozent der Erkrank- einer Lungenentzündung zu einem ten aus. Auch wenn die Datenlage Lungenversagen und zum Tod führen hierzu limitiert ist, gibt es einige kann. Die Letalität von COVID-19, also charakteristische Beschwerden, die die Anzahl derjenigen Infizierten, nach einer überstandenen Infektion die an der Infektion versterben, liegt vermehrt auftreten. in Deutschland bei 2,44 Prozent. (Quelle: Statistisches Bundesamt: Der Verlauf einer COVID-19-Infektion https://de.statista.com/statistik/daten/ ist geprägt durch eine akute Infekti- studie/1103785/umfrage/mortalitaetsrate- des-coronavirus-nach-laendern/) 2 > NEUROVISION
News < Eine Bandbreite verschiedener Dazu gehören hartnäckige Muskel- behandelt werden mussten, hatten Symptome und Kopfschmerzen, persistenter nicht selten noch über lange Zeit mit Schwindel sowie erhebliche Fatigue körperlichen Beschwerden zu tun. Das bedeutet, dass statistisch hier- mit einem langanhaltenden Leis- zulande etwa jeder 40. Corona- tungsknick. Diese Beschwerden kön- Welche Beschwerden traten auf? Erkrankte auch tatsächlich an und nen auch bei nicht-hospitalisierten nicht, wie viele Medien immer Coronapatienten mit einem ver- Über starke Ermüdung, Geruchs- und berichten, mit dem Virus verstirbt. meintlich leichteren Krankheitsver- Geschmacksstörungen wurde in fast Vor allem ältere und multimorbide lauf auftreten. Solche und ähnliche 25 Prozent der Fälle berichtet, die Patienten laufen Gefahr, schwere oder Beschwerden wurden über drei, Beschwerden persistierten noch sechs gar tödliche Verläufe der Infektion zum Teil auch über sechs Monate Wochen nach der Infektion. zu erleiden. Aber auch jüngere und beobachtet. 81 Prozent litten unter Aufmerksam- vermeintlich gesündere Menschen (Quellen: „Persistent symptoms 3 months af- keits- und Konzentrationsschwächen, leiden häufig noch lange Zeit nach ter a SARS-CoV-2 infection: the post-CO- bei 68 Prozent traten Kopfschmerzen überstandener Infektion unter einer VID-19-Syndrome?“, AU: Goerzt YMJ et al., auf, 60 Prozent hatten mit Schwindel SO ERJ Open Res. 2020;6(4) EPub2020 Oct 26.; Bandbreite verschiedener Symptome und Benommenheit und 55 Prozent „6-month consequences of COVID-19 in pati- physischer und psychischer Natur, mit Muskelschmerzen zu tun. All dies ©iStockphoto/Irina Shibanova ents discharged from hospital: a cohort study.“, welche sich im Anschluss an die aku- AU Huang C et al., SO Lancet. 2021; 397(10270): führt zu einer erheblichen Einschrän- te Infektionsphase entwickeln und 220. Epub 2021 Jan 8.) kung der Lebensqualität mit vermin- in der Regel deutlich länger als vier dertem Leistungsvermögen bei der Wochen anhalten. Patienten, die sich von der akuten Arbeit und der Verrichtung alltäg- Infektion erholt hatten, berichteten licher Herausforderungen. Wegen der Neben kardialen, pulmonalen und auffällig häufig über langanhaltende Häufigkeit der Beschwerden und der nephrologischen Komplikationen Beschwerden von mehr als vier Persistenz eben dieser wurde der Be- und Langzeitschäden kann es im Wochen. Hospitalisierte Patienten be- griff des Long-COVID-Syndroms auch Rahmen von COVID-19 auch zu klagten häufig eine starke Ermüdung, um diese neurologischen Beschwer- einer Beteiligung des zentralen und Luftnot sowie Muskelschmerzen den erweitert. Je nach Studie wird peripheren Nervensystems kommen. auch noch Wochen später. Aber auch davon ausgegangen, dass zwischen 5 Eine der häufigsten Beschwerden bei Patienten mit einem vermeintlich und 80 Prozent aller Patienten, die an Long-COVID-Patienten ist die oben mittleren Verlauf, die nicht stationär COVID-19 erkranken, unter solchen beschriebene persistente Geruchs- und Geschmacksstörung. Es gibt Fälle, in denen auch Monate nach der Infektion keine Besserung des Geruchs-und des Geschmackssinns eintritt. Betroffene leiden unter einer langfristigen, möglicherweise irrepa- rablen Störung ihres Geruchs- und Geschmackssinns. Neurologische Komplikationen Besonders häufig treten neurolo- gische Komplikationen bei COVID-19- ©iStockphoto/Dzmitry Dzemidovich Patienten mit schwerem Krankheits- verlauf auf; man geht davon aus, dass 80 Prozent der stationär behandelten Coronapatienten neurologische Beschwerden entwickeln, welche sich dann als Long-COVID-Syndrom bemerkbar machen. NEUROVISION < 3
News < Infektionsschutz besteht in erster Linie auch weiterhin darin einen Mund-Nasen- Schutz zu tragen, Abstand zu halten und vor allem sich impfen zu lassen. ©iStockphoto/Xsandra und ähnlichen Beschwerden leiden, müssen sich unter Umständen mit Lösung zu sein. Denn das Verhindern die mindestens noch einen oder einer verkürzten Lebenserwartung von Infektionen schützt nicht nur vor mehrere Monate nach der Infektion zufriedengeben. dem Tod, sondern auch vor Langzeit- andauern. schäden. Die Impfung als beste Lösung Die therapeutischen Möglichkeiten Die Sicherheit der Impfstoffe, vor dieser Langzeitbeschwerden sind In der Beurteilung des Umgangs mit allem der mRNA-Impfstoffe, scheint sehr eingeschränkt. Zumeist sind der COVID-19-bedingten Pandemie vor dem Hintergrund, dass bereits Betroffene längere Zeit arbeitsunfä- spielt daher nicht nur die Frage nach über vier Milliarden Impfdosen ver- hig, wenn die Beschwerden länger als der Morbidität und Letalität der Infek- abreicht wurden, überragend hoch sechs Monate andauern, droht sogar tion eine Rolle, sondern auch die zu sein. Selbstverständlich können Erwerbsunfähigkeit. Häufig müssen Frage, wie mit den Langzeitfolgen des Impfstoffe auch unerwünschte Wir- die Patienten noch Wochen nach der Virus umgegangen werden kann bzw. kungen und Komplikationen hervor- Infektion Medikamente einnehmen, wie effektive Vermeidungsstrategien rufen. Bei den Vektor-Impfstoffen um ihre Beschwerden zu lindern. aussehen. Die Morbidität und Leta- (z.B. AstraZeneca) kam es