Exportschlager nachhaltigkeit? - Umweltschutz und Menschenrechte international - Öko-Institut

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Exportschlager nachhaltigkeit? - Umweltschutz und Menschenrechte international - Öko-Institut
September 2018

                                                                   nachhaltiges
                                                                   aus dem Öko-Institut

Exportschlager
nachhaltigkeit?
Umweltschutz und
Menschenrechte international

Direkter handel   Eine Kleinrösterei in Freiburg

Eine Welt ohne plastik    Sinnvoll und machbar?

Internationale Zusammenarbeit           Interview mit Desmond appiah
Exportschlager nachhaltigkeit? - Umweltschutz und Menschenrechte international - Öko-Institut
2   IM FOKUS | Elephant Beans

    Ein fairer Liebling
    Nachhaltiger Kaffee von Elephant Beans

    Er macht uns wach. Er wärmt uns auf. Er schmeckt auch kalt.
    Kaffee ist aus vielen Gründen das Lieblingsgetränk der Deut-
    schen: 162 Liter trinken wir pro Kopf jedes Jahr. Gleichzeitig ist
    der Kaffeegenuss aus sozialer und ökologischer Sicht oftmals
    nicht besonders nachhaltig – etwa mit Blick auf die Ausbeu-
    tung der Produzenten oder die Abholzung von Regenwald in
    den Anbaugebieten.

    Elephant Beans hat sich dem nachhaltigen Kaffeegenuss ver-
    schrieben. „Für uns heißt das: Wir setzen auf Direkthandel und
    wissen genau, woher unser Kaffee kommt und unter welchen
    Bedingungen er angebaut wird“, sagt Jörg Volkmann, geschäfts-
    führender Gesellschafter der Kleinrösterei, die zudem einen
    Onlineshop und ein Café in Freiburg betreibt. Zum Direkthan-
    del gehört für Elephant Beans unter anderem eine ganz- oder
    teilweise Vorfinanzierung von Ernten sowie Transparenz bei der
    Frage, welchen Anteil die Kaffeeproduzenten vom Verkaufser-
    lös erhalten. Auch biologischer Anbau ist ein wichtiges The-
    ma für Volkmann – „Wir haben eine Bio-Zertifzierung für den
    Import.“ – auch, wenn nicht alle Bezugsquellen von Elephant
    Beans ein Biosiegel haben. „Es ist uns wichtiger zu sehen, wie
    nachhaltig der Kaffee angebaut und geerntet wird als ein Sie-
    gel dafür zu haben“, so Volkmann, „viele Produzenten machen
    schon aus ihrer Tradition heraus etwas, das sehr ähnlich wie bio
    ist, würden es aber nie so nennen.“

    Die Kleinrösterei ist Teil von Roasters United, einem Zusammen-
    schluss von elf europäischen Kaffeeröstern, die gemeinsam den
    Direktimport stemmen, jährliche Besuche in den Anbauländern
    organisieren und dort Selbsthilfeprojekte initiieren und finan-
    zieren – fünf Cent fließen pro Kilo verkauftem Kaffee in diese
    Arbeit. „Wir wollen hier Projekte fördern, die direkt mit dem Kaf-
    feehandel zu tun haben“, sagt Volkmann, „so unterstützen wir
    etwa Projekte zur Anpassung an den Klimawandel – hiervon ist
    der Kaffeeanbaugürtel besonders betroffen.“ In Äthiopien hat
    Roasters United zudem gemeinsam mit einem lokalen Unter-
    nehmer ein Projekt zur Schulung von Bauern bei der Kompos-
    tierung und damit Bodenverbesserung angestoßen, in Indien
    widmeten sich die Kaffeeröster der Reduzierung des Wasserver-
    brauchs in einer Anlage zur Aufbereitung von Rohkaffee.

    Bei diesen Projekten kommt Jörg Volkmann übrigens auch sei-
    ne langjährige Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit
    zugute. „Ich habe vor der Gründung der Rösterei unter anderem
    im Bereich Wasserwirtschaft in Nepal und bei einem Projekt zu
    partizipativem Forstmanagement in Äthiopien als Berater ge-
    arbeitet“, erzählt er, „es ist schön, dass sich nun alles wieder zu-
    sammen fügt – denn aus dieser Arbeit ist 2011 schließlich auch
    Elephant Beans entstanden.“
                                                       Christiane Weihe
    info@elephantbeans.de
    www.elephantbeans.de
    http://roastersunited.com
Exportschlager nachhaltigkeit? - Umweltschutz und Menschenrechte international - Öko-Institut
3
Exportschlager nachhaltigkeit? - Umweltschutz und Menschenrechte international - Öko-Institut
4   Inhalt

                                                                    12
                                                       Deutsche Wirtschaft in der pflicht
                                                            Mehr als Freiwilligkeit

                                                 IM FOKUS: UMWEltSChUtZ &
                                                 MEnSChEnREChtE IntERnatIOnal
                                              2 Ein fairer liebling
                                                Nachhaltiger Kaffee von Elephant Beans
                                              8 Zusammenarbeit über Grenzen hinweg
                                                Elektroschrott in Ghana
                                             10 aus Erfahrung bewährt
                                                Nachhaltigkeitskriterien in ASEAN-Staaten
                                             12 Unternehmerische Verantwortung
                                                Umweltschutz und Menschenrechte
                                             14 „Uns verbindet der austausch von Wissen und
                                                eine gemeinsame Vision für eine nachhaltigere
                                                Welt – egal, woher wir kommen.“

                          8
                                                Interview mit Desmond Appiah (Nachhaltigkeits-
                                                berater des Bürgermeisters von Accra)
               abfallwirtschaft in Ghana     15 porträts
                Ansätze für die Zukunft         Cara-Sophie Scherf (Öko-Institut), Dr. Sabine
                                                Ferenschild (SÜDWIND), Dr. Carolijn Terwindt (ECCHR)

                                                 aRBEIt
             Standards in der aSEan-Region    6 Vom Klimaschutz bis zur Bioökonomie
                  Lösungen entwickeln           Aktuelle Projekte, neue Ideen

                        10                   16 Von der Umweltpolitik bis zur Smart Region
                                                Kurze Rückblicke, abgeschlossene Studien

                                                 pERSpEKtIVE
                                             18 Eine Welt ohne plastik
                                                Sinnvoll und machbar?

                                                 EInBlICK
                                             19 Von der Kohlekommission bis zum atommüll
                                                Neuigkeiten aus dem Öko-Institut

                                                 VORSChaU
                                             20 Die soziale Seite der Energiewende
                                                Zwischen Effizienz, Suffizienz und Kostenbelastung
Exportschlager nachhaltigkeit? - Umweltschutz und Menschenrechte international - Öko-Institut
EDItORIal I IMpRESSUM                     5

                    Öko weltweit
                    Vieles von dem, was wir heute in Sachen Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz erdenken
                    und erarbeiten, erfordert eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Die internationalen
                    Klimaverhandlungen, der länderübergreifende Austausch über die Risiken der Kernenergie
                    und über Strategien, um auf sie zu verzichten, Normierungsprozesse zur Energieeffizienz auf
                    europäischer Ebene, der Wissensaustausch zur Einführung von Umweltzeichen in Asien – die
                    Arbeit des Öko-Institut ist heute schon international. Wir tauschen uns dabei intensiv mit Kol-
                    leginnen und Kollegen zahlreicher Disziplinen aus, ob in laufenden Forschungsprojekten, in
                    der Zusammenarbeit in zwischenstaatlichen Gremien oder beim Debattieren auf internatio-
                    nalen Konferenzen. Wir beraten Entscheiderinnen und Entscheider in demokratischen Struk-
                    turen und wirken auch in Systeme hinein, die noch auf dem Weg dahin sind. Nicht zuletzt
                    unterstützen wir Gruppen, die sich in Opposition zu den staatlichen Strukturen befinden, um
                    Verbesserungen für die Umwelt und die in ihr lebenden Menschen zu erreichen.

                    Darin haben wir heute schon viel Erfahrung und aus meiner Sicht wird dieser Teil unserer
                    Arbeit künftig noch intensiver werden. Das ist (zeit-)aufwändig und verlangt Fingerspitzen-
Michael Sailer      gefühl; man muss die Situation vor Ort gut kennen oder kennenlernen. Deshalb arbeiten wir
Sprecher der        fast immer mit Menschen zusammen, die die Strukturen in ihren Ländern und Regionen gut
Geschäftsführung    einschätzen können und die häufig selbst schon sehr lange und intensiv am Thema arbeiten.
des Öko-Instituts   Sie unterstützen wir mit Wissen, das wir im Rahmen größerer Projektzusammenhänge bereit-
m.sailer@oeko.de    stellen können, geben Erfahrungen weiter, die wir mit Problemen „zu Hause“ gemacht haben
                    und beraten gemeinsam über stimmige Lösungsansätze. Wie wir dabei in Ghana, Thailand
                    und Kenia – aber auch gar nicht so weit weg, in der EU – arbeiten, stellt Ihnen diese Ausgabe
                    der eco@work vor. Wir lassen darin vor allem auch unsere Partnerinnen und Partner zu Wort
                    kommen, wie zum Beispiel Desmond Appiah, verantwortlich für die Neustrukturierung des
                    Abfallmanagements in Accra, Ghana.

