Schulblatt3/2019 Begabt - Talente erkennen und fördern - Kanton Zürich
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Kanton Zürich Schulblatt Bildungsdirektion 3/2019 Begabt Talente erkennen und fördern Lehrerausbildung Im Aufbau Paradigmenwechsel Näher an der Schule Die zukünftige Kantons- Neue Lernräume am dank Praxiszentren schule Zimmerberg Bildungszentrum Limmattal
5 14 Magazin Fokus: Volksschule Begabt 4 22 Kommentar 12 Praxiszentren Bildungsdirektorin Silvia Beratungsstunde Studierende noch näher an Steiner über den Stellenwert Die Primarschule Hedingen die Berufspraxis bringen der Kultur für die Schule versteht Begabtenförderung als Schulentwicklung 24 5 Stafette Im Lehrerzimmer 14 Die Schule Werd in Adliswil Berufsfachschule Winterthur, Im Gespräch setzt auf Clouddienste Schulhaus Mühletal Begabte brauchen mehr als Zusatzaufgaben, 27 6 sagt Begabungsforscher In Kürze Persönlich Victor Müller-Oppliger Simea Merz Deme leitet die Zentralstelle Mineurs 19 Non Accompagnés Talentklasse Das Pilotprojekt für begabte 9 Kochlernende an der Allge- Meine Schulzeit meinen Berufsschule Zürich Stefan Haupt, Filmemacher Wichtige Adressen Impressum Nr. 3/2019, 3.5.2019 Schulblatt Kanton Zürich 3/2019 Inhalt Bildungsdirektion: www.bi.zh.ch Generalsekretariat: 043 259 23 09 Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs Bildungsplanung: 043 259 53 50 Bildungsstatistik: www.bista.zh.ch weise: sechsmal jährlich, 134. Jahrgang, Auflage: 19 000 Ex. Redaktion: Redaktionsleiter Volksschulamt: www.vsa.zh.ch, 043 259 22 51 Mittelschul- und reto.heinzel@bi.zh.ch, 043 259 23 05; Redaktorin jacqueline.olivier@bi.zh.ch, 043 259 23 07; Berufsbildungsamt: www.mba.zh.ch, 043 259 78 51 Amt für Jugend Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, 043 259 23 09 Journalistische Mitarbeit an dieser und Berufsberatung: www.ajb.zh.ch, 043 259 96 01 Lehrmittel Ausgabe: Walter Aeschimann, Bettina Büsser, Andres Eberhard, Andreas Minder, Andrea verlag Zürich: www.lmvz.ch, 044 465 85 85 Fachstelle für Schulbe Söldi Abonnement: Lehrpersonen einer öffentlichen Schule im Kanton Zürich können das urteilung: www.fsb.zh.ch, 043 259 79 00 Bildungsratsbeschlüsse: «Schulblatt» in ihrem S chulhaus gratis beziehen (Bestellwunsch an Schul leitung). Be www.bi.zh.ch > Bildungsrat > Beschlussarchiv Regierungsrats stellung des «Schulblatts» an Privatadresse sowie Abonnement weiterer Interessierter: beschlüsse: www.rrb.zh.ch abonnemente@staempfli.com, 031 300 62 52 (Fr. 40.– pro Jahr) Online: www.schulblatt.zh.ch Gestaltung: www.bueroz.ch Druck: www.staempfli.com Inserate: inserate@staempfli.com, 031 767 83 30 Re daktions- und Inserateschluss nächste Aus gabe: 23.5.2019 Das Titelbild: Sophie Stieger nächste «Schulblatt» erscheint am: 21.6.2019 Weiterbildungsangebote Unter den nachfolgenden Links finden Sie zahlreiche Schulungs- und Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen, Fachlehrpersonen, Schulbehörden und Schul leitende: Volksschulamt: www.vsa.zh.ch > Ausbildung & Weiterbildung Pädagogische Hochschule Zürich: www.phzh.ch > Weiterbildung Unterstrass.edu: www.unterstrass.edu UZH/ETH Zürich: www.webpalette.ch > Sekundarstufe II > Gymnasium > UZH und ETH Zürich, Maturitätsschulen HfH – Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich: www.hfh.ch > Weiterbildung ZAL – Zürcher Arbeits gemeinschaft für Weiterbildung der Lehrpersonen des Kantons Zürich: www.zal.ch > Kurse EB Zürich, Kantonale Berufsschule für W eiterbildung: www.eb-zuerich.ch 2
28 38 Mittelschule Berufsbildung 45 Amtliches 28 36 Kantonsschule E-Learning 46 Zimmerberg Das Bildungszentrum Stellen Das zukünftige Gymnasium Limmattal setzt digitales am linken Seeufer ist auf Kurs Lernen konsequent um 48 schule & kultur 30 38 Arbeitsort Mittelschule Berufslehre heute 50 Antoine Parisi lernt Fach- Lebensmitteltechnologin EFZ, Agenda mann Betriebsunterhalt an Schwerpunkt Bier der Kantonsschule Hottingen 41 33 In Kürze In Kürze Editorial Lange waren besonders begabte Schülerinnen und Schüler in der Pädagogik Schulblatt Kanton Zürich 3/2019 Inhalt kaum ein Thema. Spezielle Förderung innerhalb oder ausserhalb des Schul- zimmers genossen diese Kinder bis Ende des letzten Jahrtausends kaum. Das Reto Heinzel entsprach der weitläufigen Meinung, dass es den Betreffenden aus eigener Kraft gelinge, sich durchzusetzen, und dass vor allem die schwächeren Schü- lerinnen und Schüler Unterstützung brauchten. In den letzten Jahren hat sich diesbezüglich viel verändert. Als Folge von Integration und Individualisierung spielt auch die Förderung der Begabten im heutigen Unterricht eine Rolle. Wie sieht Begabtenförderung konkret aus, welchen Stellenwert hat sie und in wel- che Richtung sollte sie sich nach Ansicht von Fachleuten entwickeln? Wir ha- ben uns an unterschiedlichen Orten auf die Suche nach Antworten gemacht. Wo wir überall fündig geworden sind, lesen Sie im aktuellen Fokus. Besucht haben wir ausserdem die zukünftige Kantonsschule Zimmerberg in Wädenswil. Dort haben wir mit den Projektverantwortlichen gesprochen. 