Vom Wollen und Werden - Zahnärztekammer Niedersachsen
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APR I L 2018 NIEDERSÄCHSISCHES Z A H N Ä R Z T E B L AT T 6 Laumann fordert mehr Patientenorientierung Vom Wollen und Werden DE R KO A L I T I O N S V E R T R A G UN D DE R NE U E GE S U N D H E I T S M IN I S T E R J E N S S PA H N – S . 4 f 10 Komposite im Seitenzahnbereich 18 Moderne Behandlungs- konzepte in der festsitzenden Prothetik 26 Das Datenschutzkonzept in der Zahnarztpraxis
Buchhaltung Abteilungsleiter Roland Gutsche, rgutsche@zkn.de………………………………-121 Zahnärztliche Stelle Hildegard Sniehotta, hsniehotta@zkn.de,…………………………-117 Andrea Küssner, Foto: Brian Jackson/Fotolia.com akuessner@zkn.de…………………………-117 Dominic Hartwich, dhartwich@zkn.de……………………… -118 Ausbildung / Fortbildung, Zahnärztliches Fachpersonal Leitung Michael Behring, Geschäftsführer, Telefon- und E-Mail-Verzeichnis der mbehring@zkn.de……………………………-112 Ansgar Zboron, stellv. Abteilungsleiter, Zahnärztekammer Niedersachsen azboron@zkn.de………………………………-302 Sekretariat Rena Umlandt, rumlandt@zkn.de……-310 Ausbildung BuS-Dienst Ansgar Zboron, azboron@zkn.de……-302 Daniela Schmöe, Sabrina Pfütze, spfuetze@zkn.de……-303 dschmoee@zkn.de…………………………-319 ZAN – Zahnärztliche Akademie Rechtsabteilung Niedersachsen, Heike Nagel, hnagel@zkn.de…………-110 Seminarverwaltung (Referenten) Adresse Pressestelle Strukturierte Fortbildung ZAHNÄRZTEKAMMER Kirsten Eigner, keigner@zkn.de………-301 Gabriele König, gkoenig@zkn.de……-313 NIEDERSACHSEN Zeißstraße 11a Melanie König, mkoenig@zkn.de……-304 ZAN – Zahnärztliche Akademie 30519 Hannover Niedersachsen Personalstelle Postanschrift Julia Meins, jmeins@zkn.de……………-176 Seminarverwaltung (Teilnehmer) ZAHNÄRZTEKAMMER Marlis Grothe, mgrothe@zkn.de……-311 NIEDERSACHSEN Mitgliederverwaltung Abteilungsleiterin Dezentrale Weiterbildung, Postfach 81 06 61 30506 Hannover Weiterbildung zum FZA OC und Kfo, Dezentrale Fortbildung der Fachsprachen- und Kenntnisprüfungen Bezirksstellen, Anne Hillmer, Winterfortbildungskongress ahillmer@zkn.de……………………………-193 Ansgar Zboron, azboron@zkn.de……-302 Zentrale Zahnärzte A – G Sabrina Pfütze, spfuetze@zkn.de……-303 Annette Labendsch, ZFA-Ausbildung Christina Illhardt ZMV – Zahnmedizinische Bezirksstelle Oldenburg Verwaltungsassistentin Telefon: 0511 83391.............................-0 Fax: 0511 83391.........................-116 Holdine Schattschneider, Isabell Bohnert, ibohnert@zkn.de… -331 E-Mail: info@zkn.de hschattschneider@zkn.de………………-141 DH – Dentalhygienikerin Vorstand Zahnärzte H – K Karen Schneider, Präsident Fürsorgeausschuss kschneider@zkn.de…………………………-332 Henner Bunke, D.M.D./Univ. of Florida, stellv. Abteilungsleiterin hbunke@zkn.de Anita Henseler, ZMP – Zahnmedizinische ahenseler@zkn.de …………………………-114 Prophylaxeassistentin, Vizepräsident Jörg Röver, jroever@zkn.de ZMP-Schule Zahnärzte L Karen Schneider, Vorstandssekretariat ZFA-Ausbildung kschneider@zkn.de…………………………-332 Bezirksstellen Osnabrück, Isabell Bohnert, ibohnert@zkn.de… -331 Christine Woltemath, cwoltemath@zkn.de………………………-102 Ostfriesland, Stade, Verden, Wilhelmshaven Jugendzahnpflege, Geschäftsführung Sabine Koch, skoch@zkn.de……………-144 Seniorenzahnmedizin Geschäftsführer Rena Umlandt, rumlandt@zkn.de… -310 Michael Behring………………………………-112 Zahnärzte M – T Sekretariat ZFA-Ausbildung RöV-Aktualisierung Helferinnen / Simone Carnesecca-Gutsche, Bezirksstelle Braunschweig Begabtenförderung scarnesecca@zkn.de………………………-109 Christa Kohl, chkohl@zkn.de…………-145 Isabell Bohnert, ibohnert@zkn.de… -331 GOZ Zahnärzte U – Z Praxisführung / RÖV-Aktualisierung Honorar- und ZFA-Ausbildung Zahnärzte, ZQMS Vermittlungsangelegenheiten Bezirksstellen Göttingen, Hannover, Christine Lange-Schönhoff, Heike Fries, hfries@zkn.de……………-115 Hildesheim, Lüneburg clange@zkn.de ………………………………-123 Birgit Weiß, bweiss@zkn.de……………-181 Agnes Schuh, aschuh@zkn.de……… -142 Christian Göhler, cgoehler@zkn.de… -315
Das neue L E I TA R T I K E L Datenschutzrecht – bürokratischer Fluch und Segen Foto: NZB M Henner Bunke, D.M.D./Univ. of Florida Präsident der ZKN it Inkrafttreten der Datenschutz-Grund Dokumentationsvorlagen und Fachartikeln. Ein Ziel unserer verordnung der Europäischen Union Bemühungen ist, Sie soweit zu informieren, dass Sie unter (EU-DSGVO) am 25. Mai tritt in dessen Folge zeitgleich den derzeit vielen Dienstleistungsangeboten, die fast täglich auch eine Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes in unseren Praxen um eine Auftragsvergabe buhlen, die (BDSG) in Kraft. Viele Datenschutzanforderungen galten Spreu vom Weizen trennen können: Nicht wenige Angebote bereits nach der alten Gesetzeslage, neue Anforderungen motivieren zu teilweise sehr kostspieligen Auftragsab- und die zunehmende Digitalisierung in allen Lebens- und schlüssen allein dadurch, dass sie versuchen, mit den Geschäftsbereichen haben die Neuauflage des Daten- hohen Bußgeldsanktionen des Gesetzes im Fall von schutzrechts für alle Betriebe und Behörden in Europa Verstößen Angst zu erzeugen. erforderlich gemacht. Diametral zu den Aussagen des Koalitionsvertrags der Regierungsparteien, der von Bürokra- Beachten Sie daher unsere Veröffentlichungen auch zu tieabbau spricht, werden Deutschlands Betriebe mit neuen diesem Themenkomplex. Die meisten Praxen werden nach Dokumentationspflichten belastet, die auch unsere Praxen einer relativ kurzen, aber durchaus intensiven Beschäftigung wieder einmal vor neue Herausforderungen stellt. die neuen Anforderungen aus eigener Kraft erfüllen und am Ende hoffentlich auch einen Mehrwert bei QM, IT- und Als sensibel gehören die Gesundheitsdaten unbestritten Rechtssicherheit generieren können. Gut eignet sich zur auch zu den schützenswerten Daten. Daher sollten wir systematischen Bearbeitung der Anforderungen z. B. das Praxisinhaber uns zusammen mit unseren Teammitgliedern mit einem Update Ende März ins ZQMS integrierte Modul mit dieser Thematik beschäftigen und unser praxisindivi- Datenschutz. Wesentliche Inhalte dieses Moduls bieten wir duelles Datenschutzkonzept überprüfen. Im Abgleich mit auf der ZKN-Homepage auch all denjenigen ZKN-Mitgliedern Musterkonzepten können wir feststellen, welche Änderungen kostenlos an, die bisher noch keine ZQMS-Anwender sind. in unseren Praxen notwendig sind, um