Robert Bosch Leben und Werk - Magazin zur Bosch-Geschichte Sonderheft

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Robert Bosch Leben und Werk - Magazin zur Bosch-Geschichte Sonderheft
Robert Bosch
Leben und Werk

Magazin zur Bosch-Geschichte
Sonderheft 1
Robert Bosch Leben und Werk - Magazin zur Bosch-Geschichte Sonderheft
2 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte

                           Vorwort

Titelfoto:                 Dieses Heft ist dem Leben und Werk von Robert Bosch gewidmet. Es liegt
Robert Bosch verlässt
nach der Feier zum         nun in einer von der Robert Bosch GmbH und der Robert Bosch Stiftung
50-jährigen Firmen-        vollständig neu bearbeiteten Ausgabe vor. Es geht nicht um eine umfassende
jubiläum am 23. Sep-
tember 1936 die            Unternehmensgeschichte, sondern darum, den Menschen Robert Bosch
Stuttgarter Stadthalle.
                           und sein Wirken erkennbar zu machen.
Der Tag war zugleich
sein 75. Geburtstag.

                           Robert Bosch hatte einen Wahlspruch, der ihn seit seiner Jugend begleitete:
                           „Sei Mensch und ehre Menschenwürde!“ Auch wenn er begeisterter Techni-
                           ker und leidenschaftlicher Unternehmer war, so war sein größtes Interesse
                           auf Menschen gerichtet und Menschenführung war seine überragende
                           Kompetenz. Wie er gelebt und gedacht hat, welche Erfahrungen ihn prägten,
                           mit welchen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen er umzu-
                           gehen hatte, aber auch wie sein privates Leben verlief – all diese Facetten
                           verdeutlichen und vertiefen das Bild eines Mannes, der ebenso ein liberaler
                           Weltbürger war wie ein die Heimat liebender Schwabe, ebenso ein Techniker
                           wie ein Naturfreund, ebenso ein sozialpolitischer Feuerkopf wie ein umsich-
                           tiger Patriarch.

                           Es ist für mich immer wieder erstaunlich zu erleben, wie sehr Robert Bosch
                           noch heute, fast 70 Jahre nach seinem Tod, Unternehmen und Stiftung
                           prägt. Dabei hinterließ er kein starres Korsett an Regeln, das die Gestal-
                           tungsmöglichkeiten der heute Tätigen beschränken würde. Er übt immer
                           noch seinen Einfluss über die Anziehungskraft seiner Persönlichkeit aus.
                           Er wirkt als Vorbild, gerade auch weil er keine Idealgestalt war, sondern ein
                           kantiger, unbequemer Mann, der viel geliebt wurde, aber auch oft Ärger
                           erregte. Vor allem aber wurde er respektiert, denn man wusste, dass er
                           weiter dachte und klarer sah als die meisten seiner Zeitgenossen und dass
                           er für das stand, was er sagte.

                           Ich wünsche diesem Heft weite Verbreitung, denn es erlaubt dem Leser,
                           dem Menschen Robert Bosch zu begegnen und zugleich die Ursprünge
                           unseres Unternehmens kennenzulernen und den bis heute bestehenden
                           Respekt für den Firmengründer wie auch die Faszination für das Unter-
                           nehmen zu verstehen.

                           Dr. Christof Bosch
Robert Bosch Leben und Werk - Magazin zur Bosch-Geschichte Sonderheft
Robert Bosch | 3

Inhalt

                                      4   Der Mensch
                                      6   „Es fehlte mir auch am Sitzfleisch und Ehrgeiz“
                                     		   Kindheit und Ausbildung von Robert Bosch

                                     12   „Liebe Anna ...“
                                     		   Robert Boschs Ehe mit Anna Kayser

                                     16   Mitarbeiterin, Beraterin und Vermittlerin
                                     		   Robert Boschs Ehe mit Margarete Wörz

                                     20   Jägerlatein und Vogelparadies
                                     		   Robert Bosch als Jäger und Landwirt

                                     26   Der Unternehmer
                                     28   „Am liebsten wäre mir´s schon allein“
                                     		   Die Werkstätte für Feinmechanik & Elektrotechnik

                                     32   Die zündende Idee
                                     		   Robert Bosch und der Magnetzünder

                                     38   Jahre des Umbruchs
                                     		   Rationalisierung, Diversifizierung und Kooperation

                                     42   „Mit-Arbeiter“ statt Lohnempfänger
                                     		   Der Arbeitgeber Robert Bosch
Ab 1890 besuchte Robert Bosch
seine Kunden mit seinem extra        46   Der Visionär
aus England importierten Fahrrad.
Damit war er schnell und sicher
                                     48   Bildung und Gesundheit
unterwegs, denn zu dieser Zeit       		   Das gemeinnützige Engagement von Robert Bosch
waren Hochräder noch gang und
gäbe. Mit dem „safety bike“ sorgte   52   Die heilende Kraft der Natur
der junge Unternehmer auf den
Straßen Stuttgarts für Aufsehen.
                                     		   Homöopath und Lebensreformer

                                     56   Liberaler Demokrat mit sozialer Verantwortung
                                     		   Robert Bosch und die Politik

                                     60   Sein letzter Wille
                                     		   Das Testament von Robert Bosch

                                     64   Robert Bosch – Was bleibt?

                                     70   Zeittafel
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Der Mensch

                                                Robert Bosch mit seiner
                                                Frau Margarete und ihrem
                                                Sohn Robert d. J., 1931
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„Es fehlte mir auch am
 Sitzfleisch und Ehrgeiz“
 Kindheit und Ausbildung
 von Dr. Kathrin Fastnacht

 Der Mann, der als Gründer eines erfolgreichen und weltweit agierenden
 Technologie- und Dienstleistungsunternehmens in die Geschichte eingehen
 sollte, war kein begeisterter Schüler und wäre eigentlich lieber etwas ganz
 anderes geworden: „Mein Sinn stand allerdings mehr nach Zoologie und
 Botanik, aber ich hatte keinen Gefallen an der Schule […].“ Robert Boschs
 Abneigung galt den Lehrern, später den Ausbildern, nicht den Inhalten.
 Er war schon als Schüler wissbegierig und vielfältig interessiert.

 Robert Bosch wurde am 23. September          Umzug nach Ulm                               Bild links:
 1861 in Albeck bei Ulm geboren. Er war       Die erste große Veränderung im Leben         Robert Bosch mit seiner
                                                                                           Schwester Maria, 1871
 das elfte von zwölf Kindern des wohlhaben-   von Robert Bosch war der Umzug nach
 den Kronenwirts, Bauern und Bierbrauers      Ulm. Servatius Bosch verkaufte 1869 sein
 Servatius Bosch und seiner Frau Maria        Gasthaus und setzte sich mit 53 Jahren
 Margaretha. Beide Eltern hatten große        zur Ruhe. Angesichts der Pläne zum Bau
 Anwesen geerbt. Sein Vater war Freimaurer    der neuen Eisenbahnlinie Ulm-Heidenheim
 und überzeugter Demokrat, sehr belesen       fürchtete er, seine Hauptkunden – die
 und gebildet. Robert Bosch beschreibt        vorbeiziehenden Fuhrleute – zu verlieren.
 seine Mutter im Rückblick als außerordent-   Außerdem wollte keines seiner erwachse-
 lich tüchtige und verständnisvolle Frau,     nen Kinder das Gasthaus und die dazu-
 die jederzeit nachts aufstand, um für spät   gehörende Landwirtschaft übernehmen.
 ankommende Fuhrleute Mahlzeiten oder         Robert Bosch besuchte in Ulm die Real-
 für den kranken Sohn Malzbonbons zu-         schule, die ihm jedoch nicht in bester
 zubereiten.                                  Erinnerung blieb: „Durch die Schule […]
                                              habe ich mich so schlecht und recht durch-