3 Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das «Schulblatt»: reto.heinzel@bi.zh.ch, jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Schule und Kultur Zum anderen findet dann im Juni wieder Ein Zugang das Festival «Blickfelder» statt. Schüle- rinnen und Schüler vom Kindergarten bis zu den Mittel- und Berufsfachschulen zur Welt haben die Möglichkeit, an internationalen Gastspielen, Konzerten, Kunstausstellun gen, Filmen und Literaturveranstaltungen teilzunehmen. Dabei machen sie Erfah von Silvia Steiner, Bildungsdirektorin rungen mit künstlerischen Ausdrucksfor men, lernen diese zu lesen, zu interpretie ren und zu diskutieren. Beide Kulturprojekte fördern die über- fachlichen Kompetenzen im personalen und sozialen Bereich, wie sie auch im Zürcher Lehrplan 21 vorgesehen sind. So lernen die Schülerinnen und Schüler etwa beim Theaterspielen, sich auszudrücken, sich in eine andere Rolle hineinzuverset Oscar Wilde sagte einst: «Ich liebe es, zen und sich vor Menschen hinzustellen. Theater zu spielen. Es ist so viel realisti Auf diese Weise entwickeln sie ihre eige scher als das Leben.» Auch wenn ich jetzt nen Stärken und realisieren gemeinsam nicht ganz so weit gehen möchte, kann ich mit anderen ein Projekt, das vor einer ihm im Grundsatz beipflichten. Vom The breiteren Öffentlichkeit bestehen muss. «Kulturprojekte ater können wir viel fürs Leben lernen. Das Theater und das Erleben der Welt Egal ob Theater, Tanz, Musik, Film oder der Künste sind wertvoll für die soziale Literatur: Die Kultur gehört zwingend in die öffentliche Schule. Sie eröffnet unse fördern die und die persönliche Entwicklung der Kin der und Jugendlichen. Gleichzeitig sind ren Kindern und Jugendlichen einen Zu überfachlichen sie Ausdruck und Teil einer lebendigen gang zur Welt. In den nächsten Wochen finden in Kompetenzen.» Schulkultur und tragen zum Zusammen halt der Klasse bei. Die Auseinander Zürich gleich zwei namhafte Kulturpro setzung mit Kunst und Kultur gehört jekte statt, die sich direkt an unsere Schü daher zwingend in den modernen Schul lerinnen und Schüler richten. unterricht. Zum einen das Theatertreffen der Ich wünsche mir, dass möglichst viele Schweizer Gymnasien. Bereits zum sechs Kinder und Jugendliche mit kulturellen ten Mal – zum ersten Mal bei uns in Zü- dentin der Schweizerischen Konferenz der Angeboten wie dem Theatertreffen oder rich – treffen sich Theatergruppen aus al kantonalen Erziehungsdirektoren begrüs dem «Festival Blickfelder» in Kontakt len Landesteilen und machen so die gros se ich diesen Anlass sehr. Er hat das Po kommen. Und dass sie in der Auseinan se Vielfalt des Schultheaters sichtbar. Da tenzial, die Gymnasien, die Hochschulen dersetzung mit den Künstlerinnen und mit findet über die Sprachgrenzen hinweg und die Theaterwelt noch stärker mitein Künstlern wertvolle Erfahrungen machen ein kultureller Austausch statt. Als Präsi ander zu vernetzen. können. Schulblatt Kanton Zürich 3/2019 Magazin Mein Traumschulhaus Aline Heinzel (12), 6. Primarklasse, Schule Bläsi, Zürich 4
Im Lehrerzimmer Berufsfachschule Winter- thur, Schulhaus Mühletal Süsse Versuchung in nüchterner Atmosphäre Fotos: Marion Nitsch Schulblatt Kanton Zürich 3/2019 Magazin Wer Kaffee trinkt: muss sich hier selbst um Nachschub kümmern. Davon zeugt die stattliche Anzahl kleiner Schachteln, die sich auf dem Küchenregal stapeln und die Namen ihrer Besitzerinnen und Besitzer tragen. Eine kleine, aber treue Gruppe: von Lehrper sonen verbringt die grosse Pause regelmässig in diesem nüchternen, zweckmässig eingerichteten Raum. Die Stimmung: ist gut, es wird gescherzt und gelacht, auch über private Themen. Der süssen Versuchung: können die wenigsten widerstehen. Das gluschtige, selbst zubereitete Schoko-Erdnuss-Gebäck hat ein Kollege mitgebracht. Verlassen: steht der riesige runde Tisch in der Ecke. Mittags wird er vereinzelt als Essplatz genutzt. Sitzungen: dagegen finden hier nie statt. Der «Aufenthaltsraum Lehrpersonen», wie er offi ziell heisse, diene der Entspannung, erklärt Rektor Paul Müller, nicht der Arbeit. Viele Lehrpersonen: bleiben aus Zeitgründen in einem der Fachschaftszimmer, andere treffen sich lieber in der stark frequentierten Mensa. In Zukunft: dürfte das Lehrerzimmer deutlich mehr Pausengängerinnen und -gänger anlocken. Bis 2023 soll hier nämlich ein zentraler Campus für rund 4500 Lernende entstehen. Derzeit ist die Berufsfachschule noch auf sieben Standorte verteilt. [rh] 5
Persönlich zumerken, dass sie deren Schicksal be Die Begleiterin rührt. Dasjenige von Kleinkindern etwa, die nach der Ankunft in der Schweiz meist in Pflegefamilien oder, wenn möglich, bei der unbegleiteten Verwandten untergebracht werden. Für diese sei die Reise ohne ihre Eltern «psy chologisch grauenhaft». Solche Fälle sind Minderjährigen allerdings sehr selten; die meisten der von der Zentralstelle betreuten Kinder sind im Jugendalter. Kinder, die älter als 12 Jahre sind, wer Simea Merz Deme leitet die Zentral- den im MNA-Zentrum Lilienberg in Affol tern am Albis untergebracht. Dort hat jedes stelle Mineurs Non Accompagnés. Die von ihnen eine Bezugsperson, der regel Schicksale der Kinder und Jugendlichen mässige Kontakt mit dem Beistand bleibt aber bestehen. «Viele der Kinder tragen berühren sie immer wieder, trotzdem, einen sehr schweren Rucksack», sagt Merz Deme: «Es beeindruckt mich, wie sie sagt sie, sei sie am richtigen Ort. versuchen, hier ihren Weg zu machen, un abhängig davon, ob ihr Asylgesuch gutge Text: Bettina Büsser Foto: Stephan Rappo heissen wird oder nicht.» Denn während sie sich hier einleben und Deutsch lernen, läuft der Asylprozess. «Der Moment des Entscheids ist zentral. Ist er negativ, ist es für alle schwierig.» Schulen gehören zum Netzwerk Die meisten der Kinder und Jugendlichen werden vorläufig aufgenommen. «Sie neh- men mit viel Motivation den Bildungsweg und den Integrationsweg in Angriff, dafür benötigen sie aber angemessene Unter «Wir haben es in erster Linie mit Kindern Rollen. Uns ist es wichtig, dass für MNA stützung», betont die Stellenleiterin. Al und Jugendlichen zu tun. Erst in zweiter der notwendige Kindesschutz erhalten lerdings gebe es auch sehr schwierige Linie sind sie zusätzlich noch anerkannte bleibt. Zumal Zürich mit der Kombination Jugendliche – eine kleine Minderheit nur. Flüchtlinge, vorläufig Aufgenommene, in von Beistandschaft und Rechtsvertretung In solchen Fällen sorgt die Zentralstelle einem laufenden Asylverfahren oder Sans- eine Vorreiterrolle zukam.» gemeinsam mit KESB und Jugendanwalt Papiers.» Dieses Credo von