vermehrt Dazu gehören vor allem Schmerz- lität können allein durch das Errei- zu Sinus- und Hirnvenenthrombo- tabletten und Psychopharmaka. chen einer Herdenimmunität gesenkt sen, vor allem bei jüngeren Frauen, Während die hier genannten neurolo- werden. Erst wenn die überwiegende die teilweise auch tödlich verliefen. gischen Langzeitbeschwerden in aller Mehrheit der Bevölkerung geimpft ist Auch unter den mRNA-Impfstoffen Regel eine günstige Prognose haben oder erkrankt war, sinkt die Infek- wurden vereinzelt Herzmuskelent- – das heißt sie bilden sich nach län- tionsrate. Dann kann die Pandemie zündungen bei jüngeren Männern gerer Zeit weitgehend zurück – sind überstanden werden. Berücksichtigt beschrieben. Gleichwohl steht der andere Symptome des Long-COVID- man jedoch, dass nicht nur die Leta- Nutzen der Impfstoffe weit über dem Syndroms langfristig viel problema- lität der Infektion außergewöhnlich Risiko. Insbesondere ältere Menschen tischer. Viele Patienten erleiden einen hoch ist, sondern dass eben auch er- und solche mit Vorerkrankungen nachhaltigen Schaden an Lungen, hebliche und nachhaltige Langzeitfol- sollten sich darüber bewusst werden, Herz und Nieren. In der Konsequenz gen die Erkrankten belasten, scheint dass ihr Risiko, durch die Infektion sind sie für den Rest ihres Lebens das Erreichen der Herdenimmunität Schaden zu nehmen oder gar zu ver- chronisch krank und müssen in ärzt- durch das Impfen – gegenüber einer sterben um ein Vielfaches größer ist, licher Behandlung bleiben, nehmen breiten Ansteckung in der Bevölke- als unerwünschte Wirkungen einer regelmäßig Medikamente ein und rung – die bessere und nachhaltigere Impfung zu erleiden. 4 > NEUROVISION
Anzeige < „Man darf auch mal hinfallen, aber liegen bleiben ist keine Option!“ Nach Fehldiagnose Multiple Sklerose: Sonja erzählt von ihrem Leben mit der seltenen Erkrankung NMOSD Sonja und Ulix im Freien © Roche Knapp drei Jahrzehnte – so lange lebte Sonja M. mit der Diagnose Multiple Sklerose, kurz MS. Der erste Krankheitsschub traf sie mit gerade einmal vier STARK MIT NMOSD Jahren und ließ sie ohne Sehkraft und mit kurzzeitigen Lähmungen zurück. Doch Sonja hat keine MS. Sie ist von einer wesentlich selteneren Krankheit Da niemand die Bedürfnisse der betroffen: Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen, kurz NMOSD. Menschen mit NMOSD besser kennt als die Betroffenen selbst, arbeitet die Kampagne „STARK MIT NMOSD“ Bereits im Kindesalter diagnostiziert, gehörte die MS zu Sonja dazu und war Teil von Anfang an eng mit Patienten ihrer Identität. Denn obwohl die heute 43-Jährige mit ihren Beschwerden und der und Patientinnen zusammen. Ge- Blindheit auch in der MS-Welt eine Kuriosität darstellte, war sie doch Teil einer meinsam wurde so die barrierefreie Community. Sie war „anders“, aber nicht allein. Als dann – nach knapp 30 Jahren – Informationsplattform www.NMOSD. im Rahmen eines Therapiewechsels die Richtigstellung der Diagnose folgte, war de entwickelt, die auf die Bedürfnis- das ein großer Schock für die damals 37-Jährige. „Ich hatte das Gefühl, man hat se von Menschen mit funktionalen mir mich weggenommen. Die MS hat damals mein ganzes Leben bestimmt,“ so Einschränkungen abgestimmt ist. die Ludwigsburgerin. Obwohl es eine Zeit dauerte, bis Sonja die neue Diagnose Daneben bietet „Stark mit NMOSD“ verkraftete, blieb sie optimistisch und ließ sich nicht von der Erkrankung unter- den persönlichen MEIN SERVICE – ein kriegen. „Man darf auch mal hinfallen, aber liegen bleiben ist keine Option“, so kostenloses und therapieunabhängi- Sonjas Fazit. Nachdem die studierte Sozialarbeiterin mit Anfang 30 wegen ihres sich ges Patientenprogramm, das Betrof- verschlechternden Gesundheitszustandes berentet wurde, widmet sie sich heute – fene mit NMOSD im Alltag mit ihrer gemeinsam mit ihrem Blindenhund Ulix – ehrenamtlich der Sensibilisierungsarbeit. Erkrankung unterstützt. Interessierte „Das ist unglaublich erfüllend und viel mehr als das, was ich mir für die Zeit nach können sich über die Servicenummer der Berentung hätte wünschen können“, so Sonja. Daneben unterstützt sie die 0800 9999060 anmelden. Sie werden Kampagne „STARK MIT NMOSD“ von Roche und wirkte an der Konzeption der anschließend von einem persönli- barrierefreien Website www.nmosd.de mit. chen Ansprechpartner kontaktiert, um den Rahmen der individuellen Betreuung zu besprechen. Mehr Informationen auf www.NMOSD.de
Parkinson-Agenda 2030: Die therapeutische Parkinson-Forschung auf der Zielgeraden ©iStockphoto/Astrid860 Das Fortschreiten der Parkinson-Erkrankung und nannter Botenstoff (Neurotransmitter), der an Prozes- anderer Bewegungsstörungen zu bremsen oder ihr sen beteiligt ist, die Gedächtnis und Bewegung betreffen. Auftreten gar verhindern zu können – das ist das Zu den typischen Symptomen der Krankheit gehören Ziel, das die Deutsche Parkinson-Gesellschaft sich das Zittern (Tremor) in einer Extremität oder dem Kopf, gesetzt hat. Bis 2030, so führende Wissenschaftler, Steifheit der Muskulatur und Bradykinese (Verarmung sei es möglich, die ersten ursächlichen Therapien und Verlangsamung an Bewegung, so z.B. auch der Mi- im Einsatz zu haben. mik). Derzeit ist es ausschließlich möglich, ebendiese Symptome, aber nicht die Ursachen zu behandeln. Doch Die Parkinson-Krankheit ist die häufigste neurodegene- die Möglichkeiten der symptomatischen Therapie haben rative Bewegungsstörung. Mehr als 10 Millionen Men- sich, Prof. Alexander Storch zufolge, in den letzten 15 Jah- schen weltweit sind betroffen – Tendenz steigend. ren immens verbessert. „Wir können heute Parkinson- Verursacht wird die Erkrankung durch eine Schädigung patienten oft über Jahrzehnte erfolgreich therapieren“, so der Nervenzellen im Gehirn und dem daraus resultie- der Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie in renden Mangel an Dopamin. Dopamin ist ein soge- Rostock. Hierzu gebe es eine ganze Bandbreite unter- 6 > NEUROVISION