                    Wir nehmen Sie gerne mit auf eine kleine „Wissensreise“ um die Welt und wünschen Ihnen
                    interessante Einblicke in unsere weltweite Arbeit. Viel Freude mit der aktuellen Ausgabe der
                    eco@work wünscht Ihnen

                    Ihr

                    Michael Sailer

                    Weitere Informationen zu unseren themen finden Sie im Internet unter www.oeko.de/epaper

                    eco@work – September 2018 – ISSN 1863-2009 – Herausgeber: Öko-Institut e.V.
                    Redaktion: Mandy Schoßig (mas), Christiane Weihe (cw) – Verantwortlich: Michael Sailer
                    Weitere Autoren: Dr. Matthias Englert, Alexa Hännicke (alh), Dr. Georg Mehlhart, Martin Möller, Michael Sailer
                    Druckauflage: 2.800; digitale Verbreitung: rund 7.000 Abonnenten – Im Internet verfügbar unter: www.oeko.de/epaper
                    Gestaltung/Layout: Tobias Binnig, www.gestalter.de – Technische Umsetzung: Markus Werz – Gedruckt auf 100 Prozent Recyclingpapier
                    Redaktionsanschrift: Schicklerstr. 5-7, 10179 Berlin, Tel.: 030/4050 85-0, Fax: 030/4050 85-388, redaktion@oeko.de, www.oeko.de
                    Bankverbindung für Spenden:
                    GLS Bank, BLZ 430 609 67, Konto-Nr. 792 200 990 0, IBAN: DE50 4306 0967 7922 0099 00, BIC: GENODEM1GLS
                    Spenden sind steuerlich abzugsfähig.
                    Bildnachweis: S.2/3 © Elephant Beans, Fotograf: schwarzwaldraum.de; S.4 oben links © Tobif82 - Fotolia.com, oben rechts © katiekk2 -
                    Fotolia.com, unten links © OutdoorPhoto - Fotolia.com; S.6 oben © apimook - Fotolia.com, unten © pinkeyes - Fotolia.com; S.7 oben ©
                    alter_photo - Fotolia.com, unten © altix5 - Fotolia.com; S.8 © Tobif82 - Fotolia.com; S.10 © OutdoorPhoto - Fotolia.com; S.12 © katiekk2
                    - Fotolia.com; S.14 Hintergrund © Richard Carey - Fotolia.com; S.15 rechts © Nihad Nino Pušija; S.16 oben © arybickii - Fotolia.com; S.17
                    © arsdigital - Fotolia.com; S.18 oben © stockpics - Fotolia.com; S.19 oben rechts © vadim_key - Fotolia.com, unten links © Konstiantyn -
                    Fotolia.com; S.20 © wetwater - Fotolia.com; andere © Privat oder © Öko-Institut, Ilja C. Hendel
Exportschlager nachhaltigkeit? - Umweltschutz und Menschenrechte international - Öko-Institut
6   aRBEIt I aKtUEll

    In der Cloud
    Die Digitalisierung ist längst in der Ge-   Im Auftrag des Umweltbundesamts soll
    schäftswelt angekommen. Mit steigen-        im Projekt „Öko-Cloud-Computing“ bi-
    den Datenmengen und schnellen Da-           lanziert werden, mit welchem Energie-
    tennetzen nimmt dabei besonders die         und Ressourcenbedarf die Herstellung,
    Bedeutung von Rechenzentren zu.             der Transport, die Nutzung und Entsor-     Schlupflöcher
    Gleichzeitig werden die Anforderungen       gung von Rechenzentrums-Hardware
    an sie immer anspruchsvoller – ange-        verbunden ist und wie diese auf die un-    stopfen
    fangen bei der hohen Verfügbarkeit,         terschiedlichen Dienstleistungen im Re-
    über schnelle Reaktionszeiten bis hin       chenzentrum verteilt werden können.        Wenn Unternehmen Schlupflöcher
    zur Datensicherheit. Für viele Unterneh-    Das Ziel: Umweltwirkungen definierter      nutzen und Gesetzgebung umge-
    men eine Herausforderung, denn die          Cloud-Dienste aufzeigen, ambitionierte     hen – so geschehen etwa beim „Die-
    Administration und der reibungslose         Mindeststandards finden und daraus         selgate“ – schadet dies Menschen
    Ablauf eigener IT-Systeme wird immer        Kriterien für die Zertifizierung mit dem   und Umwelt. Wie lässt sich errei-
    komplexer und damit auch immer teu-         Umweltzeichen Blauer Engel ableiten.       chen, dass die EU-Ökodesign- und
    rer.                                                                                   Energielabel-Richtlinien korrekt an-
                                                „In einem anderen Projekt haben wir        gewendet werden und die Akzep-
    Die Lösung liegt im Cloud-Computing.        bereits Kennwerte für den Energie- und     tanz für die entsprechende Gesetz-
    Die Verlagerung von Rechen- und Spei-       Ressourcenbedarf von Rechenzentren         gebung steigt? Mit dieser Frage be-
    cherleistung „in die Cloud“ bietet Unter-   entwickelt“, sagt Jens Gröger, Experte     fasst sich das von der EU geförderte
    nehmen die Möglichkeit, Energie und         zur Bewertung von Informations- und        dreijährige Projekt „ANTICSS – Anti-
    Ressourcen einzusparen. Denn gut aus-       Kommunikationstechnik (IKT) am Öko-        Circumvention of Standards for bet-
    gelastete Server und Storage-Systeme,       Institut. „Im Projekt Öko-Cloud-Compu-     ter market Surveillance“ (Eindäm-
    intelligente Kühlkonzepte und ein pro-      ting gehen wir noch einen Schritt wei-     mung des Umgehens von Standards
    fessioneller Betrieb der Gebäudeinfra-      ter. Wir berechnen den Umweltaufwand       für eine bessere Marktüberwa-
    struktur können ohnehin nur in großen       für Cloud-Dienste. Wieviel Rohstoff ist    chung). „Wir sammeln unter ande-
    Rechenzentren realisiert werden.            für eine Stunde Videostreaming erfor-      rem Fallbeispiele und analysieren
                                                derlich, wieviel Energie verbraucht ein    die Verordnungen und Standards,
    Doch wie steht es um umweltverträgli-       Gigabyte Online-Storage oder welches       um Lücken aufzudecken“, sagt
    che Lösungen im Cloud-Computing?            Treibhauspotenzial hat eine Daten-         Kathrin Graulich vom Öko-Institut,
    Wie hoch ist der Klimatisierungsbedarf?     bank-Anwendung? Mithilfe des hier          die das internationale Projektteam
    Wie hoch der Rohstoffbedarf? Diese Fra-     entwickelten Instrumentariums wird es      mit 19 Organisationen aus acht EU-
    gen rund um die ökologischen Aspekte        möglich sein, verschiedene Dienste         Mitgliedsstaaten leitet, „darüber hi-
    bei der Nutzung von Cloud-Dienstleis-       miteinander zu vergleichen und On-         naus untersuchen wir, welchen Zu-
    tungen sind Gegenstand eines aktuel-        line- gegenüber Offline-Lösungen ab-         sammenhang es zwischen so ge-
    len Gemeinschaftsprojekts von Öko-Ins-      zuwägen.“                           alh    nannten intelligenten Produkten
    titut, dem Fraunhofer-Institut IZM und                                                 mit einer speziellen Software und
    der Agentur tippingpoints GmbH.                                                        dem Umgehen von Messvorschrif-
                                                                                           ten geben kann.“ Aber auch unab-
                                                                                           hängige Tests für bestimmte Pro-
                                                                                           duktgruppen durch Testlabore sind
                                                                                           Teil des Projektes. „Ziel ist es, zur
                                                                                           Stärkung von Marktüberwachungs-
                                                                                           behörden und Testlaboren beizutra-
                                                                                           gen“, so Graulich. Politische Ent-
                                                                                           scheidungsträger und Standardisie-
                                                                                           rungsbehörden erhalten zudem
                                                                                           Empfehlungen, wie Möglichkeiten
                                                                                           zum Umgehen schon bei der Ent-
                                                                                           wicklung von Gesetzen und Stan-
                                                                                           dards schneller erkannt und in Zu-
                                                                                           kunft verhindert werden können.
                                                                                                                             cw
Exportschlager nachhaltigkeit? - Umweltschutz und Menschenrechte international - Öko-Institut
7

