NEUROVISION - Medios Apotheke

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NEUROVISION - Medios Apotheke
NEUROVISION
   NEUROLOGIE VERSTEHEN
                                                                                    OKTOBER 21
                                                                                    JAHRGANG 16

   ZUM GREIFEN NAH?
   Ehrgeizige Ziele in der
   Parkinsonforschung geben
   Anlass zur Hoffnung

                                                                                                  ©iStockphoto/SiberianArt

MS WELT> BDigitaler MS-Begleiter in der Testphase: Wie eine App unterstützen kann

NEURO WELT> Neue Antikörpertherapie bei Neuromyelitis optica Spektrum Erkrankungen (NMOSD)
NEUROVISION - Medios Apotheke
Der Patient im Fokus
       Bereits seit 2010 konzentrieren wir uns als spezialisierte Apotheke auf die pharmazeutische
       Betreuung und Versorgung von Patienten mit neurologischen Erkrankungen.

       Folgende Indikationen zählen zu unseren Schwerpunkten                                Zu unseren vielfältigen Serviceleistungen gehören
       • Amyotrophe Lateralsklerose,                                                        • spezialisierte Ansprechpartner
         Spinale Muskelatrophie u. a. Motoneuronenerkrankungen                              • fachkompetente pharmazeutische Beratung
       • Migräne und weitere Kopfschmerzarten                                               • Beratung zu Cannabis und Cannabinoiden
       • Multiple Sklerose                                                                  • umfangreiches Medikationsmanagement
       • neurologische Tumorerkrankungen                                                    • Beratung zu möglichen Therapieergänzungen
       • neuropathische Schmerzen                                                           • regelmäßige Patientenveranstaltungen
       • Parkinson                                                                          • diskreter & kostenloser Versand deutschlandweit
                                                                                            • Beratung zur richtigen Anwendung von
       Durch unsere jahrelange Erfahrung und die vielen Gespräche                             Applikationssystemen
       mit Betroffenen sind wir mit den speziellen Bedürfnissen                             • Herstellung individueller Rezepturen
       unserer Patienten vertraut und gehen kompetent und                                   • Bevorratung zahlreicher neurologischer Präparate
       lösungsorientiert auf Ihre persönliche Situation ein.                                • Einführung in Meditation und Achtsamkeit

       Unser 22-köpfiges Team der Abteilung Neurologie hat es sich                           Wir gehen gerne auf Sie und Ihre Bedürfnisse
       zur Aufgabe gemacht, Ihnen als persönlicher Ansprechpartner                          flexibel und individuell ein – kontaktieren Sie uns!
       in allen Fragen zu Ihren Medikamenten beratend und tatkräftig
       zur Seite zu stehen.
       Ihr Wohlbefinden steht für uns im Vordergrund.
                                                                                                                                 Luisenstraße

                                                                                                                                                Campus
                                                                                                                                                Charité Mitte             Friedrichstr
                                                                                                 TXL/147 Charité Campus Mitte
                                                                                                                                                                                      aße

                                                                                                                                                                 e
                                                                                                                                                            straß
                                                                                                                                                        mann
                                                                                                                                                    Schu
                                                                                                            147 Schumannstraße

                                                                                                                                                                  traße
                                                                                                                                                             ardts
                                                                                                                                                        Reinh

                                                                                            MediosApotheke an der Charité
                                                                                            FachApotheke Neurologie
                                                                                            Anike Oleski e. Kfr.
                                                                                            Luisenstraße 54/55, 10117 Berlin
                                                                                            T (030) 257 620 583 00, F (030) 257 620 583 13

                                                                                            neurologie@mediosapotheke.de
                                                                                            mediosapotheke.de
v.l. Luisa Scholz, Nilab Wali, Nele Teepens, Sabrina Bülau, Lara Fürtges, Sarah Junghans,
                                                                                            Sie erreichen uns Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr.
Claudia Reimers, Dr. Dennis Stracke, Sonja-Katharina Wilkening, Franziska Dörendahl,
Steffi Lindstaedt, Claudio Santoro, Sabine Paulo
Nicht auf dem Bild: Liesa Burock, Jenny Koch, Susanne Knappe, Bahar Sarpkaya,
Julia Herzog, Anna Brauer, Vanessa Kulak, Olga Marcuk, Lilia Brauer
NEUROVISION - Medios Apotheke
Inhaltsverzeichnis <

Optimismus in der
Parkinson-Forschung                                         06 – 17
                                                            Titelthema
»Die Vision der Parkinson Stiftung ist eine Welt ohne       Können die Ursachen von Parkinson bald behandelt
Parkinson. Wir sind eine engagierte Gruppe von Ärzten,      werden?
Wissenschaftlern und Unterstützern, die glauben,            Um diesen Prozess voranzutreiben, hat die Fachgesell-
dass durch intensivierte Forschung eine Heilung der         schaft die Initiative „Parkinson-Agenda 2030“ ins Leben
Parkinson-Krankheit möglich ist.«                           gerufen. Hintergründe, Fragen und Antworten.
Das Mission Statement der Parkinson-Stiftung ist stark.
Ob sich die ambitionierten Ziele in die Tat umsetzen        »Wir werden bis 2030 unglaublich viel für
lassen, wird die Zukunft zeigen – die Zuversicht ist groß   unsere Patienten erreicht haben«
und die Redaktion der Neurovision wird die Arbeit und       Interview mit Prof. Alexander Storch,Direktor der Klinik und
das Vorhaben der Stiftung nicht nur verfolgen, wir werden   Poliklinik für Neurologie an der Universitätsmedizin Rostock
auch berichten. Hoffentlich bald und hoffentlich nur
über Erfolge. Mehr zu den Hintergründen der Parkinson       18 –21
Agenda 2030, den Möglichkeiten, die es heute bereits
gibt und den Ansätzen, die derzeit erforscht werden,        Neurowelt
lesen Sie in unserem Titelthema und im Interview mit        Update: Was gab‘ s Neues auf dem siebten
Prof. Alexander Storch.                                     EAN-Kongress?
                                                            Ein kleiner Ausschnitt aus den Themenschwerpunkten
Viel Hoffnungsvolles gibt es auch in anderen neuro-         der European Academy of Neurology (EAN) im Juni 2021.
logischen Bereichen: So etwa zur Trigeminusneuralgie.
Die blitzartig einschießenden Schmerzen lassen sich in-     22 – 26
zwischen gut behandeln, sagt Prof. Uwe Kehler und erläu-    Trigeminusneuralgie
tert ab Seite 22 die unterschiedlichen Möglichkeiten.       Die Angst vor der nächsten Schmerzattacke macht
Noch eine gute Neuigkeit: Für Menschen mit Neuro-           Menschen mit Trigeminusneuralgie das Leben schwer.
myelitis-Optica-Spectrum-Erkrankungen (NMOSD) steht         In vielen Fällen kann die Ursache behoben und die
eine neue Behandlungsoption zur Verfügung. Während          Trigeminusneuralgie geheilt werden.
es noch vor wenigen Jahren nur Off-label-Therapien gab,
ist kürzlich die zweite Antikörper-Therapie zugelassen      32 – 39
worden: Satralizumab. Darüber sprachen wir mit der          NMOSD – Neuromyelitis-optica-Spektrum-
Apothekerin Sarah Junghans.                                 Erkrankungen
                                                            Zweite Antikörpertherapie zugelassen.
Und damit sind wir bereits wieder bei der letzten Ausgabe
des Jahres 2021 angelangt. Bis wir uns im Januar 22 mit
neuen Themen zurückmelden (siehe Seite 44), wünsche         MS-Welt
ich Ihnen einen schönen Herbst, eine hoffentlich fried-
liche Weihnachtszeit und einen guten Start ins neue Jahr!   28 – 31
                                                            Emendia MS
Ihre Tanja Fuchs                                            Eine neue App, die Menschen mit MS begleitet,
                                                            wird derzeit getestet.

                                                            01
                                                            Editorial und Inhaltsverzeichnis
                                                                 02 – 04
                                                                 News
                                                            40
                                                            Gehirnjogging
                                                            41
                                                            Glossar
                                                            44
                                                            Vorschau, Impressum und Rätselauflösung

                                                                                                  NEUROVISION < 1
NEUROVISION - Medios Apotheke
News <

     Herzlich willkommen
     aus Berlin!                               Persistente neurologische Symptome
     SEHR GEEHRTE LESERIN,                     nach einer durchgemachten Corona-
     SEHR GEEHRTER LESER,                      Infektion – Das Long-COVID-Syndrom
     auch wenn das Thema COVID-19              aus neurologischer Sicht
     für viele von uns inzwischen sehr
     ermüdend und oft frustrierend ist –
     es wird uns wohl noch eine Weile
     begleiten.
     Während wir uns in der letzten Aus-
     gabe an dieser Stelle mit der COVID-
     Impfung beschäftigt haben, wollen
     wir diesmal einen Blick auf die neu-
     rologischen Folgen werfen, die nach
     durchgemachter Infektion auftreten
     können. Immer häufiger hört und
     liest man vom sogenannten Long-
     COVID-Syndrom. Was ist darunter zu
     verstehen, welche Symptome können
     auftreten? Wer ist betroffen und was
     kann man dagegen tun? Auf den
     folgenden Seiten geben wir einen
     Überblick aus neurologischer Sicht
     und nach heutigem Erkenntnisstand.