Simea Merz schaft dafür, dass die Jugendlichen in Deme zieht sich wie ein roter Faden durch Vertrauen ist oft erschüttert einem spezialisierten Heim platziert wer- das Gespräch. Die 45-Jährige ist Leiterin Es braucht Zeit, das Vertrauen der Kinder den. Ein passendes Angebot ist laut Merz der Zentralstelle Mineurs Non Accompag aufzubauen. «Wird ein Kind an den Kan Deme jedoch aufgrund der multiplen Be nés (MNA), also der Stelle, die zuständig ton Zürich überwiesen, wissen wir, woher lastungen der Jugendlichen sehr schwie ist für Kinder und Jugendliche, die un es kommt, welche Angaben im Asylantrag rig zu finden. begleitet in die Schweiz gekommen sind gemacht wurden», so Merz Deme, «aber KESB und Jugendanwaltschaft sind und hier Asyl beantragen oder als Sans- wir wissen nicht, was sich in seinem Le nur ein Teil des Netzwerks der Zentral Papiers leben. ben und auf der Reise in die Schweiz zu stelle. Auch Gesundheitsinstitutionen und Merz Deme, die ursprünglich Soziale getragen hat.» Die Kinder und Jugendli Psychiatrie gehören dazu; manche der Arbeit studiert hat, arbeitet seit 2001 in chen hätten oft viele Enttäuschungen Jugendlichen leiden unter Krankheiten, der damals eben neu geschaffenen Zent erlebt, schlimme und traumatisierende schweren psychischen Belastungen. Und ralstelle MNA. Seit 2008 leitet sie diese Situationen: «Das Vertrauen in Erwachse natürlich gehören auch Horte und Schu und findet ihre Arbeit unglaublich inte ne ist bei vielen MNA erschüttert.» len zum Netzwerk. «Die Schulen leisten ressant: «Es gibt keinen Tag, an dem wir Wie die vier Mitarbeitenden ihres häufig tolle Arbeit und kreieren Settings uns nicht mit einer ethnologischen, welt Teams nimmt auch sie selbst Mandate als für unsere Kinder und Jugendlichen», lobt Schulblatt Kanton Zürich 3/2019 Magazin politischen, sozialpädagogischen oder ju Beiständin wahr – obwohl sie die Zentral Simea Merz Deme. Umso schwieriger sei ristischen Fragestellung auseinanderset stelle leitet und entsprechende Führungs es dann, wenn ein Kind die Schule wech zen, die wir noch nie hatten.» aufgaben hat. «Es ist wichtig, dass ich im seln müsse, weil es an einem neuen Ort mer noch in der Praxis bin», sagt sie. Dazu untergebracht werde. Das ist in letzter Zwei verschiedene Mandate kommen Anfragen zum Thema MNA aus Zeit mehrmals geschehen. Denn die Zah Die Mitarbeitenden der Zentralstelle ha der Schweiz und dem Ausland, die sie be len der MNA, die in die Schweiz kommen, ben zwei Mandate. Sie sind als Beistände antwortet. Denn die Zentralstelle hat auf sind aktuell rückläufig. «Entsprechend im Auftrag der Kindes- und Erwachse grund der grossen Anzahl von unbegleite wurden nun Zentren geschlossen, Struk nenschutzbehörden (KESB) zuständig für ten Jugendlichen, die sie betreut hat und turen abgebaut.» die gesetzliche Vertretung der Kinder und betreut, viel Erfahrung in diesem Spezial Trotz dieser Schwierigkeiten: Simea Jugendlichen. Andererseits übernehmen gebiet. So wurden 2017 insgesamt 720 Merz Deme fühlt sich bei ihrer Arbeit «am sie deren Rechtsvertretung im Asylpro Minderjährige vertreten. richtigen Ort»: «Ich habe so viele Jugend zess. Da seit dem 1. März das neue Asyl Spricht Simea Merz Deme, die selbst liche begleiten dürfen, die aus unglaub verfahren in Kraft ist, ist hier vieles im Mutter einer 9-jährigen Tochter und eines lich erschwerten Ausgangslagen so vieles Wandel. Merz Deme spricht von einer 14-jährigen Sohnes ist, über die betreu erreichen – Lehren abschliessen, ein Stu «Testphase»: «Wir klären im Moment die ten Kinder und Jugendlichen, ist ihr an dium absolvieren. Das ist toll.» 6
Schulblatt Kanton Zürich 3/2019 Magazin Simea Merz Deme ist immer wieder beeindruckt davon, wie unbegleitete Minderjährige ihren Weg zu machen versuchen. 7
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Welche Schulreise ist Ihnen speziell Meine Schulzeit «Ich liebte das in Erinnerung und warum? Eine Schulreise ins Appenzellerland. Die Fensterscheibe in der Appenzellerbahn flinke Kopfrech- hatte bereits einen Sprung, und um den Kollegen zu imponieren, schlug ich mit der Faust sanft auf genau jene Bruchstelle. nen über alles» Doch durch meinen Schlag entstand so fort ein noch viel grösserer Sprung in der Scheibe, ich errötete und erschrak zu Tode, während die Kollegen – wir waren am Gymnasium noch eine reine Buben Fünf Fragen an Stefan Haupt, klasse – mich verstört anstarrten und fragten, ob ich noch ganz bei Trost sei. Filmemacher Welche Lehrperson werden Sie nie vergessen? Armin Schibler, ein extrem engagierter Musiklehrer und zeitgenössischer Kompo nist. Er gab uns, einer kleinen verschwore nen Gruppe von interessierten Schülern, am frühen Samstagmorgen um 7 Uhr – Aber auch: auszuhalten, dass man endlos wir hatten noch Unterricht am Samstag – lang und geduldig zuhören muss, oder die jeweils Harmonie-Lehre, aus gegenseiti Fähigkeit, trotz Wegdämmern nicht ein gem Interesse und ohne dafür bezahlt zu zuschlafen. werden. Was hat Ihnen in der Schule gar Welches war Ihr liebstes Fach nicht gefallen? und weshalb? Im Gymi hatte ich schon stark das Gefühl, Rechnen in der Unterstufe: Ich liebte das dass in vielen Fächern in den Prüfungen flinke Kopfrechnen über alles. Später auch einfach ganz genau das wiedergegeben Realien oder Deutsch – Gedichte – sowie werden musste, was die Lehrer uns vor Turnen – sich bewegen dürfen. Ich ging gekaut hatten und nun hören wollten: allgemein sehr gern in die Primarschule. Schlüsselwörter, Formeln, Gedanken Was haben Sie in der Schule fürs gänge präzise reproduzieren und genau Foto: © Frederik Bugglin Leben gelernt? so wiederholen. Und weil ich ein auf Vieles. Heimatkunde zum Beispiel: mein merksamer Zuhörer war und heraus Quartier kennenlernen, dann meine Stadt, hören konnte, was sie in den Prüfungen Stefan Haupt (58), ursprünglich Primar lehrer, ist Absolvent der Schauspiel-Akade den Kanton, die Schweiz; Kartenlesen; würden lesen wollen, galt ich als guter mie Zürich und seit 1989 freischaffend Städte, Flüsse, Seen, Berge mit Namen Schüler, nicht aber, weil ich den Stoff als Filmemacher tätig. Sein Spielfilmdebüt «Utopia Blues» gewann 2001 den Schweizer kennen – das hat mich fasziniert. Dis wirklich erfasst und dort eigenständiges Filmpreis. Sein jüngstes Werk ist der Spiel kutieren und Argumentieren in Deutsch. Denken gelernt hätte. film «Zwingli». Stefan Haupt lebt in Zürich. Bildungs-Slang Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Bildungsrendite Schulblatt Kanton Zürich 3/2019 Magazin 9