den geforderten Dokumentations- und Informationspflichten genügen zu Es ist uns als Ihre Standesvertretung ein wichtiges Anliegen, können. Sie, unsere Mitglieder, bei der Bewältigung der zurzeit für viele von Ihnen noch recht undurchsichtigen Vorgaben Da eine Zahnarztpraxis in Deutschland im Durchschnitt vier dieser neuen Datenschutz-Verordnung nach Kräften zu Mitarbeiter aufweist, benötigen – statistisch gesehen – die unterstützen. Ziel unser aller Bemühungen ist, dass wir meisten Praxen sicherlich keinen Datenschutzbeauftragten. Zahnärzte uns alsbald in erster Linie und mit ganzer Kraft Praxen, die „in der Regel mindestens zehn Personen ständig mit dem beschäftigen können, was wir gelernt haben mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen“ müssen einen Datenschutzbeauftragten benennen. Ungeklärt ist in dem Zusammenhang noch, was unserer Patienten.. und dem wir uns am liebsten zuwenden: der Behandlung beispielsweise konkret unter „ständig“ zu verstehen ist. Mit freundlichen, kollegialen Grüßen Um das Thema im Praxisalltag nicht ausufern zu lassen, unterstützen wir Sie seitens der Zahnärztekammer mit Informationen auf der ZKN-Homepage, in Seminaren und —Henner Bunke, D.M.D./Univ. of Florida mit Beiträgen hier im NZB wie Konzeptvorschlägen, Präsident der ZKN A P R I L 2 018 | N Z B | L E I TA R T I K E L 1
N IE D E RSÄ C HSI S C H ES Z A H N Ä R Z T EB LATT – 53. Jahrgang Monatszeitschrift niedersächsischer Zahnärztinnen und Zahnärzte mit amtlichen Mitteilungen der Zahnärztekammer Niedersachsen (ZKN) und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KZVN), erscheint elfmal jährlich, jeweils zum 15. eines jeden Monats. Bezug nur für Mitglieder der ZKN und KZVN. RE DA KTIONSSC H L USS HE R AU SGE B E R Heft 06 / 18: 8. Mai 2018 IMPRESSUM Zahnärztekammer Niedersachsen (ZKN) Heft 07+08 / 18: 12. Juni 2018 Zeißstraße 11a, 30519 Hannover Heft 09 / 18: 14. August 2018 Postfach 81 06 61, 30506 Hannover Tel.: 0511 83391-0, Internet: www.zkn.de Verspätet eingegangene Manuskripte können nicht berücksichtigt werden. Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen (KZVN) Zeißstraße 11, 30519 Hannover Postfach 81 03 64, 30503 Hannover Tel.: 0511 8405-0, Internet: www.kzvn.de R E DAKT IO N Redaktionsleitung Gerd Eisentraut (et) Waldfrieden 4, 22043 Hamburg Tel.: 040 6571161, E-Mail: nzb-hh@gerd-eisentraut.de ZKN Dr. Lutz Riefenstahl (lr) Breite Straße 2 B, 31028 Gronau Tel.: 05182 921719; Fax: 05182 921792 E-Mail: l.riefenstahl@gmx.de KZVN Dr. Michael Loewener (loe) Rabensberg 17, 30900 Wedemark Tel.: 05130 953035; Fax: 05130 953036 4 E-Mail: m.loewener@gmx.de Redaktionsassistenz Kirsten Eigner (ZKN), Melanie König (ZKN), Heike Philipp (KZVN) R E DAKT IO N SB Ü RO ZKN Niedersächsisches Zahnärzteblatt (NZB) Zeißstraße 11a, 30519 Hannover Tel.: 0511 83391-301; Fax: 0511 83391-106 E-Mail: nzb-redaktion@zkn.de KZVN Niedersächsisches Zahnärzteblatt (NZB) Zeißstraße 11, 30519 Hannover Tel.: 0511 8405-207; Fax: 0511 8405-262 E-Mail: nzb-redaktion@kzvn.de GE SAMT HE RST ELLUN G Bonifatius GmbH, Druck – Buch – Verlag Karl-Schurz-Straße 26, 33100 Paderborn Tel.: 05251 153-0, E-Mail: info@bonifatius.de Internet: www.bonifatius.de Z AHN ÄR Z T L ICH E K LEI N A N Z EI G EN Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen (KZVN) Postfach 81 03 64, 30503 Hannover Barbara Podgorski, Tel.: 0511 8405-135 E-Mail: nzb-kleinanzeigen@kzvn.de R E DAKT IO N SHIN W EI S E Mit Verfassernamen gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Nachdrucke und fotomechanische Wieder- gaben, auch auszugsweise, bedürfen einer vorherigen Genehmigung der NZB-Redaktion. Für unverlangte Fotos wird keine Gewähr übernommen. Die Redaktion behält sich bei allen Beiträgen das Recht auf Kürzungen vor. Der Leitartikel wird von den Autoren in Eigenverantwortung verfasst und unterliegt nicht der presserechtlichen Verantwortung der Redaktion. Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird in den Texten der Einfachheit halber u. U. nur eine geschlechterspezifische Form verwendet. Das andere Geschlecht ist selbstverständlich jeweils mit eingeschlossen. ISSN 1863-3145 Homepage des NZB: http://www.nzb.de 2 I M P R E S S U M | N Z B | A P R I L 2 018
L E I TA R T I K E L 17 32 34 I N H A LT L E ITAR T IKE L FA C H LI C H ES TE RM INL IC H E S 1 Henner Bunke, D.M.D./Univ. of Florida: 10 Komposite im Seitenzahnbereich 37 Bezirksstellenfortbildung der ZKN Das neue Datenschutzrecht – Aktuelle Aspekte der direkten POLITISCHES 38 ZAN-Seminarprogramm bürokratischer Fluch und Segen Adhäsivtechnik 38 Termine 17 Koordinierungskonferenz der PO L IT ISC HE S ZKN-Bezirksstellenvorsitzenden in Hannover – Austausch mit P E RSÖNL IC H E S 4 Vom Wollen und Werden Vorstand und Verwaltung Der Koalitionsvertrag und der 40 25-jähriges Praxisjubiläum Gesundheitsminister Jens Spahn 18 Moderne Behandlungskonzepte in FACHLICHES 40 Wir trauern um unsere Kollegen der festsitzenden Prothetik 6 Laumann fordert mehr Minimalinvasive Versorgungsmöglich- 40 Herzliche Glückwünsche zum Patientenorientierung keiten sind auf dem Vormarsch Geburtstag! Erste Vorbereitungen für ein Patientenrechtegesetz II? 26 Das Datenschutzkonzept in der Zahnarztpraxis – Welche Grundregeln A M TL IC H E S 8 Dr. med. Martina Wenker: sind zu beachten? Studienplätze endlich an reale 41 Beitragszahlung II. Quartal 2018 DIES & DAS Nachfrage anpassen 28 Nach dem Mutterschutz folgt die Wichtige Information zur Zahlung Elternzeit – Rechte und Pflichten von des Kammerbeitrages 9 Mehr Verständnis und Präsenz für die Arbeitgebern und Arbeitnehmern Freien Berufe in Europa 42 Niederlassungshinweise 31 Einreichungs- und Zahlungstermine 9 Bekanntmachung der nächsten 43 Ungültige Zahnarztausweise ordentlichen Sitzung der 32 ZQMS – immer up to date – DSGVO Vertreterversammlung der KZVN Ende März integriert TERMINLICHES Partnerkammern trafen sich zum KL E INA NZE IGE N turnusmäßigen Austausch 44 Kleinanzeigen 34 AltenPflegeMesse 2018 in Hannover 35 Dr. Ingeburg und Werner Mannherz verabschieden sich vom ZAMO, seinen Helfern und Unterstützern PERSÖNLICHES 10 AMTLICHES 26 28 KLEINANZEIGEN © Fotos Titel/Inhaltsverzeichnis: Jens Spahn; Kzenon/Fotolia.com; jd-photodesign/Fotolia.com; Prof. Dr. J. Manhart; Prof. Dr. D. Edelhoff; Deutscher Bundestag/Achim Melde; Riefenstahl/ZKN; LZK Hessen; Altenpflege Messe; detailblick-foto A P R I L 2 018 | N Z B | I N H A LT 3