     Eine interessante Lektüre wünschen,

     Dr. Rainer Götze                       Das Coronavirus COVID 19 hat sich       onsphase, in der sich zumeist Symp-
     Facharzt für Neurologie,               in den letzten 2 Jahren zu einer        tome einer banalen Erkältungs-
     MBA Health Care Management             Pandemie entwickelt, in deren Folge     krankheit zeigen. Charakteristisch,
                                            Millionen von Menschen weltweit         aber nicht spezifisch ist eine Geruchs-
                                            erkrankt sind. Die meisten genesen      und Geschmacksstörung, welche rela-
                                            folgenlos, einige von ihnen aber lei-   tiv früh in der Infektion auftreten und
                                            den unter dem sogenannten Long-         sehr lange anhalten kann, weshalb
                                            COVID-Syndrom.                          Erkältungssymptome verbunden mit
                                                                                    dem Auftreten einer Geruchs- und
                                            Was ist das? Long COVID ist ein in-     Geschmacksstörung den Verdacht auf
     Dr. Dennis Stracke                     homogener Symptomkomplex aus            eine COVID-19-Infektion erhärten.
     Apotheker,                             langanhaltenden Beschwerden nach        In einigen Fällen eskaliert die Infek-
     Leitung Neurologie MediosApotheke      einer durchgemachten Infektion.         tion, indem das Virus auf die unteren
                                            Verschiedene Publikationen gehen        Atemwege übergeht und im Rahmen
                                            von bis zu 10 Prozent der Erkrank-      einer Lungenentzündung zu einem
                                            ten aus. Auch wenn die Datenlage        Lungenversagen und zum Tod führen
                                            hierzu limitiert ist, gibt es einige    kann. Die Letalität von COVID-19, also
                                            charakteristische Beschwerden, die      die Anzahl derjenigen Infizierten,
                                            nach einer überstandenen Infektion      die an der Infektion versterben, liegt
                                            vermehrt auftreten.                     in Deutschland bei 2,44 Prozent.
                                                                                    (Quelle: Statistisches Bundesamt:
                                            Der Verlauf einer COVID-19-Infektion    https://de.statista.com/statistik/daten/
                                            ist geprägt durch eine akute Infekti-   studie/1103785/umfrage/mortalitaetsrate-
                                                                                    des-coronavirus-nach-laendern/)

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                               Eine Bandbreite verschiedener             Dazu gehören hartnäckige Muskel-                   behandelt werden mussten, hatten
                               Symptome                                  und Kopfschmerzen, persistenter                    nicht selten noch über lange Zeit mit
                                                                         Schwindel sowie erhebliche Fatigue                 körperlichen Beschwerden zu tun.
                               Das bedeutet, dass statistisch hier-      mit einem langanhaltenden Leis-
                               zulande etwa jeder 40. Corona-            tungsknick. Diese Beschwerden kön-                 Welche Beschwerden traten auf?
                               Erkrankte auch tatsächlich an und         nen auch bei nicht-hospitalisierten
                               nicht, wie viele Medien immer             Coronapatienten mit einem ver-                     Über starke Ermüdung, Geruchs- und
                               berichten, mit dem Virus verstirbt.       meintlich leichteren Krankheitsver-                Geschmacksstörungen wurde in fast
                               Vor allem ältere und multimorbide         lauf auftreten. Solche und ähnliche                25 Prozent der Fälle berichtet, die
                               Patienten laufen Gefahr, schwere oder     Beschwerden wurden über drei,                      Beschwerden persistierten noch sechs
                               gar tödliche Verläufe der Infektion       zum Teil auch über sechs Monate                    Wochen nach der Infektion.
                               zu erleiden. Aber auch jüngere und        beobachtet.                                        81 Prozent litten unter Aufmerksam-
                               vermeintlich gesündere Menschen           (Quellen: „Persistent symptoms 3 months af-        keits- und Konzentrationsschwächen,
                               leiden häufig noch lange Zeit nach        ter a SARS-CoV-2 infection: the post-CO-           bei 68 Prozent traten Kopfschmerzen
                               überstandener Infektion unter einer       VID-19-Syndrome?“, AU: Goerzt YMJ et al.,          auf, 60 Prozent hatten mit Schwindel
                                                                         SO ERJ Open Res. 2020;6(4) EPub2020 Oct 26.;
                               Bandbreite verschiedener Symptome                                                            und Benommenheit und 55 Prozent
                                                                         „6-month consequences of COVID-19 in pati-
                               physischer und psychischer Natur,                                                            mit Muskelschmerzen zu tun. All dies
©iStockphoto/Irina Shibanova

                                                                         ents discharged from hospital: a cohort study.“,
                               welche sich im Anschluss an die aku-      AU Huang C et al., SO Lancet. 2021; 397(10270):    führt zu einer erheblichen Einschrän-
                               te Infektionsphase entwickeln und         220. Epub 2021 Jan 8.)                             kung der Lebensqualität mit vermin-
                               in der Regel deutlich länger als vier                                                        dertem Leistungsvermögen bei der
                               Wochen anhalten.                          Patienten, die sich von der akuten                 Arbeit und der Verrichtung alltäg-
                                                                         Infektion erholt hatten, berichteten               licher Herausforderungen. Wegen der
                               Neben kardialen, pulmonalen und           auffällig häufig über langanhaltende               Häufigkeit der Beschwerden und der
                               nephrologischen Komplikationen            Beschwerden von mehr als vier                      Persistenz eben dieser wurde der Be-
                               und Langzeitschäden kann es im            Wochen. Hospitalisierte Patienten be-              griff des Long-COVID-Syndroms auch
                               Rahmen von COVID-19 auch zu               klagten häufig eine starke Ermüdung,               um diese neurologischen Beschwer-
                               einer Beteiligung des zentralen und       Luftnot sowie Muskelschmerzen                      den erweitert. Je nach Studie wird
                               peripheren Nervensystems kommen.          auch noch Wochen später. Aber auch                 davon ausgegangen, dass zwischen 5
                               Eine der häufigsten Beschwerden bei       Patienten mit einem vermeintlich                   und 80 Prozent aller Patienten, die an
                               Long-COVID-Patienten ist die oben         mittleren Verlauf, die nicht stationär             COVID-19 erkranken, unter solchen
                               beschriebene persistente Geruchs-
                               und Geschmacksstörung. Es gibt
                               Fälle, in denen auch Monate nach
                               der Infektion keine Besserung des
                               Geruchs-und des Geschmackssinns
                               eintritt. Betroffene leiden unter einer
                               langfristigen, möglicherweise irrepa-
                               rablen Störung ihres Geruchs- und
                               Geschmackssinns.

                               Neurologische Komplikationen

                               Besonders häufig treten neurolo-
                               gische Komplikationen bei COVID-19-
                                                                                                                                                                     ©iStockphoto/Dzmitry Dzemidovich

                               Patienten mit schwerem Krankheits-
                               verlauf auf; man geht davon aus, dass
                               80 Prozent der stationär behandelten
                               Coronapatienten neurologische
                               Beschwerden entwickeln, welche
                               sich dann als Long-COVID-Syndrom
                               bemerkbar machen.

                                                                                                                                                   NEUROVISION < 3
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                                                                                                               Infektionsschutz besteht in erster Linie
                                                                                                               auch weiterhin darin einen Mund-Nasen-
                                                                                                               Schutz zu tragen, Abstand zu halten und
                                                                                                               vor allem sich impfen zu lassen.
    ©iStockphoto/Xsandra

