Robert Bosch Leben und Werk - Magazin zur Bosch-Geschichte Sonderheft
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2 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte Vorwort Titelfoto: Dieses Heft ist dem Leben und Werk von Robert Bosch gewidmet. Es liegt Robert Bosch verlässt nach der Feier zum nun in einer von der Robert Bosch GmbH und der Robert Bosch Stiftung 50-jährigen Firmen- vollständig neu bearbeiteten Ausgabe vor. Es geht nicht um eine umfassende jubiläum am 23. Sep- tember 1936 die Unternehmensgeschichte, sondern darum, den Menschen Robert Bosch Stuttgarter Stadthalle. und sein Wirken erkennbar zu machen. Der Tag war zugleich sein 75. Geburtstag. Robert Bosch hatte einen Wahlspruch, der ihn seit seiner Jugend begleitete: „Sei Mensch und ehre Menschenwürde!“ Auch wenn er begeisterter Techni- ker und leidenschaftlicher Unternehmer war, so war sein größtes Interesse auf Menschen gerichtet und Menschenführung war seine überragende Kompetenz. Wie er gelebt und gedacht hat, welche Erfahrungen ihn prägten, mit welchen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen er umzu- gehen hatte, aber auch wie sein privates Leben verlief – all diese Facetten verdeutlichen und vertiefen das Bild eines Mannes, der ebenso ein liberaler Weltbürger war wie ein die Heimat liebender Schwabe, ebenso ein Techniker wie ein Naturfreund, ebenso ein sozialpolitischer Feuerkopf wie ein umsich- tiger Patriarch. Es ist für mich immer wieder erstaunlich zu erleben, wie sehr Robert Bosch noch heute, fast 70 Jahre nach seinem Tod, Unternehmen und Stiftung prägt. Dabei hinterließ er kein starres Korsett an Regeln, das die Gestal- tungsmöglichkeiten der heute Tätigen beschränken würde. Er übt immer noch seinen Einfluss über die Anziehungskraft seiner Persönlichkeit aus. Er wirkt als Vorbild, gerade auch weil er keine Idealgestalt war, sondern ein kantiger, unbequemer Mann, der viel geliebt wurde, aber auch oft Ärger erregte. Vor allem aber wurde er respektiert, denn man wusste, dass er weiter dachte und klarer sah als die meisten seiner Zeitgenossen und dass er für das stand, was er sagte. Ich wünsche diesem Heft weite Verbreitung, denn es erlaubt dem Leser, dem Menschen Robert Bosch zu begegnen und zugleich die Ursprünge unseres Unternehmens kennenzulernen und den bis heute bestehenden Respekt für den Firmengründer wie auch die Faszination für das Unter- nehmen zu verstehen. Dr. Christof Bosch
Robert Bosch | 3 Inhalt 4 Der Mensch 6 „Es fehlte mir auch am Sitzfleisch und Ehrgeiz“ Kindheit und Ausbildung von Robert Bosch 12 „Liebe Anna ...“ Robert Boschs Ehe mit Anna Kayser 16 Mitarbeiterin, Beraterin und Vermittlerin Robert Boschs Ehe mit Margarete Wörz 20 Jägerlatein und Vogelparadies Robert Bosch als Jäger und Landwirt 26 Der Unternehmer 28 „Am liebsten wäre mir´s schon allein“ Die Werkstätte für Feinmechanik & Elektrotechnik 32 Die zündende Idee Robert Bosch und der Magnetzünder 38 Jahre des Umbruchs Rationalisierung, Diversifizierung und Kooperation 42 „Mit-Arbeiter“ statt Lohnempfänger Der Arbeitgeber Robert Bosch Ab 1890 besuchte Robert Bosch seine Kunden mit seinem extra 46 Der Visionär aus England importierten Fahrrad. Damit war er schnell und sicher 48 Bildung und Gesundheit unterwegs, denn zu dieser Zeit Das gemeinnützige Engagement von Robert Bosch waren Hochräder noch gang und gäbe. Mit dem „safety bike“ sorgte 52 Die heilende Kraft der Natur der junge Unternehmer auf den Straßen Stuttgarts für Aufsehen. Homöopath und Lebensreformer 56 Liberaler Demokrat mit sozialer Verantwortung Robert Bosch und die Politik 60 Sein letzter Wille Das Testament von Robert Bosch 64 Robert Bosch – Was bleibt? 70 Zeittafel
4 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte Der Mensch Robert Bosch mit seiner Frau Margarete und ihrem Sohn Robert d. J., 1931
Robert Bosch | 7 „Es fehlte mir auch am Sitzfleisch und Ehrgeiz“ Kindheit und Ausbildung von Dr. Kathrin Fastnacht Der Mann, der als Gründer eines erfolgreichen und weltweit agierenden Technologie- und Dienstleistungsunternehmens in die Geschichte eingehen sollte, war kein begeisterter Schüler und wäre eigentlich lieber etwas ganz anderes geworden: „Mein Sinn stand allerdings mehr nach Zoologie und Botanik, aber ich hatte keinen Gefallen an der Schule […].“ Robert Boschs Abneigung galt den Lehrern, später den Ausbildern, nicht den Inhalten. Er war schon als Schüler wissbegierig und vielfältig interessiert. Robert Bosch wurde am 23. September Umzug nach Ulm Bild links: 1861 in Albeck bei Ulm geboren. Er war Die erste große Veränderung im Leben Robert Bosch mit seiner Schwester Maria, 1871 das elfte von zwölf Kindern des wohlhaben- von Robert Bosch war der Umzug nach den Kronenwirts, Bauern und Bierbrauers Ulm. Servatius Bosch verkaufte 1869 sein Servatius Bosch und seiner Frau Maria Gasthaus und setzte sich mit 53 Jahren Margaretha. Beide Eltern hatten große zur Ruhe. Angesichts der Pläne zum Bau Anwesen geerbt. Sein Vater war Freimaurer der neuen Eisenbahnlinie Ulm-Heidenheim und überzeugter Demokrat, sehr belesen fürchtete er, seine Hauptkunden – die und gebildet. Robert Bosch beschreibt vorbeiziehenden Fuhrleute – zu verlieren. seine Mutter im Rückblick als außerordent- Außerdem wollte keines seiner erwachse- lich tüchtige und verständnisvolle Frau, nen Kinder das Gasthaus und die dazu- die jederzeit nachts aufstand, um für spät gehörende Landwirtschaft übernehmen. ankommende Fuhrleute Mahlzeiten oder Robert Bosch besuchte in Ulm die Real- für den kranken Sohn Malzbonbons zu- schule, die ihm jedoch nicht in bester zubereiten. Erinnerung blieb: „Durch die Schule […] habe ich mich so schlecht und recht durch- Robert Boschs Mutter Robert Boschs Vater Maria Margaretha Servatius (1816–1880), (1818 –1898), Fotografie Fotografie nach einem nach einem Ölgemälde, Ölgemälde, um 1838 um 1838
