Innovations ORPHAN DRUGS - PHARMA FUTURE FORUM
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
innovations www.innovations-online.net 01 15 BIOSIMILARS BIOBETTERS ORPHAN DRUGS „Wir wollen das Potenzial der japanischen Grundlagen- forschung sowie das Innova- tionspotenzial im ganzen Land ausschöpfen, um die nächste Generation von innovativen Arzneimitteln zu entwickeln.“ Shunichi Takahashi, Ph.D., Leiter des Open Innovation Center (ICJ) von Bayer HealthCare in Osaka Big in Japan Anders als Rx Von Patienten zu Patient Bayer HealthCare hat ein Open In- Die Personalisierung von Medika- Seltene Erkrankungen: Wie Patien- novation Center in Osaka (Japan) menten ist ein Trend. Die passenden tenbotschafter Unternehmen pharma dabei R E L AT I O N S 03/15 15 gegründet. Dieses soll Forschungs- Kommunikationsstrategien stecken helfen, dem Ziel der „Parient Centri- kooperationen anbahnen. aber noch in den Kinderschuhen. city“ näher zu kommen.
Report Personalisierung von Medikamenten benötigt neue Kommunikationsstrategien Imagetransfer durch Personalisierte Medizin Die Pharmaunternehmen haben das Potenzial der Personalisierung von Medikamenten bereits vor Jahren erkannt. Ei- nige von ihnen haben sie sogar mittlerweile zum zentralen Bestandteil ihrer Unternehmensstrategie erklärt. Forschende Pharmaunternehmen führen mittlerweile 37 Prozent ihrer Entwicklungsprojekte für neue Medikamente mit begleitenden Studien zu Möglichkeiten der personalisierten Anwendung durch. Und das will auch richtig kommuniziert werden. �� Um zu verstehen, warum sich die Per- tenem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs Arzneimittel, das sich derzeit bei Roche sonalisierung der Arzneimittel zu einer (NSCLC). „Die Behörden wollten das Me- in der späten Entwicklung befindet, ste- vorteilhaften Strategie für Unternehmen dikament daher zuerst zurückweisen“, he parallel ein diagnostischer Begleittest entwickelt hat, muss man 20 bis 30 Jah- setzt Hömke fort, „erst als es einen Test zur Verfügung, so Schreiber. Bei Brust-, re zurückblicken. „Seit den neunziger gab, mit dem sich die wahrscheinlichen Lungen- und Hautkrebs bietet Roche Jahren hat ein Umdenken der Industrie Responder vorab finden ließen, wurde bereits personalisierte Therapien. „Aktu- in diese Richtung stattgefunden“, erklärt es zur Anwendung bei positiv geteste- ell laufen bei uns über 250 gemeinsame Dr. Rolf Hömke vom Verband forschen- ten Patienten zugelassen“. Entsprechend Forschungsprojekte von Diagnostik und der Arzneimittelhersteller (vfa). Während wurden auch für Trastuzumab geeignete Pharma“, führt er aus, das Thema werde es früher noch darum gegangen sei, sich Vortests entwickelt. in den nächsten Jahren einen immer grö- möglichst große Patientengruppen als ßeren Stellenwert erlangen. potenzielle Anwender eines neuen Medi- Suche nach Biomarkern integriert Neben Roche gehört auch Astra- kaments offen zu halten, habe sich nach Zeneca zu den führenden Anbietern per- und nach der wissenschaftlich-medizi- Aus diesen Erfahrungen hätten die sonalisierter Medikamente (s. Tabelle S. nisch begründete Ansatz durchgesetzt, Pharmaunternehmen gelernt, resümiert 17). „Lynparza“ heißt eines der Arznei- für Medikamente nach Möglichkeit zu der vfa-Experte. Die Firmen hätten ange- mittel des Unternehmens, das zu dieser klären, für wen genau sie wirklich geeig- fangen, in der klinischen Entwicklung von Gruppe gehört. Ende 2014 zugelassen, net sind, eben der personalisierte Ansatz. Medikamenten generell und von Anfang dient es der Behandlung des Ovarial- Begonnen hat diese Entwicklung laut an nach Biomarkern zu suchen, die Hin- karzinoms. Der Wirkstoff Olaparib ist der Hömke mit dem Wirkstoff Tamoxifen (ei- weise auf das Anschlagen eines Arznei- erste zugelassene Vertreter seiner Wirk- nem selektiven Estrogenrezeptormodu- mittels liefern könnten. Sei dies der Fall, stoffklasse, wie Dr. Karl Matussek, Vi- lator zur Therapie von Brustkrebs, ent- versuche ein Unternehmen mittlerweile, ce President Oncology bei AstraZeneca wickelt von AstraZeneca), bei dem sich einen passenden Vortest zu entwickeln Deutschland, erklärt. Medikamente wie schon in den 1980er Jahren zeigte, dass oder entwickeln zu lassen. „Lynparza“ setzten zwingend eine Tes- er nur solchen Frauen helfen kann, deren Die Statements der Pharmaunter- tung vor Behandlungsbeginn voraus – Tumorzellen bestimmte Hormonrezep- nehmen bestätigen, dass sich die Per- und das sei der entscheidende Unter- toren tragen – was folglich vor der Ver- sonalisierte Medizin zu einem wichti- schied zu anderen Produkten, betont er. ordnung geprüft werden sollte. Darüber gen strategischen Faktor entwickelt hat. „Im Rahmen der so genannten ‚mole- hinaus hat Hömke zufolge auch die Tat- Jan Schreiber, Head of Communications kularbasierten stratifizierten Medizin‘ er- sache zum strategischen Umschwung bei der Roche Diagnostics Deutschland halten zunehmend Arzneimittel die Zulas- beigetragen, dass gerade Krebsmedika- GmbH; sagt beispielsweise: „Roche hat sung, deren Einsatz mit einer vorgelager- mente in den klinischen Tests oft nur bei als eines der ersten Unternehmen das ten diagnostischen Maßnahme verbun- einem kleinen Teil der Patienten anschlu- Potenzial der Personalisierten Medizin den ist“, führt Matussek weiter aus. Mit- gen. Der in den späten 90er Jahren er- erkannt. Heute steht dies im Mittelpunkt tels dieser diagnostischen Tests (Compa- probte Antikörper Trastuzumab war et- unserer Innovationsstrategie. Das gilt nion Diagnostic, CDx) ließen sich unter wa nur bei rund einem Viertel der Pati- nicht nur für die Entwicklung und Anwen- anderem patientenindividuelle Wirksam- entinnen mit metastasiertem Brustkrebs dung von wirksamen und sicheren Arz- keit, Verträglichkeit und Dosierung der wirksam, Gefitinib sogar nur bei 10 bis 15 neimitteln, sondern auch für unser diag- neuen Substanzen analysieren. Damit er- Prozent der Patienten mit fortgeschrit- nostisches Portfolio.“ Bei jedem zweiten laubten sie differenzierte, patientenindivi- duelle Therapieent- scheidungen des Arztes und seien sehr oft zwingende Voraussetzung für einen Therapieer- folg. Die rechtzei- tige Entwicklung und Implementie- rung der Compa- Dr. Karl Matussek, Vice President Oncology, AstraZeneca Deutschland; Jan Schreiber, Head of Communications Roche Diagnostics nion Diagnostics Deutschland GmbH; Caroline Ruthe, Senior Beraterin und Mitglied des Leadership-Teams bei komm.passion. sei wiederum ent- 16 innovations 1/15
