Exportschlager nachhaltigkeit? - Umweltschutz und Menschenrechte international - Öko-Institut
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September 2018 nachhaltiges aus dem Öko-Institut Exportschlager nachhaltigkeit? Umweltschutz und Menschenrechte international Direkter handel Eine Kleinrösterei in Freiburg Eine Welt ohne plastik Sinnvoll und machbar? Internationale Zusammenarbeit Interview mit Desmond appiah
2 IM FOKUS | Elephant Beans Ein fairer Liebling Nachhaltiger Kaffee von Elephant Beans Er macht uns wach. Er wärmt uns auf. Er schmeckt auch kalt. Kaffee ist aus vielen Gründen das Lieblingsgetränk der Deut- schen: 162 Liter trinken wir pro Kopf jedes Jahr. Gleichzeitig ist der Kaffeegenuss aus sozialer und ökologischer Sicht oftmals nicht besonders nachhaltig – etwa mit Blick auf die Ausbeu- tung der Produzenten oder die Abholzung von Regenwald in den Anbaugebieten. Elephant Beans hat sich dem nachhaltigen Kaffeegenuss ver- schrieben. „Für uns heißt das: Wir setzen auf Direkthandel und wissen genau, woher unser Kaffee kommt und unter welchen Bedingungen er angebaut wird“, sagt Jörg Volkmann, geschäfts- führender Gesellschafter der Kleinrösterei, die zudem einen Onlineshop und ein Café in Freiburg betreibt. Zum Direkthan- del gehört für Elephant Beans unter anderem eine ganz- oder teilweise Vorfinanzierung von Ernten sowie Transparenz bei der Frage, welchen Anteil die Kaffeeproduzenten vom Verkaufser- lös erhalten. Auch biologischer Anbau ist ein wichtiges The- ma für Volkmann – „Wir haben eine Bio-Zertifzierung für den Import.“ – auch, wenn nicht alle Bezugsquellen von Elephant Beans ein Biosiegel haben. „Es ist uns wichtiger zu sehen, wie nachhaltig der Kaffee angebaut und geerntet wird als ein Sie- gel dafür zu haben“, so Volkmann, „viele Produzenten machen schon aus ihrer Tradition heraus etwas, das sehr ähnlich wie bio ist, würden es aber nie so nennen.“ Die Kleinrösterei ist Teil von Roasters United, einem Zusammen- schluss von elf europäischen Kaffeeröstern, die gemeinsam den Direktimport stemmen, jährliche Besuche in den Anbauländern organisieren und dort Selbsthilfeprojekte initiieren und finan- zieren – fünf Cent fließen pro Kilo verkauftem Kaffee in diese Arbeit. „Wir wollen hier Projekte fördern, die direkt mit dem Kaf- feehandel zu tun haben“, sagt Volkmann, „so unterstützen wir etwa Projekte zur Anpassung an den Klimawandel – hiervon ist der Kaffeeanbaugürtel besonders betroffen.“ In Äthiopien hat Roasters United zudem gemeinsam mit einem lokalen Unter- nehmer ein Projekt zur Schulung von Bauern bei der Kompos- tierung und damit Bodenverbesserung angestoßen, in Indien widmeten sich die Kaffeeröster der Reduzierung des Wasserver- brauchs in einer Anlage zur Aufbereitung von Rohkaffee. Bei diesen Projekten kommt Jörg Volkmann übrigens auch sei- ne langjährige Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit zugute. „Ich habe vor der Gründung der Rösterei unter anderem im Bereich Wasserwirtschaft in Nepal und bei einem Projekt zu partizipativem Forstmanagement in Äthiopien als Berater ge- arbeitet“, erzählt er, „es ist schön, dass sich nun alles wieder zu- sammen fügt – denn aus dieser Arbeit ist 2011 schließlich auch Elephant Beans entstanden.“ Christiane Weihe info@elephantbeans.de www.elephantbeans.de http://roastersunited.com
4 Inhalt 12 Deutsche Wirtschaft in der pflicht Mehr als Freiwilligkeit IM FOKUS: UMWEltSChUtZ & MEnSChEnREChtE IntERnatIOnal 2 Ein fairer liebling Nachhaltiger Kaffee von Elephant Beans 8 Zusammenarbeit über Grenzen hinweg Elektroschrott in Ghana 10 aus Erfahrung bewährt Nachhaltigkeitskriterien in ASEAN-Staaten 12 Unternehmerische Verantwortung Umweltschutz und Menschenrechte 14 „Uns verbindet der austausch von Wissen und eine gemeinsame Vision für eine nachhaltigere Welt – egal, woher wir kommen.“ 8 Interview mit Desmond Appiah (Nachhaltigkeits- berater des Bürgermeisters von Accra) abfallwirtschaft in Ghana 15 porträts Ansätze für die Zukunft Cara-Sophie Scherf (Öko-Institut), Dr. Sabine Ferenschild (SÜDWIND), Dr. Carolijn Terwindt (ECCHR) aRBEIt Standards in der aSEan-Region 6 Vom Klimaschutz bis zur Bioökonomie Lösungen entwickeln Aktuelle Projekte, neue Ideen 10 16 Von der Umweltpolitik bis zur Smart Region Kurze Rückblicke, abgeschlossene Studien pERSpEKtIVE 18 Eine Welt ohne plastik Sinnvoll und machbar? EInBlICK 19 Von der Kohlekommission bis zum atommüll Neuigkeiten aus dem Öko-Institut VORSChaU 20 Die soziale Seite der Energiewende Zwischen Effizienz, Suffizienz und Kostenbelastung
EDItORIal I IMpRESSUM 5 Öko weltweit Vieles von dem, was wir heute in Sachen Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz erdenken und erarbeiten, erfordert eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Die internationalen Klimaverhandlungen, der länderübergreifende Austausch über die Risiken der Kernenergie und über Strategien, um auf sie zu verzichten, Normierungsprozesse zur Energieeffizienz auf europäischer Ebene, der Wissensaustausch zur Einführung von Umweltzeichen in Asien – die Arbeit des Öko-Institut ist heute schon international. Wir tauschen uns dabei intensiv mit Kol- leginnen und Kollegen zahlreicher Disziplinen aus, ob in laufenden Forschungsprojekten, in der Zusammenarbeit in zwischenstaatlichen Gremien oder beim Debattieren auf internatio- nalen Konferenzen. Wir beraten Entscheiderinnen und Entscheider in demokratischen Struk- turen und wirken auch in Systeme hinein, die noch auf dem Weg dahin sind. Nicht zuletzt unterstützen wir Gruppen, die sich in Opposition zu den staatlichen Strukturen befinden, um Verbesserungen für die Umwelt und die in ihr lebenden Menschen zu erreichen. Darin haben wir heute schon viel Erfahrung und aus meiner Sicht wird dieser Teil unserer Arbeit künftig noch intensiver werden. Das ist (zeit-)aufwändig und verlangt Fingerspitzen- Michael Sailer gefühl; man muss die Situation vor Ort gut kennen oder kennenlernen. Deshalb arbeiten wir Sprecher der fast immer mit Menschen zusammen, die die Strukturen in ihren Ländern und Regionen gut Geschäftsführung einschätzen können und die häufig selbst schon sehr lange und intensiv am Thema arbeiten. des Öko-Instituts Sie unterstützen wir mit Wissen, das wir im Rahmen größerer Projektzusammenhänge bereit- m.sailer@oeko.de stellen können, geben Erfahrungen weiter, die wir mit Problemen „zu Hause“ gemacht haben und beraten gemeinsam über stimmige Lösungsansätze. Wie wir dabei in Ghana, Thailand und Kenia – aber auch gar nicht so weit weg, in der EU – arbeiten, stellt Ihnen diese Ausgabe der eco@work vor. Wir lassen darin vor allem auch unsere Partnerinnen und Partner zu Wort kommen, wie zum Beispiel Desmond Appiah, verantwortlich für die Neustrukturierung des Abfallmanagements in Accra, Ghana. Wir nehmen Sie gerne mit auf eine kleine „Wissensreise“ um die Welt und wünschen Ihnen interessante Einblicke in unsere weltweite Arbeit. Viel Freude mit der aktuellen Ausgabe der eco@work wünscht Ihnen Ihr Michael Sailer Weitere Informationen zu unseren themen finden Sie im Internet unter www.oeko.de/epaper eco@work – September 2018 – ISSN 1863-2009 – Herausgeber: Öko-Institut e.V. Redaktion: Mandy Schoßig (mas), Christiane Weihe (cw) – Verantwortlich: Michael Sailer Weitere Autoren: Dr. Matthias Englert, Alexa Hännicke (alh), Dr. Georg Mehlhart, Martin Möller, Michael Sailer Druckauflage: 2.800; digitale Verbreitung: rund 7.000 Abonnenten – Im Internet verfügbar unter: www.oeko.de/epaper Gestaltung/Layout: Tobias Binnig, www.gestalter.de – Technische Umsetzung: Markus Werz – Gedruckt auf 100 Prozent Recyclingpapier Redaktionsanschrift: Schicklerstr. 