Fokus Begabt Was macht man mit Schülerinnen und Schü- lern, die im Klassenunterricht unterfordert sind? Die Primarschule Hedingen hat mit der Beratungsstunde eine Möglichkeit geschaffen, den Ehrgeiz begabter Kinder zu wecken. Einen anderen Weg beschreitet man an der Allgemei- nen Berufsschule Zürich, wo besonders starke und motivierte Lernende in der Talentklasse weniger Zeit für den Schulstoff und mehr Zeit für Vertiefungen aller Art zur Verfügung haben. Solche Angebote seien wichtig, sagt Begabungs- forscher Müller-Oppliger im Gespräch, es gehe aber ebenso um Persönlichkeitsbildung. Fotos: Sophie Stieger hat die Talentklasse der Köchinnen und Köche an der Allgemeinen Berufsschule Zürich besucht. Schulblatt Kanton Zürich 3/2019 Fokus 11
Beratungsstunde Totomat auch dann ein Tor anzeigt, wenn Die Begabten sie den Torhüter trifft. Noch ein Makel. Lionel erklärt, er wisse nicht, wie er diese Fehler ausmerzen könne. Zusammen ge- förderung ist auch hen sie den Code durch. Nach etwas ru higem Überlegen und Pröbeln gelingt es, den Mangel zu beheben. «Wenn ich Schulentwicklung sie beim Lösen eines Problems unter stütze, ist es wichtig, zu thematisieren, was nötig war, um die Nuss zu knacken», sagt Isabelle Brehm. In der Primarschule Hedingen können Die Komfortzone verlassen Schülerinnen und Schüler, die im Regel Es kommt auch vor, dass sich ein Kind unterricht unterfordert sind, sich selbst nicht zu viel vornimmt, sondern immer das wiederholen will, was es beherrscht. Aufgaben stellen, die sie lösen wollen. Brehm erinnert sich an einen Jungen, der spitze war, wenn es um Fragen ging, Im Klassenverband werden Fähigkeiten, die er nach Schema X abarbeiten konnte. Kreativität und Engagement aller Kinder Offene Aufgaben mit schwammiger Aus- gangslage und unbestimmtem Lösungs- gefördert. weg waren ihm dagegen ein Gräuel. «Wir haben uns schliesslich auf einen Auftrag Text: Andreas Minder geeinigt, der ihn herausforderte, aber doch nicht so offen war, dass er ihn gelähmt hätte.» Es ist eine generelle Anforderung an die Beratungsstunden-Projekte: Auch Neues, Kreatives, echte Eigenleistung soll drinstecken, nicht nur mehr vom Glei- chen. Für einen Vortrag über Pferde ge- nügt es nicht, im Internet Material zusam- Lionel programmiert einen Simulator lichst selbstständig lösen. Isabelle Brehm menzusuchen. Stattdessen soll das Kind fürs Penaltyschiessen, Anja arbeitet an unterstützt die Kinder beim Finden einer einen Pferdehof besuchen, einen Film einer Dokumentation über grosse Städte, Fragestellung. «Am Anfang steht meist ein drehen oder eine Reiterin interviewen. Alexander gibt einem Raumschiff seines Brainstorming», sagt sie. Dann wählen die Eine abschliessende Präsentation ist Computergames den letzten Schliff, Anna Kinder ein Thema aus und stellen «For- fester Bestandteil der Projekte. Das Pub schreibt an einer langen Geschichte über scherfragen», um das konkrete Projekt likum können die anderen Kinder in der ein magisches Bild, Silvan schneidet einen klar zu umreissen. Dieser letzte Schritt Beratungsstunde sein, die eigene Klasse Film. Die Aufzählung könnte noch wei stosse meist auf wenig Begeisterung, sagt oder sogar ein weiterer Kreis mit Eltern tergehen. Zehn Viert- und Fünftklässler Brehm: «Das finden sie blöd.» Er sei aber und anderen Interessierten. Der Zweck sitzen an einem Donnerstagvormittag unumgänglich, sonst sei die Gefahr des der Präsentation ist ein doppelter: Zum in einem Zimmer des Primarschulhauses Scheiterns zu gross. Selbst mit klarem einen sollen andere profitieren, zum an- Schachen in Hedingen. Die meisten ha- Ziel würden die Schülerinnen und Schü- deren fördert sie die Reflexion des eige- ben einen Bildschirm vor sich, zwei Bu- ler noch auf Hürden stossen. Etwas, was nen Handelns und Lernens. Will man et- ben beugen sich über ein Spielbrett, die kognitiv Starken nicht gewohnt seien. was erklären, sodass es andere verstehen, Anna schreibt mit einem Stift in ein Heft. «Viele werden ungeduldig, wenn es nicht muss man sich überlegen, was man genau Die Begabungsförderungslehrerin Isa sofort klappt.» In diesen Situationen sei gemacht hat und wie. Schulleiterin Rita belle Brehm geht zwischen den Kindern es wichtig, die Schülerinnen und Schüler Sauter, die vor Isabelle Brehm für die hin und her, beantwortet oder stellt Fra- zum Dranbleiben zu motivieren. Begabungsförderung an der Schule in gen, gibt Tipps. Wenn es laut wird, mahnt Lionels Penalty-Spiel ist noch kein Hedingen zuständig war, hat beobachtet, sie zur Ruhe. Volltreffer. Die Schuss-Geschwindigkeit dass Buben, die nicht gern schreiben, Beratungsstunde heisst das Angebot ist so hoch eingestellt, dass der Goalie beim Vorbereiten der Präsentation über für besonders begabte Schülerinnen und keine Chance hat. Isabelle Brehm setzt ihren Schatten sprangen: «Es hat sie zur Schüler. In diesen Stunden geben sie sich sich vor den Bildschirm und schiesst Sprache motiviert.» Schulblatt Kanton Zürich 3/2019 Fokus selbst die Aufgaben, die sie dann mög- selbst ein paar Mal. Sie stellt fest, dass der Isabelle Brehm hat sich zu vier Kin- dern an ein Spielbrett gesetzt. Bei «Rico- chet Robots» geht es darum, eine farbige Begabten- und Begabungsförderung Spielfigur mit möglichst wenigen Zügen Im Rahmen der Schul- und Unterrichtsentwicklung werden besondere päda auf ein bestimmtes Feld zu bringen. Na- gogische Bedürfnisse immer selbstverständlicher wahrgenommen. Im Kanton türlich geht es ums Gewinnen, aber längst Zürich wird mit dem Volksschulgesetz und der Verordnung über die sonder nicht nur. Auch das Verlieren gehört dazu. pädagogischen Massnahmen explizit erwähnt, dass aufgrund ausgeprägter Be- «Sie erleben in der Beratungsstunde öf- gabung ein besonderes pädagogisches Bedürfnis entstehen kann. ters, dass es andere gibt, die besser sind», Im Volksschulgesetz wird zwischen Begabungsförderung und Begabtenförde- sagt Brehm. Eine Erfahrung, die zum rung unterschieden: Begabungsförderung erfolgt im Regelunterricht und Lernanreiz werden kann. Hilfreich beim betrifft als Grundauftrag alle Schülerinnen und Schüler. Begabtenförderung Besserwerden ist die Regel, gute Tricks meint die Angebote und Massnahmen für begabte Schülerinnen und Schüler, nicht für sich zu behalten, sondern zu tei- deren Förderbedarf die Möglichkeiten des Regelunterrichts übersteigt. [red] len. Das gibt stärkere Gegner und span- 12 nendere Spiele. «Zudem machen sich die
Am Anfang der Beratungsstunde stehe meist ein Brainstorming, sagt Isabelle Brehm. Sie ist für die Begabtenförderung im Schul haus Schachen zuständig. Fotos: zvg Kinder ihre eigenen Strategien bewusst, Kunst bestehe darin, Inhalte zu finden, die ches «Intelligenzprofil», das bei der Wahl wenn sie sie für die andern formulieren», den heterogenen Fähigkeiten und Be- der freien Tätigkeit helfen kann. Und erklärt Brehm. Auch hier heisst das Stich- dürfnissen gerecht werde, sagt Schullei nicht nur dabei, wie Isabelle Brehm sagt: wort: Reflexion. terin Sauter. Wie es funktionieren kann, «Später kann es beispielsweise bei der erläutert sie anhand eines Projekts, das Berufswahl von Nutzen sein.» Lebenslanger Nutzen in Hedingen realisiert worden ist. Das Wie in den Beratungsstunden haben Zwischen einer und vier Stunden pro Wo- Thema war Wohnen, umgesetzt wurde es auch in den beiden Formen der integ che kann eine Schülerin oder ein Schüler mit dem Bau eines Hausmodells. Dazu rativen Begabungsförderung das Nach in der Beratungsstunde verbringen. Die brauchte es analytisches, praktisches und denken über das eigene Vorgehen und Arbeit am eigenen Projekt muss sich aber kreatives Können – oder konkret: Archi Präsentationen grosses Gewicht. Isabelle nicht auf diese Zeit beschränken. Die Kin- tektinnen, Bauleiter, Handwerkerinnen, Brehm ist überzeugt, dass sich das aus- der dürfen sich auch im regulären Un Innendekorateure usw. Die Kinder konn- zahlen wird – auch ausserhalb der Schul- terricht damit beschäftigen. Immer dann, ten einen Beruf und damit eine Aufgabe welt: «Es ist die Grundlage für lebens wenn sie den Pflichtstoff beherrschen wählen. Dieses Projektdesign orientiert langes Lernen.» und Langeweile droht und immer in Ab- sich am Drei-Ringe-Modell des US-ame- sprache mit den Lehrpersonen, versteht rikanischen Psychologen Joseph S. Ren- Viel Anerkennung sich. Diese sind es oft, die ein Kind für die zulli. Er postuliert, dass hohe Leistungen Schulleiter Ueli Trindler hat die Kombi Beratungsstunden vorschlagen. Es kann dann entstehen, wenn ein Mensch in nation von Begabten- und Begabungs aber auch sein, dass Isabelle Brehm selbst einem Gebiet überdurchschnittlich be- förderung im Schuljahr 2011/12 in He auf einen Kandidaten aufmerksam wird. gabt ist, wenn er kreativ ist und wenn er dingen eingeführt und ist von diesem Und manchmal melden sich Kinder gleich eine Aufgabe motiviert anpackt. Ansatz immer noch überzeugt. Er ist da- selbst. Ob und wie viele Beratungsstunden Vor einem Jahr hat Isabelle Brehm mit nicht allein. «Die Fachstelle für Schul- sinnvoll sind, entscheiden die Klassen- eine Form der Begabtenförderung einge- beurteilung gibt unseren Fördermassnah- Schulblatt Kanton Zürich 3/2019 Fokus lehrperson und Isabelle Brehm gemein- führt, die noch stärker auf die Fähigkei- men gute Noten», sagt Trindler. Dazu kam sam. Gute Schulleistungen seien nicht das ten und Wünsche der einzelnen Kinder 2014 der «Nobelpreis» der Begabungs einzige Kriterium, betont Brehm. Wenn eingeht. Sie nennt sie «Freie Tätigkeit». förderung in der Schweiz: Die Schule er- sich bei einem Kind eine Begabung zeige, Hier sind die Schülerinnen und Schüler hielt den LISSA-Preis. Die Jury lobte werde es berücksichtigt, auch wenn es nicht in ein gemeinsames Projekt einge- unter anderem, dass die Angebote in eine sein Potenzial in der Schule nicht aus- bunden, sondern wählen frei, was sie tun aktiv gelebte Schulentwicklung eingebet- schöpfe. Ebenfalls wichtig: Eine Pflicht, wollen. Dazu machen sie sich zuerst ihre tet seien. Ein wichtiger und richtiger in die Beratungsstunde zu gehen, gibt es Stärken und Interessen bewusst. Damit Punkt, findet Schulleiterin Rita Sauter. keine. Wer nicht will, kann in seiner Klas- sie dabei nicht in Schulfächern denken, Dank der engen Zusammenarbeit mit der se bleiben. Und wer teilnimmt, kann auch werden ihnen die «Intelligenzen» von Ho- Fachfrau Isabelle Brehm lernten die an- wieder aussteigen. ward Gardner vorgestellt. Gardner unter- deren Lehrpersonen, wie sie den Kindern Nicht freiwillig sind die Begabungför- scheidet zwischen sprachlicher, mathema noch besser gerecht werden können. derungsprojekte für die ganzen Klassen. tischer, musikalischer, bildlich-räumlicher Womit die Begabungsförderung nicht nur Sie finden jährlich statt. Während 20 Stun- und weiteren Intelligenzen. Die Schüle- auf Inseln, sondern immer mehr auch im 13 den dreht sich alles um ein Thema. Die rinnen und Schüler erstellen ihr persönli- Schulalltag stattfinde.