8 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte Bild oben links: gefunden. Wir hatten eine ganze Anzahl schloss Bosch seine Lehre ab. Sein größter Das Geburtshaus von alter und veralteter Lehrer.“ So war Bosch Wunsch war es nun, die Welt zu entdecken Robert Bosch in Albeck von seinen Leistungen her zwar in der und Neues zu lernen. bei Ulm: der Gasthof „Zur Krone“ oberen Hälfte der Klasse, aber nie an der Spitze. Allerdings gab er zu: „Es fehlte mir Wanderjahre Bild oben rechts: auch am Sitzfleisch und Ehrgeiz.“ Obwohl Nachdem er sich in Heidelberg, Pforzheim Von 1869 bis 1876 er gerne etwas in Verbindung mit Zoologie und Karlsruhe vergeblich um eine Stelle besuchte Robert Bosch die Ulmer Realschule oder Botanik studiert hätte, ging er des- bemüht hatte, ging Robert Bosch im Herbst in der Olgastraße. halb nicht aufs Gymnasium, sondern ent- 1879 zu seinem 18 Jahre älteren Bruder schied sich auf Anraten seines Vaters für Karl nach Köln. In dessen Geschäft für Gas- eine Lehre als Feinmechaniker. Mit seinem und Wasserleitungen arbeitete er mehrere Lehrherrn Wilhelm Maier, „Mechanicus & Monate als Gürtler (Metallbildner). Aber Opticus“ in Ulm, hatte Robert Bosch aller- schon im Winter desselben Jahres zog er dings wenig Glück. Dieser kümmerte sich weiter zu C. & E. Fein nach Stuttgart, einem kaum um die Ausbildung der Lehrlinge, war Pionier der Elektrotechnik. Dort blieb er oft gar nicht in der Werkstatt und konnte ebenfalls einige Monate, bevor er seine den Auszubildenden wenig vermitteln. Wanderschaft fortsetzte und vom Frühjahr Nach drei Jahren, im Alter von 18 Jahren, 1880 bis zum Frühjahr 1881 in einer Ketten- Tagebuch von Robert Bosch, geschrieben auf seiner Fahrt nach Amerika im Mai 1884
Robert Bosch | 9 Robert Bosch während seiner Militärzeit, 1881/82 fabrik in Hanau arbeitete. In diese Zeit fiel Doch: „Lange litt es mich auch bei Bild unten links: Von Herbst 1882 bis der Tod seines Vaters. Der Sohn war über- Schuckert nicht und schon im Sommer Sommer 1883 arbeitete zeugt, dass dafür das untätige Leben ver- war ich in Göppingen bei einem Mann Robert Bosch in der antwortlich war: „Für ihn wäre es besser namens Schäffer, der […] Bogenlampen Fabrik von Sigmund gewesen, er hätte sich nicht so früh zur baute.“ Schuckert in Nürnberg. Ruhe gesetzt.“ Bild unten rechts: Aber auch der Bau von Bogenlampen Robert Bosch, 1884 Robert Bosch kehrte im Frühjahr 1881 stellte Bosch nicht lange zufrieden. Im für ein weiteres halbes Jahr zu seinem Wintersemester 1883/84 schrieb er sich, Bruder nach Köln zurück, um seine kauf- trotz fehlender Vorkenntnisse, als Gast- männischen Kenntnisse zu erweitern, hörer an der Technischen Hochschule in bevor er seinen einjährigen Militärdienst Stuttgart ein. Obwohl er später zugab, dass im Herbst desselben Jahres in Ulm antrat. der wissenschaftliche Gewinn des halben Nach der Militärzeit setzte Robert Bosch Jahres Studium relativ gering war, so verlor seine Lehr- und Wanderjahre fort. In der er dort doch nach eigenen Angaben „die Fabrik von Sigmund Schuckert in Nürnberg Furcht vor technischen Ausdrücken […]. war er hauptsächlich mit der Herstellung Ich wusste nachher, was Spannung und von elektrischen Messgeräten beschäftigt. Stromstärke, was eine Pferdekraft war.“
10 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte In Übersee In Übersee angekommen, fand Robert Nach dem Intermezzo an der Hochschule Bosch eine Stelle in einer Fabrik der Edison- zog es Robert Bosch in die Ferne, um Gesellschaft, in der elektrische Apparate nun jenseits deutscher Grenzen berufliche aller Art gebaut wurden: Bogenlampen, Erfahrungen zu sammeln. In Amerika und Beleuchtungskörper, Fernthermometer England saßen viele Wegbereiter für den und Grammophone. Doch entgegen allen Zweig Elektrotechnik. Bosch hatte durch Erwartungen hatte der junge Mann nicht die Vermittlung seines Lehrers an der das Gefühl, etwas entscheidend Neues zu Technischen Hochschule ein Empfehlungs- lernen. Beruflich lief nicht alles nach Plan: schreiben für die Edison-Werke in New York Zwischenzeitlich war er arbeitslos, fand erhalten. Am 24. Mai 1884 startete er dann aber wieder eine Stelle bei den Edison mit einem holländischen Dampfer von Machine Works. Nachdem Bosch sich per Rotterdam aus nach New York. Auf seiner Brief mit Anna Kayser, der Schwester seines zweiwöchigen Schiffsreise schrieb der Freundes Eugen Kayser, verlobt hatte, zog damals 22-Jährige ein Reisetagebuch. es ihn nach einjährigem Aufenthalt zurück Darin hielt er nicht nur humorvolle Beob- in die Heimat. Eine Station auf der Rück- achtungen zu seinen Reisegenossen fest, reise war England, wo er von Mai bis sondern auch Überlegungen zu seinen Dezember 1885 bei den Siemens Brothers Karrierewünschen. Neben der freudigen in Woolwich bei London arbeitete. Nervosität angesichts des Ungewissen, das ihn erwarten würde, verraten seine Zu Weihnachten 1885 kehrte Robert Bosch Aufzeichnungen auch hohe Leistungsbereit- nach Deutschland zurück und verlobte sich schaft und großes Selbstvertrauen: „Ich nun offiziell. Ausschlaggebend für seine will aber auch jetzt alles einsetzen, um Heimkehr war offensichtlich ein Brief seiner vorwärtszukommen, und es müsste sonder- Braut, der ihn zur schnellen Rückkehr er- bar sein, wenn ich nicht durchhaue in munterte, denn er schrieb: „Wenn Du mir einem Lande, wo schon mancher etwas nicht so verlockend geschrieben hättest, so geworden ist […].“ hätte ich in meinem eselhaften Halten an
Robert Bosch | 11 Bild links: Die Brooklyn-Bridge begeisterte Robert Bosch bei seiner Ankunft in New York im Frühjahr 1884. Bild unten rechts: Robert Bosch (rechts) mit einem seiner Brüder, 1884 meinem Vorsatz mich noch ein Vierteljahr ohne weiteren Nutzen als ein wenig besse- res Englisch hier herumgeärgert und gelang- weilt.“ Vorerst war jedoch noch nicht an eine Heirat zu denken. Bosch ging ein letz- tes Mal in fremde Dienste – zur Firma Buss, Sombart & Co. in Magdeburg. Nach einigen Monaten kehrte er ins Schwabenland zu- rück, um im November 1886 das Geschäft in der Rotebühlstraße in Stuttgart zu er- öffnen: die „Werkstätte für Feinmechanik & Elektrotechnik“. Nach all den Erfahrungen, die er bei seinen verschiedenen Stationen gesammelt hatte, wurde Robert Bosch Unternehmer aus Überzeugung. In seinem eigenen Betrieb und als sein eigener Herr konnte er die Dinge endlich so gestalten, wie er es für richtig hielt. Seinen Kunden gegenüber waren ihm zeitlebens höchste Qualität und absolute Zuverlässigkeit wich- tig. Seinen Mitarbeitern brachte er Respekt und Vertrauen entgegen, ermöglichte ihnen eine gute Aus- und Weiterbildung und bot vorbildliche Arbeitsbedingungen.