Titelthema < WISSEN Lebensjahr), empfiehlt Prof. Storch mit einem Arzt über Dopamin eine genetische Analyse zu sprechen. Wichtig hierbei sei es, sich nicht an irgendwelche ausländischen An- Dopamin ist ein sogenannter Botenstoff oder Neuro- bieter im Netz zu wenden. In Deutschland regelt das transmitter, der Signale zwischen den Nerven- Gendiagnostikgesetz (GenDG) die Voraussetzungen zellen weiterleitet. Er steuert sowohl emotionale und Grenzen genetischer Untersuchungen, ebenso wie und geistige wie auch motorische Reaktionen. Im die genetische Beratung. Im Gesetz sind umfangreiche Volksmund gilt Dopamin als Glückshormon, die Aufklärungs- und Beratungspflichten verankert und tatsächliche psychotrope Bedeutung wird allerdings Einschränkungen für diese Untersuchungen definiert. hauptsächlich im Bereich der Antriebssteigerung Ab dem 1. Februar 2012 dürfen genetische Beratungen und Motivation vermutet. Dopamin wird für eine im Zusammenhang mit genetischen Untersuchungen Vielzahl von lebensnotwendigen Steuerungs- und nur noch durch speziell qualifizierte Ärztinnen und Regelungsvorgängen benötigt. Ärzte durchgeführt werden. ©iStockphoto/johavel schiedlicher Optionen, von oralen Medikamenten über Symptomatische Therapien Pumpentherapien bis hin zur Tiefen Hirnstimulation. Um die Symptome zu lindern werden häufig Dopa- Genetisch bedingter Parkinson min-Substitute wie Levodopa eingesetzt, deren Wir- kung mit dem Fortschreiten der Krankheit jedoch ab- Die Parkinson-Erkrankung kann viele Gesichter und vie- nehmen kann. Zusätzlich kann es zu Langzeitfolgen lerlei Ursachen haben. Einige Formen werden durch ge- der Therapie wie z.B. unwillkürlichen Überbewegungen netische Veränderungen oder Fehlfunktionen ausgelöst oder Wirkschwankungen kommen. Mitunter wird eine – diese sind vererbbar. Genetisch bedingte Formen der zunehmend höhere Dosis benötigt, die dann oftmals Parkinson-Krankheit treten gehäuft innerhalb von Fa- nicht mehr gut verträglich ist. Allerdings, sagt Prof. milien auf und betreffen insgesamt etwa fünf bis sieben Storch, bedeute das nicht, dass man nichts mehr tun Prozent aller von der Krankheit betroffenen Menschen. könne. „Ich finde es immer schwierig, wenn Patienten Wenn in der Familie bereits gehäuft Parkinson aufgetre- zu uns kommen und erzählen: Mein Arzt hat gesagt, ten ist oder die Erkrankung früh auftritt (vor dem 55. ich wäre austherapiert. Es gibt immer Möglichkeiten, NEUROVISION < 7
Titelthema < positiv Einfluss zu nehmen“, so der Neurologe. Wenn eine orale L-Dopa-Therapie etwa nicht mehr ausrei- chend wirksam sei, könne zum Beispiel überlegt wer- den, ob eine Pumpe infrage kommt. Der Vorteil an einer Pumpe ist, dass der Wirkstoff kontinuierlich ab- gegeben wird, wodurch eine gleichmäßige Wirksam- keit über den Tag sichergestellt ist. Derzeit gibt es zwei Möglichkeiten: ©iStockphoto/Gerry Proteau 1. Über die Apomorphin-Pumpe, die ähnlich wie eine Insulinpumpe funktioniert, wird ein Dopa- minersatzstoff ins Unterhautfettgewebe (sub- kutan) injiziert. Bei oraler Einnahme würde diese Substanz keine Wirkung entfalten, weil sie zuvor in der Leber abgebaut wird. Nachteil dieses Ver- fahrens: Apomorphin ist nicht so gut verträglich. 2. Über das Duodopa-System – bestehend aus ei- Bislang muss das L-Dopa-haltige Gel über einen Schlauch ner Pumpe, dem Sondensystem und der Wirk- direkt in den Dünndarm gebracht werden. Eine subkutane stoff-Kassette – wird eine geringe Dosis eines Verabreichung – die in Aussicht steht – wäre für viele Patienten eine angenehmere Option. L-Dopa-haltigen Gels gleichmäßig über den Tag verteilt direkt in den Dünndarm gebracht. Um das Sondensystem in das Jejunum (einen Teil des Dünndarms) zu legen, wird in einem chirur- Diese Therapiemöglichkeiten, sagt Prof. Storch, kom- gischen Eingriff eine kleine Öffnung durch die men in Frage, wenn z.B. eine Tiefe Hirnstimulation Bauchwand hergestellt. Die Wirkung ist sehr gut, nicht möglich ist. Bei der Tiefen Hirnstimulation han- es handelt sich um eine gut verträgliche Substanz delt es sich um ein Verfahren, das bei jüngeren Pati- und die kontinuierliche Abgabe sorgt für kon- enten und schweren Verläufen zum Einsatz kommt. stante Wirkstoffspiegel im Blut. Insbesondere für Dabei werden in einem neurochirurgischen Eingriff ältere und auch für Patienten mit demenziellen Elektroden in bestimmte Steuerzentren des Gehirns Erkrankungen ist dies eine gute Lösung. Jüngere implantiert. Die Wirkung ist sehr gut, die Betroffenen Patienten schrecken häufig vor dem Schlauch, gewinnen oft mehrere Jahre, in denen sie unter deut- der von außen durch die Bauchdecke führt, zu- lich geringeren Symptomen leiden. Inzwischen gehört rück. Die Hoffnung ist groß, dass es spätestens in der chirurgische Eingriff in vielen neurologischen Kli- zwei Jahren möglich sein wird, L-Dopa auch sub- niken zum Standard. Auch vor dieser Therapieoption kutan verabreichen zu können. Das könnte noch- schrecken viele Patienten und auch ihre Angehöri- mal eine deutliche Verbesserung für die Patienten gen anfangs zurück. Verständlicherweise. Eine OP am bedeuten, so Prof. Storch. Kopf klingt besorgniserregend. Prof. Alexander Storch kann den meisten jedoch die Angst nehmen: „Wir ma- chen das hier regelmäßig und haben sehr gute Erfah- rungen. Die Patienten, bei denen diese Option in Frage Levodopa, auch kommt, profitieren enorm und gewinnen viel an Le- L-DOPA, ist die Levodopa bensqualität.“ Abkürzung für L-3,4-Dihydroxy- phenylalanin, eine Patient und Arzt entscheiden nicht-proteinogene gemeinsam alpha-Amino- säure, die im Eine besondere Rolle spielt, dem Neurologen zufolge, Körper aus Tyrosin ©iStockphoto/Bacsica aber auch die enge Abstimmung zwischen Arzt und mit Hilfe des Patient. Der Patient muss immer mitentscheiden. Ist Enzyms Tyrosin- hydroxylase das die richtige Therapie für mich, ist die Wirkung aus- gebildet wird. reichend, komme ich mit möglichen Nebenwirkungen klar, ist die Anwendung unproblematisch für mich? 8 > NEUROVISION