                           und ähnlichen Beschwerden leiden,         müssen sich unter Umständen mit           Lösung zu sein. Denn das Verhindern
                           die mindestens noch einen oder            einer verkürzten Lebenserwartung          von Infektionen schützt nicht nur vor
                           mehrere Monate nach der Infektion         zufriedengeben.                           dem Tod, sondern auch vor Langzeit-
                           andauern.                                                                           schäden.
                                                                     Die Impfung als beste Lösung
                           Die therapeutischen Möglichkeiten                                                   Die Sicherheit der Impfstoffe, vor
                           dieser Langzeitbeschwerden sind           In der Beurteilung des Umgangs mit        allem der mRNA-Impfstoffe, scheint
                           sehr eingeschränkt. Zumeist sind          der COVID-19-bedingten Pandemie           vor dem Hintergrund, dass bereits
                           Betroffene längere Zeit arbeitsunfä-      spielt daher nicht nur die Frage nach     über vier Milliarden Impfdosen ver-
                           hig, wenn die Beschwerden länger als      der Morbidität und Letalität der Infek-   abreicht wurden, überragend hoch
                           sechs Monate andauern, droht sogar        tion eine Rolle, sondern auch die         zu sein. Selbstverständlich können
                           Erwerbsunfähigkeit. Häufig müssen         Frage, wie mit den Langzeitfolgen des     Impfstoffe auch unerwünschte Wir-
                           die Patienten noch Wochen nach der        Virus umgegangen werden kann bzw.         kungen und Komplikationen hervor-
                           Infektion Medikamente einnehmen,          wie effektive Vermeidungsstrategien       rufen. Bei den Vektor-Impfstoffen
                           um ihre Beschwerden zu lindern.           aussehen. Die Morbidität und Leta-        (z.B. AstraZeneca) kam es vermehrt
                           Dazu gehören vor allem Schmerz-           lität können allein durch das Errei-      zu Sinus- und Hirnvenenthrombo-
                           tabletten und Psychopharmaka.             chen einer Herdenimmunität gesenkt        sen, vor allem bei jüngeren Frauen,
                           Während die hier genannten neurolo-       werden. Erst wenn die überwiegende        die teilweise auch tödlich verliefen.
                           gischen Langzeitbeschwerden in aller      Mehrheit der Bevölkerung geimpft ist      Auch unter den mRNA-Impfstoffen
                           Regel eine günstige Prognose haben        oder erkrankt war, sinkt die Infek-       wurden vereinzelt Herzmuskelent-
                           – das heißt sie bilden sich nach län-     tionsrate. Dann kann die Pandemie         zündungen bei jüngeren Männern
                           gerer Zeit weitgehend zurück – sind       überstanden werden. Berücksichtigt        beschrieben. Gleichwohl steht der
                           andere Symptome des Long-COVID-           man jedoch, dass nicht nur die Leta-      Nutzen der Impfstoffe weit über dem
                           Syndroms langfristig viel problema-       lität der Infektion außergewöhnlich       Risiko. Insbesondere ältere Menschen
                           tischer. Viele Patienten erleiden einen   hoch ist, sondern dass eben auch er-      und solche mit Vorerkrankungen
                           nachhaltigen Schaden an Lungen,           hebliche und nachhaltige Langzeitfol-     sollten sich darüber bewusst werden,
                           Herz und Nieren. In der Konsequenz        gen die Erkrankten belasten, scheint      dass ihr Risiko, durch die Infektion
                           sind sie für den Rest ihres Lebens        das Erreichen der Herdenimmunität         Schaden zu nehmen oder gar zu ver-
                           chronisch krank und müssen in ärzt-       durch das Impfen – gegenüber einer        sterben um ein Vielfaches größer ist,
                           licher Behandlung bleiben, nehmen         breiten Ansteckung in der Bevölke-        als unerwünschte Wirkungen einer
                           regelmäßig Medikamente ein und            rung – die bessere und nachhaltigere      Impfung zu erleiden.

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                                                          „Man darf auch mal
                                                          hinfallen, aber liegen bleiben
                                                          ist keine Option!“

                                                                                      Nach Fehldiagnose
                                                                                      Multiple Sklerose:
                                                                                      Sonja erzählt von ihrem Leben
                                                                                      mit der seltenen Erkrankung
                                                                                      NMOSD
Sonja und Ulix im Freien © Roche

Knapp drei Jahrzehnte – so lange lebte Sonja M. mit der Diagnose Multiple
Sklerose, kurz MS. Der erste Krankheitsschub traf sie mit gerade einmal vier          STARK MIT NMOSD
Jahren und ließ sie ohne Sehkraft und mit kurzzeitigen Lähmungen zurück.
Doch Sonja hat keine MS. Sie ist von einer wesentlich selteneren Krankheit            Da niemand die Bedürfnisse der
betroffen: Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen, kurz NMOSD.                    Menschen mit NMOSD besser kennt
                                                                                      als die Betroffenen selbst, arbeitet
                                                                                      die Kampagne „STARK MIT NMOSD“
Bereits im Kindesalter diagnostiziert, gehörte die MS zu Sonja dazu und war Teil      von Anfang an eng mit Patienten
ihrer Identität. Denn obwohl die heute 43-Jährige mit ihren Beschwerden und der       und Patientinnen zusammen. Ge-
Blindheit auch in der MS-Welt eine Kuriosität darstellte, war sie doch Teil einer     meinsam wurde so die barrierefreie
Community. Sie war „anders“, aber nicht allein. Als dann – nach knapp 30 Jahren –     Informationsplattform www.NMOSD.
im Rahmen eines Therapiewechsels die Richtigstellung der Diagnose folgte, war         de entwickelt, die auf die Bedürfnis-
das ein großer Schock für die damals 37-Jährige. „Ich hatte das Gefühl, man hat       se von Menschen mit funktionalen
mir mich weggenommen. Die MS hat damals mein ganzes Leben bestimmt,“ so               Einschränkungen abgestimmt ist.
die Ludwigsburgerin. Obwohl es eine Zeit dauerte, bis Sonja die neue Diagnose         Daneben bietet „Stark mit NMOSD“
verkraftete, blieb sie optimistisch und ließ sich nicht von der Erkrankung unter-     den persönlichen MEIN SERVICE – ein
kriegen. „Man darf auch mal hinfallen, aber liegen bleiben ist keine Option“, so      kostenloses und therapieunabhängi-
Sonjas Fazit. Nachdem die studierte Sozialarbeiterin mit Anfang 30 wegen ihres sich   ges Patientenprogramm, das Betrof-
verschlechternden Gesundheitszustandes berentet wurde, widmet sie sich heute –        fene mit NMOSD im Alltag mit ihrer
gemeinsam mit ihrem Blindenhund Ulix – ehrenamtlich der Sensibilisierungsarbeit.      Erkrankung unterstützt. Interessierte
„Das ist unglaublich erfüllend und viel mehr als das, was ich mir für die Zeit nach   können sich über die Servicenummer
der Berentung hätte wünschen können“, so Sonja. Daneben unterstützt sie die           0800 9999060 anmelden. Sie werden
Kampagne „STARK MIT NMOSD“ von Roche und wirkte an der Konzeption der                 anschließend von einem persönli-
barrierefreien Website www.nmosd.de mit.                                              chen Ansprechpartner kontaktiert,
                                                                                      um den Rahmen der individuellen
                                                                                      Betreuung zu besprechen.

                                                                                      Mehr Informationen auf
                                                                                      www.NMOSD.de
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Parkinson-Agenda 2030:
                                                                                   Die therapeutische
                                                                                 Parkinson-Forschung
                                                                                   auf der Zielgeraden

                                                                                                                                      ©iStockphoto/Astrid860
              Das Fortschreiten der Parkinson-Erkrankung und           nannter Botenstoff (Neurotransmitter), der an Prozes-
              anderer Bewegungsstörungen zu bremsen oder ihr           sen beteiligt ist, die Gedächtnis und Bewegung betreffen.
              Auftreten gar verhindern zu können – das ist das         Zu den typischen Symptomen der Krankheit gehören
              Ziel, das die Deutsche Parkinson-Gesellschaft sich       das Zittern (Tremor) in einer Extremität oder dem Kopf,
              gesetzt hat. Bis 2030, so führende Wissenschaftler,      Steifheit der Muskulatur und Bradykinese (Verarmung
              sei es möglich, die ersten ursächlichen Therapien        und Verlangsamung an Bewegung, so z.B. auch der Mi-
              im Einsatz zu haben.                                     mik). Derzeit ist es ausschließlich möglich, ebendiese
                                                                       Symptome, aber nicht die Ursachen zu behandeln. Doch
              Die Parkinson-Krankheit ist die häufigste neurodegene-   die Möglichkeiten der symptomatischen Therapie haben
              rative Bewegungsstörung. Mehr als 10 Millionen Men-      sich, Prof. Alexander Storch zufolge, in den letzten 15 Jah-
              schen weltweit sind betroffen – Tendenz steigend.        ren immens verbessert. „Wir können heute Parkinson-
              Verursacht wird die Erkrankung durch eine Schädigung     patienten oft über Jahrzehnte erfolgreich therapieren“, so
              der Nervenzellen im Gehirn und dem daraus resultie-      der Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie in
              renden Mangel an Dopamin. Dopamin ist ein soge-          Rostock. Hierzu gebe es eine ganze Bandbreite unter-