Vom Wollen und Werden D E R KO A L I T I ON S V E R T R A G UN D D E R GE S U N D H E I T S M IN I S T E R Foto: © Deutscher Bundestag/Achim Melde JE N S S PA H N W Jens Spahn, MdB Bundesgesundheitsminister er verwundert über den deutlichen, GroKo habe insgesamt einen Spielraum von 45 Mrd. Euro wenn auch nicht überragenden für die Maßnahmen des Koalitionsvertrags zur Verfügung Sieg (68,02 Prozent) der Befürworter der Großen Koalition gehabt. „Die Bereiche, die sicher finanziert sind mit den beim SPD-Mitgliederentscheid gegenüber den ablehnen- 45 Mrd. Euro haben ein „Werden“ und die wir uns leisten den Stimmen war (33,98 Prozent), sollte sich die Klientel können, wenn zusätzliche finanzielle Mittel da sind oder der SPD-Mitglieder vor Augen führen. Wer hat über den woanders einspart, da steht ein „Wollen“, so Spahn. Koalitionsvertrag abgestimmt? Längst ist die SPD von einer Unter dieser semantischen Rücksicht sollte man den Part Arbeiterpartei zu einer Angestellten- und Rentnerpartei Gesundheit und Pflege des Koalitionsvertrags noch einmal geworden. Das Durchschnittsalter der SPD-Mitglieder ist genau betrachten. Nimmt man Spahn beim Wort, dürfte 60 Jahre. Etwa 22 Prozent der Bevölkerung Deutschlands beispielsweise der schrittweise Abbau der drastischen ab 14 Jahren gehören der Gruppe der 14-30-Jährigen Unterfinanzierung der ALG II-Empfänger in der gesetzli- an, bei den Mitgliedern der SPD sind es dagegen nur 7,5 chen Krankenversicherung nicht zu den prioritären, also Prozent. Analysiert man den Koalitionsvertrag mit seinen finanzierten Maßnahmen gehören. Hingegen hat der für arbeits- und rentenpolitischen Maßnahmen, wurde gezielt Gesundheit zuständige stellvertretende Vorsitzende der die Hauptklientel in den Blick genommen. Außerdem hätte SPD-Bundestagsfraktion, Professor Karl Lauterbach, die sich die SPD Neuwahlen, die sie vielleicht sogar auf gleiche jährliche Summe von 2 Mrd. Euro genannt, die dafür prozentuale Höhe mit der AfD geworfen hätte, nicht leisten vorgesehen sei. können. Zwischen Lauterbach und Spahn, die in 2013 den Bereich Der am 5. März 2018 bekannt gegebene Mitgliederentscheid Gesundheit und Pflege des Koalitionvertrags der GroKo hat den Weg für eine Große Koalition geebnet, in der Jens der 18. Legislaturperiode ausgehandelt hatten, zeigte sich Spahn MdB (CDU) Bundesgesundheitsminister werden ein nahezu harmonisches Zusammenspiel bis zu Spahns soll. Für die 19. Legislaturperiode hat der scheidende Wechsel ins Bundesfinanzministerium im Juli 2015. Lauter- Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) die bach, auch in der vorigen Legislaturperiode für Gesundheit Koalitionsverhandlungen für den Bereich Gesundheit und zuständiger stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bun- Pflege führend mit bestritten. Der Parlamentarische Staats- destagsfraktion, und der damalige gesundheitspolitische sekretär beim (geschäftsführenden) Bundesfinanzminister, Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, Jens Spahn, hat den Koalitionsverhandlungen, außer in der erläuterten beispielsweise in 2014 in einem gemeinsamen kleinen Runde, für den Bereich Finanzen beigewohnt. Papier, als Hermann Gröhe schon in Amt und Würden war, Spahn war nach eigener Aussage während des Finishs der wie sie sich die Ausgestaltung des Innovationsfonds vor- Koalitionsverhandlungen zusammen mit einem Kollegen stellten. Die Besetzung Spahns auf der plötzlich vakanten zuständig für die Worte „Werden“ und „Wollen“ im gesamten Stelle des Parlamentarischen Staatssekretärs unter dem Koalitionsvertrag. Er erläuterte dazu am 13. Februar in der damaligen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Talk-Show von Markus Lanz: „Werden“ heiße, das seien die dürfte in der CDU-Spitze für Erleichterung gesorgt haben, Teile im Koalitionsvertrag die prioritär finanziert seien. Die denn dadurch musste der damalige „Newcomer“ Gröhe 4 P O L I T I S C H E S | N Z B | A P R I L 2 018
nicht mehr mit der offensiven gesundheitspolitischen diejenigen Gruppierungen innerhalb der CDU zu bilden, Dominanz Spahns umgehen. Darüber hinaus hatte Spahn die sich in der Merkelschen Politik zunehmend nicht Ende 2014 auf dem Bundesparteitag den für Gröhe aufgehoben sahen und sehen. Dazu gehören die Jüngeren vorgesehenen Sitz im CDU-Präsidium eingenommen. in der Union, deren Belange er mit teilweise provokanten Der gesundheitspolitischen Welt ist Spahn auch in seiner Äußerungen eine Stimme verliehen hat, dazu gehört der Zeit als Parlamentarischer Staatssekretär treu geblieben, Wirtschaftsflügel der Union, dessen Unzufriedenheit mit immerhin war er noch Vorsitzender des 40-köpfigen der aus seiner Sicht sozialdemokratisierten Kanzlerin ver- Bundesfachausschusses Gesundheit und Pflege seiner nehmbar ist. Dazu gehört der wertkonservative Flügel der Partei. Für die Leichtfüßigkeit, mit der er sich im komplexen Union, der sich von der Kanzlerin sträflich vernachlässigt Geflecht dieser Materie bewegt, zollt ihm jedermann fühlt und dazu gehört auch Spahns Kritik an der bisherigen Respekt - das übrigens dürfte ein weiteres verbindendes Flüchtlingspolitik, mit der er offensichtlich die Nähe zu Glied zu Karl Lauterbach sein. diesbezüglich mit der Politik der Union nicht einverstande- Das für einen Vollblutpolitiker seiner Flughöhe unabdingbare nen, auch zur AfD übergelaufenen Wählern sucht. Spahn POLITISCHES Durchsetzungsvermögen des durchaus auch temperament hat in den letzten Jahren den unzufriedenen Stimmen vollen Spahn ist bekannt, das ihn in früheren Zeiten auch in der Union Stimme gegeben, ohne einen öffentlichen schon einmal hat über das Ziel hinausschießen lassen. Affront mit Angela Merkel zu suchen. Harte Kritik überließ Manchem ist noch erinnerlich, wie er im Herbst 2010 den er anderen, hat aber gleichzeitig deutliche Sympathie damaligen Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesaus- gegenüber diesen Kritikern gezeigt. schusses, Rainer Hess, in einer Anhörung des Ausschusses In der aktuellen Gesundheitspolitik hat Spahn, nachdem er für Gesundheit des Deutschen Bundestags harsch maß von Angela Merkel als Gesundheitsminister in einer GroKo regelte, was dazu führte, dass