Macht in lieferketten von                                                            Bioökonomie –
Baumwolle, palmöl, holz                                                              Strategie für die
Ob Kleidung, Lebensmittel oder Biodiesel, in vielen Fällen sind Deutschland und
die Europäische Union stark vom Import sogenannter biogener Rohstoffe ab-
                                                                                     Zukunft?
hängig. Doch ihr Anbau ist nicht selten mit gravierenden ökologischen und so-
zialen Risiken verbunden. Im Projekt „Bioökonomische Macht in globalen Liefer-       Bioökonomie wird vielerorts als Kon-
ketten“ im Auftrag des Bundesforschungsministeriums begegnen die Universi-           zept für eine nachhaltige Zukunft gese-
tät Freiburg und das Öko-Institut diesen Risiken gemeinsam mit Partnern vor          hen: ein Wirtschaftssystem, das auf Bio-
Ort. So untersuchen das Öko-Institut und PAN-Ethiopia, welche Auswirkungen           masse basiert und ohne fossile Rohstof-
etwa die Zertifizierung nach der EU-Bioverordnung auf die Umwelt und Lebens-         fe auskommt, ökologisch verträgliches
bedingungen von Kleinbauern in Äthiopien hat. Bis Anfang 2020 formuliert das         Wirtschaften ermöglicht und die Welt-
Forschungsteam Empfehlungen an Politik und Unternehmen, um den Brenn-                bevölkerung ausreichend und gesund
punkten in den Lieferketten von Baumwolle aus Äthiopien, Palmöl aus Indone-          ernährt. Viele Länder haben bereits ei-
sien und Holz aus der Demokratischen Republik Kongo zu begegnen.           mas       gene Bioökonomie-Strategien entwi-
                                                                                     ckelt, welche diese Chancen in den Mit-
                                                                                     telpunkt stellen. Wo neben den Chan-
                                                                                     cen aber auch Risiken für die Erreichung

Klimaneutrales Freiburg                                                              der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) be-
                                                                                     stehen, damit befasst sich das neue Pro-
                                                                                     jekt „Nachhaltige Ressourcennutzung –
                                           Freiburg – das sind nicht nur Bächle      Anforderungen an eine nachhaltige
                                           und Schwarzwälder Kirsch. Die             Bioökonomie aus der Agenda 2030 /
                                           Stadt im Breisgau ist seit vielen Jahr-   SDG-Umsetzung“. „In einem ersten Ar-
                                           zehnten vor allem wegen ihres En-         beitspaket haben wir im Projektteam
                                           gagements für die Umwelt und den          bereits einen Überblick zu bestehenden
                                           Klimaschutz bekannt. Schon 1996           Bioökonomiekonzepten erstellt und
                                           hat sich die Kommune ein erstes Kli-      den deutschen Bioökonomiediskurs
                                           maschutzkonzept gegeben; 2014             analysiert“, sagt Martin Möller, Projekt-
                                           beschloss der Gemeinderat, dass           leiter vom Öko-Institut, „das zweite Ar-
                                           die CO2-Emissionen bis 2030 um            beitspaket sieht vor, Trends und Poten-
                                           mindestens 50 Prozent sinken müs-         ziale sowie Chancen und Risiken der
                                           sen. 2050 soll die Stadt klimaneutral     Bioökonomie aufzuzeigen.“ Noch bis
                                           sein. Vorschläge dafür hat das            März 2020 arbeiten Öko-Institut, Ecolo-
                                           Öko-Institut zuletzt in der Studie        gic Institute, Universität Mannheim und
                                           „Freiburg 2050“ gemacht. Im Auf-          das Institute of Development Studies
                                           trag der Stadt erarbeitet das Insti-      der University of Sussex außerdem an
                                           tut nun konkrete Maßnahmenvor-            drei weiteren Arbeitspaketen. Im Auf-
                                           schläge für die Haushaltsperioden         trag des Umweltbundesamtes ordnet
                                           2019/2020 und 2021/2022. Dabei            das Projektteam Bioökonomie in den
                                           bezieht das Projektteam unter der         umweltpolitischen Kontext ein, ermit-
                                           Leitung von Tanja Kenkmann die            telt die Anforderungen der deutschen
                                           kommunalen Fachverwaltungen,              Nachhaltigkeits- und Umweltpolitik
                                           städtische Gesellschaften und wei-        und der SDGs an eine nachhaltige Bio-
                                           tere Gruppen, darunter insbesonde-        ökonomie und formuliert entsprechen-
                                           re die Bevölkerung, eng mit ein.          de politische Handlungsempfehlun-
                                                                              mas    gen.                                  cw
Exportschlager nachhaltigkeit? - Umweltschutz und Menschenrechte international - Öko-Institut
8   IM FOKUS

    Zusammenarbeit
    über Grenzen hinweg
    Elektroschrott in Ghana

    Die internationale Staatengemeinschaft hat sich in der Agenda 2030 auf      „Ghana ist eines jener afrikanischen
    17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung geeinigt. Die Sustainable De-     Länder, die sich sehr stark entwickeln“,
                                                                                sagt Andreas Manhart vom Öko-Insti-
    velopment Goals (SDGs) greifen unterschiedliche Facetten sozialer, öko-     tut, „das Land bietet zudem gute Vor-
    logischer und ökonomischer Nachhaltigkeit auf: Sie befassen sich mit        aussetzungen für Projekte in Richtung
    Armut und Bildungsfragen ebenso wie mit sauberer Energie, nachhalti-        Nachhaltigkeit: Es gibt eine demokra-
    gem Konsum und nachhaltiger Produktion. Ihre Grundlage ist ein klarer       tisch gewählte Regierung, eine funktio-
                                                                                nierende Verwaltung und eine freie
    Aufruf zur Zusammenarbeit: Mensch, Planet, Wohlstand, Frieden und           Presse.“ Gleichzeitig hat Ghana große
    Partnerschaft – so die Leitprinzipien der Agenda 2030. Teil dieser globa-   Herausforderungen etwa mit Blick auf
    len Partnerschaft muss es aus Sicht des Öko-Instituts auch sein, in Ko-     die Abfallwirtschaft zu bewältigen (sie-
    operationen mit Entwicklungs- und Schwellenländern Lösungen für glo-        he hierzu auch Interview mit Desmond
                                                                                Appiah auf Seite 14). Insbesondere in der
    bale Herausforderungen zu entwickeln, etwa mit Blick auf eine nachhal-      Regenzeit seien immer wieder katastro-
    tige Abfallwirtschaft. Seit 2009 arbeiten die Wissenschaftlerinnen und      phale Zustände zu beklagen. „Im Juni
    Wissenschaftler daher zum Beispiel in unterschiedlichen Projekten zum       2015 kam es bei einer Überschwem-
    Thema Elektroschrott in Ghana.                                              mung – die Abflüsse waren durch Müll
Exportschlager nachhaltigkeit? - Umweltschutz und Menschenrechte international - Öko-Institut
9