12 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte „Liebe Anna…“ Robert Boschs Ehe mit Anna Kayser von Dr. Kathrin Fastnacht „Es mag kommen, wie es will, Du musst mein werden. Sollten wir Unglück haben, Deine Liebe wird mir bleiben, denn ich werde meine Pflicht tun.“ Als Robert Bosch im November 1885 diese Sätze an seine Verlobte Anna Kayser schrieb, lag das Unglück, das die Liebe und die Ehe zerrütten sollte, noch in weiter Ferne. Die ersten Jahre der Ehe waren geprägt vom Auf und Ab der kleinen Werkstätte, die erst nach über einem Jahrzehnt auf festen Beinen stand. Bild oben links: Aus Amerika und England schrieb Robert Die Verlobten waren nicht immer gleicher Anna Bosch geb. Kayser Bosch lange Briefe an Anna Kayser, in Meinung. In der Frage der Emanzipation der (1864 – 1949), 1886 denen er seiner zukünftigen Frau seine Frauen war Robert Bosch sogar fortschrittli- Bild oben rechts: Lebensansichten darlegte. Seine Ausfüh- cher als seine Verlobte. Sie war der Ansicht, Robert und Anna Bosch, rungen geben uns heute einen Einblick in es liege in der Natur der Frauen begründet, um 1890 seinen Charakter, der von Zuverlässigkeit „uns an den stärkeren Mann anzulehnen und Zielstrebigkeit, aber auch von einem […].“ Er hingegen hatte sehr genau beob- aufbrausenden Temperament geprägt war. achtet, was Ursache und was Wirkung war: Dessen war Bosch sich durchaus bewusst. „Es ist eben kein Wunder, dass die Frauen So gestand er seiner Liebsten: „Einer mei- nicht so tief zu denken vermögen, […] wenn ner Hauptfehler sonst noch ist, dass ich man ihnen seit Jahrhunderten das Recht zu leicht heftig werde, es aber nachher gleich denken abgesprochen hat […].“ Sieht man wieder bereue, und habe ich es nun so weit sich seine Briefe allerdings genauer an, gebracht, dass ich wenigstens um Entschul- so entsprachen seine Vorstellungen sonst digung bitte, wenn ich Unrecht getan habe.“ durchaus der klassischen Rollenverteilung
Robert Bosch | 13 Die Kinder Paula, Margarete und Robert junior, um 1900
14 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte Anna Bosch mit ihrem der damaligen Zeit. Beispielsweise er- fand. Dieser Erfolg spiegelte sich auch darin Sohn Robert jun., 1913 mahnte er Anna, sich gründlich mit dem wider, wie die Familie wohnte: 1902 baute Kochen zu befassen. Sie heirateten am Bosch eine kleine Villa in der Hölderlin- 10. Oktober 1887 in der evangelischen straße 7, 1910 begann der Bau der großen Kirche in Obertürkheim. Villa in der Heidehofstraße 31. Die Familie wächst Naturliebhaber Ihre erste Wohnung bezogen Robert und Die ganze Familie fuhr jedes Jahr in den Anna Bosch in der Stuttgarter Schwab- Schulferien ins Gebirge. In diesen Urlauben straße 56. Dort kamen 1888 und 1889 und bei Wochenendausflügen auf die die Töchter Margarete und Paula zur Welt. Schwäbische Alb vermittelte Robert Bosch Mit der Geburt des dritten Kindes Robert den Kindern seine eigene große Naturver- eineinhalb Jahre später zog die Familie bundenheit und Naturliebe. In allem blieb in eine größere Wohnung in der Rotebühl- er aber auch ein strenger Vater. Seine Toch- straße 145 um. Anlässlich der Geburt der ter Margarete erinnerte sich: „Er hat uns dritten Tochter, Erna Elisabeth, im Jahr Kindern viel erklärt und wir haben von ihm 1893 stand erneut ein Wohnungswechsel gerade in unserer Kinderzeit beneidenswert an, diesmal in die Moltkestraße 20. Ein viele geistige Anregungen empfangen. Aber Jahr später musste die Familie den plötz- aufpassen musste man, denn etwas noch lichen Tod der kleinen Elisabeth durch einmal erklären, das gab’s nicht.“ „akute Zuckerkrankheit“ hinnehmen. Der anvisierte Nachfolger Trotz privater Schicksalsschläge konnte Seinen Sohn führte Robert Bosch früh ans sich Robert Bosch bald über den erfolgrei- Geschäft heran, indem er ihn schon im Alter chen Aufstieg seines Unternehmens von der von elf Jahren bei der Inventur helfen ließ. kleinen Werkstatt zum Weltkonzern freuen, Er sah ihn als seinen Nachfolger. Zunächst der etwa zwischen 1900 und 1910 statt- fing der junge Robert 1909 in der Firma
Robert Bosch | 15 seines Vaters als Lehrling an. Bereits im schen musste, hat mich doch die Tatsache, darauffolgenden Jahr war jedoch seine dass er nun verschieden ist, aufs Tiefste Laufbahn zu Ende: „Nun musste ich aber bewegt. […] Wie oft fragte ich mich, warum bald zu meinem großen Leidwesen aus muss ich das Leben weiter haben und er, der Firma austreten, wegen meiner Augen.“ der junge, muss dahinsiechen?“ Die Eltern Dieser lapidare Satz schildert den Beginn versuchten jeder auf seine Weise, mit des Unglücks, das auch das Ehepaar Bosch dem Tod des Sohnes fertig zu werden. So entzweien sollte: die Erkrankung des schrieb Robert Bosch zwei Monate später Sohnes an Multipler Sklerose. Die folgen- an seine Frau: „Über Robert spreche ich in den Jahre waren von Arztbesuchen und der Tat nicht gerne. Solche Sachen mache Kuren geprägt. Anna Bosch zerrieb sich in ich wohl am besten mit mir selber ab. […] der Sorge und in der Pflege ihres Sohnes, Ich kann das nicht ändern und für mich ist der am 6. April 1921 nach langer Krankheit das Unabänderliche etwas, in das ich mich starb. finde.“ Während sich Bosch in Arbeit flüch- tete und weiterhin aktiv am öffentlichen Das Auseinanderbrechen der Ehe Leben teilnahm, zog sich seine Frau immer Robert Bosch erhielt die Nachricht vom Tod mehr zurück. Das Leid und die unterschied- seines Sohnes auf einer Geschäftsreise in liche Art, den Tod des Sohnes zu verarbei- Südamerika: „So sehr man auch einen ten, entzweite das Paar immer mehr, bis friedlichen Ausgang seines Daseins erwün- die Ehe 1927 schließlich geschieden wurde. Bild links: Margarete Bosch (1888 – 1971), gemalt von Georg Friedrich Zundel, 1907 Bild rechts: Paula Bosch (1889 – 1974), gemalt von Georg Friedrich Zundel, 1907
16 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte Mitarbeiterin, Beraterin und Vermittlerin Robert Boschs Ehe mit Margarete Wörz von Dr. Kathrin Fastnacht Als die 39-jährige Margarete Wörz den 66-jährigen Robert Bosch im November 1927 heiratete, war dieser bereits ein erfolgreicher Unternehmer. Sie wusste um die gesellschaftlichen Erwartungen, die an eine Frau Bosch gestellt wurden, und wurde ihnen mit großem Geschick gerecht. Darüber hinaus füllte sich das große Haus in der Heidehofstraße erneut mit Leben: Zwei weitere Kinder wur- den geboren und lenkten den Vater von manchem Unmut über die Verhältnisse der nationalsozialistischen Zeit ab. Margarete Wörz (1888 – 1979), um 1924