sich der unbeteiligte Karl öffentlich genannt worden war, nach derselben Methode Lauterbach für Spahns Verhalten entschuldigte, hingegen agiert. Verbal hat er direkt versucht, denen, die sich noch die anwesenden CDU/CSU-Abgeordneten die quasi schon „zweite Klasse“ gegenüber Privatversicherten fühlen, zu für sie beendete Anhörung geschlossen verließen. signalisieren, es käme baldigst, insbesondere hinsichtlich Spahn hat sich ohne jede Förderung durch Angela Merkel unterschiedlichen Terminvergaben bei Ärzten zu einer nach oben gekämpft. Genutzt hat ihm dabei seine Angleichung und er hat das Fass des Uralt-Themas PKV- unvergleichliche Gabe, ein vernehmbares Sprachrohr für Wechsel unter Mitnahme von Alterungsrückstellungen aufgemacht. Hier wird deutlich, dass Spahn noch im Wahlkampf-Modus ist, und vor allem noch nicht wieder im Alltag der Gesundheitspolitik angekommen, in dem jedes Wort mit Bedacht gewählt sein will. Lauterbach, der schon Einige Eckdaten vier Jahre als führender Gesundheitspolitiker der GroKo Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: absolviert hat, hat in Reaktion auf Spahns Ankündigung Geb. 16. Mai 1980 (Alter: 38 Jahre); 1995 Eintritt in sofort auf den Koalitionsvertrag rekurriert, in dem keine die Junge Union; 1997 Eintritt in die CDU; in den diesbezügliche Reform der PKV angekündigt wird. Jahren 2002, 2005, 2009, 2013 und 2017 direkt Genutzt hat Spahn auch sein persönliches Netzwerk, das gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Stein- er sich im Laufe der Jahre in seiner Partei aufgebaut hat furt I/Borken I in den Deutschen Bundestag; seit und mittlerweile, wenn man sich so umhört, über die November 2005 stellvertretender Vorsitzender der genannten innerparteilichen Gruppierungen sogar weit Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Bundes- hinausreichen dürfte. Er scheint in der politischen Zusam- tagsfraktion und Obmann der CDU/CSU-Fraktion im menarbeit höchst kollegial, höchst respektvoll zu sein und Ausschuss für Gesundheit sowie Mitglied in der andere Ansichten bei innerparteilichen Konflikten ernsthaft Koalitionsarbeitsgruppe von CDU/CSU und SPD, die zu ventilieren. Dafür wird er von vielen Kollegen geschätzt. die Gesundheitsreform 2007 vorbereitete; von 2009 Darüber hinaus pflegt Spahn einen guten bis sogar wohl bis 2015 Vorsitzender der Arbeitsgruppe Gesundheit freundschaftlichen Umgang mit Mitgliedern von Opposi- und zugleich gesundheitspolitischer Sprecher der tionsparteien. Einst rief der mittlerweile Enddreißiger die CDU/CSU-Fraktion; bis Juli 2015 ordentliches Mitglied parteiübergreifende „Junge Gruppe“ von Abgeordneten ins im Ausschuss für Gesundheit; seit Juli 2015 Parla- Leben. Privat ist der bekennende Katholik Spahn mit dem mentarischer Staatssekretär beim Bundesminister Journalisten Daniel Funke verheiratet. der Finanzen; seit November 2014 Vorsitzender des Aus dem einstigen „Wollen“ des politischen Aufstiegs Bundesfachausschusses Gesundheit und Pflege der von Spahn ist nun ein „Werden“ geworden mit noch nicht CDU/CSU-Fraktion. daraus macht. . limitiertem Endpunkt. Jetzt kommt es darauf an, was er —Quelle: gid Nr. 8 vom 05.03.2018 A P R I L 2 018 | N Z B | P O L I T I S C H E S 5
Laumann fordert mehr Patientenorientierung E R S T E V O RBE RE I T U NGE N F ÜR E IN PAT IE N T E NR E C H T E GE S E T Z II ? I m Mittelpunkt steht der Patient. Dieser Satz ist oft zu hören. Nicht immer ist er richtig. Das Streben nach Gewinn, nach Marktmacht, nach Prämien - vielfach haben die eigentlichen Motive der Akteure im deutschen Gesund- heitswesen nichts mit dem Wohl des Patienten zu tun. ihn gesund erhält beziehungsweise bei Krankheit hilft. Im Jahr 2012 gab es ein Patientenrechtegesetz (PatRG). Mit ihm wurde im Zusammenhang mit Behandlungsfehlern vornehmlich bestehendes Richterrecht in ein Gesetz gegossen. Darüber hinaus gab es eine Sammlung von Menschen geraten unters Skalpell, damit Ärzte geforderte Einzelregelungen. Krankenkassen bekamen Fristen zur Zahlen bringen oder Krankenhäuser Gewinne machen. Bewilligung von Leistungsanträgen vorgeschrieben, die Chronisch Kranke erhalten eine Versorgung „von der Stange“, Patienten bekamen Vertretungsrechte in den Gremien der pflegebedürftige Menschen siechen in Heimen dahin, weil gemeinsamen Selbstverwaltung auf der Landesebene, es Personal fehlt. Patienten werden zu Opfern fehlerhafter gab ein bisschen was zu Fehlermeldesystemen und zum Behandlung, um ihr Recht kämpfen sie jahrelang und oft Beschwerdemanagement. Ein großer Wurf war es nicht. vergebens. Vieles hört man nur hinter vorgehaltener Hand. Einer, der es ernst meint mit den Rechten derjenigen, die Es ist die Aufgabe der Gesundheitspolitik, einen Rahmen im Gesundheitswesen vermeintlich im Mittelpunkt stehen, für das Gesundheitswesen zu setzen, der Fehlentwicklungen ist der ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für begrenzt und dafür sorgt, dass es dem Menschen dient, die Belange der Patientinnen und Patienten und Bevoll- mächtigter für Pflege und heutige nordrhein-westfälische Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Von ihm stammt ein Beschlussantrag, der in der kommenden © Kzenon/Fotolia.com Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesge- sundheitsbehörden am 7. und 8. März 2018 in Düsseldorf intensiv diskutiert werden dürfte. Ziel: Die Gesundheits ministerkonferenz der Länder (GMK) möge sich dafür einsetzen, die Patientenorientierung zu stärken und der Bundesregierung diesbezüglich Dampf machen. Denn Patientenorientierung sei ein grundlegendes Element für eine zukunftsweisende Gesundheitspolitik. Wie das erreicht werden kann, dazu schlägt Laumann ein Bündel von 14 Maßnahmen vor, die hier stichpunktartig wieder gegeben werden: 1. Die bestehenden Beratungs- und Versorgungsangebote sowie deren Zugangswege sollen transparenter werden und Weiterentwicklungspotentiale aufgezeigt werden, um die Orientierung im Gesundheitswesen zu erleichtern und die Patientenautonomie zu fördern. 2. Der Zugang zu den Leistungen muss barrierefrei gestaltet werden und das nicht nur in baulicher, sondern auch in kognitiver, sprachlicher, optischer und akustischer Hinsicht. Zugangsbarrieren aufgrund psychischer Erkrankungen seien ebenfalls angemessen zu berücksichtigen. 6 P O L I T I S C H E S | N Z B | A P R I L 2 018
