Notiert 84 DIE Mitteilungen für Freunde und Förderer der DPSG Frühjahr/Sommer 2021
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Mutlosigkeit, INHALT Resignation, Befürchtungen, Angst und THEMA Sorgen, Aus- Corona, geliefert sein, ein Wort, das uns Unsicherheit. nicht mehr Einsamkeit. Corona updated W verlassen orte, wird. Ge nauso wie die mir 8 Die aktuelle Lage analysie indieser die Pande ren – für die Zukunft rüsten mie selbst langen Lockdown DPSG 9 Corona und die Kirche und weiter zeit immer wieder folgende. Die Alten wußten schon, einmal begegnen. Und 8 12 Rückkehr zur »Normalität« – was sie als Apokalypse be die ähnlich auch schon aber welche? schrieben. Wir werfen einen Blick auf Zusammenhänge. andere oft beschäftigt haben. Zwei von ihnen waren nach dem Tod Jesu auf dem Weg nach Emmaus. Sie muss 3 Editorial Dem »Ruf ten weg von allem, was nicht mehr so war, von Trier«, wie es vorher war oder was sie sich ge 4 Mitglieder und Freunde dem Be jugendhaus düsseldorf wünscht hatten. So wie wir gerne endlich 6 2 Fragen an Thomas Römer kenntnis der katholischen einmal wieder Ferien machen wollen, um 14 Aus der Geschichte der DPSG: Jugendver auf andere Gedanken zu kommen. 90 Jahre »Ruf von Trier« bände 1931, Wir kennen die Geschichte: Jesus »Wir sind treu, oder wir folgte auch kommt mit dazu. In der »Volxbibel« heißt es 14 sind nicht!« die dazu: »Sie waren aber so verpeilt, dass sie DPSG. Und wurde in den 15 Wilheln Johannes Werner – Verband aufgenommen. nicht kapierten, wer das war.« (Lk 24,16) 1931 Erster Reichsfeldmeister Ein Bild von Janet Brooks-Gerloff in der 1948 Bundeskurat Benediktinerabtei Kornelimünster, Aachen, 50 Jahre F+F: gibt diese Szene für mich bewegend wieder. 17 Von Altenberg nach Trier Wir sind in Die DPSG 1929 bis 1931 die Jahre Die dunklen Gestalten mit den dunklen Ge gekommen, danken der Jünger. Und eine Lichtgestalt, 21 Aus dem F+F Bundesverband aber stets kaum fassbar, sich schon wieder entziehend. 22 50 Jahre Freunde+Förderer jung geblie Sie sind auf dem Weg. Einem Weg, an des 25 Aus der DPDG ben. Dank sen Ende es ihnen wie Schuppen von den des großen 27 I nterkulturelle Reflexionen: Augen fallen wird. Sie verstehen, was hin Disney Engage 22 Eine Urkraft hat den ments unser Mitglieder und Urknall erzeugt den vielen Neuzugängen im Laufe der Jahre. 30 Aus den Diözesen 33 Pfadfinderarchive Die 34 Das ultimative Kochrezept Koch 36 Ein Märlein aus alter Zeit rezep te boo 37 Leser schreiben men, in 37 Impressum den Prints privat und im 38 Unsere Toten TV. Bevor 40 Unsere Neuen das begann, hat »notiert« schon Re 34 zepte vorgestellt. Mit Win 42 Bücher fried Kurrath, diesmal mit 43 Wegzeichen Michael Teichert. Titeltypografie: Dieter Kluth Emmaus
ter ihnen liegt – und was kommen wird. Schon unterwegs brennen EDITORIAL ihnen die Herzen... und am Ende ren nen sie zurück nach Jerusalem. Liebe Freundinnen und Freunde, Ist das nicht eine Ostergeschichte das Wort des Jahres 2020, vergeben von der Gesellschaft für für uns? Gerade deutsche Sprache (GfdS), heißt »Corona-Pandemie«. Es hätte in diesem Jahr? genauso gut »die Welle« heißen können. Denn wir kämpfen Jesus tut den mit einer Infektionswelle nach der anderen. ersten Schritt – auch Das Menschen immer schon mit Wellen zu kämpfen hat- auf uns zu in aller Be lastung und Unsicher ten, zeigt anschaulich unser Titelbild. Es zeigt den Farbholz- heit. Ostern beginnt da, wo schnitt »Die große Welle vor Kanagawa«, von Katshusika wir ihn mitgehen lassen, uns von Hokusai aus den Jahren 1830 bis 1832. Es ist das wohl be- ihm berühren, anstecken lassen. Anste rühmteste Bild der japanischen Malerei. cken lassen mit dem Geist der frei macht, Die Menschlein kauern hilflos in ihren Fischerbooten und mit der Liebe, die uns dann »Beine macht.« steuern doch irgendwie durch die bedrohlichen Fluten. Ich Und Hände. Ostern beginnt da, wo wir diese Freude, habe nach dem schrecklichen Tsunami der Fukushima- die die Jünger erfüllte, in unseren Alltag Katastrophe die umliegenden Regionen besucht und dort mit tragen. Wo wir andere damit anstecken. Wo vielen Menschen sprechen können. Überwiegend waren es wir Versöhnung schenken, Mut zusprechen, Frauen, deren Männer aufgrund der Welle auf See getötet Verschlossenheit und Einsamkeit aufbre wurden. Trotzdem ging für sie das Leben weiter. Eine über chen, Initiative ergreifen. Den Faden der 90 Jahre alte Dame sagte mir, sie habe das kleine Haus und Botschaft Jesu wieder neu aufnehmen. Geschäft nunmehr fünfmal nach Katastrophen wieder aufge- »Der Herr ist wirklich auferstanden!« (Lk 24,34) hören die beiden Jünger, als sie wie baut, nun muss es halt wieder so sein. Dann haben wir mit der in Jerusalem sind. Hören auch wir in den ihr und den anderen Alten in der Behelfsunterkunft das Lied Orten unserer Wohnungen, in der Zeit des von der Loreley auf Deutsch gesungen (kennen alle in Ja- Lockdowns, im Miteinander und im Feiern. pan) und sie wollte mich heiraten. Das Lied zum Gedicht von Der Herr ist wirklich auferstanden! Heinrich Heine passt schon deswegen gut, da es dort heißt: HALLELUJA! Frohe und gesegnete Ostern »die Wellen verschlingen am Ende Schiffer und Kahn«. und eine gute nachösterliche Zeit! Also, wie die alten Damen in Japan die Wellen in den Pater Guido Hügen Blick nehmen und munter da durch. Auch, wenn die große Welle bedrohlich erscheint. Der japanische Künstler hat übri- gens für seinen Holzschnitt das »Preußisch Blau« aus Berlin (gibt es seit 1706) ver- wendet. Sagt da noch jemand was gegen Interkulturalität? Beste Grüße Dr. Anton Markmiller Abtei Kornelimünster PS: Beim Gespräch mit dem Distriktchef der Krisenregion musste ich über Leitern in den ersten Stock steigen, das Erdgeschoss hatte die Welle, wie bei allen Häusern, weggerissen. Als der Dolmetscher sagte, ich käme aus Deutschland, strahlte der Chef und sagte »Beckenbauer«. Irgendwie ist die Welt doch ganz in Ordnung. F+F notiert 84 3