5-7, 10179 Berlin, Tel.: 030/4050 85-0, Fax: 030/4050 85-388, redaktion@oeko.de, www.oeko.de Bankverbindung für Spenden: GLS Bank, BLZ 430 609 67, Konto-Nr. 792 200 990 0, IBAN: DE50 4306 0967 7922 0099 00, BIC: GENODEM1GLS Spenden sind steuerlich abzugsfähig. Bildnachweis: S.2/3 © Elephant Beans, Fotograf: schwarzwaldraum.de; S.4 oben links © Tobif82 - Fotolia.com, oben rechts © katiekk2 - Fotolia.com, unten links © OutdoorPhoto - Fotolia.com; S.6 oben © apimook - Fotolia.com, unten © pinkeyes - Fotolia.com; S.7 oben © alter_photo - Fotolia.com, unten © altix5 - Fotolia.com; S.8 © Tobif82 - Fotolia.com; S.10 © OutdoorPhoto - Fotolia.com; S.12 © katiekk2 - Fotolia.com; S.14 Hintergrund © Richard Carey - Fotolia.com; S.15 rechts © Nihad Nino Pušija; S.16 oben © arybickii - Fotolia.com; S.17 © arsdigital - Fotolia.com; S.18 oben © stockpics - Fotolia.com; S.19 oben rechts © vadim_key - Fotolia.com, unten links © Konstiantyn - Fotolia.com; S.20 © wetwater - Fotolia.com; andere © Privat oder © Öko-Institut, Ilja C. Hendel
6 aRBEIt I aKtUEll In der Cloud Die Digitalisierung ist längst in der Ge- Im Auftrag des Umweltbundesamts soll schäftswelt angekommen. Mit steigen- im Projekt „Öko-Cloud-Computing“ bi- den Datenmengen und schnellen Da- lanziert werden, mit welchem Energie- tennetzen nimmt dabei besonders die und Ressourcenbedarf die Herstellung, Bedeutung von Rechenzentren zu. der Transport, die Nutzung und Entsor- Schlupflöcher Gleichzeitig werden die Anforderungen gung von Rechenzentrums-Hardware an sie immer anspruchsvoller – ange- verbunden ist und wie diese auf die un- stopfen fangen bei der hohen Verfügbarkeit, terschiedlichen Dienstleistungen im Re- über schnelle Reaktionszeiten bis hin chenzentrum verteilt werden können. Wenn Unternehmen Schlupflöcher zur Datensicherheit. Für viele Unterneh- Das Ziel: Umweltwirkungen definierter nutzen und Gesetzgebung umge- men eine Herausforderung, denn die Cloud-Dienste aufzeigen, ambitionierte hen – so geschehen etwa beim „Die- Administration und der reibungslose Mindeststandards finden und daraus selgate“ – schadet dies Menschen Ablauf eigener IT-Systeme wird immer Kriterien für die Zertifizierung mit dem und Umwelt. Wie lässt sich errei- komplexer und damit auch immer teu- Umweltzeichen Blauer Engel ableiten. chen, dass die EU-Ökodesign- und rer. Energielabel-Richtlinien korrekt an- „In einem anderen Projekt haben wir gewendet werden und die Akzep- Die Lösung liegt im Cloud-Computing. bereits Kennwerte für den Energie- und tanz für die entsprechende Gesetz- Die Verlagerung von Rechen- und Spei- Ressourcenbedarf von Rechenzentren gebung steigt? Mit dieser Frage be- cherleistung „in die Cloud“ bietet Unter- entwickelt“, sagt Jens Gröger, Experte fasst sich das von der EU geförderte nehmen die Möglichkeit, Energie und zur Bewertung von Informations- und dreijährige Projekt „ANTICSS – Anti- Ressourcen einzusparen. Denn gut aus- Kommunikationstechnik (IKT) am Öko- Circumvention of Standards for bet- gelastete Server und Storage-Systeme, Institut. „Im Projekt Öko-Cloud-Compu- ter market Surveillance“ (Eindäm- intelligente Kühlkonzepte und ein pro- ting gehen wir noch einen Schritt wei- mung des Umgehens von Standards fessioneller Betrieb der Gebäudeinfra- ter. Wir berechnen den Umweltaufwand für eine bessere Marktüberwa- struktur können ohnehin nur in großen für Cloud-Dienste. Wieviel Rohstoff ist chung). „Wir sammeln unter ande- Rechenzentren realisiert werden. für eine Stunde Videostreaming erfor- rem Fallbeispiele und analysieren derlich, wieviel Energie verbraucht ein die Verordnungen und Standards, Doch wie steht es um umweltverträgli- Gigabyte Online-Storage oder welches um Lücken aufzudecken“, sagt che Lösungen im Cloud-Computing? Treibhauspotenzial hat eine Daten- Kathrin Graulich vom Öko-Institut, Wie hoch ist der Klimatisierungsbedarf? bank-Anwendung? Mithilfe des hier die das internationale Projektteam Wie hoch der Rohstoffbedarf? Diese Fra- entwickelten Instrumentariums wird es mit 19 Organisationen aus acht EU- gen rund um die ökologischen Aspekte möglich sein, verschiedene Dienste Mitgliedsstaaten leitet, „darüber hi- bei der Nutzung von Cloud-Dienstleis- miteinander zu vergleichen und On- naus untersuchen wir, welchen Zu- tungen sind Gegenstand eines aktuel- line- gegenüber Offline-Lösungen ab- sammenhang es zwischen so ge- len Gemeinschaftsprojekts von Öko-Ins- zuwägen.“ alh nannten intelligenten Produkten titut, dem Fraunhofer-Institut IZM und mit einer speziellen Software und der Agentur tippingpoints GmbH. dem Umgehen von Messvorschrif- ten geben kann.“ Aber auch unab- hängige Tests für bestimmte Pro- duktgruppen durch Testlabore sind Teil des Projektes. „Ziel ist es, zur Stärkung von Marktüberwachungs- behörden und Testlaboren beizutra- gen“, so Graulich. Politische Ent- scheidungsträger und Standardisie- rungsbehörden erhalten zudem Empfehlungen, wie Möglichkeiten zum Umgehen schon bei der Ent- wicklung von Gesetzen und Stan- dards schneller erkannt und in Zu- kunft verhindert werden können. cw
7 Macht in lieferketten von Bioökonomie – Baumwolle, palmöl, holz Strategie für die Ob Kleidung, Lebensmittel oder Biodiesel, in vielen Fällen sind Deutschland und die Europäische Union stark vom Import sogenannter biogener Rohstoffe ab- Zukunft? hängig. Doch ihr Anbau ist nicht selten mit gravierenden ökologischen und so- zialen Risiken verbunden. Im Projekt „Bioökonomische Macht in globalen Liefer- Bioökonomie wird vielerorts als Kon- ketten“ im Auftrag des Bundesforschungsministeriums begegnen die Universi- zept für eine nachhaltige Zukunft gese- tät Freiburg und das Öko-Institut diesen Risiken gemeinsam mit Partnern vor hen: ein Wirtschaftssystem, das auf Bio- Ort. So untersuchen das Öko-Institut und PAN-Ethiopia, welche Auswirkungen masse basiert und ohne fossile Rohstof- etwa die Zertifizierung nach der EU-Bioverordnung auf die Umwelt und Lebens- fe auskommt, ökologisch verträgliches bedingungen von Kleinbauern in Äthiopien hat. Bis Anfang 2020 formuliert das Wirtschaften ermöglicht und die Welt- Forschungsteam Empfehlungen an Politik und Unternehmen, um den Brenn- bevölkerung ausreichend und gesund punkten in den Lieferketten von Baumwolle aus Äthiopien, Palmöl aus Indone- ernährt. Viele Länder haben bereits ei- sien und Holz aus der Demokratischen Republik Kongo zu begegnen. mas gene Bioökonomie-Strategien entwi- ckelt, welche diese Chancen in den Mit- telpunkt stellen. Wo neben den Chan- cen aber auch Risiken für die Erreichung Klimaneutrales Freiburg der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) be- stehen, damit befasst sich das neue Pro- jekt „Nachhaltige Ressourcennutzung – Freiburg – das sind nicht nur Bächle Anforderungen an eine nachhaltige und Schwarzwälder Kirsch. Die Bioökonomie aus der Agenda 2030 / Stadt im Breisgau ist seit vielen Jahr- SDG-Umsetzung“. „In einem ersten Ar- zehnten vor allem wegen ihres En- beitspaket haben wir im Projektteam gagements für die Umwelt und den bereits einen Überblick zu bestehenden Klimaschutz bekannt. Schon 1996 Bioökonomiekonzepten erstellt und hat sich die Kommune ein erstes Kli- den deutschen Bioökonomiediskurs maschutzkonzept gegeben; 2014 analysiert“, sagt Martin Möller, Projekt- beschloss der Gemeinderat, dass leiter vom Öko-Institut, „das zweite Ar- die CO2-Emissionen bis 2030 um beitspaket sieht vor, Trends und Poten- mindestens 50 Prozent sinken müs- ziale sowie Chancen und Risiken der sen. 2050 soll die Stadt klimaneutral Bioökonomie aufzuzeigen.