verstopft – durch ausgetretenen Treib-      ling oder zur fachgerechten Entsorgung
stoff zu einer Explosion in der Haupt-      von Blei-Säure-Batterien.                     KEInE EInFaChEn lÖSUnGEn
stadt Accra, bei der mindestens 150
Menschen starben“, erklärt Manhart.         Die nun verabschiedeten Leitlinien ent-
Aber auch jenseits solcher katastropha-     halten verbindliche Mindeststandards        Projekte wie dieses zeigen das Potenzi-
len Einzelereignisse ist die Situation in   für Betriebe, die E-Schrott sammeln und     al für eine nachhaltige Entwicklung in
vielerlei Hinsicht problematisch: „Denn     recyceln. „Dieser Ansatz überzeugt vor      Ghana. Doch der Experte vom Öko-In-
die meist ungeregelte Entsorgung und        allem, weil er Anforderungen an Recy-       stitut warnt auch: Es ist noch ein langer
Verwertung von Abfällen hat zahlrei-        clingbetriebe stellt, die auch in Europa    Weg zu gehen. „Es gibt zum Beispiel im-
che überaus problematische Folgen für       üblich sind, gleichzeitig aber die wich-    mer wieder windige Geschäftemacher,
Menschen und Umwelt – ein Beispiel ist      tigen Akteurinnen und Akteure des in-       die scheinbar einfache und gewinn-
die unsachgemäße und damit gefährli-        formellen Sektors nicht außen vor lässt.    bringende Lösungen versprechen, aber
che Verwertung von E-Schrott und Bat-       Denn viele Menschen bestreiten in Gha-      eigentlich nur am Verkauf ihrer Maschi-
terien“, so der Senior Researcher vom       na ihren Lebensunterhalt mit einfachen      nen interessiert sind“, sagt er, „doch die
Öko-Institut. Und das ist gerade der Ab-    Sammel- und Recyclingtätigkeiten“,          unbequeme Wahrheit ist nun mal: Ab-
fallstrom, der weltweit mengenmäßig         verdeutlicht der Wissenschaftler, „wenn     fall ist in erster Linie ein Problem und
die größten Zuwachsraten aufweist.          sie sich offiziell als E-Schrott-Sammler      keine Goldgrube. Und eine vernünftige
                                            registrieren lassen wollen, gibt es nun     Abfallwirtschaft braucht eine zusätzli-
                                            vergleichsweise geringe Anforderun-         che Finanzierung – etwa über Herstel-
    SUStaInaBlE RECYClInG                   gen.“ Wichtig sei zudem, dass die infor-    lerabgaben oder Abfallgebühren.“
         InDUStRIES                         mellen Sammler und Recycler offiziell
                                            als Teil der Verwertungskette anerkannt     Ziel ist es in der Projektarbeit für den Se-
                                            werden und dass sie durch die Registrie-    nior Researcher daher auch, die Grund-
Seit bereits fast zehn Jahren berät das     rung Vorteile erfahren – „Hier sind erste   lagen für eine nachhaltige Abfallwirt-
Öko-Institut die ghanaische Politik und     Ansätze in der Entwicklung.“ – und dass     schaft in Ghana weiter zu verbessern.
Verwaltung mit Blick auf Elektro- und       die Fortbildungsaktivitäten fortgesetzt     „Wir begleiten die Regierung bei ihrer
Elektronikschrott und mögliche Wege         werden. „Sinnvoll sind zum Beispiel Trai-   Arbeit und werden uns weiterhin in
hin zu mehr Nachhaltigkeit. „Hier ist in-   nings zu sehr speziellen Schrottarten       verschiedenen Projekten einbringen.
zwischen sehr viel in Gang gekommen“,       wie dem Glas von Fernsehmonitoren           Gleichzeitig ist es wichtig, die Zivilge-
so der Senior Researcher vom Öko-Insti-     oder Photovoltaikmodulen sowie die          sellschaft zu stärken, so etwa über eine
tut, „so haben das ghanaische Umwelt-       Etablierung von festen Fortbildungen,       systematische Unterstützung von Um-
ministerium MESTI und die ghanaische        für die langfristig keine internationalen   weltgruppen“, erklärt Manhart, „Für eine
Umweltschutzbehörde EPA im Februar          Experten und Expertinnen mehr not-          nachhaltige Abfallwirtschaft braucht es
2018 Leitlinien für ein umweltgerechtes     wendig sind“, sagt Manhart.                 die Zusammenarbeit aller Akteurinnen
E-Schrott-Management veröffentlicht.                                                    und Akteure – eine Erkenntnis, die für
Der Sektor soll sich Schritt für Schritt                                                Deutschland ebenso gilt wie für Ghana.“
verbessern.“ An der Ausarbeitung war
im Rahmen des Projektes „Sustainable                                                                                 Christiane Weihe
Recycling Industries (SRI)“ auch das
Öko-Institut beteiligt – gemeinsam
mit dem Ghana National Cleaner Pro-
duction Centre und dem ghanaischen
Mountain Research Institute sowie in
Zusammenarbeit mit vielen lokalen
Partnerinnen und Partnern. „SRI ist ein
Programm des Schweizerischen Staats-
sekretariats für Wirtschaft SECO für
Entwicklungs- und Schwellenländer
wie Kolumbien, Peru, Indien oder eben
auch Ghana“, erklärt Manhart, „Ziel ist
es, in diesen Ländern nachhaltige Re-
                                                                                         Wie können auch in weit verzweigten, globali-
cyclingprozesse aufzubauen und dabei                                                     sierten Produktionsketten Sozial- und Umwelt-
kleine und mittlere Betriebe zu inte-                                                   standards gewährleistet werden? Mit dieser Fra-
grieren. Ein wichtiger Bestandteil des                                                  ge beschäftigt sich Andreas Manhart im Bereich
                                                                                        Produkte & Stoffströme, für den er seit 2005 tätig
Projektes ist die enge Zusammenarbeit
                                                                                        ist. Der Fokus des Geographen liegt dabei vor al-
mit Regierungsorganisationen sowie           laut SDG 12 – für nachhaltige Kon-         lem auf Recycling, Rohstoffen sowie elektrischen
der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft    sum und produktionsmuster – soll das          und elektronischen Produkten. Dabei arbeitet
vor Ort.“ Teil von SRI waren unter ande-    weltweite abfallaufkommen bis 2030           er sowohl zu Fragen der Primärgewinnung von
                                                                                        Rohstoffen aus Bergbau und Plantagen als auch
rem auch Fortbildungsveranstaltungen          durch Vermeidung, Verringerung,
                                                                                         zu Recycling von Abfällen wie Altbatterien und
für Auditoren und für Recycler in Ghana       Recycling und Wiederverwendung                                E-Schrott.
– so zum Beispiel zum Kunststoffrecyc-          erheblich verringert werden.                           a.manhart@oeko.de
Exportschlager nachhaltigkeit? - Umweltschutz und Menschenrechte international - Öko-Institut
10 IM FOKUS

