Elements43 - Sphingolipide als natürlicher Jungbrunnen Innovation nach Plan Smarte Chemie im Kleinformat - Evonik Industries

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Elements43 - Sphingolipide als natürlicher Jungbrunnen Innovation nach Plan Smarte Chemie im Kleinformat - Evonik Industries
elements43
Quarterly Science Newsletter                Ausgabe 2|2013

Kosmetik

Sphingolipide als natürlicher Jungbrunnen
INNOVATIONSMANAGEMENT

Innovation nach Plan
Verfahrenstechnik & Engineering

Smarte Chemie im Kleinformat
Elements43 - Sphingolipide als natürlicher Jungbrunnen Innovation nach Plan Smarte Chemie im Kleinformat - Evonik Industries
2    Inhalt

                             		Titelmotiv
     6
                             		Um die Frage, was Innovation gedeihen lässt, geht es in mehreren
                                Beiträgen dieser Ausgabe

                             		NEWS
                                   4   Grundsatzvereinbarung für Biolys® Anlage in Russland unterzeichnet
                                   4   Neues Gemeinschaftsunternehmen in Mexiko
                                   5   Neue Anlage für silanmodifizierte Polymere
                                   5   PETRONAS und Evonik planen strategische Partnerschaft in Malaysia

                             		Kosmetik
                                   6   Sphingolipide als natürlicher Jungbrunnen
     12
                             		NEWS
                                  11   Evonik investiert in Emerald Cleantech Fund III
                                  11   Neues Nachschlagewerk zur UV-Mattierung

                             		INNOVATIONSMANAGEMENT
                                  12 	Innovation nach Plan: Wie möglichst vielen guten Ideen möglichst
                                       viele Türen zum Erfolg geöffnet werden

                             		NEWS
                                  19   VESTAKEEP® PEEK erhält Zulassung der FDA
                                  19   TAICROS® bringt Chemikalienbeständigkeit in den Lack
     28
                             		Interview
                                 20    Die Innovationskraft von Evonik weiter stärken

                             		        Agrochemie
                                 22    Custom Manufacturing: Flexibel dem Kundenwunsch entsprechen

                             		        NEWS
                                  27   Neue Hautpflegeserie von STOKO® Professional Skin Care
                                  27   VESTAMELT®: Hybridbauteil geht in Serienproduktion

                             		        Verfahrenstechnik & Engineering
                                 28    Smarte Chemie im Kleinformat

                             		INNOVATIONSMANAGEMENT
                                 34    Wissensaustausch über Social Media: Erfolgreiches Online-Brainstorming

                             		        NEWS
                                 38    Evonik Birmingham Laboratories erhält cGMP-Zertifizierung
                                 38    CyPlus erfolgreich zertifiziert
                                 39    Länger toben im neuen Tapirhaus

                                  39   Impressum

elements 43 Ausgabe 2|2013
Elements43 - Sphingolipide als natürlicher Jungbrunnen Innovation nach Plan Smarte Chemie im Kleinformat - Evonik Industries
Editorial          3

Borussia Dortmund
Zweimal deutscher Meister in Folge, dreimal hintereinander für die Champions
League qualifiziert und gegen Real Madrid den Sprung in den Kreis der zwei besten
Fußballmannschaften Europas geschafft: Borussia Dortmund hat in den vergangenen
Jahren eine unglaubliche Entwicklung durch­laufen und sich einen festen Platz im
Spitzenfußball erobert – national wie auch international.
    Der BVB ist auch deshalb so erfolgreich, weil Coach, Vereinsmanager und
Spieler die gleiche Strategie verfolgen. Sie sind ein Team, in dem jeder eine klare
Aufgabe hat und sie mit Begeisterung erfüllt. Die Manager und insbesondere
der Coach haben eine schlagkräftige junge Mannschaft geformt. Sie haben den
Nachwuchs klug gefördert und mit Umsicht Talente zugekauft. Die Qualität der
                                                                                         Patrik Wohlhauser
Mannschaft konnte im Viertelfinale der Champions League bewundert werden:                Mitglied des Vorstandes der
Trotz des schon fast verlorenen Spiels gegen Málaga gab sie nicht auf, kämpfte           Evonik Industries AG
weiter und schoss sich in einem dramatischen Finish ins Halbfinale.
    Zwar haben guter Fußball und innovative Spezialchemie inhaltlich nichts
gemeinsam, aber es gibt dennoch Parallelen. Auch in der Spezialchemie ist der
Erfolg ein Teamerfolg, zu dem F&E, Anwendungstechnik, Management, Vertrieb,
Marketing und viele andere gleichermaßen beitragen. Dabei ist es egal, wer
das Tor vorbereitet und wer es geschossen hat oder ob eine Innovation von der
F&E-Abteilung oder vom Vertrieb initiiert wurde – was zählt, ist das Ergebnis.
    Dafür muss man schon mal etwas riskieren. Auch auf die Gefahr hin, dass der
Ball am Tor vorbeifliegt oder ein Projekt scheitert. In einer erfolgreichen Mann-
schaft zählt der Wille zum Sieg – siehe Borussia Dortmund. Wer weiß, dass er
auch mal vorbeischießen darf, lässt sich von einem Fehlschuss nicht entmutigen,
sondern greift nach der nächsten Chance. Und natürlich spielen Zukäufe auch
bei Innovation eine Rolle. Sie ermöglichen es, in vielversprechende Technologien
und neue Geschäfte einzusteigen.
    Wie im Fußball kommt der Führungsmannschaft deshalb auch beim Thema
Innovation eine wichtige Rolle zu. Sie muss individuelle Stärken fördern, aber auch
die Spieler zusammenschweißen, Anreize setzen und motivieren, Bewährtes
stärken und Überholtes durch neue Methoden ersetzen. Sie muss klare Ziele setzen
und bereit sein, notfalls etwas zu verändern, auch wenn es unbequem ist.
    Genau das wollen wir mit unserer Leading Innovation Initiative erreichen, die
wir im Herbst 2012 gestartet haben. Peter Nagler, unser Chief Innovation Officer,
erläutert die Initiative in diesem Heft (S. 20). Unser Ziel: Wir wollen zu den innova-
tivsten Unternehmen der Welt gehören. Oder, um im Bild zu bleiben: Die Leading
Innovation Initiative soll für Evonik das sein, was Vereinsmanager und Coach
des BVB für die Spieler sind – ein Motivator, der ideale Bedingungen schafft und
die Mannschaft an die Spitze führt.

                                                                                                       elements43 Ausgabe 2|2013
Elements43 - Sphingolipide als natürlicher Jungbrunnen Innovation nach Plan Smarte Chemie im Kleinformat - Evonik Industries
4    Ne ws

    Grundsatzvereinbarung für Biolys® Anlage in Russland unterzeichnet
    Evonik und die Regierung der russischen          im Tierfutter für Schweine und Geflügel. Die      in der Region vorhandenen Rohstoff Weizen.
    Region Rostov haben ihre Zusammenarbeit          neue Anlage soll 2014 in Betrieb gehen und        Das produzierte Biolys® wird helfen, Schwei­
    bekräftigt. Im Beisein von Bundesland­wirt­      eine Jahreskapazität von rund 100.000             nefleisch in Russland effizient und nachhaltig
    schafts­ministerin Ilse Aigner, des russischen   Tonnen Biolys® haben. Als Rohstoff kommt          zu produzieren, und einen Beitrag leisten,
    Landwirtschaftsministers, Nikolai Fedorov,       Weizen aus der Rostov-Region zum Einsatz,         den Fleischbedarf in Russland zu decken.“
    sowie Patrik Wohlhauser, Mitglied des            den das Joint Venture selbst verarbeiten wird.        Evonik sichert durch das Gemeinschafts­
    Vorstandes der Evonik Industries AG, wurde           Mit der Grundsatzvereinbarung sagt der        unternehmen die Rohstoffversorgung für die
    eine Grundsatzvereinbarung unterzeichnet.        Gouverneur der Region Rostov, Vasily Go­lu­       neue Biolys® Anlage, integriert sich rückwärts
    Es geht um die Errichtung einer Anlage zur       bev, dem Joint Venture seine volle Unter­         und deckt so einen größeren Teil der Wert­
    Produktion von Biolys® in Vol­godonsk durch      stützung zu. Mitunterzeichner waren Dr.           schöpfungskette ab. „Für die Positio­nierung
    das Joint Venture OOO Don­BioTech.               Reiner Beste, Leiter des Evonik-Geschäfts­        von Evonik im wichtigen russischen Markt ist
    Operative Partner in dem Joint Venture sind      bereichs Health & Nutrition, und der Gene­        dies von großer Bedeutung“, betonte Wohl­
    Evonik Industries, das die Minderheit hält,      raldirektor des Joint Ventures OOO DonBio­        hauser.
    und die russische Var­shavsky-Gruppe.            Tech, Vladimir Kudryashov.
       Das Joint Venture wird in der neuen               „Die neue Biolys® Anlage ist ein Glücksfall
    Biolys® Anlage die Fermentationstechnologie      für unsere Region und die Stadt Volgodonsk“,      Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (stehend,
                                                                                                       3. von links) wohnte der Unterzeichnung der
    von Evonik nutzen, um L-Lysin herzustellen.      sagte Golubev. „Sie schafft rund 200 hoch         Grundsatzvereinbarung zwischen Evonik und der
    Biolys® gilt als äußerst wirksame Lysinquelle    qualifizierte Arbeitsplätze und veredelt den      russischen Region Rostov bei