“ Noch bis sein. Vorschläge dafür hat das März 2020 arbeiten Öko-Institut, Ecolo- Öko-Institut zuletzt in der Studie gic Institute, Universität Mannheim und „Freiburg 2050“ gemacht. Im Auf- das Institute of Development Studies trag der Stadt erarbeitet das Insti- der University of Sussex außerdem an tut nun konkrete Maßnahmenvor- drei weiteren Arbeitspaketen. Im Auf- schläge für die Haushaltsperioden trag des Umweltbundesamtes ordnet 2019/2020 und 2021/2022. Dabei das Projektteam Bioökonomie in den bezieht das Projektteam unter der umweltpolitischen Kontext ein, ermit- Leitung von Tanja Kenkmann die telt die Anforderungen der deutschen kommunalen Fachverwaltungen, Nachhaltigkeits- und Umweltpolitik städtische Gesellschaften und wei- und der SDGs an eine nachhaltige Bio- tere Gruppen, darunter insbesonde- ökonomie und formuliert entsprechen- re die Bevölkerung, eng mit ein. de politische Handlungsempfehlun- mas gen. cw
8 IM FOKUS Zusammenarbeit über Grenzen hinweg Elektroschrott in Ghana Die internationale Staatengemeinschaft hat sich in der Agenda 2030 auf „Ghana ist eines jener afrikanischen 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung geeinigt. Die Sustainable De- Länder, die sich sehr stark entwickeln“, sagt Andreas Manhart vom Öko-Insti- velopment Goals (SDGs) greifen unterschiedliche Facetten sozialer, öko- tut, „das Land bietet zudem gute Vor- logischer und ökonomischer Nachhaltigkeit auf: Sie befassen sich mit aussetzungen für Projekte in Richtung Armut und Bildungsfragen ebenso wie mit sauberer Energie, nachhalti- Nachhaltigkeit: Es gibt eine demokra- gem Konsum und nachhaltiger Produktion. Ihre Grundlage ist ein klarer tisch gewählte Regierung, eine funktio- nierende Verwaltung und eine freie Aufruf zur Zusammenarbeit: Mensch, Planet, Wohlstand, Frieden und Presse.“ Gleichzeitig hat Ghana große Partnerschaft – so die Leitprinzipien der Agenda 2030. Teil dieser globa- Herausforderungen etwa mit Blick auf len Partnerschaft muss es aus Sicht des Öko-Instituts auch sein, in Ko- die Abfallwirtschaft zu bewältigen (sie- operationen mit Entwicklungs- und Schwellenländern Lösungen für glo- he hierzu auch Interview mit Desmond Appiah auf Seite 14). Insbesondere in der bale Herausforderungen zu entwickeln, etwa mit Blick auf eine nachhal- Regenzeit seien immer wieder katastro- tige Abfallwirtschaft. Seit 2009 arbeiten die Wissenschaftlerinnen und phale Zustände zu beklagen. „Im Juni Wissenschaftler daher zum Beispiel in unterschiedlichen Projekten zum 2015 kam es bei einer Überschwem- Thema Elektroschrott in Ghana. mung – die Abflüsse waren durch Müll
9 verstopft – durch ausgetretenen Treib- ling oder zur fachgerechten Entsorgung stoff zu einer Explosion in der Haupt- von Blei-Säure-Batterien. KEInE EInFaChEn lÖSUnGEn stadt Accra, bei der mindestens 150 Menschen starben“, erklärt Manhart. Die nun verabschiedeten Leitlinien ent- Aber auch jenseits solcher katastropha- halten verbindliche Mindeststandards Projekte wie dieses zeigen das Potenzi- len Einzelereignisse ist die Situation in für Betriebe, die E-Schrott sammeln und al für eine nachhaltige Entwicklung in vielerlei Hinsicht problematisch: „Denn recyceln. „Dieser Ansatz überzeugt vor Ghana. Doch der Experte vom Öko-In- die meist ungeregelte Entsorgung und allem, weil er Anforderungen an Recy- stitut warnt auch: Es ist noch ein langer Verwertung von Abfällen hat zahlrei- clingbetriebe stellt, die auch in Europa Weg zu gehen. „Es gibt zum Beispiel im- che überaus problematische Folgen für üblich sind, gleichzeitig aber die wich- mer wieder windige Geschäftemacher, Menschen und Umwelt – ein Beispiel ist tigen Akteurinnen und Akteure des in- die scheinbar einfache und gewinn- die unsachgemäße und damit gefährli- formellen Sektors nicht außen vor lässt. bringende Lösungen versprechen, aber che Verwertung von E-Schrott und Bat- Denn viele Menschen bestreiten in Gha- eigentlich nur am Verkauf ihrer Maschi- terien“, so der Senior Researcher vom na ihren Lebensunterhalt mit einfachen nen interessiert sind“, sagt er, „doch die Öko-Institut. Und das ist gerade der Ab- Sammel- und Recyclingtätigkeiten“, unbequeme Wahrheit ist nun mal: Ab- fallstrom, der weltweit mengenmäßig verdeutlicht der Wissenschaftler, „wenn fall ist in erster Linie ein Problem und die größten Zuwachsraten aufweist. sie sich offiziell als E-Schrott-Sammler keine Goldgrube. Und eine vernünftige registrieren lassen wollen, gibt es nun Abfallwirtschaft braucht eine zusätzli- vergleichsweise geringe Anforderun- che Finanzierung – etwa über Herstel- SUStaInaBlE RECYClInG gen.“ Wichtig sei zudem, dass die infor- lerabgaben oder Abfallgebühren.“ InDUStRIES mellen Sammler und Recycler offiziell als Teil der Verwertungskette anerkannt Ziel ist es in der Projektarbeit für den Se- werden und dass sie durch die Registrie- nior Researcher daher auch, die Grund- Seit bereits fast zehn Jahren berät das rung Vorteile erfahren – „Hier sind erste lagen für eine nachhaltige Abfallwirt- Öko-Institut die ghanaische Politik und Ansätze in der Entwicklung.“ – und dass schaft in Ghana weiter zu verbessern. Verwaltung mit Blick auf Elektro- und die Fortbildungsaktivitäten fortgesetzt „Wir begleiten die Regierung bei ihrer Elektronikschrott und mögliche Wege werden. „Sinnvoll sind zum Beispiel Trai- Arbeit und werden uns weiterhin in hin zu mehr Nachhaltigkeit. „Hier ist in- nings zu sehr speziellen Schrottarten verschiedenen Projekten einbringen. zwischen sehr viel in Gang gekommen“, wie dem Glas von Fernsehmonitoren Gleichzeitig ist es wichtig, die Zivilge- so der Senior Researcher vom Öko-Insti- oder Photovoltaikmodulen sowie die sellschaft zu stärken, so etwa über eine tut, „so haben das ghanaische Umwelt- Etablierung von festen Fortbildungen, systematische Unterstützung von Um- ministerium MESTI und die ghanaische für die langfristig keine internationalen weltgruppen“, erklärt Manhart, „Für eine Umweltschutzbehörde EPA im Februar Experten und Expertinnen mehr not- nachhaltige Abfallwirtschaft braucht es 2018 Leitlinien für ein umweltgerechtes wendig sind“, sagt Manhart. die Zusammenarbeit aller Akteurinnen E-Schrott-Management veröffentlicht. und Akteure – eine Erkenntnis, die für Der Sektor soll sich Schritt für Schritt Deutschland ebenso gilt wie für Ghana.