Im Gespräch dern gerecht zu werden, wurde in den «Jede Begabung 1990er-Jahren quasi als Antwort auf die Idee, den IQ als Gradmesser für Begabung zu definieren, der Begriff Inselbegabung ist ein Unikat» oder Teilhochbegabung geprägt. In der Geschichte finden sich genügend Beispie- le für solche Inselbegabungen: Einstein, Edison, Bill Gates, Steve Jobs und so weiter. Begabtenförderung bedeutet mehr als Es gibt auch das Bild vom «genialen Autisten»; was ist da dran? Zusatzaufgaben und Wettbewerbe, Dieses Bild wird gern von den Medien sagt Begabungsforscher und -experte portiert, ist in dieser Generalisierung aber Unsinn. Es gibt allerdings Kinder – sie Victor Müller-Oppliger. Wie man machen etwa ein Drittel der Begabten aus –, die sogenannte «Twice-exceptio- begabte Kinder erkennt, wie Schulen nals» sind. Sie haben in einem Bereich sie fördern können und was es zusätzlich eine aussergewöhnliche Begabung, in an- deren Bereichen aber aussergewöhnliche braucht, erklärt er im Gespräch. Schwächen oder gar Beeinträchtigungen. Sie sind oft verhaltensauffällig oder er- Interview: Jacqueline Olivier Foto: Sophie Stieger scheinen als sogenannte Minderleister. Zu Letzteren gehören auch die dysfunktiona- len Perfektionisten, das sind oft Mädchen, die übersteigerte Ansprüche an sich selbst stellen und deswegen blockiert sind. Es gibt zudem Kinder, die Angst haben, auf- zufallen, und deswegen verstummen. Oft handelt es sich um sensible Kinder, die das Potenzial hätten, vor allem im musi- schen, sprachlichen und sozialen Bereich Hochleistungen zu erbringen. Im Schnitt Was heisst eigentlich «begabt»? In den 1990er-Jahren hat man den IQ als droht man pro Schulklasse zwei bis drei In «begabt» steckt das Wort «Gabe». Die- Messlatte genommen: ein IQ von über 130 Kinder zu verlieren, wenn man nicht ge- ses verleitet gern zur Annahme, bei einer gleich hochbegabt. Dies ist heute über- nau hinschaut oder ihr Verhalten falsch Begabung handle es sich um eine gene- holt, weil ein IQ lediglich das kognitive interpretiert. tisch bedingte Eigenschaft – ein «goldenes Potenzial eines Menschen aufzeigt, aber Wie kann eine Lehrperson Chromosom», das dem Betroffenen in die nichts aussagt über all die anderen Fakto- eine Begabung erkennen, gerade Wiege gelegt wurde. Dies ist aber nur ein ren, die eine Begabung ausmachen, etwa bei solchen Kindern? Teil der Wahrheit. Wir gehen davon aus, Kreativität, Leistungswille oder Sensibi Es gibt gewisse Merkmale, auf die man dass 50 Prozent einer Begabung genetisch lität. Wir reden deshalb von Begabungs- achten kann. Zum einen lässt sich Bega- bedingt sind und 50 Prozent auf Förde- potenzialen und von Kindern, die Leis- bung natürlich an der Leistung fest rung zurückzuführen sind. Natürlich: Gewisse kognitive, emotionale und kör- perliche Potenziale sind angeboren, ge- wisse Gehirne arbeiten und vernetzen schneller, haben mehr Kapazität. Hinzu «Anders zu sein, kann eben auch kommt aber alles, was gelernt ist, und das Lernen beginnt schon in der Familie. bedeuten, bessere Leistungen zu Heisst das, Begabung kann trainiert werden? erbringen als die anderen.» Eher stimuliert und verstärkt. Ein Kind, das in einem anregenden Umfeld auf- wächst, das schon früh ein vielfältiges Vokabular mit auf den Weg bekommt, des- tungen weit über dem Durchschnitt der machen. Diese können die Lehrpersonen Schulblatt Kanton Zürich 3/2019 Fokus sen Eltern differenziert denken, gewisse Gleichaltrigen erbringen. Jede Begabung sehen und einschätzen, sofern die Kinder Interessen, Selbstvertrauen und deshalb ist zudem ein Unikat, zusammengesetzt sie gemäss ihrem Potenzial erbringen. auch Aspirationen haben, geniesst von aus Interesse, Potenzial und Gelerntem, Zum anderen muss man den Blick auf Geburt an eine andere Förderung als und lässt sich deshalb nicht normieren. zahlreiche soziale und personale Kom Kinder, denen ein solches Umfeld fehlt. Es gibt auch den Begriff «Insel petenzen richten – Kommunikation, Um- Begabung ist also eine Kombination von begabung», was ist damit gemeint? gang mit Herausforderungen, Motivation, Begabungspotenzialen und dem, was ein Dieser Begriff kommt ursprünglich aus Selbstvertrauen und so weiter. Die Lehr- Kind an Anreizen und positiver Verstär- der Heilpädagogik. In dieser ist die Rede personen für solche Kriterien zu sensibi- kung aus seinem nächsten Umfeld erhält. von multiplen Intelligenzen wie zum Bei- lisieren, ist wichtig. Ausserdem sind wir in Und wann spricht man von spiel ästhetischer, sportlicher, mathema der Lehrerbildung daran, die sogenannte Hochbegabung? tischer, sozialer oder emotionaler Intel pädagogische Diagnostik zu stärken. Mit diesem Begriff bin ich vorsichtig – ligenz. Ein hochkarätiger Sportler, ein Was hat es damit auf sich? man müsste ja irgendwie messen können, genialer Pianist oder Maler ist kognitiv Mit der Einführung der Schulpsychologie wie hoch respektive ausgeprägt eine Be- oder sozial vielleicht nicht überdurch- ist die pädagogische Diagnostik für Lehr- 14 gabung ist, was jedoch nicht möglich ist. schnittlich stark. Um auch solchen Kin- personen in den Hintergrund gerückt. Von
Victor Müller-Oppliger (66) ist eme ritierter Professor für Pädagogische Psychologie und Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Nordwest- schweiz. Bis 2017 war er Studienleiter jenem Moment an waren Schulpsycho Das hoffe ich und daran arbeiten wir. Vor des internationalen Masterstudien- Schulblatt Kanton Zürich 3/2019 Fokus gangs zur «Integrativen Begabungs- logen für die Diagnostik zuständig, und 40 Jahren war das Credo der schulischen und Begabtenförderung» in Koopera selbst um in die Begabungsförderung auf- Heilpädagogen klar: Die Schwächeren tion mit dem National Center of Gifted and Talented in Connecticut (USA). genommen zu werden, mussten die Kin- benötigen Hilfe. In den 1990er-Jahren er- Er ist unter anderem Mitglied des der in diversen Kantonen erst durch den wuchs dann allmählich die Erkenntnis, International Panel of Experts for schulpsychologischen Dienst abgeklärt dass damit gewisse Kinder nicht «be- Gifted Education, des General Com- mittee und des Board of Education des werden. Das ist absurd. Begabung ist kein dient» werden. In den letzten zehn Jahren European Council of High Ability so- Fall für die Schulpsychologie, ausser wenn kam die Heterogenitäts- und Integra wie Delegierter für die Schweiz im World Council for Gifted and Talented Lern- oder Verhaltensdefizite damit ein- tionsdebatte dazu – «Schule der Vielfalt», Children. Ausserdem ist er als Gast hergehen. Darum sind wir überzeugt, dass es ist normal, anders zu sein. Und anders dozent an mehreren internationalen Universitäten tätig. Lehrpersonen wieder vermehrt in päda- zu sein, kann eben auch bedeuten, besse- gogischer Diagnostik ausgebildet werden re Leistungen zu erbringen als die ande- müssen. ren. Aber die Schulen stehen momentan In den letzten Jahren standen vor an unterschiedlichen Orten, es gibt nach allem die Schwächeren im Fokus. Fin wie vor Teams, die ihre Aufmerksam- 15 det im Moment ein Umdenken statt? keit hauptsächlich auf die Schwächeren
