Senioren post wetzlar - Herausgeber: Der Magistrat der Stadt Wetzlar Mai / Juni 2022 Ausgabe 228

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Senioren post wetzlar - Herausgeber: Der Magistrat der Stadt Wetzlar Mai / Juni 2022 Ausgabe 228
senioren
  Mai / Juni 2022
  Ausgabe 228

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 Herausgeber:
Der Magistrat der
 Stadt Wetzlar           wetzlar

                             Hessentag 2012
                    Frottage von Valentin Gerstberger
Senioren post wetzlar - Herausgeber: Der Magistrat der Stadt Wetzlar Mai / Juni 2022 Ausgabe 228
Senioren post wetzlar - Herausgeber: Der Magistrat der Stadt Wetzlar Mai / Juni 2022 Ausgabe 228
SENIORENPOST WETZLAR
                                  Ausgabe Nr. 228                         Mai / Juni 2022
                                    Nächste Ausgabe voraussichtlich Anfang Juli 2022

                                             Inhaltsverzeichnis
                                                             Seite                                                                Seite

Liebe Leserin, lieber Leser.........................4                  Wissenswert
                                                                       - Spargel, ein feines Gemüse................... 22.23
Aus der Stadtgeschichte
- Künstlerische Erinnerung                                             Unser Ausflugstipp
  an den Hessentag 2012................................5               - Renoir-Ausstellung in Frankfurt/Main.....24
- Liebe, Leid und Religion.........................6,7
                                                                       Büchertipp
Reisen                                                                 - Die Brennnessel........................................25
- Bei den grauen Riesen.............................. 8,9
                                                                       Seniorenpolitik
Zeitgeschehen                                                          - Digitalisierung und Alter..........................26
- „Alter Friedhof“ – ein Vogelparadies... 14,15                        - Filmprojekte Migration und Alter.............27
- Nicht alt...................................................... 15
                                                                       Unser Preisrätsel ......................................28
Unterhaltung
- Walter von der Vogelweide................... 16,17                   Wer hat gewonnen?...................................29
- Obdachlos? Ausgebombt................. 18,19,20
                                                                       Impressum ................................................30
Aus den Museen
- Der Bartmannkrug..................................... 21             Informationsseiten ........................... I - VIII

                        Redaktionsschluss für die Ausgabe 229 ist der 27.05.2022

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Senioren post wetzlar - Herausgeber: Der Magistrat der Stadt Wetzlar Mai / Juni 2022 Ausgabe 228
Liebe Leserin,
                                                     sagt ein Mensch gern: Meine Mutter hatte nichts
			lieber Leser,                                     als Liebe, das Beste in mir, ich habe es von ihr!
                                                     Im Garten, auf der Veranda wagen sich nun
Leben ist nicht genug,                               wärmeliebende Pflanzen wieder ans Licht.
sagte der Schmetterling,                             Eine davon ist die „mentha piperita“ mit
Sonnenschein, Freiheit und eine kleine Blume         frischem, belebenden Duft. Einige duftende
muß man auch haben!                                  Rosenblätter und Minze in einer Glaskanne mit
                Hans Christian Andersen              siedendem Wasser übergießen: optisch
                                                     und geschmacklich ein besonderer Genuß!
Mai und Juni sind Reisemonate und das Beste,         Liebe LeserInnen, das Redaktionsteam bittet um
was man vom Reisen mitbringt, ist eine heile Haut,   interessante Beiträge für die
sagt ein persisches Sprichwort.                      Wetzlarer Seniorenpost! Scheuen Sie sich nicht
Goethe, der für seine Reiselust bekannt war,         aus (fast) allen Lebensbereichen zu berichten,
schwärmte: „Reisen ist schön, aber nicht ankom-      wir freuen uns sehr darauf!
men!“
Ein Tipp für Zuhausgebliebene: Machen Sie nach       Erquickliche Reisen und
einem Regenschauer einen Aromaspaziergang            ein Hoch auf die neue Rosensaison!
im Wald und gönnen Sie Ihren Lungen in tiefen                               Gunhild Deis-Wiese
Zügen Sauerstoff mit Waldaroma! Die feuchte
Erde und Pflanzen verströmen einen intensiven
Geruch, der uns die Erneuerung des Lebens
                                                     Maienzeit
förmlich spüren läßt. Alles neu macht der Mai!
Es gibt im Mai und Juni ein tief verwurzeltes
                                                     Maienzeit bannet Leid!
Bedürfnis nach einem Sonnenbad, nach dem
                                                     Fröhlichkeit ist gebreit über Berg und Tal
warmen, goldenen Lichte der Sonne. In deren
                                                     und grüne Auen.
Urlicht unzählige Geheimnisse schlummern. Man
                                                     An dem Rain Blümelein, groß und klein,
weiß immer noch wenig über die Art der Sonnen-
                                                     neu erschein‘ weiße, rote, gelbe und die
bescheinung unserer Pflanzenwelt
                                                     blauen.
und wie diese dann als lebendige Nahrung zu uns
                                                     Rings im Gras sind hoch sie
kommt. Einiges weiß man über die
                                                     aufgesprungen.
Wirkung der Sonne auf unsere Haut, die
                                                     In dem Wald mannigfalt Sang erschallt,
Beeinflussung der Gemütslage, das körperei-
                                                     daß es hallt: wahrlich besser ward er nie
gene Immunsystem und geistige Fähigkeiten.
                                                     besungen.
Eine sachkundige Lichttherapie kann positiv bei
Altersdepressionen wirken! Nutzen Sie
                                                     Alles Leid bannet weit Maienzeit!
die kräftige Sonne für sinnvolle, nicht so
                                                     Schürz dein Kleid, junge Maid, jetzt flink
lange Sonnenbäder bei geschütztem Kopf,
                                                     zum frohen Reihen!
auch über Mittag.
                                                     Band und Kranz, Perlenglanz,
Und im allgemeinen: Freundliche, angstfreie
                                                     schmück dich ganz für den Tanz hold und
Beziehungen fördern Lebensglück und
                                                     heiter in dem jungen Maien!
Daseinsfreude. Die Bewältigung von Leiden im
                                                     Hell ertönt das Klingen der Schalmeien
Guten ist möglich. Liebe und Mitgefühl
                                                     durch den Wald, daß es hallt tausendfalt.
bilden für alle eine wohltuende, würdige
                                                     Jung und alt schwingt sich heut im
Lebensstrategie.
                                                     flinken, frohen Reigen!
Der Muttertag ist nahe, und man sieht Kinder in
blühenden Wiesen Blumen pflücken.
                                                     Reigenlied von einem Nachahmer des
Ein Kind ohne Mutter ist wie eine Blume ohne
                                                     Minnesängers Neidhart von Reuenthal
Regen, sagt ein indisches Sprichwort. Und oft
                                                     (um 1180 – 1240)