    Neues Gemeinschaftsunternehmen in Mexiko
    Grupo Idesa S.A de C.V. (Mexiko) und                                                               größte Verbraucher von Cyaniden. Natrium­
    CyPlus GmbH (Deutschland), eine 100-pro-                                                           cyanid ist das effizienteste und wirtschaftlich
    zentige Tochter der Evonik Industries AG,                                                          sinnvollste Reagenz zur Extraktion von Gold
    stehen kurz vor dem Abschluss eines                                                                und Silber. Die neue Natriumcyanidanlage
    Vertrages zur Gründung eines Gemeinschafts­                                                        des Gemeinschaftsunternehmens wird das
    unterneh­mens, das eine Natriumcyanidanlage                                                        Wachs­tum der Bergbauindustrie mit zuver-
    in Coatzacoalcos (Mexiko) errichten wird.                                                          lässigen Lieferungen unterstützen.
    Die geplante Anlage mit einer Kapazität von                                                            Die Anlage in Mexiko wird nach dem
    40.000 Tonnen wird auf den modernen                                                                International Cyanide Management Code
    Technologien von Evonik basieren und soll                                                          (ICMC) zertifiziert werden. Mit diesem
    im ersten Quartal 2015 in Betrieb gehen.                                                           Ko­dex verpflichten sich Unternehmen der
        Die Wirtschaft Mexikos ist in den letzten                                                      Goldbergbauindustrie, Hersteller von Cya­-
    Jahren stetig gewachsen. Insbesondere die                                                          ni­den und Logistikunternehmen weltweit,
    Bergbauindustrie wird auch zukünftig hohe                                                          hohe und einheitliche Standards für Sicherheit
    Wachstumsraten verzeichnen. Die Gold- und        Natriumcyanid ist das effizienteste Reagenz       und Umweltschutz bei der Anwendung und
    Silberbergbauindustrie ist der weltweit          zur Extraktion von Gold und Silber                der Handhabung von Cyaniden einzuhalten.

elements 43 Ausgabe 2|2013
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Ne ws         5

Neue Anlage für silanmodifizierte Polymere
Evonik Industries wird ab dem zweiten Quartal 2013 am Standort        „Mit der von Evonik entwickelten neuartigen Technologie können
Essen eine neue Klasse silanmodifizierter Polymere produzieren.       Polymergerüste individuell nach Anwendungsanforderungen aufge-
Die neue Produktlinie wird unter dem Markennamen TEGOPAC®             baut werden“, erklärt Dr. Sabine Giess­ler-Blank, Leiterin Inno­vations­
geführt. Hinter TEGOPAC® verbirgt sich eine neue und flexi­ble        management des Geschäftsgebiets Interface & Perfor­mance.
Technologieplattform für silanmo­difizierte Polymere. Unter anderem       Die Produktlinie TEGOPAC® bietet For­mul­ierern bei der
dienen diese umweltfreundlichen Produkte als Bin­demittel für viel-   Herstellung von hochwertigen Dicht- und Klebstoffanwendungen
fältige Kleb- und Dicht­an­wendungen.                                 eine hohe Variabilität in Bezug auf Festigkeit, Elastizität sowie die
                                                                      Einstellung von Haf­tungseigenschaften. Durch die Möglichkeit der
                                                                      Herstellung von isocyanat- und methanolfreien Formulierungen ist
                                                                      die neue Technologie eine umweltfreundliche Alter­native zu her-
                                                                      kömmlichen Produkten.
                                                                          Die Zusammenführung mit der bereits bestehenden Produktlinie
                                                                      Polymer ST der 2011 akquirierten Evonik Hanse GmbH (ehemals
                                                                      hanse chemie AG) bietet Kunden ein breites Eigenschaftsportfolio
                                                                      für Bau-, Transport- und Montageanwendungen. Die neue Technologie
                                                                      ermöglicht es Kunden, neue Anwendungsfelder zu er­­­schließen.

                                                                      TEGOPAC® wird bei der
                                                                      Herstellung von hochwertigen Dicht-
                                                                      und Klebstoffen eingesetzt

PETRONAS und Evonik planen strategische Partnerschaft in Malaysia
                                                                      Evonik Industries und PETRONAS, Kuala Lumpur, planen ein ge-
                                                                      meinsames Projekt in Malaysia. Dazu haben Dr. Dahai Yu,
                                                                      Vorstandsmitglied von Evonik Industries, und Datuk Wan Zulkiflee
                                                                      Wan Ariffin, Presi­dent Downstream Business, PETRONAS, im Januar
                                                                      einen Letter of Intent (LOI) unterzeichnet.
                                                                          Ziel des potenziellen Joint Ventures ist die Errichtung einer
                                                                      Produktionsplattform in Pengerang (Malaysia). Laut dem LOI planen
                                                                      PETRONAS und Evonik einen neuen Stand­ort innerhalb des von
                                                                      PETRONAS entwickelten Komplexes Refinery & Petro­chemical
                                                                      Integrated Development (RAPID) in Pen­ge­rang im Bundesstaat Johor.
                                                                      Dort sollen Pro­duktionsanlagen mit einer Kapazität von 220.000
                                                                      Tonnen Isononanol (INA), 110.000 Tonnen 1-Buten und 250.000
                                                                      Tonnen Was­serstoffperoxid aufgebaut werden. Mit dem Was­ser­
                                                                      stoffperoxid soll vor Ort Propylenoxid nach dem lizenzierten umwelt-
                                                                      freundlichen HPPO-Verfahren hergestellt werden, das Evonik
                                                                      gemeinsam mit ThyssenKrupp Uhde entwickelt hat. Die geplanten
                                                                      Anlagen könnten 2016 in Betrieb gehen.
                                                                          „Das Gesamtprojekt kann ein weiterer Meilenstein unserer
                                                                      Strategie werden, mit dem wir unser Wachstum im asiatischen Markt
                                                                      weiter vorantreiben wollen“, erklärte Evonik-Vorstandsmitglied
                                                                      Dr. Dahai Yu. „Dafür streben wir eine nachhal­tige starke Zusam­
                                                                      menarbeit mit einem strategischen Partner wie PETRONAS an.“
                                                                          Der Oxoalkohol INA ist ein Vorprodukt des Weichmachers DINP
                                                                      (Di-Isononyl­phthalat), der bei der Herstellung von Weich-PVC ver-
                                                                      wendet wird. Die wichtigsten Märkte und Endanwendungen sind
                                                                      Folien, Tapeten, Bodenbeläge, aber auch Kabel und Automotive.
                                                                      1-Buten wird als Comonomer für die Herstellung des Kunststoffs
 Freude bei den Unterzeichnern des Letters of Intent von              Poly­ethlyen eingesetzt. Wichtigste Wachstums­regionen für 1-Buten
 Evonik und PETRONAS für eine strategische Partnerschaft              sind China, Südostasien, der Mittlere Osten und Europa. Wasserstoff­
 in Malaysia, darunter Evonik-Chef Dr. Klaus Engel (2. von
                                                                      peroxid wird als Bleichmittel in der Papier- und Textilindustrie ein-
 links) und Vorstandsmitglied Dr. Dahai Yu (ganz links)
                                                                      gesetzt sowie zur um­­weltfreundlichen Oxidation und Desinfektion.