Da, wenn man Wir hören zu und ermutigen uns braucht. %etroene und $ngehörige dazu den eigenen Weg zu einem selbstbestimmten Leben mit Multipler Sklerose zu gehen. :LUVLQGI¾U6LHGD'DV06ɋ ɋLFK7HDP HUUHLFKHQ6LHNRVWHQORVXQWHU 7HOHIRQȂ * E-Mail: info@msundich.de :HUGHQ6LHMHW]W 7HLOYRQ06ɋ ɋLFK * gebührenfrei Mo.–Fr. von 10:00 bis 17:00 Uhr ZZZPVXQGLFKGH Novartis Pharma GmbH I Roonstraße 25 I 90429 Nürnberg
Titelthema < WISSEN Autophagie Die Mission der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen Autophagie (von altgriechisch autóphagos „sich selbst verzehrend“) bezeichnet den Prozess in Zellen, Unter dem Titel der Parkinson-Agenda 2030 wid- mit dem sie eigene Bestandteile wie fehlgefaltete met sich die Fachorganisation jetzt verstärkt den Proteine oder beschädigte Zellorganellen abbauen beschriebenen wissenschaftlichen und gesell- und verwerten. Damit werden u.a. negative Auswir- schaftlichen Herausforderungen. Im Rahmen ver- kungen auf die Zellvorgänge verhindert, Moleküle stärkter Öffentlichkeitsarbeit sollen Sensibilisierung wie Aminosäuren, Fettsäuren oder Kohlenhydrate und Aktivierung der Gesellschaft für die Belange der können der Zelle wieder für den Anabolismus zur Patienten mit Parkinson und anderen Bewegungs- Verfügung gestellt werden. Im Zuge der anabolen störungen erreicht werden. Dabei soll die nationale Reaktionen werden über die Nahrung aufgenom- Förderlandschaft für die Erforschung der Ursachen mene Fremdstoffe abgebaut und ihre Bestandteile und Behandlungsmöglichkeiten deutlich verbessert zum Aufbau körpereigener Substanzen benutzt. werden. Als wichtigen Baustein hierfür hat die DPG Die Autophagie spielt eine wichtige Rolle im Immun- die Parkinson Stiftung (www.parkinsonstiftung.de) system: In die Zelle eingedrungene Krankheitserreger initiiert. Weiterhin unterstützt die DPG mit ihren oder Fremdeiweiße können von Zellen abgebaut und Arbeitsgruppen die Erforschung der Ursachen, der somit unschädlich gemacht werden. Somit kommt Früh- und Differenzialdiagnostik und neuer Thera- der Autophagie eine entscheidende Bedeutung bei piemöglichkeiten. Ein nationales Register für Par- der Immunantwort zu. kinson und andere Bewegungsstörungen wird eta- (Quellen: wikipedia; doccheck) bliert und unterstützt. Insbesondere soll auch mit Nachdruck die nationale Forschungslandschaft für die klinische Prüfung neuer Therapieansätze mit Patienten und Patientinnen optimiert werden. www.parkinson-gesellschaft.de/presse.html Mindestens ebenso wichtig – vor allem, um die Symp- tome bestmöglich in den Griff zu bekommen, sind Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie. „Diese symptomatischen Therapien haben einen hohen Stel- lenwert in der Behandlung von Parkinson und gehö- ren von Anfang an mit dazu!“ »Die Parkinson-Wissenschaft ft ist davon Ambitionierte Ziele überzeugt, dass wir bis 2030 die ersten ursächlichen Therapien im Einsatz Das Know-how, das man in der Parkinson-Forschung haben könnten. Damit können wir das in den letzten Jahrzehnten angehäuft hat, ist, Prof. Fort Fo rtssch chre reit iten en der Par arki kins nson on-Erk Erkrarank nkun ungg Storch zufolge, immens. Mehr noch: Mit dem heu- und anderer Bewegungsstörungen bremsen tigen Stand der Wissenschaft, sind sich die Forschen- oder od der sogogar ar ihr hr Auft uftr ftret eten ten ver erhi hind nder dern. n.« den sicher, sei es möglich, innerhalb der kommenden neun Jahre Therapien zu entwickeln, die über die sym- Prof. Günter Höglinger, Direktor der ptomatische Therapie hinausgehen und die Krankheit Neurologischen Klinik der Medizinischen an der Wurzel packen – also die Ursachen bekämpfen. Hochschule Hannover und Erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Parkinson Aus diesem Grund wurde die Parkinson Agenda 2030 und Bewegungsstörungen (DPG) ins Leben gerufen. 10 > NEUROVISION
Titelthema < In der Forschung MMW-Kommentar: „Verschiedene Firmen arbeiten Noch ist die Ultraschall-Subthalamotomie eine derzeit an Immunisierungen gegen unterschiedliche experimentelle Therapie, die im Rahmen von Stu- Epitope des Ơ-Synucleins. Gegenwärtig befinden dien durchgeführt wird. Weltweit sind etwa 3.000 sich alle in den Phasen I und II. Grundsätzlich ist die Patienten so behandelt worden. In Deutschland er- Frage zu stellen, ob das „Abräumen“ von mit neuro- forschen den Einsatz derzeit die Klinik für Neuro- degenerativen Erkrankungen assoziierten Proteinen chirurgie am Universitätsklinikum Bonn und das einen krankheitsmodifzierenden Ansatz darstellt. Universitätsklinikum Schleswig-Holstein am Stand- Bei der Alzheimer-Demenz konnten die Amyloid- ort Kiel. Bei der Utraschallmethode werden gezielt plaques zwar mittels einer Immunisierung deut- die Fehlfunktionen betroffener Gehirnzellen ausge- lich entfernt werden - jedoch konnte bisher nicht schaltet. Dies geschieht, indem man den Schall mil- zwingend ein Effekt auf die kognitiven Fähigkei- limetergenau in den Subthalamus leitet. Das ist ein ten nachgewiesen werden. Der Ansatz ist aber viel- Teil des Gehirns, der vor allem für die Steuerung der versprechend und sollte auf jeden Fall weiterver- bei Parkinson beeinträchtigten Grobmotorik zustän- folgt werden.