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Senioren post wetzlar - Herausgeber: Der Magistrat der Stadt Wetzlar Mai / Juni 2022 Ausgabe 228
Aus der Stadtgeschichte
     Künstlerische Erinnerung an den Hessentag 2012
                                                    ist im Wesentlichen das Originallogo des Hessen-
                                                    tages, ergänzt durch zusätzliche Informationen.
                                                    Das Motiv hat die Grafikerin Christine Schusser
                                                    von der Wetzlarer Werbeagentur Grips-Design
                                                    entworfen. „Manche können sich noch an das
                                                    beliebte Kinderspiel erinnern: Sie legen ein
                                                    Stück Papier auf eine Geldmünze und rubbeln
                                                    mit einem Bunt- oder Bleistift solange drüber, bis
                                                    auf dem Papier das Bild der Münze erscheint“,
                                                    so Valentin Gerstberger. Das ist das Prinzip. Nur
                                                    mit dem Unterschied, dass er statt der Münze die
                                                    Hessentagsplakette nicht unter Papier, sondern
                                                    unter seine Leinwand gelegt hat. „Statt mit Stiften
                                                    male ich darauf mit Pinsel und Farben“, erklärt er.
                                                    Dabei hat er sich eng an die Farben des Logos
                                                    angelehnt, diese aber in künstlerischer Freiheit
                                                    etwas abgewandelt.
                                                    Das Hessentagsbild weist auf die Vielfalt der Stadt
     Die Hessentagsplakette im Rathaus              im Grünen hin. Zum Beispiel auf das historische
                                                    Zentrum mit Altstadt und Dom. Es erinnert ferner
Genau zehn Jahre ist es her, dass der Hessentag     an das Wirken des jungen Goethe, der hier durch
über eine Millionen Besucher in die Goethe – und    die Begegnung mit Lotte zu seinem Weltroman
Optikstadt gelockt hat. Eine bronzene Plakette im   „Die Leiden des jungen Werther“ inspiriert wur-
Rathaus erinnert an dieses Ereignis und würdigt     de. Die Leica-Kamera weist auf die Erfindung
sowohl die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer als    der Kleinbildfotografie hin und ist zugleich ein
auch die Sponsoren, die entscheidend zum Erfolg     Symbol für die Bedeutung der optisch- feinme-
des Hessenfestes beigetragen haben.                 chanischen Industrie in Wetzlar. Viele Menschen
Das Bild zum Hessentag auf der Titelseite der ak-   entdecken Wetzlar auf ihrer Bootstour durch das
tuellen „Seniorenpost“-Ausgabe hat der Wetzlarer    reizvolle Lahntal. Und die tanzenden Menschen
Künstler Valentin Gerstberger geschaffen. Mittels   symbolisieren das unbeschwerte Feiern des
der von ihm selbst entwickelten Frottage-Technik    Hessentages. Ganz nach dem Motto „kulturell,
hat er die Hessentagsplakette „abgedruckt“. Es      lebendig, bunt“.
                                                                     Ministerpräsident Bouffier
                                                                     auf dem Hessentag in Wetzlar
                                                                     2012

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Senioren post wetzlar - Herausgeber: Der Magistrat der Stadt Wetzlar Mai / Juni 2022 Ausgabe 228
Aus der Stadtgeschichte

                               Liebe, Leid und Religion
Eine Gesellschaft beim Kammerrichter                  einem engen Mitarbeiter des Kammerrichters
Der Herr Kammerrichter und Präsident des              und Freund des Bräutigams. Die gebotene Heim-
Reichskammergerichtes, Graf von Spaur und             lichkeit wäre nicht gesichert gewesen durch eine
seine Frau hatten eingeladen. Gräfin Theresa          Trauung in der Reichsstadt Wetzlar. Deshalb ging
Sophie von Spaur geb. Gräfin Stadion war seit         man nach Blasbach, das „ausländisch“ war, da es
1754 mit Franz Joseph Spaur Graf von Pflaum           nicht auf dem Gebiet der Reichsstadt lag, sondern
und Valeur (1725-1797) verheiratet. Sie hatte         in der Grafschaft Solms-Hohensolms.
1765 das Unglück, bei einer Schlittenpartie ei-
nen Unfall zu erleiden, durch dessen Folge sie        Die evangelische Trauung
zeitlebens gelähmt war, so dass sie nicht mehr        Am Montag vor Pfingsten im Jahre 1781 machte
allein zu gehen vermochte. Dennoch nahm sie           der Blasbacher Pfarrer Köhler im Trauregister des
gern an den gesellschaftlichen Veranstaltungen        evangelischen Pfarramtes folgende Eintragung:
der Kameralkreise in Wetzlar teil.                    „Den 28. May ließen sich S. T. der junge Herr
Es war ein fröhlicher Abend im Hause das Kam-         Graf Hans Pflaum von Spaur, des S. T. Herrn
merrichters, mit Musik und heiteren Spielen.          Kammerrichters von Wetzlar Herrn Sohn, mit S.
Besonders gefiel eine Scharade, bei der der           T. der Comtesse Leopoldine Sayn von Wittgen-
Sohn der Gastgeber, Graf Johann von Spaur,            stein priesterlich copulieren und einsegnen in
mit der Comtesse Caroline Leopoldine Sayn             Gegenwart meiner Frau und jüngsten Tochter wie
von Wittgenstein ein Liebespaar darstellten. Die      auch des Kunstmalers oder Zeichenmeisters N.
Zuschauer, darunter auch die Eltern der beiden        Caude und dessen Frau von Wetzlar. Gott wolle
Hauptdarsteller, klatschten eifrig Beifall.           sie leiten, regieren und segnen“.
                                                      Nun waren sie also verheiratet. Ob und wo sie
Heimliche Liebe                                       zusammen wohnten, das wissen wir nicht mehr.
Sie ahnten freilich nicht, dass ihre Kinder auch im   Aber wir wissen, dass das Verhängnis über die
wirklichen Leben ein Liebespaar waren. Obwohl         Liebenden kam.
die beiden, Graf Johann von Spaur und Junggräfin
Leopoldine von Wittgenstein, mündig und nach          Das Verhängnis
den Vorstellungen der Zeit einander ebenbürtig        Schon bald nach der Hochzeit verriet der Trau-
waren, war ihnen klar, dass eine Ehe problema-        zeuge N. Caude das Geheimnis. Auch der
tisch wäre. Der Vater des Bräutigams war der ka-      Kammergerichts-Prokurator Dr. Häberlein macht
tholische Präsident des Reichskammergerichts,         bald „ein Geschäft daraus, ein Band zerreißen
als solcher vom Kaiser eingesetzt, und die Gräfin     zu helfen, das er selbst hatte binden helfen und
Leopoldine entstammte der lutherischen Familie        wovon er wußte, daß es kirchlich eingesegnet
von Wittgenstein. Das konnte nicht gut gehen!         war“, schreibt Graf Johann und nennt ihn „den
Beide wohnten in Wetzlar, ohne dass heute noch        Falschen, der uns verraten hat“.
feststellbar wäre, in welcher Funktion Leopoldines    Kaum ist die heimliche Trauung bekanntgewor-
Vater Graf Heinrich Ernst August in der Reichs-       den, da wird der junge Ehemann von seiner Frau
stadt tätig war.                                      getrennt, aus Wetzlar gewaltsam entfernt und auf
Die Liebenden wurden sich klar, dass ihrem Ziel       den alten Familienstammsitz Brixen in Tirol ver-
einer ehelichen Verbindung Gefahr drohte. Des-        bannt. Mit Mitteln der Fälschung und Täuschung
halb wollten sie vollendete Tatsachen schaffen,       versucht man, die Liebenden auch innerlich zu
ehe die drohenden Schwierigkeiten wirksam wer-        trennen.
den konnten. Dabei empfanden sie ihre heimliche       Anlass zu diesem gewaltsamen Vorgehen war
Trauung zwar als etwas Außergewöhnliches, aber        die Tatsache der evangelischen Trauung des
nicht als etwas Unrechtes. Sie berieten sich mit      Paares, obwohl die Familie Spaur katholisch war.
dem Kammergerichts-Prokurator Dr. Häberlein,          Die evangelische Trauung wurde als ketzerisch