Robert Bosch | 17 Kurz nach der Scheidung von Anna 1927 die Kinder sind selig hier. Robl scheint Bild oben links: heiratete Robert Bosch erneut. Margarete sehr gut Ski zu fahren. […] Ich selbst 1910/11 ließ Robert Bosch in der Stuttgarter Wörz, geboren am 12. Juli 1888, war die konnte schließlich in der letzten Woche Heidehofstraße die in Tochter des Oberförsters Eberhard Wörz meines Hierseins wieder Curling spielen, einem Park gelegene und seiner Frau Maria. Nach der Hochzeit was mir eine Befriedigung war.“ Villa errichten. zog sie in die Villa in der Heidehofstraße ein Bild oben rechts: und schon 1928 durften sich Margarete und Robert Bosch war allerdings weit davon Der renommierte Robert Bosch über die Geburt ihres Sohnes entfernt, nur noch Privatmann zu sein. Er deutsche Architekt Robert freuen. Ein weiteres Kind kam im nutzte seine Zeit auch weiterhin, um sein Bruno Paul gestaltete Herbst 1930 viel zu früh zur Welt und starb. vielfältiges gemeinnütziges Engagement in den 1920er Jahren das Speisezimmer fortzuführen. Neben der Völkerverständi- der Villa. Im Jahr darauf wurde die Tochter Eva ge- gung lagen ihm besonders die Unterstüt- boren. Da sich Robert Bosch zur Zeit seiner zung Not leidender Menschen und die zweiten Ehe schon aus dem operativen Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten Geschäft des Unternehmens zurückgezogen am Herzen. hatte, konnte er viel Zeit mit seiner Frau und den Kindern verbringen. Wie bereits Rückzug aus dem öffentlichen Leben mit seiner ersten Familie war er auch mit Mit der Machtübernahme der National- Margarete sowie den Kindern Robert und sozialisten 1933 zog sich Robert Bosch Eva oft in den Bergen und auf dem Bosch- noch stärker als zuvor ins Privatleben hof in Bayern oder in seiner Jagdhütte bei zurück. Er war verzweifelt angesichts der Urach auf der Schwäbischen Alb. So berich- sehr früh erkennbaren Absichten Hitlers, tet er aus dem Engadin: „Meine Frau und einen neuen Krieg zu führen. Sein Privat-
18 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte sekretär Felix Olpp berichtet aus der Zeit der Kinder wegen und dann auch, weil vor um 1935: „Herr Bosch litt ja unter der allem meine Leute in der Firma mich nicht Ungerechtigkeit der Nazis ungeheuer und in Gefahr wissen wollen.“ wenn wir oft nicht wussten, wie wir ihn beruhigen könnten, rief ich Herrn Mauk Über die zweite Ehe gibt es kaum schrift- [Direktor des Boschhofs] an, der dann auch liche Zeugnisse. Theodor Bäuerle, ein enger stets wichtige Boschhof-Fragen wusste, Vertrauter von Robert Bosch, schreibt in die er mit Herrn Bosch besprechen wollte. seinen Erinnerungen: „An den Kindern Wir konnten in solchen Tagen und Wochen, hatte er eine großväterliche Freude, auf in denen Herr Bosch besonders nieder- den heranwachsenden Sohn setzte er große geschlagen war, ihm vorschlagen, auf den Hoffnungen. […] Frau Margarete Bosch Boschhof zu fahren, wo es Herrn Mauk verstand es mit außerordentlicher Klugheit, meistens gelang, ihn umzustimmen.“ der Eigenart ihres Mannes gerecht zu werden. […] sie brachte Gäste ins Haus, Nach Kriegsbeginn im September 1939 sodass es eigentlich nie an Unterhaltung siedelte die Familie auf den Boschhof und Geselligkeit fehlte, und sie wusste die um, die Kinder gingen dort in die Schule. Gäste so auszuwählen, dass seine mannig- Das Angebot von Paula, seiner Tochter fachen Interessen dadurch befriedigt aus erster Ehe, in Sillenbuch bei Stuttgart wurden.“ Darüber hinaus war die Gattin zu wohnen, lehnte Robert Bosch ab: in vielem Mitarbeiterin, Beraterin und „Wir haben aber nicht die Absicht, nach auch Vermittlerin zur nächsten Generation. Stuttgart zurückzukehren, solange man Damit wurde sie Robert Bosch eine große an Beschießung denken muss. Einerseits Stütze im Alter.
Robert Bosch | 19 Die letzten Lebensjahre Verband um den Kopf in Höhe der Ohren Nach der Umwandlung der Firma in eine und stöhnte vor Schmerzen.“ Robert Bosch GmbH 1937 regelte Robert Bosch seinen starb am 12. März 1942 an den Folgen einer Nachlass und verfasste 1938 sein Testa- Mittelohrentzündung. ment. Darin hielt er seine Vorstellungen über die Zukunft seiner Firma und über Selbst im Tod konnte er den nationalsozia- sein Erbe fest. Drei Jahre später feierte er listischen Machthabern nicht entkommen. seinen 80. Geburtstag im Kurhotel Brenner Telefonisch wurde aus Berlin mitgeteilt, in Baden-Baden. Er hatte diesen Ort ge- dass es am 18. März 1942 ein Staatsbe- wählt, um der Ehrung zum „Pionier der gräbnis geben solle. An dessen Vorabend Arbeit“ durch die Nationalsozialistische fand eine schlichte Trauerfeier in der Partei in Stuttgart zu entkommen. Dieser Stuttgarter Werkanlage zusammen mit der Plan misslang, denn der nationalsozialis- Familie statt. Das Staatsbegräbnis wurde tische Leiter der „Arbeitsfront“ Robert Ley in der König-Karl-Halle des Stuttgarter machte ihn in Baden-Baden ausfindig und Landesgewerbemuseums ausgerichtet. überreichte ihm dort letztlich doch den Orden. In vielen Nachrufen wurden die unterneh- merischen und persönlichen Leistungen Im darauffolgenden Winter war Robert und besonders das soziale Engagement Bosch von schwerer Krankheit gezeichnet. des Firmengründers Robert Bosch geehrt. Nichtsdestotrotz erschien er regelmäßig in Dieses Andenken wird bis heute in allen seinem Privatsekretariat, wie Olpp schreibt: Bereichen des Unternehmens und der „Noch zwei oder drei Tage vor seinem Tod Robert Bosch Stiftung sowie bei seinen war er im Büro und arbeitete. Er trug einen Nachfahren in Ehren gehalten. Bilder von links nach rechts: Robert d. J. und Eva Bosch auf der Reitbahn bei der Stuttgarter Reithalle, 1937 Robert Bosch (3. v. l.) an Deck eines Schiffs nach Amerika, 1924 Gruppenaufnahme im Kurpark Baden-Baden, darunter Robert und Margarete Bosch (2. und 3. v. l.), 1935
20 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte Jägerlatein und Vogelparadies Robert Bosch als Jäger und Landwirt von Dr. Kathrin Fastnacht
Robert Bosch | 21 Bereits während seiner Lehrzeit übte Robert Bosch das Schießen mit einer vom eigenen Taschengeld bezahlten Flobertbüchse – jedoch machte er damit vorerst nur Jagd auf Spatzen. Es vergingen noch über 20 Jahre, bis er zum „richtigen“ Jäger wurde. Er war jedoch nicht nur Jäger, sondern auch Heger und Pfleger des Wildbestandes. Neben dieser Leidenschaft widmete er sich der Landwirtschaft auf seinem Boschhof in Mooseurach. Dort schoss er nun nicht mehr auf Spatzen, sondern siedelte eine große Vielfalt von Vögeln an, die im Sumpfland die Insekten vertilgen sollten. „Zwar jagte ich bis 1904 nur in der Som- Jagdfreunde merfrische im Gebirge. Dann pachtete ich Robert Bosch hatte nicht sehr viele enge die Gemeindejagd Magstadt [bei Stuttgart], Freunde, da er auch bei vertrauten Men- und das war für mich eine ausgezeichnete schen nie ganz eine gewisse Spröde im Quelle der Erholung. Ich hatte mir einen Umgang verlor, aber die wenigen Vertrauten kleinen Kraftwagen gekauft und brachte konnten sich vollkommen auf ihn verlassen. fast jeden Samstagnachmittag und Sonntag Er behielt es sich jedoch vor, das Maß an im Jagdhause zu, bei schönem Wetter mit Vertraulichkeit zu bestimmen. Intensive und Familie, sonst mit einem Jagdfreund oder freundschaftliche Kontakte pflegte er vor meinem Sohn.