“ dig ist. Von ihm leitet sich der Name der Methode Zitiert nach: Dodel, R. Parkinson-Immunisierung in Sicht?. ab: Ultraschall-Subthalamotomie. Sie erfolgt unter MMW - Fortschritte der Medizin 163, 28 (2021). https://doi. org/10.1007/s15006-021-9943-2 (Die MMW ist ein crossme- ständiger Steuerung und Kontrolle mittels Magne- diales medizinisches Fortbildungsorgan für niedergelas- tresonanztomografie (MRT). sene Ärzte.) Quelle und weitere Informationen: https://hirnstiftung. org/2021/04/ultraschall-gegen-parkinson/ Impfung gegen Parkinson? Experimentelle Forschung Die Akkumulation des Proteins alpha-Synuclein Zell- und Gentherapien gegen Parkinson: scheint bei der Pathogenese des Morbus Parkinson In einer offenen klinischen Phase-1-Studie wurde eine wichtige Rolle zu spielen. Ein neuartiger the- dem ersten Parkinson-Patienten erfolgreich dessen rapeutischer Ansatz könnte in einer Impfung beste- erste Dosis mit aus pluripotenten Stammzellen ge- hen, die bereits existenten Ablagerungen oder de- wonnenen dopaminergen Neuronen mit dem Na- ren Neubildung entgegenwirken soll. Dies wurde men DA01 verabreicht. von Forschern der Universitäten Innsbruck, Wien Ein weiteres Projekt treibt ein Gentherapie-Pro- und Doha in Form eines kurzen Peptides (PD01A) gramm voran, das auf klinischen Adeno-asso- erprobt. Die Impfung mit PD01A scheint sicher und ziierten Viren (AAV) basiert. Dieses Projekt zielt gut verträglich zu sein. Zumindest bezüglich der An- ebenfalls auf eine neuartige Therapie für die Par- tikörper-Titer zeigt sie auch die gewünschte Wir- kinson-Krankheit ab und rekrutiert sowie evalu- kung. Ob es auch klinische Effekte gibt, muss in Stu- iert derzeit Patienten in einer laufenden klinischen ©iStockphoto/Totojang dien der Phase 2 ermittelt werden. Phase-1b-Studie. (Quelle: www.univadis.de/viewarticle/impfung-ge- Quelle und weitere Informationen: www.pharmazeu- gen-parkinson-in-pilotstudie-sicher-und-gut-vertrag- tische-zeitung.de/phase-i-studien-zu-zell-und-genthera- lich-724749) pien-gestartet-126159/ NEUROVISION < 11
Titelthema < Die Forschung läuft auf Hochtouren toren in ihren Genen und damit ein erhöhtes Risiko an Parkinson zu erkranken haben. Man geht heute davon Aktuell werden zahlreiche verschiedene Wirkstoffe un- aus, dass dann noch ein oder mehrere Faktoren aus der tersucht – sowohl solche, die zur Symptomkontrolle Umwelt hinzukommen, und die Interaktion zwischen beim Parkinsonsyndrom beitragen, als auch solche, der Anlage, die man geerbt hat und einem oder mehre- die den Krankheitsverlauf nachhaltig verbessern sol- rer Umweltfaktoren kann auslösend für den Ausbruch len. In vielen der laufenden Untersuchungen ist vor der Erkrankung sein. allem alpha-Synuclein als Angriffspunkt im Visier der Forscher. Weitere Optionen sind die Erhöhung der Au- Welche Umweltfaktoren können das sein? tophagie, die Steigerung der Dopaminproduktion und der Schutz von Neuronen. Auch die sogenannte Ul- Storch: Das kann alles Mögliche sein, Nahrungsbe- traschall-Subthalamotomie, die bislang nur im Rah- standteile oder Pestizide oder Luftverschmutzung zum men von experimentellen Studien durchgeführt wer- Beispiel, wir kennen die Faktoren im Einzelnen nicht, den kann, wird derzeit erforscht. und sie sind wahrscheinlich sehr individuell. Für je- manden mit Risikoausstattung A können es bestimmte Nahrungsbestandteile sein, die zur Entstehung von Par- INTERVIEW kinson führen, für jemanden mit Risikoausstattung B ist vielleicht die Luftverschmutzung gefährlich. :::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: »Wir werden bis 2030 unglaublich viel für unsere Patienten erreicht haben. Soviel ist sicher.« Professor Alexander Storch Direktor der Klinik und NV: Könnte man denn, indem man gewisse Faktoren ©iStockphoto/TonyBaggett Poliklinik für Neurologie vermeidet, auch das Risiko an Parkinson zu erkranken an der Universitätsmedizin minimieren? Stichwort gesunder Lebensstil? Rostock Storch: Ich finde es immer schwierig zu sagen, wenn man so und so lebt, erkrankt man nicht. Im Um- kehrschluss würde das ja bedeuten, dass ein gewisser Lebensstil ursächlich für die Erkrankung war. Natürlich NV: Herr Prof. Storch, in einer Pressemitteilung der ist es immer ratsam, auf Bewegung und Ernährung zu DPG heißt es unter anderem, die Wissenschaft habe achten. Ein gesunder Lebenswandel, möglichst wenig mittlerweile das notwendige Know-how, um bis 2030 Stress, regelmäßige Bewegungseinheiten und ausgewo- Therapien gegen Parkinson entwickelt zu haben, gene Ernährung (bestenfalls die mediterrane Diät), nicht die auch die Ursache behandeln. Das klingt viel- rauchen etc. Das gilt für die Prävention der meisten Er- versprechend, aber es gibt doch mehrere Ursachen für krankungen. Aber sich Umweltfaktoren wie Pestiziden die Entstehung von Parkinson, richtig? und Luftverschmutzung komplett zu entziehen, ist ver- mutlich kaum möglich, wenn man nicht in völliger Ab- Storch: Ja, zum einen gibt es einen Teil von Parkin- geschiedenheit sein Dasein fristet. Und: Man kennt die sonpatienten – etwas über 5 % – die eine Mutation in für sich spezifisch-individuellen Faktoren ja auch nicht! einem bestimmten Gen aufweisen. Mit dieser Genmu- tation ist eine Erkrankung ziemlich wahrscheinlich und NV: Welche Rolle spielt die Früherkennung? in der Regel sind in der Familie bereits mehrere Fälle von Parkinson bekannt. Darüber hinaus gibt es Men- Storch: Die Früherkennung ist ganz wichtig und ge- schen, die eine bestimmte Konstellation von Risikofak- hört auch mit in die Agenda. Je früher man therapeu- 12 > NEUROVISION