6   seniorenpost wetzlar 228
Senioren post wetzlar - Herausgeber: Der Magistrat der Stadt Wetzlar Mai / Juni 2022 Ausgabe 228
Aus der Stadtgeschichte

empfunden und die Ehe                                                      keins habe) liebtest. Die
schließlich annulliert.                                                    Deinigen sind mir ebenso
Gräfin Karoline Leopoldine                                                 bekannt, und nicht Geld,
zu Wittgenstein heiratete                                                  nicht Hoffnungen, son-
vier Jahre später (1785)                                                   dern Dein gutes Herz,
den bayerischen Gene-                                                      Dein unaussprechliches
ralleutnant Ludwig Ernst                                                   Gemüth, Deine vortreff-
von Schönberg-Rochsburg,                                                   lichen Eigenschaften und
Graf und Herr zu Glauchau                                                  die Übereinstimmung un-
und Waldenburg und starb                                                   serer Denkungsart; diese
als dessen Gattin 1809 zu                                                  sind es, die mich an Dich
Lichtenstein.                                                              gezogen haben und noch
                                                                           fesseln, freilich wäre es
Ein empfindsamer Brief                                                     besser, wenn ich eine ge-
Mit Hilfe einer Tante der                                                  wisse, nur geringe Versor-
jungen Frau konnte das                                                     gung hätte. Diese bei dem
unglückliche Paar noch eine                                                Kaiser zu erhalten, wie
Weile in Verbindung bleiben.                                               Du mir jüngst geschrieben
Aus einem Brief des jungen                                                 hast, ist schwer, da er alles
Mannes, geschrieben in der                                                 zu vermindern sucht. Mein
Zeit der Empfindsamkeit,                                                   Wunsch wäre, bei Holland
geben wir hier ein Beispiel:            Kirche   in Blasbach              oder   den Russen Dien-
„Liebste, beste Seele! 		                                                 ste zu nehmen, zu diesen
			                     Den 4. December 1781        könntest Du mir wohl, wie ich glaube, durch Deine
Deine verehrungswürdigen letzten Handzeilen Freunde verhelfen, da Du gleichsam mit beiden
habe ich mit vieler Wonne und unaussprech- Häusern verwandt bist.
lichem Vergnügen erhalten, und thut es mir leid, Diesen Brief schicke ich Dir durch die liebe Tante,
daß ich Deinen vorletzten Brief gar nicht einmal weil ich keinen sicheren Weg weiß, damit sie mir
gesehen habe, weil er von meinem Vater auf- nicht aufgefangen werden. Ich glaube und hoffe,
gefangen worden, worauf mir dieser einen sehr daß diese Menschenfreundin ihre Gesinnungen
drohenden Brief zugeschickt hat, in welchem gegen uns, die wir jetzt so unglücklich sind, nicht
stand, daß Du geschrieben hättest, ich sollte bei wird geändert haben .Mein Brief an sie wird auch
dem Kaiser klagen, welches ich mir niemals vor- schon so eingerichtet sein, daß er Rührung zu-
stellen konnte; ja sogar meine zwei Brüder und wege bringt. Deine Briefe schicke auch an sie mit
Kronenberg haben mir auch fürchterliche Briefe meiner Adresse, damit sie mir selbige schicken
zugesendet, in welchen sie mich Vatermörder kann; aber nicht durch die Wetzlarer Post, son-
nennen; und Gott weiß, daß ich nichts als meine dern durch einen Boten.
Pflicht thue...                                     Nun, Beste, lebe wohl! Ich wiederhole nochmals
Ich betheuere bei meinem Gott, der mein Herz bei Gott auf das feierlichste, was ich gesagt habe
und meine Nieren prüft, daß ich Dir ewig treu und noch sagen könnte. Ich küsse Dich tausend-
verbleibe, und meine Gesinnungen niemals mal auch abwesend. Bete zu Gott um einen glück-
geändert habe, noch ändern werde, und dieses lichen Ausgang, und sei versichert, beste, liebste
kannst Du Deinem Vater mit Zusicherung meines Caroline, einzige Wonne meines Lebens, daß ich
Respects, und Deinen übrigen Verwandten gera- stets meine Pflicht beobachten und unaufhörlich
dezu melden...                                      bis in den Tod sein werde. Dein ewig treuer, und
Meine Umstände sind Dir zu genau bekannt, als wenn ich mich einst in Deine Arme werde werfen
daß ich so thöricht hätte sein können, zu glau- können, unaussprechlich glücklicher Hans“.
ben, daß Du mich wegen des Geldes (da ich                                                Herta Virnich