    Robert Boschs Mutter                                     Robert Boschs Vater
    Maria Margaretha                                         Servatius (1816–1880),
    (1818 –1898), Fotografie                                 Fotografie nach einem
    nach einem Ölgemälde,                                    Ölgemälde, um 1838
    um 1838
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Bild oben links:           gefunden. Wir hatten eine ganze Anzahl         schloss Bosch seine Lehre ab. Sein größter
Das Geburtshaus von        alter und veralteter Lehrer.“ So war Bosch     Wunsch war es nun, die Welt zu entdecken
Robert Bosch in Albeck
                           von seinen Leistungen her zwar in der          und Neues zu lernen.
bei Ulm: der Gasthof
„Zur Krone“                oberen Hälfte der Klasse, aber nie an der
                           Spitze. Allerdings gab er zu: „Es fehlte mir   Wanderjahre
Bild oben rechts:          auch am Sitzfleisch und Ehrgeiz.“ Obwohl       Nachdem er sich in Heidelberg, Pforzheim
Von 1869 bis 1876
                           er gerne etwas in Verbindung mit Zoologie      und Karlsruhe vergeblich um eine Stelle
besuchte Robert Bosch
die Ulmer Realschule       oder Botanik studiert hätte, ging er des-      bemüht hatte, ging Robert Bosch im Herbst
in der Olgastraße.         halb nicht aufs Gymnasium, sondern ent-        1879 zu seinem 18 Jahre älteren Bruder
                           schied sich auf Anraten seines Vaters für      Karl nach Köln. In dessen Geschäft für Gas-
                           eine Lehre als Feinmechaniker. Mit seinem      und Wasserleitungen arbeitete er mehrere
                           Lehrherrn Wilhelm Maier, „Mechanicus &         Monate als Gürtler (Metallbildner). Aber
                           Opticus“ in Ulm, hatte Robert Bosch aller-     schon im Winter desselben Jahres zog er
                           dings wenig Glück. Dieser kümmerte sich        weiter zu C. & E. Fein nach Stuttgart, einem
                           kaum um die Ausbildung der Lehrlinge, war      Pionier der Elektrotechnik. Dort blieb er
                           oft gar nicht in der Werkstatt und konnte      ebenfalls einige Monate, bevor er seine
                           den Auszubildenden wenig vermitteln.           Wanderschaft fortsetzte und vom Frühjahr
                           Nach drei Jahren, im Alter von 18 Jahren,      1880 bis zum Frühjahr 1881 in einer Ketten-

                                                                                                   Tagebuch von
                                                                                                   Robert Bosch,
                                                                                                   geschrieben auf
                                                                                                   seiner Fahrt nach
                                                                                                   Amerika im Mai
                                                                                                   1884
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Robert Bosch | 9

Robert Bosch während seiner
Militärzeit, 1881/82

fabrik in Hanau arbeitete. In diese Zeit fiel   Doch: „Lange litt es mich auch bei             Bild unten links:
                                                                                               Von Herbst 1882 bis
der Tod seines Vaters. Der Sohn war über-       Schuckert nicht und schon im Sommer
                                                                                               Sommer 1883 arbeitete
zeugt, dass dafür das untätige Leben ver-       war ich in Göppingen bei einem Mann            Robert Bosch in der
antwortlich war: „Für ihn wäre es besser        namens Schäffer, der […] Bogenlampen           Fabrik von Sigmund
gewesen, er hätte sich nicht so früh zur        baute.“                                        Schuckert in Nürnberg.
Ruhe gesetzt.“
                                                                                               Bild unten rechts:
                                                Aber auch der Bau von Bogenlampen              Robert Bosch, 1884
Robert Bosch kehrte im Frühjahr 1881            stellte Bosch nicht lange zufrieden. Im
für ein weiteres halbes Jahr zu seinem          Wintersemester 1883/84 schrieb er sich,
Bruder nach Köln zurück, um seine kauf-         trotz fehlender Vorkenntnisse, als Gast-
männischen Kenntnisse zu erweitern,             hörer an der Technischen Hochschule in
bevor er seinen einjährigen Militärdienst       Stuttgart ein. Obwohl er später zugab, dass
im Herbst desselben Jahres in Ulm antrat.       der wissenschaftliche Gewinn des halben
Nach der Militärzeit setzte Robert Bosch        Jahres Studium relativ gering war, so verlor
seine Lehr- und Wanderjahre fort. In der        er dort doch nach eigenen Angaben „die
Fabrik von Sigmund Schuckert in Nürnberg        Furcht vor technischen Ausdrücken […].
war er hauptsächlich mit der Herstellung        Ich wusste nachher, was Spannung und
von elektrischen Messgeräten beschäftigt.       Stromstärke, was eine Pferdekraft war.“
Robert Bosch Leben und Werk - Magazin zur Bosch-Geschichte Sonderheft
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                           In Übersee                                   In Übersee angekommen, fand Robert
                           Nach dem Intermezzo an der Hochschule        Bosch eine Stelle in einer Fabrik der Edison-
                           zog es Robert Bosch in die Ferne, um         Gesellschaft, in der elektrische Apparate
                           nun jenseits deutscher Grenzen berufliche    aller Art gebaut wurden: Bogenlampen,
                           Erfahrungen zu sammeln. In Amerika und       Beleuchtungskörper, Fernthermometer
                           England saßen viele Wegbereiter für den      und Grammophone. Doch entgegen allen
                           Zweig Elektrotechnik. Bosch hatte durch      Erwartungen hatte der junge Mann nicht
                           die Vermittlung seines Lehrers an der        das Gefühl, etwas entscheidend Neues zu
                           Technischen Hochschule ein Empfehlungs-      lernen. Beruflich lief nicht alles nach Plan:
                           schreiben für die Edison-Werke in New York   Zwischenzeitlich war er arbeitslos, fand
                           erhalten. Am 24. Mai 1884 startete er        dann aber wieder eine Stelle bei den Edison
                           mit einem holländischen Dampfer von          Machine Works. Nachdem Bosch sich per
                           Rotterdam aus nach New York. Auf seiner      Brief mit Anna Kayser, der Schwester seines
                           zweiwöchigen Schiffsreise schrieb der        Freundes Eugen Kayser, verlobt hatte, zog
                           damals 22-Jährige ein Reisetagebuch.         es ihn nach einjährigem Aufenthalt zurück
                           Darin hielt er nicht nur humorvolle Beob-    in die Heimat. Eine Station auf der Rück-
                           achtungen zu seinen Reisegenossen fest,      reise war England, wo er von Mai bis
                           sondern auch Überlegungen zu seinen          Dezember 1885 bei den Siemens Brothers
                           Karrierewünschen. Neben der freudigen        in Woolwich bei London arbeitete.
                           Nervosität angesichts des Ungewissen,
                           das ihn erwarten würde, verraten seine       Zu Weihnachten 1885 kehrte Robert Bosch
                           Aufzeichnungen auch hohe Leistungsbereit-    nach Deutschland zurück und verlobte sich
                           schaft und großes Selbstvertrauen: „Ich      nun offiziell. Ausschlaggebend für seine
                           will aber auch jetzt alles einsetzen, um     Heimkehr war offensichtlich ein Brief seiner
                           vorwärtszukommen, und es müsste sonder-      Braut, der ihn zur schnellen Rückkehr er-
                           bar sein, wenn ich nicht durchhaue in        munterte, denn er schrieb: „Wenn Du mir
                           einem Lande, wo schon mancher etwas          nicht so verlockend geschrieben hättest, so
                           geworden ist […].“                           hätte ich in meinem eselhaften Halten an
Robert Bosch | 11

Bild links:
Die Brooklyn-Bridge
begeisterte Robert
Bosch bei seiner
Ankunft in New York
im Frühjahr 1884.

Bild unten rechts:
Robert Bosch (rechts)
mit einem seiner
Brüder, 1884

meinem Vorsatz mich noch ein Vierteljahr
ohne weiteren Nutzen als ein wenig besse-
res Englisch hier herumgeärgert und gelang-
weilt.“ Vorerst war jedoch noch nicht an
eine Heirat zu denken. Bosch ging ein letz-
tes Mal in fremde Dienste – zur Firma Buss,
Sombart & Co. in Magdeburg. Nach einigen
Monaten kehrte er ins Schwabenland zu-
rück, um im November 1886 das Geschäft
in der Rotebühlstraße in Stuttgart zu er-
öffnen: die „Werkstätte für Feinmechanik &
Elektrotechnik“. Nach all den Erfahrungen,
die er bei seinen verschiedenen Stationen
gesammelt hatte, wurde Robert Bosch
Unternehmer aus Überzeugung. In seinem
eigenen Betrieb und als sein eigener Herr
konnte er die Dinge endlich so gestalten,
wie er es für richtig hielt. Seinen Kunden
gegenüber waren ihm zeitlebens höchste
Qualität und absolute Zuverlässigkeit wich-
tig. Seinen Mitarbeitern brachte er Respekt
und Vertrauen entgegen, ermöglichte ihnen
eine gute Aus- und Weiterbildung und bot
vorbildliche Arbeitsbedingungen.
12 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte

„Liebe Anna…“
 Robert Boschs Ehe mit Anna Kayser
 von Dr. Kathrin Fastnacht

                            „Es mag kommen, wie es will, Du musst mein werden. Sollten wir Unglück
                            haben, Deine Liebe wird mir bleiben, denn ich werde meine Pflicht tun.“
                            Als Robert Bosch im November 1885 diese Sätze an seine Verlobte Anna Kayser
                            schrieb, lag das Unglück, das die Liebe und die Ehe zerrütten sollte, noch
                            in weiter Ferne. Die ersten Jahre der Ehe waren geprägt vom Auf und Ab der
                            kleinen Werkstätte, die erst nach über einem Jahrzehnt auf festen Beinen
                            stand.

