Blick nach Norden Zu Besuch beim neuen Verdi-Chef Frank Werneke Service public, Frauen, Homeoffice: Lehren aus Corona - Vpod

Die Seite wird erstellt Kristina Gerlach
 
WEITER LESEN
Blick nach Norden Zu Besuch beim neuen Verdi-Chef Frank Werneke Service public, Frauen, Homeoffice: Lehren aus Corona - Vpod
Juli 2020
Das VPOD-Magazin erscheint 10-mal pro Jahr

Die Gewerkschaft
Schweizerischer Verband des Personals öffentlicher Dienste

Blick nach Norden
Zu Besuch beim neuen Verdi-Chef Frank Werneke
Service public, Frauen, Homeoffice: Lehren aus Corona
Blick nach Norden Zu Besuch beim neuen Verdi-Chef Frank Werneke Service public, Frauen, Homeoffice: Lehren aus Corona - Vpod
Banking, wo immer                                                                          Jetzt K
                                                                                                                          o
                                                                                                                  eröffn nto
                                                                                                                        en
                                                                                                                  profiti und

                        du bist.
                                                                                                                         eren!
                                                                                                                     Code:
                                                                                                                  VPOD
                                                                                                                         20*

                                                          Zak ist eine einfache und übersichtliche App,
                                                          mit der du deine Finanzen komplett im Griff hast.
                                                          Unkompliziert und gratis.
                                                          Exklusiv für dich: Eröffne ein Zak-Konto und erhalte
                                                          ein Startguthaben von 25 CHF und einen Gutschein
                                                          von Microspot im Wert von 50 CHF geschenkt.
                                                          Mehr dazu unter cler.ch/zak-kooperationen
* gültig bis 3.8.2020

                                                         Jetzt downloaden.

VPOD_Kooperation-zak-188x134-d.indd 1                                                                                        09.06.2020 07:19:23

                                 Ich will VPOD-Mitglied werden!
                   □ Ich möchte dem VPOD beitreten.
                   □ Ich interessiere mich für die Arbeit des VPOD und möchte mehr Informationen.

                   Vorname/Name:

                   Strasse:

                   PLZ/Ort:

                   Arbeitsort:

                   Telefon:

                   E-Mail:

                   Senden an: VPOD, Zentralsekretariat, Birmensdorferstrasse 67, Postfach, 8036 Zürich, oder mailen an: vpod@vpod-ssp.ch
Blick nach Norden Zu Besuch beim neuen Verdi-Chef Frank Werneke Service public, Frauen, Homeoffice: Lehren aus Corona - Vpod
Editorial und Inhalt   |   VPOD

        Themen des Monats

5       Zum Tango gehören zwei
        Das Bundesgericht klärt, was Mitbestimmung beim
        Pensionskassenwechsel bedeutet

6–7     Der Wert des Rettungsgeräts
        Der Service public ist bei der Bewältigung der
        Corona-Krise zentral
                                                                                         Christoph Schlatter

8       Raus aus dem Wilden Westen                                        ist Redaktor des VPOD-Magazins

        Homeoffice: Die Lehren aus dem Feldversuch

9       Mit geballter Kraft                                         Unmoralisch
        Bilder von der Frauen und der Antirassismus-Demo            «Corona zeigt uns die Brüchigkeit einer globalen Weltordnung.» «Co-
                                                                    rona zeigt uns, wie schön die Normalität ist.» «Corona zeigt uns, dass
11–17   Dossier: Blick nach Norden                                  die Menschheit ihr kollektives Verhalten grundlegend ändern kann.»
        Das grosse Interview mit dem neuen Verdi-Vorsitzenden       «Corona zeigt uns, wie wir unter Angst versagen.» «Corona zeigt uns,
        Frank Werneke                                               wie gut Entschleunigung tut.» «Corona zeigt uns, dass wir nicht Gott
                                                                    sind.» «Corona zeigt uns die Nachteile unseres Steinzeitgehirns.»
18–19   Das Unbehagen mit dem Kriegsende                            «Corona zeigt uns, dass die neoliberale Wirtschaft versagt.» «Corona
        Vor 75 Jahren rutschte die Schweiz aus der Kriegs-          zeigt uns, wie wichtig es ist, die Produktion im eigenen Land zu ha-
        in die Nachkriegszeit                                       ben.» «Corona zeigt uns, wie unsolidarisch unsere Gesellschaft ist.»
                                                                    «Corona zeigt uns, wie kostbar unsere Freiheit ist.» «Corona zeigt
21      Die Wiederkunft des Franz Biberkopf                         uns, wie wichtig reibungslose Echtzeitkommunikation ist.»
        Eine filmische Neuinterpretation von                        Steht alles im Netz. Das Coronavirus zeigt uns also: alles. Sowie: das
        «Berlin Alexanderplatz» kommt ins Kino                      Gegenteil davon. Klar, dass jetzt alle ihr Fledermaussüppchen ko-
                                                                    chen und mit der Pandemie Politik machen (oder – ein Geschäft).
                                                                    Die Lektion der Gewerkschaften ist aber doch vergleichsweise ein-
                                                                    leuchtend, gell: Aus dem ganz grossen Schlamassel rettet uns kein
        Rubriken                                                    höh’res Wesen, heben uns weder Nestlé noch Novartis, weder Sergio
                                                                    Ermotti noch Severin Schwan. Es helfen uns dann a) ein vernünftig
4       Gewerkschaftsnachrichten
                                                                    handelnder Staat und b) die Systemrelevanten (die Gestellauffüllerin

10      Aus den Regionen und Sektionen
                                                                    in der Migros, der Betreuer im Heim usw.). An diese Orte, in diese
                                                                    Stellen muss mehr Geld!
20      Sunil Mann: The Name of the Game                            Model/Influencerin/Spielerfrau Cathy Hummels zieht andere Schlüs-
                                                                    se: Sie sieht Corona als Gegenschlag der Umwelt. «Ich weiss nicht,
22      Wirtschaftslektion: Überbrückung als notwendige Korrektur   ob es die Rache der Natur ist, aber ich glaube, es ist die Antwort der
                                                                    Natur», sinniert der Papst/Pontifex/Hl. Vater. Ähnlich Philosoph/
23      Wettbewerb: Nördliches Wirtschaftswunder                    Kritiker/Theoretiker Slavoj Žižek: «Wenn die Natur uns mit Viren
                                                                    attackiert, sendet sie gewissermassen unsere Botschaft an sie zurück.»
24      VPOD aktuell                                                Das ist, mit Verlaub, Blödsinn. Wer bitte soll das sein, «die Natur»?

25      Hier half der VPOD: Depression? Nicht IV-relevant!
                                                                    Und das Virus selber kann uns gar nichts zeigen. Es ist dazu viel zu
                                                                    dumm. Vielleicht ist es ja nicht einmal ein Lebewesen. (Die Wissen-
26      Solidar Suisse: Drei Schritte vor, zwei zurück
                                                                    schaft streitet noch.)
                                                                    Kriterien wie Gut und Böse, Schuld und Sühne, Tat und Vergeltung
27      Menschen im VPOD: Hans Rudolf Schelling                     haben bei Infektionskrankheiten eh noch nie geholfen. Das gilt von
        wünscht einen guten Abend                                   der Pest des Mittelalters über die Spanische Grippe bis HIV/Aids:
                                                                    Erreger besitzen keinen Plan, die Natur hat keine Moral, Krankheit
                                                                    keine Botschaft (wie schon die kluge Susan Sontag festgestellt hat).
                                                                    Und wenn Menschen solche Dinge hineininterpretieren, entsteht
        Redaktion /Administration:
        Postfach, 8036 Zürich                                       höchstens zusätzliches Leid.
        Telefon 044 266 52 52, Telefax 044 266 52 53                Auch Corona übermittelt keine Nachrichten, die es zu entziffern gälte.
        Nr. 6, Juli 2020                                            Das einzige, was man tun kann: sich mit dem neu gewonnenen Wissen
        E-Mail: redaktion@vpod-ssp.ch | www.vpod.ch                 für die Krisen der Zukunft wappnen. Siehe oben. (Aber mutmasslich
        Erscheint 10-mal pro Jahr                                   erwischt uns auch die nächste Katastrophe auf dem falschen Fuss.)

                                                                                                                                Juli 2020 3
Blick nach Norden Zu Besuch beim neuen Verdi-Chef Frank Werneke Service public, Frauen, Homeoffice: Lehren aus Corona - Vpod
VPOD      | Gewerkschaftsnachrichten

                                                                         Abschottung? Für die Schweiz der falsche Weg.

                                                                         Präsenz? Für Hochschulen unverzichtbar.