                                                                                                                        elements43 Ausgabe 2|2013
Elements43 - Sphingolipide als natürlicher Jungbrunnen Innovation nach Plan Smarte Chemie im Kleinformat - Evonik Industries
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Elements43 - Sphingolipide als natürlicher Jungbrunnen Innovation nach Plan Smarte Chemie im Kleinformat - Evonik Industries
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Sphingolipide
                                         Ein altes Sprichwort sagt: Man ist so alt, wie man sich fühlt.
                                         Heute scheint zusätzlich zu gelten: Man ist so alt, wie man aus-
                                         sieht. Zum jugendlichen Aussehen gehört vor allem eine straffe

als natürlicher
                                         und glatte Haut, aber nicht jeder geht dafür das Risiko von
                                         Operationen oder Injektionen ein. Viel sanfter sind da Cremes,
                                         Lotionen und Tinkturen mit Ingredienzen, die Alterungspro-

Jungbrunnen
                                         zesse der Haut verlangsamen oder deren Symptome abmildern.
                                            Ein Blick in die Regale zeigt es: Auf den Anti-Aging-Trend
                                         antwortet die moderne Kosmetikindustrie mit einer Vielzahl
                                         von Pflegeprodukten. Für ihre Rezepturen benötigt sie chemi-
                                         sche Wirkstoffe, deren Funktionalitäten für alternde Haut maß-
Vital sein und auch im Alter jung        geschneidert werden. Evonik entwickelt im Geschäftsbereich
aus­sehen – das will eigentlich jeder.   Consumer Specialties bereits seit Jahren „Efficient Active Ingre-
Angesichts steigender Lebens­-           dients“ auch für Anti-Aging-Produkte in- und ausländischer Her-
erwartung steht Anti-Aging in den        steller. Der Fokus liegt dabei auf Substanzen, deren Wirkung
                                         und Effizienz wissenschaftlich belegt ist, die natürliche Aus-
Industrieländern hoch im Kurs.           gangsstoffe haben und/oder hautidentisch sind.
Für diesen Trend schneidern Experten
im Geschäfts­­bereich Consumer           Haut altert nicht nur an der Oberfläche
Specialties potente Wirk­stoffe nach
                                         Die menschliche Haut ist ein komplexes Gebilde unterschied­
Maß. Haut­identische Sphingolipide       licher Schichten, die jeweils ganz bestimmte Aufgaben erfüllen.
versprechen dabei besonders gute         Wenn Haut altert, betrifft das nahezu alle Schichten und Zell­
Effekte.                                 typen: Die Epidermis wird dünner, die Kraft des Bindegewebes
                                         schwindet, die Haut verliert an Elastizität und Feuchtigkeit. Die
[ text Dr. Mike Farwick ]                natürliche Regeneration verlangsamt sich, die Versorgung mit
                                         Nährstoffen wird schlechter, die Verzahnung zwischen Ober-
                                         und Unterhaut flacher. Hautalterung ist nur zum Teil genetisch
                                         bedingt, daneben spielen äußere Faktoren wie UV-Strahlung,
                                         Rauchen und Ernährung eine große Rolle.
                                             Anti-Aging ist keine banale Aufgabe. Wer sich mit Haut und
                                         Hautalterung beschäftigt, muss tief blicken: Welche körper­
                                         eigenen Substanzen verändern sich mit dem Älterwerden der
                                         Haut? Mit welchen Wirkstoffen lassen sich Alterungsprozesse
                                         verlangsamen oder Symptome abmildern? Gibt es Stoffe, die die
                                         Zellerneuerung anregen? Und welches Potenzial birgt die kos-
                                         metische Forschung für künftige innovative Wirkstoffe?
                                             Das Geheimnis junger, straffer, faltenfreier Haut sind unter
                                         anderem ihre Lipide. Dazu gehören insbesondere die membran-
                                         bildenden Lipide, die einen hydrophoben und einen hydrophilen
                                         Teil besitzen. Durch ihre Amphiphilie sind die Moleküle in der
                                         Lage, sich zu kompakten und stabilen Doppelschichten anzuord-
                                         nen, die einerseits Feuchtigkeit fest an sich binden, andererseits
                                         eine Zelle gegen schädliche äußere Einflüsse abschirmen. 333

                                                                                       elements43 Ausgabe 2|2013
Elements43 - Sphingolipide als natürlicher Jungbrunnen Innovation nach Plan Smarte Chemie im Kleinformat - Evonik Industries
8    Kosme tik

    Sphingolipide gewährleisten die                                    Schutzwirkung ein und kann weniger Feuchtigkeit binden. Of-
    Barrierefunktion der Haut                                          fenbar produzieren Zellen der Epidermis mit dem Älterwerden
                                                                       insbesondere langkettige Ceramidtypen nicht mehr oder in nicht
    In der menschlichen Haut spielen Sphingolipide eine besonders      mehr ausreichendem Maße.
    wichtige Rolle. Das sind lange, kettenförmige Moleküle aus
    einem ungesättigten Aminoalkohol und einer über eine Amid-
                                                                        Tabelle 1
    gruppe gebundenen Fettsäure. Eine Unterklasse der Sphingoli-
    pide bilden die Ceramide. Sie bestehen aus einer Sphingoidbase      Der Ceramidgehalt
                                                                        der Haut nimmt mit              Alter         Ceramidgehalt
    (einem Aminoalkohol mit variabler Kettenlänge) und einer
                                                                        dem Alter stark ab    Hände     21–30 Jahre          100 %
    kovalent gebundenen Fettsäure. Je nach Art der Base und je nach                                     31–40 Jahre           78 %
    Kettenlänge der Fettsäure gibt es unterschiedliche Ceramid-­                                        41–50 Jahre           63 %
    typen. Einige davon sind wesentliche Bestandteile der äußeren                             Gesicht   21–30 Jahre          100 %
    schützenden Hornschicht unserer Haut, des nur 20 bis 50 Mikro­                                      31–40 Jahre           62 %
                                                                                                        41–50 Jahre           37 %
    meter dünnen Stratum Corneum.
        Im Stratum Corneum (Abb. 1) sind proteinreiche, kernlose
    Hornzellen in eine lipidreiche und wasserabweisende Matrix
    eingebettet. Die Matrix enthält neben Cholesterol und freien       Auch klimatische Einflüsse spielen eine Rolle für den Cera-
    Fettsäuren zu rund 50 Prozent verschiedene Ceramide, die in        midgehalt: Im Winter ist er nur halb so hoch wie im Sommer.
    Doppelschichten angeordnet sind und wesentlich über die Bar-       Unabhängig von Alter oder Klima können Gleichgewicht und
    rierefunktion der Hornschicht bestimmen. Untersuchungen mit        Funktion der Lipide gestört sein, was sich negativ auf Feuchtig-
    Elektronenmikroskopie und Röntgen­diffraktometrie haben ge-        keitshaushalt und Enzymaktivität auswirkt. Dann kommt es zu
    zeigt, dass der Aufbau der Ceramiddoppelschichten einem aus-       trockener Haut oder gar zu krankhaften Erscheinungen wie Der­
    geklügelten Bauplan aus kristallinen und flüssigen Phasen folgt.   matosen, Neurodermitis oder Schuppenflechte.
    Diese biologische Barriere wirkt verlässlich gegen eindringende
    Fremdstoffe, verfügt zugleich aber über genügend Durchlässig-      Evonik macht hautidentische Wirkstoffe für die
    keit für einen ausgeglichenen Wasserhaushalt.
                                                                       Kosmetikindustrie zugänglich
        Mit zunehmendem Alter schwindet der Gehalt an Sphingo­
    lipiden im Stratum Corneum (Tab. 1). Zwischen 20 und 50 ver-       Die Bedeutung der Sphingolipide als hauteigener Jungbrunnen
    liert beispielsweise Haut an den Händen über ein Drittel, die      ist bei Evonik seit Langem bekannt. Das Unternehmen betrach-
    Gesichtshaut fast zwei Drittel der Ceramide. Die biologische       tet sich als führend in der Entwicklung und Herstellung von
    Barriere wird dünner und durchlässig, die dicht gepackten          Sphingolipiden mit der natürlich in der Haut vorkommenden
    Schichten brechen auf. Die Haut büßt dann einen Teil ihrer         stereochemischen Struktur.

     Abbildung 1
     Lipide, die eine Art Mörtel­
     schicht zwischen den Horn­-
     zellen bilden, bestimmen
     wesentlich die Bar­rierefunk­-
     tion des Stratum Corneum,
     der äußeren schützenden
     Hornschicht unserer Haut

        Interzellulare Lipide
        Dicke des Stratum Corneum
        Größe der Hornzellen
        Menge an wasserbindenden
         Substanzen (Filaggrin/
         Natural Moisturizing
         Factor – NMF)