Report Zugelassene Arzneimittel für die Personalisierte Medizin Firma Wirkstoff Arzneimittel Status scheidend für die erfolgreiche Marktein- Aegerion Lomitapid Lojuxta® empfohlener Test führung neuer personalisierter Therapien, Amgen Panitumumab Vectibix® Pflichttest betont der AstraZeneca-Experte. Matusseks Ausführungen nach gibt Ariad Pharma Ponatinib Iclusig® Pflichttest es aktuell 28 verfügbare Wirkstoffe (da- Aspen Pharma Azathioprin Imurek® empfohlener Test von 25 Onkologika), für die ein diagnos- Aspen Pharma Mercaptopurin Puri-Nethol® empfohlener Test tischer Test im Vorfeld verpflichtend ist. Für weitere 9 Wirkstoffe (davon 4 Onkolo- AstraZeneca Anastrozol Arimidex® Pflichttest gika) werden derartige Tests empfohlen. AstraZeneca Fulvestrant Faslodex® Pflichttest Viele weitere vielversprechende Subs- AstraZeneca Gefitinib Iressa® Pflichttest tanzen seien aber außerdem in der klini- schen Erprobung, daher geht der Experte AstraZeneca Olaparib Lynparza® Pflichttest davon aus, dass sich die Personalisierte AstraZeneca Tamoxifen Nolvadex® empfohlener Test Medizin aufgrund der fortschreitenden AstraZeneca Tamoxifen Nolvadex® empfohlener Test Entwicklung von molekularen Techno- logien in den kommenden zehn Jahren AstraZeneca Vandetanib Caprelsa® empfohlener Test zum Standard entwickeln wird. Biogen Idec Natalizumab Tysabri® empfohlener Test Insgesamt beläuft sich die Zahl aller Boehringer Ingelheim Afatinib Giotrif® Pflichttest personalisierten Medikamente, die der- zeit auf dem Markt sind, laut vfa auf 44 Bristol-Myers Squibb Dasatinib Sprycel® Pflichttest Produkte und 42 Wirkstoffe. Auch wenn Genzyme Eliglustat Cerdelga® Pflichttest die meisten davon onkologische Präpa- GlaxoSmithKline Dabrafenib Tafinlar® Pflichttest rate sind, werden allmählich auch andere Indikationen von der Personalisierten Me- GlaxoSmithKline Lapatinib Tyverb® Pflichttest dizin erschlossen. Biomarkerforschung GlaxoSmithKline Trametinib Mekinist® Pflichttest findet beispielsweise in der Kardiologie Janssen Ibrutinib Imbruvica® Pflichttest und Neurologie sowie in den Indikationen Alzheimer, ZNS (Zentralnervensystemer- Merck Cetuximab Erbitux® Pflichttest krankungen) und Infektionen statt. MSD Sharp & Dohme Simvastatin N/A empfohlener Test Novartis Carbamazepin N/A empfohlener Test Ein lukrativer Markt Novartis Carbamazepin N/A empfohlener Test Die Dimensionen des Marktes für Novartis Everolimus Afinitor® Pflichttest personalisierte Arzneimittel zeigt Caroli- Novartis Imatinib Glivec® Pflichttest ne Ruthe auf, Senior Beraterin und Mit- glied des Leadership-Teams bei komm. Novartis Letrozol Femara® Pflichttest passion: „Der gesamte Markt belief sich Novartis Nilotinib Tasigna® Pflichttest 2012 auf 61 Milliarden US-Dollar, für das Novartis Oxcarbazepin Trileptal® empfohlener Test Jahr 2016 wird der Markt auf 92,7 Milli- arden US-Dollar geschätzt.“ Dies ent- Orion Corporation Toremifen Fareston® Pflichttest spreche einer jährlichen Wachstumsrate Pfizer Bosutinib Bosulif® Pflichttest von 13 Prozent – „ein hoher Wert, ver- Pfizer Crizotinib Xalkori® Pflichttest glichen mit dem Wachstum der gesam- ten Pharmabranche, das bei etwa fünf Pfizer Exemestan Aromasin® Pflichttest bis sieben Prozent liegt“, vergleicht Ru- PTC Therapeutics Ataluren Translarna® Pflichttest the. Es handele sich um einen lukrativen Roche Erlotinib Tarceva® Pflichttest Markt, den es zu erschließen gelte. Ihrer Beobachtung nach fokussieren große Roche Pertuzumab Perjeta® Pflichttest Pharmaunternehmen ihre Aktivitäten im Roche Trastuzumab Herceptin® Pflichttest Rahmen ihrer strategischen Neuausrich- Roche Trastuzumab emtansin Kadcyla® Pflichttest tung deshalb auf Spezialmärkte wie On- kologie, Autoimmunerkrankungen oder Roche Vemurafenib Zelboraf® Pflichttest Orphan Diseases, da in diesen hochprei- Takeda Brentuximab vedotin Adcetris® Pflichttest sigen Märkten noch ein großer Bedarf an Teva Arsentrioxid Trisenox® Pflichttest innovativen Arzneimitteln besteht. Ruthe nennt außerdem einen weiteren Vorteil, Vertex Ivacaftor Kalydeco® Pflichttest der für die Erschließung dieses Marktes ViiV Healthcare Abacavir Ziagen® Pflichttest spricht: „Die Gefahr einer generischen ViiV Healthcare Maraviroc Celsentri® Pflichttest Konkurrenz durch Biosimilars ist auf- grund der hohen regulatorischen Anfor- Quelle: Verband Forschender Arzneimittelhersteller www.vfa.de/personalisiert.de, derungen sehr gering.“ Stand: Februar 2015, die Zulassung der Arzneimittel bezieht sich auf den deutschen Markt. Doch auch wenn der Markt lukrativ innovations 1/15 17
Report und sein Potenzial groß ist, zu bedenken und Imagetransfer zu schaffen.“ Dabei ist dennoch, dass die Erfolgsaussich- spricht die Fachfrau dem Aufbau von ten, einen Biomarker für einen Begleittest Netzwerken für die Personalisierte Medi- schon während der Medikamentenent- zin eine große Bedeutung zu. Neben ei- wicklung zu finden, „sehr unterschied- nem Hand-in-Hand-Arbeiten bieten ihrer lich“ (O-Ton Hömke) sind. „Während in Ansicht nach Cluster mit ihrem Plattform- manchen Fällen tatsächlich entsprechen- ansatz den richtigen Kontext für medizini- de Biomarker noch während der Entwick- sche personalisierte Innovationen, indem lung identifiziert werden können, ist das sie neue Kooperationsformen – gerade in der Mehrzahl der Fälle nicht so“, erklärt auch für Internationalisierungsstrategien der vfa-Experte. Manchmal aber würden in ausgewählten Zielmärkten – ermögli- Biomarker auch noch Jahre nach der Zu- chen. Dies eröffne für kleine und mittlere lassung gefunden. So sei beispielswei- Unternehmen einen vielversprechenden se im Fall des Jahrzehnte alten Zytosta- Markt, denn große Unternehmen ver- tikums 5-Fluoruracil vor wenigen Jahren suchten immer früher, in die Forschungs- ermittelt worden, mit welchem Vortest die projekte kleiner Biotech-Unternehmen Eric Seitz, Partnerseitz Health. Responder erkannt werden können. einzusteigen, um Innovationen zu fördern und für sich zu sichern. ven Therapien gerade im onkologischen Welche Besonderheiten es im Marke- Bereich häufig das Risiko der Kannibali- Kommunikationsmaßnahmen ting von Dx-Produkten (Dx steht für „di- sierung des bestehenden Portfolios be- müssen breiter angelegt werden agnosis“) im Vergleich zu Rx-Produkten stehe. Vor diesem Hintergrund müssen gibt, beschreibt Schreiber von Roche Di- Pharmareferenten seiner Ansicht nach ih- Richtet sich ein Pharmaunternehmen agnostics: „Der Wert der Diagnostik liegt ren Kunden eine lösungsorientierte Bera- strategisch in Richtung Personalisier- bei vielen nicht im Fokus, das ist eine He- tung bieten und darüber informieren, bei te Medizin neu aus, dann ist eine Kom- rausforderung für die Kommunikation.