                                                                         Initiative «würde es schwieriger machen, wirtschaftlich aus der
                                                                         Krise herauszukommen; sie würde den Druck auf die Löhne aller
                                                                         erhöhen und die bewährten Kontroll- und Schutzmechanismen
                                                                         aufs Spiel setzen», betonte SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard. Er
                                                                         ortet in der Schwächung der Arbeitnehmerrechte auch das eigent-
                                                                         liche Bestreben der Initiantin. Der SGB wird sich daher mit einer
                                                                         starken Kampagne gegen die Kündigungsinitiative engagieren, um
                                                                         Jobs und das wirksamste Lohnschutzsystem Europas zu bewahren.
                                                                         | slt/sgb (Foto: jikgoe/iStock)

                                                                         Auf Kosten der Kleinen
                                                                         Über zwei Motionen von SP-Nationalrätin Mattea Meyer über die
                                                                         Verlängerung der Unterstützungsmassnahmen für Selbständige bis
                                                                         September stimmt das Parlament erst in der nächsten Session ab –
                                                                         wenn es für viele Soloselbständige zu spät ist. Schuld am Widerruf des
                                                                         bereits gefällten Beschlusses zum Ordnungsantrag der SP waren FDP
                                                                         sowie der nächtliche Gesinnungswandel zweier Grüner. Syndicom ist
                                                                         empört: Ohne Fortführung des Erwerbsersatzes für Selbständigerwer-
                                                                         bende und der Kurzarbeitsentschädigung für Personen in der eigenen
                                                                         GmbH werden viele Existenzen an der Krise zerbrechen. | slt

Weight Watchers will sich schlankstrampeln                               Hochschulen: Präsenz unverzichtbar
Die Ankündigung von Weight Watchers Schweiz, rund zwei Drittel           Zur Teilöffnung der Hochschulen stellt der VPOD klar, dass Präsenz-
der Stellen in der Schweiz zu streichen, hat zu heftigen Auseinan-       unterricht auch im Tertiärbereich unverzichtbar bleibt und sich nicht
dersetzungen geführt. Der in Nyon ansässige Ableger des multinati-       durch Fernunterricht ersetzen lässt. Eine erste Bilanz des VPOD über
onalen Unternehmens für Gewichtsreduktion versuchte, ein ordent-         die Zeit des Lockdowns hat zahlreiche weitere Forderungen ans Licht
liches Konsultationsverfahren zu hintertreiben. Inzwischen haben         gebracht: Der Zusatzaufwand für die Umstellung auf Fernunterricht
die Beschäftigten, unterstützt von der Gewerkschaft Unia, ihrerseits     muss abgegolten, dessen Durchführung seriös nachbereitet wer-
Vorschläge zur Rettung der 110 bedrohten Arbeitsplätze eingereicht.      den. Dazu gehören auch klare Regeln fürs Homeoffice. Wer wegen
Während die Direktion auf verstärkte Online-Aktivitäten setzt, favori-   der Zusatzanforderungen in der eigenen wissenschaftlichen Quali-
sieren die Beschäftigten persönliche Workshops. | unia/slt               fikation gebremst wurde, soll eine Vertragsverlängerung erhalten.
                                                                         | vpod (Foto: skynesher)
Postfinance soll raus aus dem Korsett
Dachverband und Branchengewerkschaft sind sich einig: Postfinance        Flankierende schärfer vollziehen
ist ein unverzichtbares Finanzinstitut, das in einem zu engen Kor-       Der Bericht zu den Flankierenden zeigt gemäss SGB: Diese Massnah-
sett gefangen ist. Daher wird die Ankündigung des Bundesrats, Post-      men sind wichtiger denn je! Wo kontrolliert wird, kommt Illegales
finance den Zugang zum Hypothekar- und Kreditmarkt zu öffnen,            ans Licht, insbesondere bei Firmen, die Kurzaufenthalterinnen und
begrüsst. So könnten auch die negativen Folgen der erodierenden Zin-     Kürzestaufenthalter oder Temporärarbeitskräfte beschäftigen. Bei
sen teilweise aufgefangen werden. SGB und Syndicom warnen indes          mehr als 15 Prozent der rund 166 000 überprüften Löhne wurden
vor einer Teilprivatisierung. Daraus resultiere höchstens eine Schwä-    Verstösse aufgedeckt, entweder zu tiefe Löhne oder Scheinselbstän-
chung des Service-public-Gedankens, bemerken sie. | sgb/syndicom/slt     digkeit. In Branchen mit GAV-Mindestlöhnen sind die Verstossquoten
                                                                         höher (über 20 Prozent), weil Dumping dort klarer definiert ist. Die
Kampagne gegen Kündigungsinitiative                                      Kontrollaktivität der Kantone ist nach wie vor sehr unterschiedlich;
Der SGB hat an einem gemeinsamen Auftritt der Sozialpartner              stark ist sie etwa im Tessin und in Genf, schwach allgemein in der
mit Bundesrätin Karin Keller-Suter betont, dass die Kündigungs-          Deutschschweiz, wo ein Schweizer Unternehmen im Schnitt nur ge-
initiative allen Arbeitnehmenden schadet. Die Annahme der SVP-           rade alle 50 Jahre einmal kontrolliert wird. | sgb

4 Juli 2020
Blick nach Norden Zu Besuch beim neuen Verdi-Chef Frank Werneke Service public, Frauen, Homeoffice: Lehren aus Corona - Vpod
Vorsorge       |   VPOD

Das Bundesgericht klärt, was Mitbestimmung bei einem Pensionskassenwechsel bedeutet

Zum Tango gehören zwei
Die zweite Säule ist in der Schweiz paritätisch konzipiert. Beide Parteien, Arbeitgeber und Arbeitnehmende,
bestimmen gemeinsam. Dass das auch beim Wechsel der Vorsorgeeinrichtung gilt, hat das Bundesgericht endlich
klargestellt. | Text: VPOD (Foto: GoodLifeStudios/iStock)

Der VPOD begrüsst, dass das Bundesge-                vorab im privatwirtschaftlichen KMU-Bereich
richt das gesetzlich verankerte Mitbestim-           akut, aber auch der VPOD weiss Geschichten
mungsrecht der Arbeitnehmenden beim                  zu erzählen (siehe Kommentar).
Wechsel der Pensionskasse bekräftigt hat             Heute werden Hunderttausende Arbeit-
(9C_409/2019). Damit ist klar: Echte Mitwir-         nehmende an schlechte und teilweise sogar
kung bedeutet, dass die Wahl der Vorsorge-           dubiose Sammelstiftungen angeschlossen,
einrichtung eine gemeinsame Entscheidung             ohne dass sie um ihre Meinung gefragt wur-
des Arbeitgebers und der Arbeitnehmenden             den. Es gibt Fälle, in denen kerngesunde
ist. Damit sollen einseitig von Arbeitgeber­         Kassen schlechtgeredet werden – nur damit
interessen geleitete Wechsel, die das Personal       das Unternehmen Geld spart, zulasten des
schlechter stellen, unterbunden werden.              Personals, dessen Konditionen verschlechtert
                                                     werden. «Das Bundesgerichtsurteil gibt den
Echte Zustimmung nötig                               Arbeitnehmenden nun den höchstrichterli-
Das Bundesgericht verlangt nicht einfach eine        chen Segen, sich selbstbewusst gegen Wech-
kurze Information: «Es reicht nicht, das Per-        selgelüste ihrer Arbeitgeber zu wehren»,
sonal nur zu orientieren und/oder anzuhören.         kommentiert das PK-Netz.                            Nicht nur auf dem Tanzparkett, sondern auch bei der
Vielmehr bedarf es dessen Zustimmung zum                                                                Ausgestaltung der beruflichen Vorsorge braucht es zwei.
Anschlusswechsel.» Die Arbeitnehmenden               «Veritable Herausforderung»
müssen folglich frühzeitig über die relevanten       Franziska Bur Bürgin, Anwältin der unterle-        die der Arbeitgeber aus Datenschutzgründen
Entscheidungskriterien verfügen. Auch für            genen Partei, listet in ihrem Blog auch jene       gar nicht haben darf. Auch sie liest aus dem
das gewerkschaftliche PK-Netz ist klar: Dieses       Punkte auf, die das Bundesgericht offenlässt.      Bundesgerichtsentscheid die Aufforderung
Urteil hat Signalwirkung, denn es geht hier          Namentlich zum konkreten Verfahren gibt es         an die Sozialpartner, sich gemeinsam auf den
nicht um einen Einzelfall. Die Zahl betriebs-        kaum Hinweise, und auch die Frage, welche          Weg zu machen, wenn eine Partei einen Kas-
eigener Kassen sinkt, die Versicherung in ei-        Informationen dem Personal vorliegen müs-          senwechsel anstrebt. «In Unternehmen, wel-
ner Sammel- oder Gemeinschaftseinrichtung            sen, damit es entscheiden kann, ist ungeklärt.     che keine gewählte Arbeitnehmervertretung
wird häufiger: «Und um diese Versichertenbe-         Besonders bei Kassen in Unterdeckung, so           haben, dürfte ein solcher Prozess erhebliche
stände herrscht ein regelrechter Wettbewerb,         mahnt Bur Bürgin, «dürften die konkreten           Ressourcen binden und zu einer veritablen
bei dem die Interessen der Arbeitnehmenden           Konsequenzen für den einzelnen Versicherten        Herausforderung werden», mutmasst die
oft zu kurz kommen.» Die Problematik ist             im Vordergrund stehen» – Informationen,            Anwältin.