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Titelthema < WISSEN NV: Was halten Sie von KI zur frühen Diagnostik von Stratifizierte Medizin Parkinson? Stratifizierung bedeutet im gegebenen Zusammen- Storch: Ich bin mir nicht ganz sicher. In der Hand der hang die Festlegung von Subpopulationen (eine richtigen Leute kann es etwas bringen. Wir machen Gruppe/ein Anteil von Patienten) auf Grundlage des uns aber schon auch Sorgen, dass die großen Tech-Fir- jeweils diagnostizierten „Subtyps“ der Erkrankung. men möglicherweise bereits 10 Jahre vor uns wissen Diagnostische Verfahren werden meist ausschließ- könnten, ob und wer an Parkinson erkranken wird. lich an Gütekriterien wie Sensitivität und Spezifität Vermutlich wird bereits registriert, wer wie schnell eine beurteilt. Der Nutzen eines diagnostischen Ver- Zahlenkombination eingibt, ob die Hand dabei zittert fahrens für Patienten kann jedoch erst durch eine usw. Die Frage ist, wie hilfreich ist das? sich anschließende Behandlung entstehen. Eine Was aber die radiologische und nuklearmedizinische zwingende Voraussetzung dafür ist, dass zwischen Diagnostik betrifft, da wird die KI bahnbrechend sein. dem Ergebnis des diagnostischen Verfahrens und Wir werden in diesem Bereich wahrscheinlich schon der Behandlung eine Interaktion (Wechselwirkung) sehr bald nicht mehr nur mit einem Radiologen, son- besteht. In einem solchen Fall ist ein diagnostisches dern mit einem radiologischen Avatar kommunizie- Verfahren prädiktiv für eine Behandlung. Um diese ren. In der Auswertung von MRT-Bildern ist die KI un- Wechselwirkung nachzuweisen, bedarf es der Einbet- schlagbar – zumal sie 24/7 hellwach ist. tung diagnostischer Tests in randomisierte kontrol- lierte Therapiestudien. NV: Was ist mit der Hautbiopsie? (Quellen: https://toolbox.eupati.eu/resources/stratifizierte-vs-persona- lisierte-medizin/?lang=de; www.sciencedirect.com/science/article/abs/ Storch: Die Testgüte ist noch nicht ausreichend, um in pii/S1865921711002200) einer gesunden Bevölkerung jene Menschen heraus- zufiltern, die später die Erkrankung bekommen. Wenn sie aber jemanden vor sich haben, der bereits erkrankt ist, reicht die Testqualität aus. Es wäre also theoretisch ausreichend, um zumindest Patienten im Anfangssta- ©iStockphoto/gopixa dium zu diagnostizieren. Aber selbst dafür ist der Test noch nicht zugelassen. Wir gehen davon aus, dass dies tisch eingreift, desto besser ist die Wirkung. Der Ver- bald der Fall sein wird und wenn wir erst einen Labor- lauf von Parkinson ist wahrscheinlich exponentiell und wert haben, dann wird es einfacher. eine Therapie, die erst zum Einsatz kommt, wenn die Krankheit bereits fortgeschritten ist, wird nicht mehr so effektiv sein können. Das gilt sowohl für die sympto- matische als auch für eine zukünftige kausale Therapie. NV: Dann wäre theoretisch eine Vorsorge- untersuchung optimal, in der man Parkinson im Frühstadium diagnostizieren könnte? Storch: Da würden wir gerne hinkommen: dass wir die Erkrankung diagnostizieren, bevor sie motorisch aus- bricht und wirklich belastend ist. Das Problem ist, dass die Früherkennung nicht ganz einfach ist, bislang fehlt es noch an aussagekräftigen Markern. Wir wissen, dass Parkinsonpatienten anfangs häu- fig unter Riechstörungen, Verstopfung und Schlafstö- rungen leiden. Das sind sehr unspezifische Symptome. Nicht jeder, der das hat, entwickelt irgendwann Parkin- son. Hier brauchen wir einen Test, mit dem sich eine sichere Aussage treffen lässt. Den gibt es heute leider noch nicht. Aber daran wird geforscht. NEUROVISION < 15
Titelthema < NV: Welche Ansätze sind besonders vielversprechend? tion beginnt, die über den Vagus dann das Gehirn er- reicht, ist im Tiermodell nachgewiesen. Storch: Derzeit ist insbesondere der sogenannte Sy- nuclein-Aggregat-Assay zu nennen. Es geht darum, NV: Wäre es denn eine Option, Patienten anhand des einen Test zu entwickeln, mit dessen Hilfe ein Teil Darmmikrobioms zu diagnostizieren? der Patienten frühzeitig im Krankheitsverlauf dia- gnostiziert werden könnte. Wir wissen, dass sich in Storch: Das Problem ist, dass das Mikrobiom sehr in- den Zellen Verklumpungen des Proteins alpha-Sy- dividuell ist. Allein innerhalb Deutschlands gibt es re- nuclein finden, die wahrscheinlich eine wesentliche gionale Unterschiede, das Mikrobiom eines US-Ameri- Rolle bei der Krankheitsentstehung spielen. Zur Ver- kaners lässt sich kaum noch mit dem eines Europäers klumpung kommt es aufgrund einer Fehlfaltung des vergleichen. Die Studienlage ist hier leider noch nicht alpha-Synucleins. Hierbei entstehen zunächst kleinste so einheitlich, dass man sagen kann, dieser und jener Eiweiß-Fasern (Fibrillen), die dann weiter zu mikro- Mikrobiomanteil sorgt dafür, dass jemand an Parkin- skopisch sichtbaren Lewy-Körperchen verklumpen. son erkrankt oder nicht. Man findet immer Muster, Das pathologische alpha-Synuclein lässt sich auch im aber sie sind nicht allgemeingültig. Nervenwasser (Liquor) der Patienten nachweisen – und zwar bevor die Krankheit sichtbar wird. Dadurch könnte der Test zur frühzeitigen Diagnostik herange- zogen werden. Was noch offen ist, ist, ob dieser Mechanismus, der für die genetischen Fälle bekannt ist, genau so bei den anderen nicht genetischen Fällen eine Rolle spielt. Wir gehen davon aus, dass es so ist. Wissen werden wir es aber tatsächlich erst im zweiten Schritt. Aufgabe der Forschung ist es nun, das Ergebnis unabhängig zu re- produzieren, die unterschiedlichen Fehlfaltungen bes- ser zu verstehen und Test-Assays für die klinische La- borroutine zu entwickeln. Dann besteht zum einen die NV: Bei der häufigsten Parkinson-Mutation ist eine Möglichkeit, die Patienten frühzeitig im Krankheits- Veränderung in einem Enzym bekannt, das an verlauf zu diagnostizieren, und zum anderen mithilfe der Zellreinigung beteiligt ist. Könnte man hier der Test-Assays die weitere Forschung zu erleichtern. gegensteuern, indem man die zelleigene Müllabfuhr Sie könnten etwa dazu dienen, in zukünftigen Studien aktiviert? eine exakte Patientenstratifizierung zu ermöglichen, die insbesondere für die Entwicklung und Erprobung Storch: In diesem Bereich wird ebenfalls viel geforscht, zielgerichteter, kausaler Therapien von Bedeutung ist. und man weiß, dass diese Zellreinigung auch für Er- krankte eine große Rolle spielt. Nervenzellen sind nicht NV: Das sind dann jene maßgeschneiderten