“ welchen Patienten welche Therapien zur munikationsstrategie von Anfang an un- Diagnostik sei die Basis für Therapie- Verfügung stehen beziehungsweise am abdingbar, ist Ruthe überzeugt, „da das entscheidungen. Gerade im Kontext der besten geeignet sind. Das gehe oft weit Thema komplex ist“. Verschiedene Stake- Personalisierten Medizin müsse die An- über das Tätigkeitsprofil eines Sales Reps holder müssen angesprochen und ein- sprache daher breiter angelegt werden. hinaus, weiß der Experte zu berichten. gebunden werden. Auf dieses Gebiet hat „Es geht darum, dass Ärzte, Patienten, sich das Unternehmen komm.passion, in Leistungszahler und auch Politiker das Knackpunkt ist die Erstattung dem Ruthe als Senior Beraterin tätig ist, Konzept verstehen. Hierfür bedarf es ei- spezialisiert. Bei innovativen Themen wie ner sehr aktiven und abgestimmten Kom- Die Frage der Kostenübernahme stellt der Personalisierten/Stratifizierten Medi- munikation unter Berücksichtigung vieler derzeit offenbar das größte Hindernis für zin empfiehlt die Agentur ihren Kunden Kanäle wie Public Policy, Market Access, die weitere Verbreitung der Stratifizier- den so genannten PIK-Ansatz (Produkt- Marketing und Vertrieb“, fordert Schreiber. ten Medizin dar. „Die Erstattungsfähigkeit und Imagekommunikation). „Die Kom- Im Hinblick auf das Marketing im von diagnostischen Tests ist nicht gere- munikationsstrategie ist so angelegt, Ganzen und den Pharmavertrieb im Be- gelt, und das ist eine deutliche Hürde“, dass sich Image-, Portfolio- und Pro- sonderen identifiziert Matussek einen sagt Schreiber. Auch die anderen Befrag- duktkommunikation synergetisch ergän- noch ungedeckten Bedarf: „Wir müssen ten stimmen ihm in diesem Punkt zu. „Ein zen“, erklärt Ruthe. Die Botschaften des im Feld der Personalisierten Medizin zu- Arzneimittel wird in einem klar definierten, Unternehmens und seines Produktport- sätzlich Kenntnisse zur Diagnostik erwer- kurzen Zeitraum nach der Zulassung in folios begleiten dabei produktspezifische ben und den Beziehungsaufbau zu den den Leistungskatalog der Krankenkasse Botschaften und verstärken diese. „Es relevanten Disziplinen – wie den Patholo- aufgenommen, bei diagnostischen Tests ist wichtig, dass die Botschaften aufein- gen und Humangenetikern – pflegen und ist das nicht der Fall“, führt Schreiber aus. ander aufbauen und sich widerspruchs- aufbauen.“ Es könne mitunter Jahre dauern, bis es frei ergänzen, auch in der Ausgestaltung Als klassische Zielgruppen nennt Eric eine entsprechende Vergütungsziffer gibt. der Maßnahmen“, unterstreicht die Se- Seitz, Geschäftsführer von Partnerseitz Mag die Kostenfrage noch ein Pro- nior Beraterin. Ziel sei es, dass sich Un- Health, in diesem Kontext Fachärzte und blem für die Zukunft darstellen, in einem ternehmensmarke und Produktmarke in Apotheken, aber auch Pathologen, Labo- Punkt zeigen sich die befragten Exper- einem Themenfeld verstärken. Dadurch re, behandelnde APIs, Dialysezentren und ten ausnahmslos optimistisch. Sie al- würde ein Beleg für Vertrauen (Unterneh- Praxen mit Infusionsplätzen. Er weist da- le glauben, dass die Entscheidung, die men) und Leistung (Produkt) geschaffen. rauf hin, dass derzeit die Relevanz spezi- Personalisierte Medizin in die Unterneh- Der PIK-Ansatz funktioniere somit als alisierter Ansprechpartner aus dem Pra- mensstrategie einzubinden, einen großen Umsatz- und Imagetreiber. xisteam steige. Als Beispiele führt er die Imagezugewinn für die Pharmaunterneh- Die Erfahrung der Senior Berate- MS-Nurse oder die Onkologie-Schwester men bedeutet. „Gerade bei Patienten- rin zeigt, dass sich die Kommunikation an. Nicht zuletzt werde auch der Dialog gruppen wie Kindern und älteren Men- für Personalisierte Medizin noch im An- mit Kostenträgern gesucht, um regionale schen, die ‚unterversorgt‘ sind, bietet es fangsstadium befindet. „Deshalb sehen Erstattung oder die Kostenübernahme im sich für Pharmaunternehmen an, diese wir hier enormes Potenzial für Pharmaun- Einzelfall zu klären, so Seitz. Versorgungslücken zu schließen und da- ternehmen, sich mit dem nötigen Know- Der Vertriebsexperte gibt außerdem mit mittelfristig einen Imagegewinn zu er- how und Technologie zu positionieren zu bedenken, dass mit neuen innovati- zielen“, ist Carolin Ruthe überzeugt. �� 18 innovations 1/15
Interview Innovationsstrategie: Bayer HealthCare weitet Kooperationen mit externen Partnern aus Ideenaustausch in Japan Bayer HealthCare hat am 01.06.2014 in Osaka (Japan) ein Open Innovation Center (ICJ) gegründet. Dessen Team soll die Vernetzung mit Hochschulforschungszentren, jungen Unternehmen und Risikokapitalgebern in Japan ausbauen und neue Möglichkeiten für gemeinsame Forschung schaffen. Ein erster Schritt in diese Richtung war die Unterzeich- nung einer zweijährigen Kooperationsvereinbarung mit dem Office of Society–Academia Collaboration for Innovation der Kann man Marktanteile Universität Kyoto (KU-SACI). Gemeinsam wollen die Partner nun neue Ansätze für Forschungskooperationen identifizie- ren, vor allem auf den Therapiegebieten mit hohem medizinischen Bedarf, also Kardiologie, Onkologie, Hämatologie, Gy- näkologie und Ophthalmologie. Die Forschungspartnerschaften von Bayer HealthCare sind Teil der Innovationsstrategie des Unternehmens. Der Leiter des ICJ, Shunichi Takahashi (Ph.D), gibt ein erstes Update zur Arbeit des ICJ. erküssen? �� Herr Takahashi, wie darf man sich das ICJ vorstellen? Ist es ein separates Gebäude, beziehungsweise wo ist das ICJ ange- siedelt? Wie groß ist das Team, das dort tätig ist? Das ICJ ist in der Hauptniederlassung von Bayer Yakuhin angesiedelt, im Zentrum der Stadt Osaka. Es ist kein separa- tes Gebäude. Mein Team besteht aus fünf erfahrenen Wissen- schaftlern und mir, wir sitzen im gleichen Gebäude wie unsere Kollegen von Bayer Yakuhin; zwei meiner Team-Mitglieder ar- beiten allerdings von unseren Büros in Tokyo aus. Das neu gegründete ICJ ergänzt perfekt unsere globale Prä- senz von Innovations- und Wissenschafts-Zentren in der gan- zen Welt, wie beispielsweise in Berlin, San Francisco, Beijing und in Singapur. Warum haben Sie ausgerechnet Osaka für die Gründung des ICJ ausgewählt? Hängt das damit zusammen, dass die Haupt- niederlassung von Bayer Yakuhin hier angesiedelt ist? Ein ausschlaggebender Aspekt war in diesem Zusammen- hang die Nähe zu wichtigen Funktionen innerhalb von Bayer Yakuhin, zum Beispiel zur Produktentwicklung und zum Ma- nagement. Es war also die logische Konsequenz dieser Über- legung, das ICJ in unserer Hauptniederlassung in Osaka an- zusiedeln. Darüber hinaus befindet sich die Stadt im Zentrum von Japan und in unmittelbarer Nähe von Städten wie Kobe oder Kyoto. Im Hinblick auf das Networking und von der Lage her schien uns dieser Ort daher sehr geeignet. Und, wie bereits erwähnt, befinden sich auch zwei meiner Kollegen ohnehin in Tokyo, so dass sie die Netzwerkbildung in dieser Region von Japan abdecken können. Shunichi Takahashi, Ph.D, Leiter des Open Innovation Center von Bayer Warum ist gerade Japan als Land attraktiv für neue Forschungs- HealthCare in Osaka. projekte und -kooperationen? Das hängt auch mit unserer langjährigen Geschichte als Un- ternehmen in Japan zusammen. Wir sind in