Mitbestimmung gestärkt
Dieses Urteil ist deshalb so wichtig, weil die       Mitwirkung des Personals sei                                      Arbeitgebern werden sie nachha-
Mitwirkungspflicht in der beruflichen Vorsorge       unpraktikabel und der fragliche                                   ken müssen, ob das Personal in
bisher sehr stiefmütterlich behandelt wurde.         Gesetzesartikel (Art. 11 Abs. 3 bis                               den Prozess einbezogen war und
Viele Arbeitgeber setzten sich einfach über das      BVG) betreffe sowieso nur das                                     ob es einverstanden ist. Und die
Gesetz hinweg. Uns ist ein Fall bekannt, wo der      Obligatorium. Er sei somit toter                                  Arbeitgeber sowie die abgeben-
Arbeitgeber von seinen Mitarbeitenden zwar die       Buchstabe, wenn eine Versiche-                                    de Pensionskasse werden diesen
schriftliche Einwilligung für den Wechsel einholte   rung zugleich auch überobli-                                      Prozess begleiten und dokumen-
– damit verbunden war aber die Kündigungsan-         gatorische Leistungen anbietet.                                   tieren müssen!
drohung für den Fall, dass man nicht zustimme!       Dem ist definitiv nicht so. Das                                   Das wird hoffentlich auch den
Diesem Arbeitgeber sollte man jetzt dieses Urteil    Bundesgericht hat eine rote Linie                                 Brokern, die Pensionskassen-
um die Ohren schlagen . . .                          gezogen. Die Pensionskassen werden sensibili-      wechsel oft aus Eigennutz fördern (Stichwort:
In Fachkreisen bis hin zum Bundesamt für So-         siert; sie können nicht mehr einfach jeden neuen   Courtagen), die Arbeit erschweren. | Jorge Serra,
zialversicherungen hörte man bisweilen, die          Anschluss durchwinken. Bei den wechselwilligen     VPOD-Zentralsekretär (Foto: Mischa Scherrer)

                                                                                                                                                 Juli 2020 5
Blick nach Norden Zu Besuch beim neuen Verdi-Chef Frank Werneke Service public, Frauen, Homeoffice: Lehren aus Corona - Vpod
VPOD       | Coronavirus

SGB betont: Der Service public ist bei der Bewältigung der Corona-Krise zentral

Der Wert des Rettungsgeräts
Der Service public hält in dieser ausserordentlichen Zeit das Land zusammen. Das sieht der gesamte SGB so:
Die Stärkung öffentlicher Dienstleistungen ist Voraussetzung nicht nur für den Aufschwung, sondern auch für die
Bewältigung einer nächsten Krise. | Text: Christoph Schlatter (Foto: Helgi/photocase.de)

«Ohne Service public wäre die Lage in den            ten können.» Dies das Fazit des SGB, der an        für die Bewältigung der vorliegenden und
letzten Monaten viel schlimmer gewesen.              einer Medienkonferenz – der letzten «virtuel-      künftiger Krisen präsentierte. Unter Corona
Ohne Service public hätte die Schweiz der            len», wie man hofft – den Service public als       habe sich gezeigt: Gerade dort, wo die Gegne-
Pandemie nicht auf diese Weise entgegentre-          stabilisierenden Faktor und als unabdingbar        rinnen und Gegner Schwächen zu erkennen
                                                                                                        glauben, war und ist der Service public stark.
                                                                                                        «Institutionen, bei denen die Koordination
                                                                          Der Service public trug       im Vordergrund steht und nicht der Wettbe-
                                                                          Wesentliches zum Überstehen   werb, waren in der Krise fähig, im öffentli-
                                                                          der Corona-Krise bei.
                                                                                                        chen Interesse zu agieren», so der SGB. Sta-
                                                                                                        bile Ressourcen sind für solche Kontinuität
                                                                                                        aber die Voraussetzung.

                                                                                                        Vertrauen als Grundlage
                                                                                                        Im öffentlichen Verkehr und in der Logistik
                                                                                                        war es die Kombination aus guter Zusam-
                                                                                                        menarbeit aller beteiligten Akteure einerseits
                                                                                                        und klaren Vorgaben für die Grundversor-
                                                                                                        gung andererseits, die die Aufrechterhaltung
                                                                                                        eines geschrumpften Angebots während
                                                                                                        des Lockdowns und die rasche Wiederher-
                                                                                                        stellung des Normalzustands in der Phase
                                                                                                        danach ermöglichten. Dies betonte Giorgio
                                                                                                        Tuti, Präsident des SEV. Er hob hervor, wie
                                                                                                        vergleichsweise reibungslos SBB und Co.
                                                                                                        die Herkulesaufgabe der tiefgreifendsten
                                                                                                        Fahrplananpassung der Geschichte erfüllt
                                                                                                        haben. Auch die Post bewältigte Spitzen, die
                                                                                                        jene von Weihnachten und Black Friday noch
                                                                                                        übertrafen.
                                                                                                        «Vertrauen» ist dabei ein zentrales Stichwort:
                                                                                                        Dank funktionierender Logistik hielten sich
                                                                                                        Hamsterkäufe in Grenzen; auch der Glaube
Kultur ist systemrelevant                                                                               an den Sinn des Notrechtsregimes hänge von
Beat Santschi, Zentralpräsident des Schweize-        den, zumal für die Freien, eine prekäre Sache.     solchen Elementen wesentlich ab, betonte Tu-
rischen Musikerverbands, nutzte die SGB-Pres-        Jetzt sind die Aussichten noch trüber, und klar    ti. «Vertrauen» ist auch eine zentrale Ressour-
sekonferenz für einen Appell zur Rettung der         ist einzig, dass die Auswirkungen der Pandemie     ce der Medien. Stephanie Vonarburg, Leiterin
kulturellen Vielfalt. Er betonte, dass die Erlaub-   im Kulturbereich noch über Jahre zu spüren sein    des Sektors Medien bei der Gewerkschaft
nis für Kleinveranstaltungen, wie sie seit Anfang    werden. Viele Veranstalter werden nicht überle-    Syndicom, machte darauf aufmerksam: «Es
Juni gilt, für die meisten Etablissements und Or-    ben, zahlreiche Künstlerinnen werden, der Not      ist wieder in unser aller Bewusstsein gerückt,
ganisatoren keineswegs den erhofften Befrei-         gehorchend, umsatteln. Der Musikerverband          dass die Medien mit ihrer Berichterstattung
ungsschlag darstellt. Denn damit wird in erster      verlangt darum dringend die Fortsetzung des        und Einordnung eine unabdingbare Leistung
Linie die Verantwortung auf die Veranstalter         Erwerbsersatzes für Selbständige, der Kurzar-      für die Menschen, die Gesellschaft und die
abgeschoben: Sie dürfen zwar öffnen, kommen          beit für Kulturunternehmen und der Nothilfe        Demokratie erbringen.»
aber mit dem spärlich zugelassenen Publikum          für Kulturschaffende, auch längerfristig. Sonst    Allerdings stimmt hier die Finanzierung
nicht auf einen grünen Zweig. Schon vor Corona       drohe «eine nachhaltige Schädigung des kultu-      nicht. Schon im März fehlten den Schweizer
war Kultur für die allermeisten Kulturschaffen-      rellen Service public». | slt                      Medien im Vergleich zum Vorjahresmonat

6 Juli 2020
Blick nach Norden Zu Besuch beim neuen Verdi-Chef Frank Werneke Service public, Frauen, Homeoffice: Lehren aus Corona - Vpod
Coronavirus      |   VPOD

80 bis 90 Millionen Franken an Werbeein-             einen anderen Weg gegangen). Allerdings              nen, die von demokratisch legitimierten Be-
nahmen; im April verschärfte sich die Lage           habe man die finanziellen Konsequenzen               hörden den gesellschaftlichen Bedürfnissen
weiter. Dabei akzentuiert die Coronakrise            dieser Entscheidung zu spät erkannt: Wenn            angepasst werden».
lediglich einen ohnehin bestehenden Trend:           eine Service-public-Branche grossmehrheit-
Werbegeld fliesst zunehmend ins Internet             lich durch individuelle Beiträge finanziert          Noch widerstandsfähiger werden
und dort in nichtpublizistische Plattformen.         ist, bedeutet geringere Auslastung rasch             Der SGB verlangt daher, dass wieder über
Die vom Parlament angeschobene Nothilfe              einmal den Kampf ums Überleben. In der               den Wert – und nicht nur den Preis – des
für die Medien wird zwar begrüsst, eben-             Tat ist die Existenz vieler Einrichtungen in         Service public gesprochen wird. Es braucht
so wie das Massnahmenpaket für die neue              Gefahr.                                              mehr davon – und weniger Liberalisierung.
Medienförderung. Hier gibt es aus Sicht der          «Die finanzielle Basis stärken, den Anbietern        «Die krisenbedingten Zusatzausgaben oder
Syndicom allerdings Nachbesserungsbedarf.            und den Angestellten den raschen Ausstieg            Einnahmeausfälle dürfen weder zu Leis-
Es muss verhindert werden, dass Fördergel-           aus dem Krisenmodus ermöglichen und die              tungs- noch zu Lohnkürzungen führen»,
der in private Verlegertaschen abfliessen.           Stellung der Angestellten, die sich seit Jahren      verlangt Pierre-Yves Maillard. Vielmehr sei
Deshalb soll für die Subvention der Verzicht         an vorderster Front bewähren, verbessern»:           ein rascher und vollständiger Ausgleich der
auf Gewinnausschüttung und Entlassungen              Das sind denn auch die Ziele des gesamten            Verluste notwendig, auch im Hinblick auf
Voraussetzung sein. Auch die Koppelung an            SGB. Auf dem Prüfstand stehen für den SGB-           den wirtschaftlichen Wiederaufschwung. In
GAV ist für Syndicom logisch.                        Präsidenten Pierre-Yves Maillard im Service          den subventionierten oder anderweitig durch
                                                     public jene «Finanzierungssysteme, die nur           die öffentliche Hand unterstützten Betrieben
Einrichtungen im Existenzkampf                       das direkte Verhältnis zwischen zahlenden            müsse jede Entlassung verhindert werden. Ei-
An Unterfinanzierung leidet auch der eben-           Kunden und Dienstleistern sehen». In diese           ne Besserstellung der Beschäftigten und die
so systemrelevante Bereich der Kinderbe-             Rubrik gehören auch die meisten Einrich-             bessere Anerkennung ihrer Kompetenzen
treuung. Katharina Prelicz-Huber lobte den           tungen eines auf Subjektfinanzierung umge-           gehen damit Hand in Hand. So will Pierre-
Bund für seinen Entscheid, diese Branche             bauten Sozialbereichs, während Maillard die          Yves Maillard «den Service public noch wi-
als Grundversorgung auch in der Krise of-            Zukunft in einer Rückkehr zum vorherigen             derstandsfähiger machen – zum Beispiel mit
fenzuhalten (Deutschland beispielsweise ist          System sieht – «mit öffentlichen Subventio-          Blick auf eine nächste Krise».