   aus Erfahrung bewährt
   Nachhaltigkeitskriterien in ASEAN-Staaten

   Es ist ein sinnvoller und oft bewährter Ansatz: Von der Erfah-   „Die Industrieländer haben bereits einen langen
   rung anderer profitieren. Deutschland hat in den vergange-       Weg in Richtung Nachhaltigkeit hinter sich - war-
                                                                    um sollten die Schwellenländer den gleichen Pro-
   nen Jahrzehnten umfangreiche Erfahrungen mit zahlreichen         zess noch einmal durchlaufen?“ fragt Siddharth
   Strategien und Instrumenten nachhaltiger Produktion und          Prakash vom Öko-Institut. „Sie können schon heu-
   nachhaltigen Konsums gesammelt. Diese Erkenntnisse kön-          te auf Lösungen und Instrumente setzen, die sich
   nen anderen Staaten helfen – etwa mit Blick auf die Einfüh-      bereits bewährt haben.“ Dazu gehören aus Sicht
                                                                    des Senior Researchers zum Beispiel ökologische
   rung von Nachhaltigkeitskriterien für Produkte und Dienst-       Mindeststandards und ökonomische Anreizme-
   leistungen im Rahmen von Umweltzeichen und öffentlicher          chanismen für den Klimaschutz ebenso wie die
   Beschaffung. Lohnenswert ist dies insbesondere für die ra-       Förderung von Öko-Innovationen im Markt; be-
   sant wachsenden Staaten etwa in der ASEAN-Region (Associa-       rücksichtigt werden müssen Produkte ebenso wie
                                                                    Dienstleistungen. „Natürlich lässt sich nicht jede
   tion of Southeast Asian Nations), zu der Brunei, Kambodscha,     Maßnahme, die bei uns gut funktioniert, eins zu
   Indonesien, Thailand, Laos, Malaysia, Myanmar, Singapur,         eins auf andere Länder übertragen“, so Prakash, „es
   Vietnam und die Philippinen gehören. Ihr rasant steigender       geht darum, in Zusammenarbeit mit diesen Staa-
   Energie- und Ressourcenbedarf macht ein schnelles Handeln        ten Lösungen zu finden, die zum jeweiligen Kon-
                                                                    text und zu den jeweiligen Bedürfnissen passen.“
   in Richtung Nachhaltigkeit notwendig.
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                                             Hierzulande bewährte Umweltzeichen
       BEWÄhRtE KRItERIEn                    mit entsprechenden Nachhaltigkeitskri-               WISSEn WEItERGEBEn
                                             terien können dabei helfen, Produktion
                                             und Konsum in eine nachhaltigere Rich-
In den ASEAN-Staaten besteht mit Blick       tung zu lenken. Daher hat das Öko-Insti-     Die Wissenschaftlerinnen und Wissen-
auf eine nachhaltige Entwicklung gro-        tut im Auftrag des Umweltbundesamtes         schaftler des Öko-Instituts arbeiten
ßer Handlungsbedarf, denn ihre Primär-       gemeinsam mit der HEAT GmbH im Pro-          aber nicht nur an Grundlagen – sie
energienachfrage ist in den vergange-        jekt „The Blue Angel for Stationary Room     sind seit 2012 kontinuierlich jedes Jahr
nen zwei Jahrzehnten geradezu explo-         Air Conditioners“ die Grundlagen dafür       mehrfach für unterschiedliche Projekte
diert: Vor achtzehn Jahren lag sie bei       geschaffen, den Blauen Engel für Raum-       in der ASEAN-Region, um ihre Nachhal-
273 Millionen Tonnen Öläquivalenten,         klimageräte zu entwickeln. „Damit ha-        tigkeitskompetenz direkt weiterzuge-
2014 schon bei 620 Millionen Tonnen.         ben wir eine Vergabegrundlage gelegt,        ben, so etwa im Rahmen der Internatio-
Für 2040 erwarten Schätzungen hier           die hierzulande, aber auch für asiatische    nalen Klimaschutzinitiative (IKI) sowie
eine Primärenergienachfrage von 1,350        Märkte gelten kann.“ Mit Erfolg: „Im März    im Rahmen der Exportinitiative für Um-
Millionen Tonnen Öläquivalenten. „Das        2018 wurde der erste Blaue Engel für ein     welttechnologien des Bundesumwelt-
Bewusstsein für sozial und ökologisch        Raumklimagerät mit einem sehr nied-          ministeriums. „Wir führen zum Beispiel
nachhaltiges Wirtschaften und Konsu-         rigen Treibhausgaspotenzial und einer        Workshops zu politischen Strategien
mieren steht in diesen Ländern hinge-        hohen Energieeffizienz an ein chinesi-         und Instrumenten für mehr Nachhaltig-
gen leider noch ganz am Anfang“, so          sches Unternehmen vergeben“, erklärt         keit, aber auch zu konkreten Methoden
der Experte vom Öko-Institut, „gleich-       der Wissenschaftler.                         durch“, so der Senior Researcher, „dabei
zeitig stehen natürlich, wie eigentlich in   Ziel von Projekten wie diesen ist es, Um-    vermitteln wir unter anderem unser
Deutschland auch, oft ökonomische In-        weltstandards nicht nur in einigen, son-     Wissen zur Integration von sozialen Kri-
teressen einem ambitionierten Schutz         dern in vielen Ländern zu harmonisieren.     terien, Lebenszykluskosten und Ökobi-
von Umwelt und Menschenrechten im            „Das macht es auch für die Unterneh-         lanzen in der öffentlichen Beschaffung.“
Weg.“                                        men einfacher, die dann nicht für jedes      Ziel ist es bei diesen von der GIZ un-
                                             Land einen anderen Standard erfüllen         terstützten Projekten auch, vor Ort
Schon heute besteht ein hohes Poten-         müssen und so eine höhere Investiti-         Schlüsselakteure zu identifizieren und
zial, Energie und Treibhausgasemissio-       onssicherheit haben“, sagt Prakash, „die     auszubilden, die das erworbene Wis-
nen einzusparen – mit den richtigen          langfristige Vision sind weltweit einheit-   sen anschließend anwenden, aber auch
Instrumenten. Wie das funktionieren          liche Umweltzeichen, deren Kriterien ge-     weitertragen können. Dazu gehören
kann, zeigt etwa ein Blick auf Kälte-        meinschaftlich entwickelt werden.“           Vertreterinnen und Vertreter aus Mi-
und Klimaanlagen. Diese haben zum                                                         nisterien, Umweltbehörden oder auch
Beispiel in Thailand schon heute einen       Aber nicht nur bei Produkten, auch bei       nationalen Beschaffungsstellen eben-
Anteil von etwa 25 Prozent an den ge-        komplexen Dienstleistungen berät das         so wie Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
samten Treibhausgasemissionen, da-           Öko-Institut im Rahmen der Exportini-        ter von Umweltzeichenträgern und
von entfallen circa 80 Prozent auf das       tiative für Umwelttechnologien des           Industrieverbänden. Denn die Weiter-
Konto der Klimaanlagen. Es wird zudem        Bundesumweltministeriums und in              gabe von Wissen und Kompetenzen
erwartet, dass sich die Emissionen aus       Zusammenarbeit mit der Deutschen             hört an diesem Punkt im Optimalfall
diesem Bereich bis 2030 verdreifachen        Gesellschaft für Internationale Zusam-       noch lange nicht auf. Sondern führt zu
werden. „Diese Geräte sind aber auch         menarbeit (GIZ) Entscheidungsträge-          vielen weiteren kompetenten Akteu-
wegen der verwendeten klimaschädli-          rinnen und -träger vor Ort dabei, öko-       rinnen und Akteuren, von deren Erfah-
chen Kältemittel sehr bedenklich“, sagt      logische Standards und Leitlinien zu         rungen in Zukunft weitere Menschen
Prakash.                                     entwickeln – so etwa bei Energiedienst-      und Institutionen profitieren werden.
                                             leistungen oder im Einzelhandel. „Der
                                             Energieverbrauch im Dienstleistungs-                                       Christiane Weihe
                                             sektor wächst in der ASEAN-Region
                                             rasant, nicht zuletzt aufgrund des Wirt-
                                             schaftswachstums und der voranschrei-
                                             tenden Urbanisierung“, betont Prakash.
                                             Das deutsche Umweltzeichen Blauer
                                             Engel ist aus Sicht des Öko-Instituts
                                             richtungsweisend und hat mittlerweile
                                             mehrere Vergabekriterien für komplexe
                                                                                          Siddharth Prakash ist seit 2008 für das Öko-Insti-
                                             Dienstleistungen entwickelt, um so ein
                                                                                           tut tätig. Der Senior Researcher befasst sich hier
                                             wichtiges Zeichen gegen den wachsen-         vor allem mit den Themen Nachhaltiger Konsum
                                             den Energiebedarf des Dienstleistungs-         und Nachhaltige Produkte sowie Ressourcen-
                                             sektors zu setzen. „Daher prüfen wir           wirtschaft. In diesem Zusammenhang arbeitet
                                                                                          Prakash im Institutsbereich Produkte & Stoffströ-
                                             nun die Eignung von anspruchsvollen
                                                                                            me unter anderem zu Produktbewertung und
Etwa 25 prozent der thailändischen           Standards des Blauen Engels für ausge-       Labelling sowie Sozial- und Umweltstandards in
treibhausgasemissionen werden von            wählte Dienstleistungen in der ASEAN-                 globalen Wertschöpfungsketten.
 Kälte- und Klimaanlagen verursacht.         Region“, so der Senior Researcher.                            s.prakash@oeko.de
12 IM FOKUS

   Unternehmerische
   Verantwortung
   Umweltschutz und Menschenrechte

   Ein gefährliches Pestizid, das in der EU schon längst    Bei internationalen Aktivitäten verlassen sich deutsche Unter-
   nicht mehr zugelassen ist, wird im Ausland verkauft.     nehmen oftmals auf die Gesetzeslage vor Ort, deren soziale
                                                            und ökologische Standards, Pflichten und Grenzwerte aber in
   Kupfer für deutsche Produkte wird in einer Mine ab-      vielen Fällen unter jenen liegen, die hierzulande gelten. Kön-
   gebaut, deren Arbeits- und Sicherheitsbedingungen        nen sie also angesichts fehlender Regelungen Produkte ver-
   dem deutschen Recht in keinster Weise genügen. Ein       treiben oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die Men-
   deutsches Schiff wird in Bangladesch unter Bedin-        schen und Umwelt gefährden? Auf keinen Fall, sagt Dr. Nele
                                                            Kampffmeyer vom Öko-Institut. „Neben den jeweiligen natio-
   gungen abgewrackt, denen keine hiesige Behörde           nalen Regelungen gibt es seit 2011 die UN-Leitprinzipien für
   zustimmen würde. Die Geschäftsaktivitäten deut-          Wirtschaft und Menschenrechte. In diesen hat die Staatenge-
   scher Unternehmen erstrecken sich rund um den Glo-       meinschaft 31 Prinzipien für menschenrechtliche Sorgfalts-
   bus, sie produzieren international und vertreiben ihre   pflicht formuliert. Sie betreffen die staatliche Verpflichtung,
                                                            Menschenrechte zu schützen, die unternehmerische Verant-
   Produkte weltweit. Dabei halten sie die Sozial- und      wortung, Menschenrechte zu achten sowie den Zugang zu
   Umweltstandards, die hierzulande gelten, oftmals         effektiver gerichtlicher und außergerichtlicher Abhilfe für
   nicht ein. Was sind die Folgen dieses Handelns und       Betroffene.“ Alle Staaten sind dazu angehalten, nationale Ak-
   wie können Unternehmen stärker in die Pflicht ge-        tionspläne zur Umsetzung und Verbreitung der UN-Leitprin-
                                                            zipien zu erarbeiten. „Leider hat sich die deutsche Regierung
   nommen werden?                                           in ihrem Aktionsplan für eine extrem unverbindliche Lösung
13