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Reisen

                               Bei den grauen Riesen
                                                        größer als die indischen Artgenossen. Beim Ele-
                                                        fanten haben sich die Stoßzähne aus den oberen
                                                        Schneidezähnen entwickelt.
                                                        Alle Elefanten sind mit einem Rüssel ausgestattet.
                                                        Dieser ist ein einziges Muskelpaket, das sich durch
                                                        die Verwachsung zwischen Oberlippe und Nase
                                                        entwickelt hat und besteht aus mehr als 40.000 Mus-
                                                        keln. Dieser Rüssel ist ein universell einsetzbares
                                                        Instrument und schenkt dem Elefanten den am
                                                        besten entwickelten Geruchssinn aller Säugetiere
                                                        Die Elefanten ziehen in „Familien“ durch den Busch,
                                                        immer geführt von einer erfahrenen alten Elefanten-
                                                        kuh (Matriarchat) und sind fast den ganzen Tag beim
                                                        Fressen. Als Nahrung dienen Gräser, Blätter, welche
                                                        trotz Dornen mit dem Rüssel von Ästen abgeklaubt
                                                        werden, oder auch andere Pflanzen und Rinden. Ein
                                                        erwachsener Elefant frisst 14-20 Stunden am Tag
Afrikanischer Elefant                                   bis zu 250 Kg Nahrung. Dabei werden die Backen-
Auf meinen vielen Reisen in das südliche Afrika         zähne bei dem großen Vegetarier extrem abgenutzt.
hat es mich immer wieder zu den grauen Riesen           Diese können aber bis zu 6-mal nachwachsen. In
gezogen. Im „Ostkap“ des südlichen Afrikas liegt die    einem Tierpark oder Zoo ist dies bei angepasster
Stadt Port Elizabeth, die von den Einwohnern des        Fütterung kein Problem, jedoch in freier Wildbahn
ständigen Windes wegen auch gerne als „Windy            verhungern sehr alte Tiere, weil sie keine Backen-
City“ bezeichnet wird. Etwa 70 km entfernt befindet     zähne zur Nahrungsverkleinerung mehr haben.
sich der Addo-Elefanten-Nationalpark.                   Elefanten können 60-70 Jahre alt werden.
1931 wurde dieser Park gegründet, um die letzten        Diese Familien sind unterschiedlich groß und
11 Kap-Elefanten vor der Ausrottung zu bewahren.        bestehen mit Ausnahme der männlichen Kälber
Nicht nur grausame Wilderer, sondern auch schieß-       ausschließlich aus weiblichen Tieren. Die Leitkuh
wütige reiche Ausländer haben wegen des Elfen-          gibt durch ihre Erfahrung vor, welches Wasserloch
beins Jagd auf diese großartigen Tiere gemacht.         angesteuert wird, ist in Gefahr immer die erste in
Jetzt, als größter Nationalpark im Ostkap hat sich      der Gruppe, warnt vor Gefahr und geht bei den
die Population erholt und dürfte bei ca. 600 Ele-       Wanderungen voran.
fanten liegen. Der Park wurde ständig erfolgreich       Am früher Morgen und in den Abendstunden zie-
vergrößert, ist inzwischen der drittgrößte Park in      hen die Tiere zu den Wasserlöchern. Natürlich wird
Südafrika und bietet wieder den „Big 5“ eine Heimat.    eine Elefantenfamilie niemals warten, es gibt eine
„Big 5“, die „Großen Fünf“ ist eine Bezeichnung der     von Natur aus vorgegebene Rangfolge unter den
früheren Großwildjäger für die fünf Tierarten, welche   Tieren: Die Elefanten dürfen zuerst trinken, erst
am schwierigsten zu erledigen waren. Dies sind          danach folgen Kaffernbüffel, Zebras, Antilopen und
Elefant, Nashorn, Kaffernbüffel, Löwe und Leopard.      anschließend die Warzenschweine. Letztere halten
Heute erstreckt sich der Addo bis zum Indischen         sich nicht immer ganz an die Regel, sind verwegen
Ozean, und neben den großen Landsäugetieren             und mutig und trinken oft am anderen Ende des
können nun auch der Wal und der Weiße Hai be-           Wasserlochs gleichzeitig mit den Elefanten. Es
obachtet werden. Addo ist damit der weltweit einzige    erfolgt dafür ein empörtes Rüsselschlagen, Grol-
Park mit den „Big-Seven“.                               len und Ohrenwackeln der grauen Riesen. In aller
Der Afrikanische Elefant hat im Gegensatz zum           Regel gibt es aber keinen handgreiflichen Streit. Es
Indischen Elefanten viel größere Ohren (in Form         wird nicht nur Wasser getankt, sondern es werden
vom Kontinent Afrika!), die Elefantenkuh hat auch       auch untereinander die sozialen Kontakte gefestigt.
Stoßzähne und die Afrikanischen Elefanten sind          Elefanten baden sehr gerne, danach bewerfen sie
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Senioren post wetzlar - Herausgeber: Der Magistrat der Stadt Wetzlar Mai / Juni 2022 Ausgabe 228
Reisen
sich mit Staub, um die empfindliche Haut vor Para-
siten und vor den Sonnenstrahlen zu schützen. Die
fälschlich als Dickhäuter bezeichneten Rüsseltiere
haben keine dicke, sondern eine sehr empfindliche
Haut.
Elefanten sind sehr soziale und mitteilungsbedürf-
tige Tiere. Zur Kommunikation verwenden Elefanten
innerhalb der eigenen aber auch zu anderen Fami-
lien mehrere Kommunikationswege. Das können
Gerüche der Ausscheidungen und Sekrete sein, mit
denen eine Elefantenkuh Fruchtbarkeit anzeigt. Das
Abtasten mit dem Rüssel stärkt soziale Bindungen
und tröstet. Die Laute in einem sehr niedrigen, für
Menschen nicht wahrnehmbaren Frequenzbereich
können über weite Strecken über die stämmigen
Elefantenbeine wahrgenommen werden.
Es gibt keine feste Paarungszeit, die Kühe bekom-
men bis zu ihrem 40 Lebensjahr alle drei Monate       Nachts hört der Gast Elefanten ums Zelt schleichen
ihren Östrus, das heißt sie sind paarungsbereit und   ist gekennzeichnet durch eine hohe Aggressivität
werden dann von den Bullen besucht. Vorausset-        gegenüber anderen männlichen Elefanten.
zung ist aber, dass die Kühe genug Nahrung finden.    Rund um den Addo Elefantenpark finden sich Un-
Nach gut 22 Monaten Tragezeit gebiert eine gesun-     terkünfte in allen Preislagen, von dem B&B über
de Elefantenkuh, umringt von anderen erwachse-        eine Lodge oder ein Ressort mit im Park liegenden
nen Kühen, in aller Regel ein Jungtier. Durch diese   Zelten, jeweils mit Dusche und WC ausgestattet.
Wand von Beinen wagt sich auch kein Löwenrudel        Nachts hört der Gast die grauen Riesen um das
anzugreifen. Die weiblichen Kälber werden bis zu      Zelt herum wandern und am frühen Morgen liegen
Ihrem Tod in der Familie bleiben. Nach vier Jahren    oft die Spuren der großen Nahrungsaufnahme vor
ist die Elefantenkuh wieder für eine neue Tragzeit    dem Zelt. Wer einen Mietwagen hat, kann auf den
bereit.                                               engen Straßen den Addo Park selber erkunden.
Während der Nacht und in den heißen Mittagstun-       Der Park ist zu großen Teilen dicht mit Büschen
den liegen die Kälber sicher unter den Elefanten-     und kleineren Bäumen bewachsen, und natürlich
kühen, um sich im Schatten von den langen Wan-        finden die Tiere hier Deckung und Sicherheit. Ein
derungen auszuruhen. Es kommt auch vor, dass          Gamedrive oder eine Ausfahrt in einem höheren
Kälber, die ohne die Fürsorge ihrer eigenen Familie   Safari-Jeep lässt deutlich mehr Tiere entdecken,
verloren sind, von einer „fremden“ Elefantenkuh       bietet Schutz vor der heißen Sonnenbestrahlung
angenommen werden. Ein junges weibliches Kalb         und auch das besondere Safari Feeling kommt in
wird lebenslang in der Familie bleiben.               einem offenen Jeep mit einem Ranger weit mehr
Den jungen männlichen Elefanten wird nach Ein-        auf als in einem Omnibus oder einem Privat-PKW.
setzen der Geschlechtsreife der Stuhl vor die Tür     Der Ranger und Fahrer weiß auch am besten,
gesetzt und diese müssen dann oftmals in soge-        wann und wie man einem Elefantenbullen von 4
nannten Bachelor Groups (Gruppe junger Elefan-        Meter Schulterhöhe aus dem Weg fährt oder sich
tenbullen) in weiterer Entfernung groß werden. Sie    bei einer plötzlich im Gras liegenden Löwenfamilie
lernen durch oftmals harmlose Raufereien und          verhält. Aus dem Krüger Park wurden einige der
Imponiergehabe untereinander sich zu verhalten        großen Elefantenbullen in den Park gebracht, um
und finden so ihren Platz in der Hierarchie. Diese    die Blutlinien aufzufrischen. Die Ranger sind alle
Bachelor Gruppen leben meist in Entfernung zu         über Funk untereinander verbunden, und wenn
ausgewachsenen Bullen. Ältere Bullen sind Einzel-     zum Beispiel eine Löwenfamilie oder ein Nashorn
gänger und nähern sich nur einmal im Jahr in der      entdeckt wird, finden sich in wenigen Minuten viele
„Musts“, dem Anstieg ihrer Hormone, den Elefan-       Fahrzeuge ein.
tenkühen, die aufnahmebereit sind. Der Zustand                                            Thomas Moser

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Zeitgeschehen
                                     Aus der Ukraine
Unser Leser Siegfried Bogdanski hat im März, in der
dritten Woche des Ukraine-Krieges, einige Zitate aus
seinem ukrainischen Freundeskreis auf Facebook zu-
sammengetragen. Er schreibt dazu:
Da ich selbst weder Ukrainisch noch Russisch spreche,
habe ich die Texte mit Hilfe eines Übersetzungspro-
gramms frei übertragen (und teilweise gekürzt und re-
digiert). Keine tiefschürfenden Analysen, sondern ganz
Persönliches. Es gibt alles, Verzweiflung, Zuversicht,
Trauer, Fürsorge, Zuspruch, Aufmunterung, Kampfgeist,
Überlebenswillen, Dankbarkeit.