 Bild oben links:           Aus Amerika und England schrieb Robert        Die Verlobten waren nicht immer gleicher
 Anna Bosch geb. Kayser     Bosch lange Briefe an Anna Kayser, in         Meinung. In der Frage der Emanzipation der
 (1864 – 1949), 1886
                            denen er seiner zukünftigen Frau seine        Frauen war Robert Bosch sogar fortschrittli-
 Bild oben rechts:          Lebensansichten darlegte. Seine Ausfüh-       cher als seine Verlobte. Sie war der Ansicht,
 Robert und Anna Bosch,     rungen geben uns heute einen Einblick in      es liege in der Natur der Frauen begründet,
 um 1890                    seinen Charakter, der von Zuverlässigkeit     „uns an den stärkeren Mann anzulehnen
                            und Zielstrebigkeit, aber auch von einem      […].“ Er hingegen hatte sehr genau beob-
                            aufbrausenden Temperament geprägt war.        achtet, was Ursache und was Wirkung war:
                            Dessen war Bosch sich durchaus bewusst.       „Es ist eben kein Wunder, dass die Frauen
                            So gestand er seiner Liebsten: „Einer mei-    nicht so tief zu denken vermögen, […] wenn
                            ner Hauptfehler sonst noch ist, dass ich      man ihnen seit Jahrhunderten das Recht zu
                            leicht heftig werde, es aber nachher gleich   denken abgesprochen hat […].“ Sieht man
                            wieder bereue, und habe ich es nun so weit    sich seine Briefe allerdings genauer an,
                            gebracht, dass ich wenigstens um Entschul-    so entsprachen seine Vorstellungen sonst
                            digung bitte, wenn ich Unrecht getan habe.“   durchaus der klassischen Rollenverteilung
Robert Bosch | 13

Die Kinder Paula, Margarete und Robert junior,
um 1900
14 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte

Anna Bosch mit ihrem       der damaligen Zeit. Beispielsweise er-       fand. Dieser Erfolg spiegelte sich auch darin
Sohn Robert jun., 1913
                           mahnte er Anna, sich gründlich mit dem       wider, wie die Familie wohnte: 1902 baute
                           Kochen zu befassen. Sie heirateten am        Bosch eine kleine Villa in der Hölderlin-
                           10. Oktober 1887 in der evangelischen        straße 7, 1910 begann der Bau der großen
                           Kirche in Obertürkheim.                      Villa in der Heidehofstraße 31.

                           Die Familie wächst                           Naturliebhaber
                           Ihre erste Wohnung bezogen Robert und        Die ganze Familie fuhr jedes Jahr in den
                           Anna Bosch in der Stuttgarter Schwab-        Schulferien ins Gebirge. In diesen Urlauben
                           straße 56. Dort kamen 1888 und 1889          und bei Wochenendausflügen auf die
                           die Töchter Margarete und Paula zur Welt.    Schwäbische Alb vermittelte Robert Bosch
                           Mit der Geburt des dritten Kindes Robert     den Kindern seine eigene große Naturver-
                           eineinhalb Jahre später zog die Familie      bundenheit und Naturliebe. In allem blieb
                           in eine größere Wohnung in der Rotebühl-     er aber auch ein strenger Vater. Seine Toch-
                           straße 145 um. Anlässlich der Geburt der     ter Margarete erinnerte sich: „Er hat uns
                           dritten Tochter, Erna Elisabeth, im Jahr     Kindern viel erklärt und wir haben von ihm
                           1893 stand erneut ein Wohnungswechsel        gerade in unserer Kinderzeit beneidenswert
                           an, diesmal in die Moltkestraße 20. Ein      viele geistige Anregungen empfangen. Aber
                           Jahr später musste die Familie den plötz-    aufpassen musste man, denn etwas noch
                           lichen Tod der kleinen Elisabeth durch       einmal erklären, das gab’s nicht.“
                           „akute Zuckerkrankheit“ hinnehmen.
                                                                        Der anvisierte Nachfolger
                           Trotz privater Schicksalsschläge konnte      Seinen Sohn führte Robert Bosch früh ans
                           sich Robert Bosch bald über den erfolgrei-   Geschäft heran, indem er ihn schon im Alter
                           chen Aufstieg seines Unternehmens von der    von elf Jahren bei der Inventur helfen ließ.
                           kleinen Werkstatt zum Weltkonzern freuen,    Er sah ihn als seinen Nachfolger. Zunächst
                           der etwa zwischen 1900 und 1910 statt-       fing der junge Robert 1909 in der Firma
Robert Bosch | 15

seines Vaters als Lehrling an. Bereits im    schen musste, hat mich doch die Tatsache,
darauffolgenden Jahr war jedoch seine        dass er nun verschieden ist, aufs Tiefste
Laufbahn zu Ende: „Nun musste ich aber       bewegt. […] Wie oft fragte ich mich, warum
bald zu meinem großen Leidwesen aus          muss ich das Leben weiter haben und er,
der Firma austreten, wegen meiner Augen.“    der junge, muss dahinsiechen?“ Die Eltern
Dieser lapidare Satz schildert den Beginn    versuchten jeder auf seine Weise, mit
des Unglücks, das auch das Ehepaar Bosch     dem Tod des Sohnes fertig zu werden. So
entzweien sollte: die Erkrankung des         schrieb Robert Bosch zwei Monate später
Sohnes an Multipler Sklerose. Die folgen-    an seine Frau: „Über Robert spreche ich in
den Jahre waren von Arztbesuchen und         der Tat nicht gerne. Solche Sachen mache
Kuren geprägt. Anna Bosch zerrieb sich in    ich wohl am besten mit mir selber ab. […]
der Sorge und in der Pflege ihres Sohnes,    Ich kann das nicht ändern und für mich ist
der am 6. April 1921 nach langer Krankheit   das Unabänderliche etwas, in das ich mich
starb.                                       finde.“ Während sich Bosch in Arbeit flüch-
                                             tete und weiterhin aktiv am öffentlichen
Das Auseinanderbrechen der Ehe               Leben teilnahm, zog sich seine Frau immer
Robert Bosch erhielt die Nachricht vom Tod   mehr zurück. Das Leid und die unterschied-
seines Sohnes auf einer Geschäftsreise in    liche Art, den Tod des Sohnes zu verarbei-
Südamerika: „So sehr man auch einen          ten, entzweite das Paar immer mehr, bis
friedlichen Ausgang seines Daseins erwün-    die Ehe 1927 schließlich geschieden wurde.

                                                                                           Bild links:
                                                                                           Margarete Bosch
                                                                                           (1888 – 1971), gemalt von
                                                                                           Georg Friedrich Zundel,
                                                                                           1907

                                                                                           Bild rechts:
                                                                                           Paula Bosch
                                                                                           (1889 – 1974), gemalt von
                                                                                           Georg Friedrich Zundel,
                                                                                           1907
16 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte

Mitarbeiterin, Beraterin und Vermittlerin
Robert Boschs Ehe mit Margarete Wörz
von Dr. Kathrin Fastnacht

Als die 39-jährige Margarete Wörz den 66-jährigen Robert Bosch im November
1927 heiratete, war dieser bereits ein erfolgreicher Unternehmer. Sie wusste
um die gesellschaftlichen Erwartungen, die an eine Frau Bosch gestellt wurden,
und wurde ihnen mit großem Geschick gerecht. Darüber hinaus füllte sich das
große Haus in der Heidehofstraße erneut mit Leben: Zwei weitere Kinder wur-
den geboren und lenkten den Vater von manchem Unmut über die Verhältnisse
der nationalsozialistischen Zeit ab.