THEMA: Corona updated Die aktuelle Lage gestellt werden und es besteht ein großer Klärungsbe darf hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Konsequenzen. analysieren – Dies muss in der Gesellschaft dringend angegangen werden, auch um etwas gegen den Klimawandel zu für die Zukunft rüsten bewirken. Digitalisierung in Deutschland: ein Drama. Man kann viele Autos verkaufen, dann braucht man aber C orona – reines Drama oder auch Lernfeld? Seit die dafür nötigen Straßen. Es nützt wenig, alle Schüler über einem Jahr hält uns die Pandemie gefangen, mit iPads auszurüsten, wenn die Server der Schulen auch mit Auswirkungen auf unser Vereins- und die gleichzeitige Nutzung gar nicht zulassen und evtl. Verbandsleben. Trotzdem gibt es Punkte, aus denen man zu Hause kein Internetzugang möglich ist. Unterricht für die Zukunft Lehren ziehen kann. Dies wurde auch zu Hause funktioniert nur, wenn die Datenwege vor auf unserer Zoom-Videokonferenz zum Thema »Leben handen sind. Wenn ich von meinem Haus im Müns im Coronaland« deutlich. Allen Beteiligten muss man terland in den Vorort fahre, habe ich aber kein Handy zugutehalten, dass solch eine Krise seit dem 2. Weltkrieg netz mehr. Dies ist mir in Rumänien in den hintersten noch nie zu meistern war. Daher sind Schuldzuweisun Ecken des Landes nicht passiert. gen falsch. Es wusste und weiß auch niemand wirklich, Im aktuellen Kompetenzwirrwarr ist zudem nicht wie es optimal zu meistern sei. Ich möchte einmal auf klar, wer sich wirklich und sachgerecht dieses Prob einige willkürlich ausgewählte Punkte verweisen, aus lems annimmt. Es reden hier viele mit, eindeutiges denen man Lehren ziehen kann und sollte, auch um ins Handeln ist aber nicht erkennbar! gesamt besser für die Zukunft gerüstet zu sein: Der Föderalismus muss bezüglich seiner Ausge Wirtschaftlich hat sich gezeigt, dass alleiniges Pro staltung überdacht werden. Es muss möglich sein, re fitstreben unter Ausnutzung aller Möglichkeiten nicht gionale Belange auch regional zu entscheiden. Gleich zu mehr Freiheit und Wohlstand sondern zu Abhän wohl müssen Entscheidungswege vorhanden sein, die gigkeiten führt, besonders in Krisenzeiten. Wenn ein schnelle und adäquate Entscheidungen in schwerwie Land wie Deutschland nicht selbständig für sich sorgen genden Krisenzeiten ermöglichen, und zwar unter Be kann, nur auf Billigimporte aus Ländern mit niedrigs rücksichtigung unserer demokratischen Verfassung ten Arbeitsstandards wartet, ist man in einer solchen mit den dort gesetzten Verantwortlichen. Eingriffe in Abhängigkeit. So war es bei Medikamenten, Schutz die Grundrechte sollten dabei nicht die erste Wahl sein. ausrüstung und anderen Dingen. Es hat sich deutlich gezeigt, dass Entscheidungen in Mobilität ist ein großer negativer Faktor beim öko solchen Situationen der Berücksichtigung verschiede logischen Fußabdruck. Unter dem Druck der Pande ner Blickwinkel bedürfen. Es bedarf sicher des Inputs mie wurde diese erheblich verringert, ohne dass Fir von der Medizin, aber auch Pädagogen, Soziologen, men funktionsunfähig wurden. Psychologen, Wirtschaftsexperten, Logistiker, Juris Moderne digitale Medien ermöglichen vielen die ten und Techniker müssen einbezogen werden, damit Arbeit von zu Hause. Dies muss aber technisch sicher kein Aspekt vergessen wird. Vielleicht sollte man wirklich in solchen Fällen eine Experten-Taskforce einsetzen, die das Vorgehen steuert. Dann wäre die Affäre um die Osterruhetage sicher vermieden worden. Eine schöne Erfahrung war aber die Tatsache, wie flexibel und kreativ viele Pfad- finderstämme in Deutschland aber auch in der ganzen Angeregt von Wiener »Standard«. Welt reagiert haben. Das »Jamboree in the Internet«, mit 5 Millionen beteiligten Pfadfinderinnen und Pfad findern war nur eines jener tollen Zeichen, die unse re Bewegung gesetzt hat. Jede spezielle Situation be nötigt spezielle Herangehensweisen und hier hat sich das »Pfadfinden« aus meiner Sicht wieder einmal voll bewährt. Siegfried R iediger 8 F+F notiert 84
Sebastian Willnow/dpa Bischof Timmerevers, Dresden, beim Ostergottesdienst 2020. Corona und die Kirche J ohann Baptist Metz hat einmal konnte im Internet mitverfolgt werden. wacht das alles? Was geschieht, wenn gesagt: Die Kurzform für Religion Doch kann man so auch mitfeiern? »Vir zu viele kommen? Wie ist das bei Ver heißt »Unterbrechung«. In den fol- tuelle Frömmigkeit« – geht das? Das war stößen gegen die Regeln? Bischof Ger genden Überlegungen geht es um die alles gut gemeint, doch es reproduzierte hard Feige von Magdeburg sprach von Unterbrechung, die das Corona-Virus das vorkonziliare Mess-Verständnis re »ausgrenzenden« Bedingungen, nur für die katholische Kirche in Deutsch- duziert auf den Ritus, auf den die Mes die »Starken und Gesunden« könn land bedeutet. se feiernden Priester. Frauen, die sonst ten kommen, nicht die »Kranken und die Mehrzahl der Mitfeiernden stellen, Schwachen« Er fragt, ob solche Feiern Von jetzt auf gleich wurden öffentliche kamen nicht vor. Gemeinde kam nicht wirklich »den Glauben förderten« oder Gottesdienste verboten. Hat ihr man vor. Das bedeutete eine für das heuti ob sie zum »Krampf« werden. So ver che Kritik wegen der Religionsfreiheit ge Eucharistieverständnis gefährliche bot er zunächst solche »sonderbaren eingebracht. Das ging bis zu abstru klerikale Reduktion. Das wurde exem Liturgiefeiern«. sen Ideen: Im Gottesdienst und bei der plarisch deutlich, wenn Priester mit der Kommunion könne man sich nicht an Kirchen wieder offen – Monstranz einsam durch die Straßen stecken, da davon heilende Kräfte aus zogen und die Menschen segnen woll die Gläubigen aber kamen nicht gingen. Das Gegenteil wurde leider ten. Das wirkte wie eine Materialisation deutlich: Mehrere Gottesdienste unter Manche Gemeinden gingen sofort in der heilenden Gegenwart Gottes. Viele schiedlicher Kirchen wurden zu Hot die Vollen. Da nur eine begrenzte An Gläubige konnten damit nichts anfan spots. Die beiden großen Kirchen stell zahl von Gläubigen zugelassen werden gen, ich auch nicht. ten sich aber ihrer Verantwortung für konnte, wurden mancherorts zusätzli das Leben der Menschen und verboten Ausgrenzende Bedingungen che Messen eingerichtet. Doch die Ent öffentliche Gottesdienste. Das bedeute täuschung vieler Pfarrer und Gemein te einen großen Bruch im kirchlichen Dann wurden wieder öffentliche Got den folgte auf dem Fuße: Fast überall Leben. Wie damit umgehen? tesdienste erlaubt: beschränkte Zahl, wurde die zugelassene Zahl nicht er persönliche Anmeldung, Mundschutz, reicht. Man feierte wieder in fast lee Virtuelle Gottesdienste – Anwesenheitsliste, Abstand, Handschu ren Kirchen. Das mag daran liegen, das ist keine Lösung he, Desinfektionsmittel, kein gemeinsa dass manche Ältere Angst vor der An Schon bald gab es virtuelle Gottesdiens mer Gesang, Kunststoff-Schutzschilde, steckung haben. Doch ich denke, der te. Das wurde dann übertragen und Zange bei der Kommunion. Wer über Bruch geht tiefer. F+F notiert 84 9