Gewöhnung an das Grauen                               dass wir keine Faschisten und Nazis sind und
Julia schreibt:                                       dass wir keine Militärjunta haben.
Es herrscht immer noch Krieg in unserem Land.         Ich weiß nicht, wie man das mit den so genannten
Immer öfter hören wir, dass die Möglichkeit be-       Volksrepubliken Donezk und Luhansk erklären
steht, dass sich das noch Monate hinzieht. Die        soll, wenn sie nicht zuhören wollen.
Welt fängt langsam an, wieder ihre Geschäfte          Es ist, du weißt schon, wie wenn du ein Kind bist
zu machen, Flaggen der Unterstützung auf              und jemand dich für etwas beschuldigt, das du
Facebook verschwinden. Hier und da weigern            nicht getan hast, aber niemand dir glaubt.
sich Länder wegen ihrer eigenen Ängste, uns zu        Ich schreibe diesen Beitrag [im Original erheblich
unterstützen. Aber in der Ukraine sterben immer       länger] jetzt seit zwei Tagen und kann kein Ende
mehr Menschen.                                        finden.
Ich weine jeden Tag über die Nachrichten.             Ich ersticke vor Tränen und Machtlosigkeit.
Hier stirbt ein weiteres Kind in den Armen untröst-   In der Stadt, wo es heute ruhig war, heulen jetzt
licher Eltern. (Wie schrecklich es überhaupt ist,     die Sirenen.
„ein weiteres Kind“ zu schreiben.)                    Und der Flughafen wurde bombardiert.
Hier bleiben die Kinder als Waisen zurück, denn
das Auto mit ihrer Familie wurde bei der Eva-         Mobilmachung
kuierung beschossen. Und viele Autos wurden           Alexey hat sich gleich zu Beginn des Krieges zum
beschossen, wo niemand überlebt hat.                  Militärdienst gemeldet. Er schreibt:
Wir alle kennen jemanden, der in diesem sinn-         Viele Menschen bitten in den militärischen Regis-
losen Krieg gestorben ist, der geliebte Menschen      trierungsbüros um Anstellung.
verloren hat, dessen Haus zerstört wurde, der         Alte und Jugendliche, Männer und Frauen, Ge-
fliehen musste, alles zurücklassen musste, wofür      sunde und Kranke.
er oder sie lebte.                                    Natürlich werden es mit jedem Kriegstag weniger,
Ich weiß nicht, wie ich den Menschen erklären         denn die meisten, die es wollten, sind bereits in
soll, dass in meinem Land menschliches Leben          den Reihen der Armee.
geschätzt wird, dass wir in meinem Land keine         Menschen, die wir nicht für den Dienst mit der
Häuser, Schulen, Krankenhäuser und Entbin-            Waffe aufnehmen dürfen, werden gebeten, sich
dungskliniken beschießen würden.                      anderweitig nützlich zu machen, Schützengräben
Ich weiß nicht, wie ich den Leuten erklären soll,     auszuheben, Munition zu liefern.

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Zeitgeschehen

Erfahrene Männer mit Kampferfahrung, die älter        Bleiben oder Flucht
als das Militäralter sind, beteuern, dass sie nicht   Marina schreibt:
untätig herumsitzen und darauf warten können,         Einer meiner belgischen Kollegen hat mich ge-
dass der Feind in ihr Haus kommt.                     fragt, warum meine Familie nicht aus der Ukraine
Schade, dass wir nicht alle nehmen können.            weggezogen ist. Wollen sie nicht? Was ist das
                                                      Problem, einfach wegzugehen?
Stolze Ukrainerin mit russischer Sprache              Meine lieben belgischen Freunde, ihr wisst nicht,
Elena schreibt:                                       wie dramatisch die Situation jetzt ist.
Meine Muttersprache ist Russisch (meine ganze         Die Leute sind nach einer langen Reise von 4-5
Familie spricht russisch), einer meiner Ausbilder     Tagen so erschöpft. Einige von ihnen fallen hin.
ist Lehrer für russische Sprache und Literatur,       Ich weiß, dass es Bekannten von mir passiert
mein Lieblingsschmöker war Doktor Schiwago            ist. Und wir reden jetzt über junge und gesunde
von Boris Pasternak, ich liebte viele russische       Menschen.
Schriftsteller und Intellektuelle.                    Fragt einmal nach alten und kranken Menschen.
Nach den aggressiven Aktionen der Russen              Sie bleiben in der ukrainischen Stadt und werden
im Jahr 2014, die die Krim, den Donbass und           bombardiert. Weil sie wissen, sie werden diese
Luhansk besetzten, nach ihren schrecklichen und       Reise nicht überleben, von ihrer Heimat weg zu
terroristischen Aktionen gegenüber allen Ukrai-       gehen ins Nirgendwo.
nern und Krim-Tataren, die in dieser Region leben,    Es ist eine unglaubliche Tragödie in meinem Land.
und nach dem 24. Februar 2022 beginnt der un-
menschliche, terroristische Krieg von Russland        Aufruf zur moralischen Unterstützung
in der Ukraine,                                       Natalia aus Lwiw, Westukraine, schreibt mir auf
und nach so vielen Toten, Leiden, Trauer, Rui-        Deutsch:
nen, die russische Terroristen über unser Land        Was ich noch sagen wollte. Lieber Siegfried -
gebracht haben,                                       deine Worte über unsere katastrophale Situation
empfinde ich Ekel für alles, was die Russen hier      - sie gibt es nicht! Keine Katastrophe! Bitte, glaub!
erschaffen.                                           Sei nicht verzweifelt! Du bist nicht hilflos. Deine
Ich unterscheide mich immer mehr von Russen.          eindeutige Position - das ist deine Investition!
Wir haben hier nichts gemeinsam.                      In deinen Gedanken und Messages soll starke
Ich bin Ukrainerin, und ich bin stolz darauf!         Sicherheit bleiben, dass wir gewinnen! Anders
                                                      geht nicht. Auch deinen Freunden verbreite solche
                                                      Stimmung - es ist wichtig für uns!
                                                      Wir werden spüren solche Unterstützung!

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Zeitgeschehen

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Zeitgeschehen

                                Das Interview wurde geführt von Klaus Petry

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Aus der Natur

     „Alter Friedhof“ - ein Vogelparadies voller Leben
                                Ermutigung zu einem Vogelstimmen-Rundgang