                                                                         Margarete Wörz
                                                                         (1888 – 1979), um 1924
Robert Bosch | 17

Kurz nach der Scheidung von Anna 1927            die Kinder sind selig hier. Robl scheint    Bild oben links:
heiratete Robert Bosch erneut. Margarete         sehr gut Ski zu fahren. […] Ich selbst      1910/11 ließ Robert
                                                                                             Bosch in der Stuttgarter
Wörz, geboren am 12. Juli 1888, war die          konnte schließlich in der letzten Woche     Heidehofstraße die in
Tochter des Oberförsters Eberhard Wörz           meines Hierseins wieder Curling spielen,    einem Park gelegene
und seiner Frau Maria. Nach der Hochzeit         was mir eine Befriedigung war.“             Villa errichten.
zog sie in die Villa in der Heidehofstraße ein
                                                                                             Bild oben rechts:
und schon 1928 durften sich Margarete und        Robert Bosch war allerdings weit davon      Der renommierte
Robert Bosch über die Geburt ihres Sohnes        entfernt, nur noch Privatmann zu sein. Er   deutsche Architekt
Robert freuen. Ein weiteres Kind kam im          nutzte seine Zeit auch weiterhin, um sein   Bruno Paul gestaltete
Herbst 1930 viel zu früh zur Welt und starb.     vielfältiges gemeinnütziges Engagement      in den 1920er Jahren
                                                                                             das Speisezimmer
                                                 fortzuführen. Neben der Völkerverständi-    der Villa.
Im Jahr darauf wurde die Tochter Eva ge-         gung lagen ihm besonders die Unterstüt-
boren. Da sich Robert Bosch zur Zeit seiner      zung Not leidender Menschen und die
zweiten Ehe schon aus dem operativen             Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten
Geschäft des Unternehmens zurückgezogen          am Herzen.
hatte, konnte er viel Zeit mit seiner Frau
und den Kindern verbringen. Wie bereits          Rückzug aus dem öffentlichen Leben
mit seiner ersten Familie war er auch mit        Mit der Machtübernahme der National-
Margarete sowie den Kindern Robert und           sozialisten 1933 zog sich Robert Bosch
Eva oft in den Bergen und auf dem Bosch-         noch stärker als zuvor ins Privatleben
hof in Bayern oder in seiner Jagdhütte bei       zurück. Er war verzweifelt angesichts der
Urach auf der Schwäbischen Alb. So berich-       sehr früh erkennbaren Absichten Hitlers,
tet er aus dem Engadin: „Meine Frau und          einen neuen Krieg zu führen. Sein Privat-
18 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte

                           sekretär Felix Olpp berichtet aus der Zeit    der Kinder wegen und dann auch, weil vor
                           um 1935: „Herr Bosch litt ja unter der        allem meine Leute in der Firma mich nicht
                           Ungerechtigkeit der Nazis ungeheuer und       in Gefahr wissen wollen.“
                           wenn wir oft nicht wussten, wie wir ihn
                           beruhigen könnten, rief ich Herrn Mauk        Über die zweite Ehe gibt es kaum schrift-
                           [Direktor des Boschhofs] an, der dann auch    liche Zeugnisse. Theodor Bäuerle, ein enger
                           stets wichtige Boschhof-Fragen wusste,        Vertrauter von Robert Bosch, schreibt in
                           die er mit Herrn Bosch besprechen wollte.     seinen Erinnerungen: „An den Kindern
                           Wir konnten in solchen Tagen und Wochen,      hatte er eine großväterliche Freude, auf
                           in denen Herr Bosch besonders nieder-         den heranwachsenden Sohn setzte er große
                           geschlagen war, ihm vorschlagen, auf den      Hoffnungen. […] Frau Margarete Bosch
                           Boschhof zu fahren, wo es Herrn Mauk          verstand es mit außerordentlicher Klugheit,
                           meistens gelang, ihn umzustimmen.“            der Eigenart ihres Mannes gerecht zu
                                                                         werden. […] sie brachte Gäste ins Haus,
                           Nach Kriegsbeginn im September 1939           sodass es eigentlich nie an Unterhaltung
                           siedelte die Familie auf den Boschhof         und Geselligkeit fehlte, und sie wusste die
                           um, die Kinder gingen dort in die Schule.     Gäste so auszuwählen, dass seine mannig-
                           Das Angebot von Paula, seiner Tochter         fachen Interessen dadurch befriedigt
                           aus erster Ehe, in Sillenbuch bei Stuttgart   wurden.“ Darüber hinaus war die Gattin
                           zu wohnen, lehnte Robert Bosch ab:            in vielem Mitarbeiterin, Beraterin und
                           „Wir haben aber nicht die Absicht, nach       auch Vermittlerin zur nächsten Generation.
                           Stuttgart zurückzukehren, solange man         Damit wurde sie Robert Bosch eine große
                           an Beschießung denken muss. Einerseits        Stütze im Alter.
Robert Bosch | 19

Die letzten Lebensjahre                        Verband um den Kopf in Höhe der Ohren
Nach der Umwandlung der Firma in eine          und stöhnte vor Schmerzen.“ Robert Bosch
GmbH 1937 regelte Robert Bosch seinen          starb am 12. März 1942 an den Folgen einer
Nachlass und verfasste 1938 sein Testa-        Mittelohrentzündung.
ment. Darin hielt er seine Vorstellungen
über die Zukunft seiner Firma und über         Selbst im Tod konnte er den nationalsozia-
sein Erbe fest. Drei Jahre später feierte er   listischen Machthabern nicht entkommen.
seinen 80. Geburtstag im Kurhotel Brenner      Telefonisch wurde aus Berlin mitgeteilt,
in Baden-Baden. Er hatte diesen Ort ge-        dass es am 18. März 1942 ein Staatsbe-
wählt, um der Ehrung zum „Pionier der          gräbnis geben solle. An dessen Vorabend
Arbeit“ durch die Nationalsozialistische       fand eine schlichte Trauerfeier in der
Partei in Stuttgart zu entkommen. Dieser       Stuttgarter Werkanlage zusammen mit der
Plan misslang, denn der nationalsozialis-      Familie statt. Das Staatsbegräbnis wurde
tische Leiter der „Arbeitsfront“ Robert Ley    in der König-Karl-Halle des Stuttgarter
machte ihn in Baden-Baden ausfindig und        Landesgewerbemuseums ausgerichtet.
überreichte ihm dort letztlich doch den
Orden.                                         In vielen Nachrufen wurden die unterneh-
                                               merischen und persönlichen Leistungen
Im darauffolgenden Winter war Robert           und besonders das soziale Engagement
Bosch von schwerer Krankheit gezeichnet.       des Firmengründers Robert Bosch geehrt.
Nichtsdestotrotz erschien er regelmäßig in     Dieses Andenken wird bis heute in allen
seinem Privatsekretariat, wie Olpp schreibt:   Bereichen des Unternehmens und der
„Noch zwei oder drei Tage vor seinem Tod       Robert Bosch Stiftung sowie bei seinen
war er im Büro und arbeitete. Er trug einen    Nachfahren in Ehren gehalten.

Bilder von links nach rechts:
Robert d. J. und Eva Bosch auf
der Reitbahn bei der Stuttgarter
Reithalle, 1937

Robert Bosch (3. v. l.) an Deck
eines Schiffs nach Amerika, 1924

Gruppenaufnahme im Kurpark
Baden-Baden, darunter
Robert und Margarete Bosch
(2. und 3. v. l.), 1935
20 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte

Jägerlatein und Vogelparadies
Robert Bosch als Jäger und Landwirt
von Dr. Kathrin Fastnacht
Robert Bosch | 21

Bereits während seiner Lehrzeit übte Robert Bosch das Schießen mit einer
vom eigenen Taschengeld bezahlten Flobertbüchse – jedoch machte er damit
vorerst nur Jagd auf Spatzen. Es vergingen noch über 20 Jahre, bis er zum
„richtigen“ Jäger wurde. Er war jedoch nicht nur Jäger, sondern auch Heger
und Pfleger des Wildbestandes. Neben dieser Leidenschaft widmete er sich
der Landwirtschaft auf seinem Boschhof in Mooseurach. Dort schoss er nun
nicht mehr auf Spatzen, sondern siedelte eine große Vielfalt von Vögeln an,
die im Sumpfland die Insekten vertilgen sollten.