»Ich habe eigentlich dungen und lernten, dass die durch die über zu sprechen. Da können viele er nichts vermisst« Online-Möglichkeiten nicht mehr zwin reicht werden, die mit den traditionellen gend an ihre Gemeinde vor Ort oder Messen nichts mehr anfangen können. Ein guter Freund ging regelmäßig am gar an ihre Konfession gebunden sei Sonntag in die Messe, weil er sich der Das Vermächtnis Jesu en.« Beim Fernsehen: Die Übertragung Gemeinde zugehörig fühlte, auch wenn ist der Gemeinde übergeben, des Papstsegens vor Palmsonntag hat er von Messgestaltung und Predigt sehr nicht einer Priesterkaste viele bewegt: Der einsame alte Mann, enttäuscht war. Er wurde krank und die weiße Gestalt mit mühsamen Schrit Wenn Gruppen miteinander 1 Kor 11,23- konnte ein halbes Jahr nicht in den Got ten auf dem dunklen Petersplatz, seine 25 lesen: »Ich habe vom Herrn empfan tesdienst gehen. Sein erstauntes Fazit: fragenden, ermutigenden Worte, seine gen, was ich euch überliefert habe. Dann »Ich habe eigentlich nichts vermisst.« Begrüßung von Pestkreuz und Madon folgt der älteste Einsetzungbericht, der Das bestätigt eine internationale öku nen-Ikone: Das bewegte. Doch es entwi endet: »Tut dies zu meinem Gedächt menische Studie. Uwe Beck, Pastoral ckeln sich auch freie Formen von neuen nis.« Und die Gruppe tut dies: Ist das theologe von St. Georgen in Frankfurt, resümiert: »Es sei geradezu naiv, zu denken, man könne nach der Krise in den Zustand vom Januar 2020 zurück kehren. Die Sehnsucht nach der Wieder aufnahme der Gottesdienste ist nicht so stark ausgeprägt, wie das vielleicht vor der Krise erwartet worden wäre.« Es gibt kein Zurück hinter die Corona-Krise Warum wohl? Aufgrund vieler Gesprä che wage ich eine Antwort: Wie unser kranker Freund vorher, haben viele jetzt in der erzwungenen Gottesdienstabsti nenz gemerkt, dass ihnen eigentlich picture alliance/dpa solche normalen Sonntagsgottesdiens te nicht gefehlt haben, um ihren Glau ben zu leben. Vielen ist klar geworden: dieser gewohnte aber fremde Ritus hat mich nicht mehr berührt. Ich kam mit Die katholische Kirche hat nach einer Umfrage massiv an Glaubwürdigkeit eingebüßt. meinen Fragen im Glauben nicht mehr im Gottesdienst vor. Die Predigt ging anGottesdiensten. Maria 2.0 oder die kfd kein Herrenmahl, keine Eucharistiefei mir vorbei. Interessant die Bemerkung laden zu eigenverantwortlich gestalte er? Paulus hat das Vermächtnis der Ge einiger: Das Zusammenstehen mit den ten Gottesdiensten ein. Frauen fordern meinde übergeben, nicht einer Priester anderen, das Erzählen und Quatschen ihren Platz in der Kirche und ihren Äm kaste. Das allgemeine Priestertum wird hinterher auf dem Kirchplatz – das hat tern. Vielfach werden Gemeinden von neu entdeckt und in vielen Formen ge mir gefehlt, also die Kommunikation Frauen geleitet. Wenn sie nicht ernst ge lebt. Da ist Kreativität gefragt, Fanta nach der Kommunion. Vielleicht sind nommen werden, bleiben sie weg. Im sie, Staunen, persönliche Frömmigkeit, ja auch die meisten Kirchenräume nicht Wendland gibt es schon lange wöchent Eigenverantwortung und Glauben: »Wo geeignet für kommunikativere Gottes liche Gottesdienste zur Erhaltung der zwei oder drei in meinem Namen ver dienstformen. Die Corona-Krise hat ge Schöpfung und ihre Abfälle, die dort ge sammelt sind, da bin ich mitten unter zeigt, wie morsch und menschenfremd lagert werden sollen, sowie in Büchel der ihnen.« Mt 18.20 unsere Gottesdienste waren. Dahin gibt kirchliche Aktionstag gegen die Atom es kein Zurück. waffen. Es entwickeln sich auch spon Wo ist Jesus? tane Gottesdienstgruppen in Nachbar Der tschechische Soziologe, Religions Neue Formen des Gottesdienstes schafts- und Freundeskreisen, Gruppen philosoph und römisch-katholische Uwe Beck warnt vor »Alarmismus« Er um Bildungseinrichtungen und Klös Priester Thomás Halik schrieb 2020 in weist auf neue Formen des Gottesdiens tern. Paare oder Familien treffen sich »Christ und Welt«, dass die leeren Kir tes hin. »Viele Christen suchten inzwi zum Wochenende, um sich gegenseitig chen zur Fastenzeit vielleicht ein Bild schen neue Wege, Orte und Verbin die Schriftstellen vorzulesen und dar der Zukunft seien, aber auch ein Bild 10 F+F notiert 84
des leeren Grabes, weil der Tote inzwi ihren Fragen, neue künstlerische For Wirtschaft und Politik. In den letzten schen auferstanden ist, auferstanden in men. Birgt das nicht auch neue Möglich Wochen hörten wir, dass im fernen Si eine neue Welt hinein. Dort wird er erst keiten für kirchliche Gemeinden und birien der Permafrost auftaut und In von den Seinen gar nicht erkannt. Halik Gruppen? Frauen müssen endlich den dustrieanlagen und Öltürme ins Wan erinnert an das Wort aus der Offenba ihnen zustehenden gleichen Platz in der ken bringt, da die Fundamente nicht rung (3,20): »Siehe ich stehe vor der Tü Kirche, ihren Leitungsstrukturen und mehr tragen. Ich sehe darin ein Bild re und klopfe an…« und schreibt: »Heu Ämtern finden. Ihr Ausschluss ist nicht unserer Zeit: Die Fundamente unserer te klopft jedoch Christus aus dem Innern weiter zu verantworten. Die männliche Weltgesellschaft, der Globalisierung, der Kirche und will hinausgehen. Viel Hierarchie hat keine Zukunft. »Heilige der »Strukturen, die die Reichen im leicht hat er das gerade getan.« Bei Mat Herrschaft« ist gegen die Worte Jesu mer reicher machen auf Kosten der Ar thäus, 28,6 heißt es am leeren Grab: »Er und wird von den Gläubigen nicht mehr men, die immer ärmer werden« (La ist nicht hier.« Heißt es auch so in den akzeptiert. Wir sind Suchende, Glau teinamerikanische Bischofskonferenz leeren Kirchen? Es gibt keine Rückkehr bende auf dem Weg. Papst Franziskus von Puebla, Nr. 30 1979!« zerbröseln und sind nicht mehr tragfähig für die Zu kunft. Das spüren an gesichts Corona auch die Mächtigen in Ge sellschaft, Wirtschaft und Politik. Da ist kei ne Zeit mehr für die Machtdogmatiker der alten Schule. Militär politik und Stellver treterkriege zerstören nur, töten Menschen und verbrauchen die Ressourcen, die für die Menschen gebraucht Bert Bostelmann KNA werden. Die Steige rung des Bruttosozial produktes wird die Welt nicht gerechter machen. in eine Welt, die es nicht mehr gibt. So weist vielfach in die richtige Richtung, Wir brauchen müssen wir ihn draußen suchen, drau doch fehlen neue Strukturen, die hel einen neuen Weg ßen bei den Suchenden und Fragenden, fen, die Menschfreundlichkeit Jesu heu Wo sind die Menschen, die die Corona- bei den Unsicheren und Traurigen, bei te zu leben. Dabei geht es nicht um ein Unterbrechung der scheinbaren Selbst den Armen und Schwachen. freundschaftliches Gehabe, sondern um verständlichkeiten und neue Wege, gesellschaftliche Diakonie, um Men Die männliche Hierarchie in der wirtschaftlich, sozial, ökologisch, men schenwürde für alle, Freiheit und um Kirche hat keine Zukunft schenfreundlich anbahnen und gehen? Gerechtigkeit für die Opfer. Wird die Das muss von unten her geschehen. Die, Wir dürfen auch nicht bei den Fragen, Kirche die Unterbrechung, die Corona die jetzt oben sind, haben daran kaum bei der »Unterbrechung«, die die Co bedeutet, nutzen? Interesse. Kirche kann diese neuen We rona-Krise bedeutet, wie das mit den Die Fundamente zerbröseln ge nicht weisen, wohl aber sie beglei Gottesdiensten weiter geht, stehen blei ten und ermutigen. ben. Es geht um die Zukunft der Kirche Werden die Erfahrungen der Coro P farrer F erdinand K erstiens in Deutschland. Auch da ist Neues ent na-Zeit in eine »neue Normalität« standen. Nachbarschaftsdienste über weiterführen oder geht die Entwick die Grenzen von Generationen, Kon lung zu einem nur scheinbar beque Ferdinand Kerstiens ist katholischer Theolo ge und Publizist. Der hier abgedruckte Bei fessionen und Religionen hinweg, neue men Zurück wie früher? Diese Fragen trag erschien in der pax christi Korrespon Achtsamkeit auf den Nächsten und des gelten nicht nur der Kirche, sondern denz 2/2020 des Bistums Münster und ist sen Not, nahe bei den Menschen und unserer ganzen Gesellschaft, unserer leicht gekürzt. F+F notiert 84 11