Japan seit über 100 gen, die ein starkes Netzwerk aufbaut und die Suche für „Inno- Jahren präsent und haben in dieser Zeit kontinuierlich für die vation von außerhalb“ vorantreibt sowie unsere Bemühungen Entwicklung von innovativen Medikamenten gesorgt. Seit jeher bündelt, um aktiv Partnerschaften mit akademischen Institutio- hat sich Bayer also dazu verpflichtet, die Gesundheit und das nen in Japan einzugehen. Wohlbefinden der japanischen Bevölkerung zu verbessern. Heutzutage gibt es sogar noch einen größeren Bedarf an Welche wissenschaftlichen Fachgebiete sind an der Universität innovativen Ideen, die in die Forschung und Entwicklung von Kyoto für Ihr Unternehmen besonders interessant? Medikamenten eingebracht werden müssen; Japan kann dazu Wir haben unseren Fokus bewusst nicht auf ein bestimmtes beitragen, diesen Bedarf zu decken, in seiner Rolle als eines der Fachgebiet beschränkt, vielmehr erstreckt sich unsere Zusam- Top-Zentren für die Grundlagenforschung weltweit. menarbeit mit der Universität Kyoto auf ganz viele verschiedene Wir wollen das Potenzial der japanischen Grundlagenfor- Forschungsgebiete wie Medizin, Pharmazie, Biowissenschaf- schung sowie das Innovationspotenzial im ganzen Land nut- ten, Ingenieurwissenschaften und andere. Die Kooperations- zen, um die nächste Generation von innovativen Arzneimitteln vereinbarung hat das Ziel, gemeinsam die Expertise der Univer- zu entwickeln. Dazu soll das ICJ als eine Organisation beitra- sität sowie ihre innovativen Ansätze auf diesen Fachgebieten innovations 1/15 23
Interview zu fördern und sie mit Partnerorganisationen dem Know-how von zusammenkommen Bayer in der Medika- und bestimmte For- mentenentwicklung zu schungsthemen dis- vereinen. kutieren, und zwar mit In der Vereinbarung Wissenschaftlern aus ist festgehalten, dass ganz unterschiedli- die Partner künftig chen Fachgebieten Projekte identifizieren und Forschungszent- wollen, in denen die ren. Die erste “AGORA vielversprechenden Bayer”-Konferenz fin- Ansätze der Universi- det im März statt. tätsforscher aus der Grundlagenforschung Gibt es Pläne, auch mit angewandt werden, anderen wissenschaft- um die Medikamen- lichen Institutionen in tenentwicklung in den Das ICJ-Team in Osaka: Tetsuya Kurihara, Gen Shinoda, Shunichi Takahashi, Taruho Kuroda Japan zusammenzuar- Forschungsschwer- (v.l.n.r.) beiten, außer der Uni- punkten von Bayer zu versität Kyoto? fördern, also Kardiologie, Onkologie, Hämatologie, Gynäkolo- Auf jeden Fall! Wir tauschen uns derzeit sehr intensiv mit ver- gie und Ophthalmologie. Individuelle Lizenz- oder Forschungs- schiedenen japanischen Universitäten aus und diskutieren ihre kooperationsvereinbarungen werden dann für die identifizierten Forschungsergebnisse mit großem Interesse. Projekte verhandelt. Wir sind fest davon überzeugt, dass uns die Zusammenarbeit mit der Universität von Kyoto zu sehr gu- Bayer HealthCare will auch Risikokapitalgeber finden, um die ten Ergebnissen auf der Suche nach innovativen Ansätzen und Entwicklung neuer Therapien und Medikamente zu fördern. Wie Technologien verhelfen wird, die wir in das Portfolio von Bayer wollen Sie dabei vorgehen? integrieren können. Die Investition in ausgewählte Wagniskapitalfonds ergänzt unsere Innovationsstrategie. Zusätzlich zu unseren F&E-Aktivi- Das ICJ ist jetzt sechs Monate alt. Was ist bislang geschehen? täten wollen wir dadurch junge Unternehmen unterstützen und Seit der Gründung haben wir zum einen ein hochtalentier- ihre kreativen Ideen testen. Wir wollen den Ideenaustausch vor- tes Expertenteam rekrutiert, das über eine große Bandbreite an anbringen und unsere Expertise dazu beitragen. Deshalb inves- neuer Expertise verfügt, die unseren Wissenspool ergänzt. Wir tiert Bayer HealthCare beispielsweise in den deutschen “High- haben darüber hinaus, wie bereits erwähnt, eine auf zwei Jahre Tech Gründerfonds II” und in den “Versant Venture Capital V”- angesetzte Vereinbarung mit der Universität Kyoto unterzeich- Fonds. Wir glauben, dass diese Art der Förderung von sehr jun- net – das ist die erste Vereinbarung dieser Art in Japan. gen Unternehmen eine sehr wichtige Rolle dabei spielt, Innova- Außerdem haben wir angefangen, aktiv die Crowdsourcing- tionen in der Healthcare-Branche voranzutreiben. Initiative “Grants4Targets” (G4T) von Bayer HealthCare in Japan voranzutreiben. Dieses globale Programm wurde bereits 2009 Welche finanziellen und personellen Ressourcen erfordert so eingeführt und fördert innovative Forschungsprojekte. Bayer ein Projekt wie das ICJ? bietet dabei finanzielle und technische Unterstützung an. Die Das ICJ in Japan zu etablieren erfordert sehr viel Mühe. Der Rechte an den Ergebnissen der geförderten Projekte bleiben in finanzielle und personelle Aufwand hängt letztendlich davon ab, der Regel beim Forscherteam. Bei Einverständnis des Unter- wie groß die Projekte der angebahnten Forschungskooperatio- nehmens und der Forscher ist es auch möglich, dass weitere nen sein werden. Forschung gemeinsam betrieben wird. Die erste Deadline für die Einreichung der Bewerbungen aus Japan ist der 31. März. Digital Health steht ebenfalls auf der Agenda des ICJ. Welche Wir freuen uns übrigens sehr darauf, die Arbeit des ICJ in die- Themen wollen Sie in dieser Richtung angehen? sem und in den weiteren Jahren fortzusetzen. Bayer HealthCare gehört zu den führenden Innovatoren bei pharmazeutischen und medizinischen Produkten. In einem Die Hauptaktivitäten des ICJ sind darauf ausgerichtet, poten- wissensbasierten Unternehmen wie dem unseren gehören zielle Forschungskooperationen auf den Schlüsselgebieten von Innovationen im Healthcare-Bereich zum Tagesgeschäft. Wir Bayer HealthCare ausfindig zu machen. Welche Kriterien müs- glauben, dass die IT, die Technologie und die digitalen Denk- sen die potenziellen Partner erfüllen? Wie viele Kooperationen ansätze einen wichtigen Teil von integrierten Lösungen für planen Sie anzubahnen? Patienten ausmachen. Unsere Herangehensweise an Digital Potenzielle Kooperationspartner sollten vor allem auf den Health in Japan fokussiert sich auf zwei Hauptgebiete: Erstens gleichen Gebieten forschen, die auch wir im Fokus haben. Ha- wollen wir Lösungen mit zusätzlichem Mehrwert für Patienten ben Sie jedoch bitte Verständnis dafür, dass es noch zu früh ist, und Gesundheitsdienstleister anbieten und dabei vernetzten um die Anzahl der geplanten Forschungsprojekte zu beziffern. Geräten und mobilen Apps zum Durchbruch verhelfen. Zwei- Eines davon ist aber bereits in Planung: Wir haben im Rah- tens wollen wir auch Business-Lösungen für interne Zwecke men der Kooperationsvereinbarung mit der Universität Kyoto entwickeln und dabei Methoden der so genannten „Advanced eine gemeinsame Konferenz mit dem Namen “AGORA Bayer” Analytics“ nutzen. ins Leben gerufen. Diese soll drei bis vier Mal im Jahr statt- finden. Bei der Konferenz werden Wissenschaftler von beiden Herr Takahashi, vielen Dank für das Gespräch. �� 24 innovations 1/15