„Zwar jagte ich bis 1904 nur in der Som-        Jagdfreunde
merfrische im Gebirge. Dann pachtete ich        Robert Bosch hatte nicht sehr viele enge
die Gemeindejagd Magstadt [bei Stuttgart],      Freunde, da er auch bei vertrauten Men-
und das war für mich eine ausgezeichnete        schen nie ganz eine gewisse Spröde im
Quelle der Erholung. Ich hatte mir einen        Umgang verlor, aber die wenigen Vertrauten
kleinen Kraftwagen gekauft und brachte          konnten sich vollkommen auf ihn verlassen.
fast jeden Samstagnachmittag und Sonntag        Er behielt es sich jedoch vor, das Maß an
im Jagdhause zu, bei schönem Wetter mit         Vertraulichkeit zu bestimmen. Intensive und
Familie, sonst mit einem Jagdfreund oder        freundschaftliche Kontakte pflegte er vor
meinem Sohn.“ Bei seinen Jagdausflügen          allem zu den Männern, die seine Leiden-
spielte neben dem eigentlichen Hobby auch       schaft für die Jagd teilten. Zu ihnen zählten
die Verbundenheit mit der Natur eine wich-      der Schwabe Paul Reusch (1868 – 1956),
tige Rolle. Zu Beginn der Brunftzeit siedelte   Vorstandsvorsitzender der Gutehoffnungs-
Bosch ab 1918 jährlich für etwa acht Tage       hütte in Oberhausen, Georg Escherich
nach Pfronten über, um mit seinem Ober-         (1870 – 1941), Berufsjäger, und als liebster
jäger Franz Schöll oder anderen in seinem       Jagdgefährte Otto Mezger (1875 – 1934),
neuen Jagdgebiet auf die Pirsch zu gehen.       Direktor des chemischen Untersuchungs-
                                                amtes der Stadt Stuttgart.

Bild links:
Interessante Einsichten: Robert
Bosch (rechts) mit Güterdirektor
Mauk auf dem Boschhof, 1935

Bild rechts:
Robert Bosch und sein Revierjäger
Seraphin Schöll, 1941
22 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte

Bild oben links:           Robert Boschs Privatsekretär Felix Olpp er-   Einladungen zur Jagd
Robert Bosch (1. v. r.)
                           innerte sich: „Zu den Gästen, die er gerne    Wer zur Jagd eingeladen wurde, stand in
mit drei weiteren Jägern
und Trophäen, um 1938      einlud, zählten sein Güterdirektor Walther    hohem Ansehen bei Bosch. Entsprechend
                           Mauk vom Boschhof, verschiedene Ärzte,        hoch waren aber auch die Erwartungen an
Bild oben rechts:          unser Dr. Alfred Knoerzer, die Herren         die Jagdgäste, wie sich Felix Olpp später
Robert Bosch (1. v. r.)
                           August und Felix Schuler, Direktor Ritter     erinnerte: „Herr Bosch sagte oft, der Auf-
mit Reisebegleitern vor
einer Hütte in Schweden,   von Daimler-Benz und vor allem sein Freund    enthalt in Pfronten ermögliche Kontakte,
1917                       Schirg (Oberforstrat Dr. Georg Escherich).“   die eben im Büro nie zu erreichen seien.
Robert Bosch | 23

Man lerne sich auf der Jagd ganz anders       nicht Organisationen wie das Unternehmen
kennen als in der betrieblichen Atmosphäre.   Bosch als Jagdpächter fungieren konnten,
Gespräche in Jagdhütten oder in der Krone     legte Boschs Ehefrau Margarete nach dem
in Pfronten waren ihm stets geschäftlich      Tod ihres Mannes die Jägerprüfung in
sehr von Nutzen.“ Enttäuschte der Besucher    Pfronten ab, damit die Jagdgebiete weiter
den Gastgeber, war es schwierig für ihn,      für die Familie und die Firma erhalten
mit Bosch ins Geschäft zu kommen.             werden konnten.

Die Bosch-Jagden in Urach auf der             Die Jagd und alles, was damit zusammen-
Schwäbischen Alb, im Tiroler Karwendel-       hing, gaben Robert Bosch ein besonderes
gebirge und im Allgäu bei Pfronten waren      Lebensgefühl. Die Stille während der
bald sehr berühmt. Unter Jägern wurde         Pirsch entsprach seinem wortkargen
der ausgezeichnete Wildbestand geschätzt,     Wesen. Nach erfolgreicher Jagd jedoch
den Bosch gewissenhaft pflegte. Bis ins       konnte er richtig auftauen und mit großer
hohe Alter ging Robert Bosch noch auf die     Freude Jagdlieder singen – ohne dass er
Jagd, auch wenn ihm später der Anstieg        unbedingt ein großer Sänger gewesen wäre.
zu Fuß zu anstrengend geworden war und
er deshalb auf dem Pferd zum Ausgangs-        Der Erwerb des Boschhofs
punkt der Jagd ritt. Wie in seinen Produk-    Auch in einem weiteren Bereich, der
tionshallen achtete der Unternehmer auch      Landwirtschaft, zeigte sich die tiefe Ver-
bei der Jagd auf Präzision und wurde          bundenheit von Robert Bosch zur Natur:
wegen seiner exzellenten Treffsicherheit      „Die Landwirtschaft als solche ist einer
gerühmt. Da nur lebende Personen und          der interessantesten Erwerbszweige, die

Bild links:
Robert Bosch mit einer
Robbe in Schweden, 1917

Bild rechts:
Robert Bosch mit Güter-
direktor Mauk bei der Be-
sichtigung des Boschhofs,
1932
24 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte

Bild oben links:           es gibt. Er ist so mannigfaltig wie kaum     in Beuerberg in Bayern erworben, die mit
Moderne Siloanlagen                                                     der elektrolytischen Torfhydrierung nach
                           ein anderer; denn er ist verhängt mit Zoo-
auf dem Boschhof, 1930
                           logie, Botanik, Geologie, Chemie, Meteo-     Ekenberg Torf für die Brennstoffherstellung
Bild oben rechts:          rologie in den verschiedensten Auswirkun-    gewinnen wollte. Es stellte sich jedoch
Werbung für die Produkte   gen.“ Boschs Neigung zur Landwirtschaft      heraus, dass das Verfahren unrentabel war.
des Boschhofs, 1931
                           trat früh zutage. Bereits um 1900 hatte
                           er damit geliebäugelt, die Domäne „Klein-    Vom Sumpf zu Milch und Honig
                           Hohenheim“ bei Stuttgart zu kaufen und       Nach diesem Rückschlag war der Ehrgeiz
                           sich in der Landwirtschaft zu betätigen.     des Unternehmers geweckt. Er wollte die
                           Seine Frau Anna wollte allerdings nichts     schlechten Böden in Oberbayern in ein
                           davon wissen. Sicherlich fürchtete sie,      landwirtschaftliches Mustergut verwandeln.
                           dass sich ihr bereits viel beschäftigter     Aus sieben ehemals selbstständigen Bau-
                           Mann damit zu viel zumuten würde.            ernhöfen entstand der Boschhof. „Damals
                                                                        schien es mir eine Großtat, aus einem
                           Nach dem Ersten Weltkrieg stieg Robert       Sumpfe ein Land zu machen, auf dem
                           Bosch dennoch in die Landwirtschaft ein.     Milch und Honig flösse.“
                           Dies geschah allerdings weniger aus reinem
                           Interesse, sondern war vielmehr die Folge    Die Prinzipien seiner industriellen Tätigkeit
                           einer Fehleinschätzung. Er hatte um 1912     sollten auch in der Landwirtschaft umge-
                           Anteile einer Moorverwertungsgesellschaft    setzt werden. Boschs Plan war es, mit dem
                                                                        Einsatz modernster Techniken qualitativ
Robert Bosch | 25

hochwertige Produkte zu erzeugen und           Nach dem Tod von Robert Bosch 1942          Stand des Boschhofs auf
                                                                                           der Landwirtschaftlichen
regional zu vermarkten. Spezielle Maschi-      wurde Mooseurach der Zufluchtsort für
                                                                                           Ausstellung in München,
nen wurden eingesetzt, die neu entwickelte     seine zweite Familie. Margarete Bosch       1936
Silofütterung wurde eingeführt. Gleichzeitig   führte den Boschhof mit verschiedenen
bediente man sich schon ökologischer           Verwaltern weiter. Obwohl das Gut wieder-
Verfahren: Bosch schuf ein wahres Vogel-       holt verkleinert wurde, schrieb es keine
paradies – eine natürliche Methode zur         schwarzen Zahlen, sodass der Betrieb
Schädlingsbekämpfung. Auf dem Hof              1976 eingestellt wurde. Seit 1986 werden
Mooseurach baute Robert Bosch ein Haus         nun die ehemals dem Moor abgerunge-
für die Familie und errichtete Wohnhäuser      nen Flächen wieder renaturiert. Darüber
für seine bald über 300 Beschäftigten.         hinaus betreibt die Familie Bosch heute
                                               dort wieder eine ökologische Landwirt-
Doch trotz aller Bemühungen blieb das          schaft.
Projekt Boschhof ein Zuschussgeschäft.
Wie er selbst später sagen sollte, war er
zum Boschhof „wie der Blinde zur Ohrfeige“
gekommen. Fortan war sein Credo, dass
sich nur Leute mit der Landwirtschaft
beschäftigen sollten, die auch wirklich
etwas davon verstünden.
26 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte

