Sekundäre Parkinson-Syndrome - Klebe S www.kup.at/ - Krause und Pachernegg
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Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Sekundäre Parkinson-Syndrome Homepage: Klebe S www.kup.at/ Journal für Neurologie JNeurolNeurochirPsychiatr Neurochirurgie und Psychiatrie Online-Datenbank mit Autoren- 2014; 15 (2), 69-75 und Stichwortsuche Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031117M, Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21 Preis : EUR 10,–
EINLADUNG ZUM WEBINAR MS UND DIE VERBORGENEN SYMPTOME DER KOGNITION Freitag, 12. November 2021 | 16.00 bis 18.00 Uhr Erkenntnisse zum Thema “MS & Kognition” werden von nationalen und internationalen Experten und Expertinnen vorgetragen. Die Vorträge decken die wissenschaftliche Perspektive über Diagnose, neuropsychologische Aspekte als auch die Patientensicht eines Betroffenen ab. Hier geht´s zum Programm Wissenschaftlicher Vorsitz REFERENT*INNEN Univ.-Prof. Dr. Christian Enzinger Univ.-Prof. Dr. Prof. Dr. Dipl.-Psych. MBA, FEAN Christian Enzinger Iris-Katharina Penner Uniklinik Graz MBA, FEAN Düsseldorf Uniklinik Graz Prim. Univ.-Prof. Dr. Priv.-Doz. Mag. Dr. Elisabeth Fertl Daniela Pinter Wien Uniklinik Graz Bitte melden Sie sich über folgenden Link für die virtuelle Veranstaltung an: Nach erfolgreicher Anmeldung erhalten Sie innerhalb weniger Minuten ein E-Mail mit Informationen zur Teilnahme. https://medahead-fortbildung.at/event/ms-und-kognition-2021/ Entsprechende Vorkehrungen für die Veranstaltung und bei der Veranstaltung werden nach der aktuellen COVIDGesetzgebung bzw. COVID-Verordnung getroffen. Live-Übertragung aus Wien Laut Regelwerk der Ärztekammer (Ärztlicher Verhaltenskodex) und Pharmaindustrie (Pharmig Verhaltenskodex) gilt diese Einladung ausschließlich für Ausübende von Gesundheitsberufen und ist nicht übertragbar. Novartis Pharma GmbH Jakov-Lind-Straße 5 / Top 3.05, 1020 Wien Mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH Tel.: 01-866 57-0, Fax.: 01-866 57 16369, www.novartis.at Datum der der Erstellung Erstellung 10/2021 11/2021 AT2110041868 AT2111021580 Schlaganfall Akademie Fortbildungsreihe zum Thema Stroke ÖGSF Online-Fortbildung Management raumfordernder Hirninfarkte 15. November 2021 14.00 bis 15.00 Uhr Referent: Priv.-Doz. DDr. Simon Fandler-Höfler Universitätsklinik für Neurologie Medizinische Universität Graz Jetzt online unter Onlineanmeldung https://bit.ly/3AuYk7J anmelden AT/PX/0921/PC-AT-102638 Die Teilnahme an dieser Fortbildungsveranstaltung ist Angehörigen der Fachkreise gemäß Pharmig VHC Artikel 2.2 vorbehalten und ist nicht übertragbar. Wissenschaftlicher Fortbildungsanbieter: Österreichische Schlaganfall Gesellschaft, 1070 Wien Mit freundlicher Unterstützung von
Sekundäre Parkinson-Syndrome S. Klebe Kurzfassung: Sekundäre Parkinson-Syndrome SPECT zur Darstellung des präsynaptischen Do- kinsonism (dPD), and toxic Parkinsonism (tPS) (sPD) sind in die Differenzialdiagnose eines idio- pamintransporterstatus kann bei unklaren Fällen may be the most frequent etiologies but good pathischen Parkinson-Syndroms (iPD) mit einzu- helfen, die Ätiologie des sPD zu klären. Dadurch epidemiologic data is lacking. In vPD, lesions in beziehen. Unterscheidungsmerkmale zwischen kam es zur Beschreibung der „scans without evi- the watershed areas and the white matter often sPD und iPD können sein: (1) ein akutes Auftreten dence of dopaminergic deficit“ (SWEDD), hinter lead to progressive symptoms whereas strategic von extrapyramidal-motorischen Symptomen, (2) denen sich oftmals nichtneurodegenerative Er- lesions in the basal ganglia may cause a more die Bilateralität der Symptome, (3) das fehlende krankungen wie L-Dopa-responsive Dystonien, rapid onset. Drugs with the risk to induce Parkin- oder mangelnde Ansprechen auf L-Dopa, (4) das dystone Tremorformen, Depressionen, ein vPS sonian side effects (dPD) include antidopaminer- Fehlen nichtmotorischer Symptome, (5) das Vor- oder ein essenzieller Tremor verbergen. Aber auch gic antipsychotics but even atypical antipsychot- kommen von Symptomen, die über die klassische andere Ätiologien wie Infektionen, ein Normal- ics are of substantial risk. Toxic Parkinsonism may Parkinson-Trias hinausgehen, und (6) ein normales druckhydrozephalus, rezidivierende Schädel-Hirn- be caused by carbon monoxide and heavy met- Dopamintransporter-SPECT. Die häufigsten sPD Traumen oder seltene genetische Erkrankungen al intoxication like the exposure to Manganese, stellen vaskuläre (vPS), medikamentöse (mPS) können zu einem sPD führen. eg as a by-product of the designer drug, ephed- und toxische Parkinson-Syndrome (tPS) dar, wenn- rone. Another very heterogeneous group of sPD gleich auch gute epidemiologische Daten fehlen. Schlüsselwörter: Sekundäre Parkinson-Syndro- is described by means of the term “scans with- Bei den vPS werden langsam beginnende, mit me, vaskuläre Parkinson-Syndrome, medikamen- out evidence of dopaminergic deficit” (SWEDD) unspezifischen Marklagerläsionen vor allem in töse Parkinson-Syndrome, toxische Parkinson- with a normal SPECT of the dopamine transporter. Grenzzonengebieten, der weißen Substanz und/ Syndrome, SWEDD SWEDDs often consist of non-neurodegenerative oder den Basalganglien von akut beginnenden diseases such as dopamine-responsive dysto- vPS mit strategischen lakunären oder territorialen Abstract: Secondary Parkinsonism. Second- nia, dystonic tremor, depression, vPD, or essen- Infarkten in den Basalganglien unterschieden. Bei ary Parkinsonism (sPD) is an important differen- tial tremor. Therefore, SPECT of the dopamine den mPS spielt weiterhin die vorherige Einnah- tial diagnosis of idiopathic Parkinson’s disease. transporter may sometimes help in the differen- me von Neuroleptika eine entscheidende Rolle. Clinical differences between sPD and iPD may tial diagnosis of sPD. Other etiologies of sPD are Dabei ist das Nebenwirkungsspektrum von vie- comprise (1) a sudden onset of extrapyramidal inflammation, normal-pressure hydrocephalus, len atypischen Neuroleptika im Hinblick auf das symptoms, (2) the body symmetry of symptoms, (recurrent) traumatic brain injury, or rare genetic Vorkommen eines sPD nicht zu unterschätzen. Bei (3) low or no clinical response to dopaminergic disorders. J Neurol Neurochir Psychiatr 2014; den tPS sind neben Kohlenmonoxidvergiftungen drugs, (4) the absence of non-motor PD symp- 15 (2): 69–75. in den vergangenen Jahren vor allem Schwerme- toms, (5) the presence of associated symptoms tallvergiftungen mit Mangan, u. a. während eines other than the characteristic key features, and Key words: Secondary Parkinsonism, vascular Drogenabusus mit Ephedron, beschrieben wor- (6) a normal SPECT of the dopamine transporter. Parkinsonism, drug-induced Parkinsonism, toxic den. Die Verwendung eines Dopamintransporter- Vascular Parkinsonism (vPD), drug-induced Par- Parkinsonism, SWEDD Einleitung chen. Eine Übersicht der sPD gibt die Tabelle 1, wobei auf- grund der Komplexität im Text nicht ausführlich auf metabo- Die Ätiologie von sekundären oder Pseudo-Parkinson-Syn- lische Ursachen von extrapyramidal-motorischen Ursachen dromen (sPD) ist vielfältig. Insbesondere zu Beginn der Er- eingegangen wird. krankung kann die differenzialdiagnostische Einordnung zwi- schen einer idiopathischen Parkinson-Erkrankung (iPD) und Vaskuläres Parkinson-Syndrom (vPS) einem sPD erschwert sein. Dies trifft vor allem auf ältere mul- timorbide Patienten zu. Der Pathologie der sPD liegen Störun- Der Zusammenhang von zerebralen vaskulären Läsionen und gen der nigro-striatalen dopaminergen Transmission oder/und Parkinson-Syndromen (vPS) wurde erstmals 1929 beschrieben der striato-pallido-thalamo-kortikalen Regelkreise zugrunde. [1]. Es wurde versucht, die Häufigkeit eines vPS durch Unter- Epidemiologische Daten für die meisten der hier vorgestellten suchungen in großen Schlaganfallregistern zu ermitteln. Die sPD sind nur spärlich vorhanden, wodurch sich die Häufig- Rate an EPS nach Schlaganfällen, unabhängig von der Lokali- keit der sPD leider nur ungenau beziffern lässt. Allenfalls für die vaskulären Parkinson-Syndrome (vPS) konnte man durch Studien in großen Schlaganfallregistern genauere Zahlen ge- Tabelle 1: Ursachen von sekundären Parkinson-Syndromen nerieren. – Vaskuläres Parkinson-Syndrom – Medikamentös induziertes Parkinson-Syndrom Die vorliegende Arbeit soll einen Überblick über die sPD und – Toxisches Parkinson-Syndrom eine klinische Entscheidungshilfe bei der Diagnose eines sPD – Infektiöse/postinfektiöse Parkinson-Syndrome geben. Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die häufigsten – Schädel-Hirn-Trauma sPD gelegt, aber auch seltenere sPD-Formen werden bespro- – Normaldruckhydrozephalus – „Scans without evidence of dopaminergic deficit“ (SWEDD) Eingelangt am 31. Mai 2013; angenommen nach Revision am 2. Oktober 2013; Pre- – Seltene genetische Erkrankungen (Chorea Huntington – West- Publishing Online am 11. November 2013 phal-Variante, spinozerebelläre Ataxien, fragiles X-Tremor-Ataxie- Syndrom) Aus der Neurologischen Klinik, Universitätsklinikum Würzburg, Deutschland – Metabolische Erkrankungen, die mit extrapyramidal motori- Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Stephan Klebe, Neurologische Klinik, Uni- schen Symptomen assoziiert sein können (z. B. M. Wilson, versitätsklinik Würzburg, D-97080 Würzburg, Josef-Schneider-Straße 11; E-Mail: M. Gaucher) Klebe_S@klinik.uni-wuerzburg.de J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2014; 15 (2) 69 For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Sekundäre Parkinson-Syndrome Tabelle 2: Diagnosekriterien eines vPS. Mod. nach [4]. A Bradykinese und mindestens ein weiteres Symptom (Ruhetre- mor, Rigor oder posturale Instabilität), die nicht durch primäre visuelle, zerebelläre oder propriozeptive Dysfunktionen verur- sacht wird B Zerebrovaskuläre Erkrankung (verifiziert durch CT/cMRT oder fokal-neurologische Symptome) C Eine Beziehung zwischen A und B: 1. Akutes oder subakutes Auftreten nach Infarkten in den Basalganglien und/oder Thalamus oder Arealen, die den thalamo-kortikalen „Drive“ beeinflussen (z. B. ausgedehn- te Frontalhirndefekte) oder 2. schleichender Beginn bei subkortikaler Mikroangiopa- thie mit bilateraler Symptomatik und frühem Auftreten Abbildung 1: cMRT und Dopamintransporter-SPECT mit einer „Punch-out“-Läsion im einer Gangstörung oder früher kognitiver Störung Bereich des Nucleus ruber und der Substantia nigra links mit rechtsseitiger Bradykine- se, Ruhe- und Aktionstremor und distaler Dystonie der oberen Extremität. Mit freund- Ausschlusskriterien: rezidivierende Schädel-Hirn-Traumen, Enze- licher Genehmigung von Professor Gianni Pezzoli, Parkinson-Instiute, I.C.P., Mailand, phalitis, neuroleptische Behandlung bei Symptombeginn, Hirntu- und Professor Ioannis U. Isaias, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Würzburg. moren oder kommunizierender Hydrozephalus ner vaskulären Schädigung durchgeführt werden. Das Anspre- sation, schwankt dabei je nach Literatur zwischen 1 % [2] und chen auf eine L-Dopa-Therapie als Differenzialdiagnosekrite- 3,7 % [3]. Dabei ist das Auftreten von hyperkinetischen Bewe- rium ist nicht immer sicher verwertbar. Allgemein lässt sich gungsstörungen häufiger als ein vPS. Es werden langsam be- feststellen, dass die vPS weniger L-Dopa-responsiv sind als ginnende vPS mit diffusen unspezifischen Marklagerläsionen iPD. Allerdings ist ein zumindest transientes oder auch gutes vor allem in Grenzzonengebieten, der weißen Substanz und/ Ansprechen gerade bei den Basalganglieninfarkten beschrie- oder Basalganglien den akut beginnenden vPS mit strategi- ben [4, 8]. schen lakunären oder territorialen Infarkten in den Basalgan- glien (Putamen und/oder Pallidum; seltener in der Substantia Eine weitere Untersuchungsmöglichkeit stellt die Darstellung nigra) bzw. Thalamus gegenübergestellt [4]. Pathophysiolo- der präsynaptischen Dopamintransporterdichte mittels Dopa- gisch geht man davon aus, dass mikroangiopathische Markla- mintransporter-SPECT dar. Dabei konnte aber in einer rezen- gerläsionen zu einer Schädigung der thalamo-kortikalen mo- ten Studie gezeigt werden, dass sowohl bei Patienten mit mi- torischen Verbindungen zum supplementär motorischen Are- krovaskulären Läsionen als auch mit strategischen Basalgang- al mit konsekutiven EPS führen [5]. Bei den lakunären bzw. lieninfarkten pathologische Befunde erhoben werden können. territorialen Basalganglieninfarkten werden motorische stria- Diese sind oft von einer iPD nicht zu unterscheiden, wenn- to-pallido-thalamische Projektionen unterbrochen. Allerdings gleich die Veränderungen beim vPS im Allgemeinen eine ge- entwickelt nur eine sehr geringe Zahl von Patienten mit Basal- ringer ausgeprägte Asymmetrie zeigen [9]. Eine Korrelation ganglieninfarkten tatsächlich ein vPS [6] teils mit einer Latenz mit dem Ansprechen auf eine L-Dopa-Therapie oder mit der von mehreren Monaten. Krankheitsdauer ergab sich nicht [9]. Ein Status lacunaris der Basalganglien ist durch eine diffuse Reduktion der Dopamin- Die unterschiedlichen Ätiologien (mikrovaskuläre Läsionen transporter gekennzeichnet, dessen Ausmaß mit der Schwe- versus strategische Basalganglieninfarkte) unterscheiden sich re der EPS korreliert [9]. Bei einigen Patienten mit einem fo- auch im klinischen Erscheinungsbild, der Diagnostik und dem kalen Infarkt in Putamen, Globus pallidus oder der Substan- Therapieansprechen. Bei den mikrovaskulären vPS kommt es tia nigra zeigt sich nuklearmedizinisch eine komplette Aus- häufig zu meist bilateralen