richten, andere haben auch – mehr oder lungsstand und seinen Stärken entspricht. die grundsätzlich auf den Durch weniger – Zusatzangebote für Leistungs- Erste solche Programme existieren be- schnitt ausgerichtet ist? starke. reits. Sie dienen im Sinne der Leistungs- Die Fokussierung auf den Durchschnitt ist Wie fördert man Begabte denn heterogenität sicher allen Lernenden, vor allem in Deutschland, Österreich und am besten? aber gerade im Bereich der Begabtenför- der Schweiz stark ausgeprägt. Bei uns ist Grundsätzlich geht es darum, Schul- und derung sehe ich in der Digitalisierung es oft «sozial verdächtig», wenn man et- Unterrichtskonzepte zu entwickeln, die es grosses Potenzial. was gut kann, erst recht, wenn man das ermöglichen, alle Schülerinnen und Schü- In der Schule zählt am Schluss auch noch kundtut. Hier kommt den ler in ihrer individuellen Entwicklung zu die Gesamtleistung. Was nützen da Schulen im Rahmen der Heterogenitäts- fördern. Für Begabte sehen wir dafür drei punktuelle Angebote in einzelnen und Integrationsdebatte eine wichtige Ebenen vor: den Klassenunterricht, Er- Bereichen? Aufgabe zu. Wenn es normal ist, anders zu gänzungsangebote in der eigenen Schule Die Förderung in einzelnen Fächern oder sein, muss es eben auch normal sein, et- und ausserschulische Angebote. Das Themenbereichen wirkt sich positiv aus was besser zu können als andere. Dies be- heisst, es muss möglich sein, dass die auf die Leistungsmotivation. Das ist gene- deutet, dass man nicht nur die Begabten Schülerinnen und Schüler in der Klasse rell der Ansatz des stärkenorientierten fördern, sondern gleichzeitig auch das aufgehoben sind, gleichzeitig aber einen Unterrichts: In den eigenen Stärken be- Umfeld dafür sensibilisieren sollte, solche Teil der Unterrichtszeit in Zusatzforma- stätigt, gefördert und gefordert zu werden, Menschen wertzuschätzen. Gerade die ten der Schule – sogenannten Pull-outs – strahlt aus. Genauso wie Defizite im nega- Schweiz, die keine Bodenschätze auf- oder in schulergänzenden Förderpro- tiven Sinn ausstrahlen. In den 1990er- weist, ist auf Expertise und Exzellenz an- grammen wie etwa dem Universikum der Jahren hat man sich in der Begabtenför- gewiesen. Gleichzeitig müssen sich Be- Stadt Zürich verbringen. Noch wenig be- derung lediglich auf die fachlichen Kom- gabte aber ethischen Grundsätzen stellen kannt ist die vierte Ebene, das Mentoring. petenzen fokussiert. Dann kam das selbst- und sich bewusst machen, dass sie Teil Was ist damit gemeint? gesteuerte Lernen in der Pädagogik auf, einer Gesellschaft sind. Begabtenförde- Mentoren sind Fachpersonen, die Schü- bei dem es zusätzlich um sogenannte rung beruht also auf einem Menschenbild lern Einblicke in ihr Fachgebiet ermögli- «Soft Skills» wie Selbstvertrauen, Lern- und einer Gesellschaftsvorstellung. Wir chen. Ein paar reale Beispiele: Ein Kind techniken und -strategien, Vernetzung reden deshalb von «Selbstverwirklichung interessiert sich für die Ausbildung von und so weiter geht. Die logische Konse- in sozialer Mitverantwortung». Wir haben bisher von der Volksschule gesprochen. Was passiert danach? An den Gymnasien, den Berufsfachschu- «Begabtenförderung beruht len und den Hochschulen läuft teilweise auf einem Menschenbild und einer wenig punkto Begabungsförderung. Es ist zwar schön, wenn man die besten Matur- Gesellschaftsvorstellung.» oder Abschlussarbeiten auszeichnet, aber das reicht nicht. Was es braucht, ist eine Anerkennungskultur. Es gibt eine inter- nationale Vereinigung für sogenannte Honors Programs für erfolgreiche Stu Drogenhunden und darf zusammen mit quenz daraus ist, dass sich auch die dierende. Auch hier geht es um Zusatz- einem Polizisten dem Hundetraining bei- Begabtenförderung nicht allein aufs programme, Mentoring, Vernetzung, freie wohnen. Ein anderes besucht einmal Fachliche beziehen darf. Projekte und so weiter. Doch an hiesigen wöchentlich eine Radiologin im Spital, ein Worauf muss sie sich also noch Hochschulen wird dies noch wenig ge- drittes entwickelt mithilfe eines Program- beziehen? nutzt. Auch für die Gymnasien wären sol- mierers Computerspiele. Das können Seit mehr als zehn Jahren verfolgen wir in che Honors Programs sehr wichtig. Lehrpersonen nicht leisten, dafür braucht der Begabtenförderung die drei Ebenen Für Gymnasiasten gibt es die es Eltern, Bekannte, freiwillige Senioren fachliche, Persönlichkeits- und Sozialbil- Wissenschaftsolympiaden, für und so weiter, die sich für ein solches dung. In der Persönlichkeitsbildung geht angehende Berufsleute die Berufs Mentoring zur Verfügung stellen. Natür- es um Fragen wie: Wer bin ich? Was kann meisterschaften. Das ist doch auch lich können auch Lehrpersonen Mento- ich? Was ist mein Potenzial? Ein wichtiges Begabtenförderung? ren sein, wenn sie eine spezielle Ausbil- Thema ist ebenso der Umgang mit Miss- Wettbewerbe per se sind sicher ein gutes dung oder ein Know-how haben, von dem erfolg. Gerade die Twice-exceptionals Angebot, aber nur für die wettbewerbs- begabte Kinder profitieren können. können oft nicht so gut mit Misserfolg orientierten Kinder und Jugendlichen, für Zusatzgefässe, Mentoring, externe umgehen und reagieren stattdessen mit jene, die über das nötige Selbstvertrauen Schulblatt Kanton Zürich 3/2019 Fokus Förderprogramme – das klingt alles Verweigerung. In der Sozialbildung geht und Selbstkonzept verfügen. Aus der For- wunderbar für eine Stadt wie Zürich, es unter anderem darum, wie man damit schung wissen wir, dass dies nur auf etwa aber welche Möglichkeiten haben umgeht, dass man anders ist, schneller die Hälfte der hochleistenden Schülerin- kleine Landgemeinden? denkt als andere, und wie man mit diesen nen und Schüler zutrifft, die anderen kön- Es bestehen natürlich unterschiedliche anderen umgeht. Seit Kurzem kommt nen einbrechen, wenn sie an einen Wett- Voraussetzungen, aber auch in kleinen noch eine vierte Ebene dazu: Werte- und bewerb teilnehmen sollen. Auch Hoch- Gemeinden ist es durchaus möglich, ein Sinnfragen. Begabt zu sein, bedeutet eben leistende können unsicher sein oder Min- Netzwerk von Mentoren aufzubauen. Es auch, sich darüber Gedanken zu machen, derwertigkeitsgefühle haben. In Deutsch- können ja auch mehrere benachbarte wozu diese Begabung gut ist und wie man land redet man mittlerweile von Leis- Schulgemeinden zusammenspannen. Im sie nutzt: Auf der Basis einer Kernfusion tungsstarken und Leistungsfähigen, weil Übrigen gibt es heute Möglichkeiten, digi- beispielsweise kann ich ebenso eine Bombe eben nicht alle Begabten in der Lage sind, tale interaktive Lernsysteme einzurich- herstellen wie sauberen Strom gewinnen. ihr Potenzial auszuschöpfen und zu ent- ten, mit denen der Schüler selbstständig Begabungsförderung ist folglich falten. Genau darum ist eine umfassende lernen kann und laufend neue Aufgaben auch ein gesellschaftliches Thema. fachliche, persönliche und soziale Förde- 16 erhält, die seinem aktuellen Entwick- Was heisst das für eine Gesellschaft, rung der Begabten so wichtig.