in der Lage, sich zu teilen und dadurch generell anfäl- Therapien für individuelle Patientengruppen – eine liger für einen verstopften „Mülleimer“ durch zu viel Präzisionsmedizin, wie sie auch in der Krebsmedizin oder krankes alpha-Synuclein. Derzeit hat man aber teilweise möglich ist? noch nicht die Möglichkeit, hier gezielt ganz bestimmte Zellen zu modifizieren. Daher scheint es zum jetzigen Storch: Ja, hier kommt die Gentestung ins Spiel. Für Zeitpunkt naheliegender zu sein, auf jene Substanzen Gendefekt A gibt es diese und für Gendefekt B jene Einfluss zu nehmen, die die Verstopfung verursachen Option. Wir sprechen hier von stratifizierter Medizin. – also auf das alpha-Synuclein. Neuere Forschungen haben ergeben, dass sich die alpha-Synuclein-Patho- NV: Bei vielen Parkinson-Patienten findet man in logie von Zelle zu Zelle ausbreiten und somit das kli- ©iStockphoto/IngaNielsen der Frühphase alpha-Synuclein-Ansammlungen nische Fortschreiten der Krankheit verursachen kann. in den Nerven des Darmes, speziell im Vagus-Nerv. Antikörperbasierte Therapien sind theoretisch in der Ist dies auch ein Ansatz, der erforscht wird? Lage, pathologische Proteine „abzufangen“, insbeson- dere solche, die sich im extrazellulären Raum befin- Storch: Hier sprechen wir von der Gut-to-brain-Hypo- den. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass thesis. Dass im Darm diese alpha-Synuclein-Aggrega- dosisabhängig nach einer Antikörper-Infusion weni- 16 > NEUROVISION
Titelthema < ger ungebundenes alpha-Synuclein im Serum vorhan- Parkinson-Stiftung den war. Auch in Deutschland laufen einige Studien zur passiven Immuntherapie mittels monoklonaler 2019 von der Deutschen Gesellschaft für Parkinson Antikörper. (siehe auch Seite 10,11) und Bewegungsstörungen e.V. gegründet, setzt die Parkinson Stiftung darauf, über die Krankheit um- NV: Könnten Stammzellen helfen? fassend zu informieren und die weitere Erforschung möglicher Therapieformen voranzutreiben. Ziel ist Storch: Wir betreiben hierzu auf europäischer Ebene es, die Krankheit zu heilen und so erträglich wie Forschung. Noch handelt es sich um spät-experimen- möglich für die Patientinnen und Patienten ma- telle und ganz frühe klinische Testungen. Das wird chen. Hierzu hat die Stiftung starke Partner aus dem noch Jahre dauern und ist derzeit noch Zukunftsmusik. Bereich der Parkinsonforschung und -behandlung mit ins Boot geholt: Die Deutsche Gesellschaft für NV: In der Pressemitteilung der Agenda 2030 klingt Parkinson und Bewegungsstörungen setzt sich für alles etwas erfolgsversprechender, als in unserem die Wissenschaft, Forschung und Lehre auf dem Interview. Die Aussicht auf eine kausale Therapie der Gebiet der Parkinson-Krankheit ein. Die Deutsche Parkinson-Erkrankung scheint dort zum Greifen nah. Gesellschaft für Neurologie möchte die neurolo- Tatsächlich gibt es aber noch einige Puzzleteile, die gische Krankenversorgung in Deutschland verbes- zusammengefügt werden müssen, oder? sern. Das Kompetenznetz Parkinson ist ein Zusam- menschluss von Ärzten und Forschern, die klinisch Storch: Mark Twain hat mal gesagt „Prognosen sind oder wissenschaftlich auf dem Gebiet der Krankheit schwierig. Vor allem wenn es um die Zukunft geht“ arbeiten. Die Thiemann-Stiftung unterstützt die Er- (lacht). Natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass forschung des Parkinson-Syndroms und mögliche wir 2030 eine wirksame kausale Therapie für alle Par- Therapien. Der Verein REM-Schlaf-Verhaltensstö- kinson-Patienten haben. Aber um Ziele zu erreichen, rung kooperiert mit der Parkinson Stiftung in Fra- muss man sich zunächst Ziele setzen und wir haben gen der Früherkennung. Sitz der Parkinson-Stiftung die Agenda nicht umsonst jetzt ausgerufen! Wir wis- ist Berlin, Schirmherr der Stiftung ist der Fernseh- sen inzwischen sehr viel über das Gehirn und die Me- moderator Frank Elstner. chanismen bei Parkinson und wir hielten die Zeit für reif, um dieses Wissen auch für die therapeutische Forschung einzusetzen. Wir haben uns gesagt, dass Mission Statement: wir aktiver werden, an die Öffentlichkeit gehen und »Die Vision der Parkinson Stiftung auch mehr finanzielle Mittel zusammentragen müs- ist eine Welt ohne Parkinson. sen. Hierfür ist unsere neue Parkinson-Stiftung ins Le- Wir sind eine engagierte Gruppe ben gerufen worden. Eines kann man jetzt schon sa- von Ärzten, Wissenschaftlern gen: Wir werden bis 2030 unglaublich viel für unsere und Unterstützern, die glauben, Patienten erreicht haben. Soviel ist sicher. dass durch intensivierte Forschung eine Heilung der Parkinson-Krankheit Herr Professor Storch, vielen Dank für das Gespräch. möglich ist. « Weitere Infos zur Stiftung und zur Spendenmöglichkeit: parkinsonstiftung.de/die-stiftung ©iStockphoto/olm26250 NEUROVISION < 17
Auf dem Weg zur Präzisionsneurologie Neues vom EAN-Kongress ©iStockphoto/ThitareeSarmkasat Die European Academy of Neurology (EAN) wurde 2014 von der ehemaligen European Federation of Neurological Societies (EFNS) und der European Neurological Society (ENS) gegründet, aktuell ge- hören ihr 47 neurologische Fachgesellschaften aus ganz Europa an. Unter dem Motto “Towards preci- sion neurology” (auf dem Weg zur Präzisionsneu- rologie) fand im Juni in Wien der siebte EAN-Kon- gress statt, auf dem sich die Neurologen virtuell über innovative Forschungsergebnisse und Therapiean- sätze austauschten. Einer der Themenschwerpunkte war u.a. der nach wie cherheit von Ocrelizumab OCREVUS® im Zusammen- vor hohe Bedarf einer verlaufsmodifizierenden Thera- hang mit einer Covid-19-Infektion untersucht – mit pie für Patienten mit schubförmiger Multiple Sklerose dem Ergebnis, dass die Mehrheit der unter OCREVUS® (RMS). Die beim EAN-Kongress präsentierten Daten zu erkrankten RMS- bzw. PPMS-Patienten einen milden Ocrelizumab (OCREVUS®) bestätigten dabei die Wirk- bis moderaten Krankheitsverlauf aufwiesen. samkeit und Sicherheit des Anti-CD20-Antikörpers bei Patienten mit schubförmig remittierender MS und Neuer CGRP-Antagonist zur Migräne- sekundär progredienter MS mit aufgesetzten Schüben prophylaxe in Zulassungsphase und früher primär progredienter MS (PPMS). Da die Fortführung der MS-Therapie auch während der SARS- Ein weiteres EAN-Diskussionsthema waren Daten CoV-2 Pandemie empfohlen wird, wurde auch die Si- zur immer präziseren und individuelleren Therapie 18 > NEUROVISION