entschieden, die auf Freiwilligkeit statt   rechten besser werden kann. Anhand          für nachhaltige Textilien hat sich das
auf verpflichtende Regelungen setzt“,       von drei Fallbeispielen – der Abwra-        Öko-Institut mit den Nachhaltigkeits-
sagt die Wissenschaftlerin aus dem          ckung von Schiffen in Bangladesch,          anforderungen an die Textilbranche be-
Bereich Umweltrecht & Governance,           dem Kupferbergbau in Peru und dem           fasst. „Wir haben analysiert, wie sich die
„dabei ist inzwischen mehr als klar: Nur    internationalen Vertrieb von Pestiziden,    verbindlichen Ziele des Bündnisses am-
mit freiwilligen Lösungen bekommt           die hierzulande nicht zugelassen sind,      bitioniert umsetzen lassen, und haben
man die meisten Unternehmen nicht           – hat das Projektteam Anforderungen         dabei unter anderem gezeigt, warum
dazu, ihrer menschenrechtlichen Sorg-       an Politik und Wirtschaft formuliert.       etwa klare Vorgaben für Risikoanaly-
faltspflicht konsequent und umfassend       „Viele Schiffe deutscher Reedereien         sen, eine höhere Transparenz und Maß-
nachzukommen und die hierfür not-           kommen meist über Zwischenhändler           nahmen, die sich mit Akteuren aus der
wendigen Entscheidungen in Strategie        zur Verschrottung nach Bangladesch.         tieferen Lieferkette befassen und nicht
und Management zu treffen. Und jene,        Sie werden hier direkt am Strand und        nur mit direkten Geschäftspartnern,
die sich um Nachhaltigkeit ohnehin kei-     nicht fachgerecht entsorgt, so dass         sinnvoll sind“, erklärt die Wissenschaft-
ne Gedanken machen, sowieso nicht.“         Mensch und Umwelt gefährlichen Stof-        lerin. Die Analyse „Das Textilbündnis:
                                            fen wie Schwerölen oder Asbest ausge-       ambitioniert und transparent?“ fordert
                                            setzt sind“, erklärt Cara-Sophie Scherf,    ebenfalls eine stärkere Regulierung: „Es
                                            Wissenschaftlerin vom Öko-Institut,         ist sehr begrüßenswert, dass sich Unter-
                                            „dies ist nach internationalem und eu-      nehmen in diesem freiwilligen Bündnis
                                            ropäischem Recht verboten – es wird         engagieren. Es braucht solche Initiati-
                                            Zeit, dass der deutsche Staat dies kon-     ven vor allen Dingen für die Entwick-
                                            sequenter durchsetzt.“ Auch und vor         lung von praktischen Lösungsansätzen.
                                            allem seien aber die Reedereien in der      Für einen fairen Wettbewerb müssten
                                            Pflicht, die Missstände zu beheben – in     aber alle deutschen Textilunterneh-
                                            erster Linie, indem sie geltendes Recht     men verpflichtet werden, bestimm-
                                            respektieren, aber etwa auch, indem         te Mindeststandards einzuhalten.“
                                            sie auf die Recyclingstandards beim         Eine zentrale Forderung des Öko-Insti-
       Menschenrechte                       Leasing von Schiffen achten. Mit Blick      tuts ist darüber hinaus, Klagemöglich-
                                            auf Pestizide und den Kupferbergbau         keiten von Geschädigten zu stärken.
    Schutz, achtung und abhilfe –           fordert Kampffmeyer ebenfalls klare         „Wer durch das umweltschädigende
 Die Vereinten nationen haben unter         Maßnahmen von Politik und Unterneh-         Verhalten eines deutschen Unterneh-
   der Überschrift „protect, Respect        men: „So sollten zum Beispiel hochgif-      mens, eines Tochterunternehmens
    and Remedy“ 31 prinzipien               tige Pestizide, die in der EU nicht zu-     oder eines Zulieferers in seinen Rech-
  für menschenrechtliche Sorgfalts-         gelassen sind, mit einem Exportverbot       ten verletzt wird, sollte die Möglichkeit
         pflichten formuliert.              belegt werden“, sagt sie, „mit Blick auf    bekommen, diese nach deutschem
                                            den Kupferbergbau in Peru sollten Un-       Recht vor einem deutschen Gericht
                                            ternehmen sich aktiv und auch finanzi-      auf Schadenersatz zu verklagen“, for-
                                            ell für verbesserte Bedingungen in den      dert die Wissenschaftlerin, „hierfür
      VERantWORtUnG FÜR                     Abbauländern engagieren.“                   braucht es unter anderem eine Aus-
      MEnSCh UnD UMWElt                                                                 weitung der Haftung deutscher Un-
                                            Neben Maßnahmen für die jeweiligen          ternehmen und einen vereinfachten
                                            Fallbeispiele sind im Working Paper         Zugang von Geschädigten aus anderen
Die UN-Leitprinzipien sind ein wichtiger    auch Empfehlungen zu branchenüber-          Ländern zu den deutschen Gerichten.“
Schritt für nachhaltiges Wirtschaften.      greifenden Instrumenten zu finden. „Wir
„Leider gibt es kein vergleichbares Rah-    halten es etwa für sinnvoll, auch hierzu-                               Christiane Weihe
menwerk, das sich mit dem Umwelt-           lande rechtlich verbindliche Sorgfalts-
schutz befasst“, so Kampffmeyer. Die        pflichten einzuführen wie es sie seit
menschenrechtlichen Sorgfaltspflich-        2017 in Frankreich gibt“, so Dr. Nele
ten sind jedoch auch aus Umweltsicht        Kampffmeyer, „dort wird von großen
von Bedeutung. „Mangelnder Umwelt-          Unternehmen verlangt, dass sie entlang
schutz kann zu Menschenrechtsverlet-        der gesamten Wertschöpfungskette Ri-
zungen führen“, sagt sie, „so wirken sich   siken für Mensch und Umwelt identifi-
viele Umweltschäden beispielweise           zieren und ihnen vorbeugen. Verletzen
direkt auf das Recht auf Leben und Ge-      sie diese Pflicht, kann dies sehr hohe
                                                                                          Die Soziologin Dr. Nele Kampffmeyer widmet
sundheit aus.“                              Bußgelder nach sich ziehen.“
                                                                                        sich am Öko-Institut Fragen der Nachhaltigkeits-
                                                                                        governance sowie der Green Economy, aber auch
Im Projekt „Umweltschutz wahrt Men-                                                       unternehmerischen Nachhaltigkeitsstrategien
schenrechte! Deutsche Unternehmen           MEhR pFlIChtEn, MEhR REChtE                  sowie unternehmerischem Engagement. Im Be-
                                                                                         reich Umweltrecht & Governance untersucht sie
in der globalen Verantwortung“ hat
                                                                                         dabei unter anderem die Nachhaltigkeit in weit
das Öko-Institut analysiert, wie in den                                                  verzweigten Lieferketten sowie die Nachhaltig-
globalen Wertschöpfungsketten der           In einem weiteren Projekt für die zivil-        keitsberichterstattung von Unternehmen.
Schutz von Umwelt und Menschen-             gesellschaftlichen Akteure im Bündnis                    n.kampffmeyer@oeko.de
14 IM FOKUS I INTERVIEW

   „Uns verbindet der austausch
   von Wissen und eine gemeinsame
   Vision für eine nachhaltigere Welt –
   egal, woher wir kommen.“
   Die ghanaische hauptstadt accra steht vor einem gewaltigen Müllproblem. Das
   Müllaufkommen wächst gemeinsam mit der Bevölkerung rapide an. Deponien
   stoßen an ihre Grenzen. Von abfällen verstopfte abwasserkanäle verursachen
   schwerwiegende Überschwemmungen. In agbogbloshie am Rande von accra
   wird Elektroschrott unsachgemäß verwertet – mit schwerwiegenden Folgen für
   Menschen und Umwelt. Desmond appiah will diesen problemen begegnen: Im
   auftrag des Bürgermeisters Mohammed adjei Sowah ist er dafür verantwortlich,
   das abfallmanagement der Stadt neu zu strukturieren. Im Interview mit eco@
   work spricht appiah über vielversprechende ansätze ebenso wie über die Zu-
   sammenarbeit mit europäischen Expertinnen und Experten.