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Sie koche unheimlich gern, erzählt Va Talentklasse Immer wieder nessa Orlando. Trotzdem wusste sie lange nicht, was sie lernen sollte. «Beim Schnup- pern in verschiedenen Küchen hat es mir über den Teller dann total gefallen.» Darum absolviert die 16-Jährige heute eine Ausbildung als Kö- chin. Auch Jill Billeter hegt eine Leiden- rand blicken schaft fürs Kochen. Was man aus einem einzigen Lebensmittel alles machen kann, fasziniert sie. «Meine Eltern sagen, ich hätte bereits als Dreijährige verkündet, dass ich einmal Köchin werden wollte.» In der Berufsbildung sind es vor allem Adrin Angele wiederum erklärt: «Schon als Kind habe ich am liebsten mit der die Betriebe, die begabte Lernende gezielt Spielzeugküche gespielt.» Darum schaute er als Fünftklässler am Zukunftstag einem fördern. Letzten Sommer startete Koch bei der Arbeit über die Schulter. Dies an der Allgemeinen Berufsschule Zürich hat seine Berufswahl besiegelt. Heute stehen die drei Jugendlichen ein schweizweit einmaliges Projekt: die im ersten Lehrjahr und besuchen die All- gemeine Berufsschule Zürich (ABZ). Und Talentklasse für Köchinnen und Köche. seit Beginn des Frühlingssemesters sind Text: Jacqueline Olivier sie in der Talentklasse für lernende Köche und damit so etwas wie Pioniere, handelt es sich doch um den ersten Jahrgang, der von diesem Angebot profitiert. Die geisti- gen Väter des Pilotprojekts heissen And- rea Hanselmann und Alexander Wilhelm, sind Berufskundelehrer und Co-Leiter «gleichzeitig werden wichtige soziale vor: Im ersten Jahr geht es um die Pro der Berufsgruppe Koch. Seit Jahren beob- Kompetenzen gefördert. Teamarbeit etwa dukte, im zweiten um die Produktion, im achten sie, wie stark das Leistungsspekt- ist in diesem Beruf zentral. Man arbeitet dritten um das Sammeln von Erfahrungen rum in den Klassen auseinanderfällt – mit so vielen Menschen zusammen und und den Aufbau eines persönlichen Netz- mehr als in manch anderem Beruf. «Für auch für Menschen.» werks. Im Juni besuchen die Lernenden die einen ist Koch der absolute Traum Gebildet wird die Talentklasse gegen beispielsweise während dreier Tage die beruf, für die anderen ein Notnagel, weil Ende des ersten Semesters des ersten landwirtschaftliche Schule in Landquart. sie keine andere Lehrstelle gefunden ha- Lehrjahrs. Ausgewählt werden die 16 bis Diesen Sommer kochen sie an den Ren- ben», stellt Andrea Hanselmann fest. Dies 18 Lernenden aufgrund der Empfehlun- nen von Aston Martin. Ein anderes Mal führe dazu, fährt Alexander Wilhelm fort, gen ihrer Berufsbildner und ihrer Lehr- beteiligen sie sich an Kochkursen der dass die motivierten Lernenden in der personen sowie eines Motivationsschrei- Kochnationalmannschaft. Auch bringen Schule stark unterfordert seien. «Und sol- bens. Es zählen nicht nur die schulischen ihnen Forscher der Zürcher Hochschule che Jugendlichen springen nach der Leh- Leistungen, sondern auch die praktische der Angewandten Wissenschaften (ZHAW) re häufig ab und wechseln den Beruf.» Begabung und die Begeisterung. Wer die- die Lebensmittelsensorik näher, also die se Hürde geschafft hat, ist jedoch nicht hohe Kunst der Bewertung von Lebens- Mehr als einmalige Zückerchen automatisch bis zum Ende der Ausbil- mitteln mithilfe der Sinnesorgane. Vor fünf Jahren starteten die beiden Leh- dung Talentschüler: Per Ende jedes Se- rer deshalb ein Projekt, das besonders mesters können Aus- und Eintritte erfol- Praktikum als Höhepunkt talentierten Lernenden im letzten Aus gen. Dies ist den beiden Leitern wichtig: Da an den klassischen Schultagen nur bildungsjahr ein Praktikum bei einem «Spätzünder sollen auch die Möglichkeit noch Allgemeinbildender Unterricht (ABU) Spitzenkoch im In- oder Ausland ermög- haben, von dem Programm zu profitie- und Berufskunde auf dem Stundenplan lichte. Dies wirkte zwar durchaus als ren», betont Alexander Wilhelm, «umge- stehen und die Sportlektionen in fünf Motivationsspritze, trotzdem war den kehrt sollen jene, die bereits drin sind, halben Tagen zusammengefasst wurden, Berufsgruppeleitern damals schon klar, wissen, dass eine gewisse Leistung erfor- ist vermehrt Blockunterricht angesagt. dass die Lösung nicht in einem einmali- derlich ist, um zu bleiben.» Selbstver- Die ABU-Lehrerin Heidi Giger kann so gen «Zückerchen» liegen konnte, sondern ständlich sind auch freiwillige Wechsel ihren Unterricht mit externen Aktivitäten Schulblatt Kanton Zürich 3/2019 Fokus dass begabte und leistungswillige Ler- nicht ausgeschlossen, wer sich zu sehr verknüpfen und den Lernenden zum Bei- nende ein regelmässigeres Angebot be unter Druck fühlt, soll nicht durchbeissen spiel den Auftrag erteilen, während einer nötigten. Mit der Talentklasse wurde ein müssen bis zum Abschluss. Dieser wird Besichtigung Interviews mit Fachperso- Rezept ge funden, von dem sie sich viel zwar zum gleichen eidgenössischen Fä- nen vor Ort zu machen. Auch Sportleh- erhoffen. Die Idee: Der Schulstoff wird in higkeitszeugnis führen wie bei allen an- rer Stefan Stamm ist involviert, etwa bei drei Vierteln der üblichen Zeit vermittelt, deren Kochlernenden, die Talentschüler Themen wie Gruppendynamik, Sport die so gesparte Zeit – sechs bis zehn Tage sollen darüber hinaus aber noch ein zu- ernährung oder Energieverbrauch. Damit pro Schuljahr – stehen für fachliche Ver- sätzliches Zertifikat oder Zeugnis erhal- ist Interdisziplinarität ein weiteres Plus tiefungen in Form von Exkursionen, Refe ten, das sie als solche ausweist. des Konzepts. Und was einst den Anfang raten und anderem mehr zur Verfügung. Wer die vollen zweieinhalb Jahre machte – die Praktika –, bildet nun den «Da diese Jugendlichen einen starken durchläuft, erhält zahlreiche Einblicke in Höhepunkt des Programms. Dank der Willen haben, voranzukommen, und auch Themen und Bereiche, die den Horizont Stages sollen die Jugendlichen, die selbst bereit sind, sich gegenseitig zu unterstüt- erweitern und zeigen, «dass es noch mehr vielleicht eine solche Karriere anstreben, zen, können wir im Unterricht effizien- gibt als das aktuelle Umfeld». Das Kon- erfahren, was Spitzengastronomie heute 19 ter arbeiten», sagt Andrea Hanselmann, zept sieht ausserdem einen klaren Aufbau bedeutet, nämlich Kreativität und Renom-
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