Know-how Ausblicke im Markt der Biologika und Biosimilars Patentklippe 2016? Die globalen Märkte haben sich nach der Patentklippe zwischen 2009 und 2012 wieder stabilisiert. Die Wachstumskurve zeigt seit 2012 wieder nach oben, nicht zuletzt getrieben vom starken Wachstum der Biopharmazeutika. Doch die nächste Patentklippe naht bereits. Von dieser betroffen sind biologische Wirkstoffe wie Adalimumab, Etanercept und Infliximab, deren Patent bereits abgelau- fen ist oder in den nächsten Jahren ablaufen wird. Biosimilars, die Nachahmermedikamente der Biologika, werden daher zukünftig eine größere Rolle spielen. �� Ein Blick auf den globalen Pharma- Biologika wachsen stark – dukte finden sich 2014 bereits sechs Bio- markt zeigt ein vergleichsweise schwa- USA und Europa sind die logika. Zu diesen gehört auch das seit ches Wachstum von 2011 auf 2012, was wichtigsten Märkte 2013 weltweit umsatzstärkste Medika- auf die großen Patentabläufe in diesem ment „Humira“, dessen Wirkstoff Adali- Zeitraum zurückzuführen ist (s. Abb. 1). Einen wichtigen Beitrag zum Wachs- mumab ein monoklonaler Antikörper ge- Das seit 2012 gestiegene Marktwachs- tum des Pharmamarktes leisten die bio- gen den Tumornekrosefaktor-alpha ist. tum wird sich ab 2015 leicht abschwä- logischen Präparate. So lag das Wachs- Viele der momentan sehr erfolgreichen chen. Dennoch wird bis zum Jahr 2018 tum von Biologika mit 8 bis 11 Prozent in Biologika werden in den nächsten Jahren eine Gesamtmarktgröße von bis zu 1,3 den letzten Jahren deutlich über dem des ihren Patentschutz verlieren. So wird „Hu- Billionen US-Dollar mit einem durch- Pharmagesamtmarktes (s. Abb. 3). Die mira“ (Adalimumab) in den USA 2016 und schnittlichen jährlichen Wachstum zwi- USA waren dabei der größte Treiber und in der EU 2018 das Patent verlieren. „En- schen 4 und 7 Prozent erwartet. generierten 2014 mehr als die Hälfte des brel“ (Etanercept) wird in der EU bereits gesamten Biologikaumsatzes. Zweiter 2015 aus dem Patent laufen, in den USA Der globale Pharmamarkt wird großer Umsatzträger mit mehr als einem konnte das Patent bis 2028 verlängert bis 2018 eine Größe von Fünftel des Umsatzes sind die EU5- werden. Insgesamt sind bis 2020 Bio- Märkte. Auf die Pharmerging Märkte ent- logikaumsätze von rund 80 Milliarden 1,3 Billionen US-Dollar erreichen, fallen nur 10 Prozent des Umsatzes, aber US-Dollar von der nächsten Patentklippe die Wachstumstreiber sind 14 Prozent des Wachstums. betroffen. Die Auswirkungen der Patent- Nordamerika und Asien Insgesamt machten Biologika 2014 abläufe auf die Umsätze der originalen mit einem Umsatz von knapp 200 Milliar- Biologika hängen allerdings stark von der Die einzelnen Weltregionen werden den US-Dollar ein Fünftel des gesamten Entwicklung ihrer Nachahmerprodukte, sich dabei voraussichtlich unterschied- Pharmamarktes aus. Die wichtigsten Prä- der Biosimilars, ab. lich entwickeln (s. Abb. 2). Nordameri- parate unter den Biologika waren dabei ka wird bis 2018 mit einer Wachstums- mit einem gesamten Umsatzanteil von 40 Besonderheiten von Biosimilars rate von 5 bis 8 Prozent weiterhin der Prozent Immunsuppressiva (TNF-alpha- größte Pharmamarkt bleiben. Die größ- Inhibitoren), Onkologieprodukte und In- Biosimilars sind die Nachahmerpro- ten Wachstumsraten bieten die einkom- suline. dukte originaler Biologika, weisen aber mensschwächeren, aber wachstums- Unter den Top 10 der globalen Pro- Besonderheiten auf, die sie von klas- starken Pharmerging Märkte1. In Asien etwa, mit Ausnahme Japans, kann ein zweistelliges jährliches Wachstum von Globaler Umsatz und Wachstumsraten, 2009-2018 bis zu 11 Prozent erreicht werden. Größ- ter Treiber dieses Wachstums ist Chi- 2015-18 CAGR, 4-7% na, dessen Markt sich bis 2018 mit ei- 1.400 14% ner Größe von 170 Milliarden US-Dollar 3-6% 4-7% 1.200 4-7% 12% zum zweitgrößten nach den USA ent- Wachstum, % (konst. US$) 5-8% 9% wickeln wird. In Lateinamerika wird das 5% 3% 5% Umsatz, Mrd. US$ 1.000 10% 6% Wachstum von Brasilien getrieben. Brasi- 7% 800 8% lien wird sich bis 2018 als der fünftgröß- te Pharmamarkt der Welt, nach Deutsch- 600 6% land auf Platz vier, etablieren. 400 4% 200 2% 0 0% 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Prognose 1) Pharmerging Märkte – Riege 1: China; Riege 2: Brasilien, Russland, Indien; Riege 3: Globaler Umsatz Wachstum Mexiko, Türkei, Venezuela, Polen, Argentinien, Saudi Arabien, Indonesien, Kolumbien, Thai- Quelle: IMS Health Marktprognose, Okt 2014; 2014 Wachstumsrate basierend auf MIDAS Q3 2014. CAGR: Durchschnittliches jährl. Wachstum land, Ukraine, Südafrika, Ägypten, Rumänien, Algerien, Vietnam, Pakistan, Nigeria. Abbildung 1: Bis 2018 wird der globale Pharmamarkt eine Größe von 1,3 Billionen US-Dollar erreichen. innovations 1/15 25
Know-how sischen Generika unterscheiden. 2014-2018: Globale Marktdynamik Biologika durchlaufen einen komple- Zentral- & Osteuropa xen biotechnologischen Herstellungs- Größe: 69-89 Mrd. US$ Nordamerika prozess, der nicht identisch kopierbar ist. Größe: 482-502 Mrd. US$ Westeuropa CAGR ’14-18’: 4-7% Biosimilars und das Original sind daher CAGR ’14-18’: 5-8% Größe: 215-235 Mrd. US$ CAGR ’14-18’: 1-4% Japan nicht identisch, sondern nur ähnlich. So Größe: 93-113 Mrd. US$ CAGR ’14-18’: 1-4% müssen Biosimilars aufwendige Zulas- Mittlerer Osten Größe: 13-33 Mrd. US$ sungsverfahren durchlaufen, wodurch ih- CAGR ’14-18’: 6-9% re klinische Entwicklung im Vergleich zu der von Generika teuer ist. Durchschnitt- Asien Pazifik liche Entwicklungskosten pro Produkt Afrika Größe: 240-260 Mrd. US$ betragen um die 200 Millionen US-Dollar Lateinamerika & Karibik Größe: 21-41 Mrd. US$ CAGR ’14-18’: 8-11% Größe: 90-110 Mrd. US$ CAGR ’14-18’: 8-11% mit großer Variationsbreite je nach Prä- CAGR ’14-18’: 5 -8% parat. Für ein herkömmliches Generikum fallen hingegen nur 1 bis 4 Millionen US- Globaler Markt Niedriger 1-3% 4-6% 7-9% 10-12% 13-15% Hoher Größe: 1.290-1.330 Mrd. US$ CAGR CAGR Dollar Entwicklungskosten an. Auch die CAGR ’14-18’: 4-7 % 2018 US$ Umsatz und LC$ CAGR 2014-2018 laufenden Herstellungskosten sind auf- grund des komplexen Herstellungsver- Quelle: IMS Health Marktprognose, Okt 2014, LC$: Local Currency $, CAGR: Durchschnittliches jährliches Wachstum fahrens bei Biosimilars im Vergleich zu Abbildung 2: Mit Ausnahme der USA werden die traditionellen Märkte im Vergleich zu den Generika erhöht. Pharmerging Märkten in den nächsten fünf Jahren weniger wachsen. Bis 2020 sind globale Umsätze Marktentwicklung Biologika 2008-2014 Biologika – Anteil am Umsatz 2014 von 11 bis 25 Milliarden US-Dollar für Biosimilars möglich 250 12% 21% 51% 10% 200 Im Jahr 2014 entfielen gut 1,5 Prozent Wachstum, % (LC$) Umsatz, Mrd. US$ 6% der Umsätze mit Biologika auf Biosimi- 150 8% 10% lars und andere Kopien der originalen 6% 12% Biologika. Dies entsprach global rund 3 100 EU5 Japan Milliarden US-Dollar. Bis 2020 wird der 4% Pharmerging Rest der Welt USA Anteil der Nachahmerprodukte am Bio- 50 2% logikaumsatz zwischen 4 und 10 Prozent Biologika – Anteil am Wachstum (letzte 5 Jahre) liegen. Dies würde einem Marktvolumen 0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 0% von 11 bis 25 Milliarden US-Dollar ent- Umsatz Biologika 15% sprechen (s. Abb. 4). Die Prognose be- 55% 6% Wachstum Biologika rücksichtigt dabei das zurzeit in einigen Wachstum niedermolekulare Präparate Ländern noch unklare Markt- und Regu- Wachstum Gesamtmarkt 14% lationsgeschehen für Biosimilars. 