werden. Patientinnen und Patienten sollen stärker in Foto: Privat die Behandlungs- und Qualitätssicherungsprozesse eingebunden werden. Zudem soll die Bundesregierung Erleichterungen zur Beweislast und zum Beweismaß prüfen, um deren Stellung in der Auseinandersetzung um Behandlungsfehler zu stärken. Die Krankenkassen sollen verpflichtet werden, Versicherte beim Nachweis eines Behandlungsfehlers zu unterstützen. 11. Die Heilberufskammern sollen Sorge dafür tragen, die außergerichtliche Schlichtung bei Behandlungsfehler- vorwürfen zu verbessern und grundsätzlich auch ohne Beteiligung des Arztes oder Zahnarztes aktiv werden können. Patientenvertretungen sollen an den Schlich- POLITISCHES tungsstellen beteiligt werden. 12. In allen Einrichtungen des Gesundheitswesens soll Karl-Josef Laumann (CDU) Landesgesundheitsminister Nordrhein-Westfalen es patientenorientierte Beschwerdemanagementsys- teme geben, die auch mit externen Beratungs- und Beschwerdestellen zusammenarbeiten. 13. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung 3. Die Kommunikationskompetenz der im Gesundheits- (MDK) soll strukturell neu organisiert werden, um die wesen arbeitenden Menschen soll durch Maßnahmen, Unabhängigkeit und Neutralität seiner Gutachten und wie zum Beispiel eine systematische Berücksichtigung Stellungnahmen sicherzustellen. in den Curricula der Gesundheitsberufe, erhöht werden. 14. Die Bundesregierung soll prüfen, ob die gesundheitliche 4. Die Kommunikation soll insbesondere an den Schnitt- Versorgungsplanung, die mit dem Gesetz zur Stärkung stellen zwischen ambulanter, stationärer, rehabilitativer der Hospiz- und Palliativversorgung eingeführt wurde und pflegerischer Versorgung verbessert werden. und bislang nur für Patienten in Pflegeeinrichtungen 5. Die durch die Krankenhausreform erfolgte Verankerung und Einrichtungen der Eingliederungshilfe in der letzten von Qualität als Planungskriterium und Transparenz Lebensphase vorgesehen ist, auf alle Versicherten aus- über die Versorgungsqualität soll durch Entwicklung geweitet werden kann. Damit sollen für alle Patienten geeigneter Methoden und Indikatoren auf den ambu- die Angebote der medizinischen und palliativen Ver- lanten Bereich ausgedehnt werden. sorgung sowie der Möglichkeiten der Sterbebegleitung 6. In den stationären Einrichtungen sollen im Qualitäts- transparent und eine individuelle und bedarfsgerechte management differenzierte Patientenbefragungen ein- Versorgung am Lebensende sichergestellt werden. geführt und ihre Ergebnisse veröffentlicht werden. 7. Die Beteiligung von Patientinnen und Patienten soll in Die GMK sollte sich die Zeit nehmen, Laumanns Vorschläge allen Gremien des Gesundheitswesens und insbeson- intensiv zu diskutieren. Und nicht nur sie. Die aufgeworfenen dere auf Landes- und kommunaler Ebene verbessert Themen erfordern eine ebenso gründliche Auseinanderset- werden. zung auf der Bundesebene. Im Ergebnis muss nicht jeder 8. Alle Anwendungen, die künftig die Telematikinfrastruktur Vorschlag geteilt werden. So darf hinterfragt werden, nutzen wollen, müssen einen Beitrag zu mehr Patienten- ob beispielsweise die behauptete Abhängigkeit des MDK sicherheit, Patientensouveränität und Patientenbetei- von den Krankenkassen tatsächlich zu fachlich nicht ligung leisten. Hierzu sind Kriterien zu erarbeiten. Die vertretbaren oder beeinflussten Gutachterentscheidungen gematik – Gesellschaft für Telematikanwendungen der führt oder ob es sich hier nicht eher um ein „gefühltes“ Gesundheitskarte mbH – soll Patientenorganisationen Problem handelt, das auch durch die Verbannung von bei komplexen Sachverhalten unabhängig fachlich Kassenmitarbeitern aus den Verwaltungsräten des MDK unterstützen. nicht zu lösen ist. Aber das sind Einzelfragen. Im Großen 9. Ärzte sollen verpflichtet werden, zu Individuellen und Ganzen geht der Beschlussantrag Laumanns offen- Gesundheitsleistungen (IGeL), die sie verkaufen, sichtlich in Richtung eines Patientenrechtegesetzes II. Das neutrale und evidenzbasierte Informationen über ist zwar im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen; die Stärkung Nutzen und Risiken in den Praxisräumen auszulegen. 10. In allen Einrichtungen des Gesundheitswesens soll eine „Kultur der Patientensicherheit“ gelebt werden. einer Großen Koalition.. der Patientenrechte steht aber sehr wohl auf der Agenda Fehler sollen vermieden, zumindest aus ihnen gelernt —Quelle: gid Nr. 8 vom 05.03.2018 A P R I L 2 018 | N Z B | P O L I T I S C H E S 7
D R . M E D . M A R T IN A W E N K E R: Studienplätze endlich an reale Nachfrage anpassen Ä Foto: ÄKN rztekammerpräsidentin Dr. Martina Wenker fordert Anpassungen der Kapazitätsverordnungen der Länder – Akademische Lehrkrankenhäuser in klinische Lehre einbinden, um mehr Medizinstudienplätze zu schaffen „Der Ärztemangel in Deutschland wird durch den Mangel an Medizinstudienplätzen noch dramatischer“, erklärt Dr. Martina Wenker. Die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) und Vizepräsidentin der Bundesärz- tekammer (BÄK) möchte daher die großen akademischen Lehrkrankenhäuser der Maximalversorgung in die klinische Dr. med. Martina Wenker Lehre ab dem 5. Semester einbinden. „Auf diesem Wege Präsidentin der ÄKN müssen in Deutschland so schnell wie möglich 1.500 zusätzliche klinische Studienplätze geschaffen werden“, zeitig deutsche Abiturienten ins Ausland gehen müssen, fordert die Lungenfachärztin. damit sie die Chance auf einen Medizinstudienplatz Die Zahl der Medizinstudienplätze in Deutschland hat sich bekommen“, so Wenker. seit der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 um In Niedersachsen gut hierfür geeignet wären z. B. Kranken- 40 Prozent reduziert - von 16.000 auf 9.000 Plätze – und häuser wie die Klinika Braunschweig, Region Hannover, das trotz des absehbaren demografischen Wandels und Oldenburg und Osnabrück, aber auch Bremen als akade- des medizinischen Fortschritts mit dadurch steigenden misches Lehrkrankenhaus für Niedersachsen. „Mit gutem Versorgungsbedarfen. Aufgrund dieser Mangelsituation – Beispiel geht hier die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) im Wintersemester 2014/2015 kamen auf die bundesweit voran, die bereits im September 2017 mit dem Klinikum 9.000 Studienplätze 