Der Unternehmer

                                                 Robert Bosch an seinem
                                                 Schreibtisch in der
                                                 Stuttgarter Fabrik, 1906
Robert Bosch | 27
28 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte

„Am liebsten wäre mir’s schon allein“
 Die Werkstätte für
 Feinmechanik & Elektrotechnik
 von Dieter Schmitt

 Bereits in den Briefen an seine spätere erste Frau Anna Kayser wird Robert
 Boschs Wunsch deutlich, sich selbstständig zu machen und eine eigene Firma
 zu gründen. Allerdings wusste er im Frühjahr 1886 noch nicht, wo er sich nie-
 derlassen sollte. Lange lag Köln in seinen Überlegungen vorne, doch schließlich
 gaben die wirtschaftlichen Aussichten und wahrscheinlich auch der Wohnort
 der Verlobten im nahen Obertürkheim den Ausschlag: Stuttgart sollte es sein.

                                                                In einem Hinterhaus in der Rotebühl-
                                                                straße 75 B in Stuttgart mietete Robert
                                                                Bosch Erdgeschossräume, um sich dort
                                                                selbstständig zu machen. Die Werkstätte
                                                                hatte – nach seiner Beschreibung – „eine
                                                                Schreibstube, eine größere und kleinere
                                                                Werkstatt sowie einen Raum ohne eigenes
                                                                Licht, in dem auch die Feldschmiede
                                                                stand“. Am 11. November 1886 richtete
                                                                er gemeinsam mit seinen ersten Mitar-
                                                                beitern, einem Mechaniker und einem
                                                                Laufburschen, die „Werkstätte für Fein-
                                                                mechanik & Elektrotechnik“ ein. Robert
                                                                Bosch konnte allerdings nicht sofort an-
                                                                fangen: Die amtliche Genehmigung fehlte
 Das erste Firmen-                                              noch. Sie traf schließlich vier Tage später
 schild der neu eröff-                                          ein, am 15. November 1886. Dieser Tag
 neten „Werkstätte
 für Feinmechanik &
                                                                gilt seitdem als Gründungstag des Unter-
 Elektrotechnik“, 1886                                          nehmens. Das Startkapital von 10 000 Mark
                                                                stammte aus Boschs Anteil am Erbe des
                                                                Vaters, der sechs Jahre zuvor verstorben
                                                                war. Aber das Geld sollte nicht lange rei-
                                                                chen.
Robert Bosch | 29

Startschwierigkeiten                            beim Aufhören des Drucks, Gasanzünder,         Bild oben links:
Robert Bosch konnte bei der Annahme                                                            Robert Bosch im Alter
                                                elektrisch anzeigende Schießscheiben
                                                                                               von 25 Jahren, 1886
seiner Aufträge nicht wählerisch sein. Er       und wohl noch manches andere, an das
erledigte alle feinmechanischen oder elek-      ich mich nicht mehr erinnere.“                 Bild oben rechts:
trotechnischen Arbeiten, die seine Kunden                                                      Der Hinterhof des Hauses
bei ihm in Auftrag gaben. Gottlob Honold,                                                      Rotebühlstraße 75 B. Im
                                                Trotz dieses breiten Angebots hatte Bosch
                                                                                               Erdgeschoss rechts war
zwischen 1891 und 1894 Lehrling bei             in den ersten Jahren manchmal nicht genü-      die Werkstätte von 1886
Bosch und später Entwicklungsleiter und         gend Aufträge, um seine Belegschaft ausrei-    bis 1890 untergebracht.
Vorstand, erinnerte sich an eine Vielzahl       chend zu beschäftigen und am Zahltag die
von Produkten und Dienstleistungen: „Ein        Löhne auszubezahlen. Seinen Mitarbeitern
elektrischer Klavierstenograf, verschiedene     wollte er aber nichts schuldig bleiben. Und
große fotografische Kameras mit etwa            so lieh er sich Geld bei seiner Mutter oder
zehn Metern Brennweite (Objektivabstand),       nahm mit Bürgschaften der Familie einen
Schreibmaschinen, Geschwindigkeits-             Kredit auf. Gelegentlich half auch ein be-
messer, Füllfederhalter, Gravierzirkel, foto-   nachbarter Früchtehändler mit kleineren
grafische Verschlüsse, Telefonschnüre,          Krediten aus. Richard Schyle, der zwischen
Telefonstationen, Linienwähler, elektrische     1891 und 1930 bei Bosch arbeitete, erzählt
Klingeln, elektrische Wasserstandsfern-         in seinen Erinnerungen, dass Robert Boschs
melder, elektrische Elemente, elektrische       „Arbeiter in jener Zeit vielleicht mehr Geld
Türkontakte und Druckknöpfe, Widerstands-       gehabt hätten als er“. Robert Bosch hielt
messbrücken, Zigarrenspitzen, Wasser-           das im Rückblick allerdings für übertrieben,
leitungshahnen mit selbsttätiger Entleerung     auch wenn er die ersten Jahre der Selbst-
30 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte

                                                                                                  Anlässlich der
                                                                                                  Fertigstellung des
                                                                                                  tausendsten Magnet-
                                                                                                  zünders 1896 machte
                                                                                                  Robert Bosch (obere
                                                                                                  Reihe, 3. v. l.) ge­-
                                                                                                  meinsam mit seinen
                                                                                                  Mitarbeitern einen
                                                                                                  Betriebsausflug.

                           ständigkeit selbst als „böses Gewürge“        anzubieten. 1921 formulierte er dies für
                           bezeichnete, gekennzeichnet durch Höhen       die Mitarbeiterzeitung „Bosch-Zünder“
                           und Tiefen. Besonders schwer war das          so: „Immer habe ich nach dem Grundsatz
                           Jahr 1892, als er gezwungen war, von          gehandelt: Lieber Geld verlieren als
                           24 Mitarbeitern alle bis auf zwei zu ent-     Vertrauen. Die Unantastbarkeit meiner
                           lassen. Aber Bosch meisterte auch diese       Versprechungen, der Glaube an den Wert
                           schwierige Zeit.                              meiner Ware und an mein Wort standen
                                                                         mir stets höher als ein vorübergehender
                           Grundsätze                                    Gewinn.“
                           In der Werkstätte herrschte ein strenger
                           Ton. Robert Bosch achtete sehr auf Spar-      Wenn er bei seinen Beschäftigten bemerkte,
                           samkeit, Qualität, Pünktlichkeit und Diszi-   dass diese schlampig arbeiteten oder mit
                           plin. Er legte größten Wert darauf, seinen    den Betriebsmitteln verschwenderisch um-
                           Kunden eine absolut einwandfreie Leistung     gingen, sprach Robert Bosch dies sofort an.
Robert Bosch | 31