“ verbessern.“ An der Ausarbeitung war im Rahmen des Projektes „Sustainable Christiane Weihe Recycling Industries (SRI)“ auch das Öko-Institut beteiligt – gemeinsam mit dem Ghana National Cleaner Pro- duction Centre und dem ghanaischen Mountain Research Institute sowie in Zusammenarbeit mit vielen lokalen Partnerinnen und Partnern. „SRI ist ein Programm des Schweizerischen Staats- sekretariats für Wirtschaft SECO für Entwicklungs- und Schwellenländer wie Kolumbien, Peru, Indien oder eben auch Ghana“, erklärt Manhart, „Ziel ist es, in diesen Ländern nachhaltige Re- Wie können auch in weit verzweigten, globali- cyclingprozesse aufzubauen und dabei sierten Produktionsketten Sozial- und Umwelt- kleine und mittlere Betriebe zu inte- standards gewährleistet werden? Mit dieser Fra- grieren. Ein wichtiger Bestandteil des ge beschäftigt sich Andreas Manhart im Bereich Produkte & Stoffströme, für den er seit 2005 tätig Projektes ist die enge Zusammenarbeit ist. Der Fokus des Geographen liegt dabei vor al- mit Regierungsorganisationen sowie laut SDG 12 – für nachhaltige Kon- lem auf Recycling, Rohstoffen sowie elektrischen der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft sum und produktionsmuster – soll das und elektronischen Produkten. Dabei arbeitet vor Ort.“ Teil von SRI waren unter ande- weltweite abfallaufkommen bis 2030 er sowohl zu Fragen der Primärgewinnung von Rohstoffen aus Bergbau und Plantagen als auch rem auch Fortbildungsveranstaltungen durch Vermeidung, Verringerung, zu Recycling von Abfällen wie Altbatterien und für Auditoren und für Recycler in Ghana Recycling und Wiederverwendung E-Schrott. – so zum Beispiel zum Kunststoffrecyc- erheblich verringert werden. a.manhart@oeko.de
10 IM FOKUS aus Erfahrung bewährt Nachhaltigkeitskriterien in ASEAN-Staaten Es ist ein sinnvoller und oft bewährter Ansatz: Von der Erfah- „Die Industrieländer haben bereits einen langen rung anderer profitieren. Deutschland hat in den vergange- Weg in Richtung Nachhaltigkeit hinter sich - war- um sollten die Schwellenländer den gleichen Pro- nen Jahrzehnten umfangreiche Erfahrungen mit zahlreichen zess noch einmal durchlaufen?“ fragt Siddharth Strategien und Instrumenten nachhaltiger Produktion und Prakash vom Öko-Institut. „Sie können schon heu- nachhaltigen Konsums gesammelt. Diese Erkenntnisse kön- te auf Lösungen und Instrumente setzen, die sich nen anderen Staaten helfen – etwa mit Blick auf die Einfüh- bereits bewährt haben.“ Dazu gehören aus Sicht des Senior Researchers zum Beispiel ökologische rung von Nachhaltigkeitskriterien für Produkte und Dienst- Mindeststandards und ökonomische Anreizme- leistungen im Rahmen von Umweltzeichen und öffentlicher chanismen für den Klimaschutz ebenso wie die Beschaffung. Lohnenswert ist dies insbesondere für die ra- Förderung von Öko-Innovationen im Markt; be- sant wachsenden Staaten etwa in der ASEAN-Region (Associa- rücksichtigt werden müssen Produkte ebenso wie Dienstleistungen. „Natürlich lässt sich nicht jede tion of Southeast Asian Nations), zu der Brunei, Kambodscha, Maßnahme, die bei uns gut funktioniert, eins zu Indonesien, Thailand, Laos, Malaysia, Myanmar, Singapur, eins auf andere Länder übertragen“, so Prakash, „es Vietnam und die Philippinen gehören. Ihr rasant steigender geht darum, in Zusammenarbeit mit diesen Staa- Energie- und Ressourcenbedarf macht ein schnelles Handeln ten Lösungen zu finden, die zum jeweiligen Kon- text und zu den jeweiligen Bedürfnissen passen.“ in Richtung Nachhaltigkeit notwendig.
11 Hierzulande bewährte Umweltzeichen BEWÄhRtE KRItERIEn mit entsprechenden Nachhaltigkeitskri- WISSEn WEItERGEBEn terien können dabei helfen, Produktion und Konsum in eine nachhaltigere Rich- In den ASEAN-Staaten besteht mit Blick tung zu lenken. Daher hat das Öko-Insti- Die Wissenschaftlerinnen und Wissen- auf eine nachhaltige Entwicklung gro- tut im Auftrag des Umweltbundesamtes schaftler des Öko-Instituts arbeiten ßer Handlungsbedarf, denn ihre Primär- gemeinsam mit der HEAT GmbH im Pro- aber nicht nur an Grundlagen – sie energienachfrage ist in den vergange- jekt „The Blue Angel for Stationary Room sind seit 2012 kontinuierlich jedes Jahr nen zwei Jahrzehnten geradezu explo- Air Conditioners“ die Grundlagen dafür mehrfach für unterschiedliche Projekte diert: Vor achtzehn Jahren lag sie bei geschaffen, den Blauen Engel für Raum- in der ASEAN-Region, um ihre Nachhal- 273 Millionen Tonnen Öläquivalenten, klimageräte zu entwickeln. „Damit ha- tigkeitskompetenz direkt weiterzuge- 2014 schon bei 620 Millionen Tonnen. ben wir eine Vergabegrundlage gelegt, ben, so etwa im Rahmen der Internatio- Für 2040 erwarten Schätzungen hier die hierzulande, aber auch für asiatische nalen Klimaschutzinitiative (IKI) sowie eine Primärenergienachfrage von 1,350 Märkte gelten kann.“ Mit Erfolg: „Im März im Rahmen der Exportinitiative für Um- Millionen Tonnen Öläquivalenten. „Das 2018 wurde der erste Blaue Engel für ein welttechnologien des Bundesumwelt- Bewusstsein für sozial und ökologisch Raumklimagerät mit einem sehr nied- ministeriums. „Wir führen zum Beispiel nachhaltiges Wirtschaften und Konsu- rigen Treibhausgaspotenzial und einer Workshops zu politischen Strategien mieren steht in diesen Ländern hinge- hohen Energieeffizienz an ein chinesi- und Instrumenten für mehr Nachhaltig- gen leider noch ganz am Anfang“, so sches Unternehmen vergeben“, erklärt keit, aber auch zu konkreten Methoden der Experte vom Öko-Institut, „gleich- der Wissenschaftler. durch“, so der Senior Researcher, „dabei zeitig stehen natürlich, wie eigentlich in Ziel von Projekten wie diesen ist es, Um- vermitteln wir unter anderem unser Deutschland auch, oft ökonomische In- weltstandards nicht nur in einigen, son- Wissen zur Integration von sozialen Kri- teressen einem ambitionierten Schutz dern in vielen Ländern zu harmonisieren. terien, Lebenszykluskosten und Ökobi- von Umwelt und Menschenrechten im „Das macht es auch für die Unterneh- lanzen in der öffentlichen Beschaffung.“ Weg.“ men einfacher, die dann nicht für jedes Ziel ist es bei diesen von der GIZ un- Land einen anderen Standard erfüllen terstützten Projekten auch, vor Ort Schon heute besteht ein hohes Poten- müssen und so eine höhere Investiti- Schlüsselakteure zu identifizieren und zial, Energie und Treibhausgasemissio- onssicherheit haben“, sagt Prakash, „die auszubilden, die das erworbene Wis- nen einzusparen – mit den richtigen langfristige Vision sind weltweit einheit- sen anschließend anwenden, aber auch Instrumenten. Wie das funktionieren liche Umweltzeichen, deren Kriterien ge- weitertragen können. Dazu gehören kann, zeigt etwa ein Blick auf Kälte- meinschaftlich entwickelt werden.