VPOD: Wende zurück zum Gemeinwohl
Hervorzuheben, dass der Service public in der        nals kämpften wochenlang mit langen Arbeitsta-       bei Schönwetter funktionieren. Deshalb möchte
Krise wichtig, lebensrettend, systemrelevant         gen und vielen Überstunden um das Leben der          der VPOD nicht einfach zurück zur «Normalität»
war und ist – das hiesse wahrlich, Wasser in den     an Covid-19 Erkrankten und riskierten dabei die      der Vor-Corona-Verhältnisse. In einer vom Lan-
Rhein zu tragen. Katharina Prelicz-Huber ging        eigene Gesundheit, weil es zu Beginn an Schutz-      desvorstand verabschiedeten Stellungnahme
an der Medienkonferenz spezifisch auf das Ge-        material mangelte. Zum Dank hob der Bundesrat        wird festgehalten, «dass die Prioritäten unserer
sundheitspersonal ein, wo sich deutlich die Un-      per Notverordnung den Gesundheitsschutz für          Gesellschaft in wichtigen Grundfragen falsch ge-
terbewertung der pflegenden und betreuenden          das Gesundheitspersonal auf.»                        setzt sind» und dass es daher eine Wende zurück
Berufe gezeigt hat: «Teile des Gesundheitsperso-     Für die massive Belastung der letzten Wochen         zum Gemeinwohl braucht.
                                                     verlangt der VPOD eine spezielle Entschädigung,      Auch der VPOD sieht die Verhinderung von Ent-
Katharina Prelicz-Huber: «Klatschen reicht nicht.»   denn: «Klatschen genügt nicht.» Katharina Pre-       lassungen, die Überlebenshilfe an Institutio-
                                                     licz-Huber sieht viele der nun sichtbar geworde-     nen und die Stärkung der Grundversorgung als
                                                     nen Probleme als eine Folge der forcierten Ein-      vorrangig an, zum einen zwecks Milderung der
                                                     führung von Wettbewerb: So war selbst in der         anstehenden Rezession, aber auch im Hinblick
                                                     Krise ein Teil des Spitalpersonals zeitweilig ohne   auf eine allfällige zweite Welle und auf weite-
                                                     Arbeit, und die Finanzierung geriet in Schieflage.   re Krisenszenarien. Denn: «Die nächste Bedro-
                                                     Die Abgeltung im Gesundheitswesen muss daher         hung könnte auch aus einer ganz anderen Ecke
                                                     grundsätzlich neu aufgestellt werden: Eingriffe      kommen. Umweltkatastrophe? Komplettabsturz
                                                     sollen so entschädigt werden, dass öffentliche       digitaler Infrastruktur (wovon die Swisscom-
                                                     Spitäler ihre Grundversorgungsleistungen nicht       Pannen einen Vorgeschmack gaben)? Zerfall Eu-
                                                     mit hochspezialisierter Medizin – Knie-Arthros-      ropas? Weitere Rechtsextreme an Schalthebeln
                                                     kopie u. dgl. – quersubventionieren müssen.          der Macht? Handelskrieg? Krieg? Ein starker,
                                                     Auch im Sozialbereich gehört die Subjektfinan-       umverteilender und ausgleichender Sozialstaat
                                                     zierung auf den Prüfstand. Überhaupt ist in den      mit soliden Institutionen, gelebten sozialpart-
                                                     letzten Monaten überdeutlich geworden, dass          nerschaftlichen und tripartiten Beziehungen und
                                                     die marktkonforme Regelung und die Profitori-        einem gutdotierten Service public ist zumindest
                                                     entierung in Bereichen wie Pflege, Betreuung,        einer der Schilde, die auch gegen künftige Kata-
                                                     ja in der ganzen Grundversorgung bestenfalls         strophen wappnen.» | slt (Foto: Alexander Egger)

                                                                                                                                              Juli 2020 7
Blick nach Norden Zu Besuch beim neuen Verdi-Chef Frank Werneke Service public, Frauen, Homeoffice: Lehren aus Corona - Vpod
VPOD       | Coronakrise

Homeoffice: Die Lehren aus dem unvorbereiteten, gross angelegten Feldversuch

Raus aus dem Wilden Westen
Viele haben es sich als Wundermittel vorgestellt. In den Monaten des Lockdowns haben sich jetzt auch die
Schattenseiten des Homeoffices gezeigt. Zwar gibt es Regeln – aber sie müssten auch angewandt werden.
| Text: Luca Cirigliano, SGB-Zentralsekretär (Foto: jessicahyde/iStock)

                                                      Man arbeitet zuhause, nebenbei kocht und              wegen verpflichtet, für eine ergonomische
                                                      putzt man und spielt mit den Kindern, der             Ausrüstung und Einrichtung sowie für die
                                                      Arbeitsweg entfällt, und aus dem Pyjama               Einhaltung des Schutzes gegen Burnout und
                                                      muss man höchstens raus, wenn eine der                Überarbeitung zu sorgen.
                                                      lästigen Videokonferenzen ins Haus steht . . .
                                                      Auch wenn viele Betroffene in der Corona-             Nicht als Sparübung
                                                      Krise das Homeoffice vorübergehend gut                Im Unterschied zum Kostenersatz für Ar-
                                                      angenommen und viel Improvisationsgeist               beitsgeräte und Material ist der sogenannte
                                                      gezeigt haben – ganz so einfach ist es nicht.         Auslagenersatz (auch Spesenersatz genannt)
                                                      Nicht erst seit der medizinisch verordneten           nach Art. 327a OR zwingend vom Arbeitgeber
                                                      Verschanzung weiter Teile der Arbeitneh-              geschuldet und kann nicht vertraglich wegbe-
                                                      menden im Homeoffice sind dessen Risiken              dungen werden. Arbeitnehmende haben also
                                                      und Nebenwirkungen bekannt.                           Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ihnen
                                                      Sie reichen von logistischen und techni-              alle für die berufliche Tätigkeit notwendigen
                                                      schen Schwierigkeiten (fehlender Platz,               Kosten ersetzt. Dazu zählen Strom, Internet,
                                                      unbequemes Mobiliar, leistungsschwacher               Papier, Reparaturen usw. Ohne strikte Kos-
                                                      Computer mit zu kleinem Bildschirm, zu                tenbeteiligung könnte der Arbeitgeber Miete,
                                                      langsames Internet) hin zu sozialen Proble-           Mobiliar und Infrastruktur auf dem Buckel
                                                      men (schreiende Kinder, Vermischung von               der Angestellten einsparen.
                                                      Arbeit und Freizeit, soziale Vereinsamung).           Homeoffice als Dauerzustand braucht klare
                                                      Homeoffice kann eine Belastung sein, ins-             Regeln. Und solche gibt es: Das Arbeitsge-
                                                      besondere wenn es zum Dauerzustand wird.              setz, das OR und das Datenschutzgesetz sind
                                                      Das liegt auch daran, dass Arbeitgeber häu-           alle auch auf das Homeoffice anwendbar. Die
                                                      fig ihre gesetzlichen Pflichten nicht wahr-           Gerichte haben dazu eine Praxis entwickelt,
                                                      nehmen. Das Arbeitsgesetz (ArG) gilt auch             was – zumindest theoretisch – für einen gu-
                                                      im Homeoffice vollumfänglich – ob ange-               ten Schutz sorgt, vom ergonomischen Büro-
Im Home- oder Gardenoffice braucht es                 ordnet oder auf Wunsch des Arbeitnehmers.             stuhl bis zum Recht auf Nichterreichbarkeit.
moderne Geräte. Wer bezahlt?                          Das heisst: Der Arbeitgeber ist von Gesetzes          Leider bleiben diese Regeln und die Recht-
                                                                                                            sprechung der Gerichte häufig toter Buchsta-
                                                                                                            be. Denn Arbeitnehmende, die sich einzeln
                                                                                                            wehren, riskieren wegen dem notorisch un-
Licht und Schatten am Küchentisch                                                                           genügenden Kündigungsschutz schlicht den
Auch eine Umfrage im Auftrag der Syndicom             voll zu nutzen, sei es privat (78 Prozent) oder be-   Rausschmiss. Und die Arbeitsinspektorate
zeigt Schattenseiten im Homeoffice. Es überwiegt      ruflich (68 Prozent). 61 Prozent sehen die Verein-    sind häufig personell und finanziell unter-
aber die positive Bewertung: Die Arbeitszufrie-       barkeit von Privat- und Berufsleben gesteigert.       dotiert.
denheit ist grösser, die Vereinbarkeit erleichtert,   Die Frage der Kinderbetreuung erfordert gemäss        Umso wichtiger ist die kollektive Logik: Das
dem Klimaschutz Rechnung getragen.                    Syndicom allerdings weitere Untersuchung.             Homeoffice muss aus dem Wilden Westen
Rund 90 Prozent der vom Forschungsinstitut            Auf der Negativseite beklagen 71 Prozent die feh-     in geregelte Bahnen gelenkt werden. Das
GfS Bern Befragten sind der Meinung, dass             lenden informellen Kontakte und 49 Prozent die        ist aber nicht der Job der einzelnen Arbeit-
Homeoffice als Ergänzung zur Arbeit im Betrieb        mangelhafte Ergonomie am Küchen- oder Stu-            nehmenden. Vielmehr kommt hier die Rolle
zugelassen werden sollte. Ebenso viele finden –       bentisch. Vollumfängliches Homeoffice dürfte          der Gewerkschaften als kollektive Fürspre-
wenig überraschend –, dass Homeoffice einen           also weder im Interesse der Unternehmen noch          cherinnen der Arbeitnehmerinteressen zum
wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz leistet         in jenem der Beschäftigten sein, wohl aber «ein       Tragen: Mittels GAV muss sichergestellt wer-
und namentlich die Überlastung der Verkehrsinf-       gesunder Mix, dessen Rahmenbedingungen                den, dass alle gesetzlichen Bestimmungen
rastruktur vermeiden hilft. Einer Mehrheit gelingt    sozialpartnerschaftlich vereinbart werden müs-        im Homeoffice auch wirklich eingehalten
es auch, die beim Arbeitsweg gesparte Zeit sinn-      sen». | syndicom/slt                                  werden.