hypokinetisch-rigiden Symptomen löschung („punch out“) des Dopamintransporterbesatzes als mit einer im Vordergrund stehenden kleinschrittigen, aber eher Korrelat der Läsion [9, 10] (Abb. 1). breitbasigen Gangstörung. Dabei ist die Gangstörung anders als bei den iPD nicht selten bereits zu Beginn der Erkrankung Einen klinischen Baustein, um das vPS vom iPD abzugren- vorhanden. Dies führte auch zu dem als Synonym für das vPS zen, kann auch ein standardisierter Riechtest liefern, der bei eingesetzten Begriff des „Lower-Body Parkinsonism“. Dieser den vPS im Regelfall keine pathologischen Befunde zeigt Begriff diente allerdings ursprünglich zur Beschreibung der [11]. Einen zusammenfassenden Überblick über die diffe- Gangstörung im Rahmen einer subkortikalen arterioskleroti- renzialdiagnostischen Aspekte zwischen vPS und iPD gibt schen Enzephalopathie (SAE) [5, 7]. Unilaterale Verläufe ei- Tabelle 3. nes vPS, welche klinisch eher einem klassischen iPD ähneln, sind kontralateral zu Basalganglieninfarkten beschrieben [4]. Bei Verdacht auf ein vPS ist daher ein Therapieversuch mit L- Einen Hinweis auf ein vPS durch einen Basalganglieninfarkt Dopa gerechtfertigt [8]. Dopaminagonisten bieten hier keinen kann – neben dem akuten oder subakuten Beginn – auch eine Vorteil und sind aufgrund ihres Nebenwirkungsspektrums bei eventuelle Remission oder Teilremission geben. älteren Patienten mit Vorsicht einzusetzen. Viele Patienten zei- gen ein zumindest zeitweises Ansprechen der Bradykinese auf Zur differenzialdiagnostischen Abklärung sollte gemäß den eine dopaminerge Therapie, wobei Ausmaß und Dauer indivi- vorgeschlagenen vPS-Diagnosekriterien von Zijlmans et al. duell sehr unterschiedlich und nicht vorherzusagen sind. Auf- [4] (Tab. 2) eine kranielle Bildgebung (vorzugsweise eine kra- grund der hohen Prävalenz des iPD im höheren Lebensalter nielle Kernspintomographie [cMRT]) mit dem Nachweis ei- kommen nicht selten auch Komorbiditäten zwischen vPS und 70 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2014; 15 (2)
Sekundäre Parkinson-Syndrome Tabelle 3: Differenzialdiagnose vPS vs. iPD. Mod. nach [12]. vPS iPD Klinik Beginn Akut oder schleichend Schleichend Lateralität Kontralateral zu vaskulären Stammganglien- Asymmetrisch läsionen oder symmetrisch Gangstörung/Freezing Häufig schon zu Beginn Meist erst im Verlauf Ansprechen auf L-Dopa Variabel Obligat Verlauf Progredient oder stationär Progredient Diagnostik CCT/cMRT Strategische (lakunäre) Infarkte in den BG/ Altersentsprechender Normalbefund Thalamus Präsynaptischer Dopamintransporterstatus Variabel, aber häufig pathologische Befunde Obligat pathologisch Riechtest Unauffällig Pathologisch vPS: vaskuläres Parkinson-Syndrom; iPD: idiopathisches Parkinson-Syndrom; BG: Basalganglien iPD vor. Die typischen, langsam progredienten breitbasigen Bindung auch wieder schnelle Dissoziation des atypischen Gangstörungen und die Haltungsstabilität (posturale Refle- Neuroleptikums von den D2-Rezeptoren als Erklärungsmo- xe) bei bilateralen Ischämien sprechen in der Regel nicht auf dell für die niedrigere Rate an EPS annimmt [17]. die dopaminerge Therapie an. Das Dyskinesierisiko ist auch bei höher dosierter L-Dopa-Therapie als gering einzuschätzen Bei den Antiepileptika ist vor allem die Valproinsäure erwäh- [8]. Aufgrund der zusätzlich oft vorhandenen kognitiven Defi- nenswert, die bei langer Anwendung in bis zu 5 % der Patien- zite sollten Anticholinergika nicht und Amantadin nur sehr zu- ten ein mPS auslösen kann [21, 22]. Auch wenn der zugrunde rückhaltend eingesetzt werden. liegende Pathomechanismus nicht bekannt ist, wird eine mi- tochondriale Dysfunktion vermutet [22]. Weitere, häufig mit Medikamentös induziertes Parkinson- einem mPS assoziierte Medikamente sind in Tabelle 4 aufge- führt. Syndrom (mPS) Ähnlich wie für die vPS ist die genaue Prävalenz der mPS, zu- Die klinischen Diagnosekriterien für ein mPS sind: (1) EPS, meist aufgrund einer antidopaminergen Wirkung, unbekannt. (2) keine anamnestisch beschriebenen EPS vor Beginn des Die populationsbasierte „Bruneck-Studie“ in einer Population verdächtigten Medikamentes und (3) ein Beginn der EPS > 50 Jahre berichtet über eine Prävalenz der mPS von 1,7 %. während der Einnahme des verdächtigten Medikamentes. Dies entsprach in etwa 1⁄5 der in dieser Gruppe diagnostizier- ten Parkinson-Syndrome [13]. Damit waren in dieser Studie Klinisch zeigt sich bei den mPS öfter als bei den iPD ein bila- mPS häufiger anzutreffen als vPS. Als Risikofaktoren für die teraler Beginn mit im