Die langjährigen Mitarbeiter wie Gottlob       blatt für Elektrotechnik“ hielt sich Robert
Honold wussten, wie sie damit umgehen          Bosch auf dem Laufenden und schaltete
mussten. So sei ab und zu „ein reinigen-       Anzeigen in Zeitschriften, um seine Werk-
des Ungewitter durch die ganze Bude“           statt bekannter zu machen.
gegangen, „aber schnell hellte sich immer
der Himmel wieder auf und bei dem guten        Werkstattatmosphäre
persönlichen Verhältnis zwischen dem           Richard Schyle gibt in seinen Erinnerungen
Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern           auch Einblicke in die Arbeitsatmosphäre
war sehr rasch wieder der Friede herge-        bei Bosch und berichtet von heiteren Stun-
stellt.“                                       den in der Werkstatt. So sperrte Robert
                                               Bosch beispielsweise an einem Tag, an
Robert Bosch forderte Leistung von             dem die Sommerhitze in den Räumen un-
seinen Mitarbeitern, sorgte aber auch          erträglich wurde, kurzerhand die Werkstatt
dafür, dass sie diese erreichen konnten.       zu und gab der Belegschaft einen Tag frei.
Er wusste, dass ein Mitarbeiter an einer       Auch sangen die Arbeiter gerne bei der
veralteten Werkbank mit schlechten Werk-       Arbeit, was Bosch so sehr gefallen haben
zeugen nicht die qualitativ hochwertigen       soll, dass er dann zumeist in seinem Büro
Produkte herstellen konnte, wie er sie         blieb, um sie nicht durch sein Erscheinen
von ihm forderte.                              zu unterbrechen. Den Bau des tausendsten
                                               Magnetzünders feierte Robert Bosch 1896       Bilder unten von links
                                                                                             nach rechts:
Deshalb investierte er den geringen            gemeinsam mit seinen Beschäftigten bei
                                                                                             Die erste Werbeanzeige
Gewinn in neueste Maschinen und Werk-          einem Betriebsausflug in einem Gasthaus       von Robert Bosch in der
zeuge. Für seine Serviceaufträge kaufte        nahe Stuttgart. Der Magnetzünder war          Stuttgarter Tageszeitung
er sich 1890 ein Fahrrad. Und um für           bereits zum wichtigsten Umsatzträger des      „Der Beobachter“, 1887
seine Kunden schnell und leicht erreich-       Unternehmens geworden. Dass dieses
                                                                                             Stationärer Benzinmotor
bar zu sein, leistete er sich einen Telefon-   Produkt den Namen Bosch bald um die           aus den 1890er Jahren
anschluss, der damals mit 150 Mark             ganze Welt tragen würde, ahnte zu diesem      mit einer Bosch-Nieder-
Jahresmiete noch sehr teuer war. Durch         Zeitpunkt aber noch niemand.                  spannungs-Magnet-
                                                                                             zündung
ein Abonnement der Zeitschrift „Central-
                                                                                             Funktionszeichnung
                                                                                             der ersten Bosch-Nieder-
                                                                                             spannungs-Magnetzün-
                                                                                             dung mit Abreißgestänge
                                                                                             von 1887
32 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte

Die zündende Idee
Robert Bosch und der Magnetzünder
von Dieter Schmitt

                           Voller Stolz schrieb Robert Bosch am 16. März 1900 an seinen Schwager
                           Eugen Kayser, er plane, ein Haus in Stuttgart zu kaufen und seine erste eigene
                           Fabrik zu bauen. Dieser Neubau markierte die Wende von der kleinen Stuttgarter
                           Hinterhofwerkstatt zu einem Industrieunternehmen mit Vertretungen und
                           Standorten auf der ganzen Welt. Die Basis für den wirtschaftlichen Durchbruch
                           bildete der Magnetzünder, den Bosch und seine Mitarbeiter so weiterentwickelt
                           hatten, dass er zum damals besten Zündsystem für Kraftfahrzeuge wurde.
Robert Bosch | 33

Robert Bosch war eher zufällig auf den        Das erste Exemplar eines Bosch-Zünders       Bilder oben von links
Magnetzünder aufmerksam geworden. Ein         lieferte er an den Maschinenbauer            nach rechts:
                                                                                           Blick auf das erste
Maschinenbauer hatte ihn gefragt, ob er       Schmehl & Hespelt ins württembergische       eigene Fabrikgebäude
ihm nicht einen Magnetzünder nachbauen        Städtchen Möckmühl. Aber Bosch hatte         von Bosch in der
könne, wie er ihn in Schorndorf gesehen       den Magnetzünder nicht einfach unver-        Stuttgarter Hoppenlau-
habe. Robert Bosch nahm die Anregung auf,     ändert nachgebaut, sondern verbessert.       straße, 1936

fuhr ins etwa 30 Kilometer von Stuttgart      Statt der anfälligen schweren Stabmagnete    Robert Bosch brachte
entfernte Schorndorf und studierte den        verwendete er kleinere und stabilere         bei der Planung des
Apparat dort genau. Die Magnetzündung         U-förmige Magnete. Sie sorgten für eine      Gebäudes seine Ideen
diente damals zur Erzeugung eines elek-       stärkere Magnetwirkung und verbesserten      und Vorstellungen in
                                                                                           die Entwürfe des
trischen Funkens, mit dem das Gasgemisch      dadurch die Funktionsweise noch zusätz-      Architektenbüros
in einem stationären Verbrennungsmotor        lich.                                        Beisbarth & Früh ein,
zur Explosion gebracht wurde.                                                              1900.
                                              In den folgenden Jahren stellte Bosch die
                                                                                           Stolz berichtete Bosch
Umsatzträger                                  Magnetzünder in steigender, aber immer       seinem Schwager
Der Apparat, den sich Robert Bosch an-        noch relativ kleiner Stückzahl her. 1888     Eugen Kayser vom Kauf
gesehen hatte, war an einem Motor der         lieferte er insgesamt neun Magnetzünder      des Wohnhauses in der
Gasmotorenfabrik Deutz in Köln angebaut.      aus, ein Jahr später schon 23 Apparate.      Militärstraße 2 B und von
                                                                                           den Überlegungen für
Bosch konnte ihn nachbauen, nachdem er        1891 wurden bereits mehr als 100 Magnet-     den Fabrikneubau, 1900.
sich vergewissert hatte, dass der Magnet-     zünder bei Bosch gefertigt. Damit steuerte
zünder patentrechtlich nicht geschützt war.   der Magnetzünder erstmalig über 50 Pro-
34 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte

                                         Bild links:
                                         Erster Bosch-Hochspannungs-
                                         Magnetzünder, Typ HdH, 1902

                                         Bild rechts:
                                         Für Fahrzeuge wie dieses Dreirad
                                         von Heinle & Wegelin mit Rücksitz
                                         und Anhänger entwickelte Bosch
                                         ein Magnetzündsystem, 1897.

                           zent zum Umsatz der Werkstätte bei und            Einbau ins Automobil
                           bildete von nun an die wirtschaftliche Basis      Frederick Richard Simms – ein englischer
                           für Bosch.                                        Automobilpionier – schickte 1897 ein
                                                                             Motordreirad der französischen Firma
                           Die ersten Magnetzünder von Bosch hatten          De Dion-Bouton nach Stuttgart, um einen
                           aber einen großen Nachteil, der einen             Magnetzünder einbauen zu lassen. Robert
                           weiteren Ausbau dieses Geschäftsfeldes            Bosch und sein Meister Arnold Zähringer
                           zunächst verhinderte: Sie waren aufgrund          hatten den Angaben von Simms, dass der
                           ihrer Konstruktionsweise nur für langsam          Motor etwa 600 Umdrehungen pro Minute
                           drehende Stationärmotoren geeignet.               schaffen würde, nicht geglaubt. Sie wollten
                           Diese waren beispielsweise in Fabriken            sich deshalb selbst Gewissheit verschaffen.
                           oder Mühlen fest installiert, um dort die         Allerdings wagte nur der damalige Lehrling
                           Maschinen anzutreiben. Hier spielten die          und spätere Vorstand Max Rall eine erste
                           Größe und das Gewicht der Motoren kaum            Probefahrt auf dem ungewöhnlich schnellen
                           eine Rolle. Sie konnten wegen ihrer Größe         Gefährt, die auch prompt in den aufgesta-
                           auch bei niedriger Drehzahl – in dieser Zeit      pelten leeren Weinfässern der benachbar-
                           etwa 120 Umdrehungen pro Minute – genü-           ten Weinhandlung Hirsch endete. Eine
                           gend Kraft entwickeln, um ihren Zweck zu          weitere Testfahrt auf einer Landstraße
                           erfüllen. In den folgenden Jahren konnte          brachte schließlich die Erkenntnis, dass
                           die Drehzahl zwar noch auf etwa 200 bis           der Motor etwa 1 800 Umdrehungen pro
                           300 Umdrehungen in der Minute gesteigert          Minute erreichte.
                           werden, aber damit waren die technischen
                           Möglichkeiten dieser Bauart ausgereizt.           Eines war damit klar: Ein Magnetzünder,
                           Für die kleineren, schnell laufenden Mo-          wie man ihn bisher gebaut hatte, konnte
                           toren, wie sie in den neuen und modernen          diese Drehzahlen nie erreichen. Doch so
                           Kraftfahrzeugen – zumeist motorisierte            schnell gaben Bosch und Zähringer nicht
                           Kutschen, Fahrräder oder Dreiräder –              auf und schließlich hatte Zähringer die
                           gebraucht wurden, waren diese Magnet-             zündende Idee: Statt des schweren Ankers
                           zünder nicht geeignet. Denn diese neuen           ließ er eine kleinere Hülse im Magnetzünder
                           Motoren erreichten Drehzahlen von über            pendeln. Damit hatte er eine verblüffend
                           1 000 Umdrehungen pro Minute.                     einfache Lösung für dieses Problem ge-
                                                                             funden.
Robert Bosch | 35