                                   Ein ganz beson-         gewicht. Unser Spaziergang ist eine „Vogelstim-
                                   deres Refugium für      men-Wanderung“, bei der auch ältere und etwas
                                   unsere heimische        gehbehinderte Menschen ganz sicher zu schönen
                                   Vogelwelt ist in        Beobachtungen kommen werden. Die vielen Ruhe-
                                   Wetzlar ohne Zwei-      bänke erleichtern uns das Schauen und Horchen
                                   fel der „Alte Fried-    noch zusätzlich. Die hier lebenden Vögel sind an die
                                   hof“. Hier schei-       Menschen gewöhnt und geben sich deshalb nicht
                                   nen sich selbst         so scheu, wie die Vögel im Wald, und man hat sie
                                   die inzwischen          hier alle relativ dicht beieinander. Auf einem Rund-
                                   selteneren Vögel        gang durch den ganzen Friedhof, gewissermaßen
                                   wie Dompfaff,           von Bank zu Bank, besucht man automatisch alle
 Dompfaff                        Kirschkernbeißer,         unterschiedlichen Bereiche mit immer anderen
                                 Schwanzmeise und          Vogelarten. Durch Baumalleen, vorbei an gepfleg-
Tauerschnäpper noch richtig wohlzufühlen. Im               ten Gräbern, gelangen wir in buschige Zonen, und
Frühjahr wird uns hier wie kaum noch anderswo              schließlich führt uns unser Rundgang sogar durch
einvielstimmiges Vogelkonzert geboten. Die kleinen         ein waldähnliches Gelände, dicht bewachsen mit
Gesangskünstler führen sich auf, als wolle jeder           einem geschlossenen Blätterdach, fast wie im
alle anderen übertrumpfen. Uns kann das natürlich          Urwald.
nur recht sein, denn es hört sich im wahrsten Sinne        Das stille Verharren
des Wortes berauschend schön an. So werden wir             und Lauschen an den
schon gleich am Eingangstor zum „Vogelparadies“            verschiedenen Stel-
empfangen. Bei diesem Stimmengewirr fällt es uns           len offenbart uns die
schwer, zwischen den einzelnen Gesängen und                ganze Fülle unserer
Rufen zu unterscheiden, denn es sind immerhin              städtischen Vogelwelt.
dreißig bis vierzig Vogelarten, die wir hier an einem      Hier sucht ein Rot-
Vormittag antreffen können. Aber wir haben ja genü-        kehlchen auf dem                          Zaunkönig
gend Zeit und Muße mitgebracht, um allen kleinen           Weg nach Räup-
Künstlern gerecht zu werden.                               chen für seinen hungrigen Nachwuchs, da schmet-
Hilfreich ist es natürlich, wenn wir ein kleines Bestim-   tert ein Voge lautstark und mit nicht enden wollender
mungsbuch und ein Fernglas dabei haben. Auch               Energie sein Lied hinaus in die Welt. Schauen wir
ist es vorteilhaft, diese kleine Exkursion nicht allein    in seine Richtung, stellen wir erstaunt fest, dass
durchzuführen, denn vier Ohren hören bekanntlich           einer unserer kleinsten Vögel, nämlich der quirlige
mehr als zwei. Naturinteressierten Menschen bietet         Zaunkönig, der Urheber dieser alles übertönenden
sich auf diesem schönen Friedhof die nicht mehr            Gesangseinlage ist. Er will ja nicht überhört werden
so alltägliche Gelegenheit sich an vielen schönen          von seiner Angebeteten, und Zeit verlieren darf er
Begegnungen mit unseren gefiederten Freun-                 auch nicht mit der Familiengründung. Ungeduldig
                                       den zu erfreu-      dreht und wendet er sich während seiner Gesangs-
                                       en. Das ist für     vorführung, hüpft mal hier und mal dort hin und führt
                                       uns Menschen        sich dabei auf wie der Herr Wichtig des Friedhofs,
                                       wohltuend und       halt wie ein kleiner König. Viel ruhiger lässt es da
                                       entspannend, es     schon der Dompfaff angehen, der gerade in einen
                                       sorgt fürschöne     Busch fliegt und uns von dort seine rot leuchtende
                                       Gedanken und        Brust präsentiert. Mit seiner schwarzen Kappe und
                                       bringt uns auch     den schwarzen Flügel- und Schwanzfedern macht
                                       seelisch spür-      er seinem Namen alle Ehre. Sein bescheidener, fast
      Kernbeißer                       bar ins Gleich-     schüchterner Gesang passt so gar nicht zu seinem
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Wetzlar aktuell
                                imposanten Äußeren,       haft im Garten begegnet. Es ist die unauffällige He-
                                damit ist er also das     ckenbraunelle, die hier irgendwo in Bodennähe ihr
                                genaue Gegenteil          Nest verlassen hat, um ihren Hunger zu stillen. Die
                                vom „wichtigen“ Zaun-     Räupchen sind jetzt im Frühjahr schnell gefunden,
                                könig.                    und schon huscht sie wieder zurück durch die He-
                                Plötzlich raunzt uns      cke. Das Männchen hören wir vielleicht hoch oben
                                ein aufgeregter Gesel-    im Baum sein bescheidenes Liedchen vortragen.
                                le über uns im Geäst      Aber auch unsere allbekannte Amsel verwöhnt uns
                                sitzend an, so dass wir   mit ihren wohltönenden Strophen, laut und melo-
                                uns sogar ein wenig       disch wie immer. Sie können wir gut heraushören.
                                erschrecken. Es ist       Unser „Alter Friedhof“ bietet den Vögeln mit seinen
 Amsel                           das Eichhörnchen,        herrlichen alten Bäumen, den verschiedensten
das sich um seinen Nachwuchs im Kobel oben im             Hecken und Sträuchern beste Lebens- und Brut-
Baum sorgt und auf keinen Fall möchte, dass wir           bedingungen. Durch die vielen von fürsorglicher
ihm zu nahe kommen. Als ob wir gerade vorhätten,          Hand aufgehängten Vogelhäuschen werden die
als nächstes auf den Baum zu steigen...                   natürlichen Nistmöglichkeiten für die verschieden-
Natürlich gehen wir schnell weiter und werden von         artigen Höhlenbrüter wie Blau- und Kohlmeisen
einem meisterlichen Gesang überrascht, recht laut         sowie Gartenrotschwänzen und sogar Dohlen
und wunderschön anzuhören. Das ist die Mönchs-            noch sinnvoll ergänzt.
grasmücke, die glücklicherweise noch sehr regel-          Aber die Vögel fühlen sich hier auch deshalb so
mäßig in allen Wetzlarer Parks zu erleben ist. Sie        wohl, weil es auf Friedhöfen nicht die laute Hek-
gilt nach der Nachtigall als die beste Sängerin in        tik und die sonstigen stö-
unserer heimischen Vogelwelt.                             renden Einflüsse der Stadt
Ein Weidenlaubsänger mischt über uns - vom                gibt. Diese sprichwörtliche
Blätterdach verdeckt - hörbar mit. Seine immer            Friedhofsruhe zieht die Vö-
wieder ertönende Gesangstrophe besteht nur aus            gel magisch an, das kann
einem schlichten „Zilp-zalp-zilp-zalp“, womit er uns      man so auf allen größeren
dann auch gleich seinen volkstümlichen Namen              natürlich gestalteten Fried-
verrät - Zilpzalp. Unser nach oben gewandter Blick        höfen im Lande beobach-
fällt zufällig auf die brütende Ringeltaube, die gut      ten, bei uns natürlich vor
getarnt im Astwerk auf ihrem umfangreichen Nest           allem auch noch auf dem
sitzt. Wahrscheinlich sehen wir nur ihren Kopf, aber      „Neuen Friedhof“. Für uns
                                                                                                 Rotkehlchen
ganz sicher hat sie selbst uns schon die ganze Zeit       Menschen und unsere ver-
über im Auge gehabt. Man kann ja nicht vorsichtig         storbenen Lieben ist es seit jeher ein unbedingtes
genug sein.                                               Bedürfnis, dass es auf dem Friedhof ruhig und fried-
Zwischendurch erfreuen wir uns an den neu be-             voll zugeht. Diese Friedhofsruhe ist uns allen sehr
lebten wunderbaren Kaskaden. Das beruhigende              wichtig. Allein unsere Vögel dürfen, ja, sollen diese
Plätschern und harmonische Fließen des Wassers            Ruhe mit ihrem herzerfrischenden Gezwitscher
vermischt sich mit dem vielkehligen Gesang des            beleben, damit auf dem Friedhof keine Totenstil-
Vogelchores. Hier bleiben wir etwas länger sitzen         le herrscht...Und wenn sich am Schluss unseres
und träumen und lauschen. Da sehen wir plötzlich          Vogelstimmen-Rundgangs das Bedauern darüber
                              einen rotkehlchengroß-      einschleicht, dass er leider schon zu Ende ist, kann
                              en Vogel dicht über dem     man sich schnell damit trösten, dass unsere Fried-
                              Boden entlanghuschen,       höfe ja ganzjährig geöffnet sind. Und eines kann
                              er ist leicht mit einem     ich versprechen: Jeder weitere Rundgang führt zu
                              Spatz zu verwechseln.       ganz neuen Beobachtungen und Erlebnissen. Kein
                              Den Vogel kennen wir        Tag verläuft wie der andere. Das ist glücklicherweise
                              vermutlich nicht, obwohl    ganz anders, als wenn wir uns eine Wiederholung
                              er uns auch immer wie-      im Fernsehen ansehen. Da ändert sich nichts.
                              der mal fast schemen-                                       Peter-Jörg Albrecht
  Gartenrotschwanz
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Unterhaltung