Vordergrund stehender allgemeiner Bra- Entwicklung eines mPS ist vor allem das Alter zu nennen, da dykinese und Rigor. Die posturale Stabilität ist häufig erhalten es hier durch physiologische Zelldegeneration zu einer Ab- und man findet bei den meisten Patienten nur eine leichte oder nahme der Dopaminkonzentration in der Substantia nigra gar keine Gangstörung [19]. Ein klassischer Ruhetremor kann kommt [14, 15]. Zusätzlich scheinen Frauen ein erhöhtes Ri- vorkommen, persistiert dann aber auch häufig als Aktions- siko zu tragen, was mit der Suppression der Dopaminrezep- tremor. Zusätzlich ist ein im buco-orofazialen Bereich auftre- toren durch Östrogen erklärt werden könnte [16–18]. Inter- tender höherfrequenter Tremor („Rabbit-Syndrom“) charakte- essanterweise scheint die Dauer einer Neuroleptikaeinnahme ristisch für ein mPS [23]. Viele Patienten mit mPS haben wei- für das Risiko des Auftretens und die Schwere des mPS kei- tere assoziierte Bewegungsstörungen wie eine Akathisie oder ne Rolle zu spielen [19]. Für die am häufigsten ein mPS aus- tardive Dyskinesien. Allerdings grenzt die klinische Präsenta- lösenden Medikamente ist ihre antagonistische Eigenschaft an tion alleine ein mPS nicht hinreichend von einem iPD ab. Bei striatalen Dopamin-D2-Rezeptoren ursächlich. Dies gilt nicht diagnostischer Unsicherheit sollte ein Dopamintransporter- nur für die klassischen Neuroleptika, sondern auch für mo- SPECT durchgeführt werden. Im Gegensatz zu den bereits be- dernere Vertreter der so genannten atypischen Neuroleptika, schriebenen vPS ist die Dopamintransporter-SPECT bei mPS dopaminantagonistische Antiemetika und Kalziumantagonis- normal. Eine Ausnahme hiervon stellt natürlich eine eventu- ten. Etwa 60 % der Patienten mit einer chronischen Schizo- elle Komorbidität mit einem iPD gerade bei älteren Patien- phrenie, die ein typisches Neuroleptikum einnehmen, entwi- ten dar. ckeln zumindest eine der bekannten EPS [20], worunter etwa 20 % ein mPS zeigen. Bei den atypischen Neuroleptika wurde Ein mPS ist nach Absetzen des verursachenden Agens grund- lange Zeit angenommen, dass das unterschiedliche Wirkungs- sätzlich reversibel, was allerdings unter Umständen Wochen profil mit einer stärkeren antagonistischen Wirkung am Se- bis Monate dauern kann. Das Absetzen stellt auch die wich- rotonin-2A-Rezeptor das günstigere Nebenwirkungsspektrum tigste therapeutische Maßnahme dar. Falls dies aufgrund ei- erklärt. In der jüngeren Vergangenheit kam zusätzlich die so ner psychiatrischen Grunderkrankung nicht möglich ist, soll- genannte „Fast-off“-Theorie auf, die als Hypothese die nach te zumindest ein Wechsel der Präparate erwogen werden. Al- J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2014; 15 (2) 71
Sekundäre Parkinson-Syndrome Tabelle 4: Medikamente und Wirkstoffgruppen, die mit einem mPS assoziiert sind. Häufige Auslöser Seltene Auslöser Sehr seltene Auslöser 1 Typische Neuro- Phenothiazine , Atypische Neuro- Clozapin, Quetiapin Immunsuppressiva Cyclosporin, Tacro- leptika Butyrophenone2, Di- leptika limus phenylbutylpiperide- Stimmungsstabi- Lithium Antiarrhythmika Amiodaron ne3, Benzamide4 lisierer Antiepileptika Carbamazepin, La- Atypische Neuro- Risperidon, Olanza- Antidepressiva Selektive Serotonin- motrigin leptika pin, Aripiprazol Wiederaufnahme- Dopamin-Entspei- Reserpin, Tetrabena- hemmer cherer zin Antiepileptika Valproinsäure, Phe- Antiemetika Metoclopramid nytoin Kalziumantago- Verapamil, Flunarizin nisten 1 z. B. Chlorpromazin; 2 z. B. Haloperidol; 3 z. B. Pimozid; 4 z. B. Sulpirid lerdings sind die ursprünglichen Erwartungen, dass die aty- Unabhängig von der Ursache der Manganexposition führt pischen Neuroleptika die Rate an EPS, inklusive des mPS, Mangan bevorzugt zu einer Schädigung des Globus pallidus, substanziell verbessern, nicht für alle atypischen Neurolepti- weniger der Substantia nigra und des Striatum. Diese Verän- ka haltbar. So erscheinen z. B. unter Olanzapin und Aripipra- derungen sind auch im T1-gewichteten Bild der cMRT nach- zol in höheren Dosen EPS recht häufig. Bei Risperidon ist ein weisbar. Nach Beendigung der Manganexposition können EPS sogar ähnlich häufig wie bei den klassischen Neurolep- diese Veränderungen teilweise reversibel sein, auch wenn die tika [17, 24–27]. Das sicherste Profil hinsichtlich EPS, insbe- neurologischen Symptome bestehen bleiben [33]. Klinisch sondere bei älteren Patienten, scheinen Clozapin und Quetia- kommt es nach zunächst unspezifischen Symptomen (Kopf- pin zu zeigen [17]. Der Einsatz von Dopaminergika