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Titelthema <

                                                                WISSEN
                                                                                 Lebensjahr), empfiehlt Prof. Storch mit einem Arzt über
                        Dopamin                                                  eine genetische Analyse zu sprechen. Wichtig hierbei
                                                                                 sei es, sich nicht an irgendwelche ausländischen An-
                        Dopamin ist ein sogenannter Botenstoff oder Neuro-       bieter im Netz zu wenden. In Deutschland regelt das
                        transmitter, der Signale zwischen den Nerven-            Gendiagnostikgesetz (GenDG) die Voraussetzungen
                        zellen weiterleitet. Er steuert sowohl emotionale        und Grenzen genetischer Untersuchungen, ebenso wie
                        und geistige wie auch motorische Reaktionen. Im          die genetische Beratung. Im Gesetz sind umfangreiche
                        Volksmund gilt Dopamin als Glückshormon, die             Aufklärungs- und Beratungspflichten verankert und
                        tatsächliche psychotrope Bedeutung wird allerdings       Einschränkungen für diese Untersuchungen definiert.
                        hauptsächlich im Bereich der Antriebssteigerung          Ab dem 1. Februar 2012 dürfen genetische Beratungen
                        und Motivation vermutet. Dopamin wird für eine           im Zusammenhang mit genetischen Untersuchungen
                        Vielzahl von lebensnotwendigen Steuerungs- und           nur noch durch speziell qualifizierte Ärztinnen und
                        Regelungsvorgängen benötigt.                             Ärzte durchgeführt werden.
©iStockphoto/johavel

                       schiedlicher Optionen, von oralen Medikamenten über          Symptomatische Therapien
                       Pumpentherapien bis hin zur Tiefen Hirnstimulation.
                                                                                 Um die Symptome zu lindern werden häufig Dopa-
                          Genetisch bedingter Parkinson                          min-Substitute wie Levodopa eingesetzt, deren Wir-
                                                                                 kung mit dem Fortschreiten der Krankheit jedoch ab-
                       Die Parkinson-Erkrankung kann viele Gesichter und vie-    nehmen kann. Zusätzlich kann es zu Langzeitfolgen
                       lerlei Ursachen haben. Einige Formen werden durch ge-     der Therapie wie z.B. unwillkürlichen Überbewegungen
                       netische Veränderungen oder Fehlfunktionen ausgelöst      oder Wirkschwankungen kommen. Mitunter wird eine
                       – diese sind vererbbar. Genetisch bedingte Formen der     zunehmend höhere Dosis benötigt, die dann oftmals
                       Parkinson-Krankheit treten gehäuft innerhalb von Fa-      nicht mehr gut verträglich ist. Allerdings, sagt Prof.
                       milien auf und betreffen insgesamt etwa fünf bis sieben   Storch, bedeute das nicht, dass man nichts mehr tun
                       Prozent aller von der Krankheit betroffenen Menschen.     könne. „Ich finde es immer schwierig, wenn Patienten
                       Wenn in der Familie bereits gehäuft Parkinson aufgetre-   zu uns kommen und erzählen: Mein Arzt hat gesagt,
                       ten ist oder die Erkrankung früh auftritt (vor dem 55.    ich wäre austherapiert. Es gibt immer Möglichkeiten,

                                                                                                                                      NEUROVISION < 7
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Titelthema <

                     positiv Einfluss zu nehmen“, so der Neurologe. Wenn
                     eine orale L-Dopa-Therapie etwa nicht mehr ausrei-
                     chend wirksam sei, könne zum Beispiel überlegt wer-
                     den, ob eine Pumpe infrage kommt. Der Vorteil an
                     einer Pumpe ist, dass der Wirkstoff kontinuierlich ab-
                     gegeben wird, wodurch eine gleichmäßige Wirksam-
                     keit über den Tag sichergestellt ist. Derzeit gibt es zwei
                     Möglichkeiten:

                                                                                                                                             ©iStockphoto/Gerry Proteau
                     1. Über die Apomorphin-Pumpe, die ähnlich wie
                        eine Insulinpumpe funktioniert, wird ein Dopa-
                        minersatzstoff ins Unterhautfettgewebe (sub-
                        kutan) injiziert. Bei oraler Einnahme würde diese
                        Substanz keine Wirkung entfalten, weil sie zuvor
                        in der Leber abgebaut wird. Nachteil dieses Ver-
                        fahrens: Apomorphin ist nicht so gut verträglich.
                     2. Über das Duodopa-System – bestehend aus ei-               Bislang muss das L-Dopa-haltige Gel über einen Schlauch
                        ner Pumpe, dem Sondensystem und der Wirk-                 direkt in den Dünndarm gebracht werden. Eine subkutane
                        stoff-Kassette – wird eine geringe Dosis eines            Verabreichung – die in Aussicht steht – wäre für viele
                                                                                  Patienten eine angenehmere Option.
                        L-Dopa-haltigen Gels gleichmäßig über den Tag
                        verteilt direkt in den Dünndarm gebracht. Um
                        das Sondensystem in das Jejunum (einen Teil
                        des Dünndarms) zu legen, wird in einem chirur-            Diese Therapiemöglichkeiten, sagt Prof. Storch, kom-
                        gischen Eingriff eine kleine Öffnung durch die            men in Frage, wenn z.B. eine Tiefe Hirnstimulation
                        Bauchwand hergestellt. Die Wirkung ist sehr gut,          nicht möglich ist. Bei der Tiefen Hirnstimulation han-
                        es handelt sich um eine gut verträgliche Substanz         delt es sich um ein Verfahren, das bei jüngeren Pati-
                        und die kontinuierliche Abgabe sorgt für kon-             enten und schweren Verläufen zum Einsatz kommt.
                        stante Wirkstoffspiegel im Blut. Insbesondere für         Dabei werden in einem neurochirurgischen Eingriff
                        ältere und auch für Patienten mit demenziellen            Elektroden in bestimmte Steuerzentren des Gehirns
                        Erkrankungen ist dies eine gute Lösung. Jüngere           implantiert. Die Wirkung ist sehr gut, die Betroffenen
                        Patienten schrecken häufig vor dem Schlauch,              gewinnen oft mehrere Jahre, in denen sie unter deut-
                        der von außen durch die Bauchdecke führt, zu-             lich geringeren Symptomen leiden. Inzwischen gehört
                        rück. Die Hoffnung ist groß, dass es spätestens in        der chirurgische Eingriff in vielen neurologischen Kli-
                        zwei Jahren möglich sein wird, L-Dopa auch sub-           niken zum Standard. Auch vor dieser Therapieoption
                        kutan verabreichen zu können. Das könnte noch-            schrecken viele Patienten und auch ihre Angehöri-
                        mal eine deutliche Verbesserung für die Patienten         gen anfangs zurück. Verständlicherweise. Eine OP am
                        bedeuten, so Prof. Storch.                                Kopf klingt besorgniserregend. Prof. Alexander Storch
                                                                                  kann den meisten jedoch die Angst nehmen: „Wir ma-
                                                                                  chen das hier regelmäßig und haben sehr gute Erfah-
                                                                                  rungen. Die Patienten, bei denen diese Option in Frage
Levodopa, auch                                                                    kommt, profitieren enorm und gewinnen viel an Le-
L-DOPA, ist die
                                         Levodopa
                                                                                  bensqualität.“
Abkürzung für
L-3,4-Dihydroxy-
phenylalanin, eine
                                                                                     Patient und Arzt entscheiden
nicht-proteinogene                                                                   gemeinsam
alpha-Amino-
säure, die im                                                                     Eine besondere Rolle spielt, dem Neurologen zufolge,
Körper aus Tyrosin
                                                                                                                                                                          ©iStockphoto/Bacsica

                                                                                  aber auch die enge Abstimmung zwischen Arzt und
mit Hilfe des
                                                                                  Patient. Der Patient muss immer mitentscheiden. Ist
Enzyms Tyrosin-
hydroxylase
                                                                                  das die richtige Therapie für mich, ist die Wirkung aus-
gebildet wird.                                                                    reichend, komme ich mit möglichen Nebenwirkungen
                                                                                  klar, ist die Anwendung unproblematisch für mich?

8 > NEUROVISION
Da,
wenn man                                            Wir hören zu und ermutigen

 uns braucht.
                                                    %etro΍ene und $ngehörige dazu
                                                    den eigenen Weg zu einem
                                                    selbstbestimmten Leben mit
                                                    Multipler Sklerose zu gehen.

                       :LUVLQGI¾U6LHGD'DV06ɋ ɋLFK7HDP
                       HUUHLFKHQ6LHNRVWHQORVXQWHU
                       7HOHIRQȂ *
                       E-Mail: info@msundich.de
   :HUGHQ6LHMHW]W
  7HLOYRQ06ɋ ɋLFK   *
                           gebührenfrei Mo.–Fr. von 10:00 bis 17:00 Uhr
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                                            Novartis Pharma GmbH I Roonstraße 25 I 90429 Nürnberg
Titelthema <