                                Walter von der Vogelweide und
                                 seine Liebe zu den Vögeln
                                                      Der Hohenstaufe Friedrich II. beschenkte ihn mit
                                                      einem Lehen. Darüber freute er sich so, dass er
                                                      ein Lied verfasste: „Ich hab ein Lehn erhalten, all
                                                      Welt ich hab mein Lehn!“
                                                      In zahlreichen Liedern offenbart er inniges, religi-
                                                      öses Empfinden. Er schwärmt von der Natur, der
                                                      Liebe und der Schönheit der deutschen Lande.
                                                      Auch die Politik blieb in seinen Liedern nicht
                                                      verschont. Wie Goethe war er dem Echten und
                                                      Wahren zugetan. Seine besondere Liebe galt den
                                                      Vögeln. Auch in dem bekannten Liebesgedicht
                                                      „Unter der Linde“ spielt ein kleines Vögelein eine
                                                      Rolle. Es erzählt von dem Bett, das er für seine
                                                      Liebste unter einer Linde aus Blumen bereitet
                                                      hat. Keiner hat die Liebenden dort gesehen, nur
                                                      ein kleines Vögelein, das aber ihr Geheimnis
Nach getaner Arbeit sitze ich gerne vor meiner        getreulich bewahren würde. 1227 starb Walter
Gartenhütte und schaue den Vögeln zu. Lustig          von der Vogelweide in Würzburg. Als alter Mann
hüpfen sie in den Zweigen der Obstbäume umher,        hatte er sich dort in ein Kloster zurückgezogen,
picken nach Insekten und bringen die gefundene        das zu Füßen des Münsters und seiner mächtigen
Beute eifrig in ihren Schnäbeln zu den wartenden      Türme lag. Die Mönche haben den berühmten
Jungen im Nest. Wenn dann gegen Abend die             Mann bis zum Tod dort liebevoll gepflegt. Vom
Schatten immer länger werden, stellen sie ihre        Fenster seiner Zelle aus sah man auf eine alte
Arbeit ein und singen aus vollen Kehlen ihr Abend-    Linde, die im Klostergarten stand. Vor diesem
lied. Ich lausche andächtig diesen wunderbaren        Fenster soll Walter oft in einem Lehnstuhl geses-
Melodien und lasse dabei meine Gedanken zie-          sen und die vielen Vögel im Baum beobachtet
hen. Vor nicht langer Zeit saß ich noch zusammen      haben. In diesem Lehnstuhl fanden die Mönche
mit meinem Mann hier und wir lauschten gemein-        den berühmten Mann tot, mit einem Lächeln auf
sam. Wehmütig, aber auch dankbar und glücklich        dem friedlichen Antlitz. Auf dem Pult lag ein Blatt,
für die lange Zeit, die uns zusammen geschenkt        das der Verstorbene
war, bleibe ich sitzen, bis der letzte Vogel seinen   mit seiner akkuraten
Gesang einstellt und in sein Nest huscht. Es gibt     Handschrift verfasst
viele Menschen, die den Gesang der Vögel lieben,      hatte: „Dem ehrwür-
darunter nicht wenige Musiker, die diese lieblichen   digen Abt und allen
Gesänge in ihre Kompositionen einfließen ließen.      Mönchen und Brü-
Einer davon war Walter von der Vogelweide. Er         dern sage ich meinen
war der größte lyrische Dichter des Mittelalters.     innigsten Dank für
Mutmaßlich wurde er in Südtirol gegen Ende des        den gottgesegneten
12. Jahrhunderts geboren. Genaueres ist darü-         Lebensabend, den
ber nicht bekannt. Er war der Sohn verarmter          sie mir bereitet ha-
Adeliger, führte ein Wanderleben und ernährte         ben. Als geringes Zei-
sich von seiner Kunst. Am liebsten weilte er zu       chen meiner Dank-
Eisenach am Hofe des Landgrafen Hermann. Dort         barkeit vermache ich
war er ein gern gesehener und geschätzter Gast.       dem Kloster alles

16   seniorenpost wetzlar 228
Unterhaltung

Gold und die Juwelen, die mir im Laufe meines           die Vögel bereitstellten. Diese sollen sich bedankt
Lebens für meine Sangeslust gegeben worden              haben, indem sie aus voller Brust und in allen
sind und in der eigenen Truhe liegen. Noch eine         Tonarten „Vogelweid“ schmetterten.
Schuld habe ich abzutragen an die Chorknaben            Als dann eine schwere Zeit mit einer großen
des Himmels, die Vögel, die meine Lehrmeister           Hungersnot die Würzburger Bevölkerung plagte,
mein ganzes Leben hindurch gewesen sind. Für            beschlossen die Mönche, Brot für die Darbenden
den Unterricht, den sie mir gegeben, sollen sie         aus den eigentlich für die Vögel vorgesehenen
täglich um die Mittagszeit unter der großen Lin-        Vorräten, zu backen.
de am Kirchentor auf meinem Grabe gefüttert
werden.                                                 Die alte Linde ist verschwunden. Aber neue
                                                        Bäume bieten den Vögeln im Klostergarten
Die Mönche bereiteten ihrem Gönner ein Grabmal          Lebensraum. Einige Mönche behaupten noch
im Kreuzgang des Neumünsters in Würzburg. Zur           heute würden die sich dort tummelnden Vögeln
Mittagstunde kamen die Chorknaben mit Schalen           während ihres Gesanges den Namen „Vogelweid“
voller Körner, die sie getreulich unter der Linde für   zuzwitschern.
                                                                                  Gisela Ute Freisinger

                                                                                  Unter der Linde,
Under der linden                                                                     auf der Wiese,
an der heide,                                              dort wo das Bett von uns zweien war,
                                                                               da könnt ihr sehen,
dâ unser zweier bette was,                                                     liebevoll gebrochen,
                                                                                 Blumen und Gras.
Dâ muget ir vinden                                                  Vor einem Wald in einem Tal,
                                                                                        tandaradei,
schône beide                                                             sang schön die Nachtigall.
gebrochen bluomen unde gras.                                                Daß er mit mir schlief,
                                                                                wüßte das jemand
Vor dem walde in einem tal,                              (nein bei Gott!), dann schämte ich mich.
                                                                               Was er mit mir tat,
tandaradei,                                                                niemand jemals soll das
                                                                       wissen außer ihm und mir.
schône sanc diu nahtegal.                                                Und jenem kleinen Vogel:
                                                                                        tandaradei,
Walter von der Vogelweide                                   der wird sicherlich verschwiegen sein.