43.000 Bewerber – zieht es viele Braunschweig Kooperationsgespräche führte, um mit dem qualifizierte und engagierte junge Menschen nach dem Campus II 60 zusätzliche Vollstudienplätze am Klinikum Abitur zum Medizinstudium ins Ausland. „Viele deutsche Braunschweig zu schaffen“, lobt Wenker. Hier sei aber – Studenten haben so auf eigene Kosten bereits erfolgreich sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene – noch den ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung, das Physikum, viel Luft nach oben. absolviert und möchten ihr Studium nun in Deutschland Obwohl es einen riesigen Bedarf an Ärzten gibt, hat sich abschließen“, berichtet Wenker. Hierfür fehlen, ebenso wie die Anzahl der Medizinstudienplätze seit Jahren nicht für zahlreiche erfolgreiche Absolventen des Physikums auf geändert. Der Grund liegt in den „Verordnungen über die einem sogenannten Teilstudienplatz an deutschen medizi- Kapazitätsermittlung zur Vergabe von Studienplätzen“ der nischen Fakultäten, aktuell jedoch die klinischen Lehrkapa- Länder – kurz: Kapazitätsverordnung (KapVO) – verborgen. zitäten an den Universitäten. „Das Nadelöhr sind hier die Patientenkapazitäten an den „Ich fordere die Politik dazu auf, diesen Mangel zu beheben, Universitätskliniken“, erläutert Wenker. „Um das Problem indem die akademischen Lehrkrankenhäuser in die klini- der zu niedrigen Studienplatzzahlen dauerhaft zu lösen, sche Lehre ab dem 5. Semester eingebunden werden“, muss die niedersächsische Kapazitätsverordnung an postuliert die Ärztekammerpräsidentin. „Es kann nicht sein, unseren Versorgungsbedarf angepasst werden“, so die dass Ärzte aus dem Ausland nach Deutschland kommen, Ärztekammerpräsidentin. um eine Mangelsituation auszugleichen, während gleich- —Quelle: ÄKN, Presseinformation vom 05.02.2018 8 P O L I T I S C H E S | N Z B | A P R I L 2 018
Mehr Verständnis Bekanntmachung und Präsenz für der nächsten die Freien Berufe ordentlichen Sitzung der Vertreterversammlung in Europa der Kassenzahnärztlichen I Vereinigung Niedersachsen Freitag, dem 04.05.2018, POLITISCHES n Rom fand eine Konferenz des Europäischen Wirt- Beginn 19.00 Uhr schafts- und Sozialausschusses (EWSA) zur Zukunft der Freien Berufe in Europa statt. Auf dieser wurde ein Fortsetzung am Samstag, „Europäisches Manifest der Freien Berufe“ vorgestellt, an dem 05.05.2018, Beginn 9.00 Uhr dem die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) beteiligt war. Tagungsort: In das Manifest flossen Vorüberlegungen ein, die der Dachverband der europäischen Zahnärzte (CED) entwickelt KZV Niedersachsen, 5. Etage hatte. Aktuell stehen die Freien Berufe vor großen Her- Zeißstr. 11, 30519 Hannover, ausforderungen: Bewährte Regeln, die dem Schutz von Tel.: 0511 8405-0, Fax: 8405-300 Verbrauchern und Patienten dienen, werden unter ökono- mischen Erwägungen als Hindernis für mehr europäisches Wirtschaftswachstum gesehen. Besonders deutlich wird dies TA GE S OR D NU NG: im sog. Dienstleistungspaket und dem darin enthaltenen 1. Eröffnung Richtlinienentwurf für einen Verhältnismäßigkeitstest von neuem Berufsrecht. 2. Feststellung der ordnungsgemäßen „Wir brauchen endlich ein Verständnis in Europa darüber, Ladung und der Anwesenheit der was Freie Berufe besonders macht – und welche gesell- Vertreter schaftliche Sonderstellung sie haben“, so BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel. 3. Feststellung der Beschlussfähigkeit „Nur so können wir uns in laufenden EU-Gesetzgebungs verfahren, wie dem Dienstleistungspaket, Gehör verschaffen“, 4. Anfragen so Engel weiter. „Berufliche Regeln sind kein Selbstzweck. Sie dienen vor allem dem Schutz von Patienten und Man- 5. Berichte des Vorstandes und der danten. Eine jüngst veröffentlichte wirtschaftswissenschaft- ständigen Ausschüsse liche Studie der Universität Düsseldorf zeigt zudem, dass diese Regeln auch aus ökonomischen Gründen sinnvoll 6. HVM (Punktwerterhöhung) sind.“ Das Manifest arbeitet die Kriterien heraus, die einen Freien 7. Schließung der Sitzung Beruf definieren: Dazu gehören die eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen Dr. Ulrich Obermeyer auf Grundlage einer hohen Qualifikation, eines besonderen Vorsitzender der Vertreterversammlung Berufsethos und eines Systems der beruflichen Kontrolle, z.B. Kammern. Denn bislang fehlt ein einheitliches Ver- der KZV Niedersachsen ständnis zur Begrifflichkeit Freier Berufe in Europa, diese werden oft mit anderen Berufen in einen Topf geworfen. Zum Europäischen Manifest der Freien Berufe: https://tinyurl.com/y9vegp8g —Quellen: www.bzaek.de, www.med-dent-Magazin.de A P R I L 2 018 | N Z B | P O L I T I S C H E S 9
Komposite im T I VE )NTERAK ILDUNG Seitenzahnbereich !.:" &ORTB A K T U E L L E A S P E K T E DE R D IR E K T E N A D H Ä S I V T E C H NIK Zusammenfassung deutliche Veränderungen in der Anwendung restaurativer Direkte Komposite im Seitenzahnbereich gehören heutzu- Werkstoffe vollzogen [3-5]. Gleichzeitig haben ästhetische tage zum Standard im Therapiespektrum der modernen Anforderungen mittlerweile auch für die Versorgung von konservierend-restaurativen Zahnheilkunde. Aufgrund Seitenzahnkavitäten eine große Bedeutung erlangt [6]. eines mittlerweile hohen dentalen Ästhetikbewusstseins Im kaulasttragenden Seitenzahnbereich werden Kom- sind große Teile der Bevölkerung nicht mehr bereit, metal- positfüllungen mittlerweile seit über drei Jahrzehnten als lische Restaurationen zu akzeptieren und verlangen nach ästhetische Alternative zu metallischen Restaurationen zahnfarbenen Alternativen. eingesetzt [7]. Besonders im vergangenen Jahrzehnt stieg diese Entwicklung kontinuierlich an. Erste klinische Daten, Einleitung die zu Beginn der 1980er-Jahre im Seitenzahnbereich In der Zahnheilkunde führt die kontinuierliche Erweiterung erhoben wurden, waren vor allem aufgrund ungenügender wissenschaftlicher Erkenntnisse in Kombination mit der mechanischer Eigenschaften nicht ermutigend. Die geringe Einführung komplett neuer bzw. der Weiterentwicklung Abrasionsbeständigkeit der damaligen Kompositmaterialien vorhandener Füllungswerkstoffe zu Veränderungen in den führte in kurzer Zeit zum Verlust der Füllungskonturen. zahnärztlichen Behandlungskonzepten. Dies beeinflusst die Frakturen, Randeinbrüche, Randundichtigkeiten mit Ver- intraorale Verweildauer dentaler Restaurationen erheblich färbungen bzw. Sekundärkaries und Hypersensibilitäten [1, 2]. Während der vergangenen dreißig Jahre haben sich als Folge der Polymerisationsschrumpfung waren weitere Gründe, welche die Lebensdauer der Füllungen limitierten [8-12]. Diese Unzulänglichkeiten wurden vor allem durch die Weiterentwicklungen im Materialsektor der Komposite und der Adhäsivsysteme in den letzten Jahren erheblich Fotos: Prof. Dr. J. Manhart Vita reduziert [13-15]. Allerdings stellen die negativen Auswir- kungen der Polymerisationsschrumpfung – wie im Einzel- P RO F. D R . J. M AN H AR T fall eine ungenügende Haftung an den Kavitätenwänden, eine mangelnde Randdichtigkeit oder Höckerdeflexionen 1994 Approbation nach Studium – immer noch das größte Problem der kompositbasierten der Zahnheilkunde in München Werkstoffe dar [16]. 