11% Quelle: IMS Health, MIDAS Q3 2014, Rx, LC$: Local Currency $ Neben den klassischen forschenden Pharmaunternehmen sind Generikafir- Abbildung 3: Der globale Markt für Biologika wächst 2014 um 11 Prozent auf knapp 200 Milliarden men und auch pharmafremde Player wie US-Dollar. Samsung und Fujifilm im Biosimilars- markt aktiv. In den Entwicklungsländern lassungsweg für Biosimilars, bislang wur- similars, allerdings bei steigenden Wachs- sind zudem lokale Pharmaunternehmen de über diesen Weg allerdings noch kein tumsraten. Aufgrund abweichender Zu- sowie Auftragsforschungs- und Entwick- Produkt zugelassen. Mittlerweile sind be- lassungsbedingungen sind dort neben lungsfirmen anzutreffen. Durch Speziali- reits Produkte im Zulassungsverfahren, den Biosimilars zahlreiche Nachahmer- sierungen entlang der Wertschöpfungs- deren Zulassung in Kürze erwartet wird. präparate auf dem Markt, die im Gegen- kette kommen Partnerschaften im Biosi- Das bisher einzige Biosimilar auf dem satz zu Biosimilars eine weniger deutliche milarsgeschäft häufig vor. amerikanischen Markt ist das 2006 über Vergleichbarkeit mit originalen Biologika ein anderes Zulassungsverfahren zuge- aufweisen. Über diese häufig lokal produ- lassene Präparat „Omnitrope“. Um den zierten Nachahmerpräparate sichern sich Mit einer Harmonisierung der Biosimilarsmarkt in den USA weiter zu diese Länder einen Zugang zu innovativen Biosimilar-Leitlinien wird der formen, arbeitet die FDA (U.S. Food and Therapien und sorgen für eine lokale Stär- Biosimilarsmarkt global wachsen Drug Administration) an sechs weiteren kung ihrer Volkswirtschaften. Entwürfen zu Guidelines für Biosimilars Die EU, Japan und Korea weisen hin- Die regulatorischen Anforderungen für (bereits veröffentlicht), deren Finalisie- gegen mit klar definierten Richtlinien die Biosimilars sind global noch heterogen, rung noch nicht abgeschlossen ist. größte Reife im Regulationsprozess auf. daher kann der Marktzugang in einigen Die Pharmerging Länder, wie etwa Chi- So sind in Europa die Biosimilarsraten Ländern anspruchsvoll sein. na und Russland, zeigen überwiegend vergleichsweise hoch. Die EU hat bereits In den USA, dem größten Pharmamarkt unklare regulatorische Anforderungen seit 2006 eines der weltweit am besten weltweit, gibt es seit 2010 zwar einen Zu- und eine geringe Durchdringung von Bio- ausgearbeiteten Regularien zur Zulas- 26 innovations 1/15
Know-how sung von Biosimilars etabliert. 19 Biosi- Marktentwicklung Biosimilars, 2014-2020 milars wurden in der EU bereits zugelas- Anteil am sen, darunter 2013 auch das erste Biosi- 30 Biologikamarkt 2020 Größe des Biosimilarsmarkts, milar eines monoklonalen Antikörpers. In 25 25 10% Deutschland ist der Markt für Biosimilars bereits etabliert und wird von den Ko- 20 20 8% Mrd. LC$ stenträgern mitgeformt, etwa durch lo- 15 kale Mindestquoten für den Einsatz von 11 4% 10 Biosimilars, zum Beispiel des Erythropo- etins. Dennoch ist die automatische Aus- 5 tauschbarkeit bei Biosimilars in Deutsch- 0 land nicht zulässig. Austauschbar sind 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 nur einzelne identisch produzierte Pro- Minimalszenario Base Case Maximalszenario dukte, sogenannte „im selben Kessel“ • Zukünftig ist der US Markt Haupttreiber – unter Voraussetzung der Beseitigung regulatorischer Unklarheiten produzierte Bioidenticals. • Europa erlaubt durch sein etabliertes Zulassungsregelwerk ein zügiges Marktwachstum Die Marktdurchdringung der Biosimi- • Die Entwicklungsländer, besonders Asien, holen auf lars hängt stark von den jeweiligen Leit- linien der Länder ab. Mittelfristig wird ei- Quelle: IMS Health Analyse basierend auf MIDAS Sep 2014, LC$: Local Currency $ ne globale Harmonisierung der Leitlinien Abbildung 4: Bis 2020 kann der Markt für Biosimilars eine Größe von bis zu 25 Milliarden US-Dollar angestrebt, wobei die Leitlinien der EMA erreichen. (European Medicines Agency) und der WHO (World Health Organisation) vie- es häufig bei Kindern eingesetzt. Gerade Neben der unterschiedlichen Marktent- len Ländern mit weniger ausgearbeiteten durch den langfristigen Einsatz bei Kin- wicklung einzelner Präparate sind bei Bio- Regularien als Vorbild dienen. dern scheint es eine geringe Bereitschaft similars generell Besonderheiten bei der zu geben, das Originalpräparat zugun- Vermarktung zu beachten. Da Biosimi- sten des Biosimilars zu wechseln. lars nicht identisch mit ihrem Vorgänger- Der Biosimilarsmarkt unterschei- Die monoklonalen Antiköper, komple- produkt und noch relativ junge Produkte det sich je nach Präparat stark xere rekombinante Proteine, könnten sind, muss Vertrauen bei Ärzten und Pa- sich in ihrer Entwicklung von anderen Bio- tienten aufgebaut und eine Markenmen- Der Biosimilarsmarkt ist durch eine similars unterscheiden. So lassen deren talität geschaffen werden. stark heterogene Produktlandschaft ge- Komplexität und damit einhergehendes kennzeichnet und entwickelt sich je nach höheres Investment sowie kritische- Fazit Präparat deutlich verschieden. re Prüfung von Sicherheit und Effizienz Generell gilt: Bei akuten Therapien mit eine langsame Marktdurchdringung er- Die Patentklippe der Biologika wird in großem Einfluss der Kostenträger und warten. Dennoch zeigt das Biosimilar den nächsten Jahren flacher ausfallen als schnellen Therapiewechseln können sich von Infliximab (TNF-alpha-Inhibitor) be- bei den niedermolekularen Produkten. Dies Biosimilars gegenüber den Originalprä- reits jetzt, knapp ein Jahr nach der Ein- ist auf besondere Charakteristika der Biosi- paraten zügiger durchsetzen als bei sen- führung, in einigen Märkten vergleichs- miliars in Herstellung und Vermarktung so- siblen Langzeittherapien. Ein Beispiel weise hohe Durchdringungsraten, bei- wie die unklare globale Regulationssituati- verdeutlicht, dass es „den“ Biosimiliars- spielsweise 20 Prozent in Norwegen und on zurückzuführen. Langfristig werden ei- markt nicht gibt: Die Biosimilars der Fil- Polen. Jedoch