“ Vertreterinnen und Vertreter aus Mi- und Klimaanlagen. Diese haben zum nisterien, Umweltbehörden oder auch Beispiel in Thailand schon heute einen Aber nicht nur bei Produkten, auch bei nationalen Beschaffungsstellen eben- Anteil von etwa 25 Prozent an den ge- komplexen Dienstleistungen berät das so wie Mitarbeiterinnen und Mitarbei- samten Treibhausgasemissionen, da- Öko-Institut im Rahmen der Exportini- ter von Umweltzeichenträgern und von entfallen circa 80 Prozent auf das tiative für Umwelttechnologien des Industrieverbänden. Denn die Weiter- Konto der Klimaanlagen. Es wird zudem Bundesumweltministeriums und in gabe von Wissen und Kompetenzen erwartet, dass sich die Emissionen aus Zusammenarbeit mit der Deutschen hört an diesem Punkt im Optimalfall diesem Bereich bis 2030 verdreifachen Gesellschaft für Internationale Zusam- noch lange nicht auf. Sondern führt zu werden. „Diese Geräte sind aber auch menarbeit (GIZ) Entscheidungsträge- vielen weiteren kompetenten Akteu- wegen der verwendeten klimaschädli- rinnen und -träger vor Ort dabei, öko- rinnen und Akteuren, von deren Erfah- chen Kältemittel sehr bedenklich“, sagt logische Standards und Leitlinien zu rungen in Zukunft weitere Menschen Prakash. entwickeln – so etwa bei Energiedienst- und Institutionen profitieren werden. leistungen oder im Einzelhandel. „Der Energieverbrauch im Dienstleistungs- Christiane Weihe sektor wächst in der ASEAN-Region rasant, nicht zuletzt aufgrund des Wirt- schaftswachstums und der voranschrei- tenden Urbanisierung“, betont Prakash. Das deutsche Umweltzeichen Blauer Engel ist aus Sicht des Öko-Instituts richtungsweisend und hat mittlerweile mehrere Vergabekriterien für komplexe Siddharth Prakash ist seit 2008 für das Öko-Insti- Dienstleistungen entwickelt, um so ein tut tätig. Der Senior Researcher befasst sich hier wichtiges Zeichen gegen den wachsen- vor allem mit den Themen Nachhaltiger Konsum den Energiebedarf des Dienstleistungs- und Nachhaltige Produkte sowie Ressourcen- sektors zu setzen. „Daher prüfen wir wirtschaft. In diesem Zusammenhang arbeitet Prakash im Institutsbereich Produkte & Stoffströ- nun die Eignung von anspruchsvollen me unter anderem zu Produktbewertung und Etwa 25 prozent der thailändischen Standards des Blauen Engels für ausge- Labelling sowie Sozial- und Umweltstandards in treibhausgasemissionen werden von wählte Dienstleistungen in der ASEAN- globalen Wertschöpfungsketten. Kälte- und Klimaanlagen verursacht. Region“, so der Senior Researcher. s.prakash@oeko.de
12 IM FOKUS Unternehmerische Verantwortung Umweltschutz und Menschenrechte Ein gefährliches Pestizid, das in der EU schon längst Bei internationalen Aktivitäten verlassen sich deutsche Unter- nicht mehr zugelassen ist, wird im Ausland verkauft. nehmen oftmals auf die Gesetzeslage vor Ort, deren soziale und ökologische Standards, Pflichten und Grenzwerte aber in Kupfer für deutsche Produkte wird in einer Mine ab- vielen Fällen unter jenen liegen, die hierzulande gelten. Kön- gebaut, deren Arbeits- und Sicherheitsbedingungen nen sie also angesichts fehlender Regelungen Produkte ver- dem deutschen Recht in keinster Weise genügen. Ein treiben oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die Men- deutsches Schiff wird in Bangladesch unter Bedin- schen und Umwelt gefährden? Auf keinen Fall, sagt Dr. Nele Kampffmeyer vom Öko-Institut. „Neben den jeweiligen natio- gungen abgewrackt, denen keine hiesige Behörde nalen Regelungen gibt es seit 2011 die UN-Leitprinzipien für zustimmen würde. Die Geschäftsaktivitäten deut- Wirtschaft und Menschenrechte. In diesen hat die Staatenge- scher Unternehmen erstrecken sich rund um den Glo- meinschaft 31 Prinzipien für menschenrechtliche Sorgfalts- bus, sie produzieren international und vertreiben ihre pflicht formuliert. Sie betreffen die staatliche Verpflichtung, Menschenrechte zu schützen, die unternehmerische Verant- Produkte weltweit. Dabei halten sie die Sozial- und wortung, Menschenrechte zu achten sowie den Zugang zu Umweltstandards, die hierzulande gelten, oftmals effektiver gerichtlicher und außergerichtlicher Abhilfe für nicht ein. Was sind die Folgen dieses Handelns und Betroffene.“ Alle Staaten sind dazu angehalten, nationale Ak- wie können Unternehmen stärker in die Pflicht ge- tionspläne zur Umsetzung und Verbreitung der UN-Leitprin- zipien zu erarbeiten. „Leider hat sich die deutsche Regierung nommen werden? in ihrem Aktionsplan für eine extrem unverbindliche Lösung
13 entschieden, die auf Freiwilligkeit statt rechten besser werden kann. Anhand für nachhaltige Textilien hat sich das auf verpflichtende Regelungen setzt“, von drei Fallbeispielen – der Abwra- Öko-Institut mit den Nachhaltigkeits- sagt die Wissenschaftlerin aus dem ckung von Schiffen in Bangladesch, anforderungen an die Textilbranche be- Bereich Umweltrecht & Governance, dem Kupferbergbau in Peru und dem fasst. „Wir haben analysiert, wie sich die „dabei ist inzwischen mehr als klar: Nur internationalen Vertrieb von Pestiziden, verbindlichen Ziele des Bündnisses am- mit freiwilligen Lösungen bekommt die hierzulande nicht zugelassen sind, bitioniert umsetzen lassen, und haben man die meisten Unternehmen nicht – hat das Projektteam Anforderungen dabei unter anderem gezeigt, warum dazu, ihrer menschenrechtlichen Sorg- an Politik und Wirtschaft formuliert. etwa klare Vorgaben für Risikoanaly- faltspflicht konsequent und umfassend „Viele Schiffe deutscher Reedereien sen, eine höhere Transparenz und Maß- nachzukommen und die hierfür not- kommen meist über Zwischenhändler nahmen, die sich mit Akteuren aus der wendigen Entscheidungen in Strategie zur Verschrottung nach Bangladesch. tieferen Lieferkette befassen und nicht und Management zu treffen. Und jene, Sie werden hier direkt am Strand und nur mit direkten Geschäftspartnern, die sich um Nachhaltigkeit ohnehin kei- nicht fachgerecht entsorgt, so dass sinnvoll sind“, erklärt die Wissenschaft- ne Gedanken machen, sowieso nicht.“ Mensch und Umwelt gefährlichen Stof- lerin. Die Analyse „Das Textilbündnis: fen wie Schwerölen oder Asbest ausge- ambitioniert und transparent?“ fordert setzt sind“, erklärt Cara-Sophie Scherf, ebenfalls eine stärkere Regulierung: „Es Wissenschaftlerin vom Öko-Institut, ist sehr begrüßenswert, dass sich Unter- „dies ist nach internationalem und eu- nehmen in diesem freiwilligen Bündnis ropäischem Recht verboten – es wird engagieren. Es braucht solche Initiati- Zeit, dass der deutsche Staat dies kon- ven vor allen Dingen für die Entwick- sequenter durchsetzt.“ Auch und vor lung von praktischen Lösungsansätzen. allem seien aber die Reedereien in der Für einen fairen Wettbewerb müssten Pflicht, die Missstände zu beheben – in aber alle deutschen Textilunterneh- erster Linie, indem sie geltendes Recht men verpflichtet werden, bestimm- respektieren, aber etwa auch, indem te Mindeststandards einzuhalten.