Rückkehr zur »Normalität« – Die Wirkung der Taten von Menschen auf die Erde wird schon in den älteren aber welche? Büchern, aber vor allem bei den Prophe ten, betont und angeklagt. Als Beispiel S eit Anfang des Jahres wird sehr ten können. Wir haben vergessen, dass nur zwei Stellen: »Die Erde ist entweiht oft (in Zeitungen, Radio und Fern sie ein lebendiger Organismus ist und durch ihre Bewohner: denn sie haben sehen) über ein Corona-Virus und wir die Aufgabe haben, sie zu schützen die Weisungen übertreten, die Gesetze die Krise, die es verursacht hat, gespro und nicht aus Profit auszubeuten. Des verletzt, den ewigen Bund gebrochen…« (Jes 24, 4). Später übernimmt der Pro phet Hosea diese Klage fast mit glei chen Worten,: »Es gibt keine Treue und keine Liebe und keine Gotteserkennt- nisse auf der Erde. Nein, Fluch, Betrug, Mord, Diebstahl, Ehebruch machen sich breit. Bluttat reiht sich an Bluttat. Darum wird die Erde verdorren, jeder, der dar- in wohnt wird verwelken, samt der Tie- re des Feldes und den Vögeln des Him- mels, auch die Fische im Meer werden Matthias Rittgerott – Rettet den Regenwald e.V. zugrunde gehen« (Hos 4, 1-3). Die Bücher der Bibel wurden zwar in einer anderen Zeit geschrieben, aber sie sind eine große Sammlung von Er fahrungen der Menschheit und wir kön nen aus ihnen Orientierung bekommen, um zu verstehen, was wir heute erleben. Ähnliche Erfahrungen wiederholen sich auch bei uns. Die Sicht der Erde Ein Dorf im Amazonas-Regenwald in Peru. Also, wie drückt sich heute in unserer Sprache dieser Aufruf der Erde aus? Ich chen. Jeder träumt, endlich zurück zu halb kann ich nicht diese Krise nur auf versuche dies aus der Sicht der Erde zu einer Normalität zu kommen. Wir er Corona reduzieren. Sie ist ein dringen beschreiben. leben, wie unsere Beziehungen, durch der Aufruf von der Erde an uns, unse Zuerst bedeutet dies, dass unser verschiedene Maßnahmen schwieri re Lebensweise in diesem einzigen ge gegenwärtiges System die Lebens ger werden. Ich habe mich oft gefragt, meinsamen Haus zu ändern. grundlagen bedroht. ob wir – als Gesamtheit – diese Krise Das neoliberale Projekt, das wir ha richtig verstanden haben. Das hängt Was bedeutet für mich dieser ben, ist von der Erde abgelehnt worden. zusammen mit der Normalität, die wir Aufruf der Erde? Warum? Weil es nur auf der Basis von alle wünschen. So wie vor dieser Krise, Als Exeget lese ich oft in der Bibel, Profit, Wettbewerb, privater Akkumu wird es sicherlich nicht sein. nicht um Rezepte, sondern um Orien lation, Individualismus und dem Primat tierung zu finden. Und etwas, das in des Marktes existiert und nicht auf der Eine globale Krise den Büchern der Bibel immer wieder Basis von Zusammenarbeit, in Anerken Ich denke, dass diese Krise keine Coro vorkommt, ist die Betonung der engen nung der gegenseitigen Abhängigkeit na-Krise, sondern eine globale Krise ist. Verbindung zwischen Erde und Men aller mit allen und der Solidarität mit der Aus meiner Sicht geht es hier nicht nur schen und die Wirkung unseres Verhal Erde, als einziges gemeinsames Haus. um Gesundheit oder Wirtschaft, son tens auf die Erde. Eine Krise ist immer auch die Gelegen dern um eine Krise, die die Erde als Das ist so, weil der Mensch ein Teil heit, eine neue Stufe in der Evolution zu einen sich selbstregulierenden Organis dieser Erde ist. Der Mensch selbst wird erreichen, vorausgesetzt, wir verstehen mus betrifft, innerhalb dessen wir nur als »adamah« bezeichnet. Ein Wort, das: die Botschaft, die in ihr steckt. Der Profit, der intelligentere und bewusstere Teil »fruchtbare Erde« bedeutet (Gn 2,7). der Markt, die Beherrschung der Natur sind. Zu lange haben wir die Erde als Wenn der Mensch, als ein Teil von ihr und der Anderen haben in dieser Stu ein Objekt betrachtet, das wir ausbeu krank ist, dann ist auch die Erde krank. fe keinen Platz. 12 F+F notiert 84
Zweitens bedeutet dies: Wir brau einer Industrie und Konsumgesellschaft, Utopien. Sie sind es, die uns in die Zu chen eine »radikale ökologische Um zu einer Kultur hin, in der Solidarität, kunft bewegen. Wir müssen uns ein kehr«, wie Papst Franziskus formulierte. soziale Gerechtigkeit, Kooperation und Zeichen setzen, geprägt von der Hoff Unsere Zivilisation muss eine biozentri das Bewusstsein der Wechselbeziehun nung auf den Sieg des Lebens, und nicht sche Zivilisation werden, die in der Ge gen am Anfang stehen. auf die Hoffnung: Alles soll wie bisher sellschaft und mit anderen Wesen der weitergehen. Natur in der Harmonie aller mit allen Unser gemeinsames Haus Der Weg wird durch Gehen und gründet. Sicherlich kann so eine Um Ich denke, dass eine Corona-Pandemie Träumen gemacht! Vito Palmieri kehr nicht von einem Tag auf den ande nicht die wahre Krise heute in der Welt ren stattfinden. Aber nur soziale Verant ist. Die Krise liegt tiefer, in unserer Be Prof. Vito Palmieri stammt aus Uruguay, ist wortung der Unternehmen reicht nicht ziehung zum gemeinsamen Haus. Kri katholischer Theologe und war lange Jah aus. Es wird eine sozial-ökologische Ver- senzeiten wie diese, in denen wir von re Regionalvorbereitungsreferent für Latein antwortung, notwendig sein, die auch einer Weltart in eine andere wechseln, amerika beim Deutschen Entwicklungs wir alle tragen müssen. Das heißt: von sind auch Zeiten großer Träume und dienst (DED) in Berlin. D er Antisemitismusbeauftragte der re hart erkämpfte Erinnerungskultur, Bundesregierung, Felix Klein, sieht und verhöhnen die tatsächlichen Op Judenhass als zentrales Bindeglied der fer, Sie zeugen auch von einer perfiden Abgeordneter Seitz: dpa Corona-Proteste. Der Verfassungsschutz bewussten Strategie und einem Man müsse sich nun mit den Corona-Demons gel an Empathie und Bildung auf vie tranten befassen. Die Anti-Corona-Bewe len Ebenen.