8 Juli 2020
Blick nach Norden Zu Besuch beim neuen Verdi-Chef Frank Werneke Service public, Frauen, Homeoffice: Lehren aus Corona - Vpod
Demos   |   VPOD

Mit geballter Kraft
Coronabedingt manifestierte sich der 1. (bzw.
der 29.) Jahrestag des Frauenstreiks zurück-
haltend. Es gab dennoch beachtliche De-
monstrationen, zum Beispiel in Genf (Bild).
Und das mit Grund. Denn der Unterschied
zwischen Männer- und Frauenlöhnen hält
sich hartnäckig, ebenso wie die schlechtere
Bewertung jener Tätigkeiten, die vorwiegend
von Frauen ausgeübt werden. Dabei hat sich
gerade in der Krise erwiesen, wie wichtig diese
Arbeit ist. Die Gewerkschaften bleiben dran:
für faire Frauenlöhne, für höhere Altersrenten
und für die solidarische Finanzierung der Be-
treuungsarbeit als Service public.
Auch die durch Polizeigewalt neu angefach-
te «Black lives matter»-Bewegung sorgte für
grosse Kundgebungen etwa in Zürich und in
Genf (Bild). Auch mit diesem Protest steht
die Gewerkschaftsbewegung Seite an Sei-
te. Es geht dabei nicht nur um Vorgänge in
Amerika und in den einstigen Kolonialmäch-
ten, sondern auch um hiesige Ausgrenzung –
vorzugsweise um die bösartigen Trennlinien
zwischen «Eidgenossen», «Schweizern» und
«Ausländern». | vpod (Fotos: Eric Roset)

                                                          Juli 2020 9
Blick nach Norden Zu Besuch beim neuen Verdi-Chef Frank Werneke Service public, Frauen, Homeoffice: Lehren aus Corona - Vpod
VPOD      | Aus   den Regionen und Sektionen

                                                                       Langsame Rückkehr: Bundesverwaltung Guisanplatz.

                                                                       Langsames Wiedererwachen: Flughafen Zürich.

                                                                       schönte wissenschaftliche Publikationen und setzte nicht zugelassene
                                                                       Implantate ein, an denen er zugleich verdiente. Und der Direktor der
                                                                       Kieferchirurgie fingierte die Weiterbildung von Assistenzärztinnen
                                                                       und überwies sich Patienten in die eigene Praxis. Für den VPOD ist
                                                                       klar, dass die Strukturen des USZ auf den Prüfstand gehören. Die
                                                                       Skandale bei den Spitzenverdienern erschweren dem weniger fürst-
                                                                       lich entlohnten Personal die Arbeit zusätzlich. | vpod

                                                                       Bern: «Kita ist kein Kinderspiel»
                                                                       Der VPOD Bern fordert unter dem Motto «Kita ist kein Kinderspiel»
                                                                       eine bessere Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung
                                                                       durch den Kanton sowie gute, durch GAV geregelte Arbeitsbedingun-
                                                                       gen. Zu letzteren gehören aus VPOD-Sicht: genügend Zeit für Vor-
                                                                       und Nachbereitung, Eltern- und Teamarbeit sowie Dokumentation
                                                                       und ein besserer Betreuungsschlüssel samt Personalausstattung. Der
                                                                       Grosse Rat hat es in der Hand, der Branche im Gesetz über die so-
                                                                       zialen Leistungsangebote entsprechende Vorgaben zu machen. | slt

                                                                       Bundespersonal: Rückkehr aus dem Homeoffice
Klärungsbedarf in Zürichs Pflegezentren                                22 000 Bundesangestellte, die im Homeoffice arbeiten, sollen bis Ende
Das Personal in der Langzeitpflege war in den letzten Monaten durch    August wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Dafür sollen mit
die Corona-Pandemie besonders gefordert. In der Stadt Zürich sind      der Umstellung von Möbeln und dem Einbau von Plexiglasscheiben
dabei Missstände zu Tage getreten. Dem VPOD gemeldet wurden            die Voraussetzungen geschaffen werden. Der Bundesrat hat aber be-
etwa: unklare oder unverständliche Instruktionen, fehlender Schutz,    griffen, dass es nicht weitergeht wie vor Corona: Aufgrund der Erfah-
Druck auf Erkrankte sowie Versuche, Kosten für Tests auf die einzel-   rungen der Corona-Zeit soll ein Homeoffice-Konzept erarbeitet und
ne Mitarbeiterin abzuwälzen. Diese Dinge müssen aufgearbeitet wer-     im September mit den Personalverbänden diskutiert werden. Offe-
den. Die VPOD-Forderungen: Schutzkonzept, Übernahme der Kosten         ne Fragen etwa: Soll es einen Anspruch auf Homeoffice geben? Soll
für Corona-Tests, spezielle Entschädigung für die ausserordentliche    Homeoffice vom Arbeitgeber angeordnet werden können? Wie und
Leistung während der Pandemie. | vpod                                  bis zu welchem Grad sollen Miet- und Infrastrukturkosten entschädigt
                                                                       werden? Sollen zwecks Entlastung des öffentlichen Verkehrs Präsenz-
Bern: Umstrukturierung in der Heilpädagogik                            zeiten verschoben werden? | vpod (Foto: Anthony Anex/Keystone)
Im Kanton Bern ist eine Umstrukturierung im Bereich der Sonder-
schulen im Gang: Für fünf Einrichtungen (u. a. das Schulheim Erlach,   Am Flughafen drohen Massenentlassungen
das Zentrum für Hören und Sprache Münchenbuchsee) heisst das:          Zu den am härtesten von Corona betroffenen Branchen gehört der
Verselbständigung und künftige Finanzierung mit Leistungsauftrag.      Luftverkehr. Auch wenn die Swiss-Flugzeuge allmählich ihr Ruhe-
Der VPOD hat das Personal im Juni zu einem ersten Treffen geladen.     quartier in Dübendorf verlassen, ist mit einer raschen Entspannung
Der Zeitplan, wonach die neue Rechtsform ab 2022 gelten soll, ist      an den Flughäfen von Basel, Genf und Zürich nicht zu rechnen. Selbst
zumindest ambitiös. Problematisch ist auch, dass die Institutionen     optimistische Szenarien gehen davon aus, dass auch im Frühling 2021
alle in historischen Gebäuden tätig sind – wer übernimmt in welchem    höchstens 80 Prozent des bisherigen Volumens erreicht sind, wie die
Umfang die Verantwortung dafür? | vpod                                 Sonntagszeitung schreibt. Wenn die Kurzarbeit dann ausläuft, drohen
                                                                       Massenentlassungen etwa bei Swissport und Gategroup. Derzeit lau-
USZ: Skandale sind Mehrbelastung                                       fen bei diesen Firmen Verhandlungen über einen Sozialplan bzw. die
Das Universitätsspital Zürich USZ kommt nicht zur Ruhe. Gleich         Erneuerung desselben. Auch bei SR Technics, dem dritten grossen
drei Chefärzte sorgen für Schlagzeilen: Der Direktor der Gynäkologie   der Swissair-Nachfolgebetriebe, stehen die Zeichen auf Abbau. Ent-
liess sich für Operationen an Privatpatientinnen eintragen und be-     spannung brächte die Verlängerung der Maximaldauer für Kurzarbeit
zahlen, obwohl er nicht vor Ort war. Der Direktor der Herzchirurgie    von heute 12 auf 18 Monate. | slt (Foto: GordonBellPhotography/iStock)

10 Juli 2020
Dossier: Blick nach Norden

Das grosse Interview mit dem neuen Verdi-Vorsitzenden Frank Werneke

«Teilhabe der Arbeitenden durchsetzen»
Nach 18 Jahren ist die Ära Frank Bsirske bei der Gewerkschaft Verdi, der grossen deutschen Schwester des VPOD,
2019 zu Ende gegangen. Frank Werneke hat übernommen. Das VPOD-Magazin hat mit ihm in Berlin nach Parallelen
zwischen Verdi und VPOD gefahndet. | Interview: Christoph Schlatter (Fotos: Stephan Pramme und Kay Herschelmann/Verdi)