                                                           WISSEN

                   Autophagie                                              Die Mission der Deutschen Gesellschaft für
                                                                           Parkinson und Bewegungsstörungen
                   Autophagie (von altgriechisch autóphagos „sich
                   selbst verzehrend“) bezeichnet den Prozess in Zellen,   Unter dem Titel der Parkinson-Agenda 2030 wid-
                   mit dem sie eigene Bestandteile wie fehlgefaltete       met sich die Fachorganisation jetzt verstärkt den
                   Proteine oder beschädigte Zellorganellen abbauen        beschriebenen wissenschaftlichen und gesell-
                   und verwerten. Damit werden u.a. negative Auswir-       schaftlichen Herausforderungen. Im Rahmen ver-
                   kungen auf die Zellvorgänge verhindert, Moleküle        stärkter Öffentlichkeitsarbeit sollen Sensibilisierung
                   wie Aminosäuren, Fettsäuren oder Kohlenhydrate          und Aktivierung der Gesellschaft für die Belange der
                   können der Zelle wieder für den Anabolismus zur         Patienten mit Parkinson und anderen Bewegungs-
                   Verfügung gestellt werden. Im Zuge der anabolen         störungen erreicht werden. Dabei soll die nationale
                   Reaktionen werden über die Nahrung aufgenom-            Förderlandschaft für die Erforschung der Ursachen
                   mene Fremdstoffe abgebaut und ihre Bestandteile         und Behandlungsmöglichkeiten deutlich verbessert
                   zum Aufbau körpereigener Substanzen benutzt.            werden. Als wichtigen Baustein hierfür hat die DPG
                   Die Autophagie spielt eine wichtige Rolle im Immun-     die Parkinson Stiftung (www.parkinsonstiftung.de)
                   system: In die Zelle eingedrungene Krankheitserreger    initiiert. Weiterhin unterstützt die DPG mit ihren
                   oder Fremdeiweiße können von Zellen abgebaut und        Arbeitsgruppen die Erforschung der Ursachen, der
                   somit unschädlich gemacht werden. Somit kommt           Früh- und Differenzialdiagnostik und neuer Thera-
                   der Autophagie eine entscheidende Bedeutung bei         piemöglichkeiten. Ein nationales Register für Par-
                   der Immunantwort zu.                                    kinson und andere Bewegungsstörungen wird eta-
                   (Quellen: wikipedia; doccheck)                          bliert und unterstützt. Insbesondere soll auch mit
                                                                           Nachdruck die nationale Forschungslandschaft
                                                                           für die klinische Prüfung neuer Therapieansätze
                                                                           mit Patienten und Patientinnen optimiert werden.
                                                                           www.parkinson-gesellschaft.de/presse.html

               Mindestens ebenso wichtig – vor allem, um die Symp-
               tome bestmöglich in den Griff zu bekommen, sind
               Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie. „Diese
               symptomatischen Therapien haben einen hohen Stel-
               lenwert in der Behandlung von Parkinson und gehö-
               ren von Anfang an mit dazu!“
                                                                               »Die Parkinson-Wissenschaft   ft ist davon
                     Ambitionierte Ziele                                       überzeugt, dass wir bis 2030 die ersten
                                                                                  ursächlichen Therapien im Einsatz
               Das Know-how, das man in der Parkinson-Forschung                haben könnten. Damit können wir das
               in den letzten Jahrzehnten angehäuft hat, ist, Prof.           Fort
                                                                              Fo rtssch
                                                                                     chre
                                                                                       reit
                                                                                         iten
                                                                                           en der Par
                                                                                                   arki
                                                                                                      kins
                                                                                                        nson
                                                                                                          on-Erk
                                                                                                             Erkrarank
                                                                                                                    nkun
                                                                                                                       ungg
               Storch zufolge, immens. Mehr noch: Mit dem heu-               und anderer Bewegungsstörungen bremsen
               tigen Stand der Wissenschaft, sind sich die Forschen-            oder
                                                                                od
                                                                                 der sogogar
                                                                                          ar ihr
                                                                                              hr Auft
                                                                                                  uftr
                                                                                                   ftret
                                                                                                      eten
                                                                                                       ten ver
                                                                                                            erhi
                                                                                                              hind
                                                                                                                 nder
                                                                                                                   dern.
                                                                                                                      n.«
               den sicher, sei es möglich, innerhalb der kommenden
               neun Jahre Therapien zu entwickeln, die über die sym-                   Prof. Günter Höglinger, Direktor der
               ptomatische Therapie hinausgehen und die Krankheit                   Neurologischen Klinik der Medizinischen
               an der Wurzel packen – also die Ursachen bekämpfen.                Hochschule Hannover und Erster Vorsitzender
                                                                                    der Deutschen Gesellschaft für Parkinson
               Aus diesem Grund wurde die Parkinson Agenda 2030
                                                                                        und Bewegungsstörungen (DPG)
               ins Leben gerufen.

10 > NEUROVISION
Titelthema <

In der Forschung
                                                          MMW-Kommentar: „Verschiedene Firmen arbeiten
Noch ist die Ultraschall-Subthalamotomie eine             derzeit an Immunisierungen gegen unterschiedliche
experimentelle Therapie, die im Rahmen von Stu-           Epitope des Ơ-Synucleins. Gegenwärtig befinden
dien durchgeführt wird. Weltweit sind etwa 3.000          sich alle in den Phasen I und II. Grundsätzlich ist die
Patienten so behandelt worden. In Deutschland er-         Frage zu stellen, ob das „Abräumen“ von mit neuro-
forschen den Einsatz derzeit die Klinik für Neuro-        degenerativen Erkrankungen assoziierten Proteinen
chirurgie am Universitätsklinikum Bonn und das            einen krankheitsmodifzierenden Ansatz darstellt.
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein am Stand-         Bei der Alzheimer-Demenz konnten die Amyloid-
ort Kiel. Bei der Utraschallmethode werden gezielt        plaques zwar mittels einer Immunisierung deut-
die Fehlfunktionen betroffener Gehirnzellen ausge-        lich entfernt werden - jedoch konnte bisher nicht
schaltet. Dies geschieht, indem man den Schall mil-       zwingend ein Effekt auf die kognitiven Fähigkei-
limetergenau in den Subthalamus leitet. Das ist ein       ten nachgewiesen werden. Der Ansatz ist aber viel-
Teil des Gehirns, der vor allem für die Steuerung der     versprechend und sollte auf jeden Fall weiterver-
bei Parkinson beeinträchtigten Grobmotorik zustän-        folgt werden.“
dig ist. Von ihm leitet sich der Name der Methode         Zitiert nach: Dodel, R. Parkinson-Immunisierung in Sicht?.
ab: Ultraschall-Subthalamotomie. Sie erfolgt unter        MMW - Fortschritte der Medizin 163, 28 (2021). https://doi.
                                                          org/10.1007/s15006-021-9943-2 (Die MMW ist ein crossme-
ständiger Steuerung und Kontrolle mittels Magne-
                                                          diales medizinisches Fortbildungsorgan für niedergelas-
tresonanztomografie (MRT).                                sene Ärzte.)
Quelle und weitere Informationen: https://hirnstiftung.
org/2021/04/ultraschall-gegen-parkinson/

Impfung gegen Parkinson?                                  Experimentelle Forschung

Die Akkumulation des Proteins alpha-Synuclein             Zell- und Gentherapien gegen Parkinson:
scheint bei der Pathogenese des Morbus Parkinson          In einer offenen klinischen Phase-1-Studie wurde
eine wichtige Rolle zu spielen. Ein neuartiger the-       dem ersten Parkinson-Patienten erfolgreich dessen
rapeutischer Ansatz könnte in einer Impfung beste-        erste Dosis mit aus pluripotenten Stammzellen ge-
hen, die bereits existenten Ablagerungen oder de-         wonnenen dopaminergen Neuronen mit dem Na-
ren Neubildung entgegenwirken soll. Dies wurde            men DA01 verabreicht.
von Forschern der Universitäten Innsbruck, Wien           Ein weiteres Projekt treibt ein Gentherapie-Pro-
und Doha in Form eines kurzen Peptides (PD01A)            gramm voran, das auf klinischen Adeno-asso-
erprobt. Die Impfung mit PD01A scheint sicher und         ziierten Viren (AAV) basiert. Dieses Projekt zielt
gut verträglich zu sein. Zumindest bezüglich der An-      ebenfalls auf eine neuartige Therapie für die Par-
tikörper-Titer zeigt sie auch die gewünschte Wir-         kinson-Krankheit ab und rekrutiert sowie evalu-
kung. Ob es auch klinische Effekte gibt, muss in Stu-     iert derzeit Patienten in einer laufenden klinischen
                                                                                                                         ©iStockphoto/Totojang

dien der Phase 2 ermittelt werden.                        Phase-1b-Studie.
(Quelle: www.univadis.de/viewarticle/impfung-ge-          Quelle und weitere Informationen: www.pharmazeu-
gen-parkinson-in-pilotstudie-sicher-und-gut-vertrag-      tische-zeitung.de/phase-i-studien-zu-zell-und-genthera-
lich-724749)                                              pien-gestartet-126159/