1994–2000 Wissenschaftlicher Assistent, Poliklinik für Zahnerhaltung der LMU München 1997 Promotion 1997–1998 Forschungsaufenthalt in Houston, USA, für den Bereich zahnärztliche Werkstoffkunde, interdisziplinäre Therapieplanung und ästhetische Behandlungskonzepte als Adjunct Assistant Professor, Biomaterials Research Center, University of Texas 2001 Oberarzt an der Poliklinik für Zahnerhaltung der LMU München 2003 Habilitation und Lehrbefugnis für das Fachgebiet „Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde” Abb. 1a: Ausgangssituation: mehrere alte Amalgamfüllungen 2010 Ernennung zum Professor an der Poliklinik für im Oberkieferseitenzahnbereich. Die Patientin wünschte den Zahnerhaltung der LMU München Austausch gegen zahnfarbene Kompositrestaurationen. 10 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 018
Direkte Kompositrestaurationen haben sich in den letzten Durchhärtungstiefe in Einzelinkrementen mit maximal Jahren immer mehr zu einem unverzichtbaren Bestandteil 2 mm Schichtstärke. Diese werden jeweils separat mit im Therapiespektrum der modernen konservierend-restau Belichtungszeiten von 10-40 s polymerisiert, je nach rativen Zahnheilkunde entwickelt. Sie werden unter anderem Lichtintensität der Lampe, der Farbe bzw. dem Translu- wegen des breiten Anwendungsspektrums, der Schonung zenzgrad der entsprechenden Kompositpaste und der Art (defektorientierte Kavitätengestaltung) und adhäsiven und Konzentration des in der Kompositpaste enthaltenen Stabilisierung der Zahnhartsubstanz sowie des im Vergleich Photoinitiators [22]. Dickere Kompositschichten führten zu indirekten Restaurationsalternativen (Inlays, Teilkronen, mit den bis vor kurzem verfügbaren Materialien zu einer Kronen) preiswerteren und zeitsparenderen Verfahrens ungenügenden Polymerisation des Kompositwerkstoffs eingesetzt [17]. Kompositrestaurationen sind außerdem bei und somit zu schlechteren mechanischen und biologischen Bedarf auch einfach in der Mundhöhle zu reparieren [18]. Eigenschaften [23-25]. Mit der Schichttechnik lässt sich Die Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftli- zudem durch eine günstige dreidimensionale Ausformung chen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) zu der Einzelinkremente in der Kavität ein niedrigerer C-Faktor Kompositrestaurationen im Seitenzahnbereich aus dem („Configuration Factor“ = Verhältnis der gebondeten zu freien Jahr 2016 (S1-Handlungsempfehlung; AWMF-Registernr.: Kompositoberflächen) realisieren. Somit können durch 083-028), verabschiedet durch die Vorstände der Deut- möglichst viele frei schrumpfende Kompositoberflächen schen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der materialimmanente polymerisationsbedinge Schrump- (DGZMK), der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung fungsstress und dessen negative Auswirkungen auf die (DGZ) und der Deutschen Gesellschaft für Restaurative und Restauration – wie Ablösung des Komposits von den FACHLICHES Regenerative Zahnerhaltung (DGR2Z), fasst das aktuelle, Kavitätenwänden, Randspaltbildung, Randverfärbungen, wissenschaftlich abgesicherte Einsatzspektrum direkter Sekundärkaries, Höckerdeflexionen, Rissbildung in den Komposite und auch deren Kontraindikationen zusammen Zahnhöckern, Schmelzfrakturen und Hypersensibilitäten – [19]. minimiert werden [23, 26]. Aufgrund des weltweit zu verzeichnenden Rückgangs des Einsatzes von Amalgam sind die direkten Komposite prädes Bulk-Fill-Technik tiniert, in der näheren Zukunft Amalgam als das am Die vorgenannte klassische Schichttechnik mit 2 mm dicken weitesten verbreitet eingesetzte Füllungsmaterial abzulösen Kompositinkrementen ist vor allem bei großvolumigen [20] (Abb. 1 a bis d). Korrekt platzierte adhäsive Komposit- Seitenzahnkavitäten ein zeitaufwendiges und technik- füllungen zeigen hervorragende klinische Überlebensdaten sensitives Vorgehen, das aus betriebswirtschaftlicher Sicht [20] und haben sich dementsprechend einen herausra- eines entsprechend kostendeckenden Honoraransatzes genden Platz in der restaurativen Zahnheilkunde erobert. bedarf [19, 27, 28]. Um diese Nachteile gegebenenfalls etwas abfedern zu können, wurden in den vergangenen Schichttechnik Jahren die Bulk-Fill-Komposite entwickelt, die bei entspre- Für lichthärtende Kompositmaterialien wird die Verar- chend hoher Lichtintensität der Polymerisationslampe in beitung in der inkrementellen Schichttechnik bisher als einer vereinfachten Applikationstechnik in Schichten von Goldstandard angesehen [21]. Üblicherweise erfolgt die 4-5 mm Dicke, mit kurzen Inkrementhärtungszeiten von Applikation der herkömmlichen Komposite aufgrund 10-20 s, schneller in die Kavität appliziert werden können ihrer Polymerisationseigenschaften und der limitierten [22, 30, 33-36] (Abb. 2 a bis f). uu Abb. 1b: Situation nach vorsichtiger Abb. 1c: Nach Fertigstellung der Abb. 1d: Endsituation: Entfernung der alten Restaurationen. Kavitäten wurde das Seitenzahnareal Sämtliche Kavitäten wurden mit durch das Anlegen von Kofferdam isoliert. direkten Kompositrestaurationen in der Schichttechnik versorgt. A P R I L 2 018 | N Z B | F A C H L I C H E S 11