                                                           Frank Werneke,
WER BIST DU?                                           Chef der Vereinigten
                                                           Dienstleistungs-
VPOD-Magazin: Frank Werneke, du bist am
                                                        gewerkschaft Verdi
letzten Verdi-Bundeskongress als Nachfolger
von Frank Bsirske zum Chef unserer «grossen
Schwester» gewählt worden. Wo kommst
du her, was führt dich in dieses Amt?
Frank Werneke: Meine Ursprungsgewerkschaft
ist die Industriegewerkschaft Medien, Druck
und Papier, Publizistik und Kunst, eine der
5 Gründungsgewerkschaften von Verdi. Beruf-
liche und betriebliche Erfahrungen stammen
zunächst aus der Verpackungsmittelindustrie.
Gross geworden bin ich in der Nähe von Bie-
lefeld im schönen Ostwestfalen-Lippe. Das
Gerücht, dass es die Stadt Bielefeld gar nicht
gibt▼, ist übrigens erst aufgekommen, als ich
schon nicht mehr dort gelebt habe.
Schwein gehabt . . . Dass sämtliche Chefs von
Verdi bisher mit Vornamen Frank hiessen
oder heissen, könnte ebenfalls Grundlage
zu einer Verschwörungstheorie sein . . .
Die Wahrscheinlichkeit, dass mein Nachfol-
ger Frank heisst, ist eher gering.               populär. Seit 1993 bin ich hauptamtlicher         2001, bei der Verdi-Gründung, wurde ich in
Womöglich wird es eine Nachfolgerin.             Gewerkschafter. Die Zentrale der IG Medien        den Bundesvorstand gewählt, ein Jahr spä-
Ausserdem war der Vorname Frank in               war in Stuttgart. Deshalb kenne ich auch den      ter zum stellvertretenden Vorsitzenden. Zu-
Deutschland nur eine beschränkte Zeit lang       Südwesten gut und war öfter in der Schweiz.       ständig war ich für den Bereich Medien und
                                                                                                   Kunst. Und ich war Schatzmeister.
                                                                                                   Finanzchef, würde man in der Schweiz sagen.
                                                                                                   In deiner Antrittsrede hast du auf frühe
   ▼ Die Bielefeld-Verschwörung                                                                    persönliche Erfahrungen hingewiesen, die dir
   Die Behauptung, dass es die Stadt Bielefeld   es nicht» bei der Entstehung dieser satiri-       gezeigt hätten, wie Solidarität die Arroganz der
   (Nordrhein-Westfalen) gar nicht gibt, ent-    schen Verschwörung eine Rolle gespielt, die       Mächtigen zu überwinden vermag. Erzähl!
   stand in den 1990er Jahren. Möglicherweise    postuliert, die Existenz der Stadt werde nur      Meinen ersten Streik habe ich noch als Aus-
   hat Peter Bichsels Geschichte «Amerika gibt   vorgetäuscht, um etwas ganz anderes zu ver-       zubildender erlebt; es ging damals um die
                                                 bergen. Fotos aus Bielefeld seien in anderen      Durchsetzung der 35-Stunden-Woche in der
                                                 Städten aufgenommen, Autos mit Kennzei-           Branche, was in mehreren Anläufen schliess-
                                                 chen BI seien nur zur Tarnung unterwegs.          lich gelang. Ich habe auch mehrere Streiks in
                                                 Wikipedia ordnet das Phänomen der Inter-          den 1990er Jahren in Ostdeutschland erlebt.
                                                 net-Folklore zu. Es ist zugleich eine Parodie     Nach der Wende haben westdeutsche Verlags-
                                                 auf «echte» Verschwörungstheorien – also          konzerne die dortigen Zeitungen übernom-
                                                 solche, die von denen, die sie verbreiten,        men und sofort Tarifflucht begangen. Diese
                                                 ernst genommen werden (die Mondlandung            Auseinandersetzungen waren für mich als
                                                 habe nicht stattgefunden u. dgl.). | slt (Foto:   damals noch junger Mann absolut prägend.
                                                 SPBer/Wikimedia CC)                               Magst du ein Wort zu deinem Privatleben
                                                                                                   sagen? Gibt es überhaupt ein Privatleben?

                                                                                                                                      Juli 2020 11
Dossier: Blick nach Norden

Corona: «Viele Arbeitgeber bleiben sperrig»
VPOD-Magazin: Wir haben das Interview noch         Applaus von den Balkonen ist schön. Gelingt          die Bundesregierung Staatshilfen zur Rettung
vor der Corona-Krise in Berlin geführt. Es ist     es uns auch, etwas von der grossen                   des Konzerns beschlossen. Nun wird es darum
dann vorerst liegen geblieben, weil wir alle       Sym­pathie für die «Systemrelevanten» –              gehen, die Interessen der Beschäftigten am
mit der Pandemie beschäftigt waren.                auch das P ­ ersonal im Einzelhandel fällt ja        Erhalt sicherer und nachhaltiger Arbeitsplätze
Die aktuelle Krise erfordert einen Nachtrag.       in euer Gebiet – in die Ära nach                     dauerhaft durchzusetzen. Dieser Prozess, wie
Wie stützt ihr die Beschäftigten an der            Corona hinüberzuretten? Wie?                         auch das gesamte Hochfahren der Tourismus-
Corona-Front, namentlich das Pflegepersonal?       Aus Dankbarkeit passiert nichts. Wir werden          Industrie, hat gerade erst begonnen. Zurzeit
Frank Werneke: Wir haben grundsätzlich alle        jetzt natürlich die Gelegenheit nutzen, beispiels-   lässt sich noch nicht absehen, wie die weitere
Beschäftigten in den Blick genommen. Zum ei-       weise die Arbeitsbedingungen in der Altenpfle-       Entwicklung verlaufen wird. Die Politik muss in
nen ist der Beratungsbedarf immens gestiegen,      ge zu skandalisieren und darauf zu drängen,          jedem Fall die Branchen im Blick behalten und
etwa weil Arbeitgeber Kurzarbeit beantragt ha-     den entsprechenden Tarifvertrag für allgemein-       gegebenenfalls nachsteuern.
ben oder weil unklar war, wie Gesetzesänderun-     verbindlich zu erklären. Auch die Nachteile der      Soll man eigentlich Wirtschaftshilfen zur
gen und Verordnungen auszulegen oder welche        Krankenhausfinanzierung wurden durch die Kri-        Krisenüberwindung mit ökologischen
Arbeitgeberanordnungen überhaupt statthaft         se offengelegt. Die Bereitschaft, das zu ändern,     Bedingungen verbinden? Kann Corona
sind. Dafür haben wir eigens eine zusätzliche      scheint in der Politik zu wachsen – das wollen       so die Welt etwas nachhaltiger machen?
Beratungs-Hotline eingerichtet. Auf der anderen    wir nutzen. Allerdings sind viele Arbeitgeber        Oder sind das zweierlei Paar Schuhe?
Seite ist es uns gelungen, eine ganze Reihe von    sperrig wie eh und je. Die Bereitschaft, auf die     In Deutschland ist Anfang Juni ein Konjunktur-
Tarifverträgen zur Aufstockung des gesetzlichen    Beschäftigten und die Gewerkschaften zuzuge-         programm auf den Weg gebracht worden, das
Kurzarbeitergeldes durchzusetzen, teilweise bis    hen, bleibt in vielen Fällen denkbar gering. Da      zumindest in einigen Aspekten diesen Gedan-
zu 100 Prozent. Im Bereich der Altenpflege ha-     werden wir – wie immer – kämpfen müssen.             ken aufnimmt. Wir als Verdi haben selbst ein
ben wir um eine Prämie gekämpft – in diesem        An anderen Orten gibt es nicht zu                    Konjunkturprogramm formuliert, das stärkere
Jahr werden die Beschäftigten einen Bonus von      viel, sondern gar keine Arbeit mehr.                 Akzente für einen sozial-ökologischen Umbau
1500 Euro erhalten. Die politische Einflussnah-    Beispiel Luftverkehr. Was tun?                       im Zuge der Krisenbewältigung vorsieht. Bei-
me der Gewerkschaften hat gut funktioniert. In     Verkehr, Luftverkehr und Tourismus sind traditi-     spielsweise machen wir uns für eine Mobilitäts-
anderen Branchen haben sich die Arbeitgeber        onelle Verdi-Branchen. Die Lufthansa gehört zu       prämie stark, die insbesondere öffentliche Ver-
vehement gesperrt. Da gibt es Nachholbedarf.       unserem Organisationsgebiet. Gerade erst hat         kehrsträger in den Blick nimmt. Dahinter steht
                                                                                                        unser Wunsch nach einer dauerhaften Stärkung
                                                                                                        des öffentlichen Personennahverkehrs mit den
Botschaft von Verdi am Berliner Schiffbauerdamm.                                                        entsprechenden positiven Folgen für den Klima-
                                                                                                        schutz. Dazu kooperieren wir auch mit Bündnis-
                                                                                                        partnern wie Fridays for Future. Krisenbewälti-
                                                                                                        gung und sozial-ökologischer Umbau sollten aus
                                                                                                        unserer Sicht zusammen gedacht und abgewo-
                                                                                                        gen, nicht aber dogmatisch verordnet werden.
                                                                                                        Es gilt, Chancen wahrzunehmen.
                                                                                                        Unsere Neue Zürcher Zeitung – von
                                                                                                        einigen als «neues Westfernsehen
                                                                                                        bezeichnet» – warnt schon vor «Seuchen-
                                                                                                        Sozialismus». Weil die Steuereinnahmen
                                                                                                        einbrechen werden, droht die Rechte
                                                                                                        Sozialabbau an. Was entgegnest du?
                                                                                                        Dieses Szenario der NZZ beschreibt wohl einen
                                                                                                        anderen Planeten und ist nur als Vorwärtsver-
                                                                                                        teidigung privilegierter Schichten zu verstehen.
                                                                                                        Leider. Tatsächlich sind vor allem die abhängig
                                                                                                        Beschäftigten und Soloselbständigen die Leid-
                                                                                                        tragenden dieser Krise – wie immer: Sie bezie-
                                                                                                        hen beispielsweise Kurzarbeitsgeld, verlieren
                                                                                                        sogar ihren Arbeitsplatz oder erhalten keine
                                                                                                        Aufträge mehr, sie müssen mehr arbeiten und
                                                                                                        haben weniger Pausen, weil sie «systemrele-
                                                                                                        vante» Tätigkeiten verrichten. Das, was jetzt an
                                                                                                        Unterstützung gewährt wird, ist das Mindest-
                                                                                                        mass in einem Sozialstaat. | slt (Foto: slt)

12 Juli 2020
Dossier: Blick nach Norden

                                                          Frank I. und Frank II.: Der lang jährige Verdi-Chef Bsirske übergibt an seinen Nachfolger Werneke.