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Sphingolipide sind potente Anti-Aging-Wirkstoffe, weil sie den       Die Erweiterung des Produktportfolios
Gehalt der Haut an Lipiden erhöhen und geschädigte Barrieren
reparieren können. Dank biotechnologischer Verfahren sind
                                                                     setzt vertieftes Wissen voraus
heute reine, hautidentische Substanzen für die Kosmetikindus-        Diese Tatsache ist schon länger bekannt, aber erst vor wenigen
trie zugänglich. Ende der 90er Jahre übernahm die damalige           Jahren konnten die biologischen Vorgänge in den Zellen von
Goldschmidt AG die niederländische Firma Cosmoferm und mit           Wickerhamomyces ciferrii aufgeklärt werden. In Kooperation mit
ihr einen patentierten Fermentationsprozess zur Herstellung          dem S2B Center Biotechnology und verschiedenen Universitäten
eines biologischen Vorprodukts für Sphingolipide. Neben den          und gefördert vom Bundesforschungsministerium nahm ein
produktgetriebenen Entwicklungsarbeiten innerhalb des                Team des Geschäftsbereichs Consumer Specialties die Hefe
Geschäftsbereichs Consumer Specialties wurde ein Teil der            genau unter die Lupe. Das Genom wurde sequenziert und der
prozessrelevanten Forschungsarbeiten im Projekthaus ProFerm          komplexe enzymatische Syntheseprozess entschlüsselt. Außer-
der Creavis angesiedelt und ab 2007 im Science-to-Business           dem haben die Evonik-Wissenschaftler in Kooperation mit
(S2B) Center Biotechnology weitergeführt.                            Hochschulen mittels Metabolic Engineering das allgemeine
    Die Hauptrolle spielt dabei eine Hefe mit dem Namen Wicker­      Synthesepotenzial verschiedener Stämme von Wickerhamomy­
hamomyces ciferrii (früher als Pichia ciferrii bekannt). Die gen-    ces ciferrii ausgelotet.
technisch nicht modifizierten Hefezellen produzieren in großen           Seit einigen Jahren arbeitet das Team intensiv daran, die spe-
Fermentern tetraacetyliertes Phytosphingosin (TAPS). TAPS            zifischen Eigenschaften der einzelnen Ceramide systematisch
wird aus der Fermentationsbrühe isoliert, durch Hydrolyse in         zu untersuchen. Heute ist bekannt, dass Kettenlänge, die
Phytosphingosin umgewandelt und chemisch mit der jeweiligen          Bindungsstärke zwischen den Lipiden, der Gehalt einzelner
Fettsäure zum Ceramid gekoppelt. In Zukunft wird es zum che-         Ceramidtypen und die physikalischen Eigenschaften der Lipid-
mischen Verfahren eine biotechnologische Alternative geben.          formationen wesentlich über das Erscheinungsbild der Haut
Bei Evonik wurde ein enzymatischer Prozess für die Kopplung          bestimmen. Außerdem zeigen in der Regel nur hautidentische
von Base und Fettsäure entwickelt. Er spart Energie, erzeugt         Ceramide eine optimale Wirkung. Versuche an Zellkulturen
weniger Abfallstoffe und kommt ohne chemische Lösemittel aus.        belegen, dass Varianten, die in ihrer Stereochemie vom natür­
    Biotechnologie ist für das Gerüst des Ceramids, das Phy­         lichen Vorbild abweichen, den Aufbau der molekularen Bar­r iere
tosphingosin, bereits die Methode der Wahl: Da das Molekül           der Hornschicht sogar stören können.
drei optisch aktive Kohlenstoffatome trägt, gibt es theoretisch          Evonik verfügt mittlerweile über eine Palette verschiedener
acht verschiedene mögliche Stereoisomere (Abb. 2). In der            hautidentischer Ceramide, die in großtechnischen Mengen
menschlichen Haut aber kommt nur eine bestimmte Form davon           hergestellt werden. Die einzelnen Typen unterscheiden sich in
vor. Während chemische Synthesen ein Gemisch aller acht              Wirkung und Anwendungsbereich. Ceramid NP, AP und EOP
Varianten liefern, synthetisieren die Hefezellen genau dasjenige     beispielsweise fördern die Erneuerung der Haut, erhöhen deren
Isomer, das der natürlichen Form entspricht.                         Feuchtigkeitsgehalt oder normalisieren die Schuppen­ 333

 Abbildung 2
 Phytosphingosin kann
 in acht verschiedenen
 Stereoisomeren
                                                        2S, 3S, 4R
 vorkommen. Durch
 biotechnologische
                         Hautidentisches
 Herstellung macht
                         Ceramid NP
 Evonik die natur­
 identische Form
 zugänglich

                                                                                                                   elements43 Ausgabe 2|2013
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                                                                                  sucht, wie maßgeschneiderte Sphingolipide die biochemischen
                                                                                  Kommunikationsprozesse der Haut positiv beeinflussen.
                                                                                      Beispielsweise wurde eine Mischung aus Sphingokinen®,
                                                                                  Ceramiden, Cholesterol und einer hautidentischen Fettsäure
                                                                                  über mehrere Wochen mit Freiwilligen zwischen 35 und 65 Jah-
                                                                                  ren getestet. Die Auswertungen zeigen, dass insbesondere in
                                                                                  älterer Haut Enzyme stimuliert werden, die für die Ceramid­
                                                                                  synthese, die Ausbildung der Lipidbarrieren und die Aktivität
                                                                                  der Keratinozyten verantwortlich sind. Die Folge: Feuchtigkeits-
   Freiwillige Probanden wirken an      Sphingokine® NP, das Evonik 2012 auf
   Versuchen mit neuen Kosmetikwirk­    den Markt gebracht hat, strafft die       gehalt und Elastizität der Haut der Probanden nahmen zu. Diese
   stoffen mit. Hier eine Messung zur   Haut, verbessert die Hautstruktur und     Erfolg versprechenden Resultate machen das große Potenzial
   Feuchtigkeit der Haut                reduziert die Faltentiefe. Vor der An­­
                                                                                  deutlich, das Mischungen mit neuen Wirkstoffkombinationen
                                        wen­dung (oben) und zwölf Wochen
                                        nach der Anwendung (unten)                im Anti-Aging-Markt haben.

                                                                                  Ceramide sind anspruchsvoll in ihrer
   333 bildung. Zum Portfolio gehören auch Mischungen verschie-
                                                                                  Handhabung und Formulierung
   dener Ceramide und anderer Hautinhaltsstoffe, die sich durch
   besonders einfache Anwendung und Multi-Purpose-Effekte aus-                    Evonik als Spezialist für maßgeschneiderte Lösungen liefert nicht
   zeichnen. Insbesondere Mischungen mit Cholesterol und freien                   nur die kosmetischen Wirkstoffe allein, sondern auch das not-
   Fettsäuren revitalisieren die Barrierefunktion der Hornschicht                 wendige Wissen für ein optimales Handling. Viele körpereigene
   und zeigen besonders gute Bioverfügbarkeit.                                    Wirkstoffe – dazu zählen auch die Ceramide – sind anspruchs-
       Ob Einzelstoff oder Mischung – jeder Kandidat durchläuft in                voll in ihrer Handhabung und Formulierung. Ceramide beispiels-
   den Labors von Consumer Specialties einen Parcours aus analy-                  weise haben eine starke Neigung zur Rekristallisation außerhalb
   tischen Verfahren und zahlreichen In-vitro- und In-vivo-Versu-                 der Zelle und müssen daher in einem speziellen Gel aus Emul-
   chen. Mithilfe der Röntgendiffraktometrie beispielsweise wird                  gator und Wachsen stabilisiert werden. Je komplexer die Mi-
   verifiziert, ob es sich um eine hautkompatible Variante handelt                schungen, umso größer die Herausforderung, alle Ingredienzen
   oder nicht. Zum Nachweis von Wirkung und Verträglichkeit                       in eine für die Haut optimal verfügbare Form zu bringen – we-
   dienen umfangreiche Tests an Zellkulturen, wie zum Beispiel                    sentliche Voraussetzung dafür, dass die ersehnte Wirkung auch
   DNA-Chip-, Protein- und Lipidanalysen zur Messung der biolo-                   tatsächlich eintritt.
   gischen Wirkung. Zusätzlich werden Anwendungstests mit frei-                       Die Entwickler arbeiten daher in enger Kooperation mit ihren
   willigen Probanden zur Demonstration der kosmetischen Wirk-                    Kunden intensiv an Fragen zur optimalen Lösung, Mischung und
   samkeit durchgeführt.                                                          Formulierung kosmetischer Inhaltsstoffe. Sie beraten Kunden
                                                                                  beim Umgang mit Substanzen und Substanzmischungen und
   Sphingolipide besitzen auch Signaleigenschaften                                testen selbst verschiedene Formulierungen auf Stabilität und
                                                                                  Verträglichkeit. Denn das Wissen um die chemisch-physika­ li-
   Relativ jung ist die Erkenntnis, dass Sphingolipide nicht nur an               schen Eigenschaften von hochpotenten Wirkstoffen erweist sich
   der Oberfläche, sondern auch in tieferen Hautschichten Alte-                   häufig als nahezu genauso bedeutend wie Entwicklung und Her-
   rungsprozessen entgegenwirken. In der Dermis älterer Haut                      stellung der Substanzen an sich.
   wird beispielsweise weniger Kollagen gebildet, zugleich steigt                     Die Nachfrage nach Anti-Aging-Produkten wächst stark und
   der Level bestimmter Proteasen. Beides destabilisiert die Struk-               Ansprüche und Erwartungen der Kunden und Verbraucher an
   tur der Dermis und nimmt ihr ihre Elastizität. Auch übermäßige                 kosmetische Produkte steigen. Die Hautspezialisten von Consu-
   UV-Strahlung hat eine ähnliche Wirkung. Untersuchungen                         mer Specialties arbeiten deshalb kontinuierlich an neuen Wirk-
   haben gezeigt, dass Moleküle aus Sphingolipiden und Salicyl-                   stoffen und Problemlösungen für Kunden. 777
   säure dem entgegenwirken. Diese „Designer-Sphingolipide“ för-
   dern die Synthese von Prokollagen in Fibroblasten und festigen
                                                                                                        Dr. Mike Farwick ist verantwortlich für Innovation
   die Verbindung der Hautschichten untereinander. Auf diese
                                                                                                        Management Active Ingredients im Geschäftsbereich
   Weise reparieren sie fotogeschädigtes Gewebe und regen die                                           Consumer Specialties. Nach dem Studium der Biologie
   Hauterneuerung an. Falten werden gemildert, die Hautober­                                            und anschließender Promotion an der Heinrich-Heine-
                                                                                                        Universität Düsseldorf stieg er 1998 bei Degussa in
   fläche erscheint glatter.
                                                                                                        Halle-Künsebeck als Laborleiter Neue Technologien
       Vielversprechend sind auch die sogenannten Sphingokine®,                                         ein. 2003 wechselte er als Gruppenleiter Wirkstoffent­
   Vertreter einer neuen Generation von Anti-Aging-Wirkstoffen.                                         wicklung zur Goldschmidt AG nach Essen. Seit 2006
                                                                                                        hat er seine heutige Funktion inne.
   Sphingokine® sind Moleküle, die Wachstum und Differenzierung
                                                                                                        telefon +49 201 173 2351, mike.farwick@evonik.com
   von Zellen regulieren. In einem vom Bundesforschungsministe-
   rium unterstützten Projekt wurde in vivo und in vitro unter-