“ sie auf die Recyclingstandards beim Eine zentrale Forderung des Öko-Insti- Menschenrechte Leasing von Schiffen achten. Mit Blick tuts ist darüber hinaus, Klagemöglich- auf Pestizide und den Kupferbergbau keiten von Geschädigten zu stärken. Schutz, achtung und abhilfe – fordert Kampffmeyer ebenfalls klare „Wer durch das umweltschädigende Die Vereinten nationen haben unter Maßnahmen von Politik und Unterneh- Verhalten eines deutschen Unterneh- der Überschrift „protect, Respect men: „So sollten zum Beispiel hochgif- mens, eines Tochterunternehmens and Remedy“ 31 prinzipien tige Pestizide, die in der EU nicht zu- oder eines Zulieferers in seinen Rech- für menschenrechtliche Sorgfalts- gelassen sind, mit einem Exportverbot ten verletzt wird, sollte die Möglichkeit pflichten formuliert. belegt werden“, sagt sie, „mit Blick auf bekommen, diese nach deutschem den Kupferbergbau in Peru sollten Un- Recht vor einem deutschen Gericht ternehmen sich aktiv und auch finanzi- auf Schadenersatz zu verklagen“, for- ell für verbesserte Bedingungen in den dert die Wissenschaftlerin, „hierfür VERantWORtUnG FÜR Abbauländern engagieren.“ braucht es unter anderem eine Aus- MEnSCh UnD UMWElt weitung der Haftung deutscher Un- Neben Maßnahmen für die jeweiligen ternehmen und einen vereinfachten Fallbeispiele sind im Working Paper Zugang von Geschädigten aus anderen Die UN-Leitprinzipien sind ein wichtiger auch Empfehlungen zu branchenüber- Ländern zu den deutschen Gerichten.“ Schritt für nachhaltiges Wirtschaften. greifenden Instrumenten zu finden. „Wir „Leider gibt es kein vergleichbares Rah- halten es etwa für sinnvoll, auch hierzu- Christiane Weihe menwerk, das sich mit dem Umwelt- lande rechtlich verbindliche Sorgfalts- schutz befasst“, so Kampffmeyer. Die pflichten einzuführen wie es sie seit menschenrechtlichen Sorgfaltspflich- 2017 in Frankreich gibt“, so Dr. Nele ten sind jedoch auch aus Umweltsicht Kampffmeyer, „dort wird von großen von Bedeutung. „Mangelnder Umwelt- Unternehmen verlangt, dass sie entlang schutz kann zu Menschenrechtsverlet- der gesamten Wertschöpfungskette Ri- zungen führen“, sagt sie, „so wirken sich siken für Mensch und Umwelt identifi- viele Umweltschäden beispielweise zieren und ihnen vorbeugen. Verletzen direkt auf das Recht auf Leben und Ge- sie diese Pflicht, kann dies sehr hohe Die Soziologin Dr. Nele Kampffmeyer widmet sundheit aus.“ Bußgelder nach sich ziehen.“ sich am Öko-Institut Fragen der Nachhaltigkeits- governance sowie der Green Economy, aber auch Im Projekt „Umweltschutz wahrt Men- unternehmerischen Nachhaltigkeitsstrategien schenrechte! Deutsche Unternehmen MEhR pFlIChtEn, MEhR REChtE sowie unternehmerischem Engagement. Im Be- reich Umweltrecht & Governance untersucht sie in der globalen Verantwortung“ hat dabei unter anderem die Nachhaltigkeit in weit das Öko-Institut analysiert, wie in den verzweigten Lieferketten sowie die Nachhaltig- globalen Wertschöpfungsketten der In einem weiteren Projekt für die zivil- keitsberichterstattung von Unternehmen. Schutz von Umwelt und Menschen- gesellschaftlichen Akteure im Bündnis n.kampffmeyer@oeko.de
14 IM FOKUS I INTERVIEW „Uns verbindet der austausch von Wissen und eine gemeinsame Vision für eine nachhaltigere Welt – egal, woher wir kommen.“ Die ghanaische hauptstadt accra steht vor einem gewaltigen Müllproblem. Das Müllaufkommen wächst gemeinsam mit der Bevölkerung rapide an. Deponien stoßen an ihre Grenzen. Von abfällen verstopfte abwasserkanäle verursachen schwerwiegende Überschwemmungen. In agbogbloshie am Rande von accra wird Elektroschrott unsachgemäß verwertet – mit schwerwiegenden Folgen für Menschen und Umwelt. Desmond appiah will diesen problemen begegnen: Im auftrag des Bürgermeisters Mohammed adjei Sowah ist er dafür verantwortlich, das abfallmanagement der Stadt neu zu strukturieren. Im Interview mit eco@ work spricht appiah über vielversprechende ansätze ebenso wie über die Zu- sammenarbeit mit europäischen Expertinnen und Experten. herr appiah, wie ist das abfallsystem Bürgerinnen und Bürger davon abhal- bewusst zu machen, wenn es um die in accra organisiert? ten sollen, gegen die Abfallgesetze zu Wahrnehmung von und das Verständ- Seit 2016 müssen die Verursacher für verstoßen. Am effektivsten werden aus nis für Nachhaltigkeit geht. Die Exper- den Abfall bezahlen, dies soll die fi- meiner Sicht die Durchsetzung dieser tinnen und Experten, mit denen ich bis- nanzielle Belastung des öffentlichen Regelungen sowie die Sensibilisierung lang zusammengearbeitet habe, hatten Sektors minimieren. Dadurch haben der Bevölkerung sein. Zudem braucht hier aber alle ein sehr gutes Verständnis. sich die Abfallsammelraten und Ab- es natürlich Investitionen in die Infra- deckungsquoten erhöht, doch die pri- struktur. Und was können die Europäer in Gha- vaten Abfallunternehmen erreichen na lernen? trotzdem keine hundertprozentige Welche Erfahrungen haben Sie in der Lassen Sie es mich so sagen: Wir lernen Abdeckung. Etwa 25 bis 30 Prozent Zusammenarbeit mit europäischen alle gemeinsam, dass es unterschied- des Abfallaufkommens werden daher nachhaltigkeitsexpertinnen und -ex- liche Wege gibt, das gemeinsame Ziel derzeit von informellen Akteuren ein- perten gemacht? einer gerechten und nachhaltigen Welt gesammelt. Wir brauchen ihren Einsatz, Die gemeinsamen Projekte waren zu erreichen. Hier und da mögen ein um die Lücken zu schließen, müssen durch eine sehr effektive und konzen- paar Nachjustierungen unserer Sicht- ihre Arbeit aber auch anständig regeln. trierte Zusammenarbeit gekennzeich- weisen nötig sein, aber schlussendlich Deswegen registriert die Stadtverwal- net und haben mich in vielerlei Hinsicht stecken wir da alle zusammen drin. tung alle informellen Sammler, bietet auch auf meine aktuelle Rolle vorberei- ihnen Gesundheits- und Sicherheitstrai- tet, Accra zu einer nachhaltigeren Stadt Vielen Dank für das Gespräch. nings an und hilft ihnen, aus ihrer Tätig- zu machen. Durch die Kooperationen Das Interview führte Christiane Weihe. keit ein offizielles oder halb-offizielles kann ich zudem mein Wissen erweitern Gewerbe zu entwickeln. und über aktuelle Trends und Innova- Eine Langfassung des Interviews finden tionen auf dem Laufenden bleiben. Sie online unter: blog.oeko.de Welche pläne haben sie außerdem für das abfallmanagement? Ich mag es außerdem, mich mit Kolle- Gemeinsam mit einem Team, das der ginnen und Kollegen auszutauschen, Bürgermeister eingesetzt hat, analysie- die vielleicht auch eine andere Pers- re ich die gesamte Wertschöpfungsket- pektive haben als ich, und Erkenntnis- te des Abfallmanagements – von der se zu teilen. Auch nach dem offiziellen Entstehung über die Sammlung und Projektabschluss interessiert mich ihre den Transport bis hin zur Vorbehand- professionelle Meinung. Uns verbindet lung und zum Recycling oder zur Be- der Austausch von Wissen und eine ge- seitigung. Zu meinen Aufgaben gehört meinsame Vision für eine nachhaltigere auch, die Leistungen der privaten Ab- Welt – egal, woher wir kommen. fallunternehmen zu überprüfen. Was sollten die europäischen Exper- Wie lassen sich die abfallprobleme am tinnen und Experten wissen, bevor sie Im Interview mit eco@work: Desmond Appiah, wirksamsten bekämpfen? in Ghana arbeiten? Berater des Bürgermeisters von Accra zu den Zum einen durch strengere Strafmaß- Ich glaube am wichtigsten ist es, sich Themen Resilienz und Nachhaltigkeit sowie nahmen, die Unternehmen, aber auch den riesigen kulturellen Unterschied Berater im Städtenetzwerk C40.