bleibt abzuwarten, wie ne erhöhte Kostensensitivität der Gesund- grastime und Somatropine haben sich in sich der Markt zukünftig, etwa nach Pa- heitssysteme, steigendes Vertrauen in Bio- der EU verschieden entwickelt. tentablauf des Originalprodukts in wei- similars sowie die Lernkurve der Hersteller Biosimilars von Filgrastim etwa haben teren EU-Märkten (Februar 2015) entwi- eine Annäherung an eine generische Ent- in Deutschland, Frankreich, UK, Italien ckeln wird. wicklung der Biosimilars ermöglichen. �� und Spanien schnell Marktanteile von 60 bis 80 Prozent am Molekül erreicht. Fil- grastim wird häufig zur Reduktion von Nebenwirkungen einer Chemotherapie Autorin eingesetzt. Die Behandlung ist eine Akut- behandlung und stark über Kostenträger Mia Reinwald ist Business Develop- geregelt. Daher ist hier ein sehr schneller ment Manager, Central Europe bei IMS Einsatz des Biosimilars möglich und wird Health. Sie ist seit Anfang 2012 bei IMS aus Kostengründen gefördert. Health tätig, zunächst im Commercial Ein anderes Bild zeigt sich bei Biosi- Effectiveness Services (CES) Consul- milars des Wachstumshormons Soma- ting für Central Europe, danach als tropin. Diese weisen nach einem ähnlich Business Analyst und Referentin der langen Zulassungszeitraum in denselben Geschäftsleitungen Central Europe und Ländern Durchdringungsraten von nur 3 East Europe. Sie ist Diplom-Volkswirtin bis 12 Prozent auf. Somatropin wird bei und hat in Tübingen und Genf studiert. Wachstumsstörungen über einen lan- Kontakt: mreinwald@de.imshealth.com gen Zeitraum angewendet. Zudem wird innovations 1/15 27
Know-how „Patient Centricity“ durch Patientenbotschafter Patienten als Kompass für Unternehmen Menschen, die mit ernsten Erkrankungen leben, haben oft das Bedürfnis, sich anderen Personen mitzuteilen, die ihre Lage verste- hen. Das Gefühl der Isolation ist gerade im Falle von seltenen Erkrankungen in der Regel sehr stark. Storytelling kann auf das Mit- teilungs- und das Gemeinschaftsbedürfnis eingehen und hilft Unternehmen gleichzeitig, bessere Partner für Patienten zu werden. �� Die Life-Science-Branche misst sich kann, ist das Zuhören. Wie die Dänen so mächtig waren. Ihre Worte waren bei die- zunehmend am noblen Anspruch, Pati- schön sagen: Der Mensch hat zwei Oh- sem Teil des Publikums ein akustischer enten in den Mittelpunkt zu stellen. Der ren und nur einen Mund. Und die Firmen Stimulus, dessen Abbild im Gehirn kein Trend nennt sich neudeutsch „Patient wollen ja auch Bescheid wissen: Markt- erkennbares Muster ergab. Bei Perso- Centricity“ und verlangt, dass ein Unter- forschung, Medienbeobachtung, „Soci- nen, die das Erzählte jedoch verstanden, nehmen seine Abläufe und Handlungen al Listening“ und eine Myriade anderer leuchteten die gleichen Gehirnregionen am langfristigen Wohl der Patienten aus- Methoden helfen der Branche, besse- auf wie bei der Erzählerin. Mit anderen richtet. Bei den meisten Firmen lässt sich re Entscheidungen zu treffen. Doch wie Worten: Zuhörer, die einer Geschich- dieses Ziel direkt aus der Unternehmens- steht es um den echten, persönlichen te folgen können, erleben diese in ver- mission oder -vision ableiten. Doch auch Austausch mit Patienten? Wann haben gleichbarer Art, wie der Erzähler selbst. sonst kann jede gewinnorientierte Firma Sie das letzte Mal mit jemandem gespro- Das funktioniert aber nur bei Geschichten langfristig nur erfolgreich sein, wenn sie chen, der mit der Krankheit lebt, für die – Handlungen, Ereignissen, Dialogen und für ihre Kunden einen Mehrwert stiftet, Ihr Produkt gedacht ist? Emotionen – nicht bei langfädigen Reden und so ist es nur vernünftig, wenn die Be- oder gar abstrakten Präsentationen. dürfnisse der Kundinnen im Mittelpunkt Erlebnisse vervielfältigen stehen und Patienten zum Kompass für Ein Mensch ist mehr als seine Unternehmen werden. Um Patientinnen wirklich gerecht zu werden, muss man einmal „in ihren Schu- Krankheit Zwei Ohren, ein Mund hen gehen.“ Realistischerweise leben wir nicht alle mit den Krankheiten, um die es Wir alle sind Geschichtenerzähler, jeden Die Pharmabranche steckt hierbei je- bei unserer Arbeit geht. Doch diejenigen Tag, das liegt in der Natur des Menschen. doch in einer besonderen Situation. Be- von uns, die aus erster Hand wissen, wie Geschichtenerzählen hat nichts Anrüchi- mühen wir hierzu eine bekannte Mar- sich ein Leben mit ernsthafter Diagnose ges – Geschichten sind zwar immer sub- keting-Analogie: Der Kopf der Kundin anfühlt, haben ein geeignetes Instrument jektiv, das macht sie aber nicht unbedingt ist getrennt von ihrem Herzen, und ih- zur Hand, ihre „Schuhe“ Interessierten weniger „wahr“. Und ihre Funktion geht re Brieftasche ist nochmals ganz woan- zur Verfügung zu stellen: Storytelling. weit über reine Unterhaltung hinaus. Ei- ders. Sowohl die Entscheidungsträger Das Erzählen der eigenen Geschichte ist ne Studie in den „Annals of Internal Me- als auch die Bezahler haben selber nichts viel mehr als die Wiedergabe von Infor- dicine“ von 2011 hat untersucht, was von dem Produkt, um das es geht. Letzt- mation oder Fiktion. Als älteste, zutiefst passiert, wenn Personen mit Hyperto- lich stehen dem Hersteller also drei ver- menschliche Kommunikationsform ist es nie zusätzlich zu den üblichen Behand- schiedene „Teilkunden“ gegenüber: Die eine Methode, Unbeteiligte zu Beteiligten lungsmethoden auch in den Genuss von verschreibende Ärztin, die Versicherung zu machen, Empathie zu erzeugen, ja, Er- Storytelling durch „Vorbild-Patienten“ und der Patient. Das regulatorische Um- lebnisse im wahrsten Sinne des Wortes kamen. Um größtmögliche Identifikation feld lenkt zudem die Kommunikation mit zu vervielfältigen. jedem dieser Teilkunden in enge Bahnen, Wissenschaft - sodass sich im Laufe der Zeit bei den ler an der Universi- meisten Firmen die Routine eingenistet tät Princeton haben hat, sich lediglich mit den Profis, den Ärz- mit Hilfe eines MRI ten, auszutauschen. Die Folge: Die Phar- die Hirnströme in maindustrie hat einen verschlossenen, ja Storytelling-Situati- schlechten Ruf, der Zyniker dazu bringt, onen gemessen. Die den Patient-Centricity-Trend als bloßes Erzählerin sprach in Feigenblatt abzutun. ihrer Muttersprache Und tatsächlich kann Patient Cen- (Russisch) über ei- tricity grandios scheitern, wenn Firmen ne wahre Begeben- das Konzept in ein Silo sperren und so heit, die sie selber vom Rest des Unternehmens isolieren. einmal erlebt hat. Ih- Oder wenn sie es rein intellektuell mit ein re Hirnströme waren paar Brainstorming-Sitzungen abhandeln, grundverschieden Die Brustkrebs-Botschafterin Nancy erzählt ihre Geschichte im Rahmen eines Video-Shootings. Der persönliche Kontakt mit Patienten, die bereit als ob die teilnehmenden Mitarbeiter al- von denjenigen Zu- sind, ihre Geschichte zu erzählen, führt zu einem besseren Verständnis und le Antworten auf Patientenfragen hät- hörern, die der russi- motiviert, mehr zum Wohl von Patienten beizutragen. ten. Der erste Schritt, den eine Firma tun schen Sprache nicht Bild: Snow Companies 28 innovations 1/15