elements 43 Ausgabe 2|2013
Ne ws 11

Evonik investiert in Emerald Cleantech Fund III
Evonik Industries stärkt seine Corporate-                                                       licht es Evonik, die Entwicklung neuer
Venturing-Aktivitäten mit einem Investment                                                      Geschäfte zu beschleunigen und zukünftige
in den Cleantech Fund III von Emerald Tech­                                                     Wachstumsfelder zu erschließen. Die jungen
nology Ventures mit Hauptsitz in Zürich. Der                                                    Technologieunternehmen profitieren im
Fonds investiert in junge Technologie­unter­                                                    Gegenzug von den Beziehungen zu Kon­
nehmen in den Bereichen Energie, Wasser                                                         zernen wie Evonik im Hinblick auf die schnel-
und neue Materialien mit Fokus auf Europa                                                       le Adaption von Technologien, die gemein-
und Nordamerika. Evonik erhält mit dieser                                                       same Entwicklung von Produkten und Dienst­
Beteiligung Zugang zu Partnerschaften mit                                                       leistungen sowie den Zugang zu internatio-
innovativen Technologieunternehmen in                                                           nalen Märkten.
industrieübergreifenden Segmenten mit den                                                           Neben Direktinvestitionen sind die Be­­tei­
Merkmalen Energie- und Ressourceneffizienz                                                      ligungen an spezialisierten Fonds ein wichtiger
sowie Nachhaltigkeit. Über Corporate Ven­                                                       Bestandteil der Evonik-Strategie, die wich­tigs­
turing will Evonik mittelfristig ein Gesamt­                                                    ten Technologietrends und Regionen welt­weit
volumen von bis zu 100 Millionen € in viel-                                                     abzudecken. 2012 erfolgte bereits der Ein­
versprechende Start-up-Unternehmen und                                                          stieg in den High-Tech Grün­derfonds II, der
führende spezialisierte Venture-Capital-                                                        industrieübergreifend in junge Tech­no­lo­gie­
Fonds investieren.                                                                              unternehmen investiert, sowie in den nord-
    „Mit unserer Investition in den Emerald     für unsere eigenen Geschäftsaktivitäten“,       amerikanischen Pangaea Ventures Fund III,
Cleantech Fund III haben wir einen starken      erklärt Dr. Bernhard Mohr, Leiter Corporate     der auf neue Materialien und Spezial­che­mie
Partner mit einer nachgewiesenen Erfolgs­       Venturing von Evonik. Die Partnerschaft mit     einschließlich neuer Energie- und Um­­­welt­
bilanz und gleichzeitig einer hohen Relevanz    innovativen Start-up-Unternehmen ermög-         technologien spezia­lisiert ist.

Neues Nachschlagewerk zur UV-Mattierung
Um Kunden bestmöglich zu informieren und        Verdunstung des Lösemittels (emissionsbe-       Lackformulierer stehen vor einer Reihe von
zu unterstützen, bietet Evonik Industries ein   dingte vertikale Filmschrumpfung) leicht        Herausforderungen: Um eine zufriedenstel-
neues Kompendium zur „Mattierung UV-            mattiert werden. Lösemittelfreie Lacke und zu   lende Mattierung zu erreichen, müssen sie
härtender Lacke“ an. Mit Tabellen und vielen    100 Prozent UV-härtende Lacke hingegen          beispielsweise die ungenügende vertikale
verständlichen Grafiken und Abbildungen         sind schwer mattierbar. Das neue Kom­           Filmschrumpfung mit geeigneten Mecha­nis­
geben die Experten für Mattierungsmittel        pendium stellt dar, wie sich durch Aus­wahl     men zur Rauung der Lackoberfläche ausglei-
den Formulierern der Lackbranche ein pra-       geeigneter Mattierungsmittel, „geschickte“      chen. Die Experten von Evonik erläutern,
xisnahes Nachschlagewerk an die Hand.           Lackformulierung und gezielte Steuerung         wie die richtige Partikelgröße für das Mat­tie­
    Herkömmliche Lacksysteme mit flüchti-       von Härtungs- und Anlagen­para­metern der       rungsmittel ausgewählt wird, die der Schicht­
gen Bestandteilen wie wasser- und lösemit-      Mattgrad der Beschichtung signifikant beein-    dicke des Lacks entspricht. Alternativ kann
telbasierte UV-härtende Lacke können durch      flussen lässt.                                  die Polymerisationsschrumpfung des Lacks,
                                                                                                die durch die radikalische Polymerisation von
                                                                                                Doppelbindungen der Acrylat-Oligomere und
                                                                                                -Monomere verursacht wird, verstärkt wer-
                                                                                                den. Dabei ist es wichtig, dass die Mat­tie­
                                                                                                rungsmittelmatrix aus Kieselsäure­parti­keln,
                                                                                                die gleichmäßig in dem flüssigen Lack verteilt
                                                                                                sind, beim Härten weniger stark schrumpft
                                                                                                als die umgebende Bindemittel­matrix.
                                                                                                    Das Geschäftsgebiet Silica des Geschäfts­
                                                                                                bereichs Inorganic Materials von Evonik
                                                                                                Indus­tries bietet für den Coatings-Markt vor
                                                                                                allem Produkte der zwei Marken AEROSIL®
                                                                                                und ACEMATT®. AEROSIL® pyrogene Kie­sel­
                                                                                                säure beinhaltet Additive zur Rheolo­gie­steu­
                                                                                                erung für Lackformulierungen. ACEMATT®
                                                                                                bietet ein umfassendes Portfolio an Mat­tie­
                                                                                                rungsmitteln auf Kieselsäurebasis.

                                                                                                Mattierende Lacke für Möbel und
                                                                                                Parkett sind typische Anwendungen für
                                                                                                ACEMATT® Mattierungsmittel

                                                                                                                          elements43 Ausgabe 2|2013
12 INN OVATIONSM ANAGEME NT

               Innovation nach Plan
                Wie möglichst vielen guten Ideen möglichst viele Türen zum Erfolg geöffnet werden

                Über 500 Projekte umfasst die Innovationspipeline von Evonik derzeit, und sie sind
                so vielfältig wie die Märkte, in denen sich das Spezialchemieunternehmen bewegt.
                Erzeugt wird diese Vielfalt durch Innovationsstrategien, die auf die jeweiligen Geschäfte
                ausgerichtet sind. Gesteuert und möglichst erfolgreich an den Markt gebracht wird
                sie mit Idea-to-Profit (I2P®) – einem integrierten, maßgeschneiderten Innovations­­-
                pro­zess, mit dem sich die Innovationsstrategie praxisnah umsetzen lässt.