“ Bei seinen Jagdausflügen allem zu den Männern, die seine Leiden- spielte neben dem eigentlichen Hobby auch schaft für die Jagd teilten. Zu ihnen zählten die Verbundenheit mit der Natur eine wich- der Schwabe Paul Reusch (1868 – 1956), tige Rolle. Zu Beginn der Brunftzeit siedelte Vorstandsvorsitzender der Gutehoffnungs- Bosch ab 1918 jährlich für etwa acht Tage hütte in Oberhausen, Georg Escherich nach Pfronten über, um mit seinem Ober- (1870 – 1941), Berufsjäger, und als liebster jäger Franz Schöll oder anderen in seinem Jagdgefährte Otto Mezger (1875 – 1934), neuen Jagdgebiet auf die Pirsch zu gehen. Direktor des chemischen Untersuchungs- amtes der Stadt Stuttgart. Bild links: Interessante Einsichten: Robert Bosch (rechts) mit Güterdirektor Mauk auf dem Boschhof, 1935 Bild rechts: Robert Bosch und sein Revierjäger Seraphin Schöll, 1941
22 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte Bild oben links: Robert Boschs Privatsekretär Felix Olpp er- Einladungen zur Jagd Robert Bosch (1. v. r.) innerte sich: „Zu den Gästen, die er gerne Wer zur Jagd eingeladen wurde, stand in mit drei weiteren Jägern und Trophäen, um 1938 einlud, zählten sein Güterdirektor Walther hohem Ansehen bei Bosch. Entsprechend Mauk vom Boschhof, verschiedene Ärzte, hoch waren aber auch die Erwartungen an Bild oben rechts: unser Dr. Alfred Knoerzer, die Herren die Jagdgäste, wie sich Felix Olpp später Robert Bosch (1. v. r.) August und Felix Schuler, Direktor Ritter erinnerte: „Herr Bosch sagte oft, der Auf- mit Reisebegleitern vor einer Hütte in Schweden, von Daimler-Benz und vor allem sein Freund enthalt in Pfronten ermögliche Kontakte, 1917 Schirg (Oberforstrat Dr. Georg Escherich).“ die eben im Büro nie zu erreichen seien.
Robert Bosch | 23 Man lerne sich auf der Jagd ganz anders nicht Organisationen wie das Unternehmen kennen als in der betrieblichen Atmosphäre. Bosch als Jagdpächter fungieren konnten, Gespräche in Jagdhütten oder in der Krone legte Boschs Ehefrau Margarete nach dem in Pfronten waren ihm stets geschäftlich Tod ihres Mannes die Jägerprüfung in sehr von Nutzen.“ Enttäuschte der Besucher Pfronten ab, damit die Jagdgebiete weiter den Gastgeber, war es schwierig für ihn, für die Familie und die Firma erhalten mit Bosch ins Geschäft zu kommen. werden konnten. Die Bosch-Jagden in Urach auf der Die Jagd und alles, was damit zusammen- Schwäbischen Alb, im Tiroler Karwendel- hing, gaben Robert Bosch ein besonderes gebirge und im Allgäu bei Pfronten waren Lebensgefühl. Die Stille während der bald sehr berühmt. Unter Jägern wurde Pirsch entsprach seinem wortkargen der ausgezeichnete Wildbestand geschätzt, Wesen. Nach erfolgreicher Jagd jedoch den Bosch gewissenhaft pflegte. Bis ins konnte er richtig auftauen und mit großer hohe Alter ging Robert Bosch noch auf die Freude Jagdlieder singen – ohne dass er Jagd, auch wenn ihm später der Anstieg unbedingt ein großer Sänger gewesen wäre. zu Fuß zu anstrengend geworden war und er deshalb auf dem Pferd zum Ausgangs- Der Erwerb des Boschhofs punkt der Jagd ritt. Wie in seinen Produk- Auch in einem weiteren Bereich, der tionshallen achtete der Unternehmer auch Landwirtschaft, zeigte sich die tiefe Ver- bei der Jagd auf Präzision und wurde bundenheit von Robert Bosch zur Natur: wegen seiner exzellenten Treffsicherheit „Die Landwirtschaft als solche ist einer gerühmt. Da nur lebende Personen und der interessantesten Erwerbszweige, die Bild links: Robert Bosch mit einer Robbe in Schweden, 1917 Bild rechts: Robert Bosch mit Güter- direktor Mauk bei der Be- sichtigung des Boschhofs, 1932
24 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte Bild oben links: es gibt. Er ist so mannigfaltig wie kaum in Beuerberg in Bayern erworben, die mit Moderne Siloanlagen der elektrolytischen Torfhydrierung nach ein anderer; denn er ist verhängt mit Zoo- auf dem Boschhof, 1930 logie, Botanik, Geologie, Chemie, Meteo- Ekenberg Torf für die Brennstoffherstellung Bild oben rechts: rologie in den verschiedensten Auswirkun- gewinnen wollte. Es stellte sich jedoch Werbung für die Produkte gen.“ Boschs Neigung zur Landwirtschaft heraus, dass das Verfahren unrentabel war. des Boschhofs, 1931 trat früh zutage. Bereits um 1900 hatte er damit geliebäugelt, die Domäne „Klein- Vom Sumpf zu Milch und Honig Hohenheim“ bei Stuttgart zu kaufen und Nach diesem Rückschlag war der Ehrgeiz sich in der Landwirtschaft zu betätigen. des Unternehmers geweckt. Er wollte die Seine Frau Anna wollte allerdings nichts schlechten Böden in Oberbayern in ein davon wissen. Sicherlich fürchtete sie, landwirtschaftliches Mustergut verwandeln. dass sich ihr bereits viel beschäftigter Aus sieben ehemals selbstständigen Bau- Mann damit zu viel zumuten würde. ernhöfen entstand der Boschhof. „Damals schien es mir eine Großtat, aus einem Nach dem Ersten Weltkrieg stieg Robert Sumpfe ein Land zu machen, auf dem Bosch dennoch in die Landwirtschaft ein. Milch und Honig flösse.“ Dies geschah allerdings weniger aus reinem Interesse, sondern war vielmehr die Folge Die Prinzipien seiner industriellen Tätigkeit einer Fehleinschätzung. Er hatte um 1912 sollten auch in der Landwirtschaft umge- Anteile einer Moorverwertungsgesellschaft setzt werden. Boschs Plan war es, mit dem Einsatz modernster Techniken qualitativ
Robert Bosch | 25 hochwertige Produkte zu erzeugen und Nach dem Tod von Robert Bosch 1942 Stand des Boschhofs auf der Landwirtschaftlichen regional zu vermarkten. Spezielle Maschi- wurde Mooseurach der Zufluchtsort für Ausstellung in München, nen wurden eingesetzt, die neu entwickelte seine zweite Familie. Margarete Bosch 1936 Silofütterung wurde eingeführt. Gleichzeitig führte den Boschhof mit verschiedenen bediente man sich schon ökologischer Verwaltern weiter. Obwohl das Gut wieder- Verfahren: Bosch schuf ein wahres Vogel- holt verkleinert wurde, schrieb es keine paradies – eine natürliche Methode zur schwarzen Zahlen, sodass der Betrieb Schädlingsbekämpfung. Auf dem Hof 1976 eingestellt wurde. Seit 1986 werden Mooseurach baute Robert Bosch ein Haus nun die ehemals dem Moor abgerunge- für die Familie und errichtete Wohnhäuser nen Flächen wieder renaturiert. Darüber für seine bald über 300 Beschäftigten. hinaus betreibt die Familie Bosch heute dort wieder eine ökologische Landwirt- Doch trotz aller Bemühungen blieb das schaft. Projekt Boschhof ein Zuschussgeschäft. Wie er selbst später sagen sollte, war er zum Boschhof „wie der Blinde zur Ohrfeige“ gekommen. Fortan war sein Credo, dass sich nur Leute mit der Landwirtschaft beschäftigen sollten, die auch wirklich etwas davon verstünden.