IM FOKUS I PORTRÄTS 15 Cara-Sophie Scherf Dr. Sabine Ferenschild Dr. Carolijn terwindt Wissenschaftlerin am Öko-Institut Wissenschaftlerin (SÜDWIND e.V.) Senior Legal Advisor (ECCHR) Mehr als 30 von ihnen hat sie ange- Sie wollte weiter vorne anfangen. Ganz Recht und Gesetz sind für sie nicht in schrieben. Wollte erfahren, warum sie am Anfang der Textilindustrie. Und stieß Stein gemeißelt. Sondern etwas, das ihre ausgedienten Schiffe unter sozial auf Kinderarbeit. „Vor etwa vier Jahren sich im Zuge der Globalisierung wei- und ökologisch unzumutbaren Be- fiel mir eine Studie des indischen Prayas terentwickeln kann und muss. „Ich dingungen abwracken. Eine Antwort Centre for Labor Research and Action, arbeite zur Frage, wie europäische Un- bekam sie von keiner der deutschen kurz PCLRA, zur Kinderarbeit bei der ternehmen, die außerhalb von Europa Reedereien, deren Schiffe nachweislich Entkernung von Baumwolle in die Hän- produzieren, für Menschenrechtsverlet- in Bangladesch entsorgt wurden. „Zu de“, sagt Dr. Sabine Ferenschild, „denn zungen in ihren Tochterunternehmen Beginn des Projektes „Umweltschutz wenn wir die Arbeitsbedingungen in oder bei ihren Zulieferfirmen im Aus- wahrt Menschenrechte!“ bin ich davon der Textilindustrie bewerten wollen, land haftbar gemacht werden können“, ausgegangen, dass es hier eine Geset- müssen wir die gesamte Lieferkette sagt Dr. Carolijn Terwindt. Sie begleitet zeslücke gibt“, sagt Cara-Sophie Scherf, betrachten, also auch die Baumwoll- etwa eine Zivilklage gegen das Textil- „im Projektverlauf wurde dann deut- produktion.“ Mit einem der Autoren unternehmen Kik vor dem Landgericht lich, dass die Reedereien bestehendes der PCLRA-Studie arbeitet die wissen- Dortmund, die sich mit dem Brand in EU- und internationales Recht nur ge- schaftliche Mitarbeiterin vom Institut einer Textilfabrik in Karatschi (Pakistan) schickt umgehen. Fast alle stellen ihre SÜDWIND, das sich für eine gerechte befasst. 259 Menschen starben dort Geschäftsinteressen damit über nach- Weltwirtschaft einsetzt, inzwischen eng 2012, geklagt wird von Überlebenden haltiges Handeln.“ zusammen – so wie mit vielen anderen und Angehörigen. „Kik war ein indirek- zivilgesellschaftlichen Partnerorganisa- ter Arbeitgeber“, so die Juristin von der Die Expertin vom Öko-Institut schätzt tionen in Ländern des globalen Südens. Menschenrechtsorganisation ECCHR die wissenschaftsbasierte Beratung, die „Es ist ein wechselseitiger Prozess: Wir (European Center for Constitutional and es erlaubt, auf Basis differenzierter Ana- erhalten umfassende Informationen Human Rights). „Wenn die Klägerinnen lysen Lösungsvorschläge zu erarbei- über die Situation vor Ort und können und Kläger Recht bekommen, könnte ten und dort Position zu beziehen, wo unsere Partner – so auch Gewerkschaf- das den Weg für bessere Arbeitsbedin- Missstände zu kritisieren sind. Hierbei ten – unter anderem durch unser Netz- gungen in den Fabriken und auch für begegnet sie auch immer wieder Unter- werk politisch unterstützen.“ weitere Klagen dieser Art ebnen – es nehmen, die Positives bewirken wollen wäre ein Präzedenzfall.“ – Scherf beriet diese bereits während ih- Dr. Sabine Ferenschild will den Stimmen rer vorherigen Tätigkeit unter anderem der Partnerorganisationen Gehör ver- In einem weiteren Fall hat Terwindt eine zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien schaffen – auch bei einer Konferenz der Beschwerde bei der Nationalen Kon- für Wirtschaft und Menschenrechte. „Es Zivilgesellschaft im Bündnis für nach- taktstelle für die OECD-Leitsätze (NKS) handelt sich aber immer noch um zu haltige Textilien im November 2018, bei gegen den TÜV Rheinland begleitet. wenige Unternehmen, die das Thema der es um existenzsichernde Löhne ge- Dieser hatte bei einer Kontrolle der Ar- Nachhaltigkeit konsequent angehen“, hen wird. „Dabei widmen wir uns auch beits- und Sicherheitsbedingungen im sagt sie. Die Wissenschaftlerin fordert der Frage, was diese Organisationen für Rahmen eines so genannten Audits gra- daher eine stärkere Regulierung und ihre Arbeit vor Ort brauchen“, sagt sie, vierende Mängel im bangladeschischen von Unternehmen eine langfristige Per- „nur im Austausch mit ihnen können Fabrikkomplex Rana Plaza übersehen. spektive: „Je konkreter die Anforderun- wir lernen, welchen Weg wir konkret „Eine Reform dieser Audits mit Blick auf gen werden – und darauf arbeiten wir einschlagen müssen, um für gerechte ihre Transparenz und Finanzierung ist hin –, umso mehr kann aus heutigem Arbeitsbedingungen in jenen Ländern überfällig“, sagt Terwindt, „dies hat auch Engagement morgen ein Wettbewerbs- zu sorgen, die für uns produzieren.“ die NKS in ihrer abschließenden Erklä- vorteil werden.“ cw cw rung anerkannt.“ cw c.scherf@oeko.de ferenschild@suedwind-institut.de terwindt@ecchr.eu
16 aRBEIt I RÜCKBLICK Verantwortungsvolles Genome Editing Genome Editing bezeichnet neue gen- auch das Risiko von unbeabsichtigten gesellschaftliche Bewertung“, fordert technische Arbeitsweisen, durch die Auswirkungen auf das Genom.“ der stellvertretende Leiter des Bereichs besonders zielgerichtete Eingriffe in Produkte & Stoffströme. Entwickler und das Erbgut von Organismen und so Nach der Entscheidung des Europä- Anwender tragen eine hohe Verantwor- neue Funktionalitäten möglich werden. ischen Gerichtshofs, dass diese Ver- tung für die Auswirkungen auf Men- „Dadurch könnten etwa Pflanzen einfa- fahren und dadurch gewonnene Or- schen und Umwelt. „Wichtig ist daher cher, schneller und präziser gezüchtet ganismen grundsätzlich unter die eine umfassende Begleitforschung, die werden, die dann gegen Krankheiten Gentechnikrichtlinie fallen, hat das analysiert, inwiefern Genome Editing resistent sind und deren Anbau weni- Öko-Institut ein Positionspapier ver- umweltschädliche Praktiken in der ger Dünger und Pestizide benötigt“, öffentlicht. „Wenn eine verantwor- Landwirtschaft und in anderen Berei- erklärt Martin Möller vom Öko-Institut, tungsvolle Anwendung gewährleistet chen ablösen kann und welche Risiken „hier liegen Chancen für eine nachhal- werden soll, braucht es eine fundierte möglicherweise vorhanden sind.