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Unterhaltung

                                Obdachlos? Ausgebombt!
Wir Kinder wuchsen heran ohne recht zu verste-       Mir war, als wäre ich soeben aus einem tiefen
hen, was das bedeutete. Mit bedingungsloser          Traum erwacht.
Liebe wurden wir von unseren Müttern umsorgt
im Glauben, dass uns nichts fehlt. Was gehörte       Um mich herum war alles anders, aber nicht
zu dieser Liebe dazu? Der Vater? Ja, wir hatten      fremd. Ich hatte ein seltsames Gefühl in mir. Was
Väter, die aber für uns Kinder meist abwesend        war geschehen? Langsam fand ich mich zurecht.
waren; unerreichbar, irgendwo waren sie, weit        Aber, wie war ich hierhergekommen? Ich befand
weg zu Kampfeinsätzen an der Front. Für die          mich im Wohnzimmer meiner Oma auf der Hohl,
Mütter und Kinder hörte sich das sehr bedrohlich     allein im Zimmer, in einem der fremden Betten.
an und war immer mit Angst verbunden. Freude         Merkwürdig! Mit meinem Bett waren es fünf Mes-
kam auf, wenn Vater für einige Tage in Urlaub von    singbetten im Zimmer. Im Nebenraum hörte ich
der Front heimkam.                                   einige Stimmen von bekannten Menschen, die
                                                     undeutlich durcheinander sprachen. Ich verstand
Meine Tante erzählte mir von einer Freude, die       nichts. Es klang traurig, weinerlich…. Plötzlich
das ganze Haus mit der Musik meines Vaters           ging die Tür auf, meine Oma nahm mich wortlos
erklingen ließ. Seine Querflöte lag immer wohl-      auf den Arm und trug mich in die große Wohnkü-
verwahrt auf dem Vertiko im ersten Stock des         che, wo meine Familie am Tisch saß. Ich erblickte
Hauses. Wie ein Heiligtum wurde sie behandelt.       meinen Cousin, mein einziger Spielkamerad.
Keiner von uns Kindern wagte sie zu berühren.        Meine Welt war vorerst in Ordnung. Die Erwach-
Als Mozartverehrer wusste mein Vater, dass die       senen waren ganz still. Meine Oma sprach das
Familie und ganz besonders meine Großtante           Tischgebet und dankte, dass wir uns alle wieder
begeistert warteten auf seine Darbietung der         ‚lebend‘ zusammenfanden und gemeinsam aßen.
Serenade Nr. 13 „Eine kleine Nachtmusik“ u. a.!      Für unsere Väter und die vielen unbekannten Sol-
Musik beflügelte die Familie im wahrsten Sinne       daten, die irgendwo weit weg an der Front waren,
des Wortes. Die Alltagssorgen verschwanden           wurden jeden Abend die weißen Haushaltsker-
während der Anwesenheit des Vaters. Mit der          zen im abgedunkelten Haus angezündet. Meine
Genialität seines Musikerherzes verstand er trotz    Großtante sprach andächtig von der Hoffnung,
der Widrigkeiten des Krieges, die Hoffnung auf       die wir nicht verlieren dürften. Nach dem Essen
das baldige Ende des Krieges zu hinterlassen.        sangen wir, wie immer, gemeinsam „Nun danket
Der nächste Soldatentransport an die Front nahm      Alle Gott“! Auch wir Kinder sangen alle Strophen
ihn wieder mit. In den letzten Feldpostbriefen las   auswendig mit. Die Stimmung der Erwachsenen
ich tatsächlich, dass die Soldaten an der Front      empfand ich sehr gedämpft. Sie waren ruhiger,
fest an ein baldiges Ende des unseligen Krieges      in sich gekehrt. Mein Cousin und ich gingen
glaubten, sobald der „Tommy“ besiegt sein würde,     schlafen. Ziemlich seltsam war es, dass wir alle
so die Propaganda!                                   gemeinsam in einem Zimmer schliefen. Was das
                                                     zu bedeuten hatte, erfuhr ich nur allmählich. Mei-
Die Mütter blieben mit ihren ungewissen Zukunft-     ne kindliche Neugier half mir dabei. Von unseren
sängsten zurück. Der Krieg tobte weiter. Wir Kin-    Müttern schnappte ich einzelne Worte auf. Es
der hatten uns längst gewöhnt an dieses Leben,       waren Worte, womit ich wenig anfangen konnte
da wir kein anderes kannten. Tag täglich über-       und ich verstand sie auch nicht.
raschten uns im Haus Schreckensnachrichten
über Todesfälle, Sirenengeheul, Bombenalarm          Wir Kinder hatten nichts mitbekommen! Unsere
und die Hast in den Bunker. Und irgendwann ka-       Mütter schleppten uns meist übermüdet nach
men wir nicht mehr in unser Haus zurück! Etwas       dem Sirenengeheul „Entwarnung“ heim. Bevor es
musste passiert sein. Ich kann mich noch sehr        nun heim ging erreichte die Familie die Mitteilung
gut erinnern!                                        „ausgebombt“!! Viele Häuser wurden von den

18   seniorenpost wetzlar 228
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 - durch Information und Austausch eine partnerschaft-
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 - die individuelle Lebenssituation, die Biographie
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   Pflegebedürftigen fördern und respektieren
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                                   Es betreut Sie gerne:
                                   Inh Cristina Blazek
                                   und Martina Albrecht
Unterhaltung

schrecklichen Bomben getroffen. In der ganzen       Mutter. Dies geschah auch an diesem Morgen,
Stadt herrschten chaotische Zustände! Wetzlar       weil die Straße von fremden Männern in Mas-
versank in Trümmern! Der 21. November 1944          kerade versperrt wurde. Aha, die Neuigkeit! Es
brachte unermessliches Leid in viele Wetzlarer      wurde bekannt, dass der Krieg beendet war. Diese
Familien. Wir wurden obdachlos in unserer ge-       fremden Männer waren amerikanische Soldaten
liebten Heimatstadt Wetzlar. So landeten wir alle   in ihrer Uniform. Die Erwachsenen sprachen von
bei Oma und Opa. Die Erwachsenen wirkten            den „Befreiern“. Eine interessante Zeit.
ratlos und eine unendliche Traurigkeit begleitete
uns jeden Tag.                                      Es war wirklich abenteuerlich inzwischen gewor-
                                                    den. Das nächste Ereignis ließ nicht lange auf sich
Unser kindliches Leben ging weiter!                 warten. Es war schwer für uns Kinder zu begrei-
Wir waren jetzt in einer anderen Umgebung; nicht    fen: Unsere Mütter bekamen von der „Wohlfahrt“
fremd bei unserer Oma, die uns abends mit Trä-      Betten aus bestem Tannenholz. Eine andere
nen in den Augen fest an sich drückte, bevor wir    Bleibe wurde uns zugewiesen. Das war nicht
müde einschliefen. Der Bombenalarm war nicht        einfach. Wer wollte uns haben als „Ausgebomb-
mehr so häufig. Sirenengeheul ließ langsam nach     te“ und „Obdachlose“ in unserer Heimatstadt?
und wir mussten weniger bei Nacht das Haus          Meine Tante und mein Cousin fanden für kurze
verlassen. Die Mütter saßen abwechselnd in der      Zeit einen Schlafplatz bei einer lieben Freundin
Nacht stets unruhig am Volksempfänger, um ver-      vor dem Torbogen.
botenerweise Nachrichten abzuhören.
                                                    Aber dann bot sich für sie die Möglichkeit in der
Tagsüber befanden wir uns weiterhin in Sichtweite   Wigandstraße bei dem legendären, großherzigen
und Bewachung unserer Mütter. Bisher hatten wir     Diakon Rauer und seiner Familie in einer Man-
einen Garten. Unser jetziges Spielparadies wurde    sarde unterzukommen. In dieser Umgebung zu
die Römerstraße und war wesentlich interes-         leben war ein großer Gewinn in dieser schweren
santer. Hier fanden wir eine große Anzahl neuer     Zeit. Familie Rauer kam ihrer christlichen Näch-
Freunde und einer Freundin, die uns in Spiele       stenliebe voll und ganz nach. Alle Bewohner des
einweihten, die uns bisher unbekannt waren.         Hauses und die Nachbarn konnte Herr Rauer
                                                    auf seine besondere Art ermuntern. Es wurde
Unsere Spiellust allerdings wurde unangenehm        wieder mit anderen Leuten zusammengesessen,
eingeengt. Wir entdeckten Straßensperren, die       gemeinsam gesungen und meine Tante und mein
von fremden Männern bewacht wurden und              Cousin in die fröhliche Rauer - Familienrunde mit
das Verlassen der Wohnstraße nicht zuließen.        deren drei Töchtern aufgenommen. Die unbe-
Irgendwie bemerkte ich eine Veränderung. Die        heizte Mansarde zum Schlafen war damals üblich.
Erwachsenen um uns herum sprachen jetzt wie-        Meine Mutter und ich als „Ausgebombte“ erlebten
der mehr untereinander. Es musste sich einiges      ein großes Fiasko mit der Unterbringung. Unsere
Schwerwiegende ereignet haben. Aber was?            Hausleute wollten uns nicht haben. Sie lehnten
Wir durften nur bis zum Straßenende laufen und      uns ab und schikanierten uns, wie das meine
wieder zurück. Es ging auch nicht weiter.           Mutter ausdrückte. Meine energische Mutter ließ
                                                    sich nichts gefallen. Sie musste als Mittel- und
Sollten die Straßensperren für die Erwachsenen      Obdachlose zum „Amt“, das ihr missfiel und
den Gesprächsstoff liefern? Ich war schon immer     schimpfte heftig über die Behandlung der vom
neugierig. Das musste ich in Erfahrung bringen.     Krieg geschädigten Frauen mit ihren Kindern. So
Mein Cousin war nicht so forsch wie ich. Wenn ihm   gelang es ihr beim Wohnungsamt, dass wir in die
etwas seltsam vorkam, rannte er zurück zu seiner    Frankenstraße bei einem „Leitzianer“ einziehen

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