26 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte Der Unternehmer Robert Bosch an seinem Schreibtisch in der Stuttgarter Fabrik, 1906
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28 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte „Am liebsten wäre mir’s schon allein“ Die Werkstätte für Feinmechanik & Elektrotechnik von Dieter Schmitt Bereits in den Briefen an seine spätere erste Frau Anna Kayser wird Robert Boschs Wunsch deutlich, sich selbstständig zu machen und eine eigene Firma zu gründen. Allerdings wusste er im Frühjahr 1886 noch nicht, wo er sich nie- derlassen sollte. Lange lag Köln in seinen Überlegungen vorne, doch schließlich gaben die wirtschaftlichen Aussichten und wahrscheinlich auch der Wohnort der Verlobten im nahen Obertürkheim den Ausschlag: Stuttgart sollte es sein. In einem Hinterhaus in der Rotebühl- straße 75 B in Stuttgart mietete Robert Bosch Erdgeschossräume, um sich dort selbstständig zu machen. Die Werkstätte hatte – nach seiner Beschreibung – „eine Schreibstube, eine größere und kleinere Werkstatt sowie einen Raum ohne eigenes Licht, in dem auch die Feldschmiede stand“. Am 11. November 1886 richtete er gemeinsam mit seinen ersten Mitar- beitern, einem Mechaniker und einem Laufburschen, die „Werkstätte für Fein- mechanik & Elektrotechnik“ ein. Robert Bosch konnte allerdings nicht sofort an- fangen: Die amtliche Genehmigung fehlte Das erste Firmen- noch. Sie traf schließlich vier Tage später schild der neu eröff- ein, am 15. November 1886. Dieser Tag neten „Werkstätte für Feinmechanik & gilt seitdem als Gründungstag des Unter- Elektrotechnik“, 1886 nehmens. Das Startkapital von 10 000 Mark stammte aus Boschs Anteil am Erbe des Vaters, der sechs Jahre zuvor verstorben war. Aber das Geld sollte nicht lange rei- chen.
Robert Bosch | 29 Startschwierigkeiten beim Aufhören des Drucks, Gasanzünder, Bild oben links: Robert Bosch konnte bei der Annahme Robert Bosch im Alter elektrisch anzeigende Schießscheiben von 25 Jahren, 1886 seiner Aufträge nicht wählerisch sein. Er und wohl noch manches andere, an das erledigte alle feinmechanischen oder elek- ich mich nicht mehr erinnere.“ Bild oben rechts: trotechnischen Arbeiten, die seine Kunden Der Hinterhof des Hauses bei ihm in Auftrag gaben. Gottlob Honold, Rotebühlstraße 75 B. Im Trotz dieses breiten Angebots hatte Bosch Erdgeschoss rechts war zwischen 1891 und 1894 Lehrling bei in den ersten Jahren manchmal nicht genü- die Werkstätte von 1886 Bosch und später Entwicklungsleiter und gend Aufträge, um seine Belegschaft ausrei- bis 1890 untergebracht. Vorstand, erinnerte sich an eine Vielzahl chend zu beschäftigen und am Zahltag die von Produkten und Dienstleistungen: „Ein Löhne auszubezahlen. Seinen Mitarbeitern elektrischer Klavierstenograf, verschiedene wollte er aber nichts schuldig bleiben. Und große fotografische Kameras mit etwa so lieh er sich Geld bei seiner Mutter oder zehn Metern Brennweite (Objektivabstand), nahm mit Bürgschaften der Familie einen Schreibmaschinen, Geschwindigkeits- Kredit auf. Gelegentlich half auch ein be- messer, Füllfederhalter, Gravierzirkel, foto- nachbarter Früchtehändler mit kleineren grafische Verschlüsse, Telefonschnüre, Krediten aus. Richard Schyle, der zwischen Telefonstationen, Linienwähler, elektrische 1891 und 1930 bei Bosch arbeitete, erzählt Klingeln, elektrische Wasserstandsfern- in seinen Erinnerungen, dass Robert Boschs melder, elektrische Elemente, elektrische „Arbeiter in jener Zeit vielleicht mehr Geld Türkontakte und Druckknöpfe, Widerstands- gehabt hätten als er“. Robert Bosch hielt messbrücken, Zigarrenspitzen, Wasser- das im Rückblick allerdings für übertrieben, leitungshahnen mit selbsttätiger Entleerung auch wenn er die ersten Jahre der Selbst-
30 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte Anlässlich der Fertigstellung des tausendsten Magnet- zünders 1896 machte Robert Bosch (obere Reihe, 3. v. l.) ge- meinsam mit seinen Mitarbeitern einen Betriebsausflug. ständigkeit selbst als „böses Gewürge“ anzubieten. 1921 formulierte er dies für bezeichnete, gekennzeichnet durch Höhen die Mitarbeiterzeitung „Bosch-Zünder“ und Tiefen. Besonders schwer war das so: „Immer habe ich nach dem Grundsatz Jahr 1892, als er gezwungen war, von gehandelt: Lieber Geld verlieren als 24 Mitarbeitern alle bis auf zwei zu ent- Vertrauen. Die Unantastbarkeit meiner lassen. Aber Bosch meisterte auch diese Versprechungen, der Glaube an den Wert schwierige Zeit. meiner Ware und an mein Wort standen mir stets höher als ein vorübergehender Grundsätze Gewinn.“ In der Werkstätte herrschte ein strenger Ton. Robert Bosch achtete sehr auf Spar- Wenn er bei seinen Beschäftigten bemerkte, samkeit, Qualität, Pünktlichkeit und Diszi- dass diese schlampig arbeiteten oder mit plin. Er legte größten Wert darauf, seinen den Betriebsmitteln verschwenderisch um- Kunden eine absolut einwandfreie Leistung gingen, sprach Robert Bosch dies sofort an.