                [ text Dr. Walter Meon, Dr. Felix Müller ]

elements 43 Ausgabe 2|2013
I NN OVATIONSM ANAGEMENT 13

Innovation ist für Evonik als Spezialchemie­                   Die beiden mittleren Segmente bestehen aus den
unternehmen einer der wichtigsten Treiber für nach-            hochgerechneten Ergebnisbeiträgen des aktuellen
haltiges und profitables Wachstum. Innovation führt            Produktportfolios, aus den hochgerechneten Ergeb-
zu werthaltigen Lösungen (Produkte, Anwendungen,               nisbeiträgen von kundenspezifischen Projekten oder
Prozesse), und genau das erwarten insbesondere                 von Prozessverbesserungen und aus den hochgerech-
große Kunden, mit denen eine enge Partnerschaft                neten Ergebnisbeiträgen der aktuellen strategischen
besteht. Wer Innovation dem Zufall überlässt, kann             Forschungsprojekte.
hier auf Dauer nicht bestehen. Das Evonik-Inno­
vations­management arbeitet deshalb mit einer auf
die jeweiligen Märkte abgestimmten Innova­t ions­
strategie in Verbindung mit einem maßgeschnei­
                                                                                          Innovation Business Case
derten Innovationsprozess, der die Strategie exakt                                        verdeutlicht,
umsetzt und den operativen Projektanteil – von der
Ideengenerierung über die Laborversuche, Analy-
                                                                                          was Innovation wert ist
sen, Pilo­tierung und Praxistests bis hin zur Vermark-
tung – entsprechend steuert.
   Die Entwicklung der Innovationsstrategie beginnt            Viertes Segment ist die Lücke, die zu einer sinn­vollen,
mit der Frage, was Innovation eigentlich für das               auf Wachstum basierenden Geschäftsentwicklung
zukünftige Geschäft leisten soll. Eine Antwort dar-            besteht und die in der Regel von zukünf­tigen Projek-
auf gibt der sogenannte Innovation Business Case. Er           ten gefüllt werden muss. Die Leistung des Innovation
bildet die Geschäftsstrategie ab – einen Weg, den              Business Case besteht darin, die Lücke quantifizier-
ein Bereich innerhalb der nächsten zehn Jahre zum              bar und damit greifbar zu machen. Er bildet somit
Erreichen seiner Ziele gehen will (mit allen Ein-              auch die quantitative Brücke zwischen den mittel-
schränkungen, die eine Prognose über so einen lan-             und langfristigen Wachstumszielen und den eher
gen Zeitraum beinhaltet) – und zeigt, wie viel Ertrag          kurzfristigen Fragestellungen der opera­tiven Budget­
eine operative Einheit in diesen zehn Jahren durch             planung.
Innovationen erreichen will. Hieraus wird die Ziel-                Eine solche Betrachtung ist exemplarisch in
setzung für den zukünftigen Ergebnisbeitrag von der            Abbildung 1 dargestellt. Die ersten Jahre entsprechen
Innovationspipeline abgeleitet.                                bei dieser Betrachtung der Mittelfristplanung, die
   Der Innovation Business Case setzt sich aus vier            letzten Jahre sind eine möglichst plausible Schätzung.
Segmenten zusammen. Das Basissegment beschreibt                    Typischerweise kommt ein wichtiger Beitrag
die abgeschätzte Entwicklung der Geschäftserosion              zu den nachhaltigen Erträgen von den Projekten
für den hypothetischen Fall, dass Forschung und                in der aktuellen Innovationspipeline, die – je nach
Entwicklung eingestellt werden.                                Geschäftsmodell und Innovationszyklus der 333

 Abbildung 1
 Innovation Business Case
                                       Gewinn

     ibt es genug Innovations­
    G
    projekte, um die Mittel-
       und Langfristziele zu
       erfüllen? Wie lauten diese?
    Welchen Beitrag leistet
       die existierende Innovations­
     pipeline?
     Wie viel Innovation braucht
       es, um das Geschäft zu
       erhalten?
      Wie entwickelt sich das
       Geschäft ohne weitere
       Forschungstätigkeit?

                                        2012    2013   2014   2015   2016   2017   2018    2019   2020   2021   2022

                                                                                                                elements43 Ausgabe 2|2013
14 INN OVATIONSM ANAGEME NT

                                                                                                             Abbildung 2
                                                                                                             Durch effektives Innovationsmanagement die
                                                                                                             Innovationsfähigkeit vorantreiben: Eine gezielte
                                                    Organisation,
                                                                                                             Innovationsstrategie – umgesetzt durch einen
            Geschäfts-                                 Kultur,
                                                                                                             effektiven Innovationsprozess – ist die Basis,
            strategie*                             unterstützende
                               Innovations­-                                I2P® Prozess                     langfristig profitables Wachstum zu sichern.
                                                      Faktoren
                                 strategie                                                                   Unternehmen profitieren nach der Marktein­füh­
                                                                                                             rung einer Innovation oft zehn Jahre und länger,
                                                                                                             weil sie auf dieser neuen Plattform kontinuier-
                                                                                                             lich Wissensvorsprünge gegenüber dem Wett­
                                                                                                             bewerb ausbauen können. Die Strategie sorgt
                                                                                                             letztendlich dafür, dass die richtigen Ideen
                                                                                                             zur Erreichung des Innovationsziels identifiziert
               Innovation       Innova­tions-
                                                                                                             werden können. Um diese Ideen in konkreten
              Business Case      suchfelder                                                                  Projekten möglichst effizient und erfolgreich am
                                                             Markt/               Idee/     Markt/Kunde:     Markt umzusetzen, nutzt Evonik den selbst
                                                             Kunde:             Projekt-       Markt-        entwickelten Idea-to-Profit(I2P®)-Prozess auf
                                                          Identifizierung      management    einführung
                                                                                                             der Basis von Stage Gate®
               Kompetenz-       Innovations-
               entwicklung      portfolioziele

     * Eines Geschäftsbereichs, Geschäftsgebiets, Produktbereichs, der Creavis oder des Bereichs Verfahrenstechnik & Engineering

                333 Kunden­industrie – nach zwei bis zehn Jahren                     den kommenden Jahren? Kann ich hierzu einen
                zum Tragen kommen sollen. Das existierende Pro-                      essenziellen Beitrag leisten? Und bin ich dafür rich-
                duktportfolio verliert dagegen über die Jahre an                     tig aufgestellt? Das sind die Fragen, mit denen sich
                Wert, insbesondere wenn die Produkte sich zu „Com-                   die Einheit zunächst auseinandersetzen muss.
                modities“ entwickeln oder gar durch neue Pro-                            Dazu werden mittels Marktforschung sogenannte
                duktentwicklungen verdrängt werden. Sein Beitrag                     Innovationssuchfelder identifiziert und priorisiert.
                zum Ergebnis ist in der Regel stark rückläufig, falls                Sie zeichnen sich durch attraktives Geschäftspo­
                keine Erneuerung und Werterhaltung durch inkre-                      tenzial aus und werden mittel- bis langfristig durch
                mentelle Innovation betrieben wird.                                  strategische und inkrementelle Innovationsprojekte
                   Abbildung 1 zeigt so klar die besondere Bedeu-                    kommerziell erschlossen. Die Innovationssuchfelder
                tung, die Innovationen für die Unternehmensent-                      spiegeln die Marktseite wider und beschreiben den
                wicklung haben. Die wesentliche Herausforderung                      für Evonik relevanten Teil einer Zielindustrie, zum
                für die jeweilige operative Einheit – das kann eine                  Beispiel der Automobil- oder der Kosmetikindustrie.
                Produktlinie oder ein Geschäftsgebiet sein – besteht                 Als Basis dient dabei die Unternehmensstrategie. Hier
                                                                                     legt Evonik den Fokus auf die Megatrends Gesund-
                                                                                     heit, Ernährung, Globalisierung und Ressourceneffi-

   Die Innovationsstrategie                                                          zienz und spiegelt diese mit den relevanten Trends
                                                                                     der Kundenindustrien, denn diese sind letztendlich
   setzt auf der                                                                     für das zukünftige Geschäft maßgeblich.