   herr appiah, wie ist das abfallsystem        Bürgerinnen und Bürger davon abhal-        bewusst zu machen, wenn es um die
   in accra organisiert?                        ten sollen, gegen die Abfallgesetze zu     Wahrnehmung von und das Verständ-
   Seit 2016 müssen die Verursacher für         verstoßen. Am effektivsten werden aus      nis für Nachhaltigkeit geht. Die Exper-
   den Abfall bezahlen, dies soll die fi-       meiner Sicht die Durchsetzung dieser       tinnen und Experten, mit denen ich bis-
   nanzielle Belastung des öffentlichen         Regelungen sowie die Sensibilisierung      lang zusammengearbeitet habe, hatten
   Sektors minimieren. Dadurch haben            der Bevölkerung sein. Zudem braucht        hier aber alle ein sehr gutes Verständnis.
   sich die Abfallsammelraten und Ab-           es natürlich Investitionen in die Infra-
   deckungsquoten erhöht, doch die pri-         struktur.                                  Und was können die Europäer in Gha-
   vaten Abfallunternehmen erreichen                                                       na lernen?
   trotzdem keine hundertprozentige             Welche Erfahrungen haben Sie in der        Lassen Sie es mich so sagen: Wir lernen
   Abdeckung. Etwa 25 bis 30 Prozent            Zusammenarbeit mit europäischen            alle gemeinsam, dass es unterschied-
   des Abfallaufkommens werden daher            nachhaltigkeitsexpertinnen und -ex-        liche Wege gibt, das gemeinsame Ziel
   derzeit von informellen Akteuren ein-        perten gemacht?                            einer gerechten und nachhaltigen Welt
   gesammelt. Wir brauchen ihren Einsatz,       Die gemeinsamen Projekte waren             zu erreichen. Hier und da mögen ein
   um die Lücken zu schließen, müssen           durch eine sehr effektive und konzen-      paar Nachjustierungen unserer Sicht-
   ihre Arbeit aber auch anständig regeln.      trierte Zusammenarbeit gekennzeich-        weisen nötig sein, aber schlussendlich
   Deswegen registriert die Stadtverwal-        net und haben mich in vielerlei Hinsicht   stecken wir da alle zusammen drin.
   tung alle informellen Sammler, bietet        auch auf meine aktuelle Rolle vorberei-
   ihnen Gesundheits- und Sicherheitstrai-      tet, Accra zu einer nachhaltigeren Stadt   Vielen Dank für das Gespräch.
   nings an und hilft ihnen, aus ihrer Tätig-   zu machen. Durch die Kooperationen         Das Interview führte Christiane Weihe.
   keit ein offizielles oder halb-offizielles       kann ich zudem mein Wissen erweitern
   Gewerbe zu entwickeln.                       und über aktuelle Trends und Innova-       Eine Langfassung des Interviews finden
                                                tionen auf dem Laufenden bleiben.          Sie online unter: blog.oeko.de
   Welche pläne haben sie außerdem für
   das abfallmanagement?                        Ich mag es außerdem, mich mit Kolle-
   Gemeinsam mit einem Team, das der            ginnen und Kollegen auszutauschen,
   Bürgermeister eingesetzt hat, analysie-      die vielleicht auch eine andere Pers-
   re ich die gesamte Wertschöpfungsket-        pektive haben als ich, und Erkenntnis-
   te des Abfallmanagements – von der           se zu teilen. Auch nach dem offiziellen
   Entstehung über die Sammlung und             Projektabschluss interessiert mich ihre
   den Transport bis hin zur Vorbehand-         professionelle Meinung. Uns verbindet
   lung und zum Recycling oder zur Be-          der Austausch von Wissen und eine ge-
   seitigung. Zu meinen Aufgaben gehört         meinsame Vision für eine nachhaltigere
   auch, die Leistungen der privaten Ab-        Welt – egal, woher wir kommen.
   fallunternehmen zu überprüfen.
                                                Was sollten die europäischen Exper-
   Wie lassen sich die abfallprobleme am        tinnen und Experten wissen, bevor sie
                                                                                            Im Interview mit eco@work: Desmond Appiah,
   wirksamsten bekämpfen?                       in Ghana arbeiten?
                                                                                             Berater des Bürgermeisters von Accra zu den
   Zum einen durch strengere Strafmaß-          Ich glaube am wichtigsten ist es, sich       Themen Resilienz und Nachhaltigkeit sowie
   nahmen, die Unternehmen, aber auch           den riesigen kulturellen Unterschied                Berater im Städtenetzwerk C40.
IM FOKUS I PORTRÄTS 15

         Cara-Sophie Scherf                          Dr. Sabine Ferenschild                      Dr. Carolijn terwindt
   Wissenschaftlerin am Öko-Institut            Wissenschaftlerin (SÜDWIND e.V.)              Senior Legal Advisor (ECCHR)

Mehr als 30 von ihnen hat sie ange-          Sie wollte weiter vorne anfangen. Ganz      Recht und Gesetz sind für sie nicht in
schrieben. Wollte erfahren, warum sie        am Anfang der Textilindustrie. Und stieß    Stein gemeißelt. Sondern etwas, das
ihre ausgedienten Schiffe unter sozial       auf Kinderarbeit. „Vor etwa vier Jahren     sich im Zuge der Globalisierung wei-
und ökologisch unzumutbaren Be-              fiel mir eine Studie des indischen Prayas   terentwickeln kann und muss. „Ich
dingungen abwracken. Eine Antwort            Centre for Labor Research and Action,       arbeite zur Frage, wie europäische Un-
bekam sie von keiner der deutschen           kurz PCLRA, zur Kinderarbeit bei der        ternehmen, die außerhalb von Europa
Reedereien, deren Schiffe nachweislich       Entkernung von Baumwolle in die Hän-        produzieren, für Menschenrechtsverlet-
in Bangladesch entsorgt wurden. „Zu          de“, sagt Dr. Sabine Ferenschild, „denn     zungen in ihren Tochterunternehmen
Beginn des Projektes „Umweltschutz           wenn wir die Arbeitsbedingungen in          oder bei ihren Zulieferfirmen im Aus-
wahrt Menschenrechte!“ bin ich davon         der Textilindustrie bewerten wollen,        land haftbar gemacht werden können“,
ausgegangen, dass es hier eine Geset-        müssen wir die gesamte Lieferkette          sagt Dr. Carolijn Terwindt. Sie begleitet
zeslücke gibt“, sagt Cara-Sophie Scherf,     betrachten, also auch die Baumwoll-         etwa eine Zivilklage gegen das Textil-
„im Projektverlauf wurde dann deut-          produktion.“ Mit einem der Autoren          unternehmen Kik vor dem Landgericht
lich, dass die Reedereien bestehendes        der PCLRA-Studie arbeitet die wissen-       Dortmund, die sich mit dem Brand in
EU- und internationales Recht nur ge-        schaftliche Mitarbeiterin vom Institut      einer Textilfabrik in Karatschi (Pakistan)
schickt umgehen. Fast alle stellen ihre      SÜDWIND, das sich für eine gerechte         befasst. 259 Menschen starben dort
Geschäftsinteressen damit über nach-         Weltwirtschaft einsetzt, inzwischen eng     2012, geklagt wird von Überlebenden
haltiges Handeln.“                           zusammen – so wie mit vielen anderen        und Angehörigen. „Kik war ein indirek-
                                             zivilgesellschaftlichen Partnerorganisa-    ter Arbeitgeber“, so die Juristin von der
Die Expertin vom Öko-Institut schätzt        tionen in Ländern des globalen Südens.      Menschenrechtsorganisation ECCHR
die wissenschaftsbasierte Beratung, die      „Es ist ein wechselseitiger Prozess: Wir    (European Center for Constitutional and
es erlaubt, auf Basis differenzierter Ana-   erhalten umfassende Informationen           Human Rights). „Wenn die Klägerinnen
lysen Lösungsvorschläge zu erarbei-          über die Situation vor Ort und können       und Kläger Recht bekommen, könnte
ten und dort Position zu beziehen, wo        unsere Partner – so auch Gewerkschaf-       das den Weg für bessere Arbeitsbedin-
Missstände zu kritisieren sind. Hierbei      ten – unter anderem durch unser Netz-       gungen in den Fabriken und auch für
begegnet sie auch immer wieder Unter-        werk politisch unterstützen.“               weitere Klagen dieser Art ebnen – es
nehmen, die Positives bewirken wollen                                                    wäre ein Präzedenzfall.“
– Scherf beriet diese bereits während ih-    Dr. Sabine Ferenschild will den Stimmen
rer vorherigen Tätigkeit unter anderem       der Partnerorganisationen Gehör ver-        In einem weiteren Fall hat Terwindt eine
zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien          schaffen – auch bei einer Konferenz der     Beschwerde bei der Nationalen Kon-
für Wirtschaft und Menschenrechte. „Es       Zivilgesellschaft im Bündnis für nach-      taktstelle für die OECD-Leitsätze (NKS)
handelt sich aber immer noch um zu           haltige Textilien im November 2018, bei     gegen den TÜV Rheinland begleitet.
wenige Unternehmen, die das Thema            der es um existenzsichernde Löhne ge-       Dieser hatte bei einer Kontrolle der Ar-
Nachhaltigkeit konsequent angehen“,          hen wird. „Dabei widmen wir uns auch        beits- und Sicherheitsbedingungen im
sagt sie. Die Wissenschaftlerin fordert      der Frage, was diese Organisationen für     Rahmen eines so genannten Audits gra-
daher eine stärkere Regulierung und          ihre Arbeit vor Ort brauchen“, sagt sie,    vierende Mängel im bangladeschischen
von Unternehmen eine langfristige Per-       „nur im Austausch mit ihnen können          Fabrikkomplex Rana Plaza übersehen.
spektive: „Je konkreter die Anforderun-      wir lernen, welchen Weg wir konkret         „Eine Reform dieser Audits mit Blick auf
gen werden – und darauf arbeiten wir         einschlagen müssen, um für gerechte         ihre Transparenz und Finanzierung ist
hin –, umso mehr kann aus heutigem           Arbeitsbedingungen in jenen Ländern         überfällig“, sagt Terwindt, „dies hat auch
Engagement morgen ein Wettbewerbs-           zu sorgen, die für uns produzieren.“        die NKS in ihrer abschließenden Erklä-
vorteil werden.“                       cw                                         cw     rung anerkannt.“                        cw

c.scherf@oeko.de                             ferenschild@suedwind-institut.de            terwindt@ecchr.eu
16 aRBEIt I RÜCKBLICK