Robert Bosch | 31 Die langjährigen Mitarbeiter wie Gottlob blatt für Elektrotechnik“ hielt sich Robert Honold wussten, wie sie damit umgehen Bosch auf dem Laufenden und schaltete mussten. So sei ab und zu „ein reinigen- Anzeigen in Zeitschriften, um seine Werk- des Ungewitter durch die ganze Bude“ statt bekannter zu machen. gegangen, „aber schnell hellte sich immer der Himmel wieder auf und bei dem guten Werkstattatmosphäre persönlichen Verhältnis zwischen dem Richard Schyle gibt in seinen Erinnerungen Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern auch Einblicke in die Arbeitsatmosphäre war sehr rasch wieder der Friede herge- bei Bosch und berichtet von heiteren Stun- stellt.“ den in der Werkstatt. So sperrte Robert Bosch beispielsweise an einem Tag, an Robert Bosch forderte Leistung von dem die Sommerhitze in den Räumen un- seinen Mitarbeitern, sorgte aber auch erträglich wurde, kurzerhand die Werkstatt dafür, dass sie diese erreichen konnten. zu und gab der Belegschaft einen Tag frei. Er wusste, dass ein Mitarbeiter an einer Auch sangen die Arbeiter gerne bei der veralteten Werkbank mit schlechten Werk- Arbeit, was Bosch so sehr gefallen haben zeugen nicht die qualitativ hochwertigen soll, dass er dann zumeist in seinem Büro Produkte herstellen konnte, wie er sie blieb, um sie nicht durch sein Erscheinen von ihm forderte. zu unterbrechen. Den Bau des tausendsten Magnetzünders feierte Robert Bosch 1896 Bilder unten von links nach rechts: Deshalb investierte er den geringen gemeinsam mit seinen Beschäftigten bei Die erste Werbeanzeige Gewinn in neueste Maschinen und Werk- einem Betriebsausflug in einem Gasthaus von Robert Bosch in der zeuge. Für seine Serviceaufträge kaufte nahe Stuttgart. Der Magnetzünder war Stuttgarter Tageszeitung er sich 1890 ein Fahrrad. Und um für bereits zum wichtigsten Umsatzträger des „Der Beobachter“, 1887 seine Kunden schnell und leicht erreich- Unternehmens geworden. Dass dieses Stationärer Benzinmotor bar zu sein, leistete er sich einen Telefon- Produkt den Namen Bosch bald um die aus den 1890er Jahren anschluss, der damals mit 150 Mark ganze Welt tragen würde, ahnte zu diesem mit einer Bosch-Nieder- Jahresmiete noch sehr teuer war. Durch Zeitpunkt aber noch niemand. spannungs-Magnet- zündung ein Abonnement der Zeitschrift „Central- Funktionszeichnung der ersten Bosch-Nieder- spannungs-Magnetzün- dung mit Abreißgestänge von 1887
32 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte Die zündende Idee Robert Bosch und der Magnetzünder von Dieter Schmitt Voller Stolz schrieb Robert Bosch am 16. März 1900 an seinen Schwager Eugen Kayser, er plane, ein Haus in Stuttgart zu kaufen und seine erste eigene Fabrik zu bauen. Dieser Neubau markierte die Wende von der kleinen Stuttgarter Hinterhofwerkstatt zu einem Industrieunternehmen mit Vertretungen und Standorten auf der ganzen Welt. Die Basis für den wirtschaftlichen Durchbruch bildete der Magnetzünder, den Bosch und seine Mitarbeiter so weiterentwickelt hatten, dass er zum damals besten Zündsystem für Kraftfahrzeuge wurde.
Robert Bosch | 33 Robert Bosch war eher zufällig auf den Das erste Exemplar eines Bosch-Zünders Bilder oben von links Magnetzünder aufmerksam geworden. Ein lieferte er an den Maschinenbauer nach rechts: Blick auf das erste Maschinenbauer hatte ihn gefragt, ob er Schmehl & Hespelt ins württembergische eigene Fabrikgebäude ihm nicht einen Magnetzünder nachbauen Städtchen Möckmühl. Aber Bosch hatte von Bosch in der könne, wie er ihn in Schorndorf gesehen den Magnetzünder nicht einfach unver- Stuttgarter Hoppenlau- habe. Robert Bosch nahm die Anregung auf, ändert nachgebaut, sondern verbessert. straße, 1936 fuhr ins etwa 30 Kilometer von Stuttgart Statt der anfälligen schweren Stabmagnete Robert Bosch brachte entfernte Schorndorf und studierte den verwendete er kleinere und stabilere bei der Planung des Apparat dort genau. Die Magnetzündung U-förmige Magnete. Sie sorgten für eine Gebäudes seine Ideen diente damals zur Erzeugung eines elek- stärkere Magnetwirkung und verbesserten und Vorstellungen in die Entwürfe des trischen Funkens, mit dem das Gasgemisch dadurch die Funktionsweise noch zusätz- Architektenbüros in einem stationären Verbrennungsmotor lich. Beisbarth & Früh ein, zur Explosion gebracht wurde. 1900. In den folgenden Jahren stellte Bosch die Stolz berichtete Bosch Umsatzträger Magnetzünder in steigender, aber immer seinem Schwager Der Apparat, den sich Robert Bosch an- noch relativ kleiner Stückzahl her. 1888 Eugen Kayser vom Kauf gesehen hatte, war an einem Motor der lieferte er insgesamt neun Magnetzünder des Wohnhauses in der Gasmotorenfabrik Deutz in Köln angebaut. aus, ein Jahr später schon 23 Apparate. Militärstraße 2 B und von den Überlegungen für Bosch konnte ihn nachbauen, nachdem er 1891 wurden bereits mehr als 100 Magnet- den Fabrikneubau, 1900. sich vergewissert hatte, dass der Magnet- zünder bei Bosch gefertigt. Damit steuerte zünder patentrechtlich nicht geschützt war. der Magnetzünder erstmalig über 50 Pro-
34 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte Bild links: Erster Bosch-Hochspannungs- Magnetzünder, Typ HdH, 1902 Bild rechts: Für Fahrzeuge wie dieses Dreirad von Heinle & Wegelin mit Rücksitz und Anhänger entwickelte Bosch ein Magnetzündsystem, 1897. zent zum Umsatz der Werkstätte bei und Einbau ins Automobil bildete von nun an die wirtschaftliche Basis Frederick Richard Simms – ein englischer für Bosch. Automobilpionier – schickte 1897 ein Motordreirad der französischen Firma Die ersten Magnetzünder von Bosch hatten De Dion-Bouton nach Stuttgart, um einen aber einen großen Nachteil, der einen Magnetzünder einbauen zu lassen. Robert weiteren Ausbau dieses Geschäftsfeldes Bosch und sein Meister Arnold Zähringer zunächst verhinderte: Sie waren aufgrund hatten den Angaben von Simms, dass der ihrer Konstruktionsweise nur für langsam Motor etwa 600 Umdrehungen pro Minute drehende Stationärmotoren geeignet. schaffen würde, nicht geglaubt. Sie wollten Diese waren beispielsweise in Fabriken sich deshalb selbst Gewissheit verschaffen. oder Mühlen fest installiert, um dort die Allerdings wagte nur der damalige Lehrling Maschinen anzutreiben. Hier spielten die und spätere Vorstand Max Rall eine erste Größe und das Gewicht der Motoren kaum Probefahrt auf dem ungewöhnlich schnellen eine Rolle. Sie konnten wegen ihrer Größe Gefährt, die auch prompt in den aufgesta- auch bei niedriger Drehzahl – in dieser Zeit pelten leeren Weinfässern der benachbar- etwa 120 Umdrehungen pro Minute – genü- ten Weinhandlung Hirsch endete. Eine gend Kraft entwickeln, um ihren Zweck zu weitere Testfahrt auf einer Landstraße erfüllen. In den folgenden Jahren konnte brachte schließlich die Erkenntnis, dass die Drehzahl zwar noch auf etwa 200 bis der Motor etwa 1 800 Umdrehungen pro 300 Umdrehungen in der Minute gesteigert Minute erreichte. werden, aber damit waren die technischen Möglichkeiten dieser Bauart ausgereizt. Eines war damit klar: Ein Magnetzünder, Für die kleineren, schnell laufenden Mo- wie man ihn bisher gebaut hatte, konnte toren, wie sie in den neuen und modernen diese Drehzahlen nie erreichen. Doch so Kraftfahrzeugen – zumeist motorisierte schnell gaben Bosch und Zähringer nicht Kutschen, Fahrräder oder Dreiräder – auf und schließlich hatte Zähringer die gebraucht wurden, waren diese Magnet- zündende Idee: Statt des schweren Ankers zünder nicht geeignet. Denn diese neuen ließ er eine kleinere Hülse im Magnetzünder Motoren erreichten Drehzahlen von über pendeln. Damit hatte er eine verblüffend 1 000 Umdrehungen pro Minute. einfache Lösung für dieses Problem ge- funden.