bei Pati- schmerzen, Muskelkrämpfen) oft zu Verhaltensauffälligkei- enten mit mPS ist oftmals bereits durch die Grunderkrankung ten, Halluzinationen und kognitiven Störungen, gefolgt von nur eingeschränkt möglich oder kontraindiziert. Es sollte al- symmetrischen Parkinson-Symptomen, einer Dystonie und lerdings erwähnt werden, dass trotz der häufigen Problematik eventuell Myoklonien. Recht charakteristisch ist der so ge- eines mPS kontrollierte randomisierte Studien zum Einsatz nannte „cock gait“ als Ausdruck einer distalen Dystonie der dopaminerger Substanzen bei dieser Patientengruppe nicht unteren Extremitäten [34]. Therapeutisch können (neben der publiziert sind. Bei mPS bleiben daher Amantadin (200– Beendigung der Exposition) Therapieversuche mit Chelat- 400 mg/Tag) oder Anticholinergika (Cave: kognitive Defizite) bildnern (Vitamin C, Ethylendiamintetraacetat [EDTA]) oder als therapeutische Option, wobei die wissenschaftliche Evi- L-Dopa versucht werden [35], wobei nur teilweise eine Bes- denz für Amantadin ebenfalls limitiert ist. serung erzielt werden kann. Toxische Parkinson-Syndrome (tPS) Infektiöse und postinfektiöse Parkinson- Syndrome Die Rolle von Umweltfaktoren und insbesondere von Pesti- ziden als Risikofaktoren eines iPD ist hinreichend belegt [28, Das Erkennen von sPD durch eine akute Infektion oder post- 29]. Das wohl bekannteste Neurotoxin, das die Parkinson- infektiös ist wichtig, da diese teilweise durch eine adäquate Erkrankung auslösen kann, ist aufgrund der Buchbeschrei- Behandlung reversibel sind. Direkt erregerbedingt oder au- bung [30] und der heutigen Nutzung im Tiermodell 1-Me- toimmun vermittelt wird hier eine Störung basalganglionä- thyl-4-Phenyl-1,2,3,6-Tetrahydropyridin (MPTP). Eine Rei- rer Regelkreise hervorgerufen. Das bekannteste postinfektiö- he weiterer Toxine kann isoliert oder in Kombination v. a. mit se Parkinson-Syndrom ist die „Encephalitis lethargica“, bei einer Dystonie zu einem Parkinson-Syndrom führen. Dazu der die Betroffenen Anfang des 20. Jahrhunderts ein zumeist gehören neben Kohlenmonoxid Schwermetalle, Zyanid und schweres bradykinetisch-rigides Syndrom entwickelten. Ein Methanol. lange vermuteter direkter Zusammenhang mit einer Typ-A-In- fluenzainfektion konnte nie sicher nachgewiesen werden [36]. Bei den Schwermetallen sind in den vergangenen Jahren ins- Die EPS zeigten keine wesentliche Progredienz, aber es traten besondere Mangan und Blei [31] als mögliche Auslöser ei- Phasen der so genannten „Kinesia paradoxa“ auf, in denen die nes tPS durch Umwelt- und/oder Arbeitsexposition in den Patienten plötzlich die Unterbeweglichkeit überwinden konn- Fokus gerückt. Bei der häufigsten Schwermetallintoxikati- ten. Die EPS der „Encephalitis lethargica“ waren häufig asso- on (Mangan) erfolgt die Aufnahme in der Regel peroral und/ ziiert mit einer Somnolenz, Halluzinationen und einer Kata- oder durch Inhalation. Intoxikationen wurden früher gehäuft tonie. Die Symptome waren nach Einführung durch L-Dopa bei Arbeitern in der metallverarbeitenden Industrie, Schwei- gut zu lindern, jedoch traten rasch motorische Komplikatio- ßern und Manganminen, aber auch bei kompletter parentera- nen wie Dyskinesien auf. ler Ernährung und chronischen Lebererkrankungen beobach- tet. Als eine Manganintoxikation kann auch die durch einen Infektionen, die mit einem akuten Auftreten eines EPS ein- Drogenabusus (Szenenamen „Catt“ oder „Jeff“) hervorgerufe- hergehen und bei denen die Basalganglien strukturell verän- ne Ephedron-Enzephalopathie gesehen werden [32]. dert sind, können am ehesten eine Klinik verursachen, die ei- 72 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2014; 15 (2)
Sekundäre Parkinson-Syndrome nem iPD ähnelt. Beispiele hierfür sind Infektionen mit Tu- des Patienten. Bei multimorbiden Patienten sind auch wie- berkelbakterien (Tuberkulome), Toxoplasmen oder Krypto- derholt durchgeführte Ablassversuche gerechtfertigt. Die Er- kokken. Allerdings wird die Klinik selten durch isolierte EPS folgsquote bei guter Indikationsstellung (Vorherrschen der bestimmt, vielmehr finden sich parallel weitere Symptome Gangstörung, wenig kognitive Defizite, gutes Ansprechen im wie epileptische Anfälle, Paresen oder Hirndruckzeichen. Di- Liquorablassversuch, junge Patienten) liegt bei > 70 % [44, agnostisch entscheidend ist der Läsionsnachweis in der cMRT 45]. sowie u. U. die Erregerisolierung. „Scans Without Evidence of Dopaminer- Das Mitauftreten von EPS im Rahmen von viralen Enzephalo- gic Deficit“ (SWEDD) pathien (Epstein-Barr-Virus, japanische Enzephalitis, Herpes- simplex-Virus, HIV), einer progressiven multifokalen Leuk- In Abhängigkeit von den durchgeführten Studien zeigen enzephalopathie (JC-Virus), von Mykoplasmeninfektionen 4–14,7 % der klinisch als iPD diagnostizierten Patienten ei- und der Whipple-Erkrankung ist beschrieben [37, 38]. nen zu Beginn ihrer Erkrankung unauffälligen Dopamintrans- porter-SPECT [46]. Die Gründe hierfür wurden u. a. in ei- Schädel-Hirn-Trauma ner möglichen falsch-positiven Diagnose eines iPD gesucht. Diskutiert wird, ob sich hinter den SWEDDs eine heteroge- Systematische Untersuchungen über das Auftreten und das ne Gruppe von insbesondere nichtneurodegenerativen Erkran- Risiko eines Parkinson-Syndroms nach Schädel-Hirn-Trauma kungen wie L-Dopa-responsiven Dystonien, dystonen Tre- (SHT) und die eventuelle Kausalität existieren nicht. Aller- morformen, Depressionen, einem vPS oder einem essenziel- dings scheinen Sportarten mit rezidivierenden SHT besonders len Tremor verbirgt [46, 47]. Die korrekte Diagnosestellung risikoreich („chronic traumatic encephalopathy“ [CTE], his- hat nicht unerheblichen Einfluss auf Therapie und Prognose. torisch als „Dementia pugilistica“ bezeichnet) [39, 40]. Kli- Patienten mit einem SWEDD zeigen im Allgemeinen keine nisch findet man bei der CTE häufig neben den EPS auch eine Progredienz ihrer Erkrankung und keine motorischen Kom- demenzielle Entwicklung und Änderungen der Persönlichkeit plikationen, wie sie bei iPD-Patienten gesehen werden. Eine mit Apathie, Depression und Suizidalität. korrekte Diagnosestellung hilft weiterhin, eine nichtwirk- same dopaminerge Therapie zu verhindern. Klinische „red Idiopathischer Normaldruckhydrozepha- flags“ für das Vorliegen eines SWEDD sind: (1) die Charak- lus teristik und Lokalisation des Tremors (häufiger dystoner Tre- mor und/oder Kopftremor, Aktionstremor), (2) das Fehlen ei- Beim idiopathischen Normaldruckhydrozephalus (iNPH) ner Bradykinese, (3) das fehlende Ansprechen auf eine dopa- kommt es zur klassischen Trias aus Gangstörung, kognitiven minerge Therapie und (4) weniger nichtmotorische Sympto- Defiziten und Harninkontinenz. Bei der sekundären Form des me als beim iPD. Bei den nichtmotorischen PD-Symptomen NPH liegt meist eine Subarachnoidalblutung (23 %), eine Me- ist ein einfach durchzuführender Riechtest (z. B. UPSIT, Snif- ningitis (4,5 %) oder ein Schädel-Hirn-Trauma (12,5 %) zu- fin Sticks) ein guter Baustein zur Differenzialdiagnose [48]. grunde [41]. Die genaue Pathophysiologie ist weiter unklar. Allerdings muss einschränkend betont werden, dass dystone Relevant für das Auftreten der Symptome scheint aber ein er- Symptome und/oder ein dystoner Tremor gerade beim iPD mit höhter Abflusswiderstand des Liquors zu sein [42, 43]. In der jungem Erkrankungsbeginn und genetischen PD-Formen häu- kraniellen Bildgebung finden sich typischerweise eine Vergrö- fig angetroffen werden [49]. ßerung der Seitenventrikel bei fehlender kortikaler Atrophie und das Vorkommen von periventrikulären Dichteminderun- Seltene genetische Erkrankungen gen. Klinisch kann besonders die Gangstörung zur Verwechs- lung mit einem iPD führen, da diese durch ein verlangsam- EPS-Symptome können mit einer Reihe von neurodegenera- tes kleinschrittiges Gangbild mit Starthemmung und Gangblo- tiven Erkrankungen mit genetischem Hintergrund assoziiert ckaden gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zum iPD ist beim sein. Dabei können Parkinson-Symptome im Vordergrund ste- NPH allerdings das Gangbild breitbasig, der Armschwung hen oder nur subtil bei der klinischen Untersuchung auffallen. beim Gehen nicht reduziert und es findet sich auch keine Bra- Bei den seltenen genetischen Erkrankungen sind vor allem dykinese oder ein Tremor der oberen Extremitäten. solche mit therapeutischer Konsequenz von besonderer Wich- tigkeit. Hierzu zählen der M. Wilson (Diagnostik mittels Be- Aus diagnostischen und auch therapeutischen Gründen wird stimmung von freiem Kupfer im Serum, Kupferausscheidung ein lumbaler Liquorablassversuch durchgeführt, bei dem es im 24-h-Sammelurin, Coeruloplasmin) und die Dopa-respon- etwa 24 Stunden nach Entnahme von 30–50 ml Liquor zu ei- sive Dystonie (DYT5; Diagnostik und Behandlung mittels L- ner klinischen Besserung der Gangstörung kommen sollte. Al- Dopa und molekulargenetischer Analyse der Gene GCH1 [do- ternativ kann auch eine Lumbaldrainage mit einer Dauerablei- minante Form] oder TH [rezessive Form]). tung über 3 Tage gelegt werden (Entlastung 150–200 ml Li- quor). Eine