« gung sei ein Sammelbecken von Unzu Eine junge Frau hatte auf einer Quer friedenen mit den Corona-Maßnahmen denken-Veranstaltung in Hannover ge der Regierung, Esoterikern, Verschwö sagt, sie fühle sich wie Sophie Scholl, rungstheoretikern sowie Reichsbürgern weil sie sich seit Monaten aktiv im Wi zentrales Element antisemitischer Ein und offenen Rechtsextremisten. Und im derstand gegen die Corona-Politik der stellungen, kritisierte Klein, und warn mer öfter mischen sich auch antisemiti Regierung befinde. Zuvor hatte eine Elf te: »Wir müssen Radikalisierung verhin sche Elemente unter die Parolen, etwa jährige sich mit Anne Frank verglichen, dern, wo immer wir solche Tendenzen wenn sich Impfgegner oder vermeintli weil sie in diesem Jahr nicht wie ge beobachten. Im Internet, in der Nach che Opfer von Corona-Maßnahmen der wohnt ihren Geburtstag feiern könne. barschaft, in den Chatforen, und nicht Regierung mit Anne Frank oder Sophie Anne Frank musste sich vor den Nazis erst wenn sich jemand offen rechtsex Scholl vergleichen. monatelang in einem Hinterhaus ver trem äußert. Worte werden schnell zu Dagegen verwahrte sich Felix Klein, stecken und wurde später im Konzent Taten, das haben die Attentate in Hal scharf: »Solche Verharmlosungen des rationslager ermordet. le und Dresden und die jüngsten Aus Nationalsozialismus und seiner tatsäch Eine solche Täter-Opfer-Umkehr, das schreitungen im Zuge der Corona-Pro lichen Opfer erodieren nicht nur unse Selbstbild als verfolgtes Opfer sei ein teste deutlich gezeigt.« D er AfD-Abgeordnete Thomas Seitz aus Lahr im Schwarz wald trat im Bundestag mit der oben abgebildeten Maske auf, nachdem er sich vorher schon mit einem löchrigen Mundschutz eine Provokation geleistet hatte. Da sieht der Aufdruck »Danke MRKL« auf den ersten Blick eher harmlos aus. Ist er aber nicht. Wenn man weiß, dass im Hebräischen nur Konsonanten und kei ne Vokale geschrieben werden, kommt eine antisemitische Kon notation hinzu. Die Bundeskanzlerin wird von den Rechtsextre misten zur behaupteten »jüdischen Weltverschwörung« gerechnet. Da passt auch eine Schmiererei an einer Mauer in Stuttgart dazu. Stuttgarter Zeitung Der Abgeordnete Seitz wird dem völkisch-nationalistischen Flü gel der AfD zugerechnet. Was er da an Positionen vertritt, mag man gar nicht hier darstellen. Wem es grausen mag, kann in Wi kipedia nachschlagen. Solche Typen sitzen in unserem Parlament. F+F notiert 84 13
AUS DER GESCHICHTE DER DPSG: 90 Jahre »Ruf von Trier« »Wir sind treu, haben, hat gezeigt, dass die Entscheidung richtig war. Das Jahr der Probe ist lange vorbei. Die Pfadfinder ha oder wir sind nicht!« ben sich bewährt, haben sich behauptet, haben gezeigt, dass sie lebensberechtigt sind. Der Jungmännerver band ist groß und weit, um dem Willen aller gerecht Der historische Akt vor 90 Jahren ist legendär: zu werden, um ein Ziel in verschiedenen Methoden Die DPSG wird in den Katholischen Jungmännerver- und Arbeitsweisen zu erreichen. Der Verband schlägt band Deutschlands, Vorläufer des BDKJ, als Vollmit- der Reichstagung vor, die Pfadfinderschaft St. Georg glied aufgenommen. 1929 waren wir nur »auf Probe« aufzunehmen. Das ist der Vorschlag der Reichsleitung, gebilligt. Das hing mit dem Verdikt zusammen »die den wir in dieser Stunde zum Beschluss erheben müs nehmen doch alle«. Gemeint war, Mitglieder konnten sen mit Ja oder mit Nein.« Als darauf der Generalprä alle werden, Mittellose, Arbeiter, Angestellte, Schüler, ses die Frage an alle richtet: Wer ist dafür, dass die Studierende und wer auch immer. Mit diesem Kon- Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg in den Jung zept wurde die auf ständischen Prinzipien aufbau- männerverband aufgenommen wird?, da leuchtet es ende Tradition des Jungmännerverbandes ein wenig rot auf im großen Festsaal: alle erheben sie ihre rote durcheinander gewürfelt. Abstimmungskarte. Alle einstimmig. Der Wille der E Aus der Dokumen ine enorme Aufgabe steht vor uns und ruft Führerschaft im Verband ist einstimmig bekundet: tation »Ruf von Trier«, nach Erfüllung. Es gilt die Aufnahme der Wir wollen, dass sie unser sind. Bericht über die Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg in den »Wohlan denn! Ich rufe die Pfadfinder heraus VI. Reichstagung des Jungmännerverband. Die Galerie des großen Trevi zum Bekenntnis.« Da fliegen die Türflügel auf, und Katholischen Jung- sissaales ist umrahmt von Trierer Pfadfindern. Viele herein schreitet der wohlgeordnete Zug der Pfadfin männerverbandes haben sich von Schule und Werkstatt frei gemacht. der, schmuck, fest, bestimmt. Das Lilienbanner weht, Deutschlands 1931 zu Da mussten sie dabei sein. Der Generalpräses Lud das Lied erklingt. Das Verbandsbanner [des KJMVD, Trier. Herausgegeben wig Wolker kündet die Bedeutung des Aktes an: d.Red.] wird vorgetragen. Der Reichskurat Kaplan Wol von Jakob Clemens im »Vor anderthalb Jahren haben wir, als die Pfad ter und Reichsfeldmeister Willi Werner treten vor. Die Jugendführungsverlag finder an die Tore des Verbandes pochten und baten, Versammlung hat sich erhoben. Der Reichsfeldmeister Düsseldorf. eine Möglichkeit der Eingliederung zu schaffen, um spricht. Er sagt mit klarer Stimme: »Brüder im Reich! Der Text ist leicht nach Pfadfinderart ein Jungenleben zu führen, nach Eine neue Gemeinschaft stehen wir vor euch. Und gekürzt. langen Erwägungen und gründlicher Prüfung uns zu doch sind wir nichts anderes als ihr alle, die ihr mit uns dem Entschluss durchgerungen, sie provisorisch auf das Christuszeichen tragt. Wir sind ein neuer Zweig, ein Probejahr in die Gemeinschaft des Jungmänner der sich einordnet, der am Stamm verwachsen bleibt. verbandes aufzunehmen. Die Entwicklung, die die Das Grundgesetz des Verbandes [des KJMVD, d.Red.] Pfadfinder seither in unserem Verband genommen ist unser Gesetz. Unser Pfadfindergesetz baut darauf auf. Um mich herum stehen Pfadfinder der Stadt Trier. Hinter mir stehen im Geiste mehr als zweieinhalbtau send deutsche St. Georgspfadfinder. Auf uns sollt ihr euch verlassen können. Wir schließen die Reihen. Wir treten ein in die Einheitsfront junger Christen.« Tiefbewegt stehen wir alle da. Der Reichsfeldmeis ter reicht dem Generalpräses die Hand, die Linke, die vom Herzen kommt, nach Pfadfinderart. Und die Rechte legt er auf das Banner: »Ich als der Reichs feldmeister der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg verspreche hiermit Treue zum Katholischen Jungmännerverband und seinem Gesetz. Wir sind Bundesarchiv DPSG treu oder wir sind nicht.« Ein Heilruf durchjubelt den Saal. Heil der Deut schen Pfadfinderschaft Sankt Georg! (Autor ist leider nicht bekannt, Der Handschlag des Reichsfeldmeisters der DPSG. wahrscheinlich war es Jakob Clemens.) 14 F+F notiert 84