                                                Verantwortungsvolles Genome Editing
   Genome Editing bezeichnet neue gen-          auch das Risiko von unbeabsichtigten        gesellschaftliche Bewertung“, fordert
   technische Arbeitsweisen, durch die          Auswirkungen auf das Genom.“                der stellvertretende Leiter des Bereichs
   besonders zielgerichtete Eingriffe in                                                    Produkte & Stoffströme. Entwickler und
   das Erbgut von Organismen und so             Nach der Entscheidung des Europä-           Anwender tragen eine hohe Verantwor-
   neue Funktionalitäten möglich werden.        ischen Gerichtshofs, dass diese Ver-        tung für die Auswirkungen auf Men-
   „Dadurch könnten etwa Pflanzen einfa-        fahren und dadurch gewonnene Or-            schen und Umwelt. „Wichtig ist daher
   cher, schneller und präziser gezüchtet       ganismen grundsätzlich unter die            eine umfassende Begleitforschung, die
   werden, die dann gegen Krankheiten           Gentechnikrichtlinie fallen, hat das        analysiert, inwiefern Genome Editing
   resistent sind und deren Anbau weni-         Öko-Institut ein Positionspapier ver-       umweltschädliche Praktiken in der
   ger Dünger und Pestizide benötigt“,          öffentlicht. „Wenn eine verantwor-          Landwirtschaft und in anderen Berei-
   erklärt Martin Möller vom Öko-Institut,      tungsvolle Anwendung gewährleistet          chen ablösen kann und welche Risiken
   „hier liegen Chancen für eine nachhal-       werden soll, braucht es eine fundierte      möglicherweise vorhanden sind.“ cw
   tige Landwirtschaft, gleichzeitig gibt es    Chancen-Risiken-Analyse sowie eine

   Sechs Säulen für nachhaltigen Konsum
   Von wirklicher Nachhaltigkeit ist unser Konsum heute weit          werden und strukturelle Veränderungen in Gang bringen
   entfernt. „Wir überschreiten in ökologischer Hinsicht die pla-     können“, sagt Projektleiterin Quack, „eine zweite Säule ist die
   netaren Grenzen – das betrifft die Menge unseres Konsums           Stärkung von Suffizienz, also ein Weniger an Konsum und Pro-
   ebenso wie die Art und Weise, wie Produkte her- und bereit-        duktion, sie hilft vor allem bei ökologischer Nachhaltigkeit.“
   gestellt werden“, sagt Dr. Dietlinde Quack vom Öko-Institut,       Als weitere Säulen nennt das Working Paper einen systemi-
   „aber auch in sozialer Hinsicht ist die Produktion von Konsum-     schen Politikansatz, der die vielfältigen Ursachen von Um-
   gütern oftmals alles andere als nachhaltig.“ Das betrifft vor      welt- und Nachhaltigkeitsproblemen ebenso berücksichtigt
   allem Deutschland und westliche Industrieländer, aber auch         wie die Hemmnisse nachhaltigen Konsums in unterschiedli-
   weltweit ist ein nachhaltiger Konsum in weiter Ferne.              chen Bedürfnisfeldern, sowie die Adressierung von sozialen
                                                                      Gerechtigkeitsfragen in politischen Maßnahmen. „Die fünfte
   Wie kann es gelingen, jenseits von Nischen nachhaltige Kon-        Säule schließlich sieht vor, die direkte Innovationsförderung,
   sumweisen zu verbreiten und eine umfangreiche gesellschaft-        die sich derzeit stark auf Technologien und Produkte ausrich-
   liche Transformation in die Wege zu leiten? Mit diesen Fragen      tet, auf institutionelle und soziale Innovationen zu erweitern“,
   beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-       sagt die Wissenschaftlerin, „in der sechsten Säule schließlich
   ler des Öko-Instituts im Working Paper „Nachhaltiger Konsum        empfehlen wir, alle relevanten Akteurinnen und Akteure in
   – Strategien für eine gesellschaftliche Transformation“. Sie be-   den Transformationsprozess einzubeziehen.“
   schreiben darin sechs strategische Säulen, durch die eine sol-
   che Transformation gelingen kann. „Zum einen gilt es, klare        Das Öko-Institut richtet sich mit seinen Empfehlungen an
   Prioritäten zu setzen und jene Maßnahmen zu identifizieren,        Vertreterinnen und Vertreter der Politik, aber auch all jene ge-
   die die größte positive Wirkung haben, die voraussichtlich ak-     sellschaftlichen Gruppen, die sich für nachhaltigen Konsum
   zeptiert und umgesetzt werden, vielleicht sogar nachgeahmt         einsetzen.                                                   cw
17

                                                                                         Smart Region
Digitale Technologien haben unser Leben in fast allen Berei-        Im Auftrag der ENTEGA Stiftung nahm das Projektteam unter
chen grundlegend verändert und werden dies auch in Zu-              anderem Literaturauswertungen vor und führte ausführliche
kunft tun. Wir teilen uns Verkehrsmittel über Car-Sharing, die      Interviews mit vielen Akteurinnen und Akteuren aus Politik
Stromversorgung wird besser vernetzt und optimiert, über            und Verwaltung, Wirtschaft und Unternehmen, Verbänden
Apps und andere Anwendungen sind wir sogar mit öffent-              und Wissenschaft. Auf dieser Grundlage wurden für vier zen-
lichen Stellen verknüpft. „Es ist ein Strukturwandel im Gan-        trale Themenbereiche – Energie und Gebäude, Mobilität,
ge, der viele Chancen bietet und neue Handlungs- und Ge-            Government sowie Wirtschaft – konkrete Handlungsempfeh-
schäftsfelder öffnet“, sagt Michael Sailer, „gleichzeitig braucht   lungen für die Zukunft formuliert. „Wichtig ist zum Beispiel ein
dieser Wandel aber auch Regulierung und gesellschaftliche           forcierter und gut koordinierter Ausbau der Energie-, Daten-
Gestaltung.“                                                        und Gebäudeinfrastruktur“, erklärt Projektleiter Sailer, „dazu
                                                                    gehören Glasfaserleitungen bis zu den Endverbraucherinnen
Wie stark hat sich die Digitalisierung in der Region Darmstadt      und -verbrauchern ebenso wie multifunktionale Straßenlater-
Rhein Main Neckar schon durchgesetzt und welche Hand-               nen.“ Ein wichtiger Punkt ist aus Sicht des Projektteams unter
lungsfelder sind besonders relevant für eine nachhaltige und        anderem auch eine intelligente Mobilität, die sich mit der Ver-
zukunftsfähige Weiterentwicklung der Region? Diese Frage            netzung von Mobilitätsangeboten befasst. „Darüber hinaus
hat das Öko-Institut gemeinsam mit der Quadriga Hochschu-           braucht es übergreifende Maßnahmen für ein Gelingen: eine
le und B.A.U.M. e. V. im Projekt „Smart Region Darmstadt Rhein      zentrale Koordinationsstelle für alle Aktivitäten sowie eine
Main Neckar“ analysiert. „Der Begriff Smart Region beschreibt       klare Kommunikationsstruktur und ein zielgenaues Kommu-
eine Region, in der zukunftsweisende Konzepte für eine inte-        nikationskonzept“, sagt Michael Sailer.                      cw
grierte Entwicklung erarbeitet werden“, so der Sprecher der
Geschäftsführung des Öko-Instituts.

Umweltpolitik im 21. Jahrhundert
Umweltpolitik ist immer wieder mit           Deutsche Institut für Entwicklungspoli-      und individueller (Konsum-)Freiheit
neuen Problemen und Herausforderun-          tik (DIE) und die IFOK GmbH – hat dabei      umgehen? Wie lässt sich Umweltpolitik
gen konfrontiert. Wie diesen begegnet        ausgewählte strategische Fragen ana-         „entwicklungssensibler“ ausgestalten?
werden kann, damit hat sich das Pro-         lysiert: Was kann aus den vergangenen        Die Abschlusskonferenz im September
jekt „Umweltpolitik im 21. Jahrhundert       Dynamiken von Umweltpolitik gelernt          2018 war nun der Diskussion der Pro-
– Ansätze zur Bewältigung neuartiger         werden? (Wie) Können Narrative und           jektergebnisse gewidmet. „In parallelen
Herausforderungen“ im Auftrag des            Diskurse strategisch für die Umweltpo-       Themengruppen wurden die Ergebnis-
Umweltbundesamtes befasst. Das Team          litik genutzt werden? Welche Chancen         se vorgestellt“, sagt Wolff, „und danach
um Projektleiterin Franziska Wolff vom       und Risiken birgt eine Ökonomisierung        unterzogen Paneldiskutanten unsere
Öko-Institut – beteiligt waren zudem         von Umwelt? Wie kann Umweltpolitik           Politikempfehlungen einem Realitäts-
die Universitäten Freiburg und Tübin-        mit dem (scheinbaren) Widerspruch            Check.“                               cw
gen, die Freie Universität Berlin, das       zwischen nachhaltiger Entwicklung
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