Viele Autofahrer wollten nun statt der        herigen Werkstatt, in der Militärstraße      Bild oben:
                                                                                           Werbung des öster-
unsicheren Zündsysteme, die an ihren          (heute Breitscheidstraße). In Briefen an
                                                                                           reichischen Vertreters
Autos noch angebaut waren, das neue           seine Freunde schrieb er stolz, dass er      Dénes und Friedmann für
Zündsystem von Bosch haben. Um auch           nun „Hausbesitzer“ sei, und er rechnete      den Bosch-Magnetzünder,
die Kunden außerhalb Deutschlands             ihnen vor, dass sich die Investition wirt-   um 1905
schnell beliefern zu können, gründete         schaftlich innerhalb weniger Jahre lohnen
                                                                                           Bild unten links:
Bosch gemeinsam mit Simms 1898 seine          werde. Denn an das Haus schloss sich noch    Französische Werbung
erste Vertriebsgesellschaft in London für     ein großer Garten an, den er für den Bau     für das Bosch-Licht, ein
den englischen Markt. Ein Jahr später         eines neuen Werkstattgebäudes nutzen         System mit Scheinwer-
                                                                                           fern, Generator, Regelung
folgten Vertretungen in Frankreich und        wollte.
                                                                                           und Batterie, 1914
Österreich.
                                              Beim Bau der Fabrik setzte Robert Bosch      Bild unten rechts:
„Hausbesitzer bin ich“                        konsequent seine Ideen um. Er ließ das       Probefahrt mit dem
                                                                                           ersten Bosch-Firmen-
Das rasche europaweite Wachstum machte        Gebäude ganz in moderner Eisenbeton-
                                                                                           wagen mit Gustav Klein,
nun auch größere Investitionen in Stuttgart   Bauweise errichten – das erste seiner Art    Gottlob Honold, Ernst
möglich und nötig. 1900 kaufte Robert         in Stuttgart. Außerdem achtete Bosch auf     Ulmer, Arnold Zähringer
Bosch ein Mietshaus unweit seiner bis-        eine gute Gestaltung der Arbeitsräume.       (v. l. n. r.), 1907
36 | Sonderheft | Magazin zur Bosch-Geschichte

Bilder oben von links       Die großen Fenster der Werkstatträume        kehren. Robert Bosch richtete ihm im Hin-
nach rechts:
                            beispielsweise ließen ausreichend Licht      terhof der neuen Fabrik ein Labor ein und
Robert Bosch bei der
Einweihung der Fabrik       herein, ein ausgeklügeltes Lüftungssystem    beauftragte ihn damit, das anfällige Abreiß-
in Paris mit Mitarbeitern   sorgte für gute Atemluft. Am 1. April 1901   gestänge des Magnetzünders überflüssig zu
und Geschäftspartnern,      zog Bosch mit 45 Mitarbeitern in die neue    machen. Das Gestänge gab häufig Anlass zu
beispielsweise Frederick
                            „Elektrotechnische Fabrik Robert Bosch“      Ärger und war zudem sehr aufwendig in der
Simms (5. v. r.), 1905
                            ein, wie es in großen Buchstaben vertikal    Herstellung, da es an jeden Motor einzeln
Eingangsbereich der         am Treppenhaus des Gebäudes stand.           angepasst werden musste.
Fabrik in Paris, um 1906
                            Mit Hochspannung                             Honold suchte trotz vieler gescheiterter
Gruppenaufnahme
wichtiger Bosch-Mitarbei-   Am selben Tag kam auch Gottlob Honold        Versuche konsequent nach einer besseren
ter der Anfangsjahre:       wieder zurück. Nach seiner Lehrzeit hatte    Lösung. Schließlich entwickelte er einen
Gustav Klein, Gottlob       er Bosch verlassen, um als Mechaniker bei    Hochspannungs-Magnetzünder, der das
Honold, Ernst Ulmer und
                            anderen Firmen zu arbeiten. Nach seinem      unzuverlässige Abreißgestänge durch Zünd-
Hugo Borst (v. l. n. r.),
1906                        Studium in Stuttgart und dem Militärdienst   kerzen ersetzte. Als er im Dezember 1901
                            hatte er zufällig seinen ehemaligen Lehr-    den ersten Prototypen präsentierte, war
                            herrn getroffen, der ihn davon überzeugte,   Robert Bosch beeindruckt: „Damit haben
                            als Entwickler zur Firma Bosch zurückzu-     Sie den Vogel abgeschossen!“
Robert Bosch | 37

Wachstum weltweit                              dierte das Geschäft mit den USA nahezu.
Die Firma wuchs nun rasant. Beide              Um die hohen Einfuhrzölle zu sparen und
Systeme – sowohl der ältere Niederspan-        den Lieferweg zu verkürzen, entschied sich
nungs- als auch der neue Hochspannungs-        Robert Bosch, eine eigene Fertigung in
Magnetzünder – fanden weltweit reißenden       Springfield/Massachusetts aufzubauen.
Absatz. Schon bald platzte das eben erst       Die USA waren innerhalb weniger Jahre
gebaute Fabrikgebäude aus allen Nähten         zum mit Abstand wichtigsten Absatzmarkt
und Bosch erweiterte das Gelände im            für Bosch geworden.
Stuttgarter Westen stetig. 1905 konnte er
gemeinsam mit seinen wichtigsten Mitar-        Robert Bosch AG
beitern und Geschäftspartnern den zweiten      Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges im
Fertigungsstandort einweihen: eine Fabrik      Sommer 1914 war für Bosch eine Katastro-
in Paris. Dabei handelte es sich noch um       phe. Die wichtigen Auslandsmärkte fielen
ein Gemeinschaftsprojekt mit Frederick         mit einem Schlag größtenteils weg und
Simms. Doch schon bald wurden die Span-        die meisten Kriegsgegner Deutschlands
nungen zwischen den Partnern größer.           beschlagnahmten das Bosch-Vermögen –
Bosch war zunehmend unzufrieden mit den        neben den materiellen Werten auch die
Geschäftspraktiken des Engländers und          Schutzrechte sowie die Patente und
wollte sich deshalb möglichst schnell von      Marken.
ihm trennen. Er dachte sogar daran, seine
gesamte Firma einschließlich der englischen    Auch persönlich ging der Krieg Robert         Bild unten links:
                                                                                             Camille Jenatzy auf
und französischen Gemeinschaftsunter-          Bosch sehr nahe. Schon 1912 – die Balkan-
                                                                                             Mercedes beim Gordon-
nehmen an Simms zu verkaufen.                  krise bedrohte den Frieden in Europa –        Bennett-Rennen in Irland,
                                               hatte er einem Freund geschrieben: „Ich       1903. Der belgische
Für die Verhandlungen stellte Bosch Gustav     bezahle lieber zehn Millionen Mark, wenn      Rennfahrer stand Pate
                                                                                             für die legendäre Bosch-
Klein, einen Studienfreund von Honold,         ich dadurch einen Krieg vermeiden kann.“
                                                                                             Werbefigur „Der rote
ein. 1906 trennte sich Bosch endgültig von     Neben die geschäftlichen und politischen      Teufel“.
Simms und übernahm den Vertrieb in den         Probleme traten nun zunehmend auch
damals wichtigsten Märkten – England und       private: Die schwere Krankheit des Sohnes     Bild unten rechts:
                                                                                             Plakat für Zündkerzen
Frankreich – selbst. Jetzt konnte er auch      belastete ihn und seine Ehefrau sehr.
                                                                                             mit dem „roten Teufel“,
den Sprung über den Atlantik wagen.            Robert Bosch erkrankte selbst und wollte      1913
Mit einer Liste der wichtigsten amerika-       deshalb seine Nachfolge in der Firma
nischen Autofirmen in der Tasche machte        regeln, wozu ihn auch seine wichtigsten
sich Gustav Klein 1906 auf den Weg nach        Mitarbeiter drängten. So entschied er sich,
Amerika. Die Reise Kleins und seiner Beglei-   die Firma in eine Aktiengesellschaft um-
ter glich einem wahren „Triumphzug“, wie       zuwandeln. Robert Bosch übernahm den
Robert Bosch es später beschrieb. Inner-       Vorsitz des Aufsichtrats der Robert Bosch
halb weniger Wochen konnte Klein Aufträge      AG und überließ das operative Geschäft
im Wert von über einer Million Dollar an       zunehmend seinen Vorständen.
Land ziehen. In den folgenden Jahren explo-
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