“ cw tige Landwirtschaft, gleichzeitig gibt es Chancen-Risiken-Analyse sowie eine Sechs Säulen für nachhaltigen Konsum Von wirklicher Nachhaltigkeit ist unser Konsum heute weit werden und strukturelle Veränderungen in Gang bringen entfernt. „Wir überschreiten in ökologischer Hinsicht die pla- können“, sagt Projektleiterin Quack, „eine zweite Säule ist die netaren Grenzen – das betrifft die Menge unseres Konsums Stärkung von Suffizienz, also ein Weniger an Konsum und Pro- ebenso wie die Art und Weise, wie Produkte her- und bereit- duktion, sie hilft vor allem bei ökologischer Nachhaltigkeit.“ gestellt werden“, sagt Dr. Dietlinde Quack vom Öko-Institut, Als weitere Säulen nennt das Working Paper einen systemi- „aber auch in sozialer Hinsicht ist die Produktion von Konsum- schen Politikansatz, der die vielfältigen Ursachen von Um- gütern oftmals alles andere als nachhaltig.“ Das betrifft vor welt- und Nachhaltigkeitsproblemen ebenso berücksichtigt allem Deutschland und westliche Industrieländer, aber auch wie die Hemmnisse nachhaltigen Konsums in unterschiedli- weltweit ist ein nachhaltiger Konsum in weiter Ferne. chen Bedürfnisfeldern, sowie die Adressierung von sozialen Gerechtigkeitsfragen in politischen Maßnahmen. „Die fünfte Wie kann es gelingen, jenseits von Nischen nachhaltige Kon- Säule schließlich sieht vor, die direkte Innovationsförderung, sumweisen zu verbreiten und eine umfangreiche gesellschaft- die sich derzeit stark auf Technologien und Produkte ausrich- liche Transformation in die Wege zu leiten? Mit diesen Fragen tet, auf institutionelle und soziale Innovationen zu erweitern“, beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- sagt die Wissenschaftlerin, „in der sechsten Säule schließlich ler des Öko-Instituts im Working Paper „Nachhaltiger Konsum empfehlen wir, alle relevanten Akteurinnen und Akteure in – Strategien für eine gesellschaftliche Transformation“. Sie be- den Transformationsprozess einzubeziehen.“ schreiben darin sechs strategische Säulen, durch die eine sol- che Transformation gelingen kann. „Zum einen gilt es, klare Das Öko-Institut richtet sich mit seinen Empfehlungen an Prioritäten zu setzen und jene Maßnahmen zu identifizieren, Vertreterinnen und Vertreter der Politik, aber auch all jene ge- die die größte positive Wirkung haben, die voraussichtlich ak- sellschaftlichen Gruppen, die sich für nachhaltigen Konsum zeptiert und umgesetzt werden, vielleicht sogar nachgeahmt einsetzen. cw
17 Smart Region Digitale Technologien haben unser Leben in fast allen Berei- Im Auftrag der ENTEGA Stiftung nahm das Projektteam unter chen grundlegend verändert und werden dies auch in Zu- anderem Literaturauswertungen vor und führte ausführliche kunft tun. Wir teilen uns Verkehrsmittel über Car-Sharing, die Interviews mit vielen Akteurinnen und Akteuren aus Politik Stromversorgung wird besser vernetzt und optimiert, über und Verwaltung, Wirtschaft und Unternehmen, Verbänden Apps und andere Anwendungen sind wir sogar mit öffent- und Wissenschaft. Auf dieser Grundlage wurden für vier zen- lichen Stellen verknüpft. „Es ist ein Strukturwandel im Gan- trale Themenbereiche – Energie und Gebäude, Mobilität, ge, der viele Chancen bietet und neue Handlungs- und Ge- Government sowie Wirtschaft – konkrete Handlungsempfeh- schäftsfelder öffnet“, sagt Michael Sailer, „gleichzeitig braucht lungen für die Zukunft formuliert. „Wichtig ist zum Beispiel ein dieser Wandel aber auch Regulierung und gesellschaftliche forcierter und gut koordinierter Ausbau der Energie-, Daten- Gestaltung.“ und Gebäudeinfrastruktur“, erklärt Projektleiter Sailer, „dazu gehören Glasfaserleitungen bis zu den Endverbraucherinnen Wie stark hat sich die Digitalisierung in der Region Darmstadt und -verbrauchern ebenso wie multifunktionale Straßenlater- Rhein Main Neckar schon durchgesetzt und welche Hand- nen.“ Ein wichtiger Punkt ist aus Sicht des Projektteams unter lungsfelder sind besonders relevant für eine nachhaltige und anderem auch eine intelligente Mobilität, die sich mit der Ver- zukunftsfähige Weiterentwicklung der Region? Diese Frage netzung von Mobilitätsangeboten befasst. „Darüber hinaus hat das Öko-Institut gemeinsam mit der Quadriga Hochschu- braucht es übergreifende Maßnahmen für ein Gelingen: eine le und B.A.U.M. e. V. im Projekt „Smart Region Darmstadt Rhein zentrale Koordinationsstelle für alle Aktivitäten sowie eine Main Neckar“ analysiert. „Der Begriff Smart Region beschreibt klare Kommunikationsstruktur und ein zielgenaues Kommu- eine Region, in der zukunftsweisende Konzepte für eine inte- nikationskonzept“, sagt Michael Sailer. cw grierte Entwicklung erarbeitet werden“, so der Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts. Umweltpolitik im 21. Jahrhundert Umweltpolitik ist immer wieder mit Deutsche Institut für Entwicklungspoli- und individueller (Konsum-)Freiheit neuen Problemen und Herausforderun- tik (DIE) und die IFOK GmbH – hat dabei umgehen? Wie lässt sich Umweltpolitik gen konfrontiert. Wie diesen begegnet ausgewählte strategische Fragen ana- „entwicklungssensibler“ ausgestalten? werden kann, damit hat sich das Pro- lysiert: Was kann aus den vergangenen Die Abschlusskonferenz im September jekt „Umweltpolitik im 21. Jahrhundert Dynamiken von Umweltpolitik gelernt 2018 war nun der Diskussion der Pro- – Ansätze zur Bewältigung neuartiger werden? (Wie) Können Narrative und jektergebnisse gewidmet. „In parallelen Herausforderungen“ im Auftrag des Diskurse strategisch für die Umweltpo- Themengruppen wurden die Ergebnis- Umweltbundesamtes befasst. Das Team litik genutzt werden? Welche Chancen se vorgestellt“, sagt Wolff, „und danach um Projektleiterin Franziska Wolff vom und Risiken birgt eine Ökonomisierung unterzogen Paneldiskutanten unsere Öko-Institut – beteiligt waren zudem von Umwelt? Wie kann Umweltpolitik Politikempfehlungen einem Realitäts- die Universitäten Freiburg und Tübin- mit dem (scheinbaren) Widerspruch Check.“ cw gen, die Freie Universität Berlin, das zwischen nachhaltiger Entwicklung
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