                                                                                                                        NEUROVISION < 11
Titelthema <

                   Die Forschung läuft auf Hochtouren                                   toren in ihren Genen und damit ein erhöhtes Risiko an
                                                                                        Parkinson zu erkranken haben. Man geht heute davon
               Aktuell werden zahlreiche verschiedene Wirkstoffe un-                    aus, dass dann noch ein oder mehrere Faktoren aus der
               tersucht – sowohl solche, die zur Symptomkontrolle                       Umwelt hinzukommen, und die Interaktion zwischen
               beim Parkinsonsyndrom beitragen, als auch solche,                        der Anlage, die man geerbt hat und einem oder mehre-
               die den Krankheitsverlauf nachhaltig verbessern sol-                     rer Umweltfaktoren kann auslösend für den Ausbruch
               len. In vielen der laufenden Untersuchungen ist vor                      der Erkrankung sein.
               allem alpha-Synuclein als Angriffspunkt im Visier der
               Forscher. Weitere Optionen sind die Erhöhung der Au-                     Welche Umweltfaktoren können das sein?
               tophagie, die Steigerung der Dopaminproduktion und
               der Schutz von Neuronen. Auch die sogenannte Ul-                         Storch: Das kann alles Mögliche sein, Nahrungsbe-
               traschall-Subthalamotomie, die bislang nur im Rah-                       standteile oder Pestizide oder Luftverschmutzung zum
               men von experimentellen Studien durchgeführt wer-                        Beispiel, wir kennen die Faktoren im Einzelnen nicht,
               den kann, wird derzeit erforscht.                                        und sie sind wahrscheinlich sehr individuell. Für je-
                                                                                        manden mit Risikoausstattung A können es bestimmte
                                                                                        Nahrungsbestandteile sein, die zur Entstehung von Par-
                    INTERVIEW                                                           kinson führen, für jemanden mit Risikoausstattung B ist
                                                                                        vielleicht die Luftverschmutzung gefährlich.
                   ::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

                   »Wir werden bis 2030
                   unglaublich viel für unsere
                   Patienten erreicht haben.
                   Soviel ist sicher.«

                                                           Professor Alexander Storch
                                                           Direktor der Klinik und      NV: Könnte man denn, indem man gewisse Faktoren

                                                                                                                                                    ©iStockphoto/TonyBaggett
                                                           Poliklinik für Neurologie    vermeidet, auch das Risiko an Parkinson zu erkranken
                                                           an der Universitätsmedizin   minimieren? Stichwort gesunder Lebensstil?
                                                           Rostock

                                                                                        Storch: Ich finde es immer schwierig zu sagen, wenn
                                                                                        man so und so lebt, erkrankt man nicht. Im Um-
                                                                                        kehrschluss würde das ja bedeuten, dass ein gewisser
                                                                                        Lebensstil ursächlich für die Erkrankung war. Natürlich
               NV: Herr Prof. Storch, in einer Pressemitteilung der                     ist es immer ratsam, auf Bewegung und Ernährung zu
               DPG heißt es unter anderem, die Wissenschaft habe                        achten. Ein gesunder Lebenswandel, möglichst wenig
               mittlerweile das notwendige Know-how, um bis 2030                        Stress, regelmäßige Bewegungseinheiten und ausgewo-
               Therapien gegen Parkinson entwickelt zu haben,                           gene Ernährung (bestenfalls die mediterrane Diät), nicht
               die auch die Ursache behandeln. Das klingt viel-                         rauchen etc. Das gilt für die Prävention der meisten Er-
               versprechend, aber es gibt doch mehrere Ursachen für                     krankungen. Aber sich Umweltfaktoren wie Pestiziden
               die Entstehung von Parkinson, richtig?                                   und Luftverschmutzung komplett zu entziehen, ist ver-
                                                                                        mutlich kaum möglich, wenn man nicht in völliger Ab-
               Storch: Ja, zum einen gibt es einen Teil von Parkin-                     geschiedenheit sein Dasein fristet. Und: Man kennt die
               sonpatienten – etwas über 5 % – die eine Mutation in                     für sich spezifisch-individuellen Faktoren ja auch nicht!
               einem bestimmten Gen aufweisen. Mit dieser Genmu-
               tation ist eine Erkrankung ziemlich wahrscheinlich und                   NV: Welche Rolle spielt die Früherkennung?
               in der Regel sind in der Familie bereits mehrere Fälle
               von Parkinson bekannt. Darüber hinaus gibt es Men-                       Storch: Die Früherkennung ist ganz wichtig und ge-
               schen, die eine bestimmte Konstellation von Risikofak-                   hört auch mit in die Agenda. Je früher man therapeu-

12 > NEUROVISION
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                                                  DAY 2021
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                                                  am 30. Mai 2021
                                                   von 10 -12 Uhr
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Kedrion ImageAD/D-AT/Version 2 – 27th August 2020

                                                                               Kedrion Biopharma GmbH
                                                                            Bahnhofstraße 96, 82166 Gräfelfing
                                                                                    www.kedrion.de
Titelthema <

                                                       WISSEN
                                                                           NV: Was halten Sie von KI zur frühen Diagnostik von
 Stratifizierte Medizin                                                    Parkinson?

 Stratifizierung bedeutet im gegebenen Zusammen-                            Storch: Ich bin mir nicht ganz sicher. In der Hand der
 hang die Festlegung von Subpopulationen (eine                             richtigen Leute kann es etwas bringen. Wir machen
 Gruppe/ein Anteil von Patienten) auf Grundlage des                        uns aber schon auch Sorgen, dass die großen Tech-Fir-
 jeweils diagnostizierten „Subtyps“ der Erkrankung.                        men möglicherweise bereits 10 Jahre vor uns wissen
 Diagnostische Verfahren werden meist ausschließ-                          könnten, ob und wer an Parkinson erkranken wird.
 lich an Gütekriterien wie Sensitivität und Spezifität                      Vermutlich wird bereits registriert, wer wie schnell eine
 beurteilt. Der Nutzen eines diagnostischen Ver-                           Zahlenkombination eingibt, ob die Hand dabei zittert
 fahrens für Patienten kann jedoch erst durch eine                         usw. Die Frage ist, wie hilfreich ist das?
 sich anschließende Behandlung entstehen. Eine                             Was aber die radiologische und nuklearmedizinische
 zwingende Voraussetzung dafür ist, dass zwischen                          Diagnostik betrifft, da wird die KI bahnbrechend sein.
 dem Ergebnis des diagnostischen Verfahrens und                            Wir werden in diesem Bereich wahrscheinlich schon
 der Behandlung eine Interaktion (Wechselwirkung)                          sehr bald nicht mehr nur mit einem Radiologen, son-
 besteht. In einem solchen Fall ist ein diagnostisches                     dern mit einem radiologischen Avatar kommunizie-
 Verfahren prädiktiv für eine Behandlung. Um diese                         ren. In der Auswertung von MRT-Bildern ist die KI un-
 Wechselwirkung nachzuweisen, bedarf es der Einbet-                        schlagbar – zumal sie 24/7 hellwach ist.
 tung diagnostischer Tests in randomisierte kontrol-
 lierte Therapiestudien.                                                   NV: Was ist mit der Hautbiopsie?
 (Quellen: https://toolbox.eupati.eu/resources/stratifizierte-vs-persona-
 lisierte-medizin/?lang=de; www.sciencedirect.com/science/article/abs/     Storch: Die Testgüte ist noch nicht ausreichend, um in
 pii/S1865921711002200)
                                                                           einer gesunden Bevölkerung jene Menschen heraus-
                                                                           zufiltern, die später die Erkrankung bekommen. Wenn
                                                                           sie aber jemanden vor sich haben, der bereits erkrankt
                                                                           ist, reicht die Testqualität aus. Es wäre also theoretisch
                                                                           ausreichend, um zumindest Patienten im Anfangssta-

                                                                                                                                                    ©iStockphoto/gopixa
                                                                           dium zu diagnostizieren. Aber selbst dafür ist der Test
                                                                           noch nicht zugelassen. Wir gehen davon aus, dass dies
tisch eingreift, desto besser ist die Wirkung. Der Ver-                    bald der Fall sein wird und wenn wir erst einen Labor-
lauf von Parkinson ist wahrscheinlich exponentiell und                     wert haben, dann wird es einfacher.
eine Therapie, die erst zum Einsatz kommt, wenn die
Krankheit bereits fortgeschritten ist, wird nicht mehr so
effektiv sein können. Das gilt sowohl für die sympto-
matische als auch für eine zukünftige kausale Therapie.

NV: Dann wäre theoretisch eine Vorsorge-
untersuchung optimal, in der man Parkinson im
Frühstadium diagnostizieren könnte?

Storch: Da würden wir gerne hinkommen: dass wir die
Erkrankung diagnostizieren, bevor sie motorisch aus-
bricht und wirklich belastend ist. Das Problem ist, dass
die Früherkennung nicht ganz einfach ist, bislang fehlt
es noch an aussagekräftigen Markern.
Wir wissen, dass Parkinsonpatienten anfangs häu-
fig unter Riechstörungen, Verstopfung und Schlafstö-
rungen leiden. Das sind sehr unspezifische Symptome.
Nicht jeder, der das hat, entwickelt irgendwann Parkin-
son. Hier brauchen wir einen Test, mit dem sich eine
sichere Aussage treffen lässt. Den gibt es heute leider
noch nicht. Aber daran wird geforscht.