Verbesserung der Gehgeschwindigkeit sowie eine Bei der Westphal-Variante des M. Huntington handelt es sich Abnahme der Schrittanzahl über 10 Meter um 20 % kann als um meist sehr junge Patienten mit paternaler Vererbung der klinisch signifikant gewertet werden [41]. Chorea Huntington (häufig > 60 CAG-Repeats), einer im Vor- dergrund stehenden EPS-Symptomatik (häufig Dystonie) und Therapeutisch kann eine ventilgesteuerte Shuntversorgung einer früh im Krankheitsverlauf beginnenden kognitiven Ein- (v. a. ventrikuloperitoneal) Abhilfe schaffen. Die OP-Indi- schränkung. Daneben sind aber auch Fälle eines asymmetri- kation ist insbesondere abhängig von den Komorbiditäten schen Parkinson-Syndroms beschrieben [50]. Bei der Abgren- J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2014; 15 (2) 73
Sekundäre Parkinson-Syndrome zung ist hier die Familienanamnese eines M. Huntington ent- scheidend. Relevanz für die Praxis Die sekundären und Pseudoparkinson-Syndrome (sPD) In Untersuchungen von familiären und sporadischen PD-Fäl- sind in ihrer Ätiologie sehr heterogen. Sichere Daten zur len konnten in wenigen Fällen die autosomal dominant ver- Prävalenz liegen nicht vor. Am häufigsten scheinen me- erbten Formen der spinozerebellären Ataxien, vor allem dikamentöse und vaskuläre Parkinson-Syndrome zu sein. SCA2 und SCA3, als ursächlich gefunden werden. Dabei Die Differenzialdiagnose zum idiopathischen Parkinson- schwanken die Angaben von bis zu 2 % in europäischen Ko- Syndrom ist wichtig, da sich die Therapie, der Verlauf und horten [51] und bis zu 10 % in Asien [52, 53]. In SCA2-Fa- die Prognose häufig unterscheiden. Klinische Unterschiede milien, die als autosomal dominante Parkinson-Fälle klassifi- bei vielen sPD sind das bilaterale Vorkommen der Parkin- ziert wurden, sind keine zerebellären Symptome beschrieben son-Syndrome, andere assoziierte extrapyramidal-motori- [51–54]. Klinisch scheinen die SCA-Patienten mit einem PD- sche Symptome, das Fehlen von nichtmotorischen Symp- Phänotyp eine symmetrischere Verlaufsform, ein gutes An- tomen und das zumeist schlechte Ansprechen auf L-Dopa. sprechen auf L-Dopa und weniger motorische Fluktuationen Auch die nuklearmedizinische Untersuchung mittels eines zu haben. Die nuklearmedizinischen Untersuchungen können Dopamintransporter-SPECT kann in manchen Fällen, wie ähnlich wie bei iPD-Patienten präsynaptische Veränderungen z. B. den medikamentös induzierten Parkinson-Syndromen zeigen [53, 54]. oder den „scans without evidence of dopaminergic deficit“ (SWEDD), zur richtigen Diagnosestellung beitragen. Das fragile X-assoziierte Tremor/Ataxie-Syndrom (FXTAS) ist charakterisiert durch einen späten Erkrankungsbeginn, Ak- tionstremor, Ataxie, EPS, eine autonome Dysfunktion, eine 7. FitzGerald PM, Jankovic J. Lower body par- 22. Jamora D, Lim SH, Pan A, et al. Valpro- meist sensorisch axonale Polyneuropathie und eine kogniti- kinsonism: evidence for vascular etiology. ate-induced Parkinsonism in epilepsy pati- ve Beeinträchtigung [55]. Es handelt sich um eine X-chromo- Mov Disord 1989; 4: 249–60. ents. Mov Disord 2007; 22: 130–3. somal vererbte Erkrankung, wodurch überwiegend Männer 8. Zijlmans JC, Katzenschlager R, Daniel SE, 23. Villeneuve A. The rabbit syndrome. A pe- et al. The L-dopa response in vascular parkin- culiar extrapyramidal reaction. Can Psychiatr betroffen sind. Allerdings sind auch phänotypisch auffällige sonism. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2004; Assoc J 1972; 17 (Suppl 2): SS69-. Frauen in der Literatur zu finden [55, 56]. Es handelt sich bei 75: 545–7. 24. Schotte A, Janssen PF, Gommeren W, et 9. Zijlmans J, Evans A, Fontes F, et al. [123I] dem FXTAS um eine CGG-Repeat-Verlängerung zwischen 55 FP-CIT spect study in vascular parkinsonism al. Risperidone compared with new and refe- rence antipsychotic drugs: in vitro and in vivo und 200 im FMR1-Gen. Bei einer großen Anzahl von FXTAS- and Parkinson‘s disease. Mov Disord 2007; receptor binding. Psychopharmacology (Berl) 22: 1278–85. Patienten kann keine positive Familienanamnese, insbesonde- 1996; 124: 57–73. 10. Plotkin M, Amthauer H, Quill S, et al. Ima- 25. Gomez JC, Sacristan JA, Hernandez J, et re nicht für Demenzen erhoben werden [55]. Die Prävalenz ging of dopamine transporters and D2 recep- al. The safety of olanzapine compared with der genetischen Veränderung wird mit 1/259 bei Frauen und tors in vascular parkinsonism: a report of four other antipsychotic drugs: results of an ob- cases. 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