◗ 5 0 Jahre Kontakte zwischen Men schen, die durch das Pfadfindertum 50 Jahre »Freunde geprägt sind ◗ 50 Jahre Fürsprache für eine Kinder- der Deutschen Pfadfinderschaft und Jugendarbeit, von der wir über zeugt sind »Rund 30 Ehemalige kamen zur ERFAHRUNG 2: SPONSORING. Wir ha Gründungsversammlung, quer durch ben die Bundesleitung und vor allem ◗ 5 0 Jahre finanzielle Unterstützung alle Berufe, aus Nord und Süd. Der Westernohe finanziell von Projekten der Bundesleitung der Kreis beschloss, wie es dann auch in unterstützt. Nach DPSG der Satzung stand, ›die pädagogischen, besten Kräf 50 Jahre: Was aus dieser Zeit seelsorglichen und sozialen Aufga ten? ist berichtenswert? Interes- ben der Bundesleitung der DPSG ide siert das heutige Leser*in- ell und wirtschaftlich zu fördern‹. Er nen noch? Richten wir den Blick zurück wollte aber auch ›den früheren Mit oder eher nur nach vorn? Was haben wir gliedern der DPSG eine Möglich erreicht? Welche Rückschläge gab es? keit zu Kontakt, Information Wo sind unsere Stärken, wo unsere Gren- und Gedankenaustausch bie zen? Was waren unsere Themen? Was ten‹. Ich wurde zum Vorsit bedeutet Unterstützung der DPSG? Wo zenden gewählt. Die Grün wollen wir hin, was haben wir vor? Hier dungsversammlung regte kann ich nur versuchen, die ein oder an- jährliche Treffen zusam dere Fragestellung anzureißen. men mit der Mitglieder Die Ausgangslage Anfang 1971 und versammlung an und den Rückblick auf die ersten 40 Jahre be- die Herausgabe eines schrieb Harry Neyer (†) in einem Artikel Rundbriefes, der aller für »notiert« (Nr. 64) folgendermaßen: dings als ›notiert‹ erst ab 1975 erschien. Das »Die Idee, einen Kreis ehemaliger ereignete sich am 24. DPSG-Mitglieder auf Bundesebene zu April 1971. gründen, reifte 1970. Während meiner Es war nur folge Zeit als Bundesvorsitzender der DPSG richtig, dass sich fast begegnete ich immer wieder ehemali alle diözesanen Ehe gen Pfadfindern in beruflich und gesell maligenkreise dem schaftlich verantwortlichen Stellungen: auf Bundesebene ge Vom Ministerialdirektor bis zum Chef gründeten Freundes- redakteur, vom Schuldirektor bis zum und Fördererkreis der Vorsitzenden einer Winzergenossen DPSG in den Folgejahren schaft. Der Beruf ließ ihnen keine Zeit korporativ angeschlossen mehr für eine Mitarbeit in der DPSG. haben. Denn die Erfahrung Aber alle bedauerten, dass sie nichts zeigte: Am ehesten machen mehr von der DPSG erfuhren, keine Ehemalige mit auf der Ebene, Kontakte hatten. Und viele fragten, ob auf der sie früher aktiv waren. und wie sie die Jugendarbeit der DPSG Die Aussagen zu Ziel und Auf unterstützen könnten. trag sind auch nach 40 Jahren noch Was lag näher als diesen Leuten vollauf gültig. Nur: Wir haben Neu einen Kreis der Freunde und Förderer es dazu gelernt, haben Erfahrungen der DPSG anzubieten? So habe ich als Ver gemacht. gerade noch (bis Mai 1971) amtierender mutlich Bundesvorsitzender etwa hundert ehe ERFAHRUNG 1: LOBBY. Wir haben da nur mit Eigen malige DPSG-Verantwortliche in der mals kaum gesehen, dass die DPSG mitteln unserer Mit Woche des Georgstages nach Düssel (und das Pfadfindertum) eine Lobby glieder. Das lässt sich vielleicht dorf eingeladen zur (gut vorbereiteten) in der Öffentlichkeit braucht. ›Ideelle noch verstärken. Aber zusätzlich wä Gründungsversammlung des »Freun Unterstützung‹ hat das zwar mitgemeint, re sicher notwendig, finanzielle Mittel des- und Fördererkreises der DPSG«. aber in der Praxis geschah wenig. und Sachleistungen aus Betrieben, Ver 22 F+F notiert 84
und Förderer ten der DPSG wurde dagegen abgelehnt. 30 DM betrug damals der Mitgliedsbei Sankt Georg e.V. – Bundesverband« trag, zuzüglich einer Spende nach eige nem Ermessen. Auch heute noch sind dies die Be reiche unserer finanziellen Unterstüt einen, Einrichtungen zu vermitteln, in kann uns nicht verbieten, dass wir uns zung, ergänzt durch die Förderung von denen unsere Mitglieder tätig sind. zu Entwicklungen in der DPSG äußern: Maßnahmen in Westernohe, die Betei zustimmend, solidarisch, auch kritisch. ERFAHRUNG 3: DPSG. ligung an den Kosten des Bundesamtes Wichtiger aber wäre, die beiderseitig Ihre Eigen durch die Mietzahlung für unsere Ge gewünschte Kooperation zu verstär ständig schäftsstelle und alles, was der Bundes ken . . . Unsere ›ideelle Unterstützung‹ keit vorstand der DPSG uns ans Herz legt. – wenn sie beruflich, fachlich oder poli Manchmal zogen sich auch Themen, tisch gewünscht wird – wäre sicher mit denen man sich befasste, wie ein ro ausbaufähig. ter Faden durch die Zeit. Bereits 1996 ERFAHRUNG 4: MITGLIEDER . Ge wurde von Josef Scheuermann über die wiss, die Zahl unserer F+F-Mit schleppende Mitgliederentwicklung glieder ist gestiegen, und es geklagt, obwohl man immerhin von 29 sind auch jüngere dazuge Gründungsmitgliedern auf 367 gewach kommen. Aber warum ha sen war. Zu wenig Resonanz wurde be ben wir nicht 1000 Mitglie mängelt. Das Thema blieb uns erhalten, der? Bei der großen Zahl verstärkt durch den natürlichen Alte ehemaliger Pfadfinde rungsprozess unserer Mitglieder. Nach rinnen und Pfadfinder wuchsgewinnung ist gefragt. doch denkbar! Auch Auch auf den ausbaufähigen Dialog hier: Beitrag und Spen mit der aktiven DPSG wird schon da de sind eine wertvol mals hingewiesen und engere Zusam le Beteiligung. Und menarbeit gewünscht. Glücklicherwei das Einbringen des se haben wir heute nach einigen Hochs vielfachen Sachver und Tiefs eine Situation der vertrauens stands und der brei vollen Zusammenarbeit erreicht. Die ten Erfahrung, die Freunde und Förderer werden als ver dann auch der DPSG lässliche Partner der DPSG bei der Ge zukommen könnten, staltung der Ehemaligenarbeit gesehen, wäre zu wünschen.« die in beiderseitigem Interesse liegt. Soweit Harry Neyer. Immer wieder haben wir uns als F+F in den letzten 50 Jahren mit den bereits Wo stehen wir jetzt von Harry Neyer angesprochenen The ZEHN Jahre später? menfeldern befasst in Diskussionen, unter Zunächst bleibt festzuhal Zuhilfenahme von Studien, anhand von ten, die Weiterentwicklung der professionellen Analysen, aber auch auf F+F gründet sich auf das, was in der Grundlage von Befragungen unserer den Jahrzehnten zuvor gewachsen Mitglieder. Eine eindeutig erfolgreiche ist und was engagierte Menschen in Strategie gab es bisher nicht und wird dieser Zeit auf die Beine gestellt haben. es vermutlich auch künftig nicht geben, So wurden bereits in der ersten Mit sondern immer nur Versuche die Her ha gliederversammling 1971 Gelder für die ausforderung anzunehmen. ben wir Verstärkung der Personalstruktur/Lei ◗ Wie können wir unsere Arbeit op unangetas terausbildung einstimmig bewilligt, die timieren und uns zukunftsfähig tet gelassen, wie es Förderung der Öffentlichkeitsarbeit mit aufstellen? die Satzung vorschreibt. Viel großer Mehrheit befürwortet und die ◗ Was erwarten die DPSG und unsere leicht war die eine oder andere Aus Unterstützung einer Fundraising-Ini Mitglieder von uns? sage früherer Jahrestreffen missver tiative(!) beschlossen. Die Bezuschus ◗ Vor allem: wie werden wir für neue ständlich von uns formuliert. Aber man sung von Forschungsarbeiten zuguns Generationen attraktiv? F+F notiert 84 23