Natürlich gibt es ein Privatleben. Ansonsten    sere Eintritte stetig gestiegen. 2018 und             Konzept einer auf Dauer angelegten Bindung
könnte der Mensch ja nicht sinnvoll existie-    2019 haben wir jährlich jeweils mehr als              an eine Organisation wenig verwurzelt. Da-
ren. Der Verdi-Vorsitz ist selbstverständlich   120 000 neue Kolleginnen und Kollegen bei             mit diejenigen, die zu uns kommen, auch
sehr arbeitsintensiv. Aber mein vorheriges      uns begrüsst. Für eine positive Entwicklung           bei uns bleiben, stellen wir vielfältige Betei-
Amt als stellvertretender Verdi-Vorsitzender    reicht das noch nicht ganz aus, weil gleich-          ligungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten für
war ja auch sehr zeitintensiv. Ich habe ge-     zeitig starke Jahrgänge in Rente gehen. Sehr          alle bereit. Und wir müssen immer wieder
lernt, mich so zu organisieren, dass Freiräu-   viele sind durch die grossen Kämpfe und               argumentieren, warum eine Mitgliedschaft
me bleiben.                                     Mobilisierungen in Westdeutschland in den             notwendig und sinnvoll ist, auch dann, wenn
Dass du mit einem Mann zusammenlebst,           1970er und den frühen 1980er Jahren in die            ein Arbeitskampf vorüber – und im besten
war nie ein Problem in deiner                   Gewerkschaft gekommen; diese Generation               Fall gewonnen – ist. Was bietet mir die Ge-
gewerkschaftlichen Laufbahn?                    steht jetzt vielfach am Ende ihres Erwerbs-           werkschaft denn jetzt noch? Was passiert mit
Nein. Nie.                                      lebens. Mit unterschiedlichen Konzepten               meinem Beitrag? Auf diese Fragen müssen
                                                versuchen wir unter anderem, die Mitglieder           wir Antworten haben, aufzeigen, was wir
                                                auch beim Übergang in den Ruhestand und               tun, woran wir arbeiten, wo es vorwärts geht
WIE STEHT VERDI DA?                             danach bei uns zu halten.                             und wo und warum es auch einmal hakt.
                                                Ohne die Jungen ist Gewerkschaft                      Wichtig ist, dass wir bei dieser Ansprache
Verdi ist als grösste deutsche Gewerkschaft     aber nicht zu machen!                                 jene Mitglieder nicht vergessen, die nicht in
von der IG Metall abgelöst worden. Die          Klar! Das gesellschaftliche Klima ist uns Ge-         grosse Strukturen eingebunden sind, son-
Mitgliederentwicklung ist negativ. Was habt     werkschaften wieder deutlich zugewandter              dern in kleineren Betrieben «die einzigen ih-
ihr für Strategien, den Trend umzudrehen?       als noch vor 15, 20 Jahren. Die Resonanz-             rer Art» sind. Unsere Kommunikation muss
Auch wir beim VPOD stellen uns ja Fragen        und Imagewerte für Verdi sind sehr gut. Die           auch zur Verkäuferin im kleinen Laden auf
wie: Wie bringen wir Leute in die               Herausforderung besteht darin, die Men-               dem Lande dringen. Auch sie muss sich zu-
Gewerkschaft? Und wie bringen wir sie           schen dahin zu bringen, dass sie uns nicht            gehörig fühlen.
dazu, hier auch zu bleiben?                     nur gut finden, sondern auch bereit sind,             Hat die verstärkte Volatilität, die wir in der
Um mal mit einer positiven Feststellung         Beitrag zu zahlen und Mitglied zu werden.             Schweiz ebenso erleben, nicht auch mit
anzufangen: In den letzten Jahren sind un-      Insbesondere bei jüngeren Leuten ist das              den weniger konstanten Berufsbiografien

                                                                                                                                              Juli 2020 13
Dossier: Blick nach Norden

                                                zeichnen und Tarifverträge abschliessen. Das    beitsbedingungen. So ist es im Tarifvertrag
                                                ist aber keine neue Erfahrung; schon unsere     für den öffentlichen Dienst ein grosses Är-
                                                Gründungsgewerkschaften waren mit die-          gernis, dass auch 30 Jahre nach dem Mau-
                                                ser Konstellation konfrontiert. Und auch sie    erfall in den östlichen Bundesländern eine
                                                wussten bereits, wie sich unterschiedliche      Stunde mehr gearbeitet werden muss als im
                                                Branchen und unterschiedliche berufliche        ­Westen. In anderen Branchen beträgt der
                                                Identitäten in einer Gewerkschaft zusam-         Unterschied bis zu 3 Stunden. ◆ Diese Un-
                                                menführen lassen. Das geht nur, wenn man        gerechtigkeit wollen wir in der diesjährigen
                                                Vielfalt als Chance und nicht als Bedrohung     Tarifrunde endgültig abschaffen. Im Osten
                                                ansieht.                                        unterliegen 49 Prozent, in der Privatwirt-
                                                Es ist aber doch denkbar, dass sich der         schaft nur etwa 20 Prozent der Arbeitsplätze
                                                gewöhnliche Feuerwehrmann nicht                 überhaupt einer Tarifbindung. Solche Un-
   ◆ West-Ost-Gefälle                           zwingend für die feinsten Verästelungen         terschiede bilden ohne Zweifel einen Nähr-
   Auch im 30. Jahr des wiedervereinigten       der Debatte über gendergerechte                 boden für Unzufriedenheit. Deutschland ist,
   Deutschlands gibt es zwischen Ost und        Sprache interessiert.                           wie die Schweiz, ein föderalistischer Staat.
   West Unterschiede in Löhnen, Arbeitszei-     Trotzdem gibt es ein gemeinsames politi-        Das spiegelt sich auch in seinen Gewerk-
   ten und Renten. In den neuen Bundeslän-      sches Ziel. Das unterscheidet uns fundamen-     schaften.
   dern wird länger gearbeitet und weniger      tal von den Berufsverbänden, die im Kern        Liegt nicht eine der grossen Ost-West-
   verdient. Die Zahl der durchschnittlichen    unpolitisch sind. Das heisst nicht, dass wir    Differenzen bei den weiblichen
   Jahresarbeitsstunden betrug 2018 in          zu berufsfachlichen Fragen nichts zu sagen      Berufslauf bahnen? Indem die «Ostfrau»
   Westdeutschland 1295, in Ostdeutschland      haben. Ganz im Gegenteil. Unsere Matrix-        als solche immer noch zu einer
   (mit Berlin) 1351. Am längsten gearbeitet    struktur verschafft auch dem Branchenaspekt     Vollzeiterwerbstätigkeit tendiert,
   wird in Sachsen-Anhalt und Thüringen,        Bedeutung. Aber uns eint die tarifpolitische    wie sie in der DDR üblich war? Während
   am kürzesten im Saarland und Rheinland-      Klammer. Und für jene Hälfte der Mitglied-      die «Westfrau» mit kleineren Kindern
   Pfalz. Auch die durchschnittlichen Brutto-   schaft, die im öffentlichen Sektor tätig ist,   ein 40-, 50- oder 60-Prozent-Pensum
   löhne klaffen weit auseinander, zwischen     sind auch der Arbeitgeber Staat und die Zu-     absolviert?
   41  7 85 in Hamburg und 28 520 Euro in       gehörigkeit zur öffentlichen Daseinsvorsorge    Das kann man so pauschal nicht formulieren.
   Mecklenburg-Vorpommern. Aber auch            wichtige Gemeinsamkeiten.                       Beim Anteil von selbstgewählter Teilzeit etwa
   Tarifverträge weisen unterschiedliche        Während wir im VPOD manchmal mit                im Pflegebereich gibt es kaum mehr Unter-
   Arbeitszeiten nach Tarifgebiet auf; selbst   unterschiedlichen Mentalitäten je nach          schiede zwischen Ost und West. Bei anderen
   innerhalb Berlins. So gilt im Detailhandel   Sprachregion kämpfen, dürfte für euch           stark teilzeitgeprägten Branchen, etwa im
   Ostberlins die 38-, in jenem Westberlins     die auch in Wahlen (wieder) sehr sichtbare      Einzelhandel, sind es die Arbeitgeber, ob in
   die 37-Stunden-Woche. | slt (Foto: Roland    Kluft zwischen Ost und West eine                West oder in Ost, die Teilzeitjobs favorisieren.
   Arhelger/ ­Wikimedia CC)                     Herausforderung sein. Bricht Deutschland        Fakt ist aber, dass die Abdeckung mit Kitas
                                                gerade vor unseren Augen auseinander?           noch nicht flächendeckend ist. Es gibt immer
                                                Ich sehe keine Spaltung des Landes. Aber        noch ländliche Regionen, in denen deshalb
                                                es gibt Unterschiede zwischen Ost und           die Vereinbarkeit mit einem Vollzeitjob kaum
zu tun? Man ist ja heute nicht mehr             West, immer noch. Leider auch bei den Ar-       zu realisieren ist.
45 Jahre im gleichen Beruf beim gleichen
Arbeitgeber. Und frau noch viel weniger.
Ich sehe das eher branchenabhängig. Eine
sehr starke Fluktuation gibt es zum Beispiel      ▶ Knochenjobs am Flughafen
bei den Bodendiensten an den Flughäfen. Da        Harte, schlecht bezahlte Jobs mit hoher
haben wir einen durchaus hohen Mitglieder-        Fluktuation: Diese Feststellung gilt für
stand, aber alle paar Jahre wechselt sich die     die Bodendienste in der Schweiz genauso
Belegschaft einmal komplett aus. ▶ Das            wie für diejenigen in Deutschland. Sowohl
ist im öffentlichen Dienst natürlich anders.      Verdi als auch VPOD haben in dieser Domä-
Aber auch im Gesundheits- oder im Erzie-          ne einen recht hohen Organisationsgrad,
hungsbereich zum Beispiel ist der Wechsel         der aber schwer zu halten ist. Wegen der
beträchtlich.                                     Konkurrenz mehrerer Anbieter an einem
Wie der VPOD seid ihr eine                        Ort und fehlender übergreifender Rege-
Mehrbranchengewerkschaft mit Matrix-              lung kommen Menschen in diesen Jobs nur
struktur, steht im Wettbewerb mit fachlich        schwer aus der Prekaritätsfalle heraus.
engagierten Berufsverbänden . . .                 Auch die Arbeitgeberseite ist zerstritten,    schwert. Verdi strebt aber weiterhin einen
Richtig. Zumindest im öffentlichen Sektor         das Tarifgefüge zerklüftet, was die Ver-      flächendeckenden Vertrag an. | slt (Foto:
gibt es Einsparten-Berufsverbände, die sich       tretung der Arbeitnehmerinteressen er-        kontrast-fotodesign/iStock)
zumindest selbst als Gewerkschaften be-