                                                                                                                                   NEUROVISION < 15
Titelthema <

               NV: Welche Ansätze sind besonders vielversprechend?       tion beginnt, die über den Vagus dann das Gehirn er-
                                                                         reicht, ist im Tiermodell nachgewiesen.
               Storch: Derzeit ist insbesondere der sogenannte Sy-
               nuclein-Aggregat-Assay zu nennen. Es geht darum,          NV: Wäre es denn eine Option, Patienten anhand des
               einen Test zu entwickeln, mit dessen Hilfe ein Teil       Darmmikrobioms zu diagnostizieren?
               der Patienten frühzeitig im Krankheitsverlauf dia-
               gnostiziert werden könnte. Wir wissen, dass sich in       Storch: Das Problem ist, dass das Mikrobiom sehr in-
               den Zellen Verklumpungen des Proteins alpha-Sy-           dividuell ist. Allein innerhalb Deutschlands gibt es re-
               nuclein finden, die wahrscheinlich eine wesentliche       gionale Unterschiede, das Mikrobiom eines US-Ameri-
               Rolle bei der Krankheitsentstehung spielen. Zur Ver-      kaners lässt sich kaum noch mit dem eines Europäers
               klumpung kommt es aufgrund einer Fehlfaltung des          vergleichen. Die Studienlage ist hier leider noch nicht
               alpha-Synucleins. Hierbei entstehen zunächst kleinste     so einheitlich, dass man sagen kann, dieser und jener
               Eiweiß-Fasern (Fibrillen), die dann weiter zu mikro-      Mikrobiomanteil sorgt dafür, dass jemand an Parkin-
               skopisch sichtbaren Lewy-Körperchen verklumpen.           son erkrankt oder nicht. Man findet immer Muster,
               Das pathologische alpha-Synuclein lässt sich auch im      aber sie sind nicht allgemeingültig.
               Nervenwasser (Liquor) der Patienten nachweisen –
               und zwar bevor die Krankheit sichtbar wird. Dadurch
               könnte der Test zur frühzeitigen Diagnostik herange-
               zogen werden.
               Was noch offen ist, ist, ob dieser Mechanismus, der
               für die genetischen Fälle bekannt ist, genau so bei den
               anderen nicht genetischen Fällen eine Rolle spielt. Wir
               gehen davon aus, dass es so ist. Wissen werden wir es
               aber tatsächlich erst im zweiten Schritt. Aufgabe der
               Forschung ist es nun, das Ergebnis unabhängig zu re-
               produzieren, die unterschiedlichen Fehlfaltungen bes-
               ser zu verstehen und Test-Assays für die klinische La-
               borroutine zu entwickeln. Dann besteht zum einen die      NV: Bei der häufigsten Parkinson-Mutation ist eine
               Möglichkeit, die Patienten frühzeitig im Krankheits-      Veränderung in einem Enzym bekannt, das an
               verlauf zu diagnostizieren, und zum anderen mithilfe      der Zellreinigung beteiligt ist. Könnte man hier
               der Test-Assays die weitere Forschung zu erleichtern.     gegensteuern, indem man die zelleigene Müllabfuhr
               Sie könnten etwa dazu dienen, in zukünftigen Studien      aktiviert?
               eine exakte Patientenstratifizierung zu ermöglichen,
               die insbesondere für die Entwicklung und Erprobung        Storch: In diesem Bereich wird ebenfalls viel geforscht,
               zielgerichteter, kausaler Therapien von Bedeutung ist.    und man weiß, dass diese Zellreinigung auch für Er-
                                                                         krankte eine große Rolle spielt. Nervenzellen sind nicht
               NV: Das sind dann jene maßgeschneiderten                  in der Lage, sich zu teilen und dadurch generell anfäl-
               Therapien für individuelle Patientengruppen – eine        liger für einen verstopften „Mülleimer“ durch zu viel
               Präzisionsmedizin, wie sie auch in der Krebsmedizin       oder krankes alpha-Synuclein. Derzeit hat man aber
               teilweise möglich ist?                                    noch nicht die Möglichkeit, hier gezielt ganz bestimmte
                                                                         Zellen zu modifizieren. Daher scheint es zum jetzigen
               Storch: Ja, hier kommt die Gentestung ins Spiel. Für      Zeitpunkt naheliegender zu sein, auf jene Substanzen
               Gendefekt A gibt es diese und für Gendefekt B jene        Einfluss zu nehmen, die die Verstopfung verursachen
               Option. Wir sprechen hier von stratifizierter Medizin.    – also auf das alpha-Synuclein. Neuere Forschungen
                                                                         haben ergeben, dass sich die alpha-Synuclein-Patho-
               NV: Bei vielen Parkinson-Patienten findet man in          logie von Zelle zu Zelle ausbreiten und somit das kli-
                                                                                                                                    ©iStockphoto/IngaNielsen

               der Frühphase alpha-Synuclein-Ansammlungen                nische Fortschreiten der Krankheit verursachen kann.
               in den Nerven des Darmes, speziell im Vagus-Nerv.         Antikörperbasierte Therapien sind theoretisch in der
               Ist dies auch ein Ansatz, der erforscht wird?             Lage, pathologische Proteine „abzufangen“, insbeson-
                                                                         dere solche, die sich im extrazellulären Raum befin-
               Storch: Hier sprechen wir von der Gut-to-brain-Hypo-      den. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass
               thesis. Dass im Darm diese alpha-Synuclein-Aggrega-       dosisabhängig nach einer Antikörper-Infusion weni-

16 > NEUROVISION
Titelthema <

                        ger ungebundenes alpha-Synuclein im Serum vorhan-         Parkinson-Stiftung
                        den war. Auch in Deutschland laufen einige Studien
                        zur passiven Immuntherapie mittels monoklonaler           2019 von der Deutschen Gesellschaft für Parkinson
                        Antikörper. (siehe auch Seite 10,11)                      und Bewegungsstörungen e.V. gegründet, setzt die
                                                                                  Parkinson Stiftung darauf, über die Krankheit um-
                        NV: Könnten Stammzellen helfen?                           fassend zu informieren und die weitere Erforschung
                                                                                  möglicher Therapieformen voranzutreiben. Ziel ist
                        Storch: Wir betreiben hierzu auf europäischer Ebene       es, die Krankheit zu heilen und so erträglich wie
                        Forschung. Noch handelt es sich um spät-experimen-        möglich für die Patientinnen und Patienten ma-
                        telle und ganz frühe klinische Testungen. Das wird        chen. Hierzu hat die Stiftung starke Partner aus dem
                        noch Jahre dauern und ist derzeit noch Zukunftsmusik.     Bereich der Parkinsonforschung und -behandlung
                                                                                  mit ins Boot geholt: Die Deutsche Gesellschaft für
                        NV: In der Pressemitteilung der Agenda 2030 klingt        Parkinson und Bewegungsstörungen setzt sich für
                        alles etwas erfolgsversprechender, als in unserem         die Wissenschaft, Forschung und Lehre auf dem
                        Interview. Die Aussicht auf eine kausale Therapie der     Gebiet der Parkinson-Krankheit ein. Die Deutsche
                        Parkinson-Erkrankung scheint dort zum Greifen nah.        Gesellschaft für Neurologie möchte die neurolo-
                        Tatsächlich gibt es aber noch einige Puzzleteile, die     gische Krankenversorgung in Deutschland verbes-
                        zusammengefügt werden müssen, oder?                       sern. Das Kompetenznetz Parkinson ist ein Zusam-
                                                                                  menschluss von Ärzten und Forschern, die klinisch
                        Storch: Mark Twain hat mal gesagt „Prognosen sind         oder wissenschaftlich auf dem Gebiet der Krankheit
                        schwierig. Vor allem wenn es um die Zukunft geht“         arbeiten. Die Thiemann-Stiftung unterstützt die Er-
                        (lacht). Natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass     forschung des Parkinson-Syndroms und mögliche
                        wir 2030 eine wirksame kausale Therapie für alle Par-     Therapien. Der Verein REM-Schlaf-Verhaltensstö-
                        kinson-Patienten haben. Aber um Ziele zu erreichen,       rung kooperiert mit der Parkinson Stiftung in Fra-
                        muss man sich zunächst Ziele setzen und wir haben         gen der Früherkennung. Sitz der Parkinson-Stiftung
                        die Agenda nicht umsonst jetzt ausgerufen! Wir wis-       ist Berlin, Schirmherr der Stiftung ist der Fernseh-
                        sen inzwischen sehr viel über das Gehirn und die Me-      moderator Frank Elstner.
                        chanismen bei Parkinson und wir hielten die Zeit für
                        reif, um dieses Wissen auch für die therapeutische
                        Forschung einzusetzen. Wir haben uns gesagt, dass         Mission Statement:
                        wir aktiver werden, an die Öffentlichkeit gehen und       »Die Vision der Parkinson Stiftung
                        auch mehr finanzielle Mittel zusammentragen müs-          ist eine Welt ohne Parkinson.
                        sen. Hierfür ist unsere neue Parkinson-Stiftung ins Le-   Wir sind eine engagierte Gruppe
                        ben gerufen worden. Eines kann man jetzt schon sa-        von Ärzten, Wissenschaftlern
                        gen: Wir werden bis 2030 unglaublich viel für unsere      und Unterstützern, die glauben,
                        Patienten erreicht haben. Soviel ist sicher.              dass durch intensivierte Forschung
                                                                                  eine Heilung der Parkinson-Krankheit
                        Herr Professor Storch, vielen Dank für das Gespräch.      möglich ist. «

                                                                                  Weitere Infos zur Stiftung und zur
                                                                                  Spendenmöglichkeit:
                                                                                  parkinsonstiftung.de/die-stiftung
©iStockphoto/olm26250

                                                                                                                                         NEUROVISION < 17
Auf dem Weg
               zur Präzisionsneurologie
               Neues vom
               EAN-Kongress

                                                                                                                             ©iStockphoto/ThitareeSarmkasat
               Die European Academy of Neurology (EAN) wurde
               2014 von der ehemaligen European Federation of
               Neurological Societies (EFNS) und der European
               Neurological Society (ENS) gegründet, aktuell ge-
               hören ihr 47 neurologische Fachgesellschaften aus
               ganz Europa an. Unter dem Motto “Towards preci-
               sion neurology” (auf dem Weg zur Präzisionsneu-
               rologie) fand im Juni in Wien der siebte EAN-Kon-
               gress statt, auf dem sich die Neurologen virtuell über
               innovative Forschungsergebnisse und Therapiean-
               sätze austauschten.