Titelthema < GESUCHT, GEFUNDEN! Ursachen Informationen Verlauf Magazin Familie MS-Diagnose Nervensystem Risikofaktoren MS-Therapie Ernährung Multiple Sklerose Behandlung MS-Podcast Sport Unterstützung Beruf ® BETAPLUS Downloads Babywunsch www.ms-gateway.de AN-BET-DE-0014
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Neurowelt < von Migräne – vor allem mit Blick auf die CGRP-An- Bei den betroffenen Patienten fanden die Forscher au- tagonisten. Neben den drei CGRP-Antikörpern Erenu- ßerdem verstärkte Hyperintensitäten in der weißen mab, Fremanezumab und Galcanezumab, die bislang Hirnsubstanz. Unklar ist jedoch, ob diese Verände- in Deutschland zur Behandlung von Migräne zugelas- rungen durch die Infektion, deren Folgen oder die Be- sen sind, gibt es mit dem CGRP-Antagonisten Atoge- handlung verstärkt wurden. Auslöser könnten auch pant möglicherweise bald eine weitere Option. Ende Sauerstoffmangel sowie eine ausgeprägte Neuroin- März hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde flammation in der Akutphase sein, wobei letztere auch FDA den Antrag des US-Konzerns AbbVie auf Zulas- psychische Störungen verursachen könnte, welche sich sung des ersten oralen CGRP-Antagonisten zur Migrä- wiederum auf die Kognition auswirkten. Es müsse nun neprophylaxe offiziell angenommen. Die auf dem EAN weiter beobachtet werden, ob sich die kognitiven Pro- präsentierten Daten zur Wirksamkeit und Langzeitver- bleme nach einer längeren Beobachtungdauer wieder träglichkeit stimmen positiv: In einer Phase 2b/3-Stu- zurückbildeten oder tatsächlich den Beginn einer Neu- die und der Phase 3-Studie ADVANCE war über einen rodegeneration markierten. Zeitraum von einem Jahr die Zahl der monatlichen Mi- gränetage unter Atogepant weiter zurückgegangen als Starke Müdigkeit Anzeichen unter Placebo. Auch bei den lebenqualitätsbezogenen für schweren Covid-19-Verlauf? Parametern – Aktivität und körperliche Beeinträchti- gung – gab es klinisch relevante Unterschiede. Auf der Suche nach Hinweisen, warum manche Pa- tienten schwerer und andere weniger schwer an Co- Außerdem ein Thema auf dem Neurologenkongress: vid-19 erkrankten, wertete ein Team um Dr. Nina der Zusammenhang zwischen Migräne und einer Ri- Kleineberg von der Universität Köln das europäische sikoschwangerschaft. Obgleich es Frauen, die an Mi- Fallregister LEOSS (Lean European Open Survey on gräne leiden, während der Schwangerschaft in der SARS-CoV2 infected patients) aus. Sie entdeckten, dass Regel besser geht, rät Professorin Nirit Lev vom Meir insbesondere Patienten, die zu Beginn der Infektion Medical Center in Kfar Saba bei Tel Aviv dazu, migrä- unter extremer Müdigkeit litten, später auffallend häu- nekranke Schwangere im Blick zu behalten – beson- fig in einen kritischen Zustand gerieten, das Risiko für ders dann, wenn die Migräne mit einer Aura auftritt: Tod oder kritischen Verlauf war um 42 % erhöht. Für Bei ihnen sei die Rate von Schwangerschaftskompli- die Auswertung wurden Angaben zu mehr als 6500 kationen – Schwangerschaftsdiabetes, Hyperlipidämie, Patienten berücksichtigt, die bis Februar 2021 an CO- Präeklampsie oder Thrombose – um rund die Hälfte er- VID-19 erkrankt waren. Bei Patienten mit neurodege- höht. Zu diesem Ergebnis kamen die Neurologin und nerativen Erkrankungen wurde ebenfalls ein erhöhtes ihr Team nach der Auswertung von Versicherungs- Risiko (35 % für kritischen Verlauf, 56 % für Tod) fest- daten zu mehr als 145.000 erfolgreichen Schwanger- gestellt. Eine Ursache könne eine reduzierte Lungenka- schaften aus Israel. Sie rät Migränepatientinnen, sich pazität sein, eine andere der Verzicht auf maximale In- in der Schwangerschaft speziellen neurologisch-gynä- tensivmedizin aufgrund von Patientenverfügungen, so kologischen Konsultation zu unterziehen und Migräne die Wissenschaftler. Bei COVID-Patienten mit MS und als Faktor für eine Risikoschwangerschaft zu erheben. anderen neuroimmunologischen Krankheiten dage- gen konnten die Ärzte ein reduziertes Risiko für einen Triggert Covid-19 Neurodegeneration? kritischen Verlauf erkennen (minus 38%), was zwar daran liegen könne, dass hier besonders viele nicht- Ebenfalls auf der EAN-Agenda: Die Risiken und Folgen hospitalisierte Patienten ins Register aufgenommen der Covid-19-Infektion. Ein Forscherteam um Dr. Elisa wurden, dennoch war nach den Registerdaten mit kei- Canu vom Istituto San Raffaele in Mailand ist der Frage nem besonderen Risiko für einen kritischen oder kom- nachgegangen, inwiefern ein schwerer Covid-19-Ver- plizierten Verlauf zu rechnen. lauf eine Neurodegeneration triggern könnte. Bei der Untersuchung von 49 schwer, aber nicht lebensbe- Quellen: drohlich Erkrankten stellten die Wissenschaftler fest, www.springermedizin.de/ean-congress-2021/ean- dass nach zehn Monaten noch 6% der Patienten ausge- 2021/19179434 prägte isolierte Gedächtnisprobleme und räumlich-vi- www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/ neuigkeiten-zur-ms-therapie-update-ean-kongress-und- suelle Störungen aufwiesen. Auch der Anteil der Pati- s2k-leitlinie-ms-der-dgn/ enten mit Depressionen (15%) und Posttraumatischen Belastungsstörungen (18%) blieb nahezu unverändert. NEUROVISION < 21
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