14 Juli 2020
Dossier: Blick nach Norden

WAS LÄUFT IN DEN
BRANCHEN?                                              ✦ Jena als Vorbild für Entlastung
                                                       Das Wort mag etwas sperrig sein: Entlas-        lionenhöhe notwendig, die einzuschiessen
Was ihr Tarifvertrag nennt, heisst bei uns             tungstarifvertrag. Verdi hat einen solchen      das Land bereit sei. Tiefensee nennt das
Gesamtarbeitsvertrag – und ist weniger                 mit dem Universitätsklinikum Jena (UKJ)         UKJ «einen der besten Arbeitgeber im Ge-
verbreitet als in Deutschland. Ihr beklagt zwar        abgeschlossen mit dem Ziel, Belastungssi-       sundheitsbereich». | slt (Foto: Anna Schroll/
ebenfalls den Rückgang der Tarifbindung, geht          tuationen für die Beschäftigten zu identifi-    Wikimedia CC)
aber noch von einem zusammenhängenden                  zieren, zu vermeiden oder – falls das nicht
Teppich mit allfälligen Löchern aus.                   möglich ist – wenigstens abzugelten. (Für
Über die gesamte deutsche Wirtschaft ge-               die Ärzteschaft und für wissenschaftliche
sehen, geht die Tarifbindung tatsächlich               Mitarbeitende gilt der Vertrag nicht.) Der
zurück. Im Organisationsbereich von Verdi              Kern: feste Personalschlüssel für jede Sta-
sind unterschiedliche Entwicklungen zu be-             tion sowie ein Belastungsausgleich, «wenn
obachten. Wir haben im öffentlichen Sektor             es mal nicht so läuft wie geplant». So wird
noch immer eine stabile Situation, eine na-            etwa auch das berüchtigte «Einspringen
hezu flächendeckende Abdeckung mit nur                 aus dem Frei» belohnt. Insgesamt ist dafür
geringfügigen Ausnahmen. Ein riesiges Pro-             gemäss Aussage des Thüringischen Wis-
blem gibt es dagegen in der Altenpflege. Dort          senschaftsministers Wolfgang Tiefensee
versuchen wir daher, einen allgemeinverbind-           (SPD) zusätzliches Geld in zweistelliger Mil-
lichen Tarifvertrag durchzusetzen.
Ich frage mich ja immer, wie man im
Bereich der Betagtenbetreuung überhaupt
Profit erwirtschaften kann. Ich sehe nur            Hauptproblem im Gesundheitswesen ist al-           GENDER, KLIMA,
zwei Möglichkeiten: Entweder zockt                  lerdings der Personalmangel . . .
                                                                                                       DIGITALISIERUNG
man alte Reiche ab. Oder man legt                   . . . an dem wir – also die Schweiz –
eine Leitung ans System öffentlicher                nicht ganz unschuldig sind,                        «Me Too», Gender Pay Gap, der grosse
Geldflüsse, um dort etwas abzuzweigen.              weil wir die ausgebildeten deutschen               Frauenstreik in der Schweiz – trotzdem ist bei
In Deutschland kommt für Altenpflege die            Fachkräfte in unser Land locken.                   Verdi wieder ein Mann an der Spitze –
Pflegeversicherung auf, in die vorher Arbeit-       Das ist ein Element. Ein weiteres: Die Belas-      an der Spitze einer mehrheitlich weiblichen
geber- und Arbeitnehmerseite paritätisch ein-       tung für die Beschäftigten ist, gerade in der      Gewerkschaft. Hat deine Wahl nicht zu
bezahlt haben. Ein stationärer Aufenthalt in        Pflege, aber auch in vielen weiteren Versor-       Kritik aus feministischer Warte geführt?
einer Einrichtung ist damit allerdings nicht        gungsbereichen, sehr hoch. Individuell wäh-        Es hat logischerweise Diskussionen auch
abgedeckt. Reicht ergänzend auch das eige-          len dann viele den Ausweg des reduzierten          über diesen Aspekt gegeben. Aus meinem
ne Einkommen nicht, deckt das Sozialamt             Arbeitsverhältnisses, was den Personalman-         Wahlergebnis von 92,7 Prozent kann ich
die Differenz. Für die Anbieter aber, egal ob       gel wiederum vergrössert. Verdi führt daher        jedoch ableiten, dass beim Bundeskongress
staatlich, kirchlich oder privat, gibt es erst      derzeit zahlreiche Arbeitskämpfe für eine          auch die eine oder andere Frau für mich
einmal einen Mittelzufluss. Und wenn die            bessere Personalausstattung, gerade auch an        gestimmt hat. Ausserdem sind von den
Arbeitsbedingungen und Löhne unterdurch-            den Universitätskliniken. In Jena haben wir        9 Mitgliedern des Verdi-Bundesvorstandes 6
schnittlich sind, bleibt Geld übrig, das die pri-   jüngst damit Erfolg gehabt: Wir haben einen        weiblich, darunter meine beiden Stellvertre-
vaten Konzerne in ihre Tasche stecken. Die-         Entlastungstarifvertrag abgeschlossen, dem-        terinnen.
ses Modell rentiert sich. Es gibt inzwischen        zufolge zwingend mehr Personal eingestellt         Das war beim Schweizer SGB-Präsidium
Pflegekonzerne – auch Arztpraxen übrigens           werden muss. ✦                                     anders. Trotzdem ist es natürlich müssig, mit
–, die von Hedgefonds gesteuert werden.             Man landet bei solchen Debatten                    gewählten Männern darüber zu diskutieren,
Im Akutgesundheitswesen sind es bei uns die         letztlich immer wieder beim Geld.                  warum sie keine Frauen sind . . . Viel eher
Tendenz zu Auslagerung und Privatisierung           Zu welchen Ausgaben ist die                        gälte es, die Inhalte anzuschauen.
einerseits, das fallkostenbezogene                  öffentliche Trägerschaft bereit?                   Und da haben wir in Deutschland – ähnlich
Abrechnungssystem andererseits, die uns             Auch in diesem Punkt gibt es schöne Fort-          wie in der Schweiz – eine beharrliche Lü-
das Leben schwer machen. Beide «Ideen»              schritte. In der Koalitionsvereinbarung der        cke zwischen Männer- und Frauenlöhnen.
haben wir aus Deutschland importiert . . .          aktuellen Koalition von Union und SPD ist          Und zwar nicht innerhalb der Tarifverträ-
Bei den Kliniken sehe ich – toi toi toi – den       festgehalten, dass alle Tarifsteigerungen, die     ge, sondern dadurch, dass Frauen sehr viel
Trend zur Privatisierung einstweilen ge-            wir im Bereich der Pflege erkämpfen, refi-         häufiger als Männer in prekären Beschäf-
stoppt. Es gelingt zunehmend, wie jüngst            nanziert werden müssen. Lange herrschte ja         tigungsverhältnissen anzutreffen sind. In
in Hamburg, Privatisierung per Volksab-             die Praxis, dass wir zwar bessere Bedingun-        den sogenannten Minijobs – Stellen mit ge-
stimmung zu verhindern. Wir sind dort und           gen durchgesetzt haben, was aber, weil die         ringer Stundenzahl und mit nur minimaler
an anderen Orten wieder auf dem Weg zu              öffentliche Hand ihre Finanzierung nicht an-       Sozialversicherungspflicht – sind Frauen bei
mehr Gemeinwohl und zu einer Verstärkung            hob, einfach zu Personalabbau führte. Dieses       Weitem in der Überzahl. Auch erzwungene
der öffentlichen Trägerschaft. Das aktuelle         Übel haben wir politisch durchbrochen.             Teilzeit wird überwiegend von Frauen geleis-

                                                                                                                                          Juli 2020 15
Sie können auch lesen