               Einer der Themenschwerpunkte war u.a. der nach wie       cherheit von Ocrelizumab OCREVUS® im Zusammen-
               vor hohe Bedarf einer verlaufsmodifizierenden Thera-     hang mit einer Covid-19-Infektion untersucht – mit
               pie für Patienten mit schubförmiger Multiple Sklerose    dem Ergebnis, dass die Mehrheit der unter OCREVUS®
               (RMS). Die beim EAN-Kongress präsentierten Daten zu      erkrankten RMS- bzw. PPMS-Patienten einen milden
               Ocrelizumab (OCREVUS®) bestätigten dabei die Wirk-       bis moderaten Krankheitsverlauf aufwiesen.
               samkeit und Sicherheit des Anti-CD20-Antikörpers
               bei Patienten mit schubförmig remittierender MS und         Neuer CGRP-Antagonist zur Migräne-
               sekundär progredienter MS mit aufgesetzten Schüben          prophylaxe in Zulassungsphase
               und früher primär progredienter MS (PPMS). Da die
               Fortführung der MS-Therapie auch während der SARS-       Ein weiteres EAN-Diskussionsthema waren Daten
               CoV-2 Pandemie empfohlen wird, wurde auch die Si-        zur immer präziseren und individuelleren Therapie

18 > NEUROVISION
Titelthema <

                     GESUCHT, GEFUNDEN!
                                      Ursachen
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                                                              Familie
                    MS-Diagnose              Nervensystem
                         Risikofaktoren             MS-Therapie
                 Ernährung    Multiple Sklerose               Behandlung

                        MS-Podcast                        Sport
                                          Unterstützung             Beruf
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Emendia MS ist als
                                           Hallo! Wie geht‘s Dir?
aktives Medizinprodukt
der Klasse I gemäß
Richtlinie MDD
93/427/EWG
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                                           Ich bin Emendia MS.
                                           Deine App zur Begleitung
                                           der Multiplen Sklerose.

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Neurowelt <

von Migräne – vor allem mit Blick auf die CGRP-An-        Bei den betroffenen Patienten fanden die Forscher au-
tagonisten. Neben den drei CGRP-Antikörpern Erenu-        ßerdem verstärkte Hyperintensitäten in der weißen
mab, Fremanezumab und Galcanezumab, die bislang           Hirnsubstanz. Unklar ist jedoch, ob diese Verände-
in Deutschland zur Behandlung von Migräne zugelas-        rungen durch die Infektion, deren Folgen oder die Be-
sen sind, gibt es mit dem CGRP-Antagonisten Atoge-        handlung verstärkt wurden. Auslöser könnten auch
pant möglicherweise bald eine weitere Option. Ende        Sauerstoffmangel sowie eine ausgeprägte Neuroin-
März hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde         flammation in der Akutphase sein, wobei letztere auch
FDA den Antrag des US-Konzerns AbbVie auf Zulas-          psychische Störungen verursachen könnte, welche sich
sung des ersten oralen CGRP-Antagonisten zur Migrä-       wiederum auf die Kognition auswirkten. Es müsse nun
neprophylaxe offiziell angenommen. Die auf dem EAN        weiter beobachtet werden, ob sich die kognitiven Pro-
präsentierten Daten zur Wirksamkeit und Langzeitver-      bleme nach einer längeren Beobachtungdauer wieder
träglichkeit stimmen positiv: In einer Phase 2b/3-Stu-    zurückbildeten oder tatsächlich den Beginn einer Neu-
die und der Phase 3-Studie ADVANCE war über einen         rodegeneration markierten.
Zeitraum von einem Jahr die Zahl der monatlichen Mi-
gränetage unter Atogepant weiter zurückgegangen als          Starke Müdigkeit Anzeichen
unter Placebo. Auch bei den lebenqualitätsbezogenen          für schweren Covid-19-Verlauf?
Parametern – Aktivität und körperliche Beeinträchti-
gung – gab es klinisch relevante Unterschiede.            Auf der Suche nach Hinweisen, warum manche Pa-
                                                          tienten schwerer und andere weniger schwer an Co-
Außerdem ein Thema auf dem Neurologenkongress:            vid-19 erkrankten, wertete ein Team um Dr. Nina
der Zusammenhang zwischen Migräne und einer Ri-           Kleineberg von der Universität Köln das europäische
sikoschwangerschaft. Obgleich es Frauen, die an Mi-       Fallregister LEOSS (Lean European Open Survey on
gräne leiden, während der Schwangerschaft in der          SARS-CoV2 infected patients) aus. Sie entdeckten, dass
Regel besser geht, rät Professorin Nirit Lev vom Meir     insbesondere Patienten, die zu Beginn der Infektion
Medical Center in Kfar Saba bei Tel Aviv dazu, migrä-     unter extremer Müdigkeit litten, später auffallend häu-
nekranke Schwangere im Blick zu behalten – beson-         fig in einen kritischen Zustand gerieten, das Risiko für
ders dann, wenn die Migräne mit einer Aura auftritt:      Tod oder kritischen Verlauf war um 42 % erhöht. Für
Bei ihnen sei die Rate von Schwangerschaftskompli-        die Auswertung wurden Angaben zu mehr als 6500
kationen – Schwangerschaftsdiabetes, Hyperlipidämie,      Patienten berücksichtigt, die bis Februar 2021 an CO-
Präeklampsie oder Thrombose – um rund die Hälfte er-      VID-19 erkrankt waren. Bei Patienten mit neurodege-
höht. Zu diesem Ergebnis kamen die Neurologin und         nerativen Erkrankungen wurde ebenfalls ein erhöhtes
ihr Team nach der Auswertung von Versicherungs-           Risiko (35 % für kritischen Verlauf, 56 % für Tod) fest-
daten zu mehr als 145.000 erfolgreichen Schwanger-        gestellt. Eine Ursache könne eine reduzierte Lungenka-
schaften aus Israel. Sie rät Migränepatientinnen, sich    pazität sein, eine andere der Verzicht auf maximale In-
in der Schwangerschaft speziellen neurologisch-gynä-      tensivmedizin aufgrund von Patientenverfügungen, so
kologischen Konsultation zu unterziehen und Migräne       die Wissenschaftler. Bei COVID-Patienten mit MS und
als Faktor für eine Risikoschwangerschaft zu erheben.     anderen neuroimmunologischen Krankheiten dage-
                                                          gen konnten die Ärzte ein reduziertes Risiko für einen
   Triggert Covid-19 Neurodegeneration?                   kritischen Verlauf erkennen (minus 38%), was zwar
                                                          daran liegen könne, dass hier besonders viele nicht-
Ebenfalls auf der EAN-Agenda: Die Risiken und Folgen      hospitalisierte Patienten ins Register aufgenommen
der Covid-19-Infektion. Ein Forscherteam um Dr. Elisa     wurden, dennoch war nach den Registerdaten mit kei-
Canu vom Istituto San Raffaele in Mailand ist der Frage   nem besonderen Risiko für einen kritischen oder kom-
nachgegangen, inwiefern ein schwerer Covid-19-Ver-        plizierten Verlauf zu rechnen.
lauf eine Neurodegeneration triggern könnte. Bei der
Untersuchung von 49 schwer, aber nicht lebensbe-          Quellen:
drohlich Erkrankten stellten die Wissenschaftler fest,    www.springermedizin.de/ean-congress-2021/ean-
dass nach zehn Monaten noch 6% der Patienten ausge-       2021/19179434

prägte isolierte Gedächtnisprobleme und räumlich-vi-      www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/
                                                          neuigkeiten-zur-ms-therapie-update-ean-kongress-und-
suelle Störungen aufwiesen. Auch der Anteil der Pati-
                                                          s2k-leitlinie-ms-der-dgn/
enten mit Depressionen (15%) und Posttraumatischen
Belastungsstörungen (18%) blieb nahezu unverändert.

                                                                                                                  NEUROVISION < 21
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