Robert Bosch | 35 Viele Autofahrer wollten nun statt der herigen Werkstatt, in der Militärstraße Bild oben: Werbung des öster- unsicheren Zündsysteme, die an ihren (heute Breitscheidstraße). In Briefen an reichischen Vertreters Autos noch angebaut waren, das neue seine Freunde schrieb er stolz, dass er Dénes und Friedmann für Zündsystem von Bosch haben. Um auch nun „Hausbesitzer“ sei, und er rechnete den Bosch-Magnetzünder, die Kunden außerhalb Deutschlands ihnen vor, dass sich die Investition wirt- um 1905 schnell beliefern zu können, gründete schaftlich innerhalb weniger Jahre lohnen Bild unten links: Bosch gemeinsam mit Simms 1898 seine werde. Denn an das Haus schloss sich noch Französische Werbung erste Vertriebsgesellschaft in London für ein großer Garten an, den er für den Bau für das Bosch-Licht, ein den englischen Markt. Ein Jahr später eines neuen Werkstattgebäudes nutzen System mit Scheinwer- fern, Generator, Regelung folgten Vertretungen in Frankreich und wollte. und Batterie, 1914 Österreich. Beim Bau der Fabrik setzte Robert Bosch Bild unten rechts: „Hausbesitzer bin ich“ konsequent seine Ideen um. Er ließ das Probefahrt mit dem ersten Bosch-Firmen- Das rasche europaweite Wachstum machte Gebäude ganz in moderner Eisenbeton- wagen mit Gustav Klein, nun auch größere Investitionen in Stuttgart Bauweise errichten – das erste seiner Art Gottlob Honold, Ernst möglich und nötig. 1900 kaufte Robert in Stuttgart. Außerdem achtete Bosch auf Ulmer, Arnold Zähringer Bosch ein Mietshaus unweit seiner bis- eine gute Gestaltung der Arbeitsräume. (v. l. n. r.), 1907
36 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte Bilder oben von links Die großen Fenster der Werkstatträume kehren. Robert Bosch richtete ihm im Hin- nach rechts: beispielsweise ließen ausreichend Licht terhof der neuen Fabrik ein Labor ein und Robert Bosch bei der Einweihung der Fabrik herein, ein ausgeklügeltes Lüftungssystem beauftragte ihn damit, das anfällige Abreiß- in Paris mit Mitarbeitern sorgte für gute Atemluft. Am 1. April 1901 gestänge des Magnetzünders überflüssig zu und Geschäftspartnern, zog Bosch mit 45 Mitarbeitern in die neue machen. Das Gestänge gab häufig Anlass zu beispielsweise Frederick „Elektrotechnische Fabrik Robert Bosch“ Ärger und war zudem sehr aufwendig in der Simms (5. v. r.), 1905 ein, wie es in großen Buchstaben vertikal Herstellung, da es an jeden Motor einzeln Eingangsbereich der am Treppenhaus des Gebäudes stand. angepasst werden musste. Fabrik in Paris, um 1906 Mit Hochspannung Honold suchte trotz vieler gescheiterter Gruppenaufnahme wichtiger Bosch-Mitarbei- Am selben Tag kam auch Gottlob Honold Versuche konsequent nach einer besseren ter der Anfangsjahre: wieder zurück. Nach seiner Lehrzeit hatte Lösung. Schließlich entwickelte er einen Gustav Klein, Gottlob er Bosch verlassen, um als Mechaniker bei Hochspannungs-Magnetzünder, der das Honold, Ernst Ulmer und anderen Firmen zu arbeiten. Nach seinem unzuverlässige Abreißgestänge durch Zünd- Hugo Borst (v. l. n. r.), 1906 Studium in Stuttgart und dem Militärdienst kerzen ersetzte. Als er im Dezember 1901 hatte er zufällig seinen ehemaligen Lehr- den ersten Prototypen präsentierte, war herrn getroffen, der ihn davon überzeugte, Robert Bosch beeindruckt: „Damit haben als Entwickler zur Firma Bosch zurückzu- Sie den Vogel abgeschossen!“
Robert Bosch | 37 Wachstum weltweit dierte das Geschäft mit den USA nahezu. Die Firma wuchs nun rasant. Beide Um die hohen Einfuhrzölle zu sparen und Systeme – sowohl der ältere Niederspan- den Lieferweg zu verkürzen, entschied sich nungs- als auch der neue Hochspannungs- Robert Bosch, eine eigene Fertigung in Magnetzünder – fanden weltweit reißenden Springfield/Massachusetts aufzubauen. Absatz. Schon bald platzte das eben erst Die USA waren innerhalb weniger Jahre gebaute Fabrikgebäude aus allen Nähten zum mit Abstand wichtigsten Absatzmarkt und Bosch erweiterte das Gelände im für Bosch geworden. Stuttgarter Westen stetig. 1905 konnte er gemeinsam mit seinen wichtigsten Mitar- Robert Bosch AG beitern und Geschäftspartnern den zweiten Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Fertigungsstandort einweihen: eine Fabrik Sommer 1914 war für Bosch eine Katastro- in Paris. Dabei handelte es sich noch um phe. Die wichtigen Auslandsmärkte fielen ein Gemeinschaftsprojekt mit Frederick mit einem Schlag größtenteils weg und Simms. Doch schon bald wurden die Span- die meisten Kriegsgegner Deutschlands nungen zwischen den Partnern größer. beschlagnahmten das Bosch-Vermögen – Bosch war zunehmend unzufrieden mit den neben den materiellen Werten auch die Geschäftspraktiken des Engländers und Schutzrechte sowie die Patente und wollte sich deshalb möglichst schnell von Marken. ihm trennen. Er dachte sogar daran, seine gesamte Firma einschließlich der englischen Auch persönlich ging der Krieg Robert Bild unten links: Camille Jenatzy auf und französischen Gemeinschaftsunter- Bosch sehr nahe. Schon 1912 – die Balkan- Mercedes beim Gordon- nehmen an Simms zu verkaufen. krise bedrohte den Frieden in Europa – Bennett-Rennen in Irland, hatte er einem Freund geschrieben: „Ich 1903. Der belgische Für die Verhandlungen stellte Bosch Gustav bezahle lieber zehn Millionen Mark, wenn Rennfahrer stand Pate für die legendäre Bosch- Klein, einen Studienfreund von Honold, ich dadurch einen Krieg vermeiden kann.“ Werbefigur „Der rote ein. 1906 trennte sich Bosch endgültig von Neben die geschäftlichen und politischen Teufel“. Simms und übernahm den Vertrieb in den Probleme traten nun zunehmend auch damals wichtigsten Märkten – England und private: Die schwere Krankheit des Sohnes Bild unten rechts: Plakat für Zündkerzen Frankreich – selbst. Jetzt konnte er auch belastete ihn und seine Ehefrau sehr. mit dem „roten Teufel“, den Sprung über den Atlantik wagen. Robert Bosch erkrankte selbst und wollte 1913 Mit einer Liste der wichtigsten amerika- deshalb seine Nachfolge in der Firma nischen Autofirmen in der Tasche machte regeln, wozu ihn auch seine wichtigsten sich Gustav Klein 1906 auf den Weg nach Mitarbeiter drängten. So entschied er sich, Amerika. Die Reise Kleins und seiner Beglei- die Firma in eine Aktiengesellschaft um- ter glich einem wahren „Triumphzug“, wie zuwandeln. Robert Bosch übernahm den Robert Bosch es später beschrieb. Inner- Vorsitz des Aufsichtrats der Robert Bosch halb weniger Wochen konnte Klein Aufträge AG und überließ das operative Geschäft im Wert von über einer Million Dollar an zunehmend seinen Vorständen. Land ziehen. In den folgenden Jahren explo-
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