Know-how zwischen Zuhörern und Erzählern herzu- Agenturen wie die Snow Companies tern können sie der Öffentlichkeit helfen, stellen, kamen alle Teilnehmenden aus ei- stellen den ersten Kontakt zwischen den ein patientengerechtes Umfeld zu schaf- ner vergleichbaren Gesellschaftsschicht, Firmen und den Patienten her und be- fen. Gerade in Deutschland gibt es etli- in diesem Fall waren es Afroamerikaner. gleiten Botschafterprogramme logistisch che Beispiele von Firmen, die etwa Road- Es stellte sich heraus, dass die Storytel- sowie mit Agenturdienstleistungen wie shows veranstalten, in denen Patienten ling-Gruppe messbar bessere Werte als Grafikdesign oder Videoproduktion. Der ihre Geschichte an einem öffentlichen Ort die Kontrollgruppe hatte. Man nimmt an, regelmäßige Austausch mit Patienten- erzählen, zusammen mit einer Moderato- dass ein Großteil dieses Erfolgs von ver- botschaftern geht mit der Zeit oft über rin, einem Arzt, sowie gelegentlich The- besserter Adhärenz herrührt, dass sich das reine Teilen seiner Geschichte hin- rapeutinnen. Solche Aktionen können also die Patienten, die sich Erfolgsge- aus. Firmen, die gute Beziehungen mit die Leute für wenig bekannte oder stig- schichten angehört haben, besser an das Patienten pflegen, wissen genau, wen sie matisierte Krankheiten sensibilisieren. ärztlich verordnete Regime halten. fragen können, wenn sie an Innovatio- Viel zu oft werden Kranke als Simulanten Auch in Europa fasst das Konzept von nen interessiert sind. Ein Hersteller eines oder Verrückte abgetan. Gerade bei sel- Storytelling durch Patientenbotschafter Medikaments, das zur Behandlung ei- tenen Erkrankungen, etwa den lysoso- allmählich Fuß: „Als Patientenbotschaf- ner neurodegenerativen Erkrankung zum malen Speicherkrankheiten, fehlt es oft ter bin ich wieder stolz auf mich, und ich Einsatz kommt, stellte etwa eine Fokus- genug auch an der ärztlichen Expertise, kann anderen Betroffenen zeigen, dass gruppe aus seinen Patientenbotschaf- um Betroffene zur korrekten Diagnose Multiple Sklerose nicht das Ende ist, son- tern zusammen. Die Firma wollte wissen, zu verhelfen. Patientenbotschafter, die dern ein Neuanfang; eine neue Gelegen- welche Informationen und Hilfsmittel sich auf Ärztekongressen von ihren Erfahrun- heit, für sein Glück zu kämpfen, sagt Nu- in einem Starterkit für neu Diagnostizier- gen berichten, können das Bewusstsein no aus Portugal. Nuno lebt mit MS und te befinden sollten. Was hätten die Pa- für ihre Krankheit wirksam schärfen. teilt seine Geschichte regelmäßig mit tienten gerne gewusst, als sie mit der Im Bereich der seltenen Krankhei- anderen Betroffenen sowie mit Pharma- Behandlung anfingen? Was hätte ihnen ten besonders wichtig ist aber auch die firmen, die verstehen, dass hinter jedem geholfen, die Routine besser einzuhalten Gemeinschaft: Nichts isoliert mehr, als „Patienten“ ein ganzer Mensch steckt, und motiviert zu bleiben? Die Rückmel- der Glaube, allein zu sein mit seinem in dessen Leben mehr Dinge vor sich dungen halfen, ein Set zusammenzustel- Schicksal. Storytelling und der Aufbau gehen als eine Krankheit. Die Kraft von len, das den tatsächlichen Bedürfnissen einer Gemeinschaft von Menschen, die Geschichten liegt einerseits darin, dass echt Betroffener entspricht. alle etwas Ähnliches durchgemacht ha- Menschen sie gerne hören und deshalb Für eine andere neurologische Er- ben, kann für betroffene Patienten Wel- intrinsisch motiviert sind, Aufmerksam- krankung hat ein Unternehmen eine ähn- ten bewegen. Es kann ihnen die Kraft keit zu schenken. Und immer, wenn wir liche Fokusgruppe dazu befragt, wie man geben, nachzuforschen, Fragen zu stel- unsere Gehirne einschalten, verstehen das Erleben der Krankheit Nichtbetroffe- len, und selber für andere Betroffene wir die Inhalte besser und erinnern uns nen am besten näherbringen kann. Das zum kompetenten Ratgeber und Bei- später besser ans Gesagte. Ein anderer Resultat war ein „Erlebniskit“, welches stand zu werden. Vorteil von Geschichten ist der Appell an das Leben mit der Krankheit simuliert, Entscheidend für den Erfolg von Pa- unsere Emotionen. Die Psychologie hat mit allen sensorischen, sozialen und fi- tientenbotschafter-Programmen ist die lange erkannt, dass die überwältigende nanziellen Auswirkungen, die im echten richtige Motivation der Beteiligten. Als Mehrheit unserer Entscheidungen nicht Leben den Ernstfall darstellen. Die Firma Patientenbotschafter macht man Frei- rational, sondern emotional begründet verschickt das Kit jetzt in alle ihre Länder- willigenarbeit, motiviert durch die Aus- ist. Durch emotionale Überzeugung kann gesellschaften, so dass vor Ort alle Mitar- sicht, anderen Betroffenen wirksam hel- Storytelling den Anstoß geben, das eige- beitenden im geschützten Rahmen einer fen zu können, sowie dadurch, mit wich- ne Verhalten anzupassen. internen Schulung einmal die Herausfor- tigen Akteuren und Experten in direktem derungen einer Erkrankten erleben. Austausch zu stehen. Eine Firma, die ein Fokusgruppen solches Programm aufbaut, ist bestrebt, Patient Centricity nicht nur zu predigen, Seltene Krankheiten bekannt Durch das Engagement von Patien- sondern wirklich zu leben. Solche Fir- ten, die ihre Geschichte teilen, haben Fir- machen men geben Betroffenen eine Stimme. men also eine Gelegenheit, zu lernen, in Und sie geben damit anderen Patienten welchem Kontext ihre Produkte und Be- Patientenbotschafter helfen Unter- Hoffnung und die Erkenntnis, dass das treuungsangebote zum Einsatz kommen. nehmen, intern dem Ziel der Patient Cen- Leben tatsächlich aus mehr besteht als Sie sehen, welch wichtigen Beitrag sie tricity näher zu kommen. Doch auch ex- aus ihrer Krankheit. �� zum Wohl der Patientinnen bereits leisten, und wo sie mehr tun könnten, um das Los eines Menschen, der mit einer ernsthaf- Autor ten Diagnose lebt, zu verbessern. Nichts Oliver Portmann ist Director of Communications bei Snow motiviert Mitarbeitende mehr, als das Ver- Companies und hilft Patienten in Europa und Nordamerika, ständnis dafür, warum man eigentlich je- ihre Geschichte authentisch und wirkungsvoll aufzusetzen den Tag zur Arbeit geht. In klinischer Hin- und zu präsentieren. Der ehemalige Journalist ist spezialisiert sicht sind Mediziner die Experten. Aber auf mehrsprachige und interkulturelle Patienten- und Medien- niemand hat mehr Expertise über die Re- kommunikation. alität des Lebens mit einer Krankheit als Kontakt: oportmann@snow-companies.com die Betroffenen und ihre Angehörigen. innovations 1/15 29
Sie können auch lesen