Das waren die Fragen, die vor ca. zehn machen. Erwartungen wurden erfragt Wir suchen: Jahren den Prozess der Konzept- und und daraus Vergemeinschaftungsfor Ein neues Corporate Design, in Verbin Perspektiventwicklung ausgelöst ha men entwickelt, die unterschiedliche dung mit einer neuen Namensfindung, ben, zunächst als Situationsanalyse, Interessen berücksichtigen sollten – so weil das alte doch inzwischen etwas dann als kontinuierlicher Prozess und wohl für derzeitige Mitglieder, als auch verstaubt wirkt. Maßstab unseres Handelns gedacht. offene Angebote für weitere Interessier te. Neben den Jahrestreffen mit inhalt Wir entwickeln: Unsere Stärken waren dement lichen Studienthemen und Exkursionen, Seit dem Beginn der Pandemie arbeiten sprechend: kamen Studienreisen nach Israel, Rom wir verstärkt an thematischen und digi – Unsere vielen Mitglieder mit der Ein und die Türkei sowie Radtouren hin talen Angeboten und konnten so Men stellung »Einmal Pfadfinder, immer zu. Ein geplanter »Treffpunkt Wester schen erreichen, die wir analog nie ge Pfadfinder«. nohe« musste leider abgesagt werden. troffen hätten. – Die Bereitschaft zur finanziellen Auch für die Jahrestreffen sollte es zu Unterstützung der DPSG. sätzlich familienfreundliche Alternati Wir planen: – Ein Netzwerk ehrenamtlicher Kontak ven geben. Hinsichtlich erfolgreicher Ehemaligen te mit gemeinsamer Sozialisation. arbeit den Übergang von der DPSG zu – EinrelativhoherMobilisierungsgradderMitglieder Wir brauchen: den F+F stärker in den Blick zu nehmen für Aktionen und Veranstaltungen. Immer wieder Menschen, die sich enga und gemeinsam mit der DPSG konzep gieren und Aufgaben in Vorstand und tionelle Ideen zu entwickeln. Beirat übernehmen. Ebenso wichtig ist verstärktes temporäres, projektbezoge Nicht vergessen: nes Engagement. Auch institutionelle Sind natürlich unsere für Präsenz ge Absicherung der Vereinsarbeit durch planten Aktivitäten wie eine Jubiläums Freiwilligendienste wurde erwogen. In feier, die verschobene Israelreise, eine den letzten beiden Jahren ist es uns ge mögliche Rumänienreise, ein Wochen lungen, neue Mitarbeiter*innen für Vor ende in Westernohe, eine Radtour an stand und Beirat zu finden und einen der Oder… Generationswechsel anzubahnen. Wir brauchen: Und zum Schluss? Gesellschaftlich relevante und zeitge Am Ende bleibt festzuhalten, es gab Hö mäße Kommunikationsformen. Das be hen und Tiefen in unserer Geschichte. deutet, die Vielfalt mit der wir kommu dieter kluth Jetzt erleben wir einen Generations nizieren, muss erhöht werden und den wechsel der Verantwortlichen, große unterschiedlichen Bedürfnissen unse Offenheit in Kooperation mit der DPSG rer Zielgruppen angepasst werden. Die und damit verbunden eine motivieren Demgegenüber traten auch Schwierig- am Anfang des Prozesses von einer AG de Aufbruchstimmung. Wir haben noch keiten zutage: neu gestaltete Homepage ist in der Zwi viel vor, packen wir es an! In welcher – Zu wenige Mitarbeitende standen schenzeit schon wieder veraltet und be äußeren Erscheinungsform zu welcher zur Verfügung. darf der Erneuerung. Formen der Kon Zeit auch immer. – Keine externe Spendengewinnung. taktpflege zu »Noch-nicht-Mitgliedern« Es muss schon ein beeindrucken – Altersstruktur der Mitglieder entwi werden benötigt. der Verein sein, wenn es Menschen ckelte sich ungünstig, Nachwuchs Und heute? gibt, die nach ihrer aktiven Pfadfinder fehlte weitgehend. Heute kommen noch einige Themen, zeit »lebenslänglich« bei den Freunden – Geringe Vernetzung der korporati hinzu, die in veränderter Situation der und Förderern der DPSG bleiben. Auch ven Gruppen. letzten Jahre neu gedacht, verändert nach 50 Jahren, immerhin, und wir ha Als Ergebnis entschieden wir uns für und aktualisiert werden müssen, um ben noch einige unserer Gründungsvä drei Bereiche unseres verstärkten En zukunftsfähig aufgestellt zu sein. ter in unseren Reihen! gagements, um das vorhandene Poten Pardon, ich muss mich korrigieren, Wir wollen: tial besser nutzen zu können: eigentlich ist es die DPSG, die dazu mo Kontaktmöglichkeiten zu Aktiven in der tiviert, sie »lebenslänglich« zu unter Wir wollen: DPSG stärker nutzen, wie etwa Pfings stützen. Schön, wenn dies bei den F+F Aktivitäten, Themen, Formen des En ten in Westernohe, Veranstaltungen zu geschieht. gagements stärker in den Blick nehmen Katholikentagen, Bundesversammlun und zielgruppenorientierte Angebote gen usw. Danke! Gunhild P feiffer 24 F+F notiert 84
Ein Bundesvorsitzender wird »Beichtvater« genwinkel wahr – wendet sich verstört an eine ebenfalls auf eine weitere auf die Hl. Beichte Wartende. Gut, dass die Bei 1971 tagt die Bundesversamm lung der DPSG in der Bil dungsstätte Hirschberg des Bistums Am Lagerfeuer den den verschämt Fliehenden nur mit Blicken folgen! Der abendliche Empfang gerät zu aller Zufriedenheit. Eichstätt. Aus dem Bundesfeldmeister In Erinnerung an den bayerisch-»ba Harry Neyer war im Zuge der damals rocken« Film »Der Brandner Kaspar und neuen Satzung ein Bundesvorsitzender das ewig’ Leben«, wartet auf den ehe geworden. Jetzt sollte ich zu seinem maligen Bundesvorsitzenden der DPSG, Nachfolger gewählt werden. Aus der in Dionys Zink, am Tor zur Ewigkeit, unter meiner Abwesenheit geführten »Per den vielen anderen seiner, vom Gerichts sonaldebatte« berichtet man mir – wie engel Michael vorgetragenen Verfeh in solchen Fällen üblich – »vertraulich«, lungen sicherlich auch jene der priester dass man mir durchaus Widersprüch lichen Amtsanmaßung, schlimmer noch, liches zutraut. So fällt auch das Wahl des versuchten Sakramentenbetrugs. Zu ergebnis »durchwachsen« aus. seiner Entlastung wird »Petrus, der ad Unmittelbar nach der Wahl übergibt vocatus hominis«, hoffentlich wohl vor Harry mir, gegen meine Erwartung, er me ich hinter dem blauen Vorhang Platz, tragen, dass der Sünder in dem besag werde die Versammlung zu Ende füh um nach Anhaltspunkten und Stichwor ten Fall die Confessio immerhin noch ren, deren weitere Leitung. Darin unge ten zur abendlichen Feierlichkeit zu su vor seiner Verpflichtung zum Beichtge übt und selbst noch ein wenig unsicher chen. Nicht lange sitze ich im kunstvoll heimnis abgebrochen hat. mit den neuen verbandlichen »Amtsbe gestalteten Gehäuse der Sündenverge Zum weiteren Verlauf des metaphy zeichnungen« sehe ich mich unvermit bung, da höre ich am Gitter eines der sischen Abwägungsverfahren wünscht telt mit der Aufgabe konfrontiert, beim beiden Seitenflügel eine weiblich Stim der schon seit langem Reuige: »Gott sei abendlichen Empfang der Stadt Eich me: »Im Namen des Vaters... Meine letz seiner Seele gnädig!« Dionys Z ink stätt die DPSG zu repräsentieren. Wer te heilige Beichte war... In Demut und ist wer? Mit welchem Titel und in wel Reue bekenne ich...« Mich überfällt ge Anmerkung des Redakteurs: Dionys hat die cher Reihenfolge hat die jeweilige Anre höriger Schreck. In welche Situation ha se »Verfehlung« sicherlich auf der Fußwall fahrt zusammen mit seiner Frau Annelies de zu erfolgen? Wie fasse ich das bisheri be ich mich da gebracht! Wie komme von Grafrath nach Jerusalem 2001/2002 be ge Beratungsergebnis der Versammlung ich aus dem selbst verschuldeten Dilem reits abgebüßt. für Fremde verständlich zusammen? ma heraus? Unmöglich doch kann ich Wie bedanke ich mich »artig« für den die Frau in ihrer Beichte fortfahren las freundlichen Empfang? Wie würdige ich sen, ihr in einer verständnisvollen Wür die Grußworte, ohne mich zu wiederho digung Gottes Vergebung zusagen und len? Worauf lege ich selbst in meinen Er sie zum Ende gar noch mit einer Losspre widerungen Wert? chung entlassen. Unvorstellbar, ja sicher Die für den Nachmittag vorgesehe lich todsündig wäre mein »sakramenta ne Stadtführung passt demnach so gar ler Betrug«. Dass ich ihn zur Auflösung nicht zu meiner durchaus nicht gerin des Dilemmas dennoch einen Augen gen Panik vor meinem ersten »offiziel blick lang in Erwägung ziehe, kann ich len« Auftritt, nicht nur vor fremdem, son freilich noch heute nicht verhehlen. dern auch vor eigenem Publikum. Viel Die vermutlich vom Gewissen dik eher wünschte ich mir jetzt einen ruhi tierte Alternative, das »Beichtkind« über gen Ort, der mir Gelegenheit zur Beru die abstruse Situation aufzuklären, mün higung und zur Sammlung meiner Ge det für beide Beteiligte in eine Flucht danken gäbe. aus der kirchlichen Klause menschli Bistum Eichstätt Von einem kundigen Führer gelei chen Schuldbekenntnisses und göttli tet, bewundern die Mitglieder der Bun cher Sündenvergebung. desversammlung den Eichstätter Dom. Verschämt und auf seine Anonymi In dessen abseitigen Halbdunkel ent tät bedacht, verlässt der leichtsinnig an Der originale Beichtstuhl im Hohen Dom zu decke ich einem Beichtstuhl, der mir gemaßte »Beichtvater« den Hohen Dom. Eichstätt. Wir danken sehr herzlich Dr. Claudia schon seit längerem nicht mehr genutzt Das verstörte »Beichtkind« – so nimmt Grund, Kultur-und Denkmalpflege, Domschatz- erscheint. Spontan und unbemerkt neh der Flüchtende gerade noch aus dem Au und Diözesanmuseum. F+F notiert 84 35
BÜCHER Die Kultur der indigenen Einwohner Nordamerikas einzigartigen Stammeskleidern, Kopf bedeckungen und Verzierungen kenn E igentlich dachte ich, ich kenne Hartmut Keyler (VCP) ziemlich gut. Schließlich waren wir auf nationalen dianer Nordamerikas bietet. Dass es sich dabei um eine ins Museum ab gedrängte Kultur handelt, liegt auf zeichneten die verschiedenen Indianer stämme Nordamerikas.« Wie der Begriff »Indianer« selbst und internationalen Zeltlagern gemein der Hand. Der historische Lebenszu zeigt, handelt es sich von Anfang an sam unterwegs, saßen in vielen Gremien sammenhang der indigenen Einwoh um eine kulturelle Aneignung der euro und Konferenzen. Auch zeigte er mir oft ner Nordamerikas existiert nicht mehr, päischen Eroberer. Einher damit geht seine außergewöhnliche Sammlung von die Menschen sind in »Reservaten« ab der eurozentrische Begriff der »Entde gelegt worden. Umso ckung« Amerikas. Christoph Kolumbus wichtiger ist es, den glaubte 1492, er sei in Indien gelandet, kulturellen Reichtum wo er hinwollte, also nannte man die derjenigen zu schil vorgefundenen Bewohner »Indianer«. dern, die landläufig Der Begriff hat sich gehalten. Eine ver und kurzsichtig als gleichbare Eigenbenennung der mehr »Indianer« zusammen als 2000 lokalen Gruppen auf dem Kon gefasst werden. tinent gibt es nicht. Das Buch »Beklei Hartmut Keyler zeigt sehr schön, wie dung und Schmuck sich aufgrund lokaler Gegebenheiten der Indianer Nord wie Umwelt und Nahrungsangebot die amerikas« gliedert verschiedensten Traditionen und damit analog zur ethnolo auch Bekleidung und Schmuck entwi gischen Einteilung ckelt haben. Es ist ein reiches und – so des riesigen Gebietes darf man es sagen – liebevoll gemach nach zehn eigenstän tes Buch, es eignet sich nicht nur für digen Kulturarealen. den eigenen Gebrauch, sondern auch Natürlich sind da kei zum Zeigen und Vorlesen für Kinder ne expliziten Grenzen und Enkelkinder. Abzeichen, Druckerzeugnissen und Ge aufzuzeigen, Mischkulturen sind selbst Eine wahre Trouvaille, die uns brauchsgegenständen der Pfadfinder verständlich. Hartmut Keyler: »Mein Hartmut, der alte Fährtengeher, da ge bewegung, samt der Trouvaillen, also Anliegen ist zu zeigen, in welcher Wei schenkt hat. A nton M arkmiller der besonders wertvollen Stücke. Dass se die klimatischen, geografischen und das immer mit einem zünftigen Weiß ethnologischen Unterschiede die ein wurstessen einherging, machte die Sa zelnen Kulturarealen geformt haben che noch angenehmer. und wie sich bestimmte Dinge des täg Hartmut hat sein Material aber nicht lichen Lebens in Material, Gestalt, Form nur physisch wohl sortiert und katalogi und Farbe aufgrund von Klima Land siert, sondern auch mental organisiert, schaftsformen und Vegetation teilweise so dass er auf jede Frage zur Geschich sehr unterschiedlich entwickelt haben.« te und Realität der Pfadfinderbewegung Das äußere Erscheinungsbild der Men eine schlüssige und kundige Auskunft schen als Jäger und Sammler, Bauern geben kann. Dabei hat er nicht nur die und Krieger zeigt sich in ihrer Kleidung, von WOSM anerkannten Verbände die auf die Zugehörigkeit zum jeweili und Bünde im Blick, sondern auch die gen Herkunftsgebiet verweisen. Noch apokryphen, den Wildwuchs der nicht mals Keyler: »Das spirituelle und von anerkannten. der Einheit von Mensch, Pflanze und Hartmut Keyler, Bekleidung und Schmuck Nun aber hat Hartmut eine Arbeit Tier als Schöpfung geprägte Leben der der Indianer Nordamerikas – Kompendium vorgelegt, die einen tiefen Einblick in Indianer ist in ihrer Kleidung besonders nach Kulturarealen, Van Eck Verlag Liech Kultur und Lebenswirklichkeit der In deutlich. Markante Kleidungsstile mit tenstein, ISBN 978-3-905881-56-1 42 F+F notiert 84
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