   Geschäftsstrategie auf                                                                Die Suchfelder bilden so das strategische Grob-
                                                                                     raster, an dem alle Innovationsaktivitäten ausgerich-
                                                                                     tet werden. Sind sie richtig gewählt, führen sie in der
                                                                                     Regel zu guten Ideen, aus denen die Innovationspro-
                darin, permanent für Nachschub in der Innovations-                   jekte abgeleitet werden. Dabei wird auch sichtbar,
                pipeline zu sorgen und die Lücke zwischen aktuellem                  welche Kompetenzen in den nächsten Jahren aus­
                Projektportfolio und dem angestrebten Wachstum                       gebaut oder neu entwickelt werden müssen und wel-
                mit tragfähigen Projekten zu bestücken.                              cher Anteil des Geschäftsergebnisses in Innovation
                   Ausgehend von ihrem spezifischen Innovation                       investiert werden muss.
                Business Case – er beschreibt das Ziel – muss die                        Diese Komponenten – Unternehmensstrategie,
                operative Einheit deshalb im nächsten Schritt ihre                   Innovation Business Case, Suchfelder, heutige und
                jeweilige Innovationsstrategie definieren. Idealer-                  künftig benötigte Kompetenzen – sind die Eckpfeiler
                weise beginnt sie damit, dass sie die Marktsegmente                  der Innovationsstrategie (Abb. 2). Sie legen den Ent-
                für Innovationen festlegt: Was braucht der Markt in                  scheidungsrahmen fest, innerhalb dessen die opera-

elements 43 Ausgabe 2|2013
INN OVATIONSM ANAG EMENT 15

      tiven Bereiche, die strategische Forschungseinheit        sehr komplex sind – wenn sowohl kleine, schnelle
      Creavis und auch der ingenieurtechnische Bereich          Projekte als auch sehr große, langfristig angelegte
      ihr Portfolio an Innovationsprojekten weiterent­          Projekte gleichzeitig und möglichst effizient gesteu-
      wickeln.                                                  ert werden sollen. Hier helfen die jeweils nach den
         Sind die Innovationsstrategie definiert und Ideen      Geschäftsbedürfnissen angepasste Anzahl der benö-
      für zukunftsträchtige Projekte gefunden, geht es an       tigten Gates sowie die maßgeschneiderten Kriteri-
      die praktische Umsetzung – den eigentlichen Inno-         enkataloge für die Gates.
      vationsprozess. Um diesen Prozess zu handhaben,               Zugleich muss es aus Sicht des Konzerns aber auch
      hatten die Vorgängergesellschaften der Evonik Indus-      möglich sein, das gesamte Projektportfolio zu bewer-
      tries AG bereits vor über zehn Jahren mehr oder           ten und aus großer Übersicht zu steuern – angesichts
                                                                der vielfältigen Geschäfte, die Evonik betreibt, ist
                                                                dies durchaus eine Herausforderung.

Praktische Umsetzung                                                Bei Evonik umfasst der Innovationsprozess die
                                                                Schritte Ideenerzeugung, -bewertung und -auswahl,
braucht flexibles System                                        Produkt- und Prozessentwicklung inklusive der Ent-
                                                                wicklung neuer Geschäftsmodelle und die professi-
                                                                onelle Markteinführung der Neuentwicklungen. Um
      weniger komplexe Projektmanagementsysteme                 diesen Prozess für jedes einzelne Projekt transparent
      installiert. Sie basierten auf dem Stage-Gate® Prozess,   und handhabbar zu machen, hat Evonik einen neuen,
      den Prof. Robert Cooper in den USA entwickelt hat:        ganzheitlich orientierten Innovationsprozess entwi-
      Einer Ideenphase folgen eine Projektphase und eine        ckelt, der Innovationsstrategie und Laborarbeit zur
      Phase der betrieblichen Überführung bis zur Pro-          Deckung bringt: den I2P® Prozess. Der Name steht
      duktvorstellung am Markt. In jeder Phase müssen die
      Projektbeteiligten an einem fest definierten Punkt –
      am Gate – nachweisen, dass sie die jeweiligen Ziele
      erreicht haben; gegebenenfalls wird gegengesteuert.
                                                                                      Auch I2P® enthält
         Dieses Konzept gibt einheitliche Gates vor und hat                           Gates, an denen es
      sich bei Unternehmen mit sehr komplexen, aber
      wenigen und untereinander ähnlichen Projekten gut
                                                                                      heißt: Go or kill!
      bewährt; ein Beispiel ist die Automobilindustrie. Die
      Erfahrung bei Evonik zeigt aber, dass ein allzu starrer
      Prozess schnell an seine Grenzen kommt, wenn nicht
      nur die Projekte, sondern auch das Projektportfolio                                                         333

                                                                                                             elements43 Ausgabe 2|2013
16 INN OVATIONSM ANAGEME NT

     Abbildung 3
     Der Innovationsprozess I2P®

                                          Gate 1              Gate 2                    Gate 3                Gate 4                Gate 5
                                         Prüfung           Business Case             Entwicklung            Validierung         Markteinführung

                             Schritt 1             Schritt 2             Schritt 3              Schritt 4                 Schritt 5            Schritt 6

                              Ideen und                                  Erstellung                                    Scale-up und                  Markt­
         Marktbedarf                                  Prüfung                                   Entwicklung                                                     Markterfolg
                             Recherchen                                 Business Case                                   Validierung                einführung

                                         Go or kill             Go or kill             Go or kill             Go or kill              Go or kill

                333 für Idea to Profit und symbolisiert den Weg von
                der Idee über das Forschungsprojekt und die Markt-
                                                                                                                           Ideenfindung: vielfältige
                einführung bis hin zum Markterfolg (Abb. 3). Auch                                                          Quellen nutzen
                er enthält Gates, an denen es heißt: Go or kill! Die
                Kriterien, nach denen an diesen Gates entschieden
                wird, leiten sich aus der jeweiligen Innovationsstra-
                tegie ab.
                    I2P® erlaubt einerseits den Forschern, die opera-                       Am Anfang des I2P® Prozesses steht eine Idee, die aus
                tiven Phasen eines Projekts von der Idee bis zur Pro-                       einem Suchfeld bzw. Marktbedarf abgeleitet wurde.
                dukteinführung am Markt sinnvoll zu betreuen. An-                           Die Quellen für neue Ideen sind vielfältig – den
                dererseits stellt es alle Funktionen zur Verfügung,                         Anstoß geben kann eine Beobachtung im Labor, ein
                die das üblicherweise interdisziplinär und bevorzugt                        Gespräch mit einem Kunden, eine Gesetzesänderung
                international besetzte Innovationsteam aus F&E, Mar-                        oder ein neuer verfügbarer Rohstoff. Neben diesen
                keting und Vertrieb braucht, um seine Entscheidun-                          klassischen Quellen gewinnen zunehmend auch
                gen bezüglich des Innovationsportfolios regelmäßig                          moderne, IT-gestützte Verfahren zur Ideenfindung
                überprüfen zu können. Die Projekte können so schnell                        an Bedeutung wie das Crowd Sourcing im Internet
                und effizient bearbeitet werden und sind gleichzeitig                       oder Ideation Jams in der internen Scientific Commu-
                sehr gut dokumentiert. Gehandhabt wird der Prozess                          nity. Evonik Industries nutzt seit 2012 auch diese Me-
                mit einer speziellen I2P® Software, die IT-Experten                         thoden, um zusätzliche Kompetenzen und Erfahrun-
                von Evonik eigens dafür entwickelt haben.                                   gen in den Prozess der Ideenfindung einzubinden.
                    Ursprünglich als Pilotprojekt im Geschäftsbereich                          Jede Idee, egal aus welcher Quelle, wird von
                Consumer Specialties gestartet, ist I2P® jetzt Best                         einem interdisziplinären Team zeitnah bewertet –
                Practice bei Evonik und somit seit 2007 Konzernstan-                        häufig in Absprache mit dem Ideengeber – und auf
                dard – der Innovationsprozess wird konzernweit bis                          Validität geprüft. Hierzu bietet das I2P® System die
                auf wenige Ausnahmen einheitlich angewandt. Aus-                            Möglichkeit des forcierten Rankings (eines Rankings
                schlaggebend dafür war die Leistungsfähigkeit des                           mit besonderer Bewertung von je nach Geschäft
                Prozesses und der dazugehörigen Software. Sie                               durchaus unterschiedlichen Erfolgsfaktoren), damit
                bestätigte sich bei einer Bewertung im Rahmen des                           die werthaltigsten Ideen gefunden und bevorzugt
                PROVE-Prozesses, mit dem Evonik die Harmoni­                                bearbeitet werden. Haben die Bewertungsteams eine
                sierung seiner IT-Welt steuert. Außerdem ist jetzt                          Idee für gut befunden, wird in Vorbereitung auf
                für jeden Mitarbeiter im Intranet ein direkter Weg                          Gate 3 ein Business Case dafür erstellt. Dahinter ver-
                frei, Ideen für neue Projekte über ein einfaches Tool                       birgt sich eine vereinfachte kaufmännische Berech-
                einzugeben.                                                                 nung, welcher Wert bzw. welcher Profit sich mit dem

elements 43 Ausgabe 2|2013
I NN OVATIONSM ANAG EMENT 17

     aus der Idee resultierenden Produkt oder Prozessef-      Portfoliobewertung als mitgelieferte Standards im
     fekt in den nächsten zehn Jahren erzeugen lässt.         I2P® System integriert. So kann ein Projekt mit
        Hierbei wird allerdings ab dem zweiten Jahr nicht     geringem administrativem Aufwand vorangetrieben
     mehr der volle Wert betrachtet, sondern ein um die       werden. Gleichzeitig sind aber auch viele Kennzah-
     theoretischen Kapitalkosten reduzierter Wert (NPV,       len einfach und schnell verfügbar, die Hinweise auf
     Net Present Value). Er bewirkt durch den Zinseszins-     Erfolge oder auch Probleme bei einem Projekt schnell
     effekt, dass Ergebnisbeiträge, die erst sehr spät zum    sichtbar machen. Unter dem Strich können so Pro-
     Tragen kommen, realistisch dargestellt werden, aller-    jekte optimal gesteuert werden.
     dings auch recht klein ausfallen. Die für zehn Jahre         Hat eine Idee dieses Gate 3 passiert, beginnt die
                                                              eigentliche Projektarbeit in den Laboren, Technika
                                                              und am Markt. Auch sie lässt sich komplett im I2P®