Abb. 2a: Ausgangssituation: Abb. 2b: Nach Entfernung der alten Abb. 2c: Mit einem fließfähigen insuffiziente langzeitprovisorische Füllung und Fertigstellung der Kavität Bulk-Fill-Komposit wurden die ersten Füllung aus Glasionomerzement. wurde Kofferdam angelegt und der 4 mm des Kavitätenvolumens gefüllt. Defekt mit einem Teilmatrizensystem abgegrenzt. Die adhäsive Vorbehandlung erfolgte mit einem Self-Etch-Adhäsiv. Abb. 2d: Nach der Polymerisation wurde Abb. 2e: Sorgfältige Adaptation des Abb. 2f: Endsituation: mit der im zweiten Schritt das restliche okklusale Materials an die Kavitätenränder und Bulk-Fill-Technik hergestellte direkte Kavitätenvolumen mit einem hochviskö- Modellation der Kaufläche. Kompositrestauration. sen Bulk-Fill-Komposit aufgefüllt. uu Ormocere mehr in der Matrix enthält (Admira Fusion, Voco, Cuxhaven). Die meisten Komposite enthalten auf der klassischen Me Ormocerbasierte Komposite gibt es mittlerweile in allen thacrylatchemie basierende organische Monomermatrizes gebräuchlichen Varianten, vom fließfähigen Material über [37]. Alternative Ansätze hierzu existieren in der Siloran- das universell einsetzbare normalvisköse Ormocer bis technologie [38-43] und der Ormocerchemie [16, 44-50]. zur durchhärtungsoptimierten Bulk-Fill-Variante für den Bei den Ormoceren („organically modified ceramics“) han- Seitenzahnbereich. Ormocere unterscheiden sich im kli- delt es sich um organisch modifizierte, nichtmetallische nischen Anwendungsprotokoll nicht von den klassischen anorganische Verbundwerkstoffe [16, 44-51]. Ormocere methacrylatbasierten Kompositen. Sie müssen mit einem können zwischen anorganische und organische Polymere Adhäsivsystem an den Zahnhartsubstanzen verankert, ent- eingeordnet werden und besitzen sowohl ein anorga- sprechend ihrer Durchhärtungstiefe in Schichten appliziert nisches als auch ein organisches Netzwerk [49, 52-54]. und mit Licht ausgehärtet werden (Abb. 3 a bis h). Diese Materialgruppe wurde vom Fraunhofer-Institut für Silikatforschung, Würzburg, entwickelt und in Zusammen- „Lining“-Technik arbeit mit Partnern in der Dentalindustrie im Jahre 1998 Bei der Erstellung von direkten Kompositrestaurationen erstmals als zahnärztliches Füllungsmaterial vermarktet im Seitenzahnbereich wird von einem Teil der Behandler [46, 47]. Seither hat für diesen Anwendungsbereich eine die sog. „Lining“-Technik eingesetzt. Hierbei wird nach deutliche Weiterentwicklung der ormocerbasierten Kompo- Abschluss der adhäsiven Vorbehandlung der Kavitätenbo- site stattgefunden. den mit einer ersten, ca. 0,5-1 mm dünnen Schicht eines Bei der ersten Generation von zahnmedizinischen fließfähigen Komposits ausgekleidet und dicht versiegelt, Ormoceren wurden der Matrix zur Einstellung der Vis- bevor nachfolgend das höher visköse Restaurationskom- kosität und somit zur besseren Verarbeitbarkeit durch posit aufgeschichtet wird [19] (Abb. 4 a bis h). Die guten den Behandler noch zusätzliche Methacrylate zur reinen Benetzungseigenschaften des fließfähigen Materials Ormocerchemie beigemischt (neben Initiatoren, Stabilisa- gewährleisten, dass schlecht einsehbare oder schwierig toren, Farbpigmenten und anorganischen Füllkörpern) [55]. zugängliche Kavitätenbereiche, wie z.B. spitze Innenkanten Mit der aktuellen Ormocergeneration ist es gelungen, einen bzw. -winkel der Kavität oder dünn auslaufende approximale Werkstoff herzustellen, der keine konventionellen Monomere Schmelzanschrägungen, blasenfrei mit dem niedrigviskösen 12 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 018
Abb. 3a: Ausgangssituation: überstehende Abb. 3b: Nach Fertigstellung der Kavität Abb. 3c: Der Defekt wurde mit einem alte Amalgamfüllung in einem ersten wurde das Seitenzahnareal durch das Teilmatrizensystem abgegrenzt. Oberkieferprämolaren. Die Patientin Anlegen von Kofferdam isoliert. Anschließend erfolgte die adhäsive entschied sich für den Austausch gegen Vorbehandlung. eine direkte Ormocerrestauration. FACHLICHES Abb. 3d: Mit dem ersten Inkrement des Abb. 3e: Die nicht mehr benötigte Abb. 3f: In der schrägen Schichttechnik Ormocerkomposits wurde die komplette Matrize wurde entfernt. Dadurch ist wurde im nächsten Schritt der palatinale distale Kavitätenwand bis zur Randleis- ein besserer Zugang zur Kavität für die Höcker aufgebaut. tenhöhe aufgebaut. Applikation der restlichen Inkremente möglich. Füllungsmaterial abgedeckt bzw. aus- gefüllt werden [56]. Es wird auch dis- kutiert, dass eine erste dünne Schicht aus einem fließfähigen Kompositmaterial unter nachfolgend darüber geschichteten Inkrementen aus hochviskösem Komposit aufgrund des geringeren E-Moduls (durch den niedrigeren Füllkörpergehalt) als Puffer bzw. „Stress Abb. 3g: Nachfolgend wurde der Abb. 3h: Endsituation: Der Prämolar wurde Breaker“ wirken kann. Dadurch sollen bukkale Höcker komplettiert. mit einer direkten Ormocerrestauration in der einfarbigen Schichttechnik versorgt. die negativen Auswirkungen der Poly merisationsschrumpfung beim Legen der Füllung und der einwirkenden Kräfte während der klini- zahnärztliche Praktiker die bevorzugte Füllungsvariante, schen Gebrauchsperiode (z.B. okklusale Kaubelastung) auch für große Kavitäten im okklusionstragenden Seiten- abgemildert werden [57-69]. In Patientenstudien konnte zahnbereich [20, 84, 88-90]. Im Fokus des Interesses steht allerdings bisher kein signifikant positiver Einfluss der „Lining- hierbei auch immer mehr die substanzschonende Versor- Technik“ auf die klinische Performance von Kompositfüllun- gung von Defekten mit Höckerbeteiligung als Alternative gen im Seitenzahnbereich nachgewiesen werden [70-76]. zu indirekten Onlays und Teilkronen [17, 84, 91-102] (Abb. 5 a bis h). Höckerersatz Der Ersatz von einzelnen oder mehreren Höckern mit Die Indikationen für direkte Kompositrestaurationen haben direkten Kompositen stellt mittlerweile aus werkstoffkund- in den vergangenen Jahren aufgrund der materialtechnischen licher Sicht kein Problem mehr dar und ist wissenschaftlich Verbesserungen der Kompositwerkstoffe und zugehöriger abgesichert [19]. Allerdings ist der intraorale Aufbau eines Adhäsivsysteme, bei gleichzeitiger Optimierung der Behand- oder mehrerer kompletter Zahnhöcker mit Komposit, lungsprotokolle, eine stetige Erweiterung erfahren [17, 77-87]. zusätzlich zur Versorgung der okklusalen Isthmus- und Direkte Kompositrestaurationen sind mittlerweile für viele approximalen Kastenbereiche eines Defektes, für den uu A P R I L 2 018 | N Z B | F A C H L I C H E S 13
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