Realistische                                                  System abbilden, da es alle Funktionalitäten für die
                                                              operative Steuerung eines Projekts enthält. Die
Wertbetrachtung                                               Forscher können damit die Daten aus Laborunter­-
                                                              s­uchungen, Synthesen, Analytik und Anwendungs-
                                                              technik einfach und sinnvoll erfassen, auswerten und,
     aufaddierten Werte machen dann den aktuellen Net­        größtenteils per Knopfdruck, Laborberichte und
     to­wert des Projekts aus. Das Vorgehen ist durchaus      Ergeb­nis­dokumente zur Bewertung und Kommuni-
     sinnvoll, da bei langfristigen Forschungsprojekten       kation ihres Projekts erstellen.
     die Verzinsung der Projektkosten und die Inflations-         Nachhaltigkeit ist bei der Entwicklung von neuen
     rate einen erheblichen Einfluss auf die Profitabilität   Produkten natürlich ein wesentliches Entscheidungs-
     haben.                                                   kriterium, daher werden entsprechende Daten eben-
         Da aber in der Spezialchemie nicht jedes Projekt     falls festgehalten. Beispielsweise können ökotoxi­
     in einen technischen und kommerziellen Erfolg mün-       kologische Untersuchungsergebnisse erfasst werden,
     det, muss der Nettowert mit entsprechenden Wahr-         aber auch Vorteile bei der Rohstoffauswahl oder bei
     scheinlichkeiten auf einen sinnvollen Schätzwert         umweltfreundlicheren Prozessen. Checklisten spie-
     reduziert werden; dieser wird üblicherweise als ECV      geln darüber hinaus die Eigenheiten des jeweiligen
     (Expected Commercial Value) bezeichnet. Der ECV          Geschäfts wider, da viele Anwendungsbereiche und
     ist für die Projektbewertung eine wichtige Kennzahl,     Zielindustrien ein spezielles rechtliches und tech­
     da er normiert den an das Risiko adjustierten Wert       nisches Umfeld haben. Mit I2P® lässt sich so die ge-
     eines Projektvorhabens darstellt.                        samte Entwicklung eines Projekts bis zur Einführung
         Evonik hat ganz pragmatisch die Kalkulation der      am Markt steuern; alle entsprechenden Checklisten,
     ECV-Kennzahlen, die Risikobetrachtung und die            Kriterienkataloge und weiteren Unterlagen 333

                                                                                                           elements43 Ausgabe 2|2013
18 INN OVATIONSM ANAGEME NT

   333 entsprechend der Technologie des jeweiligen
   Bereichs und den Marktanforderungen des Ziel-
   markts stehen bereit.
       Seit der Einführung des I2P® Systems bewertet
   Evonik jedes Jahr rund 500 Projekte bezüglich ihres
   Beitrags zur Geschäftsentwicklung. Die aggregierten
   Zahlen als Leistung der einzelnen Forschungseinhei-
   ten sind als Basis für den strategischen Planungspro-
   zess von besonderer Bedeutung, um geeignete Maß-
   nahmen zur Steigerung des Pipelinewerts zu ergrei-
   fen und damit letztendlich signifikant zum Unterneh-
   menswachstum beizutragen.
       Gleichzeitig werden viele Parameter sichtbar, bei-
   spielsweise wie die Innovationsaktivitäten den stra-
   tegischen Fokus von Evonik auf die Megatrends
   Gesundheit, Ernährung, Globalisierung und Ressour-
   ceneffizienz widerspiegeln. Hier zeigt die Analyse,
   dass, gemessen am Wert, alle Megatrends im Inno-
   vationsportfolio gleichmäßig adressiert werden.
       Dennoch sind die Prognosen natürlich nur so gut
   wie die Schätzungen, die zu den kalkulierten Daten                                      Dr. Walter Meon leitet im Bereich Corporate Inno­
   führten. In der Literatur wird vielfach berichtet, dass                                 vation Strategy & Management seit 2006 das Bera­-
                                                                                           ter­team für Innovation Management Coaching &
   die Werte der Portfolios umso kleiner werden, je                                        Con­sul­ting. Nach Studium des Maschinenbaus/der
   näher die Markteinführung rückt, ein Phänomen, das                                      Verfahrens­technik und Promotion an der TU München
   auch Evonik schon erlebt hat. Die Erhöhung der Pro-                                     startete er 1989 seine berufliche Karriere bei der ehe-
                                                                                           maligen Degussa AG als Entwicklungsingenieur im
   gnosesicherheit ist deshalb eine wichtige Heraus­                                       Bereich Verfahrenstechnik & Engineering. Von dort
   forderung bei der permanenten Weiterentwicklung                                         wechselte er in den ehemaligen Geschäftsbereich
   des Prozesses.                                                                          Fillers & Pig­ments, wo er in der Anwendungstechnik
                                                                                           in verschiedenen Funktionen unterschiedliche Pro­
       Neben ausreichender Kreativität und Flexibilität                                    duktgruppen und Kundenindustrien betreute; unter
   nutzt Evonik bei seinen Innovationsaktivitäten einen                                    anderem baute er in den USA vier Jahre lang eine
   systematischen Ansatz: Aufbauend auf der Geschäfts-                                     marktnahe Anwen­dungstechnik auf. Zuletzt leitete er
                                                                                           zwei Jahre lang F&E des früheren Geschäftsbereichs
   strategie setzen die operativen Bereiche ihre Inno-                                     Plexiglas, bevor er den Auftrag zum Aufbau eines
   vationsstrategie auf, definieren Suchfelder, erzeugen                                   Beraterteams für Innovationsmanagement in der ehe-
   Ideen und bauen benötigte Kompetenzen auf, falls                                        maligen MSI Aca­demy übernahm.
                                                                                           telefon +49 6181 59-12907, walter.meon@evonik.com
   noch nicht vorhanden. Anschließend geben sie
   die Ideen in den I2P® Prozess ein, der schon in einem
   frühen Stadium dafür sorgt, dass von den guten Ideen                                    Dr. Felix Müller leitet seit Anfang 2011 in der Abtei­
   nur die besten weiterverfolgt werden. Eine wesent-                                      lung Innovation Networks & Communications im
   liche Stärke des I2P® Prozesses von Evonik liegt auch                                   Bereich Corporate Innovation Strategy & Management
                                                                                           die Themen European Research Policy und Internatio­nal
   darin, dass er individuell auf die Bedürfnisse der ein-                                 Scientific Relations. Außerdem ist er PROVE Offi­cer
   zelnen Märkte und damit der einzelnen Projekte ein-                                     für Innovation. Felix Müller studierte Chemie an der
   geht, es zugleich aber erlaubt, die verschiedenen Pro-                                  Universität Münster und wurde dort 1992 promoviert.
                                                                                           Nach einer Tätigkeit als Unternehmensberater kam er
   jekte miteinander zu vergleichen. So macht er den                                       1993 zur Th. Goldschmidt AG in Essen und war dort in
   Wert der gesamten Innovationspipeline jederzeit                                         der Anwendungstechnik Tenside und im Inno­vations­
   sichtbar – eine ideale Voraussetzung, Innovationen                                      management für den heutigen Geschäftsbereich Consu­
                                                                                           mer Specialties tätig.
   gezielt voranzutreiben. 777                                                             telefon +49 201 177-4303, felix.mueller@evonik.com

     Hinweis                                                    Literatur
     Stage Gate® ist ein Warenzeichen von Product Development   R. G. Cooper, Winning at New Products, Perseus Books, Cambridge, MA 1993.
     Institute, Inc.                                            R. G. Cooper, S. J. Edgett, E. J. Kleinschmidt, New Product Portfolio Management,
     I2P® ist ein Warenzeichen der Evonik Industries AG         J. Prod. Innov. Manag. 16, 1999, 333–351.
                                                                W. Meon, T. Lewe, Nicht auf den